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The Darkness Inside Me

von

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Tempo di affrontare.


 

Zeit, sich zu stellen.

3. März 2013

Das Erste, das Nami tat, als sie aus dem Flughafengebäude trat, war ein tiefer Atemzug. Gierig inhalierte sie die Meeresluft und es war, als ob sämtliche Last abfiel. In dem Moment wurde ihr erst bewusst, wie sehr sie das Meer an sich vermisst hatte.

Unmöglich an einen dauerhaften Abschied zu denken. Da zählten andere Städte nicht, die ähnliches boten, der Unterschied war zu groß. Venedig selbst hatte sie in den Bann gezogen, von dem sie gefühlt nie wieder loskommen würde.

Lange durfte sie nicht genießen, denn ein störendes, nie enden wollendes Räuspern zerstörte den Moment. Umso entnervter fiel ihr Brummen aus, sobald sie die Augen öffnete. Bereit, dem Störenfried die Leviten zu lesen, hielt sie Ausschau. Das Vorhaben verpuffte jedoch in derselben Sekunde, in der sie den Ursprung ausmachte. Der Zorn wich, stattdessen blinzelte sie irritiert.

Vor ihr stand kein Unbekannter. Unverkennbar waren die schwarzen Locken, die nicht mal von seiner schief sitzenden Chauffeur-Mütze gebändigt wurden. Breit grinsend hielt er ein Schild, beschriftet mit ihrem Namen, hoch.

„Signora, Ihr Taxi wartet“, sagte er höflich, aber mit einem herzhaften Lachen unterstrichen.

„Lysop!“, stieß sie freudig aus, nachdem der erste Schock verflogen war und begrüßte ihn mit einer stürmischen Umarmung, die sein Gleichgewicht gefährlich ins Wanken brachte.

„Ist auch schön dich zu sehen“, lachte er weiter.

„Was tust du hier?“, fragte sie sogleich und ließ ab.

„Dich abholen, was sonst?“ Was sonst? Vorgestern hatte sie ihm geschrieben, ob er sie vom Busbahnhof holen könnte. Vom Flughafen selbst war nie die Rede gewesen. „Was denn, als ob das einen Unterschied macht.“

„Für dich ist das wesentlich umständlicher“, seufzte sie kopfschüttelnd.

„Du siehst gut aus – ausgewechselt!“, winkte er ab, wobei er ihr einfach die Tasche abnahm und sie zu seinem Boot lotste. „Tut mir leid, Vivi hat sich große Sorgen gemacht und erzählt dir geht’s beschissen. Du meldest dich nicht und so“, quasselte er drauf los, sobald er Namis fragenden Ausdruck erkannte. „Sie ist nicht ins Detail gegangen, aber du warst plötzlich weg und niemand wusste so recht, was los ist. Ich rede mich in die Bredouille, oder?“

Nami seufzte. Hatte sie von ihrer Freundin etwa eine andere Reaktion erwartet? Vivi zeigte ihre Gefühle weitaus offener. Mit ihr musste sie schnellstmöglich ein klärendes Gespräch führen.

Betreten schaute sie zu Boden. „Ist eine etwas, na ja, komplizierte Geschichte. Mach dir keinen Kopf. Ich habe mich Vivi gegenüber falsch verhalten, sie im Dunklen gelassen. Das kläre ich schon. Aber ja“, meinte sie dann fröhlicher, „mir geht’s besser. Und danke, dass du mich hier holst. Ist eine schöne Überraschung.“

Lysop atmete erleichtert aus. „Deshalb ist Käpt’n Lysop zur Stelle und rettet den Tag.“ Stolz klopfte er sich auf die Brust, ehe beide in Gelächter ausbrachen.
 

„Das Schild behalte ich“, sagte sie während der Fahrt und hielt es hoch. „Wer will nicht so empfangen werden?“

„Das ist Diebstahl“, witzelte Lysop. „Aber gut, bei dir drücke ich ein Auge zu.“ Nami grinste breit und legte es zu ihrer Tasche.

Venedig erstreckte sich vor ihr. Gemischte Gefühle kamen auf. Einerseits eine seltsame Erleichterung, andererseits die erwartete Aufregung.

Nami hatte sich viel vorgenommen.

„Erzähl mir, was gibt’s Neues?“, wich sie ihren Gedanken aus. Noch war die Zeit nicht gekommen, sich ihnen erneut zu stellen, ihnen wieder unnötigen Raum zu geben.

Später.

Ein Punkt nach dem anderen.

Lieber konzentrierte sie sich auf Lysop, mit dem sie gefühlt ewig nicht gesprochen hatte. Mit ihm war es schon immer leichter gewesen. Er war ein lustiger, aber verrückter Kerl, dem sie mit ihren verzwickten Problemen bestimmt nicht zur Last fallen wollte.

„Die Stadt steht noch“, gab er düster zurück.

„Idiot!“

„Was? In zwei Wochen passiert hier nicht viel.“

„Bei dir?“ Leichte Zweifel regten sich. Dachte sie an all die sich hier tummelnden Charaktere, so waren zwei Wochen ausreichend, um die Stadt auf den Kopf zu stellen. Und wenn sie Lysop so ansah, existierten Neuigkeiten, denn auf ihre Frage hin bildete sich ein verräterischer Rotschimmer.

„Sag bloß!“, stieß sie eine Spur zu schrill aus.

Verlegen kratzte sich Lysop am Nacken. „Kaya und ich … wir treffen uns.“ Erfreut klatschte Nami die Hände zusammen. Leider spürte sie zeitgleich einen kleinen Stich, wie bei allen Paaren, die sie in letzter Zeit beobachten konnte, aber den ignorierte sie gekonnt. Er wurde erstickt.

Freude rückte nach. Lysop war seit einer Ewigkeit in Kaya verliebt und lange lief die Situation auf dasselbe Ergebnis hinaus, wie zwischen Vivi und Ruffy – ins Nichts. Wenn sie endlich einen Schritt gemacht hatten, wie konnte Nami sich nicht freuen?

„Seit wann?“ Namis Frage blieb etwas in der Luft hängen, als Lysop in einen Seitenkanal einbog.

„Kurz vor deiner Abreise? Hat sich irgendwie ergeben.“ Plötzlich wurde ausgerechnet der sonstige Lügenbaron wortkarg. „Läuft ganz gut. Vielleicht sehen wir uns später noch.“

„Details mein Lieber.“

„Ein Gentleman schweigt“, sprach er räuspernd, dennoch erkannte sie ein verliebtes Strahlen.

„Unfassbar, die wichtigste Neuigkeit muss ich dir aus der Nase ziehen!“, stöhnte Nami gefrustet. „Sieht dir gar nicht ähnlich.“ Normalerweise hatte Nami erwartet, er würde Luftsprünge machen und konnte kaum abwarten, ihr die News bis ins kleinste Detail zu erzählen. Viele Male war er gar nicht mehr aus dem Schwärmen herausgekommen oder hatte sie nach Ratschlägen gefragt. Nun zuckte er lediglich mit den Schultern, setzte einen leicht geknickten Blick auf.

Das Schweigen hielt an, während er das Boot lenkte und wirkte, als wollte er ihr bewusst, aus einem guten Grund heraus, ausweichen. „Lysop?“

„Na schön, ich weiß ein bisschen mehr … Robin und du … es heißt, ihr habt euch getrennt?“ Also doch. Das Gefühl, das in der Stille aufgekommen war, bewahrheitete sich. „Vivi hat nicht viel erzählt, aber bei manchen Andeutungen zählt man eins und eins zusammen. Auch Zorro und Sanji verhalten sich merkwürdig. Wenn das wahr ist … wirkt komisch, wenn ich nebenbei über Kaya schwärme, findest du nicht?“ Nun warf er ihr von der Seite aus einen entschuldigen Blick zu, bei dem ihr die Worte fehlten.

Natürlich.

Natürlich hatte alles seine Auswirkungen.

Natürlich bekam ihr Umfeld mehr mit, als ihnen lieb war.

„Liegt mehr im Busch? Die Stimmung in der Bar ist abartig. Zorro zeigt sich mürrischer denn je, Sanji interessiert sich null für Frauen. Mal ist Vivi bedrückt, mal keppelt sie sich mit Franky. Mit Franky! Wenn er überhaupt mal dort ist. Robin und Kalifa tauchen gar nicht mehr auf. Momentan ist Ruffy die einzig beruhigende Konstante, ausgerechnet er. Irgendwie hört sich alles nach einem gröberen Problem an.“

Harsch zog Nami Luft ein. Unwillkürlich dachte sie an Robins Worte. Verdammt.

Das Boot wurde langsamer, sie waren am Ziel und Lysop legte an. Ob er sich überhaupt eine Erklärung erwartete? Nami zog das Schweigen immerhin ziemlich in die Länge.

„Grob … das zwischen Robin und mir ist kompliziert, sehr sogar. An den Veränderungen bin ich nicht unschuldig, ich habe mich nur um mich gekümmert. Der Rest wurde komplett ausgeblendet. Es passieren Sachen, bei denen man oft vergisst, wie verstrickt unsere Leben doch sind. Leider leiden andere genauso“, erklärte sie, ohne nähere Informationen.

„Bei euch zwei unvorstellbar“, nahm Lysop die kryptische Andeutung hin und lächelte traurig. „Ihr habt immer einen glücklichen Eindruck gemacht, als wüsstet ihr nicht, was Probleme sind.“ Hatten sie. Dessen war sich Nami durchaus bewusst. Zweifel ließen sie gar nicht aufkommen.

Die Zeit gehörte nun der Vergangenheit an.

„Manchmal endet das Glück schneller als uns lieb ist. Also genieß die Zeit die du hast.“ Nami schulterte ihre Tasche und Lysop half ihr aus dem Boot. Aufmunternd klopfte sie ihm auf den Rücken. „Schau nicht so entsetzt! Kaya und du habt kein Ablaufdatum. Vorher mache ich ihr die Hölle heiß.“ Auf keinen Fall wollte sie ihm Angst einjagen. Bei Lysop kein leichtes Unterfangen. Zwar schwang er gerne große Reden, aber sein Selbstbewusstsein war alles andere als ausgeprägt. „Wehe du malst dir das Schlimmste aus, bevor ihr überhaupt angefangen habt, kapiert?“, sprach sie streng.

„Aye, aye!“, antwortete er sichtlich entspannter. „Was jetzt?“

„Jetzt kümmere ich mich um den angerichteten Schaden“, legte sie offen und warf einen Blick zur Seite. Vivi zuerst, dann einer nach dem anderen. „Hier“, sie steckte ihm Geld in die Brusttasche. Lysop wollte schon protestieren, doch schüttelte sie den Kopf.

„Denk ans Geschäft, hat dir das dein Vater nicht gelernt?“ Dankend umarmte sie ihn zum Abschied. „Wir sind Freunde, ich nutze dich nicht aus.“

„Nein, du holst es dir nur beim nächsten Gespräch wieder, wenn ich um Ratschläge bitte“, feixte Lysop und streckte ihr grinsend die Zunge heraus. Nami lachen. Vielleicht keine schlechte Idee. Könnte sich als lukratives Nebeneinkommen herausstellen.

„Bring mich nicht in Versuchung.“
 

2. März 2013

Unschlüssig betrachtete Nami ihr Spiegelbild.

Unschlüssig, weil sie nicht wusste, was sie gerade lieber täte: Lauthals schreien oder verträumt starren.

„Ich hasse dich“, sprach sie trocken an Lola gewandt. „Taktgefühl ist dir unbekannt.“ Vor der Abreise wollte Nami noch ein wenig Zeit mit ihr verbringen, bevor sie sich länger wieder nicht zu Gesicht bekamen.

Eine Entscheidung, die sie nun verteufelte, hätte sie lieber mit ihr telefoniert oder sich irgendwo anders getroffen.

Nun stand sie also in Lolas Laden und trug eines ihrer Kleider, anstatt gemeinsam, wie eigentlich ausgemacht war, Mittag zu essen. Dazu noch in einem Traum aus Weiß. Das Kleid sagte ihr leider zu.

Ausgerechnet in dem wohl beschissensten Moment, den Lola sich aussuchen konnte.

„Ich sage dein Timing ist perfekt. Ist erst vor einer Weile fertiggeworden und ich habe bereits auf den richtigen Moment gewartet, um es angezogen zu sehen.“

Lola war furchtbar. Ganzgleich welche Blicke Nami ihr schenkte, nichts brachte ihre Ruhe ins Wanken. Kopfschüttelnd drehte sich Nami im Kreis.

Vielleicht schrie sie doch lieber.

„Passt wie angegossen, wie kommt’s?“

„Sind ja deine Maße.“

„Was?“ Perplex hielt Nami inne, sah fragend zu ihr. Lola setzte ein zuckersüßes Lächeln auf. Was dachte sich die andere bloß?

„Na hör mal, das Shooting letztes Jahr? Abgesehen von den längeren Haaren hast du dich nicht gerade viel verändert. Ich lasse mich gerne von Freundinnen inspirieren. So sind mir ein paar geglückt.“

Nami brummte säuerlich. Das war nicht, was sie hören wollte. Über eine Hochzeit machte sie sich keine großen Gedanken, weder vor Robin noch mit ihr. Der Sorte Frauen gehörte sie nicht an, aber der Moment störte gewaltig. Gerade war ihr das Herz auf übelste Weise gebrochen worden. Ihr eigener Anblick half garantiert nicht über die Trennung hinwegzukommen.

Entweder litt Lolas Gedächtnis oder sie zeigte ihren makabren Humor.

„Nami, ich gebe dir einen gutgemeinten Rat. Harte Zeiten erfordern noch härtere Maßnahmen, gepaart mit der nötigen Portion Humor. Je schwärzer desto besser – und ja, ich wollte dich darin sehen.“

„Du bist verrückt.“

„Dachte immer, du magst mich dafür“, gab Lola zwinkernd zurück. „Schau, du bist besser drauf. Würdest du weiterhin Trübsal blasen und das wandelnde Elend geben, hätte ich dir eventuell eine Wahl gelassen.“

Niemals. Lola hätte ihr das jederzeit angetan. Wenigstens stimmte sie in einem Punkt zu, Nami fühlte sich besser.

Nicht viel und sie würde weiterhin keine Luftsprünge und Sonstiges tun, aber um eine Spur, die eine klarere Sicht zuließ.

Zwar hatte das Gespräch mit Robin neue Fragen aufgeworfen, aber in der Nacht hatte sie deutlich mehr Schlaf gefunden. Als ob ein wenig Last abgefallen war. Seither hatten sich ihre Gedanken sortiert, liefen in geregelten Bahnen – verrückt.

Tagelanges Feststecken, gefangen in einem erdrückenden Teufelskreis.

Manchmal half das Weglaufen wirklich nicht, so stark das Verlangen auch war. Manchem musste man sich irgendwann stellen, wollte man eine Besserung.

Robins Worte hatten dazu geführt, dass Nami nun anderen Gedankengängen Raum bot. Vielleicht fand sie nun den gewünschten Weg.

„Ein Traumkleid – willst du doch hören, oder?“, neckte Nami mit herausgestreckter Zunge.

„Oh bitte, deine Augen haben dich schon lange verraten.“
 

„Was unternimmst du wegen deiner Holden?“

„Wir haben uns getroffen und geredet.“ Mittlerweile war Nami wieder umgezogen und konnte sich endlich dem Essen widmen.

Lola hielt für einen Moment überrascht ihnen. Auf ihren Gesichtsausdruck hin arbeitete ihr Verstand auf Hochtouren. „Damit rückst du jetzt erst raus?“ Wild fuchtelte sie mit der Gabel. „Du weißt, spannende News an erster Stelle! Du enttäuschst mich, aber beantwortet das deine Veränderung. Nach unserer feurigen Nacht warst du nicht so gut drauf – habt ihr euch köstlich amüsiert? Versöhnungssex wird gern unterschätzt!“

„Lola!“

Von der Neugierde gepackt, schob Lola ihr Essen zur Seite, stützte anschließend das Kinn an ihren Händen ab. Hoffnungsvolle Augen starrten ihr entgegen. „Bitte, lass kein Detail aus.“ Entnervt massierte sich Nami ihre Schläfe. Wieder fragte sie sich, warum sie überhaupt mit Lola befreundet war. Wenn diese wüsste, welche Details sie die gesamte Zeit über schon ausließ. Was konnte sie überhaupt erzählen?

„Okay, du wirst keine überraschende Wendung hören.“ Solche Gedanken schlug sich Lola lieber schnell aus dem Kopf. Als ob sie vergaß und mit Robin … wie kam Lola darauf? Am Ende glich ihr Bleiben einem Wunder.

Das hatte im Nachhinein geholfen, sich als richtig herausgestellt, obwohl es Nami auf andere Weise neues Kopfzerbrechen bescherte.

Lucci – noch immer traute sie dem Gedanken nicht, sein Plan hörte sich surreal an (wenn er der Wahrheit entsprach). Zwar passte das Vorgehen zu ihm, dennoch fand Nami ständig irgendwelche Lücken oder wollte welche finden. Eine andere Reaktion und alles wäre in Luft aufgegangen.

Dann erinnerte sie sich stets an Robin Worte, die Gewicht hatten. Gefühle machten Menschen berechenbar.

Jeder hatte seinen Part erfüllt.

Andererseits wäre Robins Doppelleben auch ohne sein Zutun irgendwann aufgeflogen und Nami hätte die gleiche Reaktion gezeigt.

Ein ungeduldiges Räuspern holte Nami zurück.

„Irgendwann musste der Tag kommen“, begann Nami seufzend. „Wir haben uns getroffen, zuerst bin ich abgehauen, dann haben wir uns doch noch eine Weile unterhalten. Über das Fiasko zwischen uns, meine Freunde … seither fühle ich mich besser, aber irgendwie wieder nicht. Verstehst du was ich meine? Nicht Fisch, nicht Fleisch … so was halt.“

„Heißt, sie ist dir nachgereist?“, hinterfragte Lola mit gehobener Braue. „Für ein Gespräch?“

„Nein, eher für die Arbeit?“ Nami hatte keine genaue Antwort. Eigentlich hatte sie später gar nicht mehr nachgefragt, warum sie hier war. Für den Augenblick hatte ihr gereicht, dass es nicht einer Drohung wegen geschehen war.

Lola prustete. „Arbeit. Ist klar.“ Nachdenklich musterte Nami ihre Freundin. Nami ging die Möglichkeit durch. Nein, nein, nicht für sie. Robin hatte sich nicht von ihr aus gemeldet. Nein, ein Nachreisen ergab keinen Sinn. „Egal, wir kennen deinen Zustand. Wie hat sie sich gegeben?“

„Leidet auf ihre Weise.“ Ein Punkt, den Nami bewusst ignoriert hatte. Erst als sie sich gegenüberstanden hatte sie der Überlegung nachgegeben. Vielleicht war Robin eine gute Schauspielerin, was ihr Doppelleben betraf, doch ihr Anblick … Nami konnte nicht wegschauen, konnte nicht leugnen. Robin litt genauso unter der Trennung.

Dabei spürte Nami eine gewisse Genugtuung. Wenigstens ein kleines bisschen durfte sie diese genießen. Immerhin war Robin schuldig. Sie hatte sich auf das Leben eingelassen, hatte keine Änderung herbeigeführt. Weder vor Nami noch während der Beziehung. Warum also Mitleid empfinden? Während Robin vermutlich normal weiter mordete?

„Hat sie verdient. Wer nicht mitdenkt, bestraft das Leben.“ Schwach lächelnd, aß Nami weiter, obwohl ihr der Appetit langsam abhanden ging.

„Will sie eine zweite Chance?“

„In der Art?“ Jedenfalls deutete Robin kein Aufgeben an. Sie hoffte auf eine Versöhnung, die Nami gerne in Betracht ziehen wollte.

Zurück.

Einfach zurück und ihre Gefühle ausleben.

„Du haderst“, stellte Lola fest. Zu schnell schüttelte Nami den Kopf. Wem machte sie etwas vor? Natürlich haderte sie. Tat sie seit zwei Wochen. Wer konnte ihr das verübeln? Robin loslassen war schwierig und brauchte seine Zeit. Sehr viel Zeit. „Willst du mich belügen oder lieber dich selbst?“

Ruckartig schaute Nami auf.

„Versteh mich, ich weiß, dass ich Robin liebe und solange die Gefühle vorhanden sind, werde ich mich fragen, ob eine zweite Chance besteht. Der Unterschied liegt darin, ob ich es tue oder eben standhaft bleibe.“ Und bislang war sie gut darin. Sie stand über ihren Gefühlen, gab nicht nach, obwohl sie der Schritt große Überwindung kostete.

Lola richtete sich auf. „Ich wette, du wirst einen Moment haben, in dem du nachgibst und dich erneut auf sie einlässt, eben weil deine Gefühle stärker sind.“

Während Lola sich ihrem Essen widmete, als hätte sie nichts gesagt, saß Nami entgeistert da. Hatte sie das gerade wirklich gesagt?
 

3. März 2013

Das Herz schlug bis zum Hals. Lysop war längst aufgebrochen, doch weigerte sich Nami das Haus zu betreten. Eine Weile war sie unschlüssig auf und ab marschiert, bis sie auf der obersten Stufe Platz nahm.

Vielleicht keine kluge Idee. Die Wärme ließ weiter auf sich warten, der Stein war kalt. Dennoch blieb sie, rieb sich nachdenklich die Handflächen.

Eigentlich musste sie einfach die Tür aufschließen und reingehen. Fertig. Warum also das Hinauszögern?

Lag wohl an der sie einholenden Realität. Das schlechte Gewissen brach endgültig durch. Lysops Erzählung hatte dem eines draufgesetzt. Ausblenden war keine Option.

Natürlich würde sie sich erklären und die Sache mit Vivi bereinigen. Da der Moment aber kurz bevorstand, merkte Nami, dass das kein Kinderspiel war. Zumal sie nicht wusste, wie Vivis Reaktion ausfiel.

Freute sie sich über ihre Rückkehr?

Oder übersäte sie Nami sofort mit Vorwürfen?

Stöhnend vergrub sie das Gesicht in den Händen. Natürlich machte ihr Vivi Vorwürfe, was sonst? Mit ihren großen Kulleraugen und ihrer überemotionalen Art … sie dürfte nicht mal böse werden. Das Problem hatte sich Nami selbst eingehandelt.

„Und so entstehen Blasenentzündungen – hat man mir jedenfalls beigebracht“, hörte sie tadelnd. Panisch schreckte Nami auf.

„Erschreck mich nicht so!“ Schneller atmend, sah sie zu Kobra hoch, der gelassen gegen den Türrahmen lehnte. Wie lange schon? Nami hatte ihn überhaupt nicht registriert. „Wenn wir schon dabei sind, ist dir bewusst, dass durch so etwas Herzinfarkte entstehen?“

„Was für eine herzerwärmende Begrüßung“, tadelte Kobra. „Bellemere wird stolz sein, wenn sie von deinem liebevollen Charme hört.“ Augenrollend schulterte sie ihre Tasche. Der anfängliche Schock war verschwunden.

„Petze!“

Kobra lachte und trat zur Seite. „Bellemere wird sich freuen, dass dein Temperament zurückkehrt.“ Was hatte er gesagt? Bevor sie gänzlich eintrat, blieb sie neben ihn stehen, sah irritiert hoch. „Denkst du etwa wir stehen nicht regelmäßig in Kontakt? Du bist nicht gerade die Bilderbuchtochter, die sich regelmäßig meldet und ich machen mir genauso Gedanken um dich. Als schau nicht so.“ Da schob er sie schon weiter, damit er die Türe schließen konnte. Noch nie hatte Nami darüber nachgedacht. Hörte sich auch merkwürdig an. Beide am Telefon und plauderten über sie. „Dich schockierts wirklich“, sprach er weiter, als Nami nichts tat und ihn lediglich anstarrte. „Mit deinem Einzug bist du endgültig Teil der Familie geworden. Was überrascht dich?“

„Bekomme ich jetzt auch einen Igaram?“, war alles, das Nami dann sagte. Im Grunde dachte sie ähnlich, aber nun, wo er es aussprach, hörte es sich eben ganz anders an. Obwohl sie ihn und Vivi vermisste und froh war, wieder hier zu sein. Nicht, dass sie die Zeit zu Hause nicht genossen hatte, aber er hatte eben recht. Sie waren genauso ein Teil ihrer Familie geworden. Kobra kratzte sich am Kinn, fast als ob er tatsächlich ernsthaft darüber nachdachte. „War ein Scherz. Bloß nicht.“

„Wäre aber besser gewesen. Hätte dir Kummer erspart“, meinte er dann mitfühlend und sein Ausdruck veränderte sich. Ein trauriges Lächeln. „Falscher Zeitpunkt. Willkommen zurück“, lenkte er dann ab und nahm sie in den Arm.

„Tut mir leid.“ Etwas anderes fiel ihr gerade nicht ein und es tat ihr leid. Von ihm kamen keine Vorwürfe, er tat, als wäre sie nicht Hals über Kopf verschwunden und, als hätte sie ihn nicht mit einer leicht hysterischen Tochter zurückgelassen. Nami kannte Vivi.

„Wein oder härtere Geschütze? Ich habe gekocht.“ Mehr sagte er nicht, außer einem kleinen Schwenk, den Nami mit einem Lächeln quittierte.

„Wein hört sich gut an.“

„Perfekt.“ Die Antwort genügte und Kobra machte sich in die Küche auf. Das mochte sie an ihm, auch wenn er in anderen Situationen wieder zu übertreiben wusste. Manchmal ertappte sie sich bei der Frage, warum Vergo ihm nicht ähnlicher war.

Rasch schlüpfte Nami aus ihren Sachen. Das erste Hindernis war vorerst erledigt, aber das größere lauerte und ließ nicht lange auf sich warten.

Sobald sie gedämpfte Schritte von oben vernahm, erstarb das Lächeln ruckartig. „Rutsch ja nicht aus“, nuschelte Nami in sich hinein. Vivi nahm schnelle Schritte und nur wenige Sekunden später fasste Nami sie ins Auge.

„Hey du“, kam eine unschlüssige Begrüßung, deren wohl einziger Sinn darin bestand nicht in unangenehme Stillte zu fallen. Dem wollte Nami entgehen, fühlte sie sich schon unwohl genug, wenn sie Vivi anstarrte, die schweigend auf der letzten Stufe stand. Gerade dachte Nami alles in ihrem Blick zu erkennen, positiv und negativ.

Stumm wartete Vivi, ließ sie zappeln oder wusste sie selbst nicht, was sie tun sollte? Als Nami erneut etwas sagen wollte, startete Vivi los und fiel ihr stürmisch um den Hals, das Nami ins Taumeln brachte.

„Du erdrückst mich“, brachte Nami atemlos unter dem festen Griff hervor. Eher hatte sie mit einem Tobsuchtsanfall gerechnet.

„Na hör mal! Erst spielst du Zombie, dann machst du dich aus dem Staub und zur Krönung tauchst du fast gänzlich unter!“, antwortete Vivi aufgebracht. „Ich habe mir höllische Sorgen gemacht – und dich zigmal verteufelt!“ Da kamen sie dem Kern schon deutlich näher. „Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein!“

„Entschuldige. Mir ist alles über den Kopf gewachsen.“ Leider hatte sie dadurch Menschen vergessen an andere zu denken. An jene die nichts dafür konnten. „Ist aber kein Grund mich zu erwürgen.“

Vivi hielt sie auf Abstand, ihre Augen funkelten provokant. „Das überlebst du schon.“

„Wenn ich länger warten muss, lass ich euch verhungern!“, unterbrach Kobra ungeduldig aus dem Esszimmer.

Augenrollend warf Vivi den Kopf zurück. „Kommen ja schon.“ Mit einem Seufzen nahm sie Nami erneut ins Visier, nahm schließlich einen strengeren Ausdruck an. „Glaub nicht, dass du aus dem Schneider bist, kapiert?“

„Wir sollten ihn nicht herausfordern“, entgegnete Nami grinsend, schob sie an Vivi vorbei, packte sie jedoch am Handgelenk und zog sie nach. Für den Moment war sie gerettet, aber später würde sie dem Gespräch nicht entkommen. Obwohl ihr danach war, würde sie nicht davonlaufen und hoffentlich nahm ihr Vivi die Erklärung ab.
 

Dank Kobra war das Essen ohne Fragen ausgekommen. Normale Themen, ganz ohne auch nur eine unterschwellige Bemerkung.

Frisch geduscht kehrte Nami ins Zimmer zurück und erntete einen vernichtenden Blick seitens ihrer Freundin. Mit verschränkten Armen saß Vivi am Bett – die Schonfrist fand ein Ende.

„Platzt du gleich?“, wollte Nami die Spannung lockern, während sie ungerührt in den Hoodie schlüpfte und sich die Kapuze über den Kopf zog. Vivi lachte trocken, winkelte die Beine an.

„Bevor du mir endlich sagst, was passiert ist, muss ich etwas gestehen. In meiner Rage habe ich eventuell einen Blödsinn angestellt und-“

„Du meinst der Überfall auf Robin?“, unterbrach Nami seufzend. Schwungvoll ließ sie sich aufs Bett nieder, legte sich auf den Rücken. Nur kurz warf sie einen Blick zur Seite, ehe sie einfach zur Decke starrte. „Sie hat mir geschrieben.“ Hörbar atmete Vivi durch.

„Dein Blockieren hat mich sauer gemacht.“ Als ob ihr Nami Vorwürfe machte. Dafür hatte sie sich eine Spur zu weit aus dem Fenster gelehnt. In ihrer Lage hätte Nami vermutlich ähnlich reagiert. „Hat sie dir alles erzählt?“

„Inwieweit?“ Nun schielte Nami fragend zur Seite. Robin hatte bloß erwähnt, sie sollte sich endlich bei Vivi melden. Schief grinsend neigte diese den Kopf.

„Ich habe ihr an den Kopf geworfen, dass ich meine Entscheidung bereue. Ich hätte dich nie mitnehmen sollen. Dann wäre sie dir erspart geblieben – zur Verteidigung, die Frau macht mich rasend. Wie sie den Eisklotz mimt und tut, als steht sie über allem!“ Eingeschnappt schnaufte Vivi. „Wer wird da nicht wütend?“

Als die erste Überraschung verflog, brach Nami in lautes Lachen aus. Nein, den Teil hatte Robin ausgelassen. Robins Gefühlslosigkeit und Vivis Überreaktion, das konnte nur schief gehen.

„Wurde auch Zeit. Einen Fehler gesteht man sich lieber spät als nie ein. Ich habe mich von Anfang an gegen den Abend ausgesprochen“, feixte Nami im Spaß. Natürlich hatte sie damals lieber anderweitig ihre Zeit verbracht.

Natürlich war sie im Nachhinein heilfroh gewesen.

Früher oder später wären sie sich so oder so über den Weg gelaufen. Irgendwo in der Stadt oder eben in der Bar. Vivis Einfall hatte ihnen Zeit geschenkt, worüber ein Teil noch immer dankbar war.

„Für den Rest übernehme ich keine Verantwortung“, winkte Vivi ab, ehe sie dann einen ernsteren Ton anschlug. „Erzählst du mir endlich, was passiert ist?“ Nun wich Nami ihrem Blick wieder aus. Mit diesen traurigen und mitfühlenden Augen kam nicht zurecht. Nicht nur, weil sie das Schlimmste vertuschen musste. Um ihnen zu entgehen, schloss sie ihre. Das war nicht gut.

Zeit.

Nami nahm sich Zeit. Suchte nach der passenden Formulierung, obwohl sie das Gespräch bereits etliche Male durchgegangen war. Immer und immer wieder. Nun, wo der Moment gekommen war, stockten ihre Gedanken.

Dasselbe Spiel wie mit Robin.

Nervös begann sie an ihrem Ärmel zu zupfen.

„Robin und ich“, setzte sie an, biss sich leicht in die Unterlippe, ehe sie mit einem tiefen Durchatmen zur Erklärung ausholte: „Rückwirkend ist das Scheitern vorherbestimmt gewesen. Robin hat mich mehrmals gewarnt und ich habe ihre Warnungen in den Wind geschlagen. Meine Hartnäckigkeit hat uns in die Miesere geführt. Robin hat sich für mich verbogen … auf Dauer unmöglich.“

„Sie hat dich also betrogen?“ Ein weitreichendes Wort wie Nami mittlerweile feststellen musste. Zum Glück dachten sie alle an einen Seitensprung. „Der Gedanke ist mir sofort gekommen, aber – ich habe ihr das Fremdgehen sogar an den Kopf geworfen“ Irgendetwas an Vivis Tonfall brachte ein schlechtes Gefühl mit sich. „Scusi, aber Robin und Fremdgehen in einem Satz? Okay, bis du aufgetaucht bist, war Robin ein unbeschriebenes Blatt. Niemand, den ich kannte, hatte dahingehend Einblicke. Ihr Privatleben war halt privat. Dennoch passt ein Ausrutscher nicht ins Bild. Er passt einfach nicht.“

Wenn du bloß wüsstest, dachte sich Nami und schluckte. Deshalb die Angst vor diesem Gespräch. Vivi mochte manchmal naivere Ansichten haben, aber sie war eben nicht auf den Kopf gefallen. Hinterfragte.

„Robin hat mich eben gewarnt. Sie sei nicht für Beziehungen geschaffen. Eigentlich findet sie keinen Sinn darin. Arbeit geht vor, sie will nicht eingeschränkt sein. Das Zwischenmenschliche liegt nicht, nicht auf Dauer.“

„Was für eine billige Ausrede!“, entgegnete Vivi energisch. „Die Art dir gegenüber, ihre Blicke. Und plötzlich wachsen ihr die eigenen Gefühle über den Kopf und macht was? Sucht sich das nächstbeste Flittchen? Du glaubst daran?“

Schmerzhaft zog sich Namis Magen zusammen. Als ob man ihr das sagen musste. Natürlich hatte Nami alles hautnah miterlebt? Umso vernichtender waren nun der Ausgang und das Verschweigen der Wahrheit.

Rückte sie mit dem Grund heraus, würde sie keine weiteren Erklärungen brauchen. Ein Satz, nein, ein einziges Wort reichte und man verstand ihre Entscheidung. Warum alles von einer zur nächsten Sekunde aus dem Ruder gelaufen war und warum Nami nicht explodierte.

„Wir können in niemanden hineinsehen. Nicht zur Gänze.“

„Warum hast du nicht früher mit mir geredet?“, fragte Vivi vorwurfsvoll.

„Ich wollte nicht reden, nur verschwinden.“

„Mit dem widerlichen Arschloch!“, presste Vivi zähneknirschend hervor. Den Enkel ihm gegenüber lebte weiter, sie hielt nichts von ihm. Bis vor einer Weile teilte sie ihre Einstellung vollständig.

„Hat sich ergeben?“ Eine bessere Antwort fiel ihr nicht ein. „Du weißt, wie sehr ich Robin liebe. Für keine andere habe nur annähernd ähnlich empfunden. Es hat mir den Boden weggezogen und Law ist zufällig in der Nähe gewesen.“ Nun erst öffnete sie wieder die Augen, sah entschuldigend hoch. „Es tut mir aufrichtig leid, dass ich dich so ignoriert und im Dunklen gelassen habe.“ Nachdem Vivi sie einen Moment lang bloß anstarrte, zog ihr schließlich brummend die Kapuze tiefer. „Hey!“

„Lass deinen Hundeblick! Der taugt nichts.“

„Oh bitte, er funktioniert“. Wenigstens ein wenig, um ihre Freundin zu besänftigen. „Sei ehrlich, lange kannst du mir nicht böse sein.“

„Denkst du“, antwortete Vivi kopfschüttelnd. „Irgendwie fehlt mir ein Bindeglied“, gestand sie dann leise und legte sich endgültig hin. Dabei rückte sie das Kissen zurecht.

Nami merkte das schneller werdende Herz, den leichten Hauch von Panik. Immer wenn sie dachte, sie wäre auf dem richtigen Weg, musste Vivi wieder den Kurs ändern. „Du verschweigst etwas. Mein Gefühl irrt selten.“

„Vivi-“

„Hör mir zu“, unterbrach sie sogleich. „Robin ist intelligent, charmant, reich und obendrein verdammt heiß. Ob Mann oder Frau, das habe ich dir vor Monaten gesagt … blöd gesagt, stehen genügend für Robin an.

Bislang hat sie einfach perfekt gewirkt, darin liegt wohl das Problem. Perfektion ist eine Illusion und jede wird irgendwann zerstört. Hat Robin einen Haken? Liegt auf der Hand, aber der den du andeutest? Andererseits passt das Gesagte zu den etlichen Ablehnungen oder warum sie nie in Begleitung aufgetaucht ist.“

„Aber?“, nuschelte Nami.

„Hat sie für dich alles auf den Kopf gestellt. Und so jemand lässt dich für eine billige Nacht fallen? Ich bleibe dabei, mir geht etwas Grundlegendes ab.“

„Sie hat den Versuch gewagt und gescheitert. Daran gedacht?“

„Wenn du meinst.“

„Hör auf zu hinterfragen. Tut dir nicht gut.“ Unter anderen Umständen hätte Nami kein Problem mit ihren Gedankenspielen. Hierbei konnte der Schuss nach hinten los gehen. Manchmal war aufhören die sicherste Option. Da dachte sie gar nicht an Vivi als Tochter des Bürgermeisters, sondern vielmehr an Vivi als ihre beste Freundin, die sie nicht in Schwierigkeiten bringen wollte. Die für manche Angelegenheiten ein zu gutes Herz besaß und sich zu sehr hineinsteigerte.

Nami malte sich lieber nicht aus, was geschah, sollte Vivi jemals das volle Ausmaß erfahren – sie musste schweigen, um jeden Preis.

„Ist leider angeboren.“ Das hörte sie nicht zum ersten Mal. „Man hinterfragt gewisse Sachen. Robins Auftauchen, ihre Suche nach dir. Oder Sanji. Stand kurz nach deiner Abreise auf der Matte. Oder Zorros Stimmungsschwankungen … bekomme ich da eine genauere Antwort?“ Nami schnalzte mit der Zunge. Während des Gesprächs hatte Nami auf die Jungs vergessen, somit auch auf Lysops Erzählungen.

Natürlich dachte man sich seinen Teil. Hätte Nami nicht anders gemacht. „Okay, sagen wir, sie haben etwas mitbekommen und den Mund gehalten. Erst Robin, dann habe ich das mit den Jungs erfahren. Wie gesagt, mir ist die Situation zu viel geworden.“, erwiderte Nami nüchtern. Was dieses Chaos anging, waren sie eindeutig zu sehr ineinander verstrickt. Da blieben Veränderungen nicht ungesehen.

„Idioten!“, stieß sie schrill aus, wodurch Nami erschrocken zusammenzuckte. „Wie können sie so dumm sein? Irgendeinen Zusammenhang habe ich befürchtet. Immerhin ist wieder alles zusammengekommen. Wie damals, weißt du noch? Die merkwürdigen Zufälle?“

Falsches Beispiel. Ein verdammt gefährliches Beispiel, das Nami ungut aufstieß. An Vivis Worte erinnerte sie sich noch recht gut. Nami hatte ihre Gedanken als Humbug abgestempelt. Dabei hatte sie auf ihre Weise ins Schwarze getroffen. „Wieder Robin und Zorro. Was für ein Zufall.“

„Vivi.“ Allmählich glaubte Nami sich betraten hauchdünnes Eis. Ihr missfiel die Richtung ganz und gar.

„Entschuldige“, gab sie gefrustet zurück. „Soll ich ihnen die Leviten lesen?“

„Um sie kümmere ich mich, okay?“ Momentan brauchte sie keine weitere Auseinandersetzung. Brach Vivi einen Streit vom Zaun – nein, darauf verzichtete Nami liebend gern. Ohne die Hintergründe kam nur ein unnötiger Stunk heraus. Zorro und Sanji waren ihre Angelegenheit, um die sie sich schon bald kümmerte.

„Weißt du, ich bin heilfroh, dass du zurück bist, aber irgendwie wirkt alles gleich verworren, wie vor deiner Abreise.“

Und wieder rührte sich das schlechte Gewissen. Ungewollt zog sie Vivi mit in ihr Chaos. Mit jedem Schritt.

Bewusst darüber, wie ihre Freundin tickte, aber welche Wahl blieb ihr? Lieber kleine Brocken, statt die volle Wahrheit.

„Momentan habe ich nur noch eine Frage“, begann Vivi vorsichtig und wartete bis Nami zu ihr sah. „Willst du Robin abhaken oder siehst du noch eine Chance?“ Bei all den möglichen Fragen kam ausgerechnet jene die Nami keinesfalls in den Sinn gekommen war. Dementsprechend verwirrt hob sie eine Braue. „Du trägst ihren Hoodie.“

Da ging ein Licht auf. „War griffbereit“, murmelte sie und zog die Kapuze tiefer. Unbewusst hatte sie ihn angezogen. Er lag ganz oben und sie trug ihn oft. Irgendwie wurde daraus eine Gewohnheit. Leider war er auch verdammt bequem. Robin besaß kaum solche Kleidungsstücke und den hatte Nami seit einer ungeplanten Übernachtung, er hatte bloß nie zurückgefunden.
 

2. März 2013

»Sorry. Brauche noch ca 10 Min«, las sie kopfschüttelnd Laws Nachricht. Aufgrund eines Notfalls hatten sie die Verabredung bereits nach hinten verlegt. Allerdings war sie nicht böse. In seinem Job kam das vor.

Ihm wurmte die Verspätung eher, schließlich legte Law einen Wert auf Pünktlichkeit.

Da ihr Glas fast leer war und er bald aufkreuzte, orderte Nami eine neue Bestellung. Für sie beide. Law trank in der Regel dasselbe und nach dem Arbeitstag, da brauchte er definitiv härteres als ein Glas Wein.

Entspannt lehnte sie zurück. Der vollgepackte Tag neigte sich langsam dem Ende entgegen. Gestern war sie für sich geblieben. Absichtlich hatte sie sich zurückgezogen, von allen anderen abgekapselt. Zwischendurch war sie lange spazieren gewesen.

Im Grunde hatte sie sich erneut in ihrer Gedankenwelt wiedergefunden, aber mit einer anderen Ausgangslange. Mit einem neuen Blickwinkel, den sie bislang bewusst ignoriert oder verdrängt hatte.

Statt sich selbst in den Vordergrund zu rücken, hatte sie lange über Robin, Zorro und Sanji nachgedacht. Wie ihre eigenen Schritte aussahen. Auch hinsichtlich des Wiedersehens mit Vivi.

Ein Punkt nach dem anderen.

Das nahm sie sich vor.

Wenn sie zurückwollte, dann musste sie klärende Gespräche führen. Nach der bestmöglichen Lösung suchen.
 

„Entschuldige meine Verspätung“ Law kam gehetzt hereingeschneit, zeitgleich mit dem Kellner, der die Getränke brachte.

Noch immer kannte Nami nicht den Grund für Robins Besuch. Ob Lola Recht hatte? War sie ihretwegen hier? Ihr fehlte die Verbindung, schließlich verlor Law kein Wort über ein mögliches Auflauern oder ähnliches.

Amüsiert lächelnd, betrachtete sie Law. Er hatte sich eindeutig beeilt. Normalerweise achtete Law auf sein Auftreten, nicht heute. Die Haare waren leicht zerzaust, ein normales Shirt und Jeans. Vom gestriegelten Haar bis über zum perfekt sitzenden Anzug, so hatte sie Law Trafalgar kennengelernt. So trat er stets auf.

„Steht dir“, neckte Nami grinsend.

„Witzig. Hab’s nicht mehr nach Hause geschafft“, entgegnete er trocken und setzte sich ihr gegenüber. „Danke, genau was ich brauche“, deutete er auf den Drink vor sich und nahm einen kräftigen Schluck, ehe er hörbar aufatmete und sich zurücklehnte.

„Ist alles gut ausgegangen?“, fragte Nami nach einer Weile, in der sie ihn bloß beobachtet hatte. Er schien ausgelaugt, fertig vom Tag.

„Vorerst.“ Wenn er von der Arbeit sprach, wirkte er vollkommen ausgetauscht. Nichts von einem überheblichen Getue. Zwar feierte er schwierige Operationen, doch er sah sich nicht als einen Gott in Weiß. Er zeigte Mitgefühl, war einfühlsam. Law lebte förmlich auf.

Umso mehr verstand Nami nicht, warum er nicht öfter diese Seite zeigte. Nicht ständig das arrogante Arschloch mimte.

Leider untermauerte es Namis Abscheu. Die Abscheu seiner Taten über. Warum er sich auf Lucci eingelassen hatte. Er hatte andere Möglichkeiten.

Manchmal, seit sie mit ihm näher in Kontakt stand, fielen ihr die beiden Seiten extrem auf.

Manchmal glaubte sie, dass der Mann, der gerade vor ihr saß, seinen wahren Charakter zeigte.

Manchmal wiederum wirkte es genau umgekehrt.

„Erzähl, hat sich deine Einstellung geändert?“, fragte er neugierig und stierte sie ernst an. Da, wie ein Schalter. Als hätte er Law den Chirurgen abgelegt. Schleichend hatte sich seine Ausstrahlung verändert, er saß gerader, angespannter da.

Kopfschüttelnd nippte sie am Wein. „Morgen Nachmittag fliege ich zurück und bleibe. Venedig fühlt sich nach Heimat an, ich vermisse es.“ Ihm missfiel ihr Vorhaben. Dafür brauchte er keine Worte. Für ihn war von Beginn an klargewesen, was zu tun war.

„Vivi wird eine harte Nuss und ich will mit den Jungs reden. Einen Mittelweg finden.“ Unweigerlich wich er ihrem Blick aus, rief nach dem Kellner, während er den Rest in einem Zug leerte.

„Das Prinzesschen wird sich freuen.“

„Nenn sie nicht so.“

„Warum?“, fragte er mit gehobener Braue. „Ist sie doch. Nichts für ungut. Sie ist nett, aber ein verwöhntes Töchterchen. Bisschen mehr Realität täte ihr gut. Kein Wunder, wenn man so behütet aufwächst.“ Um den ersten Impuls zu unterdrücken, atmete Nami tief durch. Er mochte Vivi genauso wenig, wie alle anderen. Vermutlich, weil die Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte, weil sie ihm genauso wenig um den Hals fiel, wie Nami selbst.

„Magst du irgendjemanden aus meinem Umfeld?“

„Bellemere“, gestand er schulterzuckend. „Ich mag deine Mutter, sie ist umwerfend.“ Schnell hob er verteidigend die Hände. „Bitte, denk nicht in die falsche Richtung.“ Nami lachte. Ehrlich gesagt, war ihr der Gedanke sogar gekommen. Bei Law schien alles möglich.

„Habe eher an Vergo gedacht“, meinte sie nachdenklich. Er verbrachte mit ihm weitaus mehr Zeit. Daher war Vergo von Laws Flirtversuchen ihr gegenüber begeistert. Für ihn galt Law als perfekter Schwiegersohn. Leider zeigte er für die falsche Tochter Interesse. „Law?“, fragte sie leise, denn er schwieg, starrte merkwürdig zu Boden.

Keine Antwort, erst als sie mit der Hand vor seinem Gesicht fuchtelte, sah er auf. Setzte wieder das überhebliche Grinsen auf.

„Sorry“, winkte er ab. „So abwegig, dass ich deine Mutter mehr mag? Manches an ihr erinnert mich an meine.“ Nami wollte schon antworten, da fiel er unweigerlich ins Wort. „Was passiert mit deiner Holden? Hat sich deine Einstellung geändert?“

Nami lehnte mit verschränkten Armen zurück. Über das Treffen schwieg sie eisern. Irgendwie wollte sie ihm nichts erzählen. Entweder, weil er involviert war oder weil es ihn nichts anging. Den genauen Grund konnte Nami nicht nennen. Eventuell eine Mischung aus beidem.

Immerhin hatte er die Seite gewählt, blieb standhaft, ganzgleich was sie redeten. Nicht nur hinsichtlich Robin. Und gerade war ihr nicht danach sich zu erklären. Erklären was Robins Anwesenheit auslöste, warum sie mit ihr gesprochen hatte. Darüber, dass ihr Herz weiterhin denselben Takt vorgab, dass sie sich am liebsten über alles stellte, um bei Robin sein zu können.

Nein, er war der falsche Gesprächspartner und er könnte genauso gut durchdrehen. Er hatte den Stein ins Rollen gebracht, er kannte die Wahrheit. Sein Leben stand auf dem Spiel. Wenn sie schon panisch reagiert hatte, wie sah es in ihm dann aus? Wo er nicht auf Robins Versprechen hoffen durfte.

„Solange nichts geschieht, bleibe ich dabei. Nichts dringt an die Öffentlichkeit, ich will keine Aufmerksamkeit – Venedig ist größer als man meint, wir können uns aus dem Weg gehen.“

„Bist du dir sicher?“

„Im Gegensatz zu uns, können sie schneller Schaden anrichten.“

„Die kleine Nami blind vor Liebe – Liebe das größte Übel, das uns ungetan wurde“, sagte er abwertend und lachte frustriert. „Nun gut, dein Wunsch sei mir Befehl. Nichts dringt an die Öffentlichkeit.“

Irgendetwas lief verkehrt. Nami wusste nicht warum, aber ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie.

„Was ist los?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dark777
2022-05-23T18:08:37+00:00 23.05.2022 20:08
Das letzte Kapitel muss ja eine richtige Trigger-Wirkung auf Nami gehabt haben, sie ist......verändert. Jetzt nicht gleich um 180°, man merkt ihr aber an, dass sie gelöster ist. Ich freue mich darüber, da es wieder mehr Perspektiven für zukünftige Kapitel eröffnet. Dadurch kann ich weniger vorhersagen, wie Nami demnächst in bestimmten Situation reagieren wird. Dass das Law stinkt und Nami Robin immer noch nicht ans Messer liefern will, muss ihm ja mächtig zusetzen XD!

Wieder ein sehr interessantes Kapitel, allein da es nicht nur um Nami und Robin ging. Die ganzen zwischenmenschlichen Beziehungen wurden mehr ins Licht gerückt und zeigten auf, wie viel eigentlich zusammenhängt. Mich überrascht Namis Besonnenheit, sie scheint jetzt bereit zu sein die Perspektive zu wechseln und langsam zu verstehen, dass das den ganzen Blick ändern kann. Ich bin wirklich gespannt was als nächstes kommt, zumal Laws letzter Satz nichts Gutes ahnen lässt.

V(~_^)
Von:  BurglarCat
2022-04-14T17:19:17+00:00 14.04.2022 19:19
Hach, das warten hat sich wie immer gelohnt. Ich freue mich da durchaus, dass es diesmal etwas ausgeartet ist, da konnte man ein bisschen mehr genießen ;)
Nami hat es durchaus verdient von Vivi etwas schmoren gelassen zu werden. Immerhin hatte Vivi wirklich mit allem nicht zu tun und sie einfach so stehen zu lassen ist durchaus nicht fair. Zumal sie sich durchaus hätte denken können, dass es viele Fragen aufwerfen wird. Dem so aus dem Weg zu gehen ist wohl kaum der richtige Weg.
Viel interessanter war ohnehin die Szene zwischen Nami und Lola. Ein Hochzeitskleid ja? Nun, vielleicht hilft das ja über das ein oder andere nachzudenken und vielleicht merkt sie ja doch noch was sie wirklich will ;) Ein kleiner Schubs in die richtige Richtung kann zumindest nicht schaden. Denn ja, Nami hadert sehr und das merkt man hier sicherlich auch mehr als deutlich an. Eigentlich würde es ja nur darum gehen einmal vernünftig mit Robin zu sprechen, zu schauen, ob man nicht doch irgendwie einen gemeinsamen Weg finden kann. Offen für einen Mittelweg zu sein. Ist immerhin nicht nur schwarz oder weiß diese ganze Situation. Zumindest scheint es sich in eine richtige Richtung zu bewegen, auch wenn ich noch immer nicht wirklich sagen kann in welche Richtung es am Ende geht. Ist das nur ein kleiner Höhenflug und am Ende drehst du doch ab? Es bleibt spannend. Besonders das was da mit Law vor sich geht. Ja, was ist da los? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass uns hier an der Stelle noch ein Puzzleteil fehlt auch, wenn ich nicht genau sagen kann was das sein sollte.
Ich mag ihn dennoch nicht und hoffe ja, dass er irgendwie verschwindet xD muss ja nicht gleich tödlich sein aber.. interessiert mich nicht mehr der Kerl xDD


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