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Die Motus

Magister Magicae 5
von

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Verrat

Inzwischen hatten sich alle 8 Videokonferenz-Bildschirme auf dem Laptop gefüllt. „Sdrasdwutje, towarischtschi.“, begrüßte der Boss die versammelte Führungsetage. In aller Selbstverständlichkeit auf Russisch. Alle, die mit der Motus zu tun hatten, konnten gezwungenermaßen Russisch. Das war die Einheitssprache, die für den Kontakt mit der Zentrale unumgänglich war. Sie alle waren mächtige Magier, und wie alle magisch begabten Menschen hatten sie einen Genius Intimus an ihrer Seite. Einen Schutzgeist in Fabelwesengestalt, der seinen menschlichen Schützling vor Gefahren der astralen Ebene beschützte und seine Magie unterstützte. Natürlich waren nur wenige Menschen magisch begabt und hatten deshalb einen Schutzgeist. Entsprechend waren auch die wenigsten Genii als Genii Imtimi an einen Menschen gebunden. Es gab wesentlich mehr freie als gebundene Genii.

Und dann gab es da noch Wesen, denen es im Traum nicht einfallen würde, einem Menschen zu helfen. Genii, denen es in die Wiege gelegt war, Menschen zu töten. Each Uisge, schottische Wasserpferde, waren solche Viecher. Sie zerrten Menschen unter Wasser und fraßen sie dann auf. Als Vladislav die Each Uisge auf die 'schwarze Liste' gesetzt hatte, hatte er selber noch nie in seinem Leben ein Each Uisge oder ein Kelpie zu Gesicht bekommen. Aber das brauchte er auch nicht. Er brauchte keinen persönlichen Anlass, um diese Genii zu jagen. Er war der Meinung, es gäbe keine unschuldigen Each Uisge. Es gäbe nur Each Uisge, die beim Fressen von Menschen bloß noch nicht erwischt worden wären. Vladislav hatte es zu seinem Lebensziel erklärt, solchen mörderischen Kreaturen den Kampf anzusagen, hatte Gleichgesinnte um sich geschart und ein Verbrecherkartell gegründet, das inzwischen internationale Ausmaße angenommen hatte. Sie waren alle da, vor ihm auf dem Bildschirm. Sieben Kluster-Chefs in sieben weiteren Ländern neben Russland. Jeder einzelne von ihnen ausgestattet mit einer funktionierenden Befehlsstruktur. Mit einer Riege eigener Unterbosse, etlichen dilettantischen Auftragskillern und Bannmagiern, vollen Waffenkammern, Millionen in den jeweiligen Landeswährungen und gefährlichen Beziehungen in höchste Kreise. Ja, diese seit Jahren gut geführte und stetig wachsende Organisation war inzwischen ein richtig großer Fisch. Das waren schon lange keine belanglosen, örtlichen Straßenschläger mehr. Und mit denen wollte Victor es alleine aufnehmen. Was hatte er sich dabei bloß gedacht, überlegte er einen Moment lang innerlich seufzend und stopfte die Hände in die Taschen seiner Jeans. Mit dem Hintern lehnte er sich rücklings gegen den Fenstersims, um es etwas bequemer zu haben, solange er hinter Vladislav im Kamerawinkel stehen und der Konferenz folgen musste.

„Heute Morgen hat ein Briefumschlag unbekannten Inhalts eine Polizeistation hier in Moskau erreicht.“, begann der Boss. Seine blonden Haare stachelten heute ein wenig ungebändigt in alle Richtungen weg. Normalerweise achtete er mehr auf sein Aussehen. Im Gegensatz zu sonst trug er heute auch erstaunlich legere Kleidung. Ein ärmelloses, meergrünes Oberteil, das seinen rechten, komplett zutätowierten Arm geradezu betonte, und eine kurze Freizeithose. Normalerweise trug er einen Anzug. Sah ganz so aus, als wäre er heute in ziemlicher Eile hier aufgetaucht, also musste es was verdammt großes sein, was ihm gerade Sorgen machte. „Soweit ich weiß, hat der Polizei-Chef daraufhin eine große Konferenz einberufen, in die die Botschafter der Länder England, Spanien, Deutschland, Irland, Irak, Italien und Polen einbezogen wurden. Eben jener Länder, in denen die Motus aktiv ist. Welch netter Zufall. Victor, klär die Herren bitte mal über die Zusammenhänge auf!“, bat der Boss kühl und schaute über die Schulter nach hinten zu seinem Vize.

Victor zog ein ratloses Gesicht. „Wieso unterstellst du, daß ich das kann?“

„Victor! Hör auf, mich für blöd zu verkaufen! Du bist das gewesen! Du hast dem Bullen einen Briefumschlag gegeben! Was war in dem Umschlag drin?“

Das ging ja schnell, dachte Victor frustriert. Er hätte der Polizei gern mehr Vorsprung verschafft. Wie hatte Vladislav so schnell davon erfahren können? Von dem Kobold, der da drüben neben der Tür in seinem eigenen Blut schwamm, klar. Aber woher wusste der Kobold es? Victor war sich sicher, daß er bei seinem Treffen mit dem Polizisten nicht beobachtet worden war. Nun, abstreiten brachte wohl nichts. „In dem Umschlag war Geld. Damit er uns in Ruhe lässt.“, log er also äußerst überzeugend.

„Oh ja, das glaube ich dir auf´s Wort! Das wäre das erste Mal, daß du was sinnvolles für die Motus getan hättest! Ich trau dir nicht über den Weg, du Verräter!“

„Beweise mir mal das Gegenteil.“, verlangte Victor ungerührt.

„Muss ich nicht! Du pfuschst mir schon lange genug ins Handwerk. Ich kenne dich inzwischen gut genug! Und nur die Tatsache, daß ich keinen brauchbaren Ersatz für dich habe, hat mich bisher davon abgehalten, dich als Vize-Chef abzusägen. Ich habe sonst niemanden mit deinen Fähigkeiten! Das, und die Tatsache, daß ich dich gern im Auge behalten wollte! Ich bin von Idioten umgeben!“

Auf dem Laptopbildschirm wurde empörtes Gezeter seitens der beleidigten und verratenen Geschäftsführer laut. Außer von Ruppert, der ein steinernes Pokerface zu wahren versuchte.

Victor stemmte sich vom Fenstersims weg und kam auf die andere Seite herüber, um nach der Maus des Laptops zu greifen. „Du überschätzt meine Risikobereitschaft. Glaubst du denn, ich würde mich selber ans Messer liefern, indem ich uns an die Polizei verkaufe? Wenn die Motus auffliegt, bin ich mit dran. Mir liegt was an meinem Leben!“

Der Boss schrie wütend auf und warf ihm einen Angriffszauber entgegen, der Victor rücklings gegen die Wand krachen ließ. Ihm blieb die Luft weg. Verdammt, das war unvermutet gekommen. Den hatte er nicht mehr abwehren können. Er sackte haltlos in sich zusammen. Ihm wurde gerade noch klar, daß er hier von einem Bann getroffen worden war. Er bekam partu keine Luft mehr in seine Lunge hinein und sein Herz fühlte sich an, als würde es verkrampfen. Er hatte aber keine Chance mehr, darauf zu reagieren und irgendwas gegen den Bann zu tun. Er bekam noch mit, wie der Boss sich wieder der Videokonferenz zuwandte. „Meine Herren, ich muss davon ausgehen, daß wir flächendeckend aufgeflogen sind. Sämtliche Zweigstellen, ausnahmslos. Leitet die nötigen Schritte ein. Löst die Konten auf, leert die Waffenlager, stationiert die Sklavenmärkte um, informiert eure Leute vor Ort ...“ sagte der Boss, dann schwanden Victor bereits die Sinne und alles um ihn herum wurde schwarz.

„Weg mit ihm!“, trug der Boss seinem Genius Intimus auf, der wie immer in der Ecke saß, sich mit einer Messerklinge die Fingernägel sauberpuhlte und kein Wort sagte.

Der Genius Intimus hatte sich schon sehr lange abgewöhnt, irgendwas zu sagen. Ihm waren die Absichten und Machenschaften seines Schützlings bewusst und er hütete sich, auch nur einen Kommentar dazu abzugeben, aus Angst, selbst umgelegt zu werden oder auf dem Sklavenmarkt zu enden. Also nickte er nur, steckte sein Messer weg und kam zu Victor hinüber, um ihm die Waffe abzunehmen und ihn dann aus dem Büro zu schaffen. Später würde er sich wohl auch noch um den etwas zu redseligen Kobold kümmern müssen. Er hasste es, Blutflecken wegwischen zu müssen wie eine billige Putzfrau.



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