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The Darkness Inside Me

von

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Mal commune, mezzo gaudio.


 

Geteiltes Leid ist halbes Leid.

28. Dezember 2012

Vermehrt schielte Nami hoch.

Während Robin in der Früh noch normal gewesen war, war sie nach und nach wortkarger geworden. Seit ein paar Minuten gingen sie schweigend und das machte Nami stutzig.

Bis der Groschen fiel – das Essen. „Du bist nervös!“, stelle Nami verblüfft fest und blieb stehen. „Aber warum?“ Nami festigte den Griff, der Robin automatisch zum Stillstand zwang.

„Nenn du mir einen Grund“, antwortete Robin sogleich mit zweifelndem Blick. Eine Spur zu rasch. Der Gedanke ergab Sinn. Warum war schleierhaft.

„Kobra … er ist dein Problem, oder?“ Natürlich.

Schon seit Wochen lag er Nami in den Ohren. Bislang hatten sie keine Zeit gefunden, nun fanden sie kein Entrinnen und Nami hatte ein wenig Überzeugungsarbeit leisten müssen. In der Heimat würden solche Zusammenkünfte im Fiasko enden. Bellemere und Nojiko waren nicht das Problem. Sie waren neugierig, stellten Fragen, aber waren sie nicht ungut. Vergo war derjenige, der nach Lust und Laune Seitenhiebe austeilte, die Stimmung nach und nach ins Kippen brachte. Kurze Treffen reichten.

Nervosität ihrer Familie gegenüber hätte Nami sofort verstanden. Kurzweilig dachte sie, dass es an Robins allgemeiner Art lag. Sie machte sich Gedanken, ständig und eindeutig zu viele, auch über eigentlich Unwichtiges. Und Nami hatte Zeit gebraucht, um die Nuancen zu erkennen. Feine Unterschiede, denn Robin wusste, wie sie sich nach außen geben musste, während ihr Inneres anders aussah.

„Wir verspäten uns“, wich Robin aus, überspielte neuerlich die Frage. Nami stand dieser Art gespalten gegenüber. Manchmal wurde sie rasend, manchmal musste sie schmunzeln.

Robin war eben Robin.

Nami ließ endgültig von Robins Hand ab und warf einen prüfenden Blick auf ihre Uhr. Zeit hatten sie.

„Werden wir nur, wenn du dich stur stellst“, konterte Nami daher und zeigte keinen Willen weiterzugehen. „Du hilfst Vivi mit ihrer Abschlussarbeit, redest so mit ihr. Mit Kobra verträgst du dich. Also, sag mir, was dein Problem ist. Dich erwartet nicht meine Familie.“ Nicht die härteren Geschütze.

Hörbar atmete Robin aus. „Er kompensiert. Ist dir das nicht aufgefallen?“

„Was?“, fragte Nami ihrerseits und hob die Brauen. Okay, er hatte öfter gefragt oder lenkte das Thema auf Robin. Kobra hatte eben eigene Ticks und Vivi machte ihm in dem Fall einen Strich durch die Rechnung. Selbst wenn sie jemanden hätte, würde sie ihn so schnell nicht mit nach Hause nehmen, vermutlich sogar recht lange schweigen. „Rede weiter.“

„Bevor wir ein Paar wurden, war er anders. In den letzten Gesprächen? Er spielt bisschen den väterlichen Beschützer. Du gehörst offiziell in seinen Kreis – stell dir vor, es kann anstrengend sein.“ Da zuckten ihre Schultern. „Momentan ziehe ich Vergo vor.“

„Du machst Witze! Der geht dir an die Substanz!“

Abwinkend grinste Robin. „Oh bitte. Sobald er versteht, fällt er aus allen Wolken. Immerhin vergnüge ich mich im Bett mit seinem Problemkind, vor dem er mich gewarnt hat. Hört sich nach Spaß an. Deine Mutter wäre ein anderes Thema.“ Entgeistert starrte Nami ihre Freundin an. Nicht gelogen, das taten sie und der Sex – falscher Zeitpunkt. Nami atmete durch.

„Willst du mir gerade sagen, dass du mehr Respekt vor Kobra hast als vor Vergo?“ Wenn dem so war, dann hatte sie eindeutig einen weiteren Grund gefunden, warum sie diese Frau liebte. Und doch ein seltsamer Gedanke. Kobra mochte Robin, beide kannten sich Jahre.

Leider neigte Kobra eben zu übertreiben, aber das wusste er bei seiner Tochter. Seit sie Gefühle für Ruffy hegte, hatte sie keine weiteren Dates gehabt. Wimmelte Verehrer um Verehrer ab.

„Irgendwie schräg, findest du nicht?“

„Kannst du laut sagen.“

„Wenigstens ist Igaram abwesend, der Kerl steht nichts nach.“

„Natürlich … den kennst du auch.“ War sie die Einzige, die ihn nie zu Gesicht bekommen hatte? Und das in den drei Jahren, in denen sie dasselbe Internat besucht hatten.

„Ist er hier, dann begleitet er Kobra hie und da. Zusammen sind sie in manchen Belangen Kindsköpfe, bloß ist sein Anhängsel ein nerviger Geselle. Ich habe mir mal ausgemalt, ihn in die Luft jagen zu lassen. So ein kleines Boot“, brach Robin ab und deutete mit Handbewegungen eine Explosion an. „Egal, langsam verspäten wir uns.“

„Du bist unmöglich“, seufzte Nami und strich sich den Nasenrücken entlang.

„Was denn? Mit dem Thema hast du angefangen.“ Da griff Robin nach ihrer Hand. „Die Einladung fühlt sich fremd an. Unter Freunden ist einfach anders“, fügte sie hinzu, nachdem sie ein paar Schritte gegangen waren.

Als kein weiteres Wort fiel, ließ Nami das Gespräch auf sich ruhen.
 

9. März 2013

Überraschend fit stand Nami wartend an der Kaffeemaschine. Erst kurz nach sieben Uhr. Normalerweise schlief sie an Wochenenden aus. Manchmal dem Ausgehen geschuldet, manchmal den anstrengenden Tagen, aber an und für sich war sie keine Frühaufsteherin.

Unter der Woche hatte sich Nami in die Arbeit gestürzt, war weitaus früher schlafen gegangen. Anders als vorher, aber notwendig. Der Schlafmangel musste irgendwie hereingeholt werden.

Heute stand auch der nächste Punkt an – Zorro und Sanji.

Im Grunde hatte sie sich mehr Zeit genommen. Erst in den Alltag zurückfinden, dann den nächstgrößten Brocken beiseiteschieben. Obwohl sich ein Teil widerstrebte, musste sie durch und am Vormittag bot sich die Chance mit beiden zugleich ins Gespräch zu kommen, bevor Sanji ins Restaurant aufbrach.

Eine feste Entscheidung blieb aus. Ob sie beide in Zukunft mied oder mit ihnen einen Mittelweg fand, der das Miteinander erleichterte, stand in den Sternen. Robin hatte sie doch wachgerüttelt – eine Grauzone existierte.

„Sieh an, die Welt steht Kopf“, drangen die Worte zusammen mit einem erheiterten Lachen durch. Mit den Augen rollend griff sie nach der mittlerweile gefüllten Tasse. „Samstag und du bist vor meiner Tochter auf den Beinen. Wird im Kalender notiert.“ Nami stellte eine neue Tasse unter.

„Würdest du auf deine Trips verzichten, würde dich mein Anblick weniger überraschen“, gab sie im Drehen zurück und streckte die Zunge heraus. Die Uhrzeit mag ungewöhnlich sein, doch Vivi schlief nach einer ausgedehnten Nacht wesentlich länger. Und gestern war sie ausgegangen. „Warum bist du schon auf?“

„Schlafen kann ich später zu genüge“, scherzte er und ging zum Kühlschrank. „Stell dir vor, ich habe ein Privatleben und Pläne.“

„Eine Frau?“ Über die Schulter warf er ihr einen tadelnden Blick zu. „Was denn? Ich passe mich dir an.“

„Frühstück?“ Nami schüttelte den Kopf. Hunger hatte sie keinen. Definitiv ein bisschen zu früh. „Wehe du möchtest etwas von meinem Omelett ab.“

Nami lachte nur, während sie die Schlagzeilen überflog und vorsichtig am Kaffee nippte. Viel brauchte sie sowieso nicht essen, auch wenn sie hungrig werden würde. Sanji hatte bereits erwähnt, er würde einen Brunch vorbereiten. Nicht gerade passend für das zu besprechende Thema, aber auf der anderen Seite diente Essen manchmal als perfekte Ablenkung, sollte das Gespräch ins Stocken kommen. „Hat dein zeitiges Aufstehen mit eventuellen Plänen zu tun?“, fragte Kobra nun, wobei Nami seine Neugierde deutlich heraushörte.

„Vielleicht?“, antwortete sie amüsiert. Gab sich genauso wortkarg, wie er selbst, wissend, dass ihn das umso mehr anstachelte.

„Triffst du dich mit Robin?“ Er kam direkt auf den Punkt und die Frage ließ Nami aufblicken. Als ob er etwas Belangloses gesagt hätte, schüttete er die Eiermasse in die Pfanne. „Wie gesagt, Bellemere und ich telefonieren und dein Spontantrip … ich habe ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel. Liebe ist sonderbar und lässt uns Einstellungen über Bord werfen. Wir tun Dinge, die wir unter anderen Umständen nie tun würden.“ Bellemere. Nami zog die Brauen zusammen. Mit Sicherheit wusste er von Robins Aufenthalt. „Du bist vernarrt in sie – nicht negativ verstehen. Kann mir bloß nicht vorstellen, dass du die Sache einfach abhakst.“

Sofort schluckte sie die aufkommende Wut hinunter. Langsam ging ihr das Gerede der anderen gegen den Strich. Jeder schien dasselbe zu denken. Dass sie Robin verzieh. Dabei kannte niemand die Wahrheit. „Tun wir, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem wir die rosarote Brille ablegen und die Realität bevorzugen.“ Wieder nahm sie einen Schluck Kaffee, ehe sie den Blick zurück auf die Zeitung lenkte. Weitaus weniger interessiert, sie diente als ausweichende Beschäftigung. Auf einen seiner Kommentare hatte sie bereits gewartet. Kobra hatte überraschend länger durchgehalten als erwartet, aber unter der Woche waren sie sich auch kaum über den Weg gelaufen.

„Bin ich ehrlich, dann habe ich nie an einen Fehltritt geglaubt – der Frau gehört eindeutig der Kopf gewaschen. Dir eine andere vorziehen. Sie wird sehen, welchen Fehler sie gemacht hat. Oder besser, er ist ihr klar geworden. Habt ihr euch in Zürich ausgesprochen?“

„Wer hat dir davon erzählt?“, fragte sie verdattert. Bellemere hatte sie nichts erzählt, mit Absicht, aber genau da dämmerte es Nami. Sie brauchte Bellemere nichts sagen, ihre Mutter dachte sich ihren Teil, zählte zusammen, hatte sie neuerlich durchschaut.

„Also doch!“ Die Omelette wurde auf den Teller gegeben. „Bellemere hat erzählt, dass Robin in der Stadt gewesen ist“, bestätigte er die Vermutung.

„Okay, wir haben uns unterhalten. Ist deine Neugierde befriedigt?“ Entnervt blätterte Nami um. Bei solchen Problemen hasste sie alle beide, Bellemere eine Spur mehr, weil sie ihr noch weniger vormachen konnte. Umso schwieriger fiel Nami ihr Schweigen, die Wahrheit hintern Berg zu halten. Denn irgendwie wollte sie den Grund hierfür rauslassen, damit endlich Ruhe einkehrte und man aufhörte sich Gedanken zu machen.

„Robin hat den Fehler eingesehen, meine Entscheidung steht. Wir gehen getrennte Wege. Thema erledigt.“

Darauf folgte keine Antwort. Hastig warf sie einen Blick zu ihm. Er aß entspannt an die Arbeitsplatte gelehnt, anstatt rüber ins Esszimmer zu gehen. Vermutlich würde er das Thema eben nicht fallen lassen.

So recht wollte Nami die Meinung der anderen nicht verstehen. Ihr Interesse sollte irgendwann einfach aufhören, abgesehen von ihrem überhasteten Untertauchen war Robin Namis Problem.

Privatsache, ob sie Einblicke gab oder nicht entschied sie. Was die Zukunft brachte, wie sie damit umging, war ihr Kampf und der würde sie noch länger begleiten. Das Risiko, das man mit Gefühlen wählte. Als sie mit der Zeitung durch und ihre Tasse gelehrt war, wollte sie schon los, ehe Kobra erneut das Wort erhob.

„Menschen erzählen gerne. Abgesehen von Robin habe ich dich mit keiner anderen gesehen. Ich kann nur vom Gehörten und dem ausgehen das ich selbst erlebe.“ Nami hielt inne, sah ihn fragend an. Vom Gefühl her glich der Moment einem Déjà-vu. „Erinnerst du dich an den Abend, an dem du ihr deine Gefühle gestanden hast? Ich habe dir noch gesagt, du sollst ihr Zeit geben … ich habe länger geahnt, dass du dich in Robin verliebt hast und sie ist wirklich keine Frau, die für impulsive Entscheidungen bekannt ist. Sie kalkuliert, Verstand über Herz. Mit Bedenkzeit ist sie ihrem Herz gefolgt-“

„Worauf willst du hinaus?“, unterbrach Nami ungeduldig. Robin musste ihr niemand erklären. Weder ihre guten noch ihre schlechten Eigenschaften. Wobei es sich gerade anhörte, als wollte er Robin ins bessere Licht rücken. Oder holte er einfach weit aus?

Kopfschüttelnd stellte er den Teller ab.

„Ich habe dich gesehen, sie und euch zusammen. Das Ende kommt abrupt.“

„Robin hat Mist gebaut, da ist egal ob plötzlich oder schleichend.“ Namis Stimmung kippte.

„Wenn man selbst die eine Liebe gelebt hat, glaubt man manchmal sie zu erkennen. Robin, und das weiß ich aus Gesprächen mit ihr, hat nie danach gesucht. Im Gegenteil, sie hat jede Chance im Keim erstickt. Bis du in ihr Leben bist.“ Schwach lächelnd nahm er einen Schluck Kaffee, der mittlerweile schon abgekühlt war. Nami ahnte, worauf er anspielte. Es missfiel ihr.

„Soll ihre Entscheidung Fehlverhalten billigen?“

„Nein, aber die Art und Weise wie du dich gibst, zusammen mit ihrem Umdenken – manchmal sehen wir am Ende darüber hinweg, sobald Gefühle stärker wiegen.“

„Warum glaubt ihr alle, dass ich mich umentscheide?“ Wo niemand die Wahrheit kannte. Selbst ein Fremdgehen wäre Grund genug sie zur Hölle zu schicken. Nami verstand nicht, warum das überhaupt noch ein Thema war. Warum sie sich die Gedanken machten. Eigentlich sollten sie Robin verteufeln.

„Weil Robin für dich nicht irgendeine Frau ist.“

„Liebe ist kein Garant.“

„Sie lässt uns aber Dummes tun.“

„Dafür haben wir einen Verstand, der uns vor dummen Ideen bewahrt“, sprach Nami mit ernster Miene, die in Wut umschlug, sobald Kobra lauthals zu lachen anfing.

„Nami … so funktioniert Liebe nicht.“
 

26. Dezember 2012

Bei der gestrigen Anspielung hatte Nami an ein kleines Essen mit Franky gedacht, stattdessen waren alle hier. Robins und ihre Freunde. Zusammen für ein kulinarisches Weihnachtsessen, das sämtliche Geschmäcker abdeckte (Natürlich hatte Sanji sich in der Küche helfend ausgetobt).

Stimmengewirr und lautes Gelächter erfüllte den Raum.

Und plötzlich war das sonst so großräumige Esszimmer geschrumpft.

Nami stand im Durchgang, beobachtete die Meute und fühlte die Wärme ums Herz. Es war besser als jemals erwartet.

Alle, die sie hier liebgewonnen hatte, fanden zusammen. Nicht in der Bar, wo sich die Grüppchen schon mal trennten oder man eigenem Interesse hinterherjagte.

Nie hatte sie auch daran gedacht, dass sie sich alle verstehen würden. Die verschiedensten Charaktere, das unterschiedliche Alter, aber es funktionierte. Die Gruppe harmonierte auf eigene, vielleicht teils unverständliche Weise.

Robins Hand legte sich um ihre Hüfte, gefolgt von einem Wangenkuss. „Franky hat seinen Schock überwunden.“

Hatte er. Immerhin war er derjenige gewesen, der Nami ständig in den Ohren lag, wenn es um Robins nicht vorhandene Begeisterung für Weihnachten ging. Das geschmückte Haus hatte ihn mundtot gemacht. Eine Weile war er ungläubig von Raum zu Raum gewandert. Nach all seinen Fehlschlägen hatten Robin Nami wegen, eine Ausnahme gemacht. „Verständlich“, lachte Nami und lehnte sich an ihre Freundin.

„Dafür, dass dir Trubel missfällt, hast du dich mächtig ins Zeug gelegt“, feixte sie und schaute hoch.

Tadelnd schnalzte Robin die Zunge. „Ist erträglich.“

Erträglich. Was für ein Blödsinn. Robin amüsierte sich genauso.

„Danke.“

„Wofür genau?“

„Den Tag“, murmelte sie. Leicht drehte sie sich zu Robin, legte die Hand in ihren Nacken und zog sie für einen Kuss zu sich. Manchmal konnte Nami ihr Glück nicht fassen, das ihre Entscheidung nach Venedig zu ziehen, mit sich gebracht hatte. Auch wenn sie ihr Zuhause schon mal vermisste, die Familie und zurückgelassene Freunde, so hatte sie sich noch nie glücklicher gefühlt.

Hier hatte sie alles das sie zum Leben brauchte.

Als lebte sie einen Traum.

„Wir wissen Bescheid, also Schluss. Bisschen mehr Rücksicht auf uns Singles!“, grölte Franky im Hintergrund.

„Ich opfere mich gerne“, trällerte Sanji und breitete seine Arme aus. Während Vivis Wangen einen leichten Rotschimmer annahmen, quittierte Kalifa seine Worte mit einem Todesblick.

„Sexuelle Belästigung, Bürschchen!“

„Na mein Süßer“, gab Kaku flirtend zurück und warf sich Sanji grinsend in die Arme, dem augenblicklich die Züge entglitten. „Zu mir oder zu dir?“

Zorro brach in herzhaftes Lachen aus, neben ihm stand Lysop der Mund offen.

„Haben wir noch Nachspeise?“

Nami hörte das tiefe Seufzen ihrer Freundin, der sie spielend in die Seite boxte. „Als ob dir das keinen Spaß macht.“
 

9. März 2013

Das Gespräch mit Kobra hallte nach. Sie war wütend. Als ob er einem kleinen Kind das Leben erklärte.

Natürlich verflogen Gefühle nicht in Windeseile.

Natürlich brauchten sie Zeit.

Robin aus ihrem Herzen verbannen, und der Tag würde kommen, war keine Kleinigkeit. Da brauchte sie keinen Vortrag über die Liebe.

Am Ende wusste sie haargenau, wie ihr Innerstes aussah.

Jeden Tag fühlte sie den Schmerz den Robin hinterlassen hatte. Für den sie die volle Verantwortung trug.

Umso mehr sollten sie aufhören ihre Schritte voraussehen zu wollen. Als ob Nami grundlos keine positive Lösung in Erwägung zog.

Waren sie alle blind dafür oder hatte ihnen Robin auf andere Weise den Kopf verdreht? Manchmal kam es so rüber.

Wenn sie bloß wussten, welche Überwindung das Gespräch gekostet hatte. Und das hatte sie am Ende überstanden.

Vielleicht mit Anfangsschwierigkeiten, aber hatte sie nicht nachgegeben.

Der erste Schritt in die richtige Richtung.

Hier durften Gefühle keine große Rolle spielen.

Hier musste der Verstand gewinnen,

Und der Punkt wurmte sie gewaltig. Sie alle deuteten seine Niederlage an. Was, wenn sie die Wahrheit kannten? Blieben sie ihren Worten weiterhin treu?

Wie gerne würde sie ihnen den wahren Grund unter die Nase reiben.

Brummend bog sie um die Ecke.

Sollte Nami jemals wieder eine Freundin haben, würde sie die Beziehung auf längere Zeit hin totschweigen.

Sehr lange.

Als sie nun den Kopf hob und sah wer ihr entgegenkam, blieb sie abrupt stehen.

Zorro.

Er ging gerade über die kleine Brücke, in der einen Hand eine Einkaufstasche, in der anderen sein Smartphone, das er gleich darauf in die Gesäßtasche schob.

Er hielt er an, als er Nami erkannte.

Nami mochte Sanji sehr. Sie sprachen viel, verbrachten Zeit miteinander. Mit Zorro war der Umgang dennoch ein anderer. Der Draht bestand seit ihrem ersten Gespräch an. Daher schmerzte seine Beteiligung eine Spur mehr.

Bis vorhin hatte sie sich mehrmals ausgemalt, wie das Treffen verlief. Wie sie auf das Wiedersehen reagierte.

Nun bekam sie eine Antwort.

„Ciao“, begrüßte er versucht lässig, aber fehlte das sonst markante Selbstbewusstsein. Es nagte an ihm. „Der Giftmischer hat noch etwas vergessen“, wollte er ein unnötiges Schweigen verhindern. Er hob den Arm und ließ die Tasche baumeln.

„Lass mich raten, Sanji übertreibt wieder?“ Vielleicht wussten sie gerade nicht, wie sie miteinander umgingen, aber alles war besser als zu schweigen – sie waren definitiv unterkühlt.

„Hast du dir weniger erwartet?“ Lächelnd schüttelte Nami den Kopf.
 

Ablenkend warf sie einen Blick durch den Raum. Hier hatte sie einige, lustige Stunden verbracht, auch nach Bonneys Abwesenheit.

Jedoch war die Veränderung spürbar. Bonney hatte der Wohnung mit ihrer Art Leben eingehaucht. Von der durchgeknallten Ader kam ihr Ruffy am nächsten, er konnte eine Runde mitreißen, aber mit seinem Charme, der sich eben doch unterschied.

Für das Gespräch blieben sie unter sich und der abenteuerlustige Bengel, wie sie ihn manchmal nannte, trieb irgendwo sein Unwesen. Zum Glück. Neben ihm könnten sie nicht offen reden, auch wenn er sich kaum dafür interessieren würde.

„Für Ruffy ist Bonney noch immer weitergezogen, oder?“, fragte sie auf den Gedanken hin. Zorro nickte zustimmend.

„Wir können ihm keine konkreten Informationen geben“, gab Sanji zu bedenken, nachdem er die Getränke brachte und Platz nahm. „Über ihren Aufenthaltsort wissen wir nichts, schon gar nicht über eine Rückkehr.“

Sanji hatte eindeutig übertrieben. Nie und nimmer aßen sie auf, dürfte Ruffy gefallen, wenn er nach Hause kam.

Nun da sie beieinander waren, wurde Nami flau im Magen, obwohl sie vorhin trotz dem Anflug von Nervosität, Hunger verspürt hatte. „Na los, greift zu.“

Reflexartig tauschten Nami und Zorro einen vielsagenden Blick aus. Worte waren deplatziert, als ob alles beim Alten war. Zorros Mundwinkel zuckten leicht, ehe er sich abwandte und seinen Teller belegte. Wohl mehr, um keinen Streit vom Zaun zu brechen.

„Hört ihr überhaupt von ihr?“ Neugierig war Nami. Bislang hatte sie an das Gesagte geglaubt. Nie hinterfragt, mit dem Wissen im Rücken wurde die Angelegenheit in ein anderes Licht gerückt.

Räuspernd schielte Sanji zu Zorro. Dieser aß ungerührt. „Stronzo“, nuschelte Sanji bissig. „Über den eigentlichen Aufenthaltsort haben wir ebenkeine Informationen, aber“, und dabei trat er gegen Zorros Schienbein, „hat unser Romeo sie vor einer Weile gesehen. Eine verdammt riskante Aktion!“

„Was hast du?“, stieß Nami überrumpelt aus. „Wann? Wo?“

Zorro schluckte den Bissen hinunter, wobei er dem Koch einen wütenden Blick zuwarf. „Zum hundertsten Mal, die Idee ist nicht auf meinen Mist gewachsen!“ Da stand er auf und marschierte genervt in die Küche. Bestimmt holte er ein Bier. Bisschen früh, aber das musste er wissen.

„Sanji“, begann sie leise, aber mit forderndem Ton, „klär mich auf.“ Bedachte sie die Gründe für ihr Verschwinden, dann war diese Aktion tatsächlich eine gefährliche Idee. Im schlimmsten Falle war alles umsonst.

Wer stimmte einem Treffen zu das sämtliche Sicherheitsvorkehrungen über Bord warf?

Seufzend bestrich Sanji das noch warme Olivenbrot. „Wir haben uns darauf geeinigt Gras wachsen zu lassen. Bonney aus dem Land bringen und abwarten, wie sich das Problem mit ihrer und meiner Familie entwickelt. Während den ersten Wochen bekamen wir kleine Updates, nichts Besonderes. Bis-“ Hörbar wurde der Kühlschrank geschlossen, das Sanji den Kopf schütteln ließ. „Miesepeter – Bonney lag ihnen in den Ohren, besonders nachdem sie Robin und den anderen anderweitig geholfen hat. Da haben sie ein Treffen kurz über der Staatsgrenze eingefädelt.“

„Wir haben uns gesehen, was ist daran so spannend?“ Zorro schien das Thema unangenehm und zeigte ihnen durchaus seine nicht vorhandene Begeisterung, als er zum Tisch zurückkehrte. Dabei nahm er einen großen Schluck Bier. „Was?“, fragte er auf Sanjis tadelnden Blick. „Andere nehmen Sekt, ich gönne mir ein bisschen Hefe.“

„Existieren wirklich keine Pläne, wann oder ob sie zurückkehrt?“ Dass Zorro ungern über Bonney sprach, war ihr nicht neu. Schon früher, als seine Gefühle offensichtlich waren, war er lieber ausgewichen. In dem Fall ähnelte er Robin.

Robin – falscher Zeitpunkt.

Nach den Erzählungen her ahnte Nami mittlerweile was ihr Verschwinden in ihm auslöste. Ein Ende ohne Anfang, sofern sich in Zukunft nichts änderte.

„Noch nicht“, brummte Zorro verstimmt.

„Wenn sie Venedig als Aufenthalt kennen, wird eine sorgenfreie Rückkehr schwer. Es sei denn … die Möglichkeit besteht, wäre aber unpassend.“ Entschuldigend lächelte Sanji und Nami verstand. Die kleine Anspielung war ausreichend.

„Dieser Sakazuki steht im Weg?“ So viel wusste sie noch vom eigentlichen Stand. Danach hatte Zorro kein Wort mehr über den Mann oder Bonneys etwaige Vergangenheit verloren. Obwohl sie anfangs darüber gesprochen hatten, hatte er ab dem Punkt die Reißleine gezogen, damit Nami nicht zu sehr involviert wurde und sich ernsthafte Sorgen machte.

Damals.

Heute.

Alles anders.

„Der auf alle Fälle. Wichtig ist, dass Bonney lebt und den Umständen entsprechend gut geht. Bloß mit der Liebe-“

„Halt die Klappe!“, unterbrach Zorro. „Wir warten ab und schauen was die Zukunft bringt.“ Mit verschränkten Armen lehnte er zurück. „Reden wir endlich über das eigentliche Thema oder weichen wir länger aus?“

„Gehört doch zusammen“, entgegnete Nami trocken und aß ein Orangenstück. „Wenn ich mich recht entsinne, ist sie der Grund für dein Handeln. Und mit Sanjis Brüdern, die Bonney holen wollten, entsteht die zweite Verbindung. Die dritte ist … die andere Gruppe halt. Was ist dein Problem?“ Eine unnötige Frage, aber eine berechtigte. Bonney war ein Bestandteil des gesamten Ausmaßes. Ihre Geschichte brachte alles ins Rollen, rückte Zorro und Sanji aufs Spielfeld.

„Da musst du durch“, bestätigte Sanji und gab zu seinem Sekt einen Schuss Orangensaft. „Wäre Bonney nicht entdeckt worden, wären wir nicht in dieser Lage.“ Nach einem Schluck wurde er ernster. „Meine Vergangenheit sollte ewig ruhen. Nachdem ich mich auf jede Weise von meiner Familie distanziert habe, habe ich kein Wort mehr über sie verloren. Obwohl ich meine Schwester mochte, waren sie für mich gestorben – meine Brüder haben nun tatsächlich das Zeitige gesegnet. Dass du anders darüber denkst, ist mir klar, Nami. Nur solltest du mich nicht mit ihnen in einen Topf werfen. Du hast keine Vorstellung davon, was ich mit diesen Menschen mitgemacht habe.“ Genussvoll biss er vom knusprigen Brot ab. Für ihn schien das Thema eine leichte Kost, denn ihr Magen rebellierte lauter.

Nachdenklich beobachtete sie Sanji. Seine entspannte Art überraschte ihn. Auch wenn sein Tonfall sich ernst anhörte, war sein Körper entspannt.

Da sprach er die Wahrheit. Ihre Sichtweise unterschied sich, eben wegen der eigenen Erfahrungen.

„Zum Glück ist uns deine Schwester wohlgesonnen“, fügte Zorro an. „Sie und Bonneys Familie schlichen eine Weile herum und haben nach Spuren gesucht bis …“ Er wich Namis Blick aus, sah hilfesuchend zu Sanji.

„Lucci als Sündenbock auserkoren wurde“, beendete der Koch zwischen den Bissen.

„Wisst ihr, dass sich das alles nach einem schlechten Film anhört? Du willst wegschalten, aber irgendwie bleibst du dabei und der Mist brennt sich in dein Hirn ein.“ Vorbeugend massierte sie sich die Schläfen. Dass sie all das wussten, war eine Sache. Dass das alles aber direkt neben ihr abgelaufen war, damit haderte sie. Es war teilweise unverständlich, einfach unwirklich.

„Keiner von uns hat vorausgesehen, wie sich unsere Leben verknüpfen. Dadurch entsteht schnell ein Bündnis. Eine Hand wäscht die andere, tut mir leid, Nami. Manches sollte lieber im kleinsten Kreis verweilen.“ In dem Punkt fühlte sie deutlich seine fehlende Reue. Sanji hätte sein Geheimnis mit ins Grab genommen. „Ich will niemanden rechtfertigen. Robin und ihre Freunde haben ihr Leben gewählt und mein Schweigen hat in erster Linie mit meiner Geschichte zu tun gehabt. Sie neu aufrollen … dahingehend muss auch ich verstanden werden.“

„Und mir wurde Hilfe zugesagt. Leider habe ich nicht gewusst auf welche Weise sie kommen würde“, setzte Zorro ein. „Ich bin ihnen bis heute dankbar. Wo Bonney jetzt wäre … das male ich mir lieber nicht aus. Das Leben hat mehr als eine schwarz-weiße Facette. Der Preis war mein Schweigen.“

Nami ließ den Kopf gesenkt, ließ die Worte sacken. Eigentlich sprachen sie aus, womit Robin sie bereits wachgerüttelt hatte.

Beide hatten – leider – triftige Beweggründe.

Mittlerweile hatte Nami aufgehört einzig ihre Sichtweise zuzulassen.

Vermutlich hätte auch sie versucht ihre Vergangenheit totzuschweigen.

Wahrscheinlich hätte sie für Robin genauso gut alles getan, um sie vor irgendwelchen Halunken zu retten.

Je mehr sie in den letzten Tagen darüber nachgedacht hatte, desto schwieriger war ihr gefallen, sie dafür zu verteufeln.

„Was hätten wir dir wegen Robin sagen sollen?“, fragte Sanji leise.

„Uns war nur bewusst, dass ihr irgendwann getrennte Wege gehen würdet. Alles kommt ans Tageslicht. Dir Hinweise geben?“

„Zorro und ich haben die kleine Hoffnung gehabt, ihr würdet mehr Zeit haben oder Robin hätte eine Lösung parat, durch die es nie herauskommt.“

Nun blickte Nami auf, sah beide abwechselnd an. Robin nagte an ihr. Würde Robin nicht im Mittelpunkt stehen, hätte sie eventuell anders reagiert. Ihnen Gehör geschenkt, versucht ruhig zu bleiben und sie eher zu verstehen.

Robin.

Immer wieder Robin.

„Rückblickend hat mir der Umgang wehgetan“, erklärte sich Nami. „Obwohl ihr gewusst habt, was sie tun, habt ihr eure Art nicht verändert. Wir haben oft zusammen gefeiert, ihr habt euch immer besser mit Franky verstanden. Geht man nicht ehr auf Abstand?“

Erneut tauschten sie Blicke aus, ehe Sanji zum Sprechen ansetzte.

„Klingt merkwürdig, aber ich fand darin eine willkommene Abwechslung. Wenn du Jahre schweigst und dann jemanden findest, mit dem du dich austauschen oder einfach darauf los reden kannst … du musst mich nicht verstehen. Irgendwie hat mir das Reden gutgetan.“ Gegen Ende lächelte er entschuldigend.

„Franky ist leider ein netter Kerl und er gibt mir Updates oder fädelt ein Gespräch ein. Zum Teil habe ich das Ausmaß auch gerne ausgeblendet. Das ist das Problem – außerdem hättest du Fragen gestellt.“ Nachdem Nami das Glas in einem Zug geleert hatte, schenkte sie sich Sekt nach. Zwar war sie ruhiger als erwartet, aber das Gespräch fiel ihr dann doch wieder nicht leicht. Wie sie vor ihr saßen, einerseits zeigten sie manchmal reumütige Züge, dann standen sie offen zu ihren Entscheidungen, ohne schlechtes Gewissen.

„Du hast uns lange ignoriert, nun bist du offen für unsere Sichtweise“, legte Sanji nach. „Es liegt an dir, ob du uns zum Teufel schickst oder ob wir uns annähern. Letzterem bist du nicht abgeneigt, aber kannst du hinwegsehen?“

„Ich versuch’s?“, antwortete sie mit langgezogener Pause. „Wisst ihr, wie schwer es ist, wenn alles auf einmal einstürzt? Ich erinnere mich an den ersten Abend in der Bar. Da hast du mir“, und ihr Blick ging schwach lächelnd zu Zorro, „einzelne Details von euch gegeben. Aber hat mich das Ausmaß aus der Bahn geworfen. Immerhin habt ihr mir mit Robin immer den Rücken gestärkt, auch später. Da fühlt man sich dezent verarscht. Hinzu diese neue Welt, zu der ich nie gehört habe. Manchmal kommen Gerüchte über solche Menschen auf, irgendwo liest man vereinzelte Berichte, aber-“

„Die Geschichten sind bloß entfernte Geschichten“, beendete Sanji.

Ja. Alles war in der Ferne. Das eigene Leben drehte sich in einer vollkommen anderen Bahn. Wenn sie dann unglücklich kollidierten, natürlich brauchte sie Zeit, um sich allein an ihre Gegenwart zu gewöhnen.

„Habt ihr weitere Leichen im Keller versteckt?“

„Vielleicht holen wir endlich deine hervor“, neckte Zorro.
 

Während des restlichen Essens hatten sie das Gespräch auf seichtere Themen gelenkt.

Einfach zusammensitzen, essen und reden.

Ein bisschen Normalität.

Etwas, das Nami vermisst hatte.

Abgesehen von Vivi waren beide eben ihre größten Bezugspersonen.

Zwar mochte sie die anderen genauso, aber mit Zorro und Sanji war es eben wieder eine eigene Geschichte.

Nami bereute ihr Weglaufen nicht, aber war sie froh über ihr Einlenken, die Suche nach einem klärenden Gespräch.

„Soll ich mir einen antrinken?“, meinte sie stutzend, als Sanji nachschenkte.

„Im Gegensatz zu uns musst du nicht arbeiten, außerdem lässt man den Schluck nicht übrig.“ Da schwenkte er grinsend die leere Flasche.

„Der schon“, deutete sie auf Zorro, der das nächste Bier öffnete.

„Ob betrunken oder nüchtern, findest du da einen Unterschied?“

Da brummte Zorro verstimmt. „Ein Nickerchen und der Alkohol ist draußen.“

„Oder du gibst spendable Mischungen aus“, konterte Nami amüsiert.

„Ist möglich. Kannst ja vorbeischauen und es herausfinden.“

Könnte sie, aber wollte sie nicht.

Noch nicht. Dafür schien sie nicht bereit, wissend, wer sie dort erwartete.

„Franky kommt seltener“, durchschaute Zorro ihren Gedanken. „Robin schon gar nicht.“ Also stimmten Lysops Erzählungen. Dennoch existierte ein Restrisiko. Bei dem war ihr nicht wohl.

„Habt ihr geredet?“, fragte Sanji. Den Teil hatten sie bislang übersprungen, nun war der Moment gekommen. Er lehnte zurück und betrachtete sie neugierig.

Nami griff nach dem Sektglas. „Haben wir“, murmelte sie vor einem Schluck und wusste nicht so recht, ob sie näher darauf eingehen wollte.

Höchstwahrscheinlich blühte dasselbe wie mit anderen Gesprächspartnern.

„Sie leidet unter der Trennung“, setzte er nach.

„Geschieht ihr recht“, warf Zorro ein das ihm einen überraschten Blick seitens Nami bescherte. „Was? Mein Schweigen ist keine Zustimmung. Wir zwei haben ihr gesagt, dass das nach hinten los geht. Gleiches gilt für ihre Freunde. Selbst Robin hat das Ende vorhergesehen.“

„Das Risiko ist sie aber eingegangen. Manchmal sind Gefühle eben stärker als der Kopf.“

„Woher willst du das wissen? Bei dir arbeitet der Schwanz, der Kopf ist auf Urlaub – Lass das!“ Sanji hatte ihm erneut einen festen Tritt gegen das Schienbein gegeben.

„Dann halt du die Klappe!“, giftete Sanji.

Nami betrachtete das Szenario kopfschüttelnd. Manches änderte sich nie, aber musste sie nebenbei an das Gesagte denken. Wenn Geheimhaltung oberste Priorität war, verstand Nami durchaus den Zwiespalt, den Franky, Kalifa, auch Kaku empfunden haben mussten. Leider auch den von Robin selbst.

Das lange Nichtstun war verständlich geworden. Robins Warnungen, die sie allesamt stur in den Wind geschossen hatte. Natürlich wich Robin Beziehungen aus. Sie brachten Ärger mit sich. Sie funktionierten nicht auf Dauer. Außer die Frau stammte aus derselben Welt.

Noch ein Schluck.

Nami hatte durchaus noch Befürchtungen (niemand wusste, was bevorstand), doch zum Teil taten ihr ihre Unterstellungen leid. Dass Robin sie liebte, nahm sie seit dem Gespräch bewusster wahr.

Wirklich liebte, auf dieselbe Weise wie Nami es tat.

Für sie hatte Robin tatsächlich sämtliche Einstellungen über Bord geworfen. Ja, mittlerweile sah sie in Erinnerungen keine Tagträume mehr.

Sie waren die Realität.

Eine pure, schmerzvolle Realität, die den Abschluss erschwerten.

„Habt ihr nie Angst, sie könnten ein Schweigen erzwingen … ihr wisst schon …“ Erst mit ihren Worten wurde das Keppeln unterbrochen. Mit überraschtem Ausdruck sahen sie Nami an. Als ob sie gerade etwas vollkommen Dummes gesagt hätte.

„Kalifa kann einschüchternd sein, aber nein. Leben und leben lassen“, fand Sanji zuerst die Sprache.

„Na ja, ich habe durchaus mit dem Gedanken gespielt. Anfangs, ich meine, ich habe gesehen, wie die arbeiten. Die sind gut und manchmal geht eine Sicherung durch-“

„Du munterst sie gerade wirklich auf“, unterbrach Sanji angesäuert. „Nicht hilfreich!“ Zorro rollte mit den Augen über, abgesehen davon überging er den Einwand.

„Deine Sorge ist berechtigt und Lucci passte perfekt ins Schema. Der hätte sogar seine eigene Mutter abgeschlachtet. Sie jedoch, sie haben irgendwie das Herz am richtigen Fleck. Ich weiß, klingt bescheuert, finde aber keine bessere Erklärung.“ Ein Schulterzucken untermalte die Worte.

Hilfesuchend sah sie zu Sanji, der jedoch zustimmend vor sich hin nickte.

„Ignoriert ihr deshalb die Umstände?“

„Hat dir Robin je Gründe gegebenen?“, hinterfragte Sanji dann. „Lösche das Doppelleben und sag mir, wann sie das Gegenteil gezeigt hat.“

Ihr fiel kein Beispiel ein. Das war ihr Dilemma. Wie alle hatte auch Robin ihre Ticks, aber da existierte nichts, das zu seiner Frage passte. Aus dem Blickwinkel, nein, unmöglich etwas gegen Robin zu finden. Es wurmte Nami, half ihr wieder keinen Schritt weiter.

„Robin und ich haben seither oft geredet“, sprach Sanji weiter, da ihm Nami keine Antwort gab. „Ich kenne mittlerweile auch die Hintergründe. Robin hätte nie hineinrutschen dürfen und das Leben hinter sich lassen, ist kein Honigschlecken.“

„Du beschützt sie“, stellte Nami frustriert fest und es störte sie gewaltig. Müsste er nicht umgekehrt denken? Hatte er nicht die Reißleine gezogen und dieses Leben hinter sich gelassen? Früh genug? „Denkst du über Franky dasselbe?“

„Da redet nicht sein Schwanz“, warf Zorro ein. „Ist selten bei Frauen, aber kann vorkommen.“

„Galant ausgedrückt“, nuschelte Sanji und erhob sich. „Dein Zwiespalt ist berechtigt, Nami, du sollst nur aufhören sie über einen Kamm zu scheren.“ Damit machte sich Sanji in die Küche auf, bestimmt wollte er rauchen.

Mit Zorro blieb Nami zurück und wieder nagte dieselbe Aussage, die sie von Robin selbst gehört hatte.

„Wirst du deine Entscheidung verteidigen?“ Nami wich seinem starren Blick aus. Als ob sich alle verschworen. Robin hatte sie mit ihrem Charme genauso gefangen. Anders konnte sie sich manche Aussagen nicht erklären. „Ich bin nicht zimperlich und habe genug gesehen und mitbekommen. Robins zweites Standbein finde ich unter aller Sau, keine Frage, aber ich kenne manche Geschichten von Bonney. Sie ist kein Engel. Ihre Notwehr macht den Unterschied aus. Bonney hat mir erneut aufgezeigt, wozu wir für Gefühle bereit sind zu tun.“ Er ließ das Gesagte eine Weile im Raum stehen.

„Wechseln wir. Würdest du bei Bonney bleiben?“, fragte sie mit gehobener Braue. Bonney und Robin. Zwei unterschiedliche Paar Schuhe, das hatte er selbst gesagt. Wenn Bonney sich wehren musste, um zu überleben, einem Albtraum zu entkommen, stand das auf einer anderen Stelle als Robins Taten. Vielleicht kannte sie keine Einzelheiten, aber wie ließ man sich absichtlich darauf ein? Und Robin war weder dumm noch naiv.

„Vielleicht“, antwortete er überraschend.

„Vielleicht ist keine Zustimmung.“

„Genauso ist es keine Verneinung.“

Frustriert schnaufte Nami. Gerade kostete Zorro ihr Nerven.

„Bonney war ein plausibler Grund, um mich auf das Spiel einzulassen. Du warst der zweite wichtige Faktor“, gestand er, suchte Augenkontakt, der nur zögernd zustande kam. Ein trauriges Lächeln zeichnete sich ab. „Oft habe ich gesagt, ich stehe hinter dir und ich würde jederzeit deine Seite wählen. Koste es, was es wolle. Stattdessen habe ich zugesehen, aber ich habe es nicht geschafft, dir dein Glück zu zerstören. Du liebst sie aufrichtig und sie dich. Wie hätte ich das tun können?“ Schluckend sah sie ihm in die Augen, sah die Wahrheit dahinter. Eigentlich hatte Zorro sie genauso beschützt, solange wie es ihm möglich gewesen war.

Vor dem plötzlichen Aufwachen.

Vor der Trennung.

Vor ihrem Gefühlschaos.

Er hatte es versucht und war gescheitert.

„Am Ende haben wir versucht in unserem persönlichen und deinem Interesse zu handeln. Klingt furchtbar, oder?“

„Deine sensible Ader ist furchtbar“, lockerte sie die Stimmung halbherzig, denn erneut kam der Schmerz hoch. Blinzelnd kämpfte sie dagegen an.

„Wir stehen hinter dir, wir wollen dir lediglich beim Verarbeiten helfen“, meldete sich Sanji zurück. Mit verschränkten Armen lehnte er an der Wand und Nami vermochte nicht zu sagen, wie lange er schon dort stand. „Ob du dich endgültig abwenden willst oder ob du den Schritt wagst. Wir sind da.“

Fragend sah sie ihn an.

„Welchen Schritt?“

„Manchmal müssen wir erst den Schritt ins Dunkle wagen, damit das Licht sich zeigt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dark777
2022-08-28T19:57:15+00:00 28.08.2022 21:57
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, sehe nun aber eine Tendenz in Richtung Pro-Robin.......yeah :D! Nami war die ganz Zeit insofern verbohrt, dass sie nur ihre Sichtweise wahrgenommen hat. Natürlich sind ihre Argumente stimmig und nicht von der Hand zu weisen. Und dennoch.......es ist nicht alles schwarz oder weiß ;).

So wie ich das Kapitel jetzt gelesen habe, würde ich im ersten Impuls von einem Happy End ausgehen. Da ich dich aber kenne und du deine Enden gerne der Grundstimmung der Geschichte anpasst, vermute ich aber, dass es nicht so offensichtlich ausgeht. Ich habe das nagende Gefühl, dass die Crew zum Ende der Geschichte hin nicht mehr vollzählig sein wird und Nami mit schwerem Herzen und einem Trauma weiterlebt.

Ich bin gespannt wie es weiter geht V(~_^)
Von:  BurglarCat
2022-05-01T09:53:40+00:00 01.05.2022 11:53
Endlich findet eine Aussprache statt und Nami hört zu. Sicherlich hatten die beiden ihre Gründe und die muss man an der Stelle auch sehen. Ob das ganze moralisch vertretbar ist, das ist noch einmal was ganz anderes und sicher muss man sich darüber Gedanken machen.
Ich bin auch in einem Zwiespalt, auf der einen Seite ist es verständlich und ich finde es gut, dass die beiden das doch irgendwie alles voneinander trennen und Nami noch einmal an ihre Gefühle zu erinnern. Gleichzeitig sind da auch Nami Argumente und die sollte man nicht vergessen. Robin ist nun einmal eine Killerin und das hat sie begleitet für lange Zeit. Ist nicht wegzudiskutieren. Und, ob die Vergangenheit sie dann wieder einholen wird? Irgendwann?
Kann man abschließen und neu anfangen?
Es ist eine sehr schwierige Frage und liegt sicherlich auch daran, ob Nami darauf vertrauen kann die "wahre" Robin gesehen zu haben und zu kennen und, ob ihr das reichen wird, um vielleicht einen Neuanfang zu wahren. Nicht einfach, wirklich nicht.
Es wirkt so als würde die Tendenz des ganzen in eine Richtung deuten, so wie Nami's ganzes Umfeld auf sie einspricht. Unabhängig davon was sie wissen oder nicht.
bleibt spannend und doch wird spürbar, dass sich das alles dem Ende zugeht.
Schnell mehr!


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