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Dead End

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Es ist bisher NICHT beta gelesen, dh es könnten sich einige Fehler darin versteckt haben... werde die bei Gelegenheit raussammeln^^" Komplett anzeigen

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Guilty

Die gefährlichsten Lügner waren die, die glaubten, sie sagen die Wahrheit.

 

Stanley Dickenson schaltete den Fernseher aus. Er hatte eines der zahlreichen Interviews mit Boris auf einem Nachrichtensender angesehen. Hochgewachsen und gut gekleidet stand er dort mit einer kleinen japanischen Reporterin. Sie fragte ihn, was man von der BEGA zu erwarten hatte.

 

"Wir wollen den Kindern die Chance geben, profesionelle Beyblader zu werden. Wir wollen den Sport groß machen. Olympiareif", betonte er lächelnd.

 

Beinahe hätte Stanley Dickenson ihm die Scharade abgenommen – doch er wusste es besser. Manchmal fragte er sich, ob Boris tatsächlich an die Worte glaubte, die seinen Mund verließen.

 

Neue Talente.

Profisport.

Hoffnung.

 

Läge irgendetwas davon in Boris Absicht, hätte er jetzt nicht diesen Termin -

 

Es klopfte an der Tür.

"Herein", rief der ehemalige Chef der BBA und erhob sich seufzend von seinem Schreibtischstuhl, um seinen Gast zu begrüßen. Ein dunkel gekleideter Mann mit markantem Gesicht betrat den Raum. Seine tiefen Augen huschten im Zimmer hin und her, ehe sie den rundlichen Mann vor sich fixierten.

"Bykow", stellte sich der Mann knapp vor und schüttelte ihm die Hand. "Sie wissen, warum ich hier bin, nehme ich an?"

Mr. Dickenson atmete tief ein und aus, ehe er nickte.

Er war unruhig.

 

Ja, er wusste genau, wieso jemand von der russischen Kriminalpolizei in seinem Büro saß.

Vor drei Wochen hatte sein Team in der Abtei einige Knochen gefunden, die wie vermutet von Kindern und Jugendlichen aus der Abtei stammten.

 

"Haben Sie etwas Neues herausgefunden?", erkundigte Mr. Dickenson sich.

"Einiges", antwortete Bykow. Kein besonders gesprächiger Typ.

Kein Smalltalk, nur Geschäftliches.

"Die Knochen, die dort gefunden wurden, stammen von sieben verschiedenen Personen. Alles Kinder oder Jugendliche im Alter von acht bis vierzehn Jahren. Unklar ist im Moment nur, ob noch mehr Leichen in dem Teich hinter der Abtei versenkt wurden. Weiter ergaben die Untersuchungen, dass die Kinder etwa vor einem halben Jahr durch intensive Gewalteinwirkung auf den ganzen Körper gestorben sind. Alle – bis auf einen."

 

Stanley Dickenson bemerkte, dass der Mann die Stirn runzelte, als er in das kleine schwarze Buch sah, das er aus seiner Manteltasche hervorzog.

 

"Vielleicht können Sie ein wenig Licht in die Angelegenheit bringen", murmelte er mehr zu sich selbst, als zu Mr. Dickenson, bevor er ihn wieder ansah. "Im Bericht stand, dass die Vermutung nahe liegt, es habe sich um eine Bombe gehandelt, deren Druckwelle die Kinder erfasst und mit unglaublicher Wucht zu Boden und gegen Wände gedrückt hat. Soweit ich mich erinnere, war die Abtei aber weitestgehend intakt. Haben Sie eine Vermutung, was die Ursache sein könnte?"

 

"Nun...", sagte Mr. Dickenson ausweichend, "ich bin mir nicht sicher, ob ich der Richtige bin, um Ihnen weiter zu helfen." Nervös knetete er die Hände.

Als er bemerkte, da Bykow ihn scharf beobachtete, flüchtete er sich zurück hinter seinen Schreibtisch.

 

"Sie wissen mehr, als Sie zugeben wollen", stellte Bykow nüchtern fest.
 

Stanley Dickenson war nie ein Lügner gewesen - geschweigedenn ein guter.

 

Es hatte keinen Zweck, zu leugnen.

Sie wussten beide, dass er nicht die Wahrheit sagte – und das half niemandem.
 

"Ja", stimmte er zu. Er öffnete die oberste Schublade seines Schreibtisches und zog eine abgegriffene braune Papierakte hervor. "Hier."

Bykow nahm sie entgegen und schlug die erste Seite auf. Mit geübtem Blick hatte er in wenigen Sekunden alle relevanten Informationen aufgenommen. Es war der Lebenslauf eines Jungen namens Artjom.

"Er ist einer der Jugendlichen, die im See gefunden wurden", gab Mr. Dickenson zu.

 

"Woher wissen Sie das?"

Eigentlich hatte er erwartet, dass der Polizeibeamte verblüfft klingen würde, aber sein Beruf ließ es wohl nach jahrelanger Erfahrung nicht mehr zu, dass er noch überrascht wurde.

 

Stanley Dickenson war kein Spieler – nie gewesen.

Doch er pokerte hoch, als er einen unschuldigen Schuldigen mit diesen Worten verriet:

 

"Weil ich ganz sicher weiß, wer es war."

 
 

oOoOoOo

 

Er saß auf der Anklagebank.

 

"Die Staatsanwaltschaft wird gebeten, ihr Schlussplädoyer zu halten", sagte der vorsitzende Richter. Aus seiner Stimme konnte man deutlich jahrelange Autorität heraushören. Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz besetzt und trotzdem herrschte Totenstille. Jeder wollte den Prozess mitverfolgen.

 

Der Staatsanwalt in seiner schwarzen Robe erhob sich und sprach das hohe Gericht und den die Verteidigung direkt an.

 

Er päldierte auf schuldig.

 

Lebenslang.

 

Auf der Anklagebank saß zweifelsohne jemand, der in seinem Leben schon lange nicht mehr unschuldig war.

 

Dennoch verlangte die Verteidigung Freispruch.

 

Für einen Mord, den er begangen hatte. Den er vor allen hier im Saal gestanden hatte.

 

Freispruch.

 
 

oOoOoOo

 

Nach einer schier endlosen Stunde kamen sie alle nacheinander zurück in den Gerichtssaal. Acht Robenträger. Acht Menschen, die über seine Zukunft entscheiden würden.

 

Acht Worte: "Der Angeklagte, Tala Ivanov, ist schuldig des Mordes."

 

Lebenslang.

 

Ja, er war schuld am Tod des Jungen. Sein BitBeast war außer Kontrolle geraten und alles was Tala tat, war Schlimmeres zu verhindern.

 

Er stoppte sein BitBeast, indem er Artjom stoppte.

 

Das war sein Fehler – und das er dem alten Dickenson vertraut hatte.

 

Die Wahrheit war, dass er nur helfen wollte – und die Wahrheit war, dass er und Wolborg dafür ein Leben ausgelöscht hatten; um die zu retten, die noch zu retten waren. Dafür wurde er nun verurteilt.

 

Schuldig.

 

Es war ungerecht – doch war es das wirklich?

 

Eine richtige oder falsche Antwort auf die Frage gab es nicht, doch eines konnte man über Russland sicher sagen: es gab ebenso wenig hundertprozentige Wahrheit wie hundertprozentigen Alkohol.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2017-02-12T22:02:03+00:00 12.02.2017 23:02
Kann es sein, dass du dich von dem ... Theaterstück (?) inspirieren hast lassen, das du neulich im Laberblog erwähnt hast? Hab da nur die Zusammenfassung davon gelesen, aber vom Grunddilemma her, hat mich das stark daran erinnert =D
Das ist jetzt nicht negativ zu verstehen, ich finde die Ausgangslage echt unheimlich spannend, weil es wohl eine der großen Fragen der Menschheit und Menschlichkeit sind, ob ein Mord gerechtfertigt ist, wenn man dadurch Schlimmeres verhindert/zu verhindern versucht. Das Thema ist echt schwierig und in dem Zusammenhang finde ich's auch durchaus passend, dass die Frage nach gerecht oder ungerecht in dem Fall offen bleibt. Es gibt einfach keine richtige Antwort, fürchte ich ...

Sehr cool finde ich auch, dass die Story im Prinzip an das letzte Kapitel anschließt, damit hätte ich gar nicht gerechnet und finde ich echt gelungen! Auch der Gegensatz zwischen Boris und Dickenson finde ich ziemlich genial - der eine lügt im Prinzip die ganze Zeit und es ist schwer ihm nicht zu glauben, der andere ist unfähig eine passable Lüge zu präsentieren.
Faszinierend auch wie kurz das ganze ist und trotzdem in sich schlüssig o_O Wobei mir an dieser Stelle auffällt, dass ich Brandgefährlich wohl noch mal lesen muss, ich glaube da fehlt mir ein Kapitel ...

Oh und bevor ich das jetzt ganz vergesse: Ich musste an das Drabble von Nordwind und dein FA dazu denken, wo Tala meinte er wäre nie wieder so dumm, um jemandem zu vertrauen. Wäre in dem Fall besser für ihn gewesen, wenn er dabei geblieben wäre >.<
Antwort von: abgemeldet
12.02.2017 23:30
Da war jemand schneller im Lesen als ich D:

Ehrm... ja. Es ist genau dasselbe Problem. Gerechtfertigt wäre Tala, wenn es Notwehr oder Nothilfe wäre -> dafür müsste aber ein menschlicher Angriff vorliegen, wenn das BitBeast aber das eigentliche Problem ist, fällt das weg. Danach kann man sich nur noch auf rechtfertigenden oder entschuldigenden Notstand berufen. Rechtfertigender würde wegfallen, wenn man sagt, dass Artjoms Leben genauso viel wert ist wie das der Menschen, die Tala gerettet hat; entschuldigen kann man sich normalerweise nur bei nahestehenden Personen. Was einen dann noch retten kann, wäre übergesetzlicher entschuldigender Notstand und da hat man dann wieder dasselbe Dilemma mit der Frage, ob Artjoms Leben 'weniger wert' wäre... allerdings hab ich die Thematik insgesamt rausgeschnitten, weil ich selber erstmal durchdenken müsste ob das so klappt und in sich schlüssig wäre... deswegen hab ich das jetzt einfach mal so unterstellt ;) Plus: ich hab keinen Schimmer wie das im russischen Recht ist :D

> Sehr cool finde ich auch, dass die Story im Prinzip an das letzte Kapitel anschließt, damit hätte ich gar nicht gerechnet

Ich auch nicht xD" Das hat sich auch eher spontan ergeben, weil ich ja nicht so der Fan von langen Fanfics bin und mir so quasi das einbringen des Mordes gespart hab - wobei das sicher nicht der Löwenanteil an der Fanfic geworden wäre, wenn ich mich für was ähnliches entschieden hätte.

Danke in jedem Fall für die lieben Worte :) Selbst wenn ich das Genre nicht zu 100% getroffen habe, bin ich doch froh, das es zumindest nicht meilenweit daneben liegt und doch irgendwo gut ankam :D


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