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Sklave der Wüste

von

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Wiedersehen und heilige Versprechen

Hallo zusammen,

 

es ist wieder Samstag und somit Zeit für ein neues Kapitel. Ich sage nun nicht mehr dazu, sondern lasse euch mit Atemu und Seto allein.
 

 

 

 

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Wiedersehen und heilige Versprechen

 

 

Lautlos öffnet sich die Tür. Je weiter sie sich öffnet, desto grösser wird der Lichtstrahl, der zu ihnen in den Gang dringt. »Geh du zuerst. Ich … sie hält mich für tot.« Leise tritt Atemu zur Seite und macht so Seto genug Platz, damit dieser an ihm vorbeigehen kann.

Dieser sieht ihn ernst an. »Ich erkläre es ihr«, raunt er ihm zu und tritt dann durch den Spalt. Er braucht einen Moment, um sich zu orientieren, dann erkennt er, dass er im Ankleidezimmer in einer Nische neben den Schränken steht. Aufmerksam sieht er sich um und entdeckt Jasmin, die mit dem Rücken zu ihm steht und Kleider aufhängt. »Jasmin«, ruft er ihr mit gedämpfter Stimme zu, als er aus der Nische tritt.

 

Erschrocken wirbelt Jasmin herum und presst sich die Hände gegen die Brust. »Kronprinz Nesut!« Atemlos sinkt sie auf die Knie und verbeugt sich so tief, bis ihre Stirn den Boden berührt.

 

Seto stockt, als er die Worte hört. Es scheint ewig her zu sein, dass er so genannt worden ist. Langsam geht er zu ihr und legt ihr die Hand auf die Schulter. »Erhebe dich. Du musst dich vor mir nicht mehr so tief verbeugen. Ich bin nur noch Prinz Seto.«

Verwirrt blickt Jasmin auf, während sie sich lässt von ihm hochziehen lässt. »Aber, Hoheit. Wie meint Ihr das? Ihr seid der Kronprinz.«

Sanft dirigiert Seto sie zu dem Schminktisch und drückt sie da mit sanftem Zwang auf den Stuhl. »Setz dich und dann hör mir zu. Es ist ein Wunder passiert.« Ernst sieht er die alte Frau an, die ihn mit grossen Augen mustert. »Wie meint ihr das, Hoheit? Was für ein Wunder? Habt Ihr einen Weg gefunden, die Prinzessin vor der Hochzeit zu bewahren?«

 

Mit einem leichten Lächeln schüttelt Seto den Kopf. »Keinen Weg. Eine Person. Ich bin mit Hohepriester Shimon ins japanische Grossreich gereist und da haben wir in einem kleinen Stoffladen unseren Pharao Nesut-anch-Ra gefunden. Er lebt, Jasmin.«

 

Sprachlos presst sich Jasmin die Fäuste gegen den Mund. Ungläubig starrt sie Seto an. »Der Pharao? Er lebt? Wie ist das möglich? Wo war er all die Jahre?«

 

Leise hat Atemu den Raum betreten und kommt nun langsam näher. »Ich habe den Flugzeugabsturz schwer verletzt überlebt. Allerdings habe ich mein Gedächtnis verloren. Erst vor ein paar Monaten habe ich mich wieder daran erinnert, wer ich einst gewesen bin.«  Leicht lächelt er Jasmin an, die ihn ansieht, als wäre er ein Geist. Zitternd steht sie auf und nähert sich ihm. Jede Regel missachtend, streckt sie die Hände aus legt sie ihm auf die Wangen. »Warm und weich. Ihr seid real und kein Geist«, stösst sie tonlos hervor. Als würde sie sich plötzlich daran erinnern, dass er der Pharao ist, sinkt sie vor ihm auf die Knie. Ergreift seine Hände und küsst sie. »Mein Pharao, wir haben immer dafür gebetet, dass Ihr noch lebt. Dass Ihr irgendwo da draussen seid und eines Tages wieder zurückkehren werdet.« Immer wieder schluchzt sie auf und krallt sich dabei an Atemus Händen fest.

 

Geduldig steht Atemu da und lässt es zu, dass sie ihn anfasst und ihm die Hände küsst. »Jasmin, ich freue mich zu sehen, dass du noch immer an der Seite meiner Schwester bist«, raunt er ihr zu. Als plötzlich ein Keuchen erklingt, hebt er den Blick und sieht in der Tür eine wunderschöne junge Frau stehen, die sich am Türrahmen festhalten muss.

Vorsichtig löst er sich aus Jasmins Griff und geht auf sie zu. »Kisara«, raunt er ihr mit Tränen in den Augen zu. Schuldgefühle schlagen über ihm zusammen, als er in ihre viel zu alten Augen sieht. Die unterdrückte Verzweiflung und den Schmerz darin erkennt.

Er hat Angst … Angst sie zu berühren … Angst, dass sie ihn von sich stösst. Langsam hebt er die Hand und hält sie ihr hin. »Kisara«, raunt er noch einmal und dann passiert es. Kaum hat sie ihn berührt wirft sie sich ihm an den Hals und klammert sich wie eine Ertrinkende an ihm fest. »Atemu«, schluchzt sie auf und hält sich so sehr an ihm fest, dass er kaum Luft bekommt. Doch er beschwert sich nicht. Im Gegenteil, er legt die Arme um sie und drückt sie an sich. »Ich bin wieder da«, haucht er in ihre blonden Haare und wiegt sie sanft hin und her, obwohl ein Teil von ihm bei dem engen Körperkontakt vor unterdrückter Panik erzittert.

 

Glücklich muss Jasmin die Tränen zurückhalten, als sie sieht, wie sich die beiden Geschwister in den Armen liegen. »Ra sei Dank. Endlich gibt es Hoffnung.« Sich die Hand auf den Mund pressend, blickt sie zu Seto, der ihr die Hand auf die Schulter legt. »Ja, es gibt Hoffnung.« Stimmt er ihr zu, den Blick nicht von Atemu und Kisara abwendend. »Das Schwierigste wird aber noch kommen. Wir müssen meinen Vater vom Thron entfernen und das ohne, dass Unschuldige darunter leiden müssen.«

 

Widerwillig löst sich Atemu von Kisara und sieht sie mit einem warmen Lächeln an. »Du bist so gross geworden. In meiner Erinnerung bist du immer noch das freche kleine Mädchen, dem ich damals meinen grössten Schatz anvertraut habe.«

Schniefend wischt sich Kisara mit dem Handrücken über die Augen. »Wo warst du? Warum hast du mich allein gelassen?« Vorwurfsvoll sieht sie ihn an und schlingt dann wieder die Arme um ihn. Sie will auf ihn wütend sein, aber dafür ist sie viel zu froh, dass er wieder da ist.

 

Atemu lächelt leicht, auch wenn ein Teil von ihm mit dem ganzen Körperkontakt überfordert ist, schlingt auch er wieder die Arme um sie. »Es tut mir so leid. Ich erkläre es dir im Wohnzimmer. Komm, gehen wir uns hinsetzen«, raunt er ihr ins Ohr und führt sie, sie fest im Arm haltend, aus dem Ankleidezimmer hinaus. Er muss sich kurz orientieren, aber dann hat er die Sofaecke mit den drei cremefarbenen Chaiselongues entdeckt. Gefolgt von Jasmin und Seto geht er mit ihr da hin und setzt sich auf die Mittlere der drei Sitzgelegenheiten. Da Kisara ihn gar nicht loslassen will, nimmt er sie kurzerhand auf den Schoss. »Ach, Kleines«, murmelt er und streicht ihr über das lange Haar.

 

Mit geschlossenen Augen lehnt sich Kisara an ihn und geniesst es einfach nur, dass er sie hält und wie damals durch ihr Haar streicht. Doch dann hält sie es nicht mehr länger aus, ihre Neugier ist einfach zu gross. Langsam löst sie sich etwas von ihm und sieht ihn mit vom Weinen roten Augen ernst an. »Nun erzähl schon. Was ist passiert? Warum hat Akunadin behauptet, dass du tot bist? Wo warst du?«

 

Tief seufzt Atemu auf. »Mein Flugzeug ist über der Wüste von Raketen abgeschossen worden. Ich habe wie durch ein Wunder überlebt, aber ich habe bei dem Absturz mein Gedächtnis verloren«, erzählt er mit leiser Stimme. »Sklavenhändler haben mich gefunden und versklavt. Das Brandmal, das sie mir damals eingebrannt haben, ist der Beweis.«

Geschockt schlägt Kisara die Hand vor den Mund. »Aber, sie müssen dich doch erkannt haben! Selbst wenn du dein Gedächtnis verloren hast, du hast doch noch die Insignien gehabt, die deinen Status zeigen!«

Als Atemu schweigt, sieht sie zu Seto, der auf der rechten Chaiselongue sitzt. Ernst erwidert er ihren Blick. »Sie haben ihn sicher erkannt. Sonst hätten sie sicher anders gehandelt. Kisara, sie sind von meinem Vater geschickt worden, um Überlebende zu töten. Stattdessen waren sie gierig und haben ihn stattdessen versklavt und verkauft«, erklärt er mit bitterer Stimme.

»Aber warum?«, ruft Kisara aus. »Was hat er Akunadin denn getan, dass er ihm so etwas antut? Schliesslich ist er … .« Mitten im Satz bricht sie ab und starrt vor sich hin. »Der Thron. Er wollte den Thron haben«, beantwortet sie sich die Frage selbst.

 

Mit einem bitteren Zug um die Mundwinkel nickt Seto. »Ja, es ging ihm immer nur um den Thron. Ich habe es schon gewusst, dass er den Thron will, als Atemu zum Pharao gesalbt wurde, aber ich hätte mir damals nie vorstellen können, dass er so weit gehen würde.«

 

Atemu schluckt leer und nickt. »Ich habe es damals auch relativ schnell festgestellt, dass er es auf den Thron abgesehen hat. Nur ich habe mir auch nie vorstellen können, zu was er im Stande ist. Ich gebe es ehrlich zu, dass ich sogar vermute, dass er am Tod meines Vaters nicht so ganz unschuldig ist. Nur beweisen werden wir es nie können.«

 

Ungläubig schüttelt Kisara immer wieder den Kopf. »Er ist ein Arsch und ein Ekel. Ich hasse ihn, aber ich kann es mir kaum vorstellen, dass er … « Sie beisst sich auf die Lippen und sieht wieder zu ihrem Bruder. »Was ist dann passiert? Wieso wurdest du nie erkannt?«

 

Unschlüssig, wie viel er ihr erzählen kann, beisst sich Atemu auf die Lippen, dann fasst er sich ein Herz. »Sie haben mich zu einem Hafen in Kapstadt gebracht, wo nur Schiffe des einfachen Volkes anlegen und mich dort an einen anderen Händler verkauft, der Sklaven auf einem Schiff ausser Landes bringt. So bin ich ins japanische Grossreich gekommen. Auf einem Sklavenmarkt bin ich dann an meinen ersten Besitzer verkauft worden. Er hat mir einen neuen Namen gegeben und … mich als Sklave ausgebildet.« Er hält inne und sieht Kisara und Jasmin aufmerksam an. Fragt sich, wie viel er ihnen erzählen soll. »Ich hatte in den nächsten fünf Jahren mehrere Besitzer und dann … dann kam Yugi. Er hat mich auf dem Sklavenmarkt in Domino gesehen und gekauft. Ich war am Ende. Ich wollte nicht mehr, aber er und Sugoroku haben mich gerettet. Sie haben mich in ihre Familie aufgenommen. Mich wie einen Menschen behandelt. Zum ersten Mal, seit ich mich erinnern konnte, wurde ich gut behandelt. Konnte ich ich selbst sein.« Ein sanftes Lächeln schleicht sich auf seine Lippen. »Sie wurden zu meiner Familie. Sugoroku wurde für mich wie ein Grossvater. Ich nenne ihn auch so und Yugi … ich habe mich in ihn verliebt. Er ist mein Sharik.« Unbewusst greift er an den Anhänger unter seinem Shirt. »Auf jeden Fall habe ich bei ihnen langsam mein Gedächtnis zurückbekommen, bis ich mich dann eines Tages daran erinnern konnte, wer ich einst gewesen war. Nur … ich war noch kein Jahr bei ihnen und … laut Gesetz können Sklaven erst von ihren Besitzern freigelassen werden, wenn sie mindestens zwei Jahre ihnen gehören. Ich dachte, dass du in Sicherheit bist. Ja, ich wollte wissen, wie es dir ergangen ist, aber ich habe mir gesagt, dass du ja nicht allein bist und ich wusste, dass Yugi mich so früh wie möglich freilassen würde. Ich hatte mir vorgenommen, mich dann bei dir zu melden oder wenigstens zu versuchen herauszufinden, wie es dir geht. Als Angehöriger des einfachen Volkes hat man nur sehr wenige Möglichkeiten, an Informationen aus den anderen Reichen zu kommen.«

 

Mit vor Schock geweiteten Augen sieht Kisara ihren Bruder an. »Ich … ich nehme an, dass du mir sehr viel von dem was du erdulden musstest, verschweigst. Es ist aber gut, dass du jemanden gefunden hast. Wie kommt es, dass du jetzt hier bist? Bist du noch ein Sklave?« Sie greift nach seiner Hand und drückt sie, während sie ihn voller Sorge und auch mit Angst um ihn mustert.

 

Lächelnd schüttelt Atemu den Kopf. »Dank Shimon und seinen Kontakten bin ich ein freier Mann. Er und Seto haben es irgendwie geschafft, einen der zuständigen Beamten zu bestechen, dass er meine Akten fälscht, sodass Yugi behaupten konnte, dass ich schon 2 Jahre ihm gehöre. Ich habe sogar einen eigenen Ausweis. Ich heisse mit bürgerlichem Namen Yami Atemu Muto.«

Sanft schiebt er Kisara von seinem Schoss und steht auf. Mit einem schiefen Grinsen dreht er ihr den Rücken zu und zieht sich das Shirt über den Kopf.

 

Mit weit aufgerissenen Augen sieht Kisara auf die sich überlagernden Brandzeichen auf seinem Schulterblatt. Mit weichen Knien steht sie auf und fährt mit zitternden Fingern über die Narben. »Es tut mir so leid.«

 

Atemu muss sich auf die Lippen beissen, um nicht zusammen zu zucken oder der Berührung auszuweichen. Doch dann hält er es nicht mehr aus. Er tritt einen Schritt nach vorn, unterbricht den Kontakt und zieht sich dann mit fahrigen Bewegungen das Shirt wieder an.

Um Beherrschung ringend, schliesst er die Augen und atmet tief durch. Erst, als er das Gefühl hat, dass er sich wieder unter Kontrolle hat, dreht er sich zu Kisara um und greift nach ihren Händen. »Es ist nicht deine Schuld. Es muss dir nicht leidtun.« Warm lächelt er sie an und atmet dann noch einmal tief durch. »Jetzt bin ich hier und als erstes sorgen wir dafür, dass du vor Akunadin sicher bist und auch Prinzessin Helena.« Als er Kisaras ungläubigen Blick sieht, grinst er schief. »Nur dank ihr sind Seto und ich jetzt hier. Sie war unglaublich mutig, als sie uns erst im römischen Grossreich aus dem Palast geschmuggelt hat und dann hat sie uns auf ihrer Jacht bis nach Alexandria geschmuggelt.«

 

Kisara steht der Mund offen. Sie denkt an ihr Gespräch mit Helena und jetzt wird ihr so langsam klar, warum die Prinzessin so sicher in ihrer Überzeugung gewirkt hat. »Verstehe. Was hast du vor?« Fragend sieht sie Atemu an der ihren Blick ernst erwidert. »Kisara, was fühlst du für Seto? Sei vollkommen ehrlich zu mir, das ist wichtig.«

 

Bei der Frage wird Kisara rot und sie senkt verlegen den Blick. »Ich … will ihn immer an meiner Seite haben. Er hat mir die Kraft gegeben, durchzuhalten und nie aufzugeben, selbst wenn ich nicht mehr ein noch aus wusste.« Sie spricht so leise, dass Atemu sie kaum verstehen kann, aber er erahnt ihre Worte. »Würdest … du ihm deine Hand versprechen? Mit ihm an deiner Seite gemeinsam herrschen, falls mir etwas passieren sollte?« Möchte er mit liebevoller Stimme wissen.

 

Ruckartig reisst Kisara den Kopf hoch. Sie starrt erst Atemu, dann Seto an, der leicht lächelt. »Es wäre mir eine Ehre, wenn du mich als deinen Gemahl erwählen würdest.«

Sprachlos sieht Kisara immer wieder zwischen Atemu und Seto hin und her. Mehrmals öffnet den Mund, um etwas zu sagen, aber es kommt kein Ton heraus. Schliesslich nickt sie einfach nur mit Tränen in den Augen.

 

Nun sieht Seto zu Jasmin. »Ist es dir möglich, den Hohepriester Shimon heimlich herzubringen? Ausserdem sollten Helena und die anderen erfahren, dass wir hier sind. Sie sollen herkommen.« Mit tränenfeuchten Augen nickt Jasmin. »Das schaffe ich. Ich bin gleich mit ihm zurück.« Ihren einfachen Rock raffend, eilt sie aus den Gemächern, um die Befehle auszuführen. »Und wenn du einen Leutnant Karim Razik triffst, er gehört zu uns«, ruft er ihr noch hinterher, bevor sie die Tür hinter sich schliesst.

Atemu schmunzelt leicht und wendet sich dann wieder Kisara zu. »Wie ist es dir ergangen?« Möchte er mit sanfter Stimme von ihr wissen.

Daraufhin senkt sie den Blick auf ihre Hände. »Kaum war Akunadin auf dem Thron, hat er mich mit Setos Bruder ins Tempelinternat nach Piramesse geschickt. Es war hart, aber ich hatte wenigstens Jasmin auch im Internat die ganze Zeit bei mir und ich habe Osis mitgenommen.« Sie sieht Atemu leicht lächelnd an. »Mokuba ist mir in der Zeit ein lieber Freund geworden. Er ist für mich beinahe wie ein Bruder. Er ist immer noch im Internat. Es geht ihm gut. Ich habe erst heute nach dem Mittagessen mit ihm telefoniert«, sagt sie mit einem Blick zu Seto der erleichtert aufatmet. Auch wenn er es nie gezeigt hat, so hat er sich die ganze Zeit über Sorgen um seinen kleinen Bruder gemacht. »Danke«, raunt er Kisara zu und setzt sich mit ihr und Atemu auf die mittlere Chaiselongue.

 

Leicht nickt sie ihm zu. »Keine Ursache. Auch wenn ich nicht wusste, warum du und der Hohepriester plötzlich verschwunden seid, habe ich mir schon gedacht, dass es wichtig sein muss.« Sie sitzt zwischen ihnen und ergreift nun von ihnen beiden die Hände. »Vor zwei Jahren hat mich Akunadin wieder in den Palast geholt, damit mich die Priester hier im Tempel weiter ausbilden. Hohepriester Shimon und Seto haben mir in den letzten beiden Jahren viel beigebracht und auf mich aufgepasst. Der Hohepriester ist schon fast wie ein Vater für mich und Seto … «, mit roten Wangen sieht sie zu ihm. »… Er ist mein Vertrauter, mein Freund, mein sicherer Hafen, während Jasmin für mich eine mütterliche Vertraute ist.«

Aufmerksam hört Atemu ihr zu und liest zwischen den Zeilen. Hört die Worte, die sie nicht ausspricht und es bricht ihm das Herz. »Es erleichtert mich, dass du sie die ganze Zeit an deiner Seite hattest.« Warm lächelnd streichelt er über ihre Wange.

»Ja, sie hat mir von Amara Amina erzählt und dass sie für dich wie eine Mutter gewesen ist, bis dein Vater sie aus dem Reich verstossen hat. Es tut mir so leid, dass du …« Als sie seinen -ich weiss etwas, was du nicht weisst- Gesichtsausdruck sieht, bricht sie ab. »Sag bloss, du hast sie gefunden? Wie geht es ihr?«

 

Nun seufzt Atemu laut. »Ich habe sie nicht gefunden und doch habe ich sie gefunden.« Der verwirrte Gesichtsausdruck der beiden lässt ihn trotz allem leicht schmunzeln. »Das Schicksal wollte es, dass Tante Amina den gleichen Weg gegangen ist, wie ich. Nur als freie Person. Sie ist bei den Mutos gelandet und hat Grossvater geheiratet. Doch sie ist tot. Ich war ein paar Mal an ihrem Grab und konnte so mit ihr reden. Grossvater hat mir viel von ihrem gemeinsamen Leben erzählt.« Sein Lächeln wird sehnsüchtig und traurig, als er daran denkt, wie Grossvater und auch Yugi ihm von der Zeit mit Tante Amina erzählt haben.

Aufkeuchend wird er aus seinen Gedanken gerissen, als er plötzlich von zwei Armen umschlungen und in eine Atem raubende Umarmung gezogen wird. »Kisara«, murmelt er und hält sie sanft fest. »Ich bin glücklich, dass ich erfahren habe, was aus ihr geworden ist. Dass sie glücklich gewesen ist und eine Familie gehabt hat.«

Leise schnieft sie in sein Ohr. »Das ist es nicht allein. Ich … hatte es trotz allem gut. Hatte immer genug zu essen und ein warmes Zuhause. Doch du, du bist durch die Hölle. Auch wenn du es nicht sagst, so sehe ich es in deinen Augen und ich bin nicht blind. Ich sehe, wie die Sklaven behandelt werden, wenn sie erzogen werden und ich weiss, wie schlimm sie von vielen behandelt werden.«

 

»Ach, Kleines«, raunt Atemu und streichelt ihr über den Rücken. »Wir haben beide viel durchgemacht. Es hat uns aber nicht zerstört, sondern gestärkt und weiser gemacht.«

 

Ein Räuspern lässt ihn zur Tür blicken. »Prinzessin Helena.« Er löst sich von Kisara und steht auf. Leicht neigt er den Kopf und muss dann einen Ausfallschritt nach hinten machen, als Kimi ihn so stürmisch umarmt, dass er sonst gestürzt wäre. »Kimi, wir waren doch nur ein paar Tage getrennt«, murmelt er, erwidert aber die Umarmung, obwohl es ihm inzwischen wirklich zu viel ist. Diese Nähe ist anstrengend für ihn und er merkt, wie die altbekannte Panik immer vehementer aus ihrem Versteck ausbrechen will.

Sanft, aber bestimmt, schiebt er den jungen Sklaven von sich und dreht sich wieder zu Kisara um. »Das ist Kimi. Er ist ein Sklave vom Hof des Kaisers. Er ist ein guter Junge und uns treu ergeben. Darum habe ich Seto gebeten, ihn Hadrian abzukaufen. Er gehört zu uns.« Sanft drückt er Kimis Schulter, der mit hochrotem Kopf dasteht und es nicht wagt, Kisara anzusehen. »Sie kennt meinen Namen«, murmelt er undeutlich.

 

Toshi kennt da keine Scheu, sie quengelt so lange rum, bis Anna sie auf den Boden setzt. Kaum ist sie auf dem Boden, krabbelt sie zu Seto und streckt ihm strahlend ihre Ärmchen entgegen. Vor Freude quietscht sie los, als sie von ihm hochgehoben wird und tatscht dann lachend gegen seine Wangen.

 

Dies lässt Kisara leise auflachen. »Kann es sein, dass sie dich als Papa ansieht?« Sie muss ihn einfach necken, ist das Bild, das sich ihr hier bietet, einfach zu niedlich.

Seto will ihr schon widersprechen, als Atemu die Hand hebt. »Wehe, du widersprichst ihr jetzt. Du hast dich die ganze Zeit über wie ein sorgender Vater verhalten.« Streng sieht er seinen Cousin an, als dieser Toshi mit dem Rücken zu sich auf seinen Schoss setzt. »Warum sollte ich widersprechen, wenn mein Pharao eine Aussage trifft«, erwidert Seto mit einem leichten Blitzen in den Augen. »Nun verrate mir aber, was hast du vor? Warum sollten die Prinzessin und ihr Leibwächter herkommen?«

 

Statt einer Antwort wendet sich Atemu zur Prinzessin und di Modena um. »Liebt ihr beide euch? Wollt ihr den Rest eures Lebens miteinander verbringen?«

Unsicher sieht Helena zu Mario. »Ich weiss nicht, wie es ihm geht, aber ich möchte es. Er ist der Einzige, dem ich wirklich blind vertrauen kann. Der immer für mich da ist.«

Mit einem warmen Lächeln erwidert er ihren Blick. »Du bist noch so jung und doch schon eine so unglaubliche Frau. Ja, ich möchte es auch. Nur wüsste ich nicht, wie das möglich sein soll.« Sanft legt er den Arm um sie und zieht sie leicht zu sich ran. »Ich habe mir nie vorstellen können, dass ich jemals so für jemanden empfinden kann.«

 

Zufrieden nickt Atemu. »Gut, dann ist das ja geklärt. Ihr werdet noch in dieser Nacht einander in der heiligen Zeremonie die Hand versprechen. Nur ihr beide könnt diese Verbindung dann noch lösen. Sobald Helene grossjährig ist, könnt ihr beide dann heiraten.« Jetzt sieht er Kisara und Seto. »Ihr beide werdet euch heute Nacht auch die Hand versprechen. Dann kannst du mit ihm zusammen offiziell den Thron einfordern, wenn mir bei der Stürzung Akunadins etwas passieren sollte.«

 

Heftig schüttelt Kisara den Kopf. »Rede nicht so! Dir wird nichts passieren!« Sie umfasst seine Hände in einem schon beinahe schmerzhaften Griff. »Ich werde Seto meine Hand versprechen, aber nicht deswegen, sondern weil ich ihn liebe!«

 
 

***
 

 

In seinem Gemach sitzt Shimon auf dem einzigen Stuhl am Tisch. In der Hand hält er ein Bild von einer wunderschönen Frau, die mit einem verschmitzten Lächeln in die Kamera blickt. »Sie hat dein Lächeln«, murmelt er und streichelt leicht über die Abbildung von Kisaras Mutter. »Warum musstest du damals nur von den Göttern geholt werden, als du das Zeichen … « Ein Klopfen lässt ihn herumfahren und das Bild in eine versteckte Nische schieben. »Herein!« Hoch aufgerichtet stellt er sich neben den Tisch und beobachtet, wie sich die Tür langsam öffnet. »Jasmin? Was machst du denn hier?«, ruft er überrascht aus, als er die alte Dienerin erkennt.

 

Respektvoll neigt Jasmin den Kopf. »Hohepriester Shimon, ich bin hier, weil die Prinzessin Euch zu sehen wünscht.« Sie richtet sich wieder auf und sieht ihn mit einem glücklichen Lächeln an. »Eure Freunde sind angekommen.« Verschwörerisch zwinkert sie ihm zu, woraufhin er scharf die Luft einzieht.

»Sie haben es so weit geschafft?« Erleichtert atmet er auf, doch sein Blick ist ernst. »Ich kann hier nicht einfach so weg. Ich bin zwar nicht mehr im Kerker, aber ich bin auf den Tempelbereich beschränkt. Ich darf ihn nicht verlassen.«

 

»Das lasst mal meine Sorge sein. Wir schaffen es schon, Euch zur Prinzessin zu bringen. Schliesslich bin ich Jasmin.« Sie greift nach dem Umhang, den er immer trägt, wenn er sich auf den Weg durch die Wüste zu den anderen Tempeln macht. »Anziehen und dann mitkommen!« Kein Widerwort zulassend, legt sie ihm den Umhang um die Schultern und zieht ihm die Kapuze über den Kopf.

 

Shimon ist viel zu überrumpelt, als dass er Jasmin in ihre Schranken weisen könnte. Schon beinahe willenlos lässt er sich von ihr aus dem Zimmer ziehen. »Mein Stock!«, ruft er aus, als sie im Gang vor der Tür stehen.

»Der Stock bleibt hier. An dem würdet Ihr doch sofort erkannt werden!« Die Augen verdrehend stützt sie ihn, als sie ihn an den kleinen Götterstatuen vorbeiführt, die in Nischen stehend, ihren Weg zu verfolgen scheinen.

Ergeben stützt sich Shimon auf Jasmin. »Dir ist hoffentlich bewusst, was du für ein Risiko eingehst«, flüstert er ihr zu, als sie das Gebäude verlassen und auf den grossen Platz hinaus treten. Deutlich kann er die beiden Wachen am Tor erkennen, die nur darauf zu warten scheinen, dass er sich an ihnen vorbeischleichen will.

Innerlich strafft er sich und bereitet sich darauf vor, ihnen irgendeine Geschichte zu erzählen, um Jasmin zu schützen. Doch zu seiner Überraschung gehen sie nicht zu dem Tor, sondern biegen nach links in den Weg zwischen zwei Tempeln ein. Das schwache Mondlicht kommt hier nicht hin und es stehen auch keine Fackeln oder Lampen in der Nähe, die diesen schmalen Weg erleuchten könnten.

Auf einmal biegen sie nach rechts in einen anderen Pfad ein, der noch schmaler und dunkler ist. »Wo führst du mich hin?« Er wagt es nicht, die Worte lauter als einen Hauch auszusprechen und als Antwort erhält er nur ein Kopfschütteln.

Er will schon stehen bleiben und nach einer Antwort verlangen, als vor ihnen eine unauffällige Tür geöffnet wird. »Alex?«, murmelt er fragend und ist doch nicht überrascht, den Sklaven zu sehen, der schon Atemus Vater treu gedient hatte.

Tief verbeugt sich Alex vor ihnen, als sie an ihm vorbeigehen und den Palastbereich betreten. »Ja, Hohepriester und nun folgt mir, bitte. Ich bringe Euch und Jasmin sicher zu den Gemächern der Prinzessin.«

Shimon kann ihm nur zunicken, dass er einverstanden ist, ehe sich Alex umwendet und vor ihnen durch den Flur geht. »Hier war ich schon ewig nicht mehr«, murmelt Shimon vor sich hin, als sie durch die ungeschmückten und kaum erhellten Gänge laufen, an deren Existenz er sich kaum noch erinnern kann.

Schmunzelnd sieht Alex kurz zu ihm. »Hier sind nur die Sklaven unterwegs, Hohepriester. Wir nehmen sie, um schnell und ungesehen von einem Teil des Palastes in den anderen zu kommen. Nur Pharao Nesut-anch-Ra benutzt diese Gänge auch gern, wenn er nicht gerade die Geheimgänge nutzt.«

 

»Der Pharao?« Geschockt, dass ein Sohn der Götter sich so weit herablässt, diesen Teil des Palastes auch nur zu betreten, bleibt Shimon unwillkürlich stehen. »Warum sollte er sich so weit herablassen?« Seine Stimme ist schärfer als sonst, als er den Sklaven vor sich mit den Blicken durchbohrt.

 

Alex bleibt ebenfalls stehen und dreht sich zu ihnen um. »Von Euch hätte ich diese Worte nun nicht erwartet. Der Pharao hat zusammen mit seinem Kindermädchen viel Zeit hier unten verbracht und uns geholfen, bis Amina aus dem Land geworfen worden ist. Danach war er nur noch selten hier unten. Er sagte mal, dass er nur so selten hier ist, um uns zu schützen.« Er wendet sich wieder nach vorn und geht nun eine Treppe nach oben, bis er auf einem Absatz vor einer Tür stehen bleibt. Leise öffnet er sie und späht in den hell erleuchteten Flur hinaus. »Die Luft ist rein.« Mit einem beinahe zufriedenen Blick winkt er ihnen zu, dass sie ihm durch die Tür folgen sollen, als er ins Licht hinaustritt.

 

Sich weiter auf Jasmin stützend betritt Shimon den vertrauten Flur, der zu den Gemächern der Prinzessin führt. »Tut mir leid. Ich vergesse gern, wie Amara Amina ihn erzogen hat.« Er versucht sich an der Entschuldigung, obwohl Alex nur ein Sklave ist. Doch dieser schüttelt den Kopf. »Ihr müsst Euch nicht bei mir entschuldigen. Sorgt einfach dafür, dass wieder Gerechtigkeit in dieses Land kommt. Dem einfachen Volk geht es so schlecht, dass meine Brüder und Schwestern da draussen kaum noch überleben können.« Sein Blick wird dunkel vor Sorge. »Auch wenn Pharao Nesut-anch-Horus ein Tyrann ist, so haben wir es hier im Palast noch verhältnismässig gut, was unsere Versorgung angeht, aber das wisst Ihr ja, Hohepriester.« Alex flüstert inzwischen nur noch und späht vor jeder Abbiegung erst um die Ecke, ob die Luft auch rein ist, ehe sie weitergehen.

 

Besorgt mustert Jasmin immer wieder Shimon, der sich immer schwerer auf ihr Abstützt und inzwischen ziemlich stark nach Atem ringt. »Wir haben es gleich geschafft«, flüstert sie ihm zu, während sie sich immer mehr dem Quartier der Prinzessin nähern.

Auf einmal hören sie Schritte und Stimmen hinter sich, die langsam näher kommen. »Wachen!«, zischt Alex und packt Shimon auf der anderen Seite. Gemeinsam tragen sie den alten Mann mehr, als dass dieser selbst läuft, den Flur entlang.

Als sie ins Blickfeld des Sklaven kommen, der vor Kisaras Gemächern steht, öffnet dieser sofort die Tür und lässt sie eintreten, kurz bevor die beiden Wachen um die Ecke biegen. Erleichtert atmen die Drei auf. »Verdammt, nur eine Sekunde später und sie hätten uns gesehen.« Keucht Jasmin ausser Atem.

Auf einmal klopft es an der Tür und die Stimme eines Wachmanns ertönt. »Hoheit? Dürfen wir eintreten?«

 

Geschockt erstarren die Drei, als auch schon Anna und Kimi zu ihnen treten. »Kommt, Hohepriester!«, flüstert Anna und nimmt nun gemeinsam mit Kimi Shimon in ihre Mitte. So leise wie möglich führen sie ihn ins Ankleidezimmer und da durch die Geheimtür in den Geheimgang, wo schon Seto und Atemu stehen.

Sofort nehmen sie Shimon und stützen ihn, als Anna und Kimi wieder rausschlüpfen und sich die Tür hinter ihnen schliesst.

 

Kisara steht unterdessen mitten in ihrem Wohnzimmer. »Tretet ein!« Verlangt sie nach einem Blick in die Runde. Vergewissert sich, dass Toshi sicher auf Annas Arm sitzt und blickt dann hoch erhobenen Hauptes den Wachmann an. »General Anwar, warum stört Ihr uns?« Verlangt sie mit fester Stimme zu wissen.

Leicht verneigt sich der General vor ihr. »Verzeiht, Hoheit. Wir haben Meldung bekommen, dass sich Attentäter im Palast aufhalten sollen, die sich als Mitglieder der pharaonischen Familie ausgeben.« Neugierig mustert er die anwesenden Personen. Registriert die drei Sklaven, die mit gesenkten Blicken auf dem Boden knien und das Baby auf dem Arm der Sklavin. »Darf ich fragen, was hier los ist? Es ist schon spät.«

 

Kisara verengt die Augen. »Ihr dürft nicht fragen, was wir in unserer Freizeit tun! Ich danke für die Warnung, wir passen auf und in Leutnant di Modena haben wir einen erfahrenen Leibwächter. Ihr könnt also gehen!«

 

General Anwar stockt für einen Moment, als er die hart ausgesprochenen Worte hört. »Verzeiht, Hoheit. Doch es ist meine Pflicht, mich in allen Gemächern umzusehen, ob sich nicht unbemerkt einer der Attentäter eingeschlichen hat. Der Befehl kommt von Pharao Nesut-anch-Horus persönlich!« Seine ganze Haltung spricht davon, dass es ihm nicht leidtut. Im Gegenteil. Er geniesst es, dass er der Prinzessin Gegenüber deutlich machen kann, dass er der General der pharaonischen Wache ist und nur dem Pharao untersteht.

Widerwillig tritt Kisara zur Seite und bedeutet ihm, dass er sich umsehen kann. Sie hasst den General, der ihrem Onkel treu ergeben ist. Am liebsten würde sie ihm eine saftige Ohrfeige verpassen, als er mit einem selbstgefälligen Grinsen an ihr vorbei geht und in ihre Privatsphäre eindringt, indem er sich nicht nur umsieht, sondern auch noch jeden Schrank öffnet. In ihr Ankleidezimmer geht und dort zwischen den Schränken wühlt. Mit hinter dem Rücken zu Fäusten geballten Händen steht sie da und muss es zulassen, als er sogar ihre Unterwäscheschubladen durchwühlt.

 

»General, ich glaube kaum, dass sich ein Mensch in einer Kommode verstecken kann!« Stellt sich nun Jasmin zwischen ihn und die Kommode, als er auch schon die nächste Schublade aufreissen will. Grob wird sie vom General zur Seite geschoben. »Ich muss sichergehen, dass keine Bomben versteckt worden sind!« Teilt er ihr überheblich mit, woraufhin Jasmin die Hände in die Hüften stemmt. »Erst sucht Ihr Menschen und jetzt Bomben, die ich sicher entdeckt hätte, als ich vor zwanzig Minuten die Wäsche der Prinzessin eingeräumt habe!« Sie tritt wieder zwischen den General und die Kommode. »Es ist lobenswert, dass Ihr eure Aufgabe sie ernst nehmt, aber das geht zu weit! Ich werde mich beim Pharao persönlich beschweren, dass Ihr in die Privatsphäre der Prinzessin eingedrungen seid, wenn Ihr Euch nicht sofort daran erinnert, wie respektvolles Benehmen funktioniert!«

 

General Anwar will sie schon wieder zur Seite schieben, als er stockt. Der Leibwächter aus dem römischen Grossreich hatte sich genähert und sieht ihn nun ernst an. »General. Ihr habt sicher viel zu tun. Ich schlage vor, dass ich die Räume der Prinzessinnen weiter durchsuche und aufpasse, dass sich ihnen kein potentieller Attentäter nähert.« Respektvoll neigt Mario nun vor dem General sein Haupt, woraufhin dieser schnaubend zurücktritt. »Euer Vorschlag macht Sinn, Leutnant. Ich warne Euch aber, die Prinzessin ist uneinsichtig und stur. Sie wird sich nicht so leicht davon überzeugen lassen, dass sie sich an gewisse Verhaltensregeln zu halten hat!«

»Ich habe durch Prinzessin Helena gewisse Erfahrung mit jungen Damen in dem Alter.« Vielsagend sieht er dem General in die Augen, der daraufhin dreckig grinst. »Verstehe, dann werde ich mich den anderen Gemächern zuwenden. Ich erwarte morgen nach dem rituellen öffentlichen Gebet des Pharaos zu Ra und Horus einen genauen Bericht darüber, wie die Nacht verlaufen ist.«

Wieder neigt Mario respektvoll sein Haupt vor dem General. »Natürlich. Ich werde Euch meinen Bericht schriftlich und mündlich überreichen.«

Zufrieden nickt General Anwar. »Gut, denn denkt daran, solange Ihr hier seid, untersteht Ihr meinem Befehl Leutnant!« Ruckartig wendet er sich um und marschiert an Mario vorbei. Vor Kisara neigt er kurz den Kopf. »Noch mal Glück gehabt, Hoheit«, zischt er ihr zu, ehe er an ihr vorbeigeht und die Räumlichkeiten verlässt.

 

Kaum ist er weg, sinkt Kisara zitternd auf eine der Chaiselongues. »Ich dachte schon …«, murmelt sie und presst sich die Hände an die Lippen. Auf einmal wird sie in eine feste Umarmung gezogen. »Wir waren ihm Geheimgang. Alles gut«, raunt Seto ihr zu, während er sie an seine starke Brust zieht.

 

Atemu kommt mit Shimon langsam rein und hilft ihm, sich hinzusetzen. »Was haben sie Euch nur angetan, alter Mann«, murmelt er und reicht ihm ein Glas Wasser, das ihm Jasmin gerade in die Hand gedrückt hat. »Hier, trink«, befiehlt er mit sanfter Stimme, was gar nicht nötig gewesen wäre. Durstig trinkt Shimon das kühle Wasser. »Danke. Meine alten Knochen mögen so einen Stress überhaupt nicht mehr.«

Besorgt mustert Atemu ihn, während er ihm das leere Glas abnimmt. »Was ist Euch angetan worden, dass es Euch so schlecht geht?«

 

Beruhigend tätschelt Shimon Atemus Schulter. »Das ist unwichtig. Ich bin frei und lebe und Ihr seid hier, mein Pharao. Das ist alles, was zählt.« Glücklich lächelt er ihn und dann Seto an. »Ihr habt es geschafft, Prinz Seto.«

Sofort schüttelt Seto den Kopf. »Nein, wir alle haben es gemeinsam geschafft. Mit der Hilfe von Leutnant Karim Razik. Egal, was passieren wird, ihm verdanken wir es, dass wir sicher von Alexandria hierher gekommen sind.«

 

Alex räuspert sich leise. »Gerade ist er dabei, einen Grossteil der Palastwachen auf Eure Seite zu ziehen, Pharao. Sie werden nur darauf warten, dass sie sich hinter Euch stellen können.« Noch immer kniet er am Boden und hält den Blick respektvoll gesenkt. »Wir Sklaven stehen auch alle hinter Euch und werden alles tun, was Ihr von uns verlangt.« Jetzt hebt er den Blick und sieht ihn voller Ehrfurcht an.

 

Tief atmet Atemu durch. »Danke, das weiss ich sehr zu schätzen. Bevor wir nun aber weiterplanen, müssen wir etwas anderes erledigen. »Hohepriester Shimon, bitte führt die heilige Verlobungszeremonie für Prinzessin Kisara und Prinz Seto und für Prinzessin Helena und Leutnant di Modena durch.«

 

Shimon runzelt die Stirn, als er die Bitte hört. »Ihr wollt, dass Eure Schwester Eurem Cousin die Hand verspricht. In der heiligen Zeremonie vor den Göttern?« Will er zur Sicherheit wissen, woraufhin Atemu ernst nickt. »Euch ist bewusst, dass Ihr dadurch die Möglichkeit aufgebt, mit einem anderen der Grossreiche ein Bündnis einzugehen?«

Wieder nickt Atemu. »Ja, das ist mir bewusst. Ich will aber, dass sowohl Kisara als auch Seto glücklich werden. Sie sollen aus Liebe heiraten und nicht aus politischen Gründen. Zudem kann Kisara so mit Seto zusammen den Thron einfordern, falls mir bei der Stürzung Akunadins etwas passieren sollte.«

Tief atmet Shimon durch. »Verstehe und warum wollt Ihr Prinzessin Helena und Hauptmann di Modena auch auf diese Weise miteinander verloben? Euch ist bewusst, dass diese Verlobung nur hier im Land gültig ist? Ihr Vater kann sie jederzeit mit einem anderen verheiraten oder verloben, sobald sie das Land verlassen haben.«

»Das ist mir bewusst, darum ist es auch die Entscheidung der beiden.« Atemu sieht zu den beiden. »Ihr habt das letzte Wort. Wenn ihr unter diesen Umständen zustimmt, dann dürft ihr bis zu eurer Heirat das Land nicht verlassen.«

 

»Da ich dieses Reich vermutlich sowieso nie mehr verlassen hätte, ist das für mich kein Problem. Nur, wie soll diese Zeremonie ablaufen? Ich meine, wir versprechen uns doch vor den Göttern die Hand. Müssten wir dafür nicht in einem Tempel sein?« Verwirrt blickt Helena Shimon an, der breit grinsend den Kopf schüttelt. »Nur, wenn Ihr dem Pharao die Hand versprechen würdet«, erwidert er und grinst noch breiter, als er nun von beiden ratlos angesehen wird. »Der Pharao gilt als Sohn der Götter und wenn er stirbt, wird er in ihre Reihen aufgenommen. Nun, Pharao Nesut-anch-Ra ist offiziell für tot erklärt worden und ist somit unseren Göttern gleichgestellt. Wenn wir die Zeremonie hier vor ihm abhalten, dann ist das gleichbedeutend, wie wenn wir sie in einem der Tempel unserer Götter abhalten würden.«

 

»Eure Kultur ist wirklich sehr faszinierend«, murmelt Mario. »Wenn man es richtig anstellt, könnt ihr euch alles so zurechtbiegen, wie es euch gerade passt.« Er weiss nicht, was er davon halten soll, als Shimon auch noch gleichgültig mit den Schultern zuckt. »So ist es nun mal. So ist es übrigens überall. Bei uns geht vieles über den Glauben an die Götter und den Stand des Pharaos. In anderen Reichen sind zum Beispiel die Gesetze so formuliert, dass sie leicht umgangen werden können, wenn man nur weiss, wie man sie kombinieren muss.«

»Oder sie sind gleich so geschrieben, dass das Volk keinerlei Rechte hat, sobald jemand aus der Oberschicht beteiligt ist.« Fügt Atemu bitter hinzu. Dabei daran denkend, was ihm bei Yugi passiert ist und wie Yu deswegen ins Gefängnis musste.

 

Leise räuspert sich Seto. »Wie auch immer. Jetzt können wir das System für uns ausnutzen. Ich rate euch beiden aber, dass wenn bei der Stürzung meines Vaters alles schief geht, so schnell wie möglich zu verschwinden und irgendwo im Reich unterzutauchen, bis ihr heiraten könnt.«

Helena senkt den Blick auf ihre Hände. »Ich verstehe. Sonst ist alles umsonst.« Sie strafft sich und sieht Shimon direkt an. »Hohepriester, was es uns auch kosten wird, ich bin bereit, es auf mich zu nehmen, um dem Käfig meiner Herkunft zu entkommen und mit Mario glücklich zu werden.«

 

Tief holt Shimon Luft und steht auf. »Ich brauche ein langes Band und einen Kelch mit Wasser.«

Sofort eilt Jasmin los, um das Verlangte zu holen.

Als sie weg ist, wendet sich Shimon Kisara und Seto zu. »Ihr beide seid als Erste dran.« Nach diesen Worten geht er zu dem kleinen Götteraltar, auf dem eine kleine Statue von Ra steht. Mit einem leichten Lächeln nimmt er aus einer Nische ein zwei Fotos heraus. Auf dem einen sind Kisaras Mutter und ihr Gemahl zu sehen und auf dem anderen Atemu zusammen mit Kisara. Respektvoll legt er die Bilder zur Seite und richtet den kleinen Altar her. Als Jasmin mit dem Band und dem Kelch wiederkommt, stellt er ihn zu der kleinen Götterstatue und winkt dann Atemu zu sich heran. »Stellt Euch bitte hier hin beobachtet schweigend was passiert. Tut mir leid, aber ihr seid nun so etwas wie eine lebende Statue.«

Ernst nickt Atemu und stellt sich an seinen Platz. Er legt die Hände hinter dem Rücken aneinander und wartet nun ab. Mit einem warmen Lächeln sieht er Kisara und Seto an, die sich nun vor dem Altar und somit auch vor ihm hinknien.

 

Mit erhobenen Händen, die Handflächen nach vorn gerichtet, verbeugt sich Shimon tief vor dem Altar, ehe er sich aufrichtet und mit dem Blick gen Himmel, besser gesagt der Decke verharrt. »Ra, König aller Existenz, unsere Sonne, erhellst du jeden Tag den Himmel und die Erde. Ich rufe dich und die anderen Götter an, hier an diesem Ort, in Anwesenheit deines von den Toten zurückgekehrten Sohnes, erhöre meine Worte.« Beginnt er feierlich zu sprechen. »Vor dir stehen Prinzessin Kisara und Prinz Seto bereit einander vor dir und den anderen die Hand zu versprechen. Einander zu schwören, dass sie den geheiligten Bund der Ehe eingehen werden, sobald die Zeit dazu gekommen sein wird.« Er greift nach dem Kelch und hält ihn nach oben. Verharrt mit geschlossenen Augen, ehe er ein paar Tropfen über die Statue und dann über Atemus Kopf giesst. Sich verneigend stellt er den Kelch wieder hin und wendet sich mit dem Band in der Hand zu Kisara und Seto um. »Ergreift eure Hände.« Weist er sie an. Als sie sich an den Händen halten, wickelt er das Band um ihre verbundenen Hände. »Ra und sein Sohn werden es bezeugen, wie ihr beide den Schwur ablegt, der nicht gebrochen werden kann, solange die Sonne die Erde Tag für Tag mit ihren Strahlen wieder zum Leben erweckt.«

Er legt seine Hand auf die ihren und sieht nun zu Kisara. »Sprich mir nach«, weist er sie mit sanfter Stimme an. »Hier, vor den Göttern knie ich … « geduldig wartet er, bis sie die Worte wiederholt hat. » … im Angesicht des Mannes, dem ich meine Hand verspreche.«

Lächelnd wiederholt Kisara die Worte.

»Ich schwöre vor den Göttern, dass ich ihm vom heutigen Tage an die Treue halten werde. Ihm folgen werde, wohin sein Weg ihn auch führen wird.«, spricht Shimon weiter und wartet wieder, bis die Worte wiederholt worden sind. »Ich werde ihm dienen und ihn lieben. Mich darauf vorbereiten, ihm nach unserer Eheschliessung mit meiner Seele und meinem Körper zur Seite zu stehen und ihm viele Kinder schenken werde.« Wieder verstummt Shimon und wartet geduldig ab, ehe er den letzten Satz ausspricht. »In guten, wie auch in schlechten Zeiten.«

Nachdem Kisara auch diesen letzten Satz wiederholt hat, wendet sich Shimon Seto zu. »Sprich mir nach«, weist er nun Seto mit sanfter Stimme an. »Hier, vor den Göttern knie ich, im Angesicht der Frau, deren Hand ich annehmen werde.« Nur mit Mühe kann sich Shimon ein Schmunzeln verkneifen, als Seto beim Wiederholen kurz über den anderen Wortlaut stolpert. Dann spricht er weiter: »Ich schwöre den Göttern, dass ich vom heutigen Tage an für sie und ihr Wohlbefinden sorgen werde.« Seto wiederholt die Worte, Kisara dabei fest in die Augen blickend.

Als er verstummt, spricht Shimon die nächsten Worte aus. »Wohin ich auch gehen werde, werde ich sie schützen, mit meinem Körper und meiner Seele.« Langsam atmet Shimon ein und spricht dann weiter. »Ich werde sie darauf vorbereiten, vor den Göttern meine Gemahlin zu werden. Ich werde ihr viele Kinder schenken. Für sie und meine Familie sorgen.« Wieder wartet Shimon ab, bis Seto die Worte wiederholt hat, ehe er den letzten Satz ausspricht. »In guten, wie auch in schlechten Zeiten.«

Nachdem Seto lächelnd diesen letzten Satz ausgesprochen hat, greift Shimon nach dem Kelch und hält ihn in die Höhe. »Dieses Wasser, das die Götter berührt hat, wird eure Seelen auf alle Zeiten aneinander binden, wie dieses Band, das um eure Hände liegt.« Feierlich giesst er nun etwas von dem Wasser über ihre verbundenen Hände und dann über ihre gesenkten Häupter. »Vor den Göttern bezeuge ich, dass ihr die rituellen Worte ausgesprochen habt und Kraft meines Amtes als Hohepriester, erkläre ich im Namen der Götter, dass sie euer Versprechen vernommen haben. Sie freuen sich darauf, zu gegebener Zeit der Vermählung ihrer beiden Kinder beizuwohnen. Nun erhebt euch.«

Die Hände noch immer miteinander verbunden, stehen Kisara und Seto langsam auf. Erst, als sie beide voreinander stehen, löst Shimon das Band um ihre Hände. »Ihr seid nun miteinander verbunden. Dieses Versprechen ist so verbindlich, wie ein Eheversprechen.« Lächelnd beobachtet er, wie sich Kisara und Seto umarmen. »Küssen erst, wenn ihr nicht mehr vor den Göttern steht«, weist er die beiden streng an und sieht dann zu Jasmin. »Bitte bringe frisches Wasser für die nächste Zeremonie.«

 

 
 

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Endlich sind sie vereint und das Ende der Geschichte naht. Nur noch 2 Kapitel warten auf euch.

 

Ich hoffe, euch hat dieses Kapitel gefallen. Eure mrs_ianto



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