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Ich wünsche mir Glück

von

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Der Wecker klingelte wie jeden Morgen und riss mich aus meinem Schlaf. Heute war ich nicht ganz so müde wie sonst immer. Wir hatten Freitags die ersten beiden Stunden frei und so musste ich erst um 8 Uhr aufstehen. Ganze zwei Stunden länger schlafen war echt ein Segen für einen Morgenmuffel wie mich. Ich gähnte herzhaft, streckte mich ausgiebig und stand dann auf. Mein erster Weg führte mich in die Küche. Ich tapste in Boxer und Top durch den Flur und betrat die Wohnküche. Dort nahm ich einen Filter aus dem Schrank, schüttete das Pulver hinein und goss Wasser in die Kanne. Danach betätigte ich den Knopf und das bekannte Geräusch erfüllte den Raum. Ich schaltete das Radio ein. Ein mir unbekanntes Lied spielte. Naja, ich kannte das Lied schon, aber nicht den Text. Aber das hielt mich nicht davon ab, laut mitzusingen.
 

Ich tänzelte ins Badezimmer, zog die Schlafsachen aus und legte sie ordentlich auf den Wäschekorb. Ich stellte die Dusche ein und ging in die Kabine. Das warme Wasser prasselte auf mich hinab und wusch die Müdigkeit aus meinen Gliedern. Nachdem ich meine Haare und Körper gewaschen hatte, verweilte ich noch ein paar Minuten unter dem warmen Wasser, bevor ich die Dusche ausstellte und mich mit einem Handtuch abtrocknete. Meine Laune hatte sich dank des Gespräches mit Mareike sichtlich gebessert. Ich machte mir zwar immer noch einige Gedanken, aber ich lernte langsam, besser mit Ihnen umzugehen. Eilig zog ich mir die Sachen, die ich am Vortag bereits rausgesucht hatte, an. Die weiße Bluse und schwarze Röhrenjeans standen mir ziemlich gut. Zufrieden mit meinem Outfit, föhnte ich meine Haare und stylte sie etwas. Wieder in der Küche nahm ich mir eine Tasse aus dem Schrank und goss mir Kaffee ein. Da ich kein Brot im Haus hatte, musste das Müsli ausreichen. Ich nahm mir vor, nach der Schule einkaufen zu gehen. Meine Eltern hatten sich schließlich für morgen angekündigt.
 

Gegen 9 Uhr verließ ich das Haus und fuhr mit dem Auto zur Schule. Um 9:45 Uhr würde der Unterricht beginnen. Ich lag also gut in der Zeit. Den ersten Block hatten wir Sport, was meine Laune ein wenig trübte. Ich hasste Sport. Aber dagegen tun konnte ich leider nichts. Dafür freute ich mich umso mehr, Mareike in der fünften und sechsten zu sehen. Hoffentlich zog sich die Zeit bis dahin nicht so elend lange. In der Schule angekommen, nahm ich meine beiden Taschen und machte mich auf den Weg zur Sporthalle...
 

Frau Horn blies in ihre blöde Pfeife und alle Schüler versammelten sich im Kreis. Ihr wart heute alle sehr gut. So will ich das ab jetzt immer sehen. Die Stunde ist vorbei. Ihr könnt jetzt gehen.“ Wir verließen die große Halle und gingen in die Umkleideräume. Sport war heute total super. Wir haben angefangen Badminton zu spielen. Ich liebte Badminton und war richtig gut darin. Das Beste daran war, dass wir den Sport jetzt ein paar Wochen lang machen würden. So konnte ich mich wenigstens auf die nächsten Stunden freuen. Ich setzte mich auf die Bank und versuchte meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen. Ich hatte mich doch ganz schön verausgabt. „Hey Emma, hast du schon auf den Vertretungsplan gesehen?“ Lisa kam auf mich zu und sah mich fragend an. „Nein, wieso? Fällt irgendwas aus?“ „Ja, Frau Klein ist nicht da. Auf jeden Fall haben wir jetzt zwei Freistunden. Ist das nicht cool?“
 

Was? Hatte ich gerade richtig gehört? Wieso war Mareike heute nicht in der Schule? Sie schien gestern Abend noch ganz gesund zu sein. Oder war etwas passiert? „Emma? Geht es dir gut? Du siehst ziemlich blass aus.“ Sie legte mir  eine Hand auf die Schulter und musterte mich besorgt. Abwesend sah ich sie an und schüttelte den Kopf. „Nein, mir ist plötzlich so schlecht. Kannst du mich bitte in den nächsten Stunden entschuldigen?“ Das war nicht mal gelogen. Ich fühlte mich wirklich ziemlich fertig. Tausende Gedanken gingen mir gerade durch den Kopf. „Ja klar. Gute Besserung.“ Ich nickte ihr zu und flüsterte ein 'Danke' in ihre Richtung.
 

Schnell wechselte ich meine Sachen und kramte mein Handy aus der Tasche. Als ich es entsperrte und die ungelesene Nachricht sah, wäre es beinahe zu Boden gefallen. Ich hatte tatsächlich eine Nachricht von Mareike erhalten. Heute morgen gegen 8 Uhr!! Ich war heute morgen so in Eile gewesen, dass ich nicht auf mein Handy gesehen habe. Dementsprechend machte ich mir nun schwere Vorwürfe. Ich ließ mich seufzend auf die Bank fallen und hielt die Tränen zurück. Die Mädels aus meiner Klasse waren alle noch hier. Das ich jetzt anfing zu weinen, musste echt nicht sein. Ich erhob mich schnell, nahm meine Taschen und lief aus dem Gebäude. Die Worte, die mir Lisa hinterher rief, bekam ich gar nicht mehr mit...
 

Erst als ich an meinem Auto stand, hörte ich auf zu rennen. Seufzend holte ich meinen Schlüssel aus der Tasche und ließ ihn dank meiner zitternden Hände zwei mal fallen. Ich atmete einmal tief durch und versuchte mich zu beruhigen. 'Alles ist gut. Mareike hat sich wahrscheinlich nur einen Virus oder so etwas eingefangen. Kein Grund zur Sorge...' Je mehr ich mir diesen Gedanken einredete, desto ruhiger wurde ich. Ich öffnete die Autotür, schmiss die Taschen auf den Beifahrersitz und stieg ein. Der Bildschirm zeigte noch immer eine ungelesene Nachricht an. Bisher hatte ich mich noch nicht getraut, diese zu öffnen. Ich seufzte noch einmal und öffnete diese.
 

'Hallo meine Süße. Unsere Verabredung heute Abend muss leider ausfallen. Es tut mir sehr leid, aber ich fühle mich nicht so gut. Darum werde ich heute auch nicht zum Unterricht erscheinen. Mach dir bitte keine Sorgen um mich. Ich liebe dich. Mareike.'
 

Ich soll mir keine Sorgen machen? Natürlich machte ich mir welche. Ich schloss die Nachricht, die ich bereits zum dritten Mal gelesen hatte und suchte in meinem Kontakten nach Mareike. Ich hielt mir das Handy ans Ohr und wartete auf ein Freizeichen. Zu meiner Enttäuschung ertönte sofort die Mailboxansage. Ich warf das Handy zur Seite und startete den Wagen. Ich musste mich vergewissern, dass mit ihr wirklich alles in Ordnung war...
 

Ich parkte den Wagen wieder auf den Parkplatz des kleinen Bäckers und ging den kurzen Weg zu ihrer Wohnung. Dort angekommen, klingelte ich und wartete ein paar Sekunden. Ich versuchte es noch einmal, aber nichts geschah. „Mareike? Bist du da? Lass mich bitte rein. Ich bins, Emma.“ Ich hielt für einen Moment den Atem an und hörte ins Innere der Wohnung. Alles blieb still. Ich war der Verzweiflung nahe und wusste nicht, was ich tun sollte. Als ich mich dazu entschied, noch mal zu klopfen, öffnete sich plötzlich die Tür. Ein blasses Gesicht blickte mir entgegen. Ihre Augen waren gerötet vom Weinen und die sonst so strahlend blaue Farbe wirke matt und ausdruckslos. Ich presste mir die Hand auf den Mund und versuchte die Tränen, die sich in meinen Augen sammelten, zurückzuhalten. „Hallo Emma, was machst du denn hier? Entschuldige bitte, dass ich nicht sofort geöffnet habe. Ich dachte du wärst jemand anderes. Komm doch rein.“ Ich kam ihrer bitte nach und setzte mich in Bewegung. Bevor sie die Tür schloss, blickte sie sich noch einmal um. Seufzend drehte sie sich zu mir und lächelte leicht. Zumindest versuchte sie es. Es wirkte gezwungen und nicht so, wie ich es sonst kannte. „Hi, ich wollte nach dir sehen. Was ist denn passiert? Du siehst schrecklich aus.“ Ich musste mich wirklich zusammenreißen. Meine Stimme zitterte so stark, ich konnte nicht sagen, ob sie mich verstanden hatte. Sie nahm meine Hand und zog mich ins Wohnzimmer. Dort setzten wir uns auf die Couch.
 

Ich wartete eine gefühlte Ewigkeit auf eine Antwort, aber diese blieb aus. Sie sah an mir vorbei und schaute aus dem Fenster. „Mareike? Hörst du mich?“ Ich legte meine Hand auf ihre, um meine Frage zu unterstreichen und musterte sie besorgt. Erst jetzt fand sie langsam in die Realität zurück. Sie blickte zu mir und atmete hörbar aus. „Hast du was gesagt?“ „Allerdings. Ich habe gefragt, was mit dir los ist.“ Ich war wirklich alles andere als geduldig. Aber ich wollte sie auch nicht drängen. „Thomas war gestern Abend hier. Er...“ Sie entzog sich meiner Hand, stand auf und ging zum Fenster. Ich blieb wo ich war und starrte hilflos auf ihren Rücken. Warum wandte sie sich von mir ab? Und wer war Thomas? Ich überlegte, fand aber keine Antwort. Mareike hatte ihn noch nie erwähnt. Ihrem Verhalten nach zu urteilen, war er aber jemand, der sie sehr verletzt hatte. Ein Schluchzen erfüllte den Raum und beendete meine Gedanken. Sie hatte die Arme um sich gelegt und zitterte heftig.
 

Ohne nachzudenken eilte ich zu ihr und schloss sie in meine Arme. „Ich.. Ich habe Angst Emma. Bitte hilf​ mir. Er soll mich...“ Ihre Worte gingen im Schluchzen unter. „Du musst dich beruhigen Süße.“ Ich strich mit meiner Hand über ihren Rücken und es schien zu helfen. Langsam entspannte sie sich etwas und löste sich aus meiner Umarmung. Meine Hände legten sich auf ihre Wangen und strichen die Tränen beiseite. Ich lächelte sie an und nickte. „So ist es gut Liebste. Willst du was trinken und mir dann alles erzählen?“ Ein kleines lächeln umspielte ihren Mund ehe sie nickte. Ich nahm meine Hände von ihren Wangen, verschränkte eine mit ihrer und zog sie langsam hinter mir her.
 

Wir saßen am Küchentisch und sahen uns an. Jede ein Glas Wasser vor sich. „Es tut mir leid Emma. Ich wollte nicht, dass du mich in so einem Zustand siehst.“ Ihr Worte versetzten mir einen Stich. Verletzt starrte ich sie an und schluckte die Tränen herunter. „Wie kannst du so etwas nur sagen? Natürlich bin ich für dich da, wenn es dir schlecht geht. Ich bin deine Freundin und mache mir Sorgen um dich.“ Bevor ihre Hand meine berühren konnte, zog ich diese weg. Nun war sie es, die mich verletzt ansah. „Emma... Du hast das falsch verstanden. Ich meine... bisher habe ich noch niemanden so nah an mich rangelassen. Ich fühle mich nicht wohl dabei, einer Person meine verletzliche Seite zu zeigen. Aber bei dir ist das etwas anderes. Ich mag es, von dir gehalten zu werden.“ Eine leichte röte zierte ihre Wangen. Ihre Worte und die Verlegenheit, die sie gleich viel schöner aussehen ließ, ließen mein Herz höher schlagen. Ich umfasste ihre Hände und drückte sie ein wenig. „Danke, dass kann ich nur zurück geben. Ich mag es auch, von dir gehalten zu werden. Und was das unwohlsein angeht, ich liebe alles an dir und würde mich freuen, wenn ich die erste sein dürfte, die auch diese Seite von dir kennenlernt.“ Sie erwiderte den Druck kurz und löste sich dann aus meinem Griff. Seufzend fuhr sie durch ihre Haare, ließ die Hände in den Schoß fallen und richtete sich etwas auf.
 

„Ich...“ Das Telefon, welches begonnen hatte zu klingeln, erschreckte mich. Ich sah in den Flur und  dann fragend zu Mareike. Es sah nicht so aus, als würde sie dran gehen wollen. Ganz im Gegenteil. Ihre Augen wurden groß und blickten panisch zum Telefon. „Er ruft schon wieder an. Warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen?“ Mareike schien mehr mit sich selbst zu sprechen. Auf jeden Fall sah sie mich nicht an. Es klingelte genau fünf Mal, ehe es wieder still wurde. „Wer war das?“ Erneut seufzte sie und richtete den Blick wieder auf mich. „Thomas. Mein Ex-Mann. Wir haben uns damals getrennt, weil er mich mit meiner Freundin betrogen hatte. Er war auch der Grund, warum ich seitdem keine Beziehung mehr eingegangen war. Erinnerst du dich? Wir haben gestern darüber gesprochen. Auf jeden Fall ist er gestern, nachdem du gegangen warst, hier aufgetaucht. Wenn ich gewusst hätte, wer da vor meiner Tür stand, hätte ich sie niemals geöffnet. Ich war so perplex, dass ich einfach nur dastand. Als ich mich wieder etwas gefasst hatte, fragte ich ihn, was er hier wollte. Angeblich täte ihm alles so schrecklich leid und er wäre hier, weil er mich noch immer lieben würde. Weißt du wie oft ich mir diese Worte gewünscht hatte? Obwohl er mich betrogen hatte, wäre ich wieder zu ihm zurückgegangen. Ich liebte ihn damals wirklich sehr.“
 

Sie hielt einen Moment inne, trank einen Schluck Wasser und erzählte weiter. „ich wollte das alles nicht hören und habe die Tür vor seiner Nase ins Schloss fallen lassen. Das ganze hatte mich so aufgewühlt. Alles kam wieder hoch und spielte sich wie ein Film vor meinen Augen ab. Ich hockte noch ewig an der Tür und ließ alles raus. In der Nacht hatte ich kein Auge zugetan. Ich konnte einfach nicht zur Ruhe kommen. So sah ich dann heute morgen auch aus. Ich rief in der Schule an und meldete mich krank. Angeblich habe ich furchtbare Kopfschmerzen. Seit gestern Abend habe ich Angst. Er ist so davon überzeugt, dass ich ihn zurücknehmen würde. Alleine bei dem Gedanken wird mir ganz anders. Er ist bisher zwar nicht wieder aufgetaucht, aber es vergeht keine Stunde, in der er mich nicht anruft.  Ich weiß einfach nicht weiter..“
 

Mareike schien mit den Nerven am Ende. Sie saß da, den Kopf in die Hände gelegt und weinte stumme Tränen. Ich war natürlich sofort an ihrer Seite und hatte einen Arm um sie gelegt. Es tat mir verdammt weh, sie so zu sehen. Konnte diese wunderbare Frau nicht auch einmal glücklich sein? Erst war da die Sache mit dem Umzug, dann folgte das Mobbing, die Trennung ihrer ersten Liebe, der Selbstmordversuch, die Scheidung ihrer Eltern, die anschließenden Therapiestunden und schließlich die Trennung ihres Mannes und alles was damit zusammenhängt. Trotz des ganzen Elends hatte sie ihr Lächeln nie verloren. Ich bewunderte sie ungemein dafür.
 

Ich musste nicht lange überlegen, da kam mir eine Idee. Ich löste mich von Mareike, legte meine Hände auf ihre Wangen und drehte sie zu mir. „Hör mir bitte zu und wage es ja nicht zu widersprechen.“ Ich lächelte über meine Wortwahl und sie erwiderte es sogleich. „Ich werde mich hüten dir zu widersprechen Liebes.“ Sie stupste mich mit dem Ellenbogen an und wurde dann wieder ernst. „Wir packen jetzt ein paar Sachen von dir zusammen und du kommst eine Weile mit zu mir. Ich weiß, du bist immer noch meine Lehrerin und es würde die ganze Sache noch komplizierter machen, aber ich will das du in Sicherheit bist. Du sollst nicht noch mehr durchmachen müssen. Ich habe Angst und will dich nicht verlieren.“ Sie schien einem Moment nachzudenken, ehe sie antwortete. „Ja, wir bewegen uns auf ganz dünnem Eis. Aber ich liebe dich. Du gibst mir die Kraft, dass alles durchzustehen. Deine Idee gefällt mir und darum sage ich ja. Ich komme gerne mit zu dir.“ Überschwänglich drückte ich meine Lippen auf ihre und küsste sie. Ich war froh, dass sie meinem Vorschlag zugestimmt hatte. Ich wollte keinesfalls wissen, was ihr Ex-Mann noch so plante. Bisher blieb es nur bei anrufen, aber das konnte sich schnell ändern...



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