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Lieben und geliebt werden

von

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Guter Hoffnung

Oscar unterbrach ungewollt den Abschiedskuss als erste. „Ich muss los. Morgen bin ich wieder hier.“

 

„In Ordnung.“ André lockerte seine Umarmung. Es war schwer sie gehen zu lassen und etwas merkwürdig, ohne sie in der Kaserne zu verweilen, aber darauf hatten sie sich gerade geeignet, um den Schein noch etwas mehr zu wahren. „Geh nur und ich halte hier für dich die Stellung.“

 

„So sei es.“ Zusammen mit André verließ sie das Offiziersbüro und dann trennten sich ihre Wege. André ging in sein neues Quartier und Oscar zu den Stallungen. Wie immer schnell und ohne anzuhalten trieb sie ihr Pferd in Richtung Heim, denn die Sonne ging bereits unter und der Abend brach an. Als sie bei dem Anwesen ankam, war es bereits dunkel.

 

„Lady Oscar, willkommen Zuhause, mein Kind“, begrüßte Sophie ihren Schützling wie immer warmherzig und fügte noch gleich hinzu: „Wir haben Besuch.“

 

„Wir haben Besuch?“ Oscar blieb mitten auf der Treppe zu dem oberen Stockwerk stehen. Ein Besuch hatte ihr gerade noch gefehlt! Sie wollte nur noch auf ihr Zimmer, sich der Uniform entledigen und schlafen gehen, um morgen wieder beizeiten in der Kaserne und auch bei André zu sein. Aber vielleicht war dieser Besuch nicht einmal wichtig. „Will er zu mir?“

 

„Zu wem denn sonst.“, konterte Sophie und musterte ihren Schützling unauffällig von oben bis unten. Was sie dabei feststellte, behielt sie lieber für sich. „Er wartet schon den ganzen Abend auf Euch.“

 

Wohl oder übel musste Oscar in den Gemeinschaftssalon, wo meistens die Gäste empfangen wurden. Sie wollte zudem nicht unhöflich sein. Wer könnte dieser Besuch nur sein? Oscar war äußerst überrascht, als ihr einstiger Untergebener Graf de Girodel sich vom Sessel erhob und sie mit einer höflichen Verbeugung begrüßte. „Ich freue mich, Euch nach so einer langen Zeit wiederzusehen.“ Er freute sich wirklich. Nur mischte sich dazu noch ein mulmiges Gefühl und unwohle Gedanken an das Gespräch mit dem General. Wenn das stimmte, dann war Lady Oscar eine bewundernswerte Schauspielerin. Denn ihr sah man keine Anzeichen an – weder dass es ihr schlecht oder übel ging, wie es bei üblichen schwangeren Frauen meistens der Fall war.

 

„Was denn, Ihr seid der Besuch?“ Die Überraschung verwandelte sich bei Oscar doch noch in Freude. Sie hätte schon gerne gewusst, wie es ihrer ehemaligen Garde ohne sie erging. „Ihr habt doch nicht etwa Schwierigkeiten das königliche Garderegiment zu führen?!“

 

„Nein, bisher lief es alles reibungslos.“ Girodel hatte Mühe nur in ihr Gesicht zu schauen und seinen Blick nicht über ihre Statur zu schweifen. Und dabei verstärkte sich das miserable Gefühl in ihm... „Ich bin hier, weil ich Euren Vater etwas fragen wollte.“

 

„Meinen Vater?“ Was auch immer es war, es machte Oscar immer neugieriger. „Aber lasst uns trotzdem ein Gläschen Wein auf unser Wiedersehen trinken.“ Sie sah über die Schulter: „Sophie komm...“

 

„Lasst nur.“, hielt Girodel sie davon ab, die alte Haushälterin zu rufen. Er hatte ihre Ablenkung ausgenutzt und seinen Blick auf ihre Mitte doch noch geworfen. Was er sah, traf ihn hart und bestätigte in seinen Augen all das, was der General Stunden zuvor ihm vorgeworfen hatte: nämlich seine Tochter geschwängert zu haben. Das war eine falsche Anschuldigung und nun auch noch eine bittere Erkenntnis, dass Lady Oscar sich offensichtlich doch noch auf eine Liebesaffäre eingelassen hatte – mit einem anderen Mann. Victor wollte nur so schnell wie möglich von hier weg. „Ich muss sowieso los.“

 

Oscar sah ihn etwas irritiert wieder an. „Warum so plötzlich? Ich denke, Ihr hättet auf mich gewartet...“

 

Girodel lehnte ihre Einladung weiterhin höflich ab, obwohl es ihm große Mühe bereitete, vor ihr zu stehen. „Das ist sicher richtig. Aber wisst Ihr, es macht mich schon glücklich, Euch wenigstens einmal wiedergesehen zu haben. Verschieben wir den Wein auf ein anderes Mal.“ Wenn es überhaupt einen anderes mal geben würde und er jemals mit ihr den sogenannten Wein bereit war zu trinken... Denn er hat genug gesehen. Die kleine Bauchwölbung unter der kompakten Uniform von Oscar sagte schon mehr aus als tausend Worte. Er verabschiedete sich mit dem traurigen Gedanken, dass er sie nicht zur Frau nehmen würde...

 

Oscar verstand weder seinen Besuch, noch seinen plötzlichen Aufbruch. „Sag mal, weißt du was Girodel von meinem Vater wollte?“, fragte sie Sophie aus, nachdem der Besuch fort war.

 

„Zufällig stand die Tür zu dem Raum offen, in dem die beiden miteinander sprachen. Er hatte Euren Vater um Eure Hand gebeten...“ Sophie verschwieg nur die belauschte Vermutung und schweifte vorsichtig über den leicht gerundeten Bauch von Oscar. Besorgnis stieg in ihr hoch und auch Angst davor, was kommen würde.

 

„Wie bitte?“, empörte sich fassungslos ihr Schützling.

 

„Und Euer Vater hat geantwortet, dass er darüber nachdenken wird...“ Sophie war noch mehr als besorgt, aber tun konnte sie momentan nichts. Sie musste ihren Enkel in der Kaserne besuchen, vielleicht wusste er Bescheid und würde es ihr verraten.

 

 

 

Heiraten? Sie sollte Girodel heiraten? Sie liebte ihn doch gar nicht! Ihr Herz, ihre Liebe, ihr Sein gehörte doch bereits einem anderen Mann: André! Oscar konnte es immer noch nicht glauben. Sie befand sich auf ihrem Zimmer und machte sich bettfertig. Das was Sophie ihr offenbart hatte, wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. In ihr Nachthemd umgekleidet ging sie an ihren Spiegeltisch, nahm die Haarbürste und während sie damit ihr widerspenstiges, lockiges Haar glättete, betrachtete sie ihr Profil gegenüber. Bisher hatte sie sich noch nicht so intensiv betrachtet, aber jetzt fiel ihr die leichte Wölbung ihres Bauches noch mehr auf. Nein, schwanger war sie nicht. Denn, wie sie schon André gesagt hatte, verspürte sie weder Übelkeit, noch hatte sie Kopfschmerzen und musste nicht am frühen Morgen das Abendessen vom Vortag übergeben. Es war alles in Ordnung und sie fühlte sich bestens! Und zudem noch hatte sie am Hofe zu genüge gehört, dass bei Frauen sogenannte Muttergefühle und eine Vorahnung hochstiegen, wenn sie guter Hoffnung waren... Aber auch davon verspürte Oscar nichts und lächelte leise ihr Spiegelbild an. Wenn das irgendwann mal doch noch passieren sollte, dann würde sie das definitiv bemerken – schon alleine von ihrem Gefühl.

 

Oscar legte die Haarbürste auf den Spiegeltisch und ging ins Bett. Sie verdrängte die Gedanken an die werdenden Mütter und überdachte lieber, wie sie ihren Vater davon abbringen könnte, sie an Girodel zu verheiraten! Ihm vielleicht die Wahrheit sagen? Die Wahrheit, dass sie schon längst mit André liiert war und mit ihm eine Liebesbeziehung führte? Würde ihr Vater das überhaupt verstehen? Oder würde er André bestrafen lassen oder gar töten, weil er nicht dem Adel angehörte und sich in seinen Augen an seine Tochter vergriff? Warum war das nur so kompliziert?

 

Oscar schloss ihre Augen und versuchte einzuschlafen. Sie würde morgen mit André reden müssen! Oder vielleicht besser nicht? Er war doch so empfindlich, was sie betraf. Nein, vorerst würde sie mit ihrem Vater sprechen und dann sehen, was weiter passiert!

 

 

 

- - -

 

 

 

„Guten Morgen, Lady Oscar, habt Ihr gut geschlafen?“ Auch Sophie hatte sich in der Nacht Gedanken gemacht und beschloss, mit ihrem Schützling über ihren vermutlichen Zustand zu reden.

 

Oscar ordnete gerade noch ihre blaue Uniform vor dem Spiegel und zog ihre weißen Handschuhe an. Sie antwortete nicht und ging an den Tisch in ihrem Salon. Sophie entlud das Tablett. Oscar verspürte zwar keinen Appetit, aber um die alte Haushälterin nicht zu verstimmen, nahm sie ein Croissant, biss hinein und spülte es mit dem Tee herunter. „Du hast wieder zu viel gemacht, Sophie. Ich muss in die Kaserne los.“

 

„Und was wird aus dem Frühstuck?“ Sophie wollte ihren Schützling mit allen Mitteln aufhalten, um mit ihr zu reden. Doch sie stieß auf taube Ohren oder wurde erst gar nicht wahrgenommen und beachtet.

 

„Das habe ich doch gegessen.“ Oscar zeigte auf das Croissant in ihrer Hand und machte sich schon auf den Weg. „Ich werde das Unterwegs aufessen. Mehr brauche ich nicht! Sonst gehe ich noch mehr in die Breite!“, scherzte sie zum Abschluss und ging einfach weiter.

 

Sophie schüttelte nur fassungslos den Kopf. Diese Kinder!



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