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Sklave der Wüste

von

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Scarlett, die Herausforderung

Hallo zusammen

 

Bevor ich euch auf das neue Kapitel loslasse, will ich etwas loswerden. Band 7 von der Wüstensklave, zu dem diese Kapitel der Fanfiction Version gehören, ist veröffentlicht. Besser gesagt, er wird in den nächsten Tagen/Wochen bei den Händlern als E-Book und Taschenbuch erhältlich sein. Es ist der letzte Band der Geschichte!

 

Der Titel lautet:

 

Nesut-anch-Ra!

 

So, nun habe ich euch aber lange genug aufgehalten und wünsche euch viel Spass beim lesen.

 

 
 

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Scarlett, die Herausforderung

 

Reglos liegt Atemu im Bett und beobachtet den Sonnenaufgang, der sein Zimmer langsam in ein warmes Licht taucht. Seit sich seine innere Uhr auf die Ortszeit eingestellt hat, wacht er immer pünktlich mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Um den Schmerz der Sehnsucht in seinem Inneren wenigstens etwas zu lindern, drückt er sein zweites Kopfkissen an sich, bis sich der kleine Phönixanhänger spürbar in seine Haut drückt. »Sharik. Wärst du nur hier bei mir«, murmelt er erstickt. Warum nur, lässt dieser bohrende Schmerz in seiner Brust nicht endlich wenigstens ein wenig nach?

Auf einmal hält er es im Bett nicht mehr aus und schlägt die Decke zurück. Sich aufsetzend legt er das Kissen zur Seite, ehe er die Beine über die Bettkante schwingt. Noch immer ist der Boden unter seinen nackten Füssen für seinen Geschmack viel zu warm. Mit einem bedrückten Lächeln umfasst er den kleinen Phönix und hebt ihn an seine Lippen. »Wann habe ich kalte Fussböden bloss schätzen gelernt?«, raunt er mit den Lippen an dem Bernstein, der eine für ihn beruhigende Wärme ausstrahlt.

Als es an der Tür klopft, strafft er sich und steht auf. »Herein?«, ruft er laut genug, dass er gehört werden muss und tatsächlich öffnet sich die Tür und Seto tritt ein. Leicht verneigt er sich vor ihm. »Mein Pharao, ich wünsche Euch einen guten Morgen.«

Missbilligend schüttelt Atemu daraufhin den Kopf. »Guten Morgen, Seto. Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich einen Namen habe, du dich vor mir nicht verneigen und mich duzen sollst?« Trotz des Tadels ist seine Stimme nicht kalt.

»Verzeih. Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, dass ich Euch … dich so respektlos ansprechen soll. Dann soll ich noch den Sklavennamen benutzen, den Ihr … du in deinen Papieren stehen hast.«

Leise seufzt Atemu auf. »Es ist nicht respektlos, wenn du mich bei meinem Namen nennst. Es sogar äusserst wichtig, wenn unser Plan funktionieren soll. Zu schnell passieren sonst Schnitzer, die alles zunichte machen können.« Mit einem letzten Blick auf den immer heller werdenden Morgen, wendet er sich zu seinen Kleidern um und zieht sich das Schlafshirt aus. »Was machst du überhaupt schon so früh hier? Um diese Zeit bist du doch sonst noch nicht ansprechbar.« Will er neugierig wissen, während er sich die einfachen Sachen anzieht, die er sich am Abend zurechtgelegt hat.

 

»Du hast doch gesagt, dass wir uns bei Sonnenaufgang treffen sollen, da du mit mir in den Stall willst. Warum auch immer.« Verwirrt runzelt Seto die Stirn, während er seinen Cousin beobachtet, wie sich dieser Baumwollkleidung anzieht, die seines Standes absolut unwürdig ist.

 

»Ja, das habe ich gesagt, aber ehrlich gesagt habe ich nicht damit gerechnet, dich schon so früh zu sehen. Für den Stall solltest du dir jedoch schlichtere und robustere Sachen anziehen, die auch schmutzig werden dürfen.« Mit hochgezogener Augenbraue deutet er vielsagend auf die zwar schlichten, aber dennoch viel zu edlen Kleider, die Seto trägt. »Ich werde dir heute zeigen, wie du selbstständig die Pferde versorgst und das bedeutet auch, eine der Boxen auszumisten und das Pferd selbstständig zu putzen und zu satteln.«

Als er nun mit weit aufgerissenen Augen und ebenso weit offen stehendem Mund geschockt angesehen wird, kann sich Atemu nur mit Mühe ein Lachen verkneifen. »Das gehört auch dazu. Auch wenn wir mit zwei Sklaven reisen, musst du wissen, wie man ein Pferd richtig versorgt und sattelt. Schliesslich weiss im einfachen Volk wirklich jeder, wie das gemacht wird.«

In seinen Augen steht immer noch das unterdrückte Lachen, als er zu Seto tritt. »Hast du nichts aus stabiler Baumwolle oder Wolle?«

 

Abwehrend verschränkt Seto die Arme. »Doch. Anna und Kimi haben mir solche Säcke gebracht, die sie Kleidung nennen. Ich werde die sicher nicht anziehen, solange es für unseren Plan nicht erforderlich ist! Das ist meinem Stand nicht angemessen, Cousin!« Seine ganze Haltung unterstreicht seine Worte.

Wieder seufzt Atemu auf. »Immerhin hast du mich nicht wieder Pharao genannt und du hast mich in den letzten Minuten tatsächlich geduzt. Das ist schon mal ein Fortschritt. Nur solltest du wirklich die Sachen tragen, damit sich deine Haut an die gröberen Stoffe gewöhnt und du nicht immer das Bedürfnis hast, dich zu kratzen.«

Lautes Schnauben antwortet ihm. »Warum diese groben Stoffe? Ich habe doch bei dem Stoffhändler gesehen, dass dem Volk auch weiche und vor allem hochwertige Stoffe zur Verfügung stehen.« Schon beinahe trotzig verschränkt er die Arme vor der Brust und weigert sich, sich auch nur einen Millimeter von der Stelle zu bewegen.

»Seto.« Dezent genervt reibt sich Atemu den Nasenrücken. »Die Stoffe, die du meinst, können sich nur die wohlhabenderen Leute leisten oder es werden aus ihnen Kleider für besondere Anlässe geschneidert und sicher nicht für den Alltag und das, was wir vorhaben. Nicht mal Yugi hat sich aus den Stoffen, die dir vorschweben, von Aja etwas schneidern lassen. Er besitzt nur einen Anzug aus edlerem Stoff und den trägt er nur bei besonderen Anlässen und das reicht vollkommen aus.« Ernst sieht er Seto an, merkt aber schnell, dass dieser wie schon in ihrer Kindheit auf stur geschaltet hat. »Na, gut. Mach doch was du willst«, murrt er und öffnet die Tür. »Gehen wir in den Stall, bevor sie alle Boxen ausgemistet haben.« Wieder muss er sich ein Lachen verkneifen, als er die überhaupt nicht begeisterte Miene Setos sieht. Bewusst geht voran, als sie durch ihre Räumlichkeiten gehen und schliesslich in den schmucklosen Dienstbotengang treten. Anders, als die marmornen Gänge und prunkvollen Räume, die sie sonst nutzen, ist dieser Bereich des Palastes grau und nur ein paar Kritzeleien auf Kinderhöhe schmücken die Wände, an denen sie auf dem Weg zu den Ställen vorbeigehen. »Ja, das ist die Welt der Sklaven und Dienstboten. Das hier ist noch luxuriös. Du willst nicht wissen, wie die einfachen Dienstboten leben und die Sklaven haben es noch schlechter.« Atemu spricht mit leiser Stimme, als er den Blick seines Cousins bemerkt, der die Wände und zum Teil offenen Räume mustert. »Wie meinst du das?«, fragt Seto ebenso leise und bleibt schlagartig stehen. »Was ist das?«, ruft er geschockt aus, als er einen mit Strohsäcken ausgelegten Raum sieht, der bis auf einen Deckenstapel und ein paar Holztruhen ansonsten vollkommen leer ist.

»Das ist die Sklavenunterkunft. Ich habe im Palast vier solcher Räume gefunden, in denen bis zu dreissig Sklaven schlafen und leben, wenn sie nicht gerade irgendwo arbeiten.«

»Darum hast du nichts gesagt, als ich Anna befohlen habe, mit ihrem Kind in unserer Nähe zu bleiben.«

Ernst nickt Atemu. »Ja, aber ich bin erstaunt, dass du nicht wusstest, wie die Sklavenunterkünfte aussehen. Die hier sind noch luxuriös. Ich bin schlimmeres gewohnt und ehrlich gesagt war ich immer froh, wenn ich in so einem Massenlager schlafen durfte. Einzelzimmer bedeuten nämlich nur, dass du auch in deinem Zimmer nicht sicher bist.« Bei den Erinnerungen, die sich in sein Bewusstsein drängen, wird seine Miene düster. »Gehen wir weiter. Schliesslich hast du heute viel zu lernen.« Ruckartig dreht er sich um und geht so schnell weiter, dass es eher einer Flucht gleicht.

Obwohl Seto deutlich grösser als sein Cousin ist, hat er Mühe mit ihm mitzuhalten. »Warum hast du es plötzlich so eilig?« Will er atemlos wissen, als sie unter den erstaunten Blicken der anwesenden Bediensteten und Sklaven hinaus auf den Hof treten, der so schlicht gehalten ist, dass der einfache Hinterhof bei den Mutos dagegen luxuriös gewirkt hätte.

Nun muss Seto eine Vollbremsung einlegen, um nicht in Atemu reinzulaufen, der schlagartig stehen geblieben ist und tief durchatmet. »Hier ist es viel schöner als in den überladenen Räumen des Palastes«, murmelt er und zieht noch einmal tief die Luft ein, die schon hier leicht nach den Ställen duftet, die sich noch ausserhalb ihres Sichtfeldes befinden. »Komm. Gehen wir weiter«, fordert er Seto auf und läuft weiter. Einmal quer über den Hof und dann wenden sie sich nach rechts, treten durch ein Tor und schon befinden sie sich schlagartig wieder in einer anderen Welt. Wiehern, Schnauben und das Geräusch von Hufeisen auf Betonboden schlägt ihnen entgegen, was Atemu unwillkürlich lächeln lässt.

»Hier bin ich beinahe frei«, seufzt er und schliesst für einen Moment die Augen. Blendet alles aus, was nicht reinpasst und stellt sich vor, er wäre Zuhause und auf dem Weg zu Rocky und Blacky. So verharrt er einige Sekunden, ehe er sich strafft und die Augen wieder öffnet.

Unter den aufmerksamen Blicken der Stallburschen geht er, gefolgt von dem widerwilligen Seto, ins Stallgebäude, wo schon eine rege Betriebsamkeit herrscht.

Suchend sieht sich Atemu um, bis er einen älteren Mann entdeckt und auf ihn zu geht. »Guten Morgen, Covall. Da sind wir.« Er reicht dem Grauhaarigen die Hand, der den Händedruck fest erwidert. »Atemu. Ich dachte schon, dass Ihr nicht mehr kommt und wollte die drei Boxen gerade einem meiner Jungs zum Ausmisten geben.« Ein breites Grinsen entblöst einen beinahe zahnlosen Mund. »Euer Freund ist aber ziemlich fein gekleidet. Nur schon die Schuhe wird er sich ruinieren, wenn er mit ihnen die Boxen betritt.« Vielsagend blickt er auf die hellen Wildlederschuhe, die Seto trägt.

»Ich habe es ihm gesagt, dass er einfache Kleidung und Schuhe anziehen soll, aber er wollte nicht hören.« Breit grinsend zuckt Atemu die Schultern. »Nun zeig uns bitte die Boxen, die wir ausmisten sollen. Sonst sind wir morgen früh noch nicht mit ihnen fertig.«

 

Die Augen verengend, folgt Seto den beiden weiter in den Stall hinein. Auch wenn er es immer noch für einen schlechten Streich hält, den ihm Atemu und der Alte spielen wollen, sieht er doch, wie locker und gelöst sein Cousin ist, seit sie den Stall betreten haben. »Es ist, als würdest du hier in diese Welt gehören«, murmelt er vor sich hin, als sie vor einer Box stehen bleiben und Atemu auflacht, als der alte Gaul ihm durch die Haare wuschelt.

 

»Mare. Lass das!« Mit vergnügt blitzenden Augen schiebt Atemu den Kopf des grauen Wallachs zur Seite. »Sind es die Boxen der drei Senioren?« Fragend sieht er Covall an, der bestätigend nickt. »Genau. Sie sind routiniert genug, dass auch ein blutiger Anfänger sie nicht aus der Ruhe bringt und ihr habt den ganzen Tag Zeit, die Boxen auszumisten, sie zu füttern und zu putzen. Wenn sie wollen, könnt ihr die Herrschaften auch in der Halle bewegen.«

 

Unwillkürlich erstrahlt Atemus Gesicht. »Das hört sich gut an. Danke, Covall. Ich bin dir was schuldig.«

»Ach was. Ihr habt meinem Sohn geholfen. Dank Euch kann er sich wieder schmerzfrei bewegen. Das ist also das Mindeste, was ich für Euch tun kann. Auch wenn ich nicht weiss, warum Ihr das hier tun wollt.« Neugierig sieht er die beiden jungen Männer an. Als aber beide nichts sagen, zuckt er mit den Schultern und wendet sich um. »Wenn was ist, Ihr wisst, wo Ihr mich findet.« Mit diesen Worten geht er davon und kurz darauf hören sie, wie er laut jemanden zurechtweist.

 

»Besser hätte es nicht laufen können.« Immer noch grinsend blickt Atemu zu Seto. »Du bist so still? Was ist los?« Auf einmal besorgt, mustert er seinen Cousin, der den Blick mit unergründlicher Miene erwidert.

»Du hast das wirklich ernst gemeint, dass wir diese niedere Arbeit verrichten sollen?« Stellt Seto die Frage, die ihn beschäftigt, seit sie den Stall betreten haben. Die Nase rümpfend sieht er sich in dem penibel sauber geputzten Stall um.

 

Nun doch langsam genervt, seufzt Atemu zum wohl hundertsten Mal auf. »Ja, ich habe es ernst gemeint. Nun sieh und hör mir zu. Boxen richtig auszumisten ist nicht so leicht, wie du denkst.« Mit diesen Worten holt er die Schubkarre aus der Ecke und stellt sie so hin, dass er die Boxentür gerade noch so öffnen kann. Die Mistgabel, die bis jetzt in der Schubkarre gelegen hat, in die Hand nehmend, sieht er sich noch einmal um, ehe er die Tür zu Mares Box öffnet und ihn sanft, aber bestimmt zur Seite schiebt.

Routiniert befördert er die ersten Pferdeäpfel in die Mistkarre. »Wenn du falsch ausmistest, verschwendest du gutes Stroh. Das Ziel ist es, nur das nasse Stroh und die Pferdeäpfel herauszuholen. Die Box soll sauber sein, aber auch nicht zu sauber. Schliesslich soll das Pferd noch wissen, dass das sein Zuhause ist.« Während er redet, mistet Atemu routiniert weiter. Wie nebenbei, schiebt er dabei Mare zur Seite, wenn er im Weg steht. Schliesslich ist er fertig und sieht sich zufrieden die Box an. »Nun bringen wir den Mist zum Misthaufen. Normalerweise würde ich jetzt gleich die nächste Box misten, aber da du es ja lernen sollst, machen wir uns heute etwas mehr Arbeit als nötig.« Kurzerhand stellt Atemu die Mistgabel an die Wand und schiebt die gerade mal halb volle Schubkarre zum nahen Misthaufen, wo er sie in einer fliessenden Bewegung nach vorn kippt.

 

Schweigend beobachtet Seto alles und ist gelinde gesagt geschockt, mit welcher Selbstverständlichkeit sein Pharao diese niedere Arbeit verrichtet. Er folgt ihm zum Misthaufen, nur um gleich darauf loszufluchen, als er mitten in einen Pferdehaufen steht. Angewidert zieht er den Fuss zurück. «Zum Seth! Das ist doch absolut unter unserer Würde! Das ist Sklavenarbeit und der Stall ist sicher nicht der richtige Ort für uns!« Mit blitzenden Augen fixiert er Atemu, der den Blick gelassen erwidert. »Wenn du meinst. Jedoch würde nie jemand auf die Idee kommen, uns im Pferdestall zu suchen oder einen einfachen Händler zu verdächtigen, dass er eigentlich aus der Oberschicht stammt. Also stell dich nicht so an und miste Scarletts Box aus. Sie ist die Fuchsstute rechts von Mare.«

 

Seto will etwas erwidern, als ihm auch schon die leere Schubkarre in die Hand gedrückt wird. Er schluckt mit Mühe die scharfe Erwiderung hinunter, die ihm so schwer auf der Zunge liegt, dass es ihn erstaunt, dass er nicht an ihr erstickt.

Murrend schiebt er die überraschend schwere Schubkarre hinter Atemu her zurück zu den Boxen der drei Senioren.

Unter den aufmerksamen Blicken seines Cousins öffnet er Scarletts Box. »Geh zur Seite!«, befiehlt er der alten Stute, die sich jedoch keinen Millimeter von der offenen Tür wegbewegt. Als er sie mit der Mistgabel zur Seite scheuchen will, legt sie nur die Ohren an und sieht ihn offensichtlich genervt an.

 

Mit verschränkten Armen beobachtet Atemu, wie Seto sich erfolglos abmüht. »Scarlett ist noch die Einfachste von den Dreien. Wie willst du es denn schaffen, Herakles zu bewegen, wenn du nicht mal sie dazu bewegen kannst, zur Seite zu treten?«

Ruckartig dreht sich Seto zu ihm um. »Dann mach du es doch besser! Die Mähre ist sturer als ein Esel!«

 

Grinsend tritt Atemu neben ihn und hebt die Hand. Sofort tritt Scarlett schnaubend zur Seite. »Siehst du? So einfach ist es. Du musst ihr nur klar machen, dass du der Boss bist.« Vielsagend zieht er die linke Augenbraue hoch. »Man merkt, dass du dich nie für Pferde interessiert hast und das Reiten nur gelernt hast, weil du es musstest.«

 

»Halt die Klappe«, murrt Seto und beginnt mit viel zu heftigen Bewegungen die Mistgabel ungeschickt zu schwingen. Woraufhin sich die Pferdeäpfel in der halben Box verteilen, statt auf der Mistgabel zu landen. Sich vor Atemu nicht die Blösse geben wollend, unterdrückt Seto den Fluch, der ihm auf der Zunge liegt und sammelt nun deutlich langsamer die verstreuten Pferdeäpfel ein.

 

Kopfschüttelnd, geht Atemu zur dritten Box. »Du wirst wohl noch eine Weile in deiner schmutzigen Box stehen müssen«, flüstert er dem schon ergrauten Friesen zu, während er von hier aus zusieht, wie sich Seto leise fluchend und zeternd abmüht, das alte Stroh und die Pferdeäpfel irgendwie in die Schubkarre zu verfrachten.

 

Setos Hände schmerzen und er will gar nicht nachsehen, ob er schon die ersten Blasen hat. Seine Schultern brennen und sein Kreuz fühlt sich an, als würde sich ein Dolch zwischen die Wirbel bohren. Wie von Covall prophezeit, sind seine Schuhe jetzt schon ruiniert.

Nach einer ewig dauernden Stunde stützt er sich verschwitzt auf der Mistgabel ab. Sein Hemd klebt ihm unangenehm am Rücken und die Hose scheuert an viel zu empfindlichen Stellen.

»Hier, trink!« Wird er von Atemu aufgefordert, der ihm einen Becher Wasser hinhält. »Für’s erste Mal ist es gar nicht mal schlecht.« Mit aufmerksamem Blick sieht er sich in der beinahe leeren Box um. »Die Box ist sauber. Wir müssen nachher nur noch frisches Stroh verteilen.«

 

Durstig trinkt Seto. »Toll, dass ich die Aufgabe zu deiner Zufriedenheit erfüllt habe«, grollt er und drückt Atemu den leeren Becher in die Hand, bevor er die überfüllte Schubkarre aus dem Stall schiebt. Kaum ist er draussen, ertönt ein lautes Fluchen, das Atemu auflachen lässt. »Was meinst du, Scarlett? Ist ihm die Schubkarre umgekippt?«, fragt er die alte Fuchsstute, die an seinem Ärmel kaut, was er nun sanft unterbindet. »Ich bin kein Leckstein.«

Mit dem Becher in der Hand verlässt er die Box und stellt ihn auf eines der Ablagebretter, die an der Wand in unregelmässigen Abständen hängen.

Seto immer noch fluchen hörend, holt er eine ganze Schubkarre mit frischem Stroh und verteilt es in Scarletts Box. »Er hat dir das ganze Stroh rausgeholt, dabei hätten vier Mistgabeln gereicht. So ordentlich wie du immer bist«, raunt er der alten Stute zu und krault sie kurz unter der Mähne. Als er Schritte hört, dreht sich Atemu um, muss sich aber gleich wieder zu Scarlett umwenden, um nicht laut aufzulachen. In Setos Haaren hängen Strohhalme. Die Kleidung ist voller Pferdemist und stellenweise zerrissen und auch im Gesicht sind schmutzige Streifen zu sehen.

Als er glaubt, dass er sich unter Kontrolle hat, dreht er sich wieder um. »Hast du dich geprügelt? Oder im Mist gewälzt? Pferdemist ist ja schon gut, aber nur als Dünger und das bevorzugt für Rosen.« Kann er es sich nicht verkneifen zu sagen, während er Seto breit grinsend mustert.

 

Dieser verschränkt mit grimmiger Miene die Arme. »Sehr lustig. Haha. Diese verdammte Schubkarre ist mir auf den Holzplanken, die auf den Misthaufen führen, umgekippt und dabei bin ich gestolpert und in dieser ekligen Masse aus Stroh und Mist gelandet! Das ist ja lebensgefährlich, was da gebaut worden ist!« Er reibt sich mit dem Ärmel über die Wange und starrt dann angewidert auf die braunen Streifen, die sich nun auf dem hellen Stoff befinden. »Das hier ist unter meiner Würde! Ich werde den Dreck nie wieder loswerden und mich mit literweise Desinfektionsmittel waschen müssen!«

 

Nun kann sich Atemu nicht mehr zurückhalten. Er lacht schallend auf, bis ihm die Tränen aus den Augenwinkeln laufen. »Tut … mir … Leid«, japst er atemlos. »Es ist ausserdem nicht unter deiner Würde. Im Gegenteil, es ist eine wichtige Arbeit. Es tut dir gut, zu sehen, was das einfache Volk täglich machen muss, um schneller reisen zu können als nur zu Fuss.« Nun ernst tritt Atemu aus der Box und schnappt sich die Schubkarre. »Komm, ich zeige dir, wo du frisches Stroh findest, um Mares Bett frisch auslegen zu können. Ich miste für dich dafür bei Herakles aus. Dann kannst du da dann auch einfach frisches Stroh nachlegen.«

Er schnappt sich die leere Schubkarre und führt Seto ins Strohlager. »Eiserne Regel in so einem grossen Stall. Man stellt keine leeren Schubkarren zurück, sondern füllt sie am Ende für den nächsten wieder auf«, erklärt er und füllt sie mit frischem Stroh. »Man muss die gleiche Menge Stroh wieder zurück in die Box legen und dann noch etwas mehr, weil die Pferde auch gern mal Stroh fressen.« Die volle Schubkarre schiebt er zurück zu den drei Senioren und packt zwei Armvoll Stroh in Scarletts Box, ehe er bei Mare die Tür öffnet. »Jetzt du. Ich habe etwa eine halbe Schubkarre Stroh aus der Box geholt, also musst du auch so viel Stroh wieder in der Box verteilen.«

Auffordernd sieht er Seto an, bis dieser genervt seufzt und lustlos eine ganze Ladung Stroh in die Box wirft. »Zufrieden?«

 

»Nicht so ganz. Etwas mehr Sorgfalt, bitte. Du willst ja schliesslich auch, dass Anna dein Zimmer anständig aufräumt und die Decke auf deinem Bett nicht nur zusammenknautscht.« Atemu sieht Seto streng an und drückt ihm die Mistgabel in die Hand. »Verteilen! Und pass dabei auf Mares Beine auf!«

Ihm wird die Mistgabel regelrecht aus der Hand gerissen. »Zu Befehl, Pharao!«, zischt Seto gibt sich nun aber deutlich mehr Mühe, das Stroh unter den aufmerksamen Blick des alten Pferdes gleichmässig auf dem Boden zu verteilen.

Als er sich zu seinem Cousin umsieht, stellt er überrascht fest, dass Atemu in der anderen Box ist und sie ausmistet. »Dir macht das wirklich Spass«, ruft er aus, als er das leichte Lächeln auf dessen Lippen bemerkt.

Ohne innezuhalten, nickt Atemu. »Ja, es macht mir Spass. Es erinnert mich an meine tägliche Routine Zuhause. Nur leider kann ich hier die Pferde nicht einfach im Hof laufen lassen, während ich ausmiste. In den letzten Tagen war ich immer mal wieder hier und habe etwas mitgearbeitet.« Sanft krault Atemu Herakles hinter dem Ohr. »Dabei habe ich gesehen, dass Covalls Sohn Rückenprobleme hat. Ich konnte ihm gestern dann helfen und habe Covall dabei gefragt, ob wir heute drei Boxen ausmisten und uns vielleicht dabei etwas um die Pferde kümmern können. Schliesslich weiss so gut wie jeder aus dem einfachen Volk wie das geht. Also musst du das auch wissen.« Geschickt befördert er das letzte alte Stroh in die Schubkarre. »Gib Mare bitte noch zwei Armvoll Stroh und dann verteile bitte etwa eine halbe Schubkarre in Herakles Box und dann auch zwei Armvoll Stroh hier in diese Ecke. Er will immer mit dem Rücken zu den anderen beiden fressen.«

Atemu stellt die Mistgabel an ihren Platz und schiebt dann die halbvolle Schubkarre aus dem Stall.

 

Seto starrt ihm ungläubig nach. »Er hat jetzt nicht in der kurzen Zeit die Box sauber gemacht?«, ruft er aus und geht nachsehen. »Tatsächlich. Wie hat er das nur hingekriegt?« Ungläubig starrt er auf das saubere Stroh, das noch in der Box liegt.

Als Atemu mit der leeren Schubkarre wieder zurück in den Stall kommt und sie zurück an ihren Platz stellt, legt Seto gerade die letzte Portion Stroh in Herakles Box. Kopfschüttelnd beobachtet er dann den Wallach, der sich einzelne Halme aussucht und sie knirschend kaut.

»Es gibt doch so viel Besseres, als dieses Stroh. Wie kannst du das nur fressen?«

 

Schmunzelnd stellt sich Atemu neben ihn und beobachtet Herakles. »Stroh ist gut für den Magen. Es beugt Koliken vor und macht weniger dick als Heu oder Gras und putscht weniger auf als Kraftfutter.«

Mit einem sehnsüchtigen Blick beobachtet er die drei Pferde. »Komm, sie brauchen auch noch Heu«, sagt er schliesslich leise und schiebt die leere Schubkarre zurück ins Strohlager, wo er sie wieder füllt. Anschliessend geht er rüber in die Futterkammer, wo er nach einem Blick auf den Futterplan drei Heunetze nimmt. »Sie kriegen alle Heunetze. Hilf mir bitte, sie zu stopfen«, bittet er Seto leise, während er schon das Heu in das erste Netz stopft.

Eine Weile sieht Seto nur zu, aber dann greift auch er sich ein Netz und stopft Heu hinein. Schon nach kurzer Zeit stellt er fest, dass sehr befriedigend ist, das Heu hineinzustopfen und seine Bewegungen werden heftiger. Ein leises Knistern erfüllt die Luft, während sie Seite an Seite arbeiten, bis die drei Netze gefüllt sind.

»Danke. Ich weiss, ich verlange viel von dir, aber es ist leider nötig.« Atemu sieht zu Seto und nickt zufrieden. »Das ist richtig gut gestopft. Genau richtig für Scarlett. Jetzt müssen wir das Heu nur noch wässern und dann können wir sie in die Boxen hängen«, erklärt er und geht mit seinen beiden Netzen zu dem Wasserschlauch.

»Kannst du dir vorstellen, wie ungewohnt es ist, hier im Stall einfach den Wasserhahn aufdrehen zu können? Zuhause haben wir draussen nur den Brunnen, aus dem wir das Wasser von Hand hochpumpen müssen. Nur im Winter habe ich drinnen Wasser geholt, als der Brunnen durch die Kälte eingefroren war«, erzählt Atemu, während er das Heu nass macht. Sein Blick wird dabei vor Sehnsucht nach Zuhause abwesend und seine zuvor gute Laune weicht der gewohnten Traurigkeit, die inzwischen sein täglicher Begleiter ist.

 

Seto bemerkt es, wie die Stimmung kippt und legt ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter. »Ist es ein Fehler, dass wir dich zurück bringen wollen? Schliesslich ist Theben dein wahres Zuhause. Dort ist deine Schwester, willst du sie denn nicht wiedersehen?« Als er nun angesehen wird, erkennt er die Zerrissenheit in ihm

»Seto … natürlich will ich sie wiedersehen. Nur … war Theben für mich nie so sehr ein Zuhause, wie ich es im letzten Jahr gehabt habe. Ja, ich bin im Palast aufgewachsen und als ich meine Erinnerung zurückerhalten habe, wollte ein Teil von mir wieder zurück. Ich wollte meine Schwester wiedersehen. Wollte Antworten haben …« Atemu verstummt und blickt wieder auf das nasse Heu. »Doch als ihr plötzlich dagestanden habt … da wurde mir klar, dass nur mein Pflichtgefühl mich wieder zurück in den Palast drängt. Meine Schwester hätte ich in einem Jahr besuchen und dann wieder nach Hause zurück gehen können. Mein Herz ist in Domino bei Yugi geblieben.«

 

Lange schweigt Seto. Er beobachtet, wie sein Cousin das Wasser abstellt und den Schlauch wieder sorgfältig aufrollt. »Warum bist du dann mitgekommen? Warum hast du es zugelassen, dass wir unsere Beziehungen spielen lassen und dich dadurch in diese Lage bringen?« Wagt er es schliesslich zu fragen. Gleichzeitig hebt er sein nasses Netz hoch und folgt dann Atemu durch die Stallgasse und hängt das Netz in die Box von Scarlett.

 

»Weil mir nach dem Studium der Unterlagen, die Shimon mir gegeben hat, klar geworden ist, dass ich mitkommen muss, um Yugi und Grossvater zu beschützen. Ja, Grossvater würde nicht mehr eingezogen werden, aber Yugi und das würde Grossvater nicht verkraften, wenn er auch noch seinen Enkel verlieren würde. Er hat doch schon seine Tochter und seinen Schwiegersohn beerdigen müssen und zwei Ehefrauen.« Wieder verstummt Atemu und sieht schweigend zu, wie Mare die nassen Halme aus dem Netz zupft. »Kisara muss ich doch auch vor dieser Hochzeit bewahren und unser Volk muss von diesem Tyrannen befreit werden. Das schafft ihr nicht allein, wenn ihr das Vertrauen der Bevölkerung in die Nesuts nicht verlieren wollt.« Mit einem schiefen Grinsen sieht er zu Seto, der sich neben ihm an die Boxentür lehnt. »Weisst du, wahren Respekt muss man sich verdienen. Wenn du dir den Respekt erzwingen musst, dann ist er nichts wert.«

Nachdenklich beobachtet Seto Scarlett, bis er den Blick senkt. »Davon hast du bei deiner Krönungsrede gesprochen. Ich habe es damals für Unsinn gehalten, für die Worte eines Träumers. Jedoch konnte ich in den letzten Jahren beobachten, wie mein Vater immer mehr Militär aufgestellt hat. Auch, um das Volk zu unterdrücken. Am Anfang haben sie ihn respektiert, aber irgendwann haben sie angefangen, sich aufzulehnen. Ich habe es lange nicht verstanden, aber dann habe ich Flugblätter gesehen, auf denen deine Worte von der Rede standen und Forderungen, dass die Versprechen, die du ihnen damals gegeben hattest, eingehalten werden sollen. Ich fand es lächerlich und eine Frechheit. Ja, sogar anmassend, dass mein Vater die Versprechen seines Vorgängers einlösen sollte. Aber dann habe ich gesehen, wie das einfache im japanischen Grossreich lebt. Primitiv, aber doch so frei, wie es ihr Stand zulässt.«

Schweigen breitet sich zwischen ihnen aus, bis Seto zu Atemu blickt. »Du wirst ihn wiedersehen. Davon bin ich überzeugt. Ich kann dir nicht sagen, wann es sein wird, aber du wirst deinen Yugi wiedersehen. Den Menschen, der die Frechheit besitzt, dich bei deinem Namen zu nennen. Übrigens, wie hast du Covall dazu gebracht, dich bei deinem Namen zu nennen?«

 

»Ich hoffe es, Seto. Ich hoffe es so sehr, dass ich meinen Sharik wiedersehen werde«, murmelt Atemu und kann sich dann ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen. »Ganz einfach. Er weiss nicht, wer ich bin. Auch wenn vermutlich beinahe jeder der Sklaven und Bediensteten hier weiss, wer ich bin, er weiss es nicht. Und das habe ich ausgenutzt. Wenigstens etwas Gutes hat es, dass ich nie bei meinem Namen genannt worden bin. Ausser von Tante Amina. Sie hat mich bei meinem Namen genannt, wann immer wir allein gewesen sind.« Mit traurig sehnsüchtigem Blick zupft er sich einen Heuhalm vom Ärmel. »Covall weiss, dass der wahre Pharao hier im Palast ist. Doch er weiss weder, wie er aussieht, noch wie er mit Vornamen heisst und ich habe ihm einfach gesagt, dass ich Atemu heisse.«

 

Erstaunt und auch leicht geschockt starrt Seto Atemu nun an. »Dir ist aber schon klar, dass wir alle wegen mangelndem Respekt Probleme bekommen können, wenn das die falschen Leute mitkriegen, wie er oder ich dich nennen? Es sich schliesslich im Gesetz festgeschrieben, wie der Pharao genannt werden muss.«

 

»Tja, wenn ihr Probleme bekommt, sage ich einfach, dass ich es euch befohlen habe, da wir uns ja auf unsere Mission vorbereiten müssen. Schliesslich müssen wir uns daran gewöhnen, uns als Leute aus dem einfachen Volk auszugeben. Ich habe es leichter. Ich habe über sechs Jahre lang als Sklave gelebt und durch Yugi, Grossvater und unsere Freunde lernen dürfen, wie es ist als normaler Mensch zu leben. Wenn ich nämlich so zurückblicke, war ich vor meiner Versklavung auch eine Art Sklave. Ich habe in einem goldenen Käfig gelebt. War so gut wie nie ich selbst. War in meinen Pflichten, meiner Herkunft gefangen. Wenn das alles nicht passiert wäre, wäre ich inzwischen vermutlich verheiratet und hätte vermutlich schon ein Kind.« Tief atmet Atemu durch und stösst sich von der Tür ab. »Mare sollte jetzt eigentlich soweit fertig sein. Putzen wir ihn und dann zeige ich dir, was es bedeutet, ein Pferd nur mit Hilfe deiner Stimme und deiner Körpersprache zu lenken. Wenn du das kannst, dann kannst du auch überzeugend deine Meinung dem Volk gegenüber vertreten. Sie dazu bringen, dass sie dich respektieren, weil sie dir Vertrauen und dir Zutrauen, dass du auch schaffst, was du sagst.« Der Blick Setos spricht von Zweifel, der ihn doch amüsiert. Nun wieder mit einem leichten Lächeln auf den Lippen holt er Mares Putzzeug und betritt die Box. »So, alter Junge. Wir putzen dich jetzt etwas und dann gehen wir ein wenig arbeiten.« Ohne auf Seto zu achten, beginnt er den alten Wallach mit einer weichen Bürste zu putzen. Eigentlich ist es nicht nötig, da er ihn nicht reiten wird, aber er weiss, dass Mare es liebt, wenn er mit genau dieser Bürste geputzt wird und die Muskeln so ein wenig massiert werden.

Es dauert auch nicht lange, da reckt Mare vor Genuss den Kopf hoch und sein Gesicht zeigt deutlich, wie sehr er es geniesst, als er ihn an einer bestimmten Stelle an der Schulter mit der Bürste bearbeitet. »Fall mir nicht gleich ganz auseinander«, lacht Atemu auf, während er ihn nun mit der blossen Hand an genau der Stelle krault. Doch auch die schönste Krauleinheit muss mal ein Ende haben und so tauscht Atemu die Bürste gegen den Hufkratzer aus. Geduldig kratzt er einen Huf nach dem anderen aus und kontrolliert dabei auch gleich die Beine und die Hufeisen. »Alles gut«, murmelt er zufrieden und klopft leicht auf Mares Hals, bevor er mit der Putzkiste die Box verlässt. »Scarlett sollte inzwischen auch mit fressen fertig sein. Putze du sie doch, während ich Herakles striegle und dann gehen wir mit den Dreien in die Halle und lassen sie laufen.«

 

Ergeben seufzt Seto, als er Atemu in die Putzkammer folgt. »Ich frage jetzt nicht, warum ich das tun soll. Schliesslich haben wir dann Kimi und Anna dabei, um diese Arbeiten zu machen.« Murrend nimmt er die Putzkiste entgegen, die ihm resolut in die Hände gedrückt wird.

»Ich kann es dir gern noch einmal sagen, mein lieber Seto. Jeder aus dem einfachen Volk weiss, wie man mit Pferden umgeht. Also musst du das auch wissen.« Nur ganz leicht ist in Atemus Stimme zu hören, dass er nun doch langsam genervt ist. Er geht mit Herakles Putzkiste an Seto vorbei und bleibt dann auch vor ihm, während sie zurück zu den Boxen gehen. Als er die Box des alten Pferdes betritt, schüttelt er leicht den Kopf. »Du bist einfach unmöglich. Wie kannst du das Heu aus dem Netz nur in deiner ganzen Box verteilen?«, fragt er, während er die Kiste in die Ecke stellt und diesmal eine gröbere Bürste nimmt. Anders, als Mare, ist Herakles unglaublich kitzlig, wenn die Borsten zu weich sind. Mit festen Bürstenstrichen putzt Atemu das ergraute Fell. »Deine Mähne sieht wieder mal unmöglich aus«, raunt er dabei dem alten Pferd zu und nimmt nun die Mähnenbürste zur Hand. Geduldig bürstet er die Mähne, dabei die Knoten vorsichtig lösend, bis sie in weichen Wellen über dem edel geschwungenen Hals liegt.

Erst jetzt wendet er sich dem Schweif zu und seufzt auf. »Mare und Scarlett sind da schon viel ordentlicher.« Schliesslich hat er auch die Schweifhaare entwirrt und kratzt noch die Hufe aus. Zufrieden, wie Herakles nun aussieht, packt er die Putzsachen dann alle wieder ein und geht aus der Box.

Ein kurzer Blick zu Seto verrät ihm, dass dieser noch mit Scarlett beschäftigt ist und so geht er allein zur Putzkammer. Mit drei Knotenhalftern kehrt Atemu zu den Boxen zurück und sieht fragend zu seinem Cousin. »Bist du fertig?«

 

»Nein, sie gibt mir einfach nicht ihre Hufe. Wie hast du das bei den anderen beiden gemacht?« Ratlos stemmt Seto die Hände in die Seiten. Er macht sich schon darauf gefasst, dass Atemu nun wieder nur mit den Fingern schnippen muss.

 

»Man könnte meinen, du hast noch nie mit einem Pferd zu tun gehabt. Hast du denn wirklich nie mehr gemacht, als das fertig gesattelte Pferd in Empfang zu nehmen?« Will Atemu wissen, als er nun neben Scarlett etwas in die Hocke geht und mit der Hand an ihrem Bein entlang fährt und dabei mit den Fingern leichten Druck ausübt, bis sie den Huf hebt. »Hast du gesehen? So musst du das machen. Um den Befehl zu verstärken, kannst du auch noch Huf sagen.« Er lässt Scarlett den Huf wieder hinstellen. »Nun du.« Mit einem Lächeln tritt er zur Seite. Aufmerksam beobachtet er nun, wie Seto sich neben Scarlett stellt und seine Bewegungen kopiert. Es dauert eine Weile, aber dann hebt die alte Stute ihr Bein an und Seto kann den Huf auskratzen. »Super und das geht bei allen vier Beinen auf die gleiche Art«, lobt Atemu den kleinen Erfolg.

»Haha, sie macht das jetzt vermutlich nur dir zuliebe«, murrt Seto, während er nun vorsichtig den Huf auskratzt.

 

Leicht lächelnd schüttelt Atemu den Kopf. »Nein, sie tut das nicht mir zuliebe. Sie macht es, weil ihr beide jetzt die gleiche Sprache sprecht. Sie hat dich vorher schlichtweg nicht verstanden. Darum hat sie dir die Hufe nicht gegeben.«

Er lässt Seto nun machen und geht zu den anderen beiden Pferden. Routiniert zieht er ihnen die Knotenhalfter an, ehe er wieder zu Seto tritt. »Bringst du ihre Putzkiste wieder zurück, während ich ihr das Knotenhalfter anlege?«, fragt er Seto lächelnd, woraufhin dieser das Putzzeug sicher verstaut. »Natürlich. Ich bin gleich zurück.« Erleichtert, dass er nun für einen Moment seine Ruhe hat, eilt Seto mit der Putzkiste davon.

Nachdenklich blickt Atemu ihm nach. Dabei fragt er sich unwillkürlich, wann sie jemals so offen und ohne auf ihren jeweiligen Stand zu achten, miteinander umgegangen sind. Er erlaubt es sich, einen Moment schwach zu sein, indem er seine Stirn mit geschlossenen Augen an Scarletts Hals legt. Tief einatmend nimmt er den Geruch der Stute wahr. »Ich vermisse Blacky und Rocky. Sie haben mir immer geholfen, wenn es Yugi und Grossvater nicht konnten«, raunt er ihr zu. Als er Setos Schritte näherkommen hört, strafft er sich und legt ihr das Knotenhalfter an. »Nimm du sie, ich nehme Mare und Herakles«, sagt er mit überraschend fester Stimme und drückt ihm den Führstrick in die Hand.

»Natürlich, das ist ja keine Kunst«, murrt Seto und wartet darauf, dass Atemu mit den anderen beiden Pferden zu ihm tritt. »Folge mir. Aber nicht zu nah, Herakles hasst es, wenn ihm andere Pferde von hinten zu sehr auf die Pelle rücken. Er schlägt dann gern aus.« Warnt er ihn mit einem leichten Schmunzeln.

Die beiden Pferde links und rechts führend, geht er zu der grossen Halle, wo er sie dann laufen lässt. Ihr Alter Lügen straffend, galoppieren die Wallache buckelnd davon. Lachend sieht Atemu den beiden nach, ehe er sich zu Seto und Scarlett umdreht. »Lasse sie auch laufen, während wir einen kleinen Parcours für die Herrschaften aufstellen.«

 

»Einen Parcours?«, fragt Seto, während er gleichzeitig den Strick löst und sie laufen lässt. Elegant trabend, läuft sie davon, nur um sich in einigem Abstand in den Sand zu werfen und sich genüsslich zu wälzen. »Na toll! Warum habe ich dich vorher geputzt, wenn du dich jetzt wieder schmutzig machst?« Empört stemmt Seto die Hände in die Hüften, was Atemu amüsiert kichern lässt. »Sei nicht sauer. Mare und Herakles wälzen sich auch gerade. Es gibt den Spruch, dass nur ein schmutziges Pferd ein glückliches Pferd ist. Wenn du ein Pferd nicht reiten willst, musst du es eigentlich nicht putzen, aber es tut ihm gut und es schafft eine Verbindung zwischen dem Menschen und dem Pferd.« Atemu stellt sich neben Seto und beobachtet amüsiert, wie sich die Pferde austoben. »Weisst du was? Wir lassen sie einfach laufen und beobachten sie. Geniessen wir die Ruhe. Wer weiss schon, wann wir das nächste Mal die Möglichkeit dazu haben.«

Erstaunt mustert Seto seinen Cousin. »Ich dachte, ich soll lernen, wie ich mich dem Pferd gegenüber zu verhalten habe? Wie soll ich das lernen, wenn wir einfach nur dumm rumstehen?«

Grinsend deutet Atemu auf die Pferde. »Wir stehen nicht nur dumm rum. Wir beobachten und lernen von ihnen. Also sieh zu, wie sie sich verhalten. Wie sie zwar eine Hierarchie haben, diese sich aber flexibel der Situation anpasst. Je nachdem, welche Fähigkeiten gerade gefragt sind.«

 

Entspannt setzt sich Atemu an der Wand in den Sand und beobachtet die Pferde, wie sie hin und her laufen und dabei immer wieder in einen lockeren Galopp verfallen.

Seto zögert lange, aber dann setzt er sich neben ihm in den Sand. Schweigend sitzen sie nebeneinander, bis sich Atemu schliesslich erhebt und Herakles einfängt. »In der Regel sind die Stuten die Leittiere, aber Herakles hat davon noch nichts gehört und hat Scarlett als Chefin abgelöst. Besser gesagt, sie teilen sich den Job.« Mit ruhigen Bewegungen hakt er den Führstrick ein und sieht dann zu Seto, der erstaunt dasteht, als Scarlett aus freien Stücken zu ihm läuft und ihn anstupst. »Du hast dich in ihren Augen als vertrauenswürdig erwiesen und sie ist wohl der Meinung, dass du es wert bist, dass sie dir folgt. Gehe mal los und schau mal, ob sie dir nachläuft.«

Zweifelnd sieht Seto Atemu an, geht dann aber langsam los. »Sie folgt mir tatsächlich!«, ruft er aus und bleibt wieder stehen. Sofort hält auch Scarlett an und stupst ihn sanft an.

Schmunzelnd streichelt er die weichen Nüstern. »Du machst es mir so schwer und jetzt läufst du mir nach? Entscheide dich doch mal, was du möchtest«, raunt er ihr lächelnd zu, nur um gleich wieder ernst zu werden. »Ich denke, wir haben heute genug getan. Bringen wir die Pferde zurück und kehren in unsere Gemächer zurück. Ich stinke nach Pferdemist!« Resolut, aber doch vorsichtig hängt er den Führstrick an ihrem Knotenhalfter ein und geht mit ihr in Richtung Stall davon.

Ohne weiter auf Atemu zu achten, bringt er Scarlett in ihre Box und kontrolliert die Hufe, ehe er ihr das Knotenhalfter auszieht. »Danke, dass du so brav mitgemacht hast, meine Schöne«, raunt er ihr leise ins Ohr und krault sie sanft. »Endlich hat er mal wieder offen gelacht, da war es doch nur halb so schlimm, dass ich im Mist gelandet bin.«

Als Atemu zu ihm tritt, drückt er ihm das Halfter in die Hand und geht davon. Als er so allein durch die Dienstbotengänge schreitet, kann er sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. »Irgendwie war es ja ganz lustig, mal so in die niederen Gefilde abzutauchen.«

Kaum hat er seine Gemächer betreten, zieht er sich die schmutzigen Sachen aus und wirft sie in die Ecke. »Anna, lasse mir ein Bad ein!«, ruft er befehlend, woraufhin sie aus dem Gemeinschaftsbereich, der pharaonischen Gemächer tritt. »Natürlich, habt ihr noch einen weiteren Wunsch?« Möchte sie mit gesenktem Blick wissen, um Seto in seiner Nacktheit nicht ansehen zu müssen.

Auf diese Frage hin runzelt Seto die Stirn. »Natürlich! Kümmere dich danach um diese schmutzigen Lumpen. Sie müssen gewaschen und repariert werden!«

Erleichtert, nickt Anna mit weiterhin gesenktem Blick. »Zu Befehl, Meister Seto.« Mit diesen Worten eilt sie in das luxuriöse Badezimmer und lässt das Wasser in die Wanne laufen. Inzwischen weiss sie, welche Badezusätze ihr Meister bevorzugt. Sorgfältig gibt sie die richtige Menge des angenehm nach Sandelholz duftenden Badesalzes ins Wasser. Dabei überprüft sie auch gleich die Temperatur und korrigiert sie sofort, indem sie das heisse Wasser etwas mehr aufdreht.

»Bist du fertig?« Ertönt Setos Stimme hinter ihr. Erschrocken richtet sie sich auf und wirbelt herum. »Ja, Meister Seto. Euer Bad ist fertig«, murmelt sie und dreht das Wasser ab.

»Sehr gut. Dann kümmere dich jetzt um meine Sachen.« Mit einem leichten Lächeln geht er an ihr vorbei. Elegant steigt er in Wanne und lässt sich mit geschlossenen Augen seufzend in das heisse Wasser sinken. »Wie immer perfekt. Du hast schnell gelernt, wie ich mein Bad bevorzuge, Anna.«

Daraufhin verneigt sie sich respektvoll, ehe sie aus dem Badezimmer eilt und die schmutzigen Sachen zusammensucht.

Mit dem Kleiderbündel verlässt sie die Gemächer in Richtung der Waschküche. Dort trifft sie auf Kimi, der sie mit hochroten Wangen scheu lächelnd ansieht. »Musst du auch die Stallklamotten waschen? Soll ich das für dich übernehmen?«

Anna schüttelt lächelnd den Kopf. »Das ist sehr lieb von dir, aber es ist nicht nötig. Dank dieser Waschmaschine von den Magi geht das Waschen doch ganz leicht.«

 

Unterdessen liegt auch Atemu in der Wanne. Mit geschlossenen Augen geniesst er das warme Wasser und lässt den Vormittag Revue passieren. Er ist im Großen und Ganzen ganz zufrieden damit, wie es gelaufen ist, auch wenn er sich die Zeit im Stall anders vorgestellt hatte.

 

 
 

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So, das war es jetzt auch schon wieder. Ich hoffe euch hat dieser kleine Ausflug in den Stall des Kaisers gefallen.

Wir lesen uns nächsten Samstag wieder.

 

Eure mrs_ianto



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