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Die Seele der Zeit

Yu-Gi-Oh! Part 6
von

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Auftakt

Eine angespannte Stille herrschte auf dem weiten Wüstenfeld, das sich vor Theben erstreckte. Zehntausende Zivilisten und Soldaten hatten sich hier, vor der Stadtmauer, eingefunden, um den Worten des Pharao zu lauschen, den sie mit angespannten Mienen erwarteten. Reiter waren am frühen Morgen durch die Stadt geritten und hatten die Botschaft verkündet, dass sie alle hierher kommen sollten, an den einzigen Platz, wo es genügend Raum für sie alle gab. Ihr König selbst wollte zu ihnen sprechen, auf dass jeder Einzelne, der sich noch in der Stadt befand, seine Worte hören sollte.

Atemu war angespannt, als er durch das Stadttor hinausschritt, sich einen Weg durch die Menge bahnte und anschließend eine Düne erklomm, von der aus er das Volk, die ihm anvertrauten Seelen sehen konnte. In der Menge konnte er auch die wenigen Schattentänzer ausmachen, die schon in Men-nefer an seiner Seite gekämpft hatten. Auf den Stadtmauern erkannte er seine Freunde und Gefährten. Seto und Riell hatten ihn begleiten wollen, doch er hatte darauf bestanden, dass sie dort blieben. Das hier musste er alleine tun. Diese Entscheidung durfte nicht auf ihren Schultern ruhen. Er war es, der sie tragen musste. Er, der Auserwählte der Götter, der zeitlose König. Noch immer hallten die Worte der Anderen durch seine Gedanken, die verschiedenen Ansichten, mit denen er noch kurz bevor er hierher kam, konfrontiert worden war.
 

“Wie könnt ihr dabei bleiben? Meint ihr wirklich, ihr schlaft dadurch ruhiger? Dadurch, dass ihr alles hinschmeißt? Wo ist euer Vertrauen in euch und in Atemu hin?“ - Joey
 

“Im Endeffekt liegt die Entscheidung bei euch, Majestät. Doch nach langer und eingehender Überlegung kann ich Euch nicht guten Gewissens empfehlen, Caesian anzugreifen.“ - Seto
 

“Ihr alle seid nichts als feige, dreckige Ratten!“ - Bakura
 

“Aber es geht hier doch nicht nur um Ägypten oder um die Welt, aus der wir kommen. Es geht um Generationen von Menschen, die in Knechtschaft heranwachsen werden, in einer Welt, die von den Relikten zerrissen ist! Das könnt ihr doch nicht einfach ignorieren ...“ - Tea
 

“Risha hätte vielleicht die Kraft gehabt, eine Entscheidung zu treffen – ich habe sie nicht. Es tut mir leid, Euer Hoheit.“ - Riell
 

“Ich möchte, dass du weißt, dass ich nicht an dir zweifle und es niemals tun werde, gleich wie du entscheidest. Ich folge dir bis an das Ende der Welt, gleich wie steinig der Weg auch sein mag.“ - Mana
 

“Ich habe gesagt, ihr sollt realistisch bleiben – nicht, dass ihr den Schwanz einziehen sollt wie räudige Schakale. Ihr seid erbärmlich!“ - Marlic
 

“Ich verstehe eure Angst, eure Verzweiflung und eure Ohnmacht. Aber das kann und darf nicht die Lösung sein!“ - Yugi
 

“Ich weiß nicht, wie ich entscheiden würde. Zumal ich nicht glaube, dass es eine richtige und eine falsche Entscheidung gibt …“ - Ryou
 

“Als ich damals glaubte, es sei mein Schicksal, mich der Dunkelheit zu hinzugeben, habe ich aufgegeben. Aber dann kamst du und hast mir gezeigt, dass es niemals richtig sein kann, einfach aufzugeben. Wärst du nicht gewesen, ich wäre heute nicht hier.“ - Marik
 

“Wie oft sah es schon so aus, als würde die Welt untergehen? Ich erinnere mich noch an das Siegel von Orichalcos, das die Welt, aus der wir kommen, vor noch gar nicht allzu langer Zeit bedroht hat. Da hat Atemu auch nicht aufgegeben – und er hat gesiegt.“ - Duke
 

“Konflikte müssen ausgefochten werden. Durch Weglaufen löst man sich nicht, man zögert das unweigerliche nur immer weiter hinaus!“ - Tristan
 

Er hatte sie alle gehört, sich jeden einzelnen Punkt der zahlreichen Argumentationen durch den Kopf gehen lassen. Dann stand seine Entscheidung fest. Nun war er hier, um sie zu verkünden. Es war ihm nicht leicht gefallen. Gleich, wie sehr er auch hinter seinem Entschluss stand, war er ebenso richtig wie falsch. Es würde Gegenstimmen geben, dessen war er sich bewusst. Doch diese hätten auch existiert, würde er anders handeln.

Als er den Kamm des mächtigen Sandhügels erreichte, war das allgegenwärtige Gemurmel, das ihn bei seinem Erscheinen begrüßt hatte, längst verstummt. Tausende von Augen waren auf ihn gerichtet, erwartungsvoll und zugleich bangend. Atemu schluckte. Es ging um alles oder nichts. Er sandte ein Stoßgebet zu den Göttern, dann hob er zu sprechen an.

„Volk Thebens, hohe Mitglieder der Armee, Kinder Ägyptens! Ich trete in dieser dunklen Stunde vor euch, um zu verkünden, wie ich entschieden habe – über unser künftiges Verhalten in einem Konflikt, der das Leben, das Land und die Religion, die wir seit tausenden von Jahren pflegen, bedroht. Doch zunächst erscheint es mir von höchster Wichtigkeit, eine Befürchtung aus dem Weg zu räumen, die die Herzen vieler Ägypter ergriffen zu haben scheint – jene, dass wir in Caesian einer Strafe der Götter selbst gegenüber stehen.“

Gemurmel war in der Menge zu hören, hier und da konnte der Pharao sehen, wie verhalten genickt wurde.

„Ich, Atemu, Stellvertreter der Götter auf Erden, ihr demütiger Diener, ihr gewähltes Sprachrohr versichere euch allen, dass dem nicht so ist. Kein einziger Gott hat gewollt, dass dieses Unheil über uns kommt. Das weiß ich gewiss, denn sie waren es, die uns in die Lage versetzten, einen Teil der Relikte zu erlangen, ehe dies unserem gemeinsamen Feind gelingen konnte. Das taten sie mit ihren Weisungen, mit ihrem guten Willen und indem sie uns die Kraft gaben, bis hierhin auszuhalten. Dadurch bewahrten sie Ägypten vor weiterem Schaden. Doch auch sie sind nicht unbetroffen von den Dingen, die dieser Mann, dieses Monster über unsere Heimat gebracht hat. Auch sie leiden, mit ihren Kindern, die sie einst aus sich selbst heraus schufen. Doch ihre Mächte sind gewaltig, so gewaltig, dass es fatal wäre, würden sie in das sich immer drehende Rad des Schicksals eingreifen. Und deshalb bitte ich euch, verzagt nicht! Die Götter sind bei uns, jetzt und an jedem weiteren Sonnenlauf, der kommen wird. Ich spüre ihre Gegenwart, und auch, wenn sie sich uns nicht zeigen, wenn sie stumm bleiben mögen, so weiß ich doch, was ihr Wille ist: dass Caesian aufgehalten wird. Und genau das, Volk von Ägypten, werden wir tun!“

Das Gemurmel, zuvor verhalten, schwoll mit einem Mal an. Der skeptische Ton, der darin mitschwang, war ganz klar herauszuhören.

„Ich kenne eure Bedenken, eure Zweifel und eure Angst. Meine Augen und Ohren sind nicht verschlossen, sondern weit geöffnet. Doch ich sage euch, dass wir nicht verzagen dürfen! Dieser Mann, der einfach so in unser Land kam und glaubt, er könnte es sich nehmen, wie er wolle, irrt! Wir werden ihm zeigen, dass niemand den Willen unserer Götter und unseres Volkes brechen kann! Wir werden ihm die Stirn bieten, auf dass er es sein wird, der verängstigt im Staub kauert, während wir triumphieren! Ja, wir sind zahlenmäßig unterlegen. Ja, Caesian ist im Besitz göttlicher Relikte und nennt eine unheimlich machtvolle Ka-Bestie sein eigen. Ja, er befehligt ein Heer Untoter. Doch seht euch doch nur einmal um, was wir ihm entgegenzusetzen haben!“

Atemu machte eine ausschweifende Handbewegung, als wolle er um sich zeigen. Tatsächlich wurde die Menge ruhiger, hier und da wurden verstohlene Blicke getauscht.

„Ein Volk, das es bislang noch niemals nötig hatte, sich zu verstecken, das im Glauben fest ist und in der Herkunft vereint. Wir haben den Willen der Götter auf unserer Seite, die stets auf uns herabblicken, uns begleiten und uns, sollten wir sterben, in die Ewigkeit führen. Dieselben Götter, die mir ihre eigenen Geschöpfe sandten, die göttlichen Kreaturen Obelisk, Slifer und Ra! Wir haben Pyramiden erbaut, da hausten andere Völker noch in Lehmhütten. Wir zählen die klügsten Köpfe dieser Welt mitunter zu den unseren. Ägypten ist die Wiege des Ka, nirgendwo sonst gibt es ein Heer, das mehr Bestien in seinen Reihen hat. Wir haben gut ausgebildete Kämpfer. Wir haben die beste Hofmagierin und den stärksten Hohepriester, die dieses Land je gesehen hat auf unserer Seite. Ja wir haben es in den Wogen dieses Krieges gar geschafft, uns mit den Schattentänzern auszusöhnen, und so wertvolle und wichtige Verbündete gewonnen. Auch andere, mit denen ein gemeinsames Ziel vor noch wenigen Mondläufen undenkbar gewesen wäre, haben sich uns angeschlossen. Wir haben im Lauf unserer Geschichte zahllose Konflikte überwunden, im Inneren wie auch von außen kommend, und wir haben niemals aufgegeben.“

Erneut hob das Gemurmel an, doch diesmal hatte sich sein Klang verändert – er war von Zustimmung geprägt.

„Nicht einmal sind wir zurückgewichen – und das, Volk Ägyptens, werden wir auch jetzt nicht tun. Ich beschwöre euch, lasst euch nicht von den Schatten, die über uns hängen mögen, verunsichern, denn wir können sie vertreiben, wenn wir uns ihnen nur vereint und entschlossen gegenüberstellen! Wir können diese Bedrohung bezwingen, wie wir jede andere bezwungen haben! Für uns, aber auch für unsere Kinder und alle Generationen, die noch folgen mögen!“

Rufe wurden laut. Einige Angehörige der ägyptischen Armee reckten zustimmend ihre Waffen, die das Sonnenlicht reflektierten, in die Höhe.

„Gewiss wäre es verblendet zu behaupten, dass diese Tat keine Opfer fordern wird, denn das wird sie mit Sicherheit. Doch wenn wir unseren Mut nicht verlieren, uns unseren Problemen stellen und die Feigheit aus unseren Herzen verbannen, so haben wir nichts zu befürchten, denn dann werden uns die Götter in ihren Schoß aufnehmen, in die ewigen Gefilde des Jenseits. Erkämpfen wir uns unseren Platz dort, für jetzt oder in der Zukunft! Ich in jedem Fall werde kämpfen, ohne Furcht und ohne Bedauern, sollten mich die Götter zu sich rufen – denn ich weiß, dass ich mein Land, euch und alle, die da noch kommen werden, verteidigt habe, mit allen Mitteln, und nicht kampflos aufgegeben habe, was unsere Vorfahren und die Götter selbst einst erschaffen haben, um es uns anzuvertrauen. Ich werde sie nicht enttäuschen und alles in meiner Macht stehende tun, um zu verhindern, dass ein Wahnsinniger all das zu Nichte macht – denn dies ist unsere Bestimmung.“

Die Masse wurde laut, die Rufe zahlreicher. Fäuste wurden in die Höhe gestreckt, irgendwo wurde ein Lied angestimmt. In Atemu machte sich unendliche Erleichterung breit, denn er wusste, was die Worte zu bedeuten hatten, die ob der schieren Menge nur vereinzelt an sein Ohr drangen: Er hatte es geschafft. Das Volk war mit ihm.

„Für die Freiheit! Für Ägypten!“, rief er schließlich und reckte ebenfalls die Faust in die Höhe.

Die Menge brach in Toben aus. Lobpreisungen und Versprechen der Unterstützung, traditionelle Gesänge und Mutmachungen, Gebete und Beschwörungen des Zusammenhalts brandeten über ihn hinweg. Sein Blick glitt über die ungeheure Menge von Seelen, die ihre ganze Zuversicht in ihn setzten.

Er durfte sie nicht enttäuschen.
 

Nur langsam fand sie den Weg aus den Nebeln, die ihr Bewusstsein umfingen. Dann endlich gelang es ihr, sie beiseite zu schieben und aus dem regelrechten Koma zu entkommen, in dem sie gefangen war – wie lange, wusste sie nicht. Alles, was sie wusste, war, dass sie aufwachen musste.

Nur mit Mühe gelang es Risha die Augen ein Stück weit zu öffnen. Doch das grelle Licht der Sonne blendete sie, sodass sie sie gleich wieder schloss. Ihr Kopf fühlte sich an, als wolle er zerspringen. Ihre Haut schmerzte bei jeder noch so winzigen Bewegung. Als sie nach einer Weile noch einmal die Lider öffnete, sah sie den Sonnenbrand, der sie ob ihrer schon immer blassen Haut heimgesucht hatte. Auch ihr rechtes Auge peinigte sie. Als sie es vorsichtig mit den Händen betastete, wurde ihr klar, dass es leicht geschwollen war. Aber warum? Und wieso war sie an Händen und Füßen gefesselt?

Nur schleppend kamen die Erinnerungen zurück, gleich wie sehr sie sich anstrengte, den Prozess zu beschleunigen. Als ihr jedoch klar wurde, was geschehen war, brandete die Erkenntnis wie eine kalte Flut über sie herein. Hektisch richtete sie sich ein Stück weit auf und sah sich um – nur um Keiro zu erblicken, der in einiger Entfernung mit dem Rücken zu ihr auf dem Boden saß und zu essen schien. Sie selbst lag im Schatten eines Sandfelsens am Boden. Ihr kamen Bilder in den Kopf, von dem Abend, da sie mit Cheron in dem verfallenen Gehöft übernachtet hatte und noch einmal hinausgegangen war, um einem vermeintlichen Schakallaut nachzugehen. Jemand hatte sie niedergeschlagen. Dann noch eine Szene, irgendwo in der Wüste, jemand, der ihr eine widerliche Flüssigkeit eingeflößt hatte. Beides musste Keiro getan haben, ansonsten läge sie hier nicht gefesselt. Hätte er sie aus irgendeiner Misere befreit – die Götter mögen sie davor bewahren, ihm je etwas schuldig zu sein – dann hätte er sie losgemacht. Augenblicklich drängte sich die Frage auf, was das Ganze sollte, denn obgleich sie ihrem Vetter einiges zutrauen würde, ergab das hier schlicht und ergreifend keinen Sinn. Doch sie schob den Gedanken zunächst beiseite. Er hatte ihr Erwachen noch nicht bemerkt, wenn sie jetzt nicht zuschlug, konnte sie nicht dafür garantieren, dass sich eine solche Gelegenheit in naher Zukunft wieder bieten würde. Sie konzentrierte sich, ignorierte die Schmerzen und sammelte ihre Kräfte, um Cheron freizusetzen – vergeblich.

Augenblicklich kroch ihr eine Gänsehaut über den Körper. Was hatte das zu bedeuten? Sie versuchte es erneut, doch auch diesmal zeigte sich der Pegasus nicht. Je mehr sie sich darauf konzentrierte, desto stärker wurde der Eindruck, als kämpfe sie gegen eine Barriere an, die sie von ihrem Ka trennte. Sie konnte spüren, dass Cheron da war, doch sie konnte ihn einfach nicht erreichen. Seit langer Zeit machte sich in Risha zum ersten Mal wieder so etwas wie Angst breit. Sie war wehrlos und alleine. Doch die Furcht hatte, ebenso wie alle anderen Emotionen, bei der Schattentänzerin schon immer eigenartige Wege genommen. Sie richtete sich ein Stück weiter auf und taxierte Keiros Rücken mit Blicken, in denen die Wut nur so kochte.

„Was hast du mit Cheron gemacht?“

Der Andere zuckte bei den Worten, die die Stille der Wüste so plötzlich durchdrangen, nicht einmal zusammen. Stattdessen warf er einen flüchtigen Blick über die Schulter und lachte leise. „Sieh einer an – ich dachte schon, ich hätte es mit der Arznei übertrieben.“ Langsam rappelte er sich auf, wandte sich um und kam zu ihr herüber.

„Ich habe dich gefragt, was du mit Cheron gemacht hast, du widerliche Ausgeburt eines …!“

Ansatzlos schlug er ihr mit der Faust ins Gesicht. Nur knapp konnte sie sich abfangen, damit sie nicht mit der anderen Seite ihres Kopfes auf den Boden prallte. Voller Verachtung sah sie ihn an, rechnete damit, dass seine Augen vor Zorn sprühten – doch das taten sie nicht. Er betrachtete sie abschätzig mit einem irren Grinsen und einem noch wahnsinnigeren Funkeln in den Augen. „Also wirklich … da war Resham immer so besorgt um dich und hat es doch versäumt, dir Manieren beizubringen. Aber keine Sorge, ich bin ja da.“ Er kniete sich vor sie. „Ich kriege das schon hin – und werde gar noch meinen Spaß dabei haben, so wie es derzeit aussieht.“

Risha wusste nicht, warum, doch ein Instinkt veranlasste sie dazu, bei diesen Worten ein Stück weit von ihm wegzurutschen. „Was bei allen Götter ist los mit dir? Bist du jetzt endgültig übergeschnappt?“, schoss sie zurück, wobei die übliche Schärfe in ihrem Ton fehlte. Ebenso gelang es ihr nicht, die Besorgnis gänzlich aus ihrer Stimme zu verbannen. Irgendetwas stimmte nicht. Sie kannte Keiro und das war nicht der Kerl, mit dem sie seit ewigen Nilüberschwemmungen einen nicht enden wollenden Konflikt ausfocht. Nein, der Mann hatte mehr eine Ähnlichkeit mit Caesian, als mit dem verhassten Vetter, der sich stets bemüht hatte, ihr aus dem Weg zu gehen. Dass er so rabiat vorging und gar die Konfrontation suchte, passte nicht zu ihm. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.

„Übergeschnappt? Oh nein. Ich habe vielmehr endlich verstanden. Aber bis ich dieses Wissen mit dir teile, wird es noch etwas dauern. Das hier“, er gestikulierte um sich, „ist nicht der passende Ort dafür.“

„Was hat das nun wieder zu bedeuten? Wohin bringst du mich?“ Risha ließ den Blick umherschweifen, doch konnte unmöglich feststellen, wo sie sich befand. Das einzige, was sie mit Sicherheit sagen konnte, war, dass sie sich östlich des Nils befinden mussten, da das Land hier steiniger und weniger flach war, als im Westen.

„Alles zu seiner Zeit. Ich würde doch der ganzen Sache die Überraschung nehmen, würde ich dir das schon jetzt verraten“, erwiderte Keiro nur feixend und erhob sich.

„Wag‘ es nicht, mich hier einfach so hocken zu lassen! Ich frage dich ein letztes Mal: Was ist mit Cheron?“

Ein Glucksen war die Antwort. „Und was willst du tun, wenn ich es dir nicht verrate? Hm? Es ist ganz einfach, du kannst gar nichts tun, denn ich habe die vollständige Kontrolle über dich. Aber ich will nicht so sein: Du kannst dir die Mühe ersparen, deinen Ka rufen zu wollen. Ich habe ihn gebannt.“

„Dazu bist du gar nicht in der Lage! Du hast keine Ahnung von Magie!“

„Und das weißt du woher? Es ist viel Zeit vergangen, wir haben uns verändert. Haben Dinge dazugelernt … Auf deinem Rücken befindet sich ein Bannsymbol, geschrieben mit meinem Blut.“ Zum Beweis zeigte er ihr seine Handfläche, deren Haut von einem Schnitt gespalten wurde. „Für gewöhnlich sind diese Dinger recht unpraktisch, da sie sich leicht entfernen lassen. Nur leider kannst du das in deiner derzeitigen Lage nicht … zu traurig aber auch.“ Er ging zu seinem Pferd hinüber, wühlte in der Satteltasche herum und förderte schließlich einen Brocken Brot zutage, den er Risha vor die Füße warf. „Iss. Für den Augenblick brauche ich dich noch.“

Damit wandte er sich ab. Seiner Base jedoch war der Appetit vollständig vergangen. Ein Bannsymbol – Blutmagie. Keiro hatte sie immer verabscheut, hatte die Schattentänzer unter anderem für die gelegentliche und begrenzte Ausübung eben jener Zauberkunst verachtet. Wann hatte sich das geändert? Woher der plötzliche Sinneswandel? Er war für gewöhnlich niemand, der sein Fähnchen nach dem Wind richtete, sondern stand zu den verqueren Ansichten, die er hegte. Irgendetwas war falsch … Und das beunruhigte sie mehr, als ihr lieb war.

„Dir ist bewusst, dass die Schattentänzer nach mir suchen werden, oder? Was glaubst du passiert, wenn sie herausfinden, dass ausgerechnet du mich verschleppen wolltest?“, versuchte sie erneut, ihm zu drohen. Er wusste nicht, dass sie die Gruppe verlassen hatte, weil es einen Konflikt mit Riell gegeben hatte, dachte eventuell, sie sei aus bestimmten Gründen alleine unterwegs gewesen.

Doch auch diesmal schienen ihre Bemühungen keine Früchte zu tragen. Keiro wandte sich zu ihr um, während noch immer dieses überhebliche Grinsen wie gepflastert auf seinen Zügen saß. „Oh, ich bezweifle, dass das passieren wird. Immerhin hat sich der liebe Riell doch ganz klar gegen dich gestellt, als du den Pharao töten wolltest, woraufhin ein ziemlich böser Streit zwischen euch entbrannte, den du zum Anlass genommen hast, zu verschwinden – oder irre ich mich da? Nein, Risha, ich denke nicht, dass irgendjemand in naher Zukunft nach dir suchen wird. Sie alle werden denken, dass du lediglich zu stur bist, um zurück zu kommen.“

Die Gesichtszüge der Schattentänzerin entgleisten, während sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht wich. „Das … woher …?“

„Ach, weißt du“, entgegnete Keiro im Plauderton. „Caesian ist und bleibt ein Bastard … was aber nicht heißt, dass es nicht seine Vorteile hätte, mit ihm Geschäfte zu machen.“

War Risha bislang nur überrumpelt gewesen, kroch nun so etwas wie Panik in ihr hoch. „Du hast mit ihm Geschäfte gemacht?“, wiederholte sie fassungslos. Ihr Blick wanderte zu dem Tuch, das noch immer um seinen Hals drapiert war und verweilte dort.

Das Grinsen ihres Gegenübers wurde noch breiter, als er den Stoff beiseiteschob. „Allerdings. Und ich muss sagen, es hat sich gelohnt.“

Sonnengebräunte Haut, wie sie bei Ägyptern üblich war. Das war alles, was unter dem Halstuch zum Vorschein kam. Augenblicklich kochte der Hass in Risha hoch. „Du hast diesem Monster das Amulett überlassen?“, schrie sie außer sich vor Wut.

„Ganz genau“, war die simple Antwort. „Ich muss sagen, ich bereue es nicht. Das Ding mag zwar imposant anzusehen sein, aber es trägt sich sehr unbequem.“

„Bist du des Wahnsinns? Dieser Kerl hat mit denen, die er bereits sein eigen nennt, schon genug Schaden angerichtet – und du gießt noch Öl in die Flammen?“, brüllte sein Gegenüber indes weiter. „Was hat er dir dafür gegeben, das es wert war, die Macht dieses Tyrannen noch zu mehren?“

„Dich.“

Die Erwiderung kam so unerwartet, dass Risha die Worte im Hals stecken blieben. Mit einem Mal schoss Keiros Hand vor, packte sie am Kiefer und zog ihr Gesicht gefährlich nah an das seine heran. „Und ja, das war jeden einzelnen Toten, den es nun geben wird, wert. Denn endlich habe ich dich da, wo ich dich haben will – auf den Knien, zu meinen Füßen. Und das ist nur ein Teil einer sehr langen Liste von Dingen, die ich mir ganz alleine für dich ausgedacht habe, Dinge, die mir große Freude bereiten werden. Dir hingegen …“

Weiter kam er nicht, da spuckte sie ihm ins Gesicht. Augenblicklich schlug er ihr mit der Faust auf das bereits geschwollene Auge und verpasste ihr somit eine Platzwunde, aus der sich Blut einen Weg über ihre rechte Gesichtshälfte bahnte. „Sieht so aus, als wäre es Zeit, schlafen zu gehen.“

Er kehrte zu der Satteltasche zurück und holte diesmal ein kleines Tongefäß hervor. Er hatte es bereits geöffnet, als er sie erreichte, riss ihren Kopf an den Haaren hoch und versuchte, ihr den Inhalt einzuflößen. Sie wehrte sich, doch Keiro hatte diese Mischung mit Bedacht gewählt. Schon kleinste Mengen, die sich unweigerlich mit ihrem Speichel vermengen und beim Schlucken einen Weg in den Magen finden würden, reichten aus, um sie für einen halben Tag außer Gefecht zu setzen. Und so kam es, dass ihre Gegenwehr bald abnahm und ihr Körper schließlich erschlaffte.

„Du widerliches kleines Biest …“, murmelte er vor sich hin, während er sie betrachtete. „Ich werde sicherstellen, dass du so langsam und qualvoll stirbst, wie nur möglich …“
 

In Theben herrschte geschäftiges Treiben. Die Ansprache Atemus an Armee und Bevölkerung hatte Früchte getragen. Während Frauen und Kinder, Alte und Kranke ihre Habseligkeiten zusammensuchten und gen Süden aufbrachen, wurde die Stadt auf den bevorstehenden Angriff vorbereitet. An der Nordseite der Stadtmauer hatte man begonnen, die Umgrenzung aufzustocken. Da der Angriff mit großer Sicherheit aus dieser Himmelsrichtung erfolgen würde, hatte man beschlossen, hier anzusetzen. Zudem wurden an der Innenseite der Mauer zusätzliche Stützbalken angebracht. Man grub sie tief in die Erde, um dem Wall möglichst viel Halt zu geben. Schmiede schliffen indes im Akkord Schwerter, sowie die Spitzen von Lanzen nach, sie fertigten Pfeilköpfe an, besserten Rüstungsteile aus und beschlugen Schilde neu. Überall erklang das Schlagen von Hämmern auf Metall, während die Zivilisten, die sich entschlossen hatten, Theben nicht kampflos aufzugeben, schnelle Unterweisungen im Umgang mit Waffen erhielten.

Man verließ sich jedoch nicht darauf, den Feind vor den Toren halten zu können und widmete sich somit auch den Gassen und Straßen. Einige von ihnen wurden mithilfe von Steinblöcken blockiert, um dem Gegner kein Labyrinth zu bieten, das dieser womöglich zu seinem Vorteil nutzen konnte – die Ägypter selbst achteten bei der Wahl der zu schließenden Wege jedoch darauf, selbst einen Nutzen daraus ziehen zu können.

In anderen Teilen legten sie gezielt Fallen – eine Idee, die von der Gruppe um Yugi stammte.

Gräben wurden ausgehoben, mit spitz zulaufenden Pflöcken gespickt und anschließend von einer Konstruktion aus dünnem Holz, Stroh und Sand verdeckt. An anderen Stellen befestigten sie zahlreiche Speere so in den Nebengassen, dass sie aus ihrem Versteck heraus auf den Hauptweg hinausschwenken würden, wenn man ihre Halterung durchschnitt – sollten sie einige feindliche Soldaten in diesen Hinterhalt locken können, würden sie mehrere auf einmal erledigen. Zugleich hatte diese Falle, ebenso wie die Gruben, den angenehmen Nebeneffekt, dass die Untoten sich nicht so leicht daraus würden befreien können. Ein ungemeiner Vorteil, wenn man bedachte, was es brauchte, um sich ihrer zu entledigen. Darüber hinaus wurden an mehreren Stellen auch Haufen von möglichst runden Felsen in Seitengassen errichtet und abgestützt, die man bei Bedarf loslösen konnte, um Wege zu blockieren oder einige Widersacher auszuschalten.

Mana hatte zudem zwei magische Gemische gebraut und in kleine Gefäße aus Glas gefüllt. Diese baumelten nun an Vorrichtungen über einigen Straßen Thebens. Leinentücher verhinderten, dass man sie von unten sehen konnte. Kappte man nun ein Seil am Ende des Weges, rauschte das ganze Gebilde nach unten, die Behältnisse zerplatzten und die Flüssigkeiten vermischten sich – etwas, das zu vermeiden war, es sei denn, man wollte irgendetwas oder irgendwen in die Luft jagen. Das traf in diesem Fall durchaus zu. Zudem hatte sie einige verstecke Bannkreise an verschiedenen Stellen in der Stadt gezogen, die jeden, der hineintrat, einschließen würden. Für Zauberkundige bewährte sich das nicht, diese würden dem unsichtbaren Gefängnis rasch entfliehen können, doch für die Fußsoldaten Caesians sollte es reichen.

Das alles und noch weitere Vorrichtungen wurden in den folgenden Tagen nach und nach errichtet. Nach drei Sonnenläufen waren die meisten Fallen bereits fertig aufgestellt und bereit zum Einsatz – etwas, das sie der Hilfe der Ka-Bestien zu verdanken hatten, denen es so viel leichter fiel, schwere Gegenstände zu bewegen, große Löcher auszuheben oder hochliegende Orte zu erreichen. Und trotzdem waren sie noch lange nicht fertig. Noch blieben ihnen etwa fünf bis sieben Umläufe ehe Caesian vor den Toren stehen würde und sie waren fest entschlossen, sämtliche ihnen zur Verfügung stehende Zeit auszunutzen, um sich weitere Überraschungen einfallen zu lassen und die Stadt bestmöglich gegen den Feind zu sichern.

Am Abend des dritten Umlaufs betrachtete Atemu die Stadt von einem Balkon des kleinen Palastes aus. Auch nach Einbruch der Dunkelheit waren die Tätigkeiten in den Straßen nicht zum Erliegen gekommen. Er war erleichtert. Die Menschen arbeiteten mit Feuereifer daran, etwas zu schaffen, das sich mit der Macht ihres wahnsinnigen Widersachers messen konnte. Es war ihm gelungen, die Zuversicht und den Mut in ihnen neu zu entfachen – etwas, das wichtig war, wollten sie auch nur den Hauch einer Chance gegen Caesian haben.

Er war nicht überrascht, als sich die Tür zu dem Zimmer, an das der Balkon grenzte, ohne ein Anklopfen öffnete. Als er sich umwandte, erblickte er wie erwartet Bakura. Ihre Blicke trafen sich kurz, dann bewegte sich der Grabräuber zu dem Tisch hinüber, auf dem frische Becher und eine Karaffe Wein standen. Ohne zu fragen goss er sich etwas von der dunkelroten Flüssigkeit ein. Erst, als er einen Schluck genommen hatte, widmete er seine Aufmerksamkeit wirklich dem Pharao.

„Seine Majestät wollten mich sprechen?“

Atemu überging den Sarkasmus, der in dieser Frage mitschwang. Zur Antwort nickte er nur. Er hatte nach ihm schicken lassen – immerhin gab es noch etwas, das erledigt werden musste. Er hatte sein Gegenüber aus einem bestimmten Grund in der Wüste abgefangen. Dieses eigentliche Vorhaben war in den letzten Tagen jedoch in den Hintergrund gerückt, zumal sich die Erfahrung des Grabräubers, was Fallen anging, als überaus nützlich erwiesen hatte. Der Pharao hatte jedoch schließlich entschieden, dass es an der Zeit war, endlich den Fundort des letzten Relikts aufzudecken. Zwar glaubte er nach wie vor, dass es derzeit Caesians oberste Priorität war, sie zu vernichten, doch sie durften nicht riskieren, dass sie sich vielleicht irrten und er das Artefakt der Göttin Sachmet vor ihnen fand.

Atemu holte die Seele der Zeit aus einem verschlossenen Schrank und breitete sie vor Bakura auf einem Tisch aus. Der Papyrus war unleserlich wie eh und je.

„Wenn ich mit meiner Annahme richtig liege, dann wirst du in der Lage sein, einen vielleicht kryptischen, aber zusammenhängenden Text zu sehen. Konzentriere dich alleine auf den Wunsch, das zu schaffen und es sollte funktionieren.“

Der Grabräuber musterte ihn einen Moment abschätzig, dann zuckte er mit den Schultern und trat näher. „Was auch immer“, kommentierte er dabei. Die linke Hand hielt den Becher mit Wein, die andere legte er auf den spröden Beschreibstoff. Er brauchte einen Moment, bis er unter den Augen des Pharao die nötige Ruhe fand, um sich auf die Seele der Zeit zu fokussieren. Er versuchte, sich das letzte Artefakt vor seinem inneren Auge vorzustellen, so bildlich es nur ging, malte sich aus, wie es wohl aussehen mochte. Ein gewisses Verlangen danach, es finden zu wollen, brauchte er nicht erzwingen. Er war ein Grabräuber und es handelte sich nicht nur um einen mächtigen, sondern auch wertvollen Gegenstand. Zugleich war ihm klar, dass Caesian Sachmets Relikt niemals in die Hände bekommen durfte, gleich wie sehr der Pharao dadurch bedroht werden mochte. Er allein würde es sein, der ihn tötete, und sonst niemand.

Als er die Lider, die er zwischenzeitlich geschlossen hatte, wieder aufschlug, blinzelte er – nicht überrascht, aber doch ein wenig verdutzt. Tatsächlich offenbarten sich vor ihm einige Zeilen Text, die einen Zusammenhang zu haben schienen.

„Was siehst du?“, ließ die Frage von Seiten des Königs nicht lange auf sich warten. Bakura warf ihm einen kurzen Blick zu, wobei er die Augen verdrehte. Dann las er vor, was auf der rauen Oberfläche geschrieben stand.
 

Vom Firmament gestoßen,

auf Erden verborgen,

der Schlächterglanz.
 

Der Menschen Heil,

Der Menschen Geißel,

niemandes wahrer Feind.
 

Vergessen im Staub,

an goldenen Fluten,

gespeist von Blut.
 

Als er geendet hatte, zog er die Hand vom Papyrus und nahm einen Schluck Wein aus seinem Becher. „Dann streng mal deine grauen Zellen an, Hoheit“, sagte er, nachdem beide eine Weile lang geschwiegen hatten. „Irgendwelche Ideen?“

Atemu hatte die Stirn in Falten gelegt und die Arme vor der Brust verschränkt. „Die ersten drei Zeilen sollten wir wie gewöhnlich außer Acht lassen können. Der nächste Teil scheint, wie schon beim letzten Artefakt, Eigenschaften der Göttin Sachmet zu verbildlichen. Konzentrieren wir uns also auf den letzten Absatz. Vergessen im Staub ist eindeutig, darüber müssen wir uns keine Gedanken machen. Demnach sind einzig und allein die letzten beiden Zeilen das, was wir entschlüsseln müssen, um herauszufinden, wo das Relikt verborgen ist.“

„Welche Beobachtungsgabe“, stichelte Bakura, während seine Augen immer wieder über den letzten Teil des Textes flogen. „Der Nil wird wohl kaum gemeint sein“, überlegte er schließlich laut. „Er wird aus zwei Quellen samt Zuflüssen im Süden gespeist, nicht aus Blut – oder aus irgendetwas, das man im übertragenen Sinne als solches bezeichnen könnte.“

„Dem stimme ich zu“, erwiderte Atemu und überging den Sarkasmus seines Gegenübers wieder einmal gekonnt. „Allerdings haben wir dann ein Problem. Es gibt keine Flüsse in der Gegend, die nicht vom Nil abzweigen – das heißt, alles Wasser in Ägypten fällt schon einmal aus der Liste der Versteckmöglichkeiten heraus.“

„Richtig. Das heißt, man muss es als Umschreibung von etwas betrachten.“

„Ja. Das Einzige, was mir im Augenblick jedoch einfällt, wäre das allgegenwärtige Sandmeer, die Wüste also. Das würde auch zu dem Hinweis passen, dass es im Staub vergessen wurde. Ich denke, wir können ziemlich sicher sein, dass damit tatsächlich die Wüste gemeint ist. Aber wo?“

„Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber mir fällt kein Ort ein, an dem Blut zu Sand wird“, kommentierte der Grabräuber und nahm erneut einen Schluck aus dem Becher. „Wenn das der einzige Hinweis ist, können wir einpacken. Ich glaube, ich brauche dich nicht extra daran zu erinnern, wie riesig die beiden Wüsten sind, oder? Wahrscheinlich bist du auf dem Holzweg.“

„Das glaube ich nicht“, entgegnete Atemu überzeugt. „Das Relikt wurde im Staub vergessen und es liegt an goldenen Fluten – was sonst könnte gemeint sein, als der Wüstensand? Auf ihn trifft die Beschreibung von Staub ebenso zu, wie die goldene Farbe. Und die goldenen Fluten der Wüste, die sich tagtäglich verändern, können sehr wohl den Wellen eines Meeres gleichen.“

Goldene Fluten?

„Das Einzige, was einfach in keinen Zusammenhang passen will, ist das Blut, das die Fluten speist. Es ist klar, dass wir diese Zeile nicht wörtlich nehmen dürfen, aber wie ist sie zu übertragen? Das Blut ist die Kraft, der Lebenssaft des Menschen. Dort, wo er einem abhandenkommt, wartet der Tod. Was, wenn hier abermals von einer Nekropole die Rede ist … doch von welcher?“, fuhr Atemu fort.

Gespeist von Blut?

„Auch ein Schlachtfeld würde vielleicht in Frage kommen – doch davon gibt es ebenfalls zu viele in diesem Land … Oder vielleicht …“

Der Pharao beendete seinen Satz nicht, sondern schreckte aus seinen Gedanken, als der Weinbecher Bakuras Fingern entglitt und scheppert auf den Boden schlug, wo sich der Inhalt rasch verteilte. Zunächst wollte der Regent die Sache einfach übergehen und zurück zum Thema kommen – dann jedoch sah er die Gesichtszüge des Grabräubers.

Bakura starrte auf die Seele der Zeit, mit einem Ausdruck als habe er soeben einen Geist gesehen. Er bemerkte, dass die Hände des Diebes zitterten, während er die Zeilen wieder und wieder las.

„Was ist los?“, hakte er schließlich nach.

Eine Antwort sollte er zunächst nicht bekommen. Stattdessen wiederholte der Andere ein paar Mal die letzten beiden Zeilen, ehe er kurz die Augen schloss und energisch den Kopf schüttelte. Als er sie wieder öffnete, huschte sein Blick sofort wieder zu dem Papyrus. „Goldene Fluten, gespeist von Blut …“, murmelte er. „Die Milleniumsgegenstände, erschaffen durch einhundert Opfer …“

Seine Hände ballten sich zu Fäusten.

„Kul-Elna …“


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, nach einer kleinen Pause bin ich früher als erwartet wieder da. Nachdem heute nämlich gleich zwei meiner Vorlesungen ausgefallen sind, habe ich mich direkt an das obige Kapitel gesetzt.

Der Titel sagt an dieser Stelle eigentlich alles. Die Grundsteine sind nun fertig gelegt, jetzt kommt der letzte Abschnitt dieser FF. Ich schätze es wird noch in etwa 5 bis 8 Kapitel geben, danach ist hier Feierabend (ich gebe aber keine Garantie dafür - es könnten erfahrungsgemäß auch noch ein paar mehr werden). Irgendwie fühlt sich das nach bald fünf Jahren verdammt gut an ... :D

An dieser Stelle wieder einmal ein Danke an Seelendieb für den Kommentar zum letzten Kapitel! :)

Nun denn, das war es wieder von mir - bis zum nächsten Mal dann!
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Seelendieb
2016-04-28T11:01:43+00:00 28.04.2016 13:01
Wow.

Jetzt schließt sich der Kreis.... Kul-Elna...
Langsam wird es richtig richtig spannend... Wahnsinn! Tolle Kapi! Wunderschöne Rede von Atemu ;)
Antwort von:  Sechmet
30.04.2016 20:10
Ja, so langsam fange ich dann mal an, die losen Handlungsstränge zu verknüpfen. :)
Vielen lieben Dank für das Lob!


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