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Lieben und geliebt werden

von

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Der Hochzeitstag

Heute in zwei Wochen! Ihr Vater hatte anscheinend Spaß daran, seine Tochter noch länger von ihrem André fernzuhalten! „Das kann er vergessen!“, schnaubte Oscar außer sich, nachdem der Bote die Anordnung des Generals überbracht hatte und fortgeritten war.

 

„Beruhige dich, Liebling.“ Emilie kam auf die zwei nebeneinander stehenden Wiegen zu und begutachtete ihre schlafenden Enkelkinder. „Sonst weckst du sie wieder.“

 

„Das ist mir gleich!“ Dennoch dämpfte Oscar ihre Stimme und folgte ihrer Mutter. „Ich breche morgen auf.“ Sie schaute auf ihre Kinder zwar nicht mit offenkundiger Mutterliebe, aber mit gewissem Stolz und warmherzigen Glanz in ihren sonst so kühlen Augen. „Und meine Kinder nehme ich mit. Sie haben das Recht, ihren Vater zu sehen.“

 

„Wie stellst du dir das vor?“, fragte Emilie sie sanft und strich hauchfein jedem einzeln der Zwillinge an der Wange – darauf bedacht, keinem von den Beiden zu wecken. „Sie müssen jede Stunde gestillt werden und du willst doch keine Amme einstellen, wie es in einem Adelshaus so üblich ist.“

 

„Das macht mir nichts aus...“ Oscar erfand auch dazu eine Lösung: „Dann lege ich jede Stunde eine Rast ein. Und Ihr kommt doch auch mit...“

 

Emilie seufzte. „Ja... Ich werde dich natürlich begleiten... Aber bedenke doch, wie klein sie noch sind... und wir brauchen noch mehr Bedienstete, um sie gut auf dem Weg versorgen zu können... Kurz um, deine Kinder brauchen neben einer Amme auch ein Kindermädchen.“

 

„Ich will sie selbst erziehen und meinem Vater beweisen, dass ich auch alleine zurechtkommen kann!“, wollte Oscar am liebsten ihrer Mutter weismachen, aber biss sich dagegen auf die Zunge. Ihre Mutter hatte ja so recht, in allem was sie sagte. Das war mehr das trotzige Temperament in ihr, das danach verlangte, ihrem Vater sich zu widersetzen. Denn er hatte schon genug über sie bestimmt und sie hatte sich schon genug seinem Willen gebeugt. „Nun gut...“, gab Oscar widerwillig nach. „Ich werde die zwei Wochen ohne André noch aushalten... Aber nur, weil Ihr es so wünscht, Mutter...“

 

Emilie wandte sich zu ihr mit einem seligen Lächeln auf den Lippen. „So ist es gut.“ Sie nahm Oscar sachte bei dem Arm. „Und jetzt beginnen wir lieber mit den Hochzeitsvorbereitungen.“

 

„Es soll alles schlicht, ohne übertriebenen Prunk sein.“, entschied Oscar.

 

„Selbstverständlich.“ Emilie sah darüber hinweg. „Aber ein Hochzeitskleid müssen wir dir trotzdem anfertigen lassen.“

 

„Nein, Mutter!“, protestierte Oscar sofort heftig.

 

„Es muss auch nicht pompös sein...“

 

„Trotzdem, Mutter! Es reichte mir, dass ich die letzten Monate die Umstandskleider ertragen musste!“

 

„Ja... ein schlichtes Hochzeitskleid...“ Emilie ließ sich von ihren Eskapaden nicht beeindrucken: „Und ich bin mir sicher, dass es auch André gefallen würde...“

 

An diesem Punkt erstarben Oscars Proteste. André hatte ihr zwar einstmalig gesagt, dass egal ob sie ein Kleid oder Uniform trugt, er würde sie immer gleich lieben. Und das tat er auch. Aber Oscar erinnerte sich an ein schon längst vergessenen Ballabend und wie André ihr die Korsage aufgeschnürt hatte. „Du siehst wunderschön aus...“, hatte er zu ihr damals leise gesagt und sie dabei mit all seiner Liebe angesehen... Oscar schluckte hart. Damals waren sie noch nicht zusammen, obwohl sie schon über seine Liebe Bescheid gewusst hatte... „Also gut...“, gab sie auch hier nach. „Aber das tue ich nur für ihn und für niemanden sonst!“

 

 

 

 

 

- - -

 

 

 

 

Oscar begutachtete sich im Spiegel, während die Dienstmädchen die letzten Falten an ihrem Hochzeitskleid glätteten. Heute war der große Tag und heute sollte ihr Vater zusammen mit André und Sophie ankommen. Oscar schmunzelte unwillkürlich. Die Feier würde dem General ganz bestimmt zu ärmlich und seines hohen Standes unwürdig erscheinen, aber für André dagegen ganz passend. Oscar und ihre Mutter hatten sorgsam darauf geachtet, dass alles so schlicht wie möglich, aber auch ansehnlich ausgestattet war. Sogar das Hochzeitskleid war ursprünglich eines von Oscars Umstandskleidern gewesen. Man musste es nur an der Taille und Oberkörper umnähen und fertig war dann das Ganze.

 

„Du siehst schön darin aus.“ Emilie legte von hinten ihrer Tochter sanft die Hände auf die Schultern und beschaute sie im Spiegel.

 

„Danke, Mutter...“ Oscar war selbst von dem himmelblauen Kleid etwas angetan. Es besaß keine Korsage, was für sie schon mal sehr angenehm war, der Ausschnitt versteckte züchtig ihre Oberweite und enthüllte nur ein bisschen Schlüsselbein, wo es dann mit Futter gefülltem Stoff an den Schultern endete und schließlich den Arm entlang immer schmaler wurde, bis zu den Handgelenken.

 

„Willst du dein Haar offen lassen?“

 

„Ja, Mutter...“ Oscar wollte nicht den Grund erwähnen, warum sie abgeneigt war, ihr Haar hochzustecken. Das hatte etwas mit dem einmaligen Ballabend zu tun und daran wollte sie erst gar nicht erinnert werden.

 

Ein Dienstmädchen betrat den Salon und knickste vor den beiden Frauen. „Madame. Lady Oscar. Die Kutsche mit Monsieur General und seinen Begleitern ist gerade eingetroffen.“

 

Oscars Herz flatterte aufgeregt, aber sie gab nichts davon Preis. Nur noch ein paar Stunden und dann würde sie mit ihm zusammen sein. Emilie, als Hausherrin und Gemahlin des Generals, ergriff sogleich das Wort an die Dienstmädchen. „Ihr wisst, was zu tun ist. Richtet meinem Gemahl und André das aus, was und wie wir es schon vor Tagen abgesprochen haben. Und wenn sie fertig sind, treffen wir uns alle in der Kapelle.“

 

„Jawohl, Madame.“ Das Dienstmädchen verneigte sich und verließ den Salon.

 

 

 

- - -

 

 

 

Reynier stürmte in das Haus und kaum dass die Bediensteten ihn begrüßten, verlautete er rasch: „Zeigt mir meinen Enkelsohn!“

 

Die Bediensteten wechselten flüchtig einen Blick miteinander. Damit hatten sie nicht gerechnet – so hatten es Madame de Jarjayes und Lady Oscar mit ihnen nicht abgesprochen. Aber sie wollten weder den General noch die zwei Hausherrinnen verstimmen und so trat einer der Empfangsdiener hervor. „Folgt mir Monsieur.“

 

Reynier stolzierte mit schwellender Brust dem Empfangsdiener nach, ungeachtet auf seine Begleiter. Diese machten Anstalten ihm zu folgen, aber wurden von einem Dienstmädchen abgehalten. „Nicht da lang. Madame Sophie, André, ihr beide folgt mir bitte in ein anderes Zimmer. Dort wohin der General geht, zieht sich gerade Lady Oscar in ein Hochzeitskleid um.“

 

„Verstehe...“, leuchtete es Sophie ein. „Das bringt natürlich Unglück, wenn Bräutigam seine Braut vorzeitig im Hochzeitskleid sieht. André, komm!“, ermahnte sie ihren Enkel, der perplex und sehnsuchtsvoll in den oberen Stockwerk starrte.

 

„Ja, Großmutter...“, murmelte er und setzte seine Füße in Bewegung. Er war aufgeregt, das konnte er nicht verbergen, aber auch bestürzt. Denn offensichtlich würde der General seine Oscar und seine Kinder als erster sehen. Die Zimmer, in die er mit seiner Großmutter geleitet wurde, kannte er gut – es waren Oscars Gemächer, wenn sie sich hier in der Normandie aufhielt. Sofort keimte ein wohliges Gefühl in ihm und nahm ihm sogar die Aufregung weg.

 

„Mir nach.“ Das Dienstmädchen führte sie durch den Salon in das Schlafzimmer. Auf dem Bett lagen ordentlich ausgebreitet die Männerkleider. „Das ist für dich.“, sagte sie lächelnd und schaute zu Sophie. „Anlässlich der Hochzeit ist auch für Euch ein Kleid vorbereitet. Es liegt auf Eurem Zimmer.“

 

„Oh, das wäre doch nicht nötig...“ Sophie war gerührt.

 

André strich durch die dicht gewebte Ausgehjacke und schmunzelte vor sich hin. Oscar hatte an alles gedacht. Die Sachen sahen seiner alltäglichen Kleidung ähnlich, aber waren am Ärmel und Kragen mit Muster genäht. Das verlieh ein frisches und neues Aussehen. Ein leises Quengeln ließ ihn plötzlich hochfahren. Er schaute sich stutzig in dem Zimmer um und sein Blick fiel auf zugezogene Vorhänge, die ein Viertel des Zimmers abtrennten. Auch Sophie folgte seinem Blick mit weit aufgerissenen Augen. André erinnerte sich ganz deutlich, dass diese Vorhänge noch nie da waren. „Was ist dahinter?“, brachte er leise von sich.

 

Das Dienstmädchen errötete und lächelte noch breiter als vorhin. „Geh hin und schaue es dir selbst an.“

 

André schluckte, blieb stehen und schob ganz vorsichtig die Vorhänge auseinander. Direkt vor seinen Augen standen zwei Wiegen und in je einer lag ein Kind. „Sind... sind das...“ André geriet ins Stottern, ihm schwirrte der Kopf.

 

„Ja, das sind deine und Lady Oscars Zwillinge.“ Das Dienstmädchen ging zwischen den beiden Wiegen durch und drehte sich am Kopfende zu André um. „Darf ich vorstellen?“ Sie zeigte mit der rechten Hand auf ein blondgelocktes Kind: „Das ist euer gemeinsamer Sohn, Oskar.“ Und mit der linken Hand auf braunhaariges Geschöpf in der zweiten Wiege. „Und das ist eure gemeinsame Tochter, Andrée.“

 

André war überwältigt und musste mehrmals schlucken, um seine Fassung beizubehalten. Zwillinge! Er konnte, als er es zum ersten Mal gehört hatte, nicht richtig daran glauben. Jetzt sah er sie und seine Gefühle überschlugen sich. Sogar die Namen nahm er vorerst nicht zur Kenntnis und schaute ganz gerührt nur von einer Wiege in die andere. Sophie schniefte neben ihm rührselig und dann fiel ihr plötzlich was anderes ein: „Aber wo ist dann der General hin?“

 

Das Dienstmädchen kam nicht umhin leise zu kichern. „Lady Oscar bestand ausdrücklich darauf, dass André der erste sein soll, der ihre Kinder sehen darf. Und deswegen wurde der General in die Gemächer seiner Gemahlin geführt.“

 

 

 

- - -

 

 

 

Reynier war ganz schön empört, als sich herausstellte, dass sich sein Enkelsohn nicht in den Gemächern befand, in die er geführt wurde. Es hätte ihn schon stutzig machen sollen, als er den Salon seiner Frau betrat. Aber er war vorerst von der Erscheinung seiner Tochter geblendet und abgelenkt. „Ich grüße Euch, Vater.“ Ihre kühle Stimme brachte ihn allerdings gleich in die Wirklichkeit zurück.

 

„Wo ist er?“

 

„Wer?“ Oscar runzelte die Stirn. Der Ton ihres Vaters gefiel ihr nicht.

 

„Mein Enkelsohn, wer denn sonst!“ Reynier sah sie an, als wäre sie nicht ganz bei Verstand.

 

In Oscar schoss wieder die altbekannte Wut auf ihn hoch. Da es aber ihr Hochzeitstag war und sie ihrer Mutter es versprochen hatte, versuchte sie krampfhaft die Ruhe zu bewahren. „Eure Enkelkinder sind dort, wo sie sein sollen. Nämlich in meinen Gemächern.“

 

Reynier schnaubte. „Du wirst mir auch noch dreist?“

 

„Nein, Vater.“ Oscar reckte ihr Kinn empor. „Ich will nur, dass sie nicht geweckt werden und dass André sie als erster sieht – er hat das Recht dazu.“

 

„Wie bitte?“ Reynier kam mit geballten Fäusten auf sie zu. Weit kam er jedoch nicht. Seine Frau tauchte vor ihm auf und bewog ihn stehen zu bleiben. „Mein Gemahl, lasst es sein. Wir wollen doch am Hochzeitstag nicht streiten. Und Ihr müsst Euch auch umziehen...“



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