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Sklave der Wüste

von

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Es schneit

Hallo zusammen,

 

ja ich weiss, das letzte Kapitel ist schon wieder viel zu lange her, aber irgendwie wollte sich dieses Kapitel nicht so schreiben lassen, wie ich es wollte.

 

Damit ihr einen kleinen Überblick habt, wie lange die Geschichte in Taschenbüchern mit je über 320 Seiten schon ist, das ist in der Buchvariante das erste Kapitel des sage und schreibe 6. Bandes.

 

So, nun habe ich aber genug gelabert und wünsche euch viel Spass mit dem neuen Kapitel.

 

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Es schneit

 

 

Müde reibt sich Atemu nach der Morgenfütterung mit dem Handrücken über die Augen. Ein Gähnen unterdrückend, lehnt er an Blackys Boxentür und blickt nach draussen in das Schneetreiben, das seit zwei Tagen Domino mit einer weissen Schicht überdeckt. Nur schon bei dem Anblick wird ihm trotz der warmen Wolljacke kalt und er schlingt fröstelnd die Arme um sich. Nach einem Blick auf die zufrieden mampfenden Pferde, schlägt er den Kragen der Jacke hoch und eilt über den Hofplatz zur Hintertür. Kaum ist er im Haus, zieht er sich die Jacke aus und hängt sie an den Kleiderständer, der seit einigen Tagen extra für die nassen Jacken im Flur steht. Eilig wäscht er sich die Hände, bevor er in die herrlich warme Küche geht, wo Sugoroku am Herd steht und Gemüse in einen grossen Topf gibt. »Guten Morgen, Atemu. Wie geht es denn unseren beiden Rackern?« Sich von dem Herd abwendend, sieht er ihn aufmerksam an. »Du siehst müde aus. Was ist denn los?« Besorgt legt Sugoroku seine Hand auf die Stirn seines Enkels. »Nein, Fieber hast du keines.«

 

Leicht lächelnd schüttelt Atemu den Kopf. »Guten Morgen, Grossvater«, erwidert er leise und senkt den Blick. »Es ist nichts. Ich frage mich nur, wann wir endlich etwas von Hopkins hören werden. Immerhin haben wir schon Dezember. Er müsste doch schon längst im ägyptischen Grossreich angekommen sein.«

»Ach, Junge«, seufzt Sugoroku auf. »Wir werden noch eine ganze Weile nichts von ihm hören. Normalerweise fährt er über die Feiertage und den Jahreswechsel nach Hause zu seiner Familie und selbst wenn er seine Pläne geändert haben sollte, musst du immer dran denken, dass der Brief genauso lange zu uns braucht, wie Hopkins für die Strecke gebraucht hat. Wir werden also frühestens im Januar etwas von ihm hören.«

Geschockt sieht Atemu seinen Grossvater an. »Was? Wie …?« Die Fragen nicht zu Ende stellend, hebt er die Hand. »Nein, sag es mir nicht. Ich verstehe schon, was du meinst.« Sich auf die Lippen beissend, sieht er zur Seite. Hebt jedoch sofort wieder den Blick, als er das Husten hört. »Das hört sich nicht gut an. Hast du dein Asthmaspray bei dir?«

Ausser Atem winkt Sugoroku ab. »Ach was. Ich habe nur einen trockenen Hals und ja, ich habe ihn bei mir in der Hosentasche.« Mit einem schiefen Grinsen greift in seine Tasche und holt das Medikament hervor. Mit einem tiefen Atemzug verabreicht er sich eine Dosis. »Sag es nicht Yugi. Er macht sich doch sonst nur unnötige Sorgen.«

Nur widerwillig nickt Atemu. Er will noch etwas sagen, jedoch kommt gerade Yugi fröstelnd in die Küche. »Guten Morgen. Also eins ist klar, wir müssen nun wirklich anfangen, den Laden zu heizen. Dort drin ist es eiskalt.« Den verwirrten Blick Atemus erwidernd, grinst Yugi schief. »Ja, ich bin schon wach und ansprechbar. Bei der Kälte da drüben, ist das auch kein Wunder.« Seinem Liebsten einen Kuss auf die Lippen hauchend, geht er an ihm vorbei zum Herd, wo er die Hände über den heissen Herdplatten aneinander reibt, um sie wieder warm zu bekommen.

Kopfschüttelnd beobachtet Atemu seinen Sharik. »Warum hast du nicht schon vorher angefangen den Laden zusätzlich zu heizen? Es war doch vollkommen klar, dass es nun mit jedem Tag kälter wird. Jetzt dauert es doch nur noch länger, bis es da drin wieder anständig warm ist.«

Ertappt zuckt Yugi zusammen. »Ähm, ja … ähm …«, stottert er los, was Sugoroku laut auflachen lässt. »Jetzt hast du ihn erwischt. Er verschläft es nämlich jedes Jahr, den Ofen im Laden rechtzeitig anzuheizen. Der Winter kommt ja auch immer so überraschend.«

»Haha, sehr witzig.« Yugi dreht sich grummelnd um und nimmt auch gleich den Teekrug vom Herd. »Will sonst noch jemand Tee? Wenn ich schon dabei bin.« Sofort hält Atemu ihm seine Tasse hin. »Da kann ich ja schlecht Nein sagen.« Er zwinkert seinem Sharik verschmitzt grinsend zu. »Ja, wie könntest du nur«, erwidert Yugi grinsend und giesst seinem Liebsten den heissen Schwarztee ein.

 

Unterdessen hat Sugoroku nun auch das Suppenhuhn in den Topf getan und legt jetzt noch einmal Holz nach. »Habt ihr beiden im Schlafzimmer eigentlich noch warm genug oder braucht ihr noch eine zusätzliche Decke?« Fragend blickt er zu den beiden, die sich kurz ansehen. »Wir haben noch warm genug und sonst nehmen wir einfach noch die Decke aus Atemus Zimmer«, antwortet Yugi nach einem Moment, mit doch leicht geröteten Wangen. Ist ihm doch gerade durch den Kopf gegangen, wie heiss es ihm in der letzten Nacht gewesen ist.

»Verstehe schon …« Sugoroku richtet sich lachend auf und setzt sich an den Tisch. »So schnell wird euch beiden wohl nicht kalt werden.« Er kann es sich einfach nicht verkneifen, seinen Enkel noch ein wenig zu necken.

Auch Atemu kann sich nur mit Mühe ein breites Grinsen verkneifen, als er sieht, wie Yugi noch mehr Farbe bekommt, sodass er immer mehr einer reifen Tomate gleicht.

»Du bist doch nur neidisch, dass wir es so herrlich warm haben.« Erbarmt er sich schliesslich und kommt so seinen Sharik zur Hilfe, der nun erstaunt zu seinem Grossvater blickt, der sich wohl an seinem Tee verschluckt haben muss.

Hustend hält sich Sugoroku die Hand vor den Mund. »Touché, mein Junge. Mit so einer Antwort habe ich jetzt wirklich nicht gerechnet«, keucht er schliesslich und trinkt einen weiteren Schluck.

»Ich glaube, ich gehe heute doch nicht zu Anzu, um die neuen Leinentücher zu holen. So wie du dich gerade anhörst, solltest du dich schonen, Grossvater.« Yugi mustert den alten Mann besorgt, der die Tasse wieder auf den Tisch stellt und den Kopf schüttelt. »Geh nur zur Masaki. Immerhin hast du es mit ihr so abgemacht, dass du die Ballen heute holst. Ausserdem geht es mir gut, ich habe mich nur gründlich verschluckt. Das ist alles.«

Nach einem Blick zu Atemu, nickt Yugi widerstrebend. »Na gut. Aber ich gehe erst heute Nachmittag und auch nur, wenn es ruhig ist und du nicht wieder so hustest. Denk dran, das Letzte, was du gebrauchen kannst, ist eine Erkältung.« Er sieht Sugoroku streng an, der mit einem schiefen Grinsen die Hand hebt. »Wie du willst. Aber du machst dir wirklich vollkommen umsonst Sorgen und jetzt sollten wir wirklich langsam frühstücken. Die Tage sind schon kurz genug, da solltest du nicht mehr Tageslicht als nötig verschwenden.«

Verwirrt runzelt Atemu die Stirn. »Wie meinst du das, Grossvater? Der Laden kann doch durch Öllampen beleuchtet werden.«

»Ja, schon. Doch die Leute halten sich bei ihren Einkäufen bei uns ans Tageslicht. Sobald es draussen dunkel wird, können wir den Laden schliessen, da eh keiner mehr kommt. Genauso am Morgen. Vor Sonnenaufgang kommt eh keiner in den Laden, der es nicht unbedingt muss«, erklärt Sugoroku mit einem Fingerzeig zum Fenster.

»Genau. Und darum gehe ich jetzt den Laden öffnen.« Yugi steht mit einem Brötchen in der Hand auf und leert hastig seine Tasse, ehe er kauend aus der Küche eilt.

»Ähm, was war jetzt das?«, fragend sieht Atemu zu Sugoroku, der breit grinst. »Yugi wird jetzt den Ofen im Laden anfeuern und dabei sein Brötchen essen, damit er dann gleich öffnen kann. Er hat ein bisschen zu lange hier bei uns rumgetrödelt. Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Je kürzer die Tage werden, desto kürzer wird er mit uns am Tisch sitzen.«

»Verstehe«, murmelt Atemu mit einem leichten Stich im Herzen. Ihm gefällt nicht, was ihm Sugoroku gerade erzählt hat.

 

Nach dem Frühstück hilft er Sugoroku beim Aufräumen der Küche und schnappt sich dann den Wassereimer und den Schrubber. »Ich werde heute den Flur oben und hier unten putzen. Du hast Yugi schliesslich gehört.« Mit diesen Worten eilt Atemu aus der Küche und geht direkt nach oben.

Vollkommen überrascht sieht Sugoroku ihm nach und seufzt leise auf. »Ich bin doch noch kein alter Tattergreis. Aber trotzdem, danke«, murmelt er, obwohl er gar nicht mehr gehört werden kann und schiebt noch ein paar Scheite in den Ofen.

 

In der ersten Etage wischt Atemu fleissig den Boden. Obwohl er die Arbeit nur sehr selten macht, geht sie ihm leicht von der Hand und irgendwie wirkt sie auf ihn auch entspannend. Als er an der offenen Wohnzimmertür vorbeikommt, fällt sein Blick auf das Fenster und den Schnee, der sich langsam auf der Fensterbank ansammelt. »Na toll, dann weiss ich ja, was ich nachher im Hinterhof noch zu machen habe.« Vor sich hin grummelnd wischt er weiter den Boden, bis er die Treppe erreicht hat und sich beim Runtergehen auch gleich um die Stufen kümmert.

Als er unten angekommen ist, holt er frisches Wasser aus der Küche, ehe er hier unten nicht nur den Flur, sondern auch um den Boden im Lager schrubbt.

Endlich hat er es geschafft und die alten Dielen blitzen nur so vor Sauberkeit. Erleichtert bringt er den Eimer und den Schrubber zurück in die Küche, wo ihm alles von Sugoroku abgenommen wird. »Na los, geh schon raus. Die beiden Racker warten sicher schon ungeduldig auf dich.« Mit einem schiefen Grinsen erwidert Atemu den Blick seines Grossvaters. »Bestimmt. Die wollen raus in den Schnee und ihn so richtig schön festtrampeln, damit ich ihn kaum noch vom Boden wegwischen kann. Sag mal, wie macht ihr das eigentlich, wenn es glatt wird? Nehmt ihr Asche oder Salz?«

Lachend deutet Sugoroku auf den Ascheeimer. »Wir nehmen die gute alte Asche dafür. Ich weiss, dass die reicheren Familien Salz nutzen und der Winzer nimmt sogar die getrockneten Reste von den Trauben.«

Nachdenklich sieht Atemu zu dem Ascheeimer. »Ja, meine vorherigen Besitzer haben uns immer Salz streuen lassen. Natürlich nur auf den Wegen, die sie benutzt haben, wir Sklaven und die Diener mussten rumrutschen oder eben mit Asche die wichtigsten Pfade streuen, wenn wir bei Schnee und Glatteis rausgehen mussten. Aber wird der Flur dann nicht extrem schnell schmutzig?«

»Ja, darum müssen wir im Winter noch genauer darauf achten, dass wir, wenn möglich überhaupt nicht mit den Schuhen ins Haus kommen. Egal, wie eilig wir es haben.«

 

Atemu hat aufmerksam zugehört. »Alles klar. Dann werde ich meine Hausschuhe noch näher an die Hintertür stellen. Also dann. Ich bin dann draussen und kümmere mich um die sicher schon halb verhungerten Pferde.« Sugoroku zuzwinkernd verlässt er die Küche.

 

Draussen wird er wirklich schon mit einem ungeduldigen Schnauben begrüsst, als er durch das Schneetreiben erst zum Tor eilt und dieses mit den Seilen blockiert, ehe er zum Stall geht. «Ja, ihr kommt ja gleich raus«, ruft er den beiden zu und holt die Heunetze aus dem Lager. Die Boxentüren bewusst offen stehen lassend, hängt er die Netze in die Boxen. »Na, der Hunger ist ja wirklich extrem gross.« Kopfschüttelnd beobachtet Atemu Rocky und Blacky, die das Heu in den Boxen ignorieren und lieber verspielt durch den Schnee traben und sich genüsslich wälzen. »Immerhin kann ich jetzt in aller Ruhe ausmisten.«

 

Irgendwann wird es auch den beiden Pferden zu langweilig oder der Hunger wird grösser als er Schneespass. Auf jeden Fall traben sie zurück in ihre Boxen und fangen an zu fressen.

Seufzend betrachtet sich Atemu nun den Hinterhof und holt die Schneeschippe. Je länger er den Schnee zusammenschiebt, desto wärmer wird ihm, sodass er nach einiger Zeit sogar die Knöpfe seiner Jacke öffnet.

Erleichtert stellt er nach getaner Arbeit fest, dass er noch keine Asche streuen muss und bringt die Schneeschippe zurück in die Sattelkammer, wo er sie seit dem Beginn des Schneefalls aufbewahrt.

 

Mit der Putzkiste geht Atemu zurück zu den Pferden und beginnt sie zu putzen, als er plötzlich eine gereizte Frauenstimme hört. »Wer hat denn hier das Tor mit Seilen versperrt? Das geht ja mal gar nicht! Also nein auch!« Fluchend hängt Anzu die Seile aus und lässt sie achtlos auf den Boden fallen, ehe sie sich in dem frisch geräumten Hinterhof umsieht. Gefolgt von ihrer schwer bepackten Sklavin, steuert sie zielstrebig die Hintertür an und stösst sie, ohne anzuklopfen, auf. »Herr Muto? Yugi? Ich bringe die bestellten Leinenballen«, ruft sie laut, während sie mit ihren nassen Schuhen und dem mit Schnee bedeckten Mantel einfach durch den frisch geputzten Flur geht. Auf halbem Weg kommt ihr Sugoroku aus der Küche entgegen. » Guten Morgen, Frau Masaki. Sie hätten uns die Stoffballen doch nicht selbst bringen müssen. Yugi wollte heute Nachmittag bei Ihnen vorbeischauen.«

»Guten Morgen, Herr Muto. Ach, ich habe sowieso gerade in der Gegend zu tun. Da macht es ja keine Umstände, die Ballen gleich mitzubringen. Ausserdem wollte ich mir mal diese neuen Stoffe ansehen, die inzwischen in der Stadt in aller Munde sind.« Sie sieht den alten Mann lächelnd an, runzelt aber die unwillkürlich die Stirn, als sie ein empörtes Schnauben hört.

»Miss, wir haben den Boden frisch geputzt. Ist es etwa zu viel verlangt, dass Sie sich die Schuhe zumindest abklopfen, wenn Sie sie schon nicht ausziehen?« Tadelnd sieht Atemu Anzu an, als er auf sie zu geht. Trotz des Sklavenhalsbandes ist seine Ausstrahlung eindeutig, was sie unwillkürlich einen Schritt zurücktreten lässt, ehe sie sich wieder fängt. »Sei nicht so frech, Sklave. Dann putzt du den Boden eben noch einmal. Das ist schliesslich deine Arbeit«, weist sie Atemu spitz zurecht und blickt dann zum alten Muto. »Sie sollten ihren Sklaven eindeutig besser erziehen. Er ist viel zu respektlos und muss dringend lernen, sein freches Mundwerk im Zaum zu halten.«

Nur mit Mühe kann sich Sugoroku ein breites Grinsen verkneifen. »Tut mir leid, aber Yami hat im Prinzip recht. Ausserdem ist es meine Aufgabe, den Boden hier zu putzen. Er ist für den Stall zuständig und hilft Yugi im Laden. Sie haben also jetzt mir zusätzliche Arbeit aufgehalst, Frau Masaki.«

Empört, schnappt Anzu unwillkürlich nach Luft. »Wie auch immer. Sie können ja dem Sklaven die Aufgabe geben, dass er den Boden putzt. Das ist ja schliesslich nicht mein Problem.« Ohne den Alten und den Sklaven noch weiter zu beachten, wendet sie sich um und stolziert weiter in Richtung Laden. Gefolgt von ihrer Sklavin, die den Blick demütig gesenkt hält, aber dennoch können die beiden Männer das amüsierte und eindeutig schadenfreudige Lächeln sehen.

Als die beiden Frauen verschwunden sind, blickt Sugoroku den Kopf schüttelnd zu Atemu. »Reisse dich das nächste Mal bitte etwas mehr zusammen. Die Masaki ist zum Glück relativ harmlos, aber wir wollen es doch nicht zu sehr herausfordern.«

Schnaubend verschränkt Atemu die Arme. »Warum sollte ich. Ihr bricht doch kein Zacken aus der Krone, wenn sie sich die Schuhe auszieht oder sie und den Mantel zumindest vom Schnee befreit.«

»Ach, Atemu. Sie war schon immer so. Also ärgere dich nicht zu sehr über sie.«

 

Von dem Gespräch bekommt Anzu zum Glück nichts mit, weil sie versonnen Yugi beobachtet, während dieser eine Kundin bedient. Als sie endlich allein im Laden sind, räuspert sie sich und tritt lächelnd auf Yugi zu. »Yugi, mein Lieber, wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen. Wie geht es dir denn?«

Das Lächeln erwidernd reicht Yugi ihr die Hand. »Hallo, Anzu. Ja, es ist wirklich vier Wochen her, dass ich bei dir gewesen bin, um neues Leinen zu bestellen. Aber sag mal, was verschlägt dich denn hierher? Wir hatten doch damals ausgemacht, dass ich heute zu dir komme und die Leinenballen abhole.«

Mit einer Handbewegung befiehlt Anzu ihrer Sklavin, dass sie die Ballen auf den Tresen legen soll, während sie sich weiter auf Yugi konzentriert. »Ach, ich war sowieso gerade in der Gegend unterwegs und es macht mir ja keine Mühe, die Ballen gleich mitzunehmen. Ausserdem wollte ich mir deine neuen Stoffe mal ansehen, die du aus Edo mitgebracht hast. Vielleicht kann ich sie ja nachweben.«

 

Yugi blickt zu der Sklavin, die offensichtlich erschöpft ist und sich jetzt unauffällig in die Nähe des Ofens stellt. »Verstehe, dann zeige ich dir doch am besten gleich einen der Ballen, den ich gerade wieder wegräumen wollte«, schlägt er vor und zeigt zu dem Ballen, der neben dem Leinen liegt. Sofort richtet Anzu ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Stoff und untersucht ihn gründlich. »Das ist wirklich eine sehr gute Arbeit. Da war ein wahrer Meister am Werk.« Mit leuchtenden Augen streichelt sie den Stoff.

 

Den Moment nutzt Yugi, um der durchgefrorenen Sklavin unauffällig einen Becher von seinem noch warmen Tee zu geben. »Hier, trink den Tee. Er wärmt dich auch ein wenig von innen«, flüstert er ihr zu und stellt sich dann wieder neben Anzu. »Oh ja, ich bin auch wirklich froh, dass ich ihn auf dem Markt entdeckt habe. Allerdings ist es wohl schwer, ihn gut zu verarbeiten. May meinte, dass sie wohl eine der wenigen ist, die mit dem Stoff klarkommen«, erzählt er ihr freundlich, aber auch leicht distanziert.

»Das glaube ich ihr sofort. Aber jetzt mal etwas anderes. Hast du dich endlich dazu entschieden, zu heiraten? So langsam wird es nämlich schon Zeit, dass du unter die Haube kommst und für einen Nachfolger sorgst.« Mit einem vielsagenden Blick sieht sie Yugi an. Der seufzt jedoch nur und schüttelt den Kopf. »Anzu, was soll das? Du weisst doch genau, dass ich mich nicht für dich interessiere. Du bist eine nette Frau, aber schlag mich dir aus dem Kopf. Das habe ich dir schon damals in der Schule gesagt.«

»Aber, Yugi. Wir würden doch wunderbar zusammenpassen. Nur schon wegen unseren Geschäften. Ich webe die Stoffe und du verkaufst sie und wenn wir heiraten würden, dann würde es direkt in der Familie bleiben.«

»Anzu! Ich habe Nein gesagt. Ich bin nicht interessiert.« Nun nicht mehr ganz so freundlich, sondern eindeutig genervt, greift er in die Kasse und nimmt die schon zuvor abgemachten vierzig Silbermünzen heraus und reicht sie ihr. »Hier, deine Bezahlung. Ich danke dir, dass du die Ballen vorbeigebracht hast.«

Nun eindeutig verstimmt, nimmt Anzu die Münzen und steckt sie in ihren Beutel. »Danke. Dann würde ich sagen, bis zum nächsten Mal.«

Mit einer energischen Handbewegung befiehlt sie ihrer Sklavin, ihr die Tür zu öffnen und stolziert dann ohne ein weiteres Wort aus dem Laden. Dass sie dabei beinahe einen Kunden über den Haufen rennt, ist ihr egal.

 

Tief durchatmend, um sich wieder ein wenig zu beruhigen, tritt Yugi auf den Kunden zu und begrüsst ihn freundlich, während Atemu unauffällig durch die Hintertür reinkommt und ein paar Holzscheite neben dem Ofen in den Korb legt. Kurz nicken sie sich zu, ehe er die schweren Leinenballen nimmt und ins Lager trägt, wo er sie auf den Schreibtisch legt.

Kopfschüttelnd streckt Atemu den Rücken durch, als Sugoroku reinkommt und breit grinst. »So, wie ich das mitbekommen habe, hat die Masaki von Yugi mal wieder eine Abfuhr bekommen.«

Die Stirn runzelnd wickelt Atemu die Leinenballen aus. »Wie meinst du das? Ist sie etwa hinter ihm her?«, fragt er und sieht hoch. »Ach ja, könntest du mir sagen, in welches der Leinenfächer diese Ballen kommen müssen?«

 

»Die Ballen kommen in dieses Fach hier und ja, sie ist schon seit der achten Klasse hinter Yugi her und genauso lange weist er sie auch ab. Aber sie hat sich einfach in den Kopf gesetzt, dass sie als Weberin und er als Stoffhändler perfekt zusammenpassen würden und soviel ich weiss, versucht sie jedes Mal, wenn sie aufeinander treffen, ihn davon zu überzeugen.«

 

»Warum kauft er dann immer noch bei ihr ein? Ausserdem scheint er ja nur das Leinen bei ihr zu kaufen. Hat sie keine anderen Stoffe?« Möchte Atemu missbilligend wissen, als er die Ballen wegräumt und das Leinen, in das sie eingewickelt waren, zum Trocknen auf einer extra gespannten Wäscheleine aufhängt.

Tief seufzt Sugoroku auf und setzt sich hin. »Yugi kauft nur das Leinen bei ihr, weil die anderen Stoffe nicht seinen Qualitätsanforderungen entsprechen. Dafür ist sie günstig, für diese vier Ballen hat er nur vierzig Silbermünzen bezahlt. Dafür ist der Stoff auch nur zum Verpacken gut genug oder eben halt für die Leute, die sich nichts Besseres leisten können und für Sklaventuniken. Zudem akzeptiert sie ohne nachzufragen, dass er ab Herbst dickeres Leinen haben will als im Frühling oder Sommer.«

 

»Verstehe«, murmelt Atemu und sieht zu dem alten Mann. »Du siehst müde aus. Ruhe dich aus. Ich putze gleich den Flur noch einmal und wische auch gleich die Spuren im Laden weg, wenn ich schon dabei bin.«

 

Dankbar erwidert Sugoroku den Blick. »Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Der erste Schnee macht mir jedes Jahr zu schaffen. Das ist ganz normal. Dennoch danke, mein Junge.«

»Du musst dich ganz sicher nicht bei mir bedanken, Grossvater. Das ist doch selbstverständlich, dass ich dir helfe, so gut ich kann.«

Atemu trägt die neuen Ballen noch schnell in der Tafel ein, ehe er raus geht und sich heute zum zweiten Mal den Flur vornimmt.

Als er auch im Laden die letzten Fusspuren beseitigt und diesmal das Putzwasser im Bad ausgeleert hat, kommt Sugoroku auf ihn zu und hält ihm ein Stück Apfelkuchen hin. »Hier, frisch aus dem Ofen und mit wirklich süssen Äpfeln gebacken.« Schmunzelnd beobachtet der alte Mann, wie Atemus Augen anfangen zu leuchten, als dieser den Teller mit dem Kuchenstück entgegennimmt und genüsslich ein Stück abbeisst. »Der ist ja lecker. Danke, aber gibt es nicht gleich Mittagessen?« Die Stirn leicht runzelnd reckt er den Hals, um einen Blick in die Küche werfen zu können.

»Doch, aber ich dachte, dass ich dir ausnahmsweise den Nachtisch als Vorspeise gebe, wenn du dank der Masaki den Boden schon zwei Mal putzen darfst.« Den Wischmopp und den Eimer nehmend, zwinkert Sugoroku seinem Enkel zu. »Ich räume dafür dein Putzzeug weg. Ich nehme mal an, dass du vor dem Essen noch einmal in den Stall gehen willst?«

Schon in die Küche gehend, nickt Atemu. »Ja, ich wusste ja nicht, dass ich für den Boden so lange brauche und habe ihnen ihr Mittagessen noch nicht gegeben.« Den leeren Teller in die Spüle legend, blickt er nachdenklich vor sich hin. »Ich werde mich in Zukunft noch mehr zusammenreissen müssen«, murmelt er vor sich hin und greift nach einem Becher. Er trinkt noch schnell einen Schluck Wasser, ehe er an Sugoroku vorbei wieder raus in den Flur geht, wo er sich hastig die Schuhe anzieht und nach draussen in das Schneetreiben geht.

 

Den Kopf schüttelnd sieht Sugoroku ihm nach. »Glaubst du denn wirklich, dass du das schaffen wirst? Du bist viel zu sehr wieder du selbst.« Obwohl er weiss, dass Atemu ihn natürlich nicht hören kann, spricht er seine Gedanken aus, ehe er das Putzzeug wegräumt und sich wieder der beinahe fertigen Suppe widmet.

Kurz darauf kommt Yugi in die Küche und nimmt sich seufzend eine Tasse Tee. »Anzu nervt mit jedem Jahr mehr. Wann kapiert sie endlich, dass ich nicht an ihr interessiert bin?«

Voller Mitgefühl sieht Sugoroku ihn an. »Wenn du verheiratet bist. Es sei denn, du sagst ihr, dass du auf Männer stehst.«

»Auf gar keinen Fall! Dann schleppt die mir noch Psychomagi oder Wunderheiler her, damit die mich von meiner angeblichen Krankheit des Schwulseins heilen! Du weisst ja, wie sie drauf ist …« Yugi fährt sich mit einer Hand durch die Haare. »Und das letzte Mal, als ich deswegen mit den Typen zu tun hatte, das hat mir wirklich gereicht.«

 

»Ja, das war wirklich nicht schön. Zum Glück hat May damals spontan die richtige Idee gehabt und sich als deine Geliebte ausgegeben.« Mit einem Schaudern erinnert sich auch Sugoroku daran zurück, als Yugi nicht nur seinen Liebeskummer verarbeiten, sondern dank des Geredes der Leute auch noch beweisen musste, dass er so wie alle normalen Männer ist … »Lass uns nicht mehr dran denken.«

»Woran wollt ihr nicht mehr denken?«, fragt Atemu, als er in die Küche kommt, da er nur den letzten Satz mitbekommen hat.

»Ach, nur an eine alte Geschichte, die sich nach meiner Trennung mit Linus zugetragen hat. Es ist nicht wichtig. Anzu hat mich nur daran erinnert.« Yugi lächelt seinen Liebsten voller Liebe an, als er auf ihn zutritt und ihm einen Kuss auf die Lippen haucht. »Danke, fürs Holz bringen.«

 

Atemu erwidert den Kuss und nickt leicht. »Okay und du musst dich nicht bedanken. Aber lass uns essen, bevor die Suppe kalt wird«, raunt er seinem Sharik zu und deutet auf den Tisch, wo Sugoroku schon ihre Suppenschalen füllt.

 

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So, das war es auch schon. Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und ja ich weiss, Anzu nervt auch in dieser Geschichte, aber irgendwie wollte sie nicht netter sein.

 

Eure mrs_ianto

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Usaria
2019-12-26T18:51:50+00:00 26.12.2019 19:51
Hallo Jessya

Wieder ein tolles Kapitel. Ich habe es mir gestern schon durch gelesen, doch ich konnte keinen Kommi schreiben weil ich nicht rein gekommen bin. Ja das es Atem zu kalt ist kann ich mir vorstellen, auch nach 5 Jahren hat er sich noch nicht wirklich an die Kälte in Japan gewöhnt.
So ist das also, wenn Männer sich zu ihrer Homosexualität bekennen dann verfrachtet man sie in die Psychatrie. Da kann ich nur den Kopf schütteln.
Schade finde ich es dass es Yugi Atemu nicht erzählt hat, was damals gewesen ist. Schadeee.
Und wie immer nervt Tea/Anzu. Wirklich nur wie will er sie jetzt los werden? Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel. Schön wäre es wenn es wieder jeden Sonntag kommen würde, das war totall toll. Es ist zu einem richtigen Ritual geworden, frühstücken, Kaffeetasse geschnappt und dann deine FF gelesen.
Ich wünsche dir noch einen guten Rutsch und das du nächstes Jahr genauso erfolgreich weiter machst wie die letzten Jahre.
Gruß Sabrina
Antwort von:  mrs_ianto
26.12.2019 19:57
Hallo, Sabrina

Danke für dein Review. Ich denke mal, dass Yugi es einfach vergessen wollte, was damals nach dem Streit mit Linus noch so passiert ist.
Ich denke, da er Anzu schon so lange von sich fernhält, wird ihm das auch in Zukunft gelingen. Sie versucht es ja nicht erst seit gestern, bei ihm zu landen.

Ob das mit jedem Sonntag wieder klappen wird, das weiss ich noch nicht. Meine Muse ist da im MOment absolut unberechenbar, was das angeht.

ich wünsche dir auch einen guten Rutsch und viel Erfolg im neuen Jahr

Gruss Jessica


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