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Der Glasgarten

von

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Devil's Tomb

Devil's Tomb
 

Brads Lippen umspielte ein angedeutetes Lächeln, während seine Augen einen Tick dunkler wurden als er das Weinglas an seine Lippen setzte und einen Schluck nahm, es wieder abstellte und erneut Kimuras Blick begegnete.

„Ich habe mich gerade gefragt…“ Ein lang verschollener Teil in ihm sprang auf die Stimme und das unterschwellige Vibrieren im Lachen seines Gesprächspartners an, was ihn reizte. Zugleich jedoch wollte er Kimura etwas bremsen. Deshalb ignorierte er die Anspielung auf sein Beobachten.

„…ob sie zweisprachig aufgewachsen sind.“

Er war heute aber wieder unehrlich, tadelte er sich selbst halbherzig, während er sein Mahl weiter fortsetzte und in sich hinein schmunzelte. Es war nicht schlecht, auch hier Prioritäten zu setzen. Erst die Energie aufnehmen, sie einsetzen und dann... lustvoll verschwenden.
 

Diese Stimme entsprach verdammt noch mal nicht den Worten, die sie veräußert hatten! Wen interessiert es, ob er ZWEISPRACHIG aufgewachsen war, eh?, motzte es lautstark in Finn. Ihn würde viel lieber interessieren, wie gut Crawford Französisch sprach.
 

Oh Gott… ich will dich endlich ins Bett kriegen, geisterte es klagend in Finns Gedanken und er furchte die Stirn aufgrund dieser geistigen Ausfallerscheinungen.

„Sind Sie es?“, stellte er die erstbeste, sinnentleerte Gegenfrage, die sein Gehirn ohne Zensur ‚rausgeschickt’ hatte, und machte aus seiner Zweisprachigkeit ein groß gehütetes Geheimnis.
 

Das brachte Brad nun wirklich dazu, leise zu lachen und er widmete sich einen Moment den Nudeln, bevor er, den Mund noch immer zu einem ironischen Lächeln verzogen, aufblickte.

„Nein, Kimura-san. Das bin ich nicht. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich keinen anderen Einfluss in meinem Blut. Was ich als Nachteil empfinde.“

Innehaltend neigte er das Kinn etwas, sodass seine Haltung eindeutig fragend war. „Oder sehe ich aus, als würde ich spanischen oder… französischen Einfluss in mir tragen?“ lächelte er hintergründig mit seinen Augen, seine Miene jedoch blank und sonst kaum zu lesen.
 

„Na ich hoffe doch, dass es französischer ist!“, platzte es aus Finn heraus, ohne dass er wirklich diese Worte hatte veräußern wollen. Wieso mussten sich seine Gedanken auch immer verselbstständigen und er… sie ausplaudern? Was war nur los mit ihm?

Finn hätte innerlich schreien können, äußerlich jedoch kroch blitzschnell eine ausgewachsene Röte seine Wangen entlang und er lächelte verlegen…nahm zwecks Tarnung noch einen schnellen Schluck.

Er konnte doch sonst so gut in eine seine Rollen flüchten! Wieso kam es, dass ausgerechnet Crawford ihn ohne Maske erwischt hatte? Und dass er nun verrückt spielte?
 

Brads Augen krochen förmlich über die Röte seines Gegenübers, die ihm verriet, was dieser dachte, und es amüsierte ihn. Nicht nur das… es lockte ihn, mehr als es eine souveräne Antwort getan hätte.

„Daraus schließe ich, dass sie eine Vorliebe für die französische Sprache haben“, sagte er im Plauderton, jedoch war das winzige Lächeln einen Tick zu schmutzig, bevor er sein Weinglas an die Lippen setzte und einen Schluck nahm, Kimura-san nicht aus den Augen lassend.
 

Die Röte kroch weiter bis zu den Ohren und ließ diese in einem feurigen Glanz erglühen. „Sie haben mich durchschaut!“ lächelte Finn in einer Mischung aus Verlegenheit, Verschlagenheit, wie auch Lust.

„Sie müssen mir doch zustimmen, dass das Französische sehr erotisch klingt.“
 

„Ja“, stimmte Brad nüchtern zu und nickte, abwägend. Er spürte die Spannung in sich, die ihm sagte, dass er heute Nacht nicht alleine in einem Bett schlafen würde. Und er wusste auch – ohne Weitsicht – dass er nicht viel schlafen würde.

„… vor allem wenn man es in den Mund…“… Brad blickte auf, als der Kellner an ihren Tisch trat und sich nach dem Befinden und ihren Wünschen erkundigte.
 

In den Mund nehmen, in den Mund nehmen! Dieser Mund konnte sicherlich gut…

Während er abwesend dem Kellner zunickte, als dieser ihn fragte, ob es ihm schmeckte, starrte er auf Crawfords Lippen, die sich sicherlich geschickt um etwas Längeres und Dickeres als diese Gabel legen würden, um…

Finn hätte den Kellner zum Teufel wünschen können und war nun erleichtert, als dieser verschwand.

„Was wollten Sie gerade sagen?“, fragte er mit einem eindeutig doppeldeutigen Lächeln.
 

„Dass diese Sprache durchaus erotisch klingt, wenn jemand sie beherrscht. Mein Französisch dagegen ist lausig“, funkelte zwischen den ernsten Worten das Amüsement hindurch. „Die Sprache, die ich am wenigsten beherrsche.“

Brad beendete sein Mahl, nahm abrundend seinen letzten Schluck Wein aus dem Glas und war gespannt, wie Kimura darauf reagierte.
 

Lausig? Das glaubte Finn nicht. Denn wer so gut küssen konnte, der konnte nicht schlecht sein, wenn es DARUM ging.

„Was liegt Ihnen dann? Das Englische?“ Rohe Fleischeslust, Leidenschaft…

Auch das würde sich Finn wünschen. Alles… eigentlich.
 

„Japanisch, Deutsch, Spanisch und ja… Englisch natürlich auch.“ Sie waren immer noch beim Thema Sprachen, wie Brad damit kundtat. Wobei er sich bei Kimura-san da nicht mehr so sicher war.
 

„Jede Sprache hat so ihre Qualitäten“, kam es von Crawfords Gegenüber und Finn hob sein Glas zum Toast.

„Sagen Sie, Bradford-san… haben Sie eine Vorliebe für Männer?“ Diese Frage war Finn weder herausgerutscht, noch hatten sich da seine Gedanken verplappert. Er stellte sie, weil er sie aktiv stellen wollt, denn er wollte endlich hören, dass dieser Mann etwas Eindeutiges sagte.
 

Für einen Augenblick blitzte etwas Kalte, Hartes in seinen Augen auf und Brad verschloss seinen Blick sogleich vor dem anderen, als er bemerkte, dass er zuviel zeigte.

„Nein. Habe ich nicht, Kimura-san“, sagte er ruhig. „Ich habe weder eine Vorliebe noch eine Abneigung“, schloss er etwas offener an. „Und Sie?“
 

Genau jetzt hatte sich der wahre Crawford gezeigt und das kühlte Finn etwas ab, holte es ihn doch in die Realität zurück, von der er sich gerade so schnell entfernt hatte.

Crawford war das Orakel, der Anführer von Schwarz und ein gefährlicher Killer. Wie er auch, doch auf eine andere Art und Weise. Die gleiche Branche, mehr oder weniger. Nur war Finn eher in der ‚Abwehr’ tätig.

Weitaus interessanter für Finn war die Tatsache, dass dieses Orakel weitaus mehr war als es den Anschein hatte. Die Frage war ob es das auch wusste.

Inwieweit wusste Crawford von seiner Wichtigkeit? Keine Frage für wichtig hielt er sich, nur fragte sich Finn ob sich das Orakel aus gutem Grund hier in Japan verkrochen hatte. Viele gute Möglichkeiten um sich im Gewimmel der Menschen zu verbergen und die Gelegenheit auch in die Abgeschiedenheit abzutauchen.

Oder war es viel simpler: War ihm keine andere Möglichkeit mehr geblieben?

Finn verdrängte diese Fragen, er hatte sie sich in der Vergangenheit zu oft gestellt und war zu keinem klaren Ergebnis gekommen. Er kannte den Mann vor sich zu wenig um sie zu beantworten. Früher oder später würde er die Antworten auf seine Fragen erhalten und er würde mitten drin im Geschehen sein. Und es würde ihm nicht gefallen, das wusste er jetzt bereits.
 

Finns Aufmerksamkeit widmete sich wieder dem Objekt seiner... Gedanken.

Keine Vorliebe, aber auch keine Abneigung. Brad Crawford stand also auf Frauen UND Männer.

„Ich genieße die Vorteile beider Geschlechter“, lächelte Finn und neigte den Kopf in einem versöhnlichen Nicken.
 

„Das…“, noch bevor Brad weitersprechen konnte, kam der Kellner und erkundigte sich, ob sie noch etwas wünschten. Brad verneinte und sah Finn abwartend an. „Hätten Sie noch Lust auf etwas Süßes? Eine Nachspeise?“
 

Eleganter Themenwechsel!

Finn lächelte den Kellner an, als würde er hinter seinem Rücken ein Messer halten, um es ihm in die Brust zu rammen. „Vielleicht in einer anderen Lokalität? Eine Bar?“, fragte Finn mit einem Lächeln zurück. Keine Vorliebe, aber auch keine Abneigung, das versprach viel…viel mehr, als er es sich je erhofft hatte. Vielleicht…

Ja, er wollte.

Er wollte mit Crawford schlafen. Heute Nacht, wollte sich das gönnen, was Sophie versagt geblieben war.

„Oder was meinen…“

„Hallo~ooo“, zwitscherte plötzlich eine charmant fröhliche, zirpende Männerstimme in seine Worte hinein und Finn verstummte abrupt. Oh nein. „Hier spricht das Arschlooo~ooch. Geh an dein Telefo~oon… das Arschloch ist am Telefo~oon…“

OH NEIN.

Finn schluckte und fing wie wild an, sein Handy zu suchen.

„Das allergrößte Arschloch ist am Telefoo~ooon…nimm aa~aab…“

Nein. Nein. Wieso hatte er das verdammte Ding nicht auf lautlos gestellt oder wenigstens einen anderen Klingelton eingestellt? Wie er es sonst immer tat? Was zum Teufel war heute anders? Er hatte ihn doch umändern wollen, wieso… hatte er nicht das wenigstens getan?

Stille waberte um sie herum und Finns Blick ruckte erst zum Kellner, dann zu Crawford, die ihn beide erwartungsvoll ansahen. Er schluckte mühsam.

„…geh ran… ich bin das….“

„Entschuldigung!“, übertönte Finn lautstark den Klingelton, der ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb und sprang auf. Er kam dabei ungeschickt an den Tisch und sah in Zeitlupe, wie die Gläser wackelten…

„...Arschloch….“

….umfielen… auf Crawfords Hose… oh nein… oh nein…
 

Es war doch sehr irritierend, was da durch den Raum schallte und im ersten Moment, in der ersten Sekunde, in der Brad dem Kellner wegschickte, um ihnen die Rechnung zu bringen und dieser sich mit suchendem Blick umwandte, war sich selbst Brad nicht ganz bewusst gewesen, woher diese Stimme kam. Doch in der zweiten Sekunde hob er missbilligend eine Braue, genoss jedoch die dunkle Röte auf dem Gesicht seines Gegenübers, der mehr als peinlich berührt war.

Einen kurzen Moment später, als Brad spürte, wie sich die Missbilligung in stilles Amüsement wandelte, kam Leben in den jungen Mann und die Gläser fielen. Und diesem Fallen fiel auch seine Hose zum Opfer. Nun…

Während er sehen konnte, wie Kimura hektisch nach dem Mobiltelefon angelte, dabei aufsprang, um besser an seine Hosentasche zu gelangen und dabei halb den Tisch lupfte… hoben sich Brads beider Augenbrauen, bevor er zur Serviette griff und damit begann, den gröbsten Schaden zu beheben.
 

„Ah… oh. Oh nein! Entschuldigung, das tut mir leid, Entschuldigung, ich muss… ich komme gleich wieder, in Ordnung? Warten Sie hier, bis ich wieder komme, dann mache ich den Schaden wieder gut! Und ich bezahle!!“, platzte es aus Finn heraus und er war schon in Richtung Waschräume unterwegs. Im Laufen nahm er ab.

„Was?!“, blaffte er ins Telefon und schloss recht unwirsch die Tür hinter sich. Fast hätte er sie zugeknallt. Aber nur fast.
 

Die während der Aktion eingetretene Stille hatte sich wenige Augenblicke, nach Kimuras Fortgang, verflüchtigt und die Tischgespräche hatten wieder ihren alten Geräuschpegel erreicht, als der Kellner ihm eine weitere Stoffserviette brachte und die Tischdecke erneuern wollte. „Lassen Sie nur“, bedeutete Brad dem aufmerksamen Mann freundlich. „Bringen Sie mir die Rechnung, vermutlich wird meine Begleitung einen wichtigen Termin vergessen haben, so wie es den Anschein hat, bei all der Aufregung.“ Der Kellner fand ein paar höfliche Worte und ging, um die Rechnung zu holen.

Brad musste innerlich lachen. Kimura schien leicht nervös zu sein.
 

Wenig später kam Finn - immer noch mit hochrotem Gesicht - wieder aus der Örtlichkeit heraus und schlich wie ein gebranntes Kind zu Crawford zurück. Nein, es hatte ja nicht gereicht, dass er sich hier mit seinem Feind traf und das vor der Familie verheimlichte, nein, eben jene musste auch noch anrufen! Vielmehr…das größte Arschloch von ihnen, nach dem auch besagter Klingelton benannt war, musste anrufen und ihm mitteilen, dass er sich morgen gefälligst wieder einzufinden hatte. Spätestens morgen Nachmittag.

Wie gut, dass niemand etwas davon mitbekommen hatte, mit wem er sich hier traf. Wie GUT. Wie gut, dass auch Crawford nicht mitbekommen hatte, wer am anderen Ende der Leitung war und dass dieser jemand ihm den Tod wünschte - und Mastermind fast dorthin geschickt hatte. Verdammt.
 

Wenn es kam, dann kam es dreifach, vierfach - einfach alles auf einmal. Das hatte Finn nicht verdient! Zumindest fand er das.
 

„Verzeihen Sie die Unterbrechung!“, sagte er mit hochrotem Kopf und lautlos gestelltem Handy, das er in seine Hosentasche zurückschob, während er unschlüssig dastand, eine Serviette in der Hand, nach der er zuvor hastig gegriffen hatte.
 

Brad sah die Unsicherheit des anderen und bedeutete ihm, sich wieder zu setzen. „War das ihr Exfreund? Oder ihr Boss?“, schmunzelte er und schüttelte innerlich immer noch den Kopf über diese Aktion. „Lassen Sie nur, ich mach das schon.“
 

Hätte sich Finns Gesicht noch heißer anfühlen können?

Wohl kaum.

„Ex-Freund? Schön wär’s!“ murmelte er halb betreten, halb angesäuert. „Das war mein Chef. Aber sagen Sie ihm nichts von dem Klingelton!“

Finn sah die Rechnung auf dem Tisch liegen.

„Aber… das wollte ich doch machen.“
 

„Sie schienen in Eile“, lächelte Brad ironisch.

„Was halten sie davon, wenn wir den Nachtisch bei mir einnehmen? Einen Kaffee oder ein Glas Wein zum Abschluss könnte ich anbieten. Denn zuhause hätte ich Hosen, die weniger teuer sind.“
 

„Gerne!“, lächelte Finn.

Und lächelte. Gerne? GERNE?

BIST DU BESCHEUERT?! hallte es so laut in ihm wider, dass Finn meinte, dass es eigentlich auch bei Crawford angekommen sein musste. Er hat dich gerade zu sich NACH HAUSE eingeladen. SCHWARZ. Was, wenn Mastermind da ist? Was, wenn es doch eine Falle ist? Bist du wahnsinnig? Lebensmüde? Du kannst dich auch anders umbringen! Nicht SO!

Außerdem willst du noch nicht sterben!

„Also Kaffee, keinen Wein mehr.“ Du sollst ihm absagen! ABSAGEN! Was machst du hier? Gott, was mache ich hier? fragte Finn sich nun selbst und schlug innerlich die Hände über dem Kopf zusammen. Er konnte doch nicht mit zu Crawford fahren… er… es ging nicht…

Aber Crawford wollte ihn, das sah er.

Ja UND?

Wer weiß, wozu er dich will? Da gab es vielfältige Möglichkeiten, die schier unerschöpflich waren.

Finn lächelte nervös.
 

Das bemerkte auch Brad, aber er beschloss, es zu ignorieren. Er hatte eine Zusage und wusste somit, wie der Abend sich entwickeln würde. Zumindest hoffte er es.

Visionen blieben vorerst aus, was dies betraf.

„Nun, dann lassen Sie uns gehen“, sagte Brad und erhob sich, die Serviette auf den Tisch legend.
 

Gehen? Gehen klang gut… aber die falsche Richtung! Finn jaulte innerlich auf, auch wenn der Spieler in ihm sich die Hände rieb.

DAS war doch mal Adrenalin pur.

Aber doch nicht mit Crawford, winselte Finn dagegen, erntete jedoch nur ein müdes Lächeln von besagter Seite. Als ob du das nicht provoziert hättest!

Finn besah sich den Amerikaner vor sich noch ein weiteres Mal, bevor er sich - seinem Schicksal ergebend - auf den Weg nach draußen machte. Den Kellner, der sie verabschiedete, ignorierte er geflissentlich.

Wenn er wieder fliehen würde, dann hätte er GAR keine Chance mehr auf den anderen Mann, das wusste Finn. Ihr Zusammentreffen war Zufall gewesen, Schicksal, davon war er überzeugt. Ein drittes Mal würde es nicht geben.

Jetzt oder nie, hieß die Devise und Finn schluckte.

Er wollte Crawford.

Auch zum Preis des Adrenalins. Und auch zum Preis der unvermeidlichen Komplikationen, die sich später daraus ergeben würden. Er mochte die Dinge kompliziert, er selbst machte sie dazu. Nur... in diesem Fall war das vielleicht einer seiner dümmsten Entschlüsse, die er je in seinem Leben getroffen hatte.

Mastermind würde ihn nicht erkennen, wenn er da war, wenn er nicht bei seinem Weiß war. Dafür hatte er in Hongkong vorgesorgt…und Crawford wusste nicht, dass er Sophie war. Er hatte bisher offenkundig keinen Verdacht geschöpft. Trotz der vielen Jahre, in denen er Crawford beobachtet hatte, kannte er ihn kaum. Er wusste nicht, wie gut Crawford seine Gedanken verbergen konnte oder würde.
 

Finn drehte sich draußen um und erwartete Crawford.
 

Dieser hatte die Rückpartie des anderen, während sie das Restaurant verließen, mit einem taxierenden Blick bedacht. Selbst in dem lässigen Outfit war Kimuras Körper genau das, was perfekt in Brads Beuteschema passte. Lediglich der kleine Haken - der Männlichkeit - passte nicht gerade in dieses Schema. Heute aber würde er eine Ausnahme machen.

Kimuras Art weckte Erinnerungen in Brad an einen jungen Mann mit roten Haaren, wie er in Tokyo angekommen war. Große Abenteuerlust, ein weiches Herz, warme Augen und ein offenes Gesicht.

Brad trat an Kimura heran und seine Augen fingen das Braun von Kimuras ein. „Mein Wagen steht in einem Parkhaus einige Straßen von hier entfernt. Ich wohne nicht im Zentrum.“
 

Das weiß ich, nickte Finn innerlich geschäftig. Und ob er das wusste…Schwarz’ Aufenthaltsorte waren ihm bekannt. Und nur ihm.

Dass er jetzt aber Gelegenheit haben würde, das Schlafzimmer des anderen genauer unter die Lupe zu nehmen, oder auch die Dusche… oder, wenn er sich täuschte, vermutlich den Keller samt Ketten und Folterinstrumenten...

Doch Finn hatte beschlossen, mit dem Feuer zu spielen um das Feuer als Belohnung zu erhalten.

„Wie es sich für einen Versicherungsmann gehört, in einer gehobenen Wohngegend, richtig?“
 

Brad lachte und bedeutete, dass sie die Straße überqueren würden. „Nein. Nicht so nobel wie sie glauben.“

Sie würden ohnehin morgen oder übermorgen nicht mehr in diesem Haus sein. Der Umzug war soweit in die Wege geleitet worden, dass innerhalb von fünf Stunden das Haus leergeräumt werden konnte. Sie hatten diese Aktionen schon mehrfach durchgeführt und bisher war stets alles reibungslos verlaufen.

Und es gab einen Platz in seinem Innern, da war es ihm egal, ob dieser Mann sah, wo sie wohnten. Dieser Platz beinhaltete seinen Egoismus, aber auch seine Müdigkeit und eine Kränkung wegen Schuldigs Verhalten, seit er wieder da war.

Er hatte ihn kaum zu Gesicht bekommen. Eine kurze Umarmung und schon war er für zwei Wochen weg. Dabei hatte Brad ihn tot gewähnt. Tot.

Für immer weg.

Und dann kam er zurück wie der Phönix aus der Asche. Nur für ihn war er immer noch nicht greifbar, war Schuldig immer noch wie ein Nebelgespinnst. Noch nicht wirklich lebendig.
 

„Sie scheinen Ihren Boss nicht sonderlich zu mögen?“
 

Finn hatte diese Nachdenklichkeit für einen Moment über das Gesicht des Amerikaners huschen sehen und es hatte ihn mehr als alles andere darin bestärkt, mit Crawford mitzukommen.

Gemeinsam überquerten sie die Straße und gingen den immer noch mit Fußgängern gesäumten Bürgersteig entlang.

„Er ist, wie soll ich sagen, ein nicht sehr netter Mensch? Aber welche Chefs sind das schon? Die Meisten sind Despoten, andere Sadisten“, wie Crawford sicherlich auch einer war. Oder vielleicht auch nicht - Finn hoffte es. „Aber es gibt auch Schätze unter ihnen, doch die sind meistens leider schon ‚vergeben’, sie brauchen dann keine Angestellten mehr.“
 

Dieser Mann brachte Brad zum Lachen. Es erheiterte ihn, diese so einfachen Sichtweisen zu hören, die so naiv aber auch so wahr schienen.

„Ja, die sind meist schon vergeben und so schnell werden sie meist nicht frei - diese Stellen. Denn wer gibt schon freiwillig einen so guten Boss auf?“
 

„Ich würde es ganz sicherlich nicht tun!“, lachte Finn und musste unwillkürlich an die Familie denken. Da hatte er wohl ins Klo gegriffen bei seiner Wahl. Aber die Wahl war nur zu einem bestimmten Zweck von ihm getroffen worden und hatte sich bis jetzt bezahlt gemacht, wie er neben sich sehen konnte...

„Sind Sie ein guter Boss?“, fragte er schließlich mit einem Blick in die hellen, braunen Augen.
 

Über diese unerwartete Frage musste Brad zunächst nachdenken. Die Hände hatte er in die Taschen seines Kurzmantels versenkt. „Ich denke nicht.“

Sein Mund verzog sich zu einem ironischen Lächeln. „Eine richtige Beurteilung könnten da wohl nur meine Angestellten vornehmen.“
 

Ein vergnügtes Schmunzeln traf auf Crawfords Augen.

„Haben Sie ihre Mitarbeiter noch nie gefragt, ob sie zufrieden sind? Solange sie arbeiten und das auch noch gut, ist das auch nicht nötig, wie?“ zwinkerte Finn und fand, dass er eine durchaus schlechtere Wahl als seinen heutigen Bettpartner hätte treffen können und schon oft getroffen hatte. Aber was tat man nicht alles für das Weiterkommen, für seine Ziele?
 

„Solange sie sich keinen neuen Boss suchen - wäre wohl eher die passendere Begründung.“

Brads Hand löste sich aus seiner Tasche und dirigierte Kimura in eine der schmalen Seitengassen, tippte nur sanft dessen Flanke an, bevor er seine Hand wieder in seine Tasche wandern ließ. „Hier hinein und keine Angst, ich habe nichts Unehrenhaftes vor, auch wenn diese Gasse durchaus darauf schließen ließe.“
 

HA! Das glaube ich dir nicht, das glaube ich dir nicht! Verdammt noch mal, dies ist eine dunkle Seitengasse und…

Wenn Finn es ehrlich zugab, schlug ihm das Herz bis zum Hals, als er Crawford folgte, als er der Berührung des anderen nachspürte, die auf seiner Haut brannte.

Er sah Crawford für einen Moment mit großen Augen an - verfluchte dabei die Abwesenheit sämtlicher seiner Masken - und ging neben dem Amerikaner durch diese… wenig bis gar nicht beleuchtete Gasse.

„Aber kommen Sie mir nicht mit ‚Ehrenhaftigkeit liegt im Auge des Betrachters’!“
 

So ganz verstand Brad nicht, was Kimura ihm da sagen wollte, aber er konnte dessen Angst fast schon riechen. Die großen Augen erzählten ihm einiges davon. Von Misstrauen und Unsicherheit.

Seine Hand kam aus der Tasche und schob sich in Kimuras, hielt die kühlen, schlanken Finger in den Seinen.

„Sie haben Recht. Vor der Dunkelheit sollte man sich nicht fürchten, nur vor dem, was sich in ihr versteckt.“ Er lächelte schmal ob dieses Gedankens und zog den jüngeren Mann weiter.
 

Finn starrte seine Hand an. Nein, ihrer ‚beider’ Hände, und seine Finger griffen sich die ihn haltende Hand, als wollten sie sie nie wieder loslassen.

Jetzt, in diesem Moment, löste diese simple Geste ein so warmes Gefühl in seiner Brust aus, dass es wirklich schmerzte. Sein Brustkorb zog sich beengend zusammen. Er blickte wieder auf ihre verbundenen Hände hinunter und fragte sich, was geschehen würde, wenn Crawford je herausbekam, was er ihm bereits angetan hatte? Welche Rolle er in dessen Leben spielte. ‚Präge dir dieses paradoxe Symbol eurer Verbundenheit gut ein, mein Lieber. Es wird das letzte sein, an das du dich erinnern wirst, wenn er dich zur Strecke bringt.’ Denn dass es irgendwann soweit sein würde, hatte Finn nicht eine Sekunde seines Lebens bezweifelt. Wenn es jemand schaffen sollte, Finn so nahe zu kommen, um ihn töten zu können, dann wäre es wohl Crawford und zwar aus einem einzigen Grund: er würde sich nicht verteidigen.

„Und da Sie sich nicht verstecken, gehören Sie zu den Guten!“ lächelte Finn maskenhaft. Er versuchte, die bitteren Gedanken zu vertreiben und seine Mimik dahingehend zu korrigieren, dass sie das zeigte, was er wollte, sobald sie wieder ins Licht treten würden.
 

„Sagen Sie das nicht, Kimura-san“, schüttelte Brad einmal den Kopf und sah bereits die Querstraße, die in einiger Entfernung mit ihren Lichtern auf sie wartete.

„Die Schlimmsten sind die, die sich im Licht befinden. Auf die muss man achten und sich vor ihnen fürchten. Die, die im Dunkeln stehen, sind meist nur Handlanger derer, die im Licht stehen und es genießen.“
 

„Sie machen mir Angst, Bradford-san!“ sagte Finn und er meinte es in diesem Moment wirklich ehrlich, da er sich nicht sicher war, ob dies nun sein Verderben sein würde. Finn war angespannt, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Er fühlte eine Mischung aus Erwartung, Furcht, Resignation und einer unbestimmten Melancholie, geboren aus dem, was ihm heute zuteil werden würde und dann für immer verlor.
 

Brad blieb stehen und wandte sich zu dem Mann um. „Nichts liegt mir ferner als das, Kimura“, sagte er mit der für ihn so typischen Ruhe. "Ich könnte den Versuch wagen meine Worte wieder gutzumachen?“ bot er an.
 

Finn nickte stumm, die Kehle zugeschnürt vor dieser Zärtlichkeit, die unterschwellig in Crawfords Stimme schwelte. Das hier… lief anders, als er es sich gedacht hatte. Crawford war nicht halb so kalt, er selbst nicht halb so cool, wie er es eigentlich geplant hatte. Es ging nicht halb so schnell und nicht halb so reibungslos vonstatten, wie er es sich wünschte.

Doch er wollte jetzt nicht aufhören.
 

Strebst du nach diesem normalen Leben?

Fragte sich Brad gerade, als er in diese großen Augen blickte, die ihn so unschuldig ansahen, so voller Erwartung.

Er konnte diese Frage nicht beantworten. Alles, was er wusste, als er die weichen Lippen mit seinen berührte, war, dass er selbst nicht ins normale Leben passte. Aber die Ahnung des Wunsches nach Normalität war da. Wenn auch nach all den Jahren tief verborgen.
 

Brad tastete sich sanft voran, die eine Hand noch immer mit der von Kimura verbunden, während seine andere Kimuras Kinnlinie entlangstrich hinter zu dessen Nacken und dort warm lag. Zunächst berührten sich nur ihre Lippen, den warmen Atem tauschend in dieser kalten Nacht, bevor neckend und auffordernd seine Zungenspitze über die weiche Textur glitt.
 

Himmel. Hölle. Alles. Alles, nur nicht das, was Finn sich vorgestellt hatte. Nein viel besser, viel viel besser.

Er erschauerte unter den Berührungen des anderen Mannes, unter der Nähe und Intimität, die sie hier teilten. Und was konnte er tun außer Crawford Einlass zu gewähren, als ihn zu sich einzuladen und ihn willkommen zu heißen, ihn zu sich zu ziehen.
 

Kimura schmeckte verführerisch und Brad erkundete jeden Winkel dieses süßen Mundes, umgarnte diese spielerisch aufgelegte Zunge, bis in der Nähe eine Autotür zugeschlagen wurde und er den Kuss sanft löste, um sich dem Geräusch zuzuwenden, Kimura an sich und in seinen Arm ziehend. Reiner Reflex, der sagte, dass das, was er küsste, auch ihm gehörte und sei es für die Zeit von wenigen Stunden.

Doch es war nichts, der Beifahrer verabschiedete sich vom Fahrer und verschwand aus Brads Sicht. „Sollen wir gehen?“
 

„Ja“, erwiderte Finn ein wenig atemlos, ein wenig verträumt, aber mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, das davon sprach, dass ihm das, was er gerade eben erhalten hatte, sehr gefiel.

Ganz zu schweigen von der beschützenden und dominanten Geste des anderen. So wie Crawford seinen Arm um ihn geschlungen hatte - wann es das letzte Mal gewesen war, dass das jemand getan hatte, wusste er nicht.
 

Brad mochte dieses Grinsen. Es drückte Freude und Spaß aus. Durchweg positive Gefühle. Noch einmal küsste er Kimura, dieses Mal jedoch weniger erkundend, sondern versichernd und löste sich dann. „Wir müssen noch eine Straße weiter.“
 

Wäre es nach Finn gegangen, hätte jeder sehen können, dass er sich wohl fühlte…doch Crawford wollte das nicht und das war auch gut so. Sah ihn jetzt jemand von der Familie, so war er geliefert. Er seufzte träumerisch und stopfte seine Hände in die Taschen seines Mantels.
 

Zehn weitere Minuten, in denen sie schweigend nebeneinander hergingen, in denen Brad unauffällig die Gegend checkte. Als er sich daran erinnerte, wie pikiert der Kellner ausgesehen hatte, als der Klingelton angesprungen war, musste Brad innerlich schmunzeln.

Das hatte er so auch noch nicht erlebt. „Hier hinein“, deutete er an und zeigte auf die Einfahrt zu den Mietgaragen. Jeder dieser Garagen lag innerhalb des Parkhauses in das sie gingen und abschließbar. Er hätte sich auch einen der Stellplätze mieten können was ihm aber zu unsicher war.
 

Auto - Mietgarage. Sie würden also zu Crawford fahren.

Ja, Finn wollte es. Wollte die nächsten Stunden in der Nähe dieses Mannes verbringen.

„Und Sie sind sich sicher, dass Sie mich wirklich mitnehmen möchten?“ fragte Finn, vielmehr der kleine Teufel in ihm. „Vielleicht bin ich ja einer von denjenigen, die im Licht stehen!“
 

„Da haben Sie nicht unrecht.“ Brad hielt inne und besah sich Finn mit augenscheinlich kühlem Blick. Er sagte nichts, sondern fixierte die braunen, schokoladenfarbenen Augen mit Seinen. „Und Sie meinen, dass hinter dieser warmblickenden, lächelnden, tollpatschigen Fassade ein ruchloser und eiskalter Serienmörder sein Unwesen treiben könnte? So alla Jekyll und Hyde? Wann töten Sie? Vor oder nachdem Sie Ihrem Opfer den Wein über die Hose gekippt haben?“ Brad verzog keine Miene. Als wäre dies ein Gespräch unter Fachmännern. Von…Killer zu Killer.
 

Und da war sie wieder, die Hitze, die verfluchte, die geradewegs auf sein Gesicht schlich, während er Crawford mit großen Augen anstarrte.

Warm… blickend…? War er das in Crawfords Augen?

Aber…TOLLPATSCHIG?

„Ich bin nicht tollpatschig! Ich hab Ihnen auch nicht mit Absicht den Wein über die Hose geschüttet!“ Was wieder für die Tollpatschigkeit sprach… „Also…das liegt alles an Ihnen!“ behauptete er. Warmblickend…das klang liebevoll. Brad Crawford war NICHT liebevoll.
 

„Verzeihen Sie Kimura-san“, Brad kam nicht umhin festzustellen, dass er sich sehr amüsierte. Vermutlich auf Kosten des Mannes. Oder auf Kosten dessen Unschuld.

„Natürlich sind Sie nicht tollpatschig. Es war ein Missgeschick. Und dieses Missgeschick hätte sicher jedem geschehen können.“ Er beugte sich zu Kimura und küsste die warme Haut der Wange. „Aber sagen Sie, weshalb liegt das an mir?“
 

Wenn er nicht so standhaft gewesen wäre, wäre Finn dem Charme des anderen Mannes sicherlich erlegen! Aber er konnte dem widerstehen!

Für den ersten Moment nicht wissend, was er sagen sollte, blinzelte er zu Crawford hoch und zog eine Schnute, nur ganz leicht, bevor er sich besann, was er da tat.

„Weil… Sie... Sie… schuld sind! Sie und Ihr Charme! Sie sollten sich mal überlegen, was Sie Ihrer Umgebung damit antun!“
 

Brad lachte auf, ein tiefer, voller Laut, schüttelte den Kopf und nahm Kimuras Hand, damit sie hier wegkamen, denn dieser schien gut dort zu stehen, wo er stand. „Sie meinen wohl, was ich mir damit letztendlich antue. Schließlich fiel das negative Endprodukt auf mich zurück. Da wäre es sinnvoll, die Zukunft zu kennen, oder nicht?“ Er führte Kimura zu den Aufzügen und betätigte einen der Knöpfe.
 

„Wenn Sie an das Schicksal glauben, wird Ihnen die Zukunft nichts nützen, denn sie tritt so oder so ein!“ Ein leises Ping kündigte den Aufzug an und die Türen öffneten sich. Die Hand des Amerikaners war warm in seiner eigenen.

„Außerdem habe ich Ihnen ja angeboten, für die Reinigung zu bezahlen!“
 

Brad drückte das Stockwerk, in das er seinen Wagen geparkt hatte. „Nennen Sie mich Chris… damit fühle ich mich wohler. Es sei denn, Sie bestehen auf Förmlichkeiten.“

Er wandte sich zu Kimura um und zwinkerte charmant - wie er vorhin beschrieben worden war, oder vielmehr angeklagt wurde, zu sein.

In gewisser Weise spielte er hier sein eigenes kleines Spiel, doch ein Stück seines entspannten Selbst war mit dabei. Ein kleines Stück. Auch trügerische Sorglosigkeit… und auch Verletzlichkeit durch Schuldigs Abstinenz.
 

Ich will dich aber Brad nennen! gellte es in Finn, doch er nickte nur und lächelte. „Freut mich Chris, ich bin Finn. Förmlichkeiten müssen nicht sein, ich möchte sogar so weit gehen und Ihnen das Du anbieten, was halten Sie davon?“

Man hätte sich in dieses Zwinkern verlieben können - hätte man.
 

„Viel“, Brad wollte gerade Finn an sich ziehen, und diesen weichen Lippen, diesem Mund, der so herrlich lachen konnte, einen Kuss rauben, als die Aufzugtüren sich öffneten, ein Pärchen eintrat und die Gelegenheit verstrich. Allerdings mussten sie im nächsten Stockwerk ohnehin schon aussteigen, und als sie oben angekommen waren, wandte sich Brad nach links und fand seinen Wagen verwaist und alleine auf dem Deck stehen. Soweit das kleine Gerät in seiner Tasche nichts bemerkte und vibrierte, befanden sich keine Wanzen oder andere Geräte an seinem XKr.

„Steig ein.“
 

Nichts lieber oder schrecklicher als das! Doch Finn trat seinem Schicksal mit hoch erhobenem Kopf entgegen und begab sich in die Gefangenschaft von Brads- Chris’ Wagen, schnallte sich artig an.

Er wollte den anderen küssen, wollte gleichzeitig einfach nur weglaufen…

Sich der Fahrerseite zuwendend, richtete er seinen Blick auf Brad. „Bekomme ich noch einen Kuss, bevor wir losfahren?“
 

„Lediglich… einen?“

Sich zur Seite drehend sah Brad den anderen gespielt erstaunt an, eine Braue skeptisch erhoben. Allerdings nur solange, bis er sich hinübergebeugt und die verschmähten Lippen mit seinen eingefangen hatte. Seidig glatt war dieses schwere, braune Haar, als seine Finger darüber fuhren, um Finn sich ihm näher zu bringen. Seine Rechte strich die Seite hinab, den schlanken Körper entlang, wurde sich erneut bewusst, dass er einen Mann vor sich hatte, trotz aller Schlankheit.
 

„Viele… “ murmelte Finn an diese verführerischen Lippen und schnappte sie sich ein weiteres Mal, wie ein Süchtiger, ein Ertrinkender… ein Geretteter. „Ich will dich…“ seufzte er in vielerlei Hinsicht. Dies hier war anders als das Geschäftliche, was er manchmal trieb. Dies hier war… rein privat.

Jetzt, genau in diesem Moment, wagten sich seine Hände zum Gesicht des Amerikaners und umschmeichelten es, fühlten die Haare, die weichen, fühlten die markanten Knochen.
 

Wie oft hatte sich Crawford vorgestellt, dass Schuldig dies zu ihm sagen würde?

„Dann… werde ich mich fügen müssen…“, erwiderte Brad und beendete langsam den Kuss, lächelte sein typisch überlegenes Lächeln, welches seine Umgebung so oft zu sehen bekam und so oft nicht zu schätzen wusste.

Als er sich dessen mit Verspätung bewusst wurde, wandte er sich von Kimura ab und startete den Wagen. Er musste sich in Erinnerung rufen, dass dies hier nicht Schuldig war und er sich nicht wie diesem gegenüber verhalten durfte. Obschon er Kontrolle liebte und mit sich selbst hart in diesem Punkt ins Gericht ging, so musste er sich bei diesem jungen Mann eingestehen, dass er hier ein Stück seines Selbst in die Waagschale warf. Es machte Spaß und Kimura ähnelte Schuldig, war aber weniger wehrhaft und sprach genau die Seite in ihm an, die gerne Dominanz ausübte und dies auch genoss.

Kimura machte auf ihn den Eindruck, dass es genau diese Dominanz war, die diesen anzog. Brad war neugierig, wie sich die Dinge noch entwickeln würden, denn seine Voraussicht fehlte ihm und daher fuhr er volles Risiko. Ein Aspekt, der ihm in seiner kontrollbewährten Welt in gewisser Weise fremd war.
 

Fügen…Brad Crawford würde sich fügen…

Entgegen den Gedanken des Amerikaners keimte bei Finn anhand dieser Vorstellung Lust auf, nein, vielmehr brandete sie auf und hinterließ kleine, züngelnde Flammen in seinem Unterleib, als Finn sich die passende Szenerie dazu ausmalte. Alleine der Stolz, diese Kraft, die Dominanz, die sich beugte, freiwillig beugte, machte Finn scharf.

Das Lächeln, das ihm nun zuteil wurde, das durch und durch boshaft war und Finn schon auf so vielen Bildern des Orakels gesehen hatte, gab seinen Rest und heizte die Vorfreude auf das Kommende noch mehr an, unterdrückte noch mehr die Angst davor, dass doch etwas schief gehen würde.

Finn schwieg für ein Stück des Weges, dann ließ er es sich jedoch nicht nehmen, an einer roten, recht unbelebten Ampel den Kopf des anderen zu sich herum zu ziehen und ihm einen weiteren Kuss zu rauben.
 

Was Brad dazu brachte, sich zu fragen, wie schüchtern der junge Mann tatsächlich war und wie viel dieser jetzige Mut der drängenden Libido geschuldet sein mochte. Er hörte das lustvolle, minimale Geräusch eines Keuchens nur zu gern in seinen Ohren.
 

Die Ampel war bereits längst umgesprungen, als sie sich lösten und Brad den Weg zu ihrem Noch-Aufenthaltsort einschlug.

Während ihrer Fahrt beschäftigte sich jeder von ihnen mit seinen eigenen Gedanken, Brad vorzugsweise über die weitere Vorgehensweise. Er war dabei – ohne seine Fähigkeiten – ein Gebiet zu betreten, welches er schon lange Zeit nicht mehr betreten hatte und die letzte „Exkursion“ in diese Richtung hatte er mit Schuldig und Kitamura beschritten und sollte heute nicht als Beispiel dienen. Also musste er sich einen Plan zurechtlegen…wie er am besten und für alle Beteiligten profitabelsten …tja…wie er am besten diesen jungen Mann hier flachlegte.

Die Frage war, die er sich stellte: wie sehr konnte er sich austoben? Denn das hatte er vor.
 

Wenn es nach Finn ginge, konnte Crawford alles mit ihm machen, wenn es nicht gerade auf Folter hinauslief. An diesem Abend würde er alles mitmachen, nur um diesem Mann nahe zu sein, der ihn so anzog.

Ja, wie die Motte vom Licht angezogen wurde, so drängte auch Finn zu Crawfords starker Präsenz und war dabei, sich zu verbrennen, wenn er sich zu sehr mit dem Orakel auf dieser Ebene einließ. Denn tatsächlich war es so, dass er sich bereits vor Jahren auf den Amerikaner eingelassen hatte.

Zunächst einmal würde er jetzt durchstehen müssen, das Schwarzanwesen zu betreten, was nun vor ihnen emporragte. Düster gegen den dunklen Nachthimmel, schwarz und bedrohlich, dass es Finn innerlich wie äußerlich für einen kurzen Moment fröstelte. Das ist kein Spukschloss, reiß dich zusammen!, maßregelte die Vernunft.

Natürlich war es kein Spukschloss und er sicher kein Weichei, allerdings... die Geister die ihn verfolgten hatten durchaus ihre schlagkräftigen Argumente um ihn das fürchten zu lehren.

„Hier wohnst du also“, sagte er leise, als wenn er nicht schon längst wüsste, wo das Orakel zuhause war, wo auch noch der Rest dieser unseligen Gruppierung zuhause war.

Im Normalfall hatte er keine Angst vor Schwarz – nur war er ihnen aus nachvollziehbaren Gründen noch nie so nahe gekommen.
 

Brad hatte die Alarmanlage bereits am Tor unten in der Auffahrt auf Tarnung aktiviert, und so ließ sich weder eine Kamera blicken, noch aktivierte sich sonst ein Mechanismus, doch Brad wusste, dass im Haus ein stummer Alarm angegangen war und davon berichtete, dass die Kameras nebst Brad eine unbekannte Person erfasst hatten und diese das Anwesen nun betreten würde.

In der Garage angekommen schloss sich das Tor wie von Zauberhand und Brad öffnete die Wagentür, das Gesicht bar jeder Emotion, wie stets eigentlich. Er wartete auf Kimura an der Fahrertür, bis dieser um den Wagen herumgekommen war, denn sie konnten auf diesem Weg nur mittels einer Codeeingabe ins Hausinnere gelangen. Es gab die Möglichkeit eines Schlüssels, den jedoch keiner von ihnen benutzte.
 

Ein Hochsicherheitstrakt, aus dem es, einmal gefangen, kein Entkommen gab. Seinem Blick entging weder die hochtechnisierte Ausstattung noch die Schlösser an den Türen.

Finn schluckte beim Aussteigen, drehte sich dann jedoch fröhlich zu Crawford um und kam zu ihm.

„Beeindruckend“, gab er zum Besten, während sich seine Nervosität erneut steigerte und ihn unruhig werden ließ. Unruhig und ungeschickt, als er beim ersten Schritt gen Ausgang über seinen offenen Schnürsenkel stolperte und gegen Crawford prallte.
 

Was mehr als ungeschickt war, wie Brad befand, allerdings verging sein innerliches Amüsement, als er Kimura mit seiner Hand ergriff und das leichte Zittern in dessen Hand spürte, diese war eiskalt.

Während sich der Mann noch fing, hatte Brad dessen Nacken bereits mit seiner Linken bedeckt und die fedrigen Haare im Nacken in leichten Zug versetzt, sodass Kimuras Kopf leicht in den Nacken sank und er ihm zur Aufmunterung für diese plumpe Anmache doch tatsächlich eine Belohnung gab. Ein einnehmender Kuss, der ihn von den ganzen Sicherheitsanlagen und dem Pomp des Hauses ablenken sollte.

„Dir ist kalt, gehen wir rein“, sagte Brad, als er sich gelöst hatte und Kimura mit sich führte.
 

Ich will nicht, ich will nicht, ich komm hier nie und nimmer lebend raus! gellte es ein letztes Mal rational durch Finns Gedanken, bevor er ins Haus gezogen wurde und die Tür sich hinter ihnen schloss.

Die Lippen noch brennend von Crawfords Kuss, dessen Dominanz, kam er ins Warme, zitterte jedoch immer noch, bis er sich mit Gewalt dazu zwang, ruhig zu werden. Gott, wieso diese Angst? Oder war es sein Gewissen, dass ihm im Augenblick derart übel zusetzte?

Doch die Lust wurde er ebenso wenig los, und das war gut so.

Staunend in der Eingangshalle des Anwesens stehend, lauschte Finn auf jedes Geräusch, auf jede Bewegung, die ihm hätten sagen können, ob noch jemand hier war und ob das Ganze eine Falle war.
 

„Bis auf einen Hausangestellten sind wir alleine…“, Brad führte Kimura mit sich Richtung Wohnzimmer. „… aber keine Sorge, dieser geht Früh zu Bett und schläft in einem Nebentrakt.“

Im Wohnraum angekommen, tauchte er die wenigen Einrichtungsgegenstände in warmes Licht. „Möchtest du etwas trinken? Wein?“ Ein amüsiertes Lächeln kreiste um Brads Mundwinkel.
 

Ein säuerlicher, ja beinahe schon schmollender Ausdruck traf Brad, wie Finn den anderen in Gedanken aufmüpfig nannte. So, das hatte er jetzt davon!

„Du willst mich abfüllen, um mir dann nachher GANZ schreckliche Dinge anzutun“, erwiderte Finn und konnte die Vorfreude auf eben diese gar schrecklichen Dinge nicht wirklich aus seinen Worten fernhalten.

„Aber ja, ich hätte gerne ein Glas.“ Eins vertrug er noch.

Währenddessen sah sich Finn verstohlen um. Das Haus schien puristisch eingerichtet worden zu sein, denn viel fand das Auge hier nicht, anhand dessen es etwas über die Besitzer herausfinden konnte.
 

Brad wandte sich Kimura zu, kam nah an diesen heran. Der junge Mann sah wirklich verführerisch aus, wie der dort stand, sich vorsichtig umblickte und versuchte, sein Frösteln und seine Aufgeregtheit, aber offensichtlich auch seine Lust in den Griff zu bekommen. Brads Linke umfasste den Jackenaufschlag, zog Kimura damit zu sich her, um einen Kuss zu erhalten, die einladenden Lippen zu schmecken, während er langsam dessen Jacke öffnete.

„Eins der beiden stimmt natürlich“, erwiderte Brad auf Kimuras Vorwürfe, als er sich löste und sich seines Jackets entledigte. „Ich hole den Wein, mach es dir bequem.“

Brad verließ den Wohnraum in Richtung Weinkeller.
 

Eins der beiden?

Hoffentlich letzteres, auch wenn Finn dafür war, dass es ihm auch gefallen sollte… woran kein Zweifel bestand, wenn Crawford nicht gerade mit Schuldig oder dem Iren wiederkam, sondern nur mit dem Wein.

Finn schlüpfte aus seiner Jacke und ließ sich zurückfallen. Angespannt wartete er in dem hart gepolsterten Sessel auf Crawfords Rückkehr, genoss die Stille und das Gefühl, sich direkt in der Höhle des Löwen zu befinden und nicht erkannt worden zu sein. Sein Spieltrieb heizte die Lust in seinem Inneren noch etwas mehr an und er schloss für einen Moment die Augen.
 

Sich bewusst Zeit lassend, kam Brad erst nach zehn Minuten wieder, allerdings mit zwei Gläsern und der besagten Flasche Wein in Händen.

Als Brad in den Wohnraum kam, fragte er sich kurz, wie weit der junge Mann gehen würde, bisher war er erstaunlich anschmiegsam und fügsam gewesen.

Er kam zu Finn, schenkte diesem etwas ins Glas und reichte es ihm. „Probier bitte, ob er dir schmeckt.“
 

Höflichkeit sprang ihm hier entgegen und wer wäre Finn, dass er nun seinerseits nicht vollends darauf ansprang?

Finn schwenkte den Wein und schwelgte in dem fruchtigen, aber nicht süßlichem Aroma des trockenen Weißen aus Australien. Ein teurer Wein, den er schon oft für das Miststück von einer Deutschen besorgt hatte. Interessant, dass Crawford und sie den gleichen Geschmack teilten.

Finn nahm einen Schluck und ließ sich diesen auf der Zunge zergehen. Sehr trocken.

Zögernd nickte er und kam schließlich zu einem positiven Urteil. „Passt zu dir“, lächelte er hoch.
 

Brad beugte sich zu Finn. „Du meinst zu einem langweiligen, trockenen Anzugträger?“

Er küsste die einladend geröteten Lippen. Er fühlte diese nachgiebige Wärme, die ihm von Finn entgegenströmte, allerdings auch eine gewisse Anspannung, die nach wie vor vorhanden war und die fast erfolgreich unterbunden wurde.
 

„Nein, zu einem frischen Mann mit trockenem Humor, der uns ein paar süße Stunden verschafft. Apropos Anzug…“
 

Der störte.
 

Finn kratzte das, was sich in ihm Mut - oder auch Torheit - nannte, in sich zusammen und leerte in einem Zug sein Weinglas. Raubtiergleich glitt er aus dem Sessel und zu Crawford empor.

„…sag mir, Chris, siehst du ohne Anzug genauso gut aus wie mit?“ Finn redete sich ein, dass es ihm egal war, ob nun jemand kam oder nicht, er konzentrierte sich einzig und alleine auf diese hellbraunen Augen, die in dieser Nacht nur ihn ansehen würden.

Nur ihn.

Niemanden sonst.
 

Brad lachte auf, bevor er endlich einen Schluck des Weines genießen konnte. Der Junge machte ihm Spaß. Bei genauerer Betrachtung jedoch war die Betitelung ‚Junge’ doch etwas verharmlost, denn Finns Augen erzählten von etwas mehr Erfahrung, als seine Tollpatschigkeit vermuten ließ. Erfahrung in vielerlei Hinsicht.

„Du meinst genauso uninteressant, angepasst und unspektakulär? Ich denke das trifft es.“
 

Finn holte tief Luft und zog genießend den Duft des anderen ein. So hatte Crawford auch schon in Bangkok gerochen, Sicherheit versprechend, Stärke, Dominanz, Abenteuer und Nervenkitzel.

Der Halbjapaner zupfte spielerisch an der Anzugjacke und sah hoch. Es erleichterte ihn, dass der Amerikaner nun doch noch ein Stück größer war als er.

„Der Teufel liegt im Detail, so zum Beispiel in den Nähten, in der Schnittform, die bestimmte Bereiche durchaus wirksam betont. Angepasst…das stimmt. Maßgeschneidert ist wohl eher der richtige Begriff.“ Finn lächelte wissend. „Unspektakulär - nein, dafür ist der Inhalt zu aufregend.“

Damit glitt Finns Hand über die breite Brust des Orakels nach unten. Hätte Finn noch so etwas wie Schamgefühl besessen, wäre er puterrot geworden, so war er nur innerlich nervös wie sonst was. Gott, er fasste gerade DEN Crawford an, den EINZIG WAHREN CRAWFORD. Er - Finn. Himmel…
 

Von dieser Aufgeregtheit um seine wahre Identität bekam Brad nichts mit. Er hatte mit kühlem Amüsement beobachtet, wie Kimura sich den teuren Wein in die Kehle geschüttet hatte und er vermutete, das dieser bereits seine offensichtlich schnelle Wirkung zeigte, so mutig wie die Hände über seinen Körper streiften.

„Was hältst du davon, wenn wir die Flasche Wein mit nach oben nehmen und dort diesen guten Tropfen bei ein bisschen Aktivität genießen?“
 

„Ich könnte ihn aus deinem Bauchnabel lecken“, sinnierte Finn für sich, eigentlich innerlich aber uneigentlich wurde er sich im nächsten Moment bewusst, dass er es laut ausgesprochen hatte.

Eine der schmalen Hände klatschte laut und nachhaltig an die Stirn und Finn schloss seine Augen.

„Oh nein…das wollte ich jetzt gar nicht sagen!“, stöhnte er verzweifelt auf und errötete nun wirklich. Wenngleich er schon machen wollte, was er angekündigt hatte.
 

„Könntest du…und wirst du“, erwiderte Brad und diese Unabdingbarkeit, der Umstand, dass dies ein Fakt war, als kenne er die Zukunft lag, mit in seinen Worten und in der Betonung.

„Doch…ich hätte danach noch eine bessere Idee, wie dieser Wein zu genießen wäre.“ Seine Hände umfingen den schmäleren, sehnigen Körper, die Linke legte sich auf Finns Nacken, strich von dort nach oben zum Hinterkopf, während er die einladenden Lippen zu einem dominanten Kuss einnahm, der lange anhielt und der durchaus Brads Charakter teilweise wiederspiegelte. Jede aufmüpfige Gegenwehr von Finns spielerischer Zunge wurde in die Flucht geschlagen und nach diesem Sieg mit bestimmender Sanftheit belohnt.

Doch Kimura gab den aussichtslosen Kampf nicht auf, sodass sich dieses Spielchen hinzog, bis Brad die Laute ihrer beider Lust aufeinander wahrnahm und er sich löste, in das gerötete Gesicht blickte, dem er so nah war. Er leckte abschließend über die geröteten Lippen.
 

Wäre Finn kein Mensch, sondern ein Stück Butter oder Schokolade oder was auch immer…er wäre zerflossen, als Brad mit ihm fertig war. Ja, das wollte er, diese Dominanz brauchte er, die ihm zeigte, dass er keine Wahl hatte und dass seine Spiele hier nicht durchkamen.

Instinktgetrieben schmiegte er sich an Brad, sagte nichts für einen Moment. Dann jedoch löste er sich aus dieser allzu sentimentalen Pose und schielte nach oben.

„Ob wir so vor dem Morgengrauen den Wein ausgetrunken haben?“, fragte er lächelnd.
 

Brad löste sich und nahm die Flasche Wein vom Tisch auf, schenkte Finn angemessen ein und reichte ihm das gute Tröpfchen. Er selbst nahm sein Glas auf und ließ die Flasche stehen. „Werden wir.“ Wirst du, fügte er in Gedanken hinzu und die Tätigkeit, bei der Kimura diesen teuren Wein zu schätzen lernen würde, erfüllte ihn mit Lust und vor allem mit Begehren auf diese Kombination.

Er führte Kimura nach oben in sein Schlafzimmer, das eher an das kühles Designer ‚Gemach’ eines Fürsten erinnerte, mit der breiten Fensterfront und den stilistisch einfachen, in dunklen Farben und klaren Linien gehaltenen Möbeln.

Als sie eintraten zog Brad den Mann an sich, nippte an dessen Lippen und sah in die warmen Augen seines Gegenübers. „Wenn du dich frisch machen möchtest, dort drüben grenzt das Badezimmer an…“ bot er an – ganz der umsichtige Gastgeber, der er doch war…
 

Stück für Stück entdeckte Finn mehr über den Amerikaner, über dessen Geschmack, dessen Einrichtung, auch wenn es ihm ehrlich gesagt schwer fiel.

Auf dem Weg in Crawfords Zimmer hatten sie sich wieder und wieder geküsst, berührt, hatten innegehalten, und oben angekommen hatte Brad Finn soweit, dass dieser angenehm erregt und bereit für weitere Schandtaten war.

Da kam ihm doch das Badezimmer nur recht!

Mit einem Lächeln nahm Finn das Angebot an und ging ins Badezimmer, die Tür sperrangelweit offen lassend. Einladung? Natürlich, was denn sonst!

Sorgsam achtlos ließ er seine Kleidungsstücke auf die marmorne Bank fallen und stieg schließlich unter die Dusche, benetzte sich mit warmem Wasser aus der Regendusche.

Sein Blick fiel auf die Tätowierungen, die seinen ganzen Körper bedeckten. Wem hatte er sie alles schon gezeigt? Nicht vielen, denjenigen, mit denen er geschlafen hatte, sicherlich. Dem deutschen Miststück. Und nun Crawford, Finns Herz pochte unangenehm hart in seiner Brust, als er daran dachte, dass der Amerikaner ihn hier ungeschminkt und in nichts als der nackten Wahrheit sehen würde.

Was würde er wohl dazu sagen? Es waren nicht die typischen Körperzeichnungen, die den Familien nachgesagt wurden.
 

Brad hatte Kimura sein Weinglas abgenommen und stellte nun beide neben das Bett auf ein niedriges Tischchen, bestehend aus Glas und Aluminium.

Das angrenzende Schlafzimmer zur anderen Seite des Bades hatte früher Schuldig gehört, bevor er ausgezogen war, und blieb stets für ihn reserviert. Aus diesen aber auch aus zweckmäßigen anderen Gründen gab es im Badezimmer einen stets aufgefüllten Kondomvorrat, den Brad hin und wieder dezimierte. Nicht oft natürlich.

Brad zog sich das Hemd aus, nahm einen Schluck seines Weines, während er ins Badezimmer schlenderte. Das sanfte Prasseln des Wassers lockte ihn an.

Die gläsernen Wände der ebenerdigen, großen Dusche ließen durch die Wassertropfen und den feuchten Beschlag nackte Haut erkennen.

Aus einer Glasvase fischte er drei der farbenfroh verpackten Tütchen und warf sie kurzerhand aufs Bett.

Danach entledigte er sich seiner Socken. Den Rest beließ er, wie er war. Kimura hatte den Lichtschalter für die indirekte Beleuchtung in den Bodenleisten angeknipst und nicht den helleren für die Deckenbeleuchtung, was Brad nun gut in seinen Plan passte, denn als er die Glastür zur Dusche öffnete, traf das kühle, bläulich-grüne Licht auf Kimura und brach sich in den unzähligen Wassertropfen. Verführung und perfekt in Szene gesetzte Unschuld trafen ihn direkt…nun es war nicht sein schwarzes Herz, in das sie trafen…
 

Finn drehte sich langsam zu Brad hin.

Er wollte den Mund öffnen um etwas zu sagen, verstummte aber.

Wie unwirklich, wie dämonisch gar Crawford in dem gedämpften Licht aussah. Wie absolut begehrenswert. Alleine dieser Oberkörper, muskulös, aber kein Schläger, breit, aber kein Bodybuilder. Hier war kein Gramm Fett zuviel und selbst wenn, wäre es Finn in diesem Moment herzlich egal gewesen!

Er wollte mehr sehen, wollte ALLES sehen!
 

Brad stand immer noch im Eingang zur Dusche betrachtete sich Kimura. Er ließ sich Zeit damit, ließ die Tür ohne sich umzudrehen zugleiten und ließ auch seinen Blick dabei über die schlanke Gestalt kriechen, fing sowohl das Vorhandensein einer Taille, als auch das bereits lebendig gewordene Glied mit seinem stechenden Blick ein. Nackte Haut in der Tat.

Brad war fasziniert von diesem Anblick. Denn es war nicht bloß nackte Haut… es war ein Kunstwerk. Hätte er diesen Menschen in einem bestimmten Winkel betrachtet, er hätte nicht sagen können, ob es ein Mann oder eine Frau war. Der Hintern war perfekt geformt, die Gliedmaßen waren trainiert, aber nicht so sehr, dass die Muskeln zu sehr hervorstachen. Aber das erstaunlichste...

Kimura war von den Knien aufwärts bis hinauf zum Oberkörper tätowiert. Sicheln, die in diesem Licht zu schimmern schienen als würden sie vibrieren, doch beim Näherkommen erkannte er, dass sie unterbrochen waren… Es waren Schriftzeichen, die untereinander und so eng geschrieben waren, dass man sie nur schwer als solche erkannte. Sie zogen sich über den ganzen Leib. Brad betrachtete sich die warmen Iriden, ergriff mit Verspätung die Hand, die Kimura ihm entgegenhielt und zog ihn mit einem kleinen Ruck an sich. „Das traut man einem Babysitter gar nicht zu, dass er derart künstlerisch aktiv ist…?“ Brad ließ seine Lippen die feuchten Schläfen berühren. Seine Hand strich über den Rücken, die Wirbelsäule nach unten bis zu dem wohlgeformten Gesäß.
 

Künstlerisch tätig. Wohl ehr künstlerisch vergewaltigt. Er hatte diese Tätowierungen nicht gewollt, dafür jedoch das Miststück, das ihn unter Kontrolle hatte.

Und doch lächelte er, als wäre es sein Werk, sein Wollen. „Gefallen sie dir?“ fragte er leise, sanft. Vielleicht war ja ausgerechnet Crawford einer der ersten, die nicht darüber spotteten. Wie denn auch? Er wusste ja wohl kaum, dass sie ihn mit dieser Folter als das Ihre gebrandmarkt hatte. Zwar nicht in Worten, aber mit Taten. Er konnte es noch nicht einmal richtig lesen was dort stand. Die Schriftzeichen waren alt.
 


 


 


 


 


 

Fortsetzung folgt…
 


 

Vielen Dank für’s Lesen.

Bis zum nächsten Mal!
 

Das Beta übernahm snabel. Vielen Dank dafür! ^_^
 

Coco & Gadreel



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