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Die Seele der Zeit

Yu-Gi-Oh! Part 6
von

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Rätsel

Rätsel
 

Atemu war unruhig, während er sein Pferd durch die Wüste trieb.

Riell und er hatten beschlossen, sich aufzuteilen: Während Ersterer losgezogen war, um die Überreste seines Vaters zurückzubringen, hatten sich der Pharao, Kipino und Samira auf den Weg zu der Stelle gemacht, die Firell gefunden hatte. Noch immer hatte er das ungute Gefühl, dass Riell geradewegs in einen Hinterhalt geritten war. Doch er hatte gar nicht erst versucht, das junge Clanoberhaupt von seinem Vorhaben abzubringen. Er wusste, von welcher Bedeutung ein Begräbnisritual war. Nicht nur, um Abschied nehmen zu können – auch, um der Seele ihren Frieden zu geben. Er hätte an seiner Stelle nicht anders gehandelt.

„Firell zufolge ist es nicht mehr weit“, riss ihn Kipinos Stimme plötzlich aus den Gedanken. „Wir müssten es gleich geschafft haben.“

„Von wegen geschafft“, protestierte Samira. „Wenn wir dort sind, geht es doch erst richtig los, oder nicht?“

Der andere Schattentänzer seufzte. „Du betrachtest alles schon genau so negativ, wie es Risha immer tut!“

„Na und? Sie ist ja auch unsere Anführerin, wir sollten uns also alle ein Beispiel an ihr nehmen!“

„Verstehe. Dann solltest du künftig vielleicht früher aufstehen, abends länger arbeiten …“

„Halt den Mund!“

Atemu kam nicht umhin, kurz zu Schmunzeln, als er der Unterhaltung lauschte.

Kurze Zeit später erreichten sie die von Kipino beschriebene Stelle. Sie war genau so einfach, wie der Schattentänzer sie zuvor geschildert hatte: Sie waren umgeben von ebener Wüste, die weit und breit jegliche Felsen oder Hügel vermissen ließ. Direkt vor ihnen im Boden befand sich zudem ein Loch, das gerade groß genug war, damit ein Mensch hindurch passen konnte. Vorsichtig trat Atemu näher und kniete sich hin, einen Blick in die Öffnung werfend. Für einige Ellen konnte er noch Fels erkennen, der einen Tunnel formte. Danach verhinderte die Dunkelheit, dass er noch irgendetwas sehen konnte.

Samira kam an seine Seite gehopst. „Das ist es also? Darf ich als Erste hinuntersteigen?“, fragte sie an Kipino gewandte. „Bitte, bitte, bitte!“

„Auf keinen Fall!“, entgegnete der Ältere streng.

Das Mädchen zog eine Schnute. „Och menno! Du bist voll die Spaßbremse, Alter!“

Atemu brauchte einen Augenblick, bis ihm der Fehler auffiel. Überrascht wandte er den Kopf um, nur um eine Samira mit verschränkten Armen zu sehen, vor der ein vollkommen perplexer Kipino stand und sie anstarrte.

„Was …? Aber … ich … was ist eine Bremse?“

„Eine Bremse ist etwas, das Gegenstände, die in Bewegung geraten sind, wieder zum Stehen bringt“, erklärte ihm der Pharao. „Es scheint, als habe Samira die Ausdrucksweise meiner Freunde aufgegriffen – zumindest ein wenig davon. Sollte das nicht im Sinne ihrer Erziehung sein, entschuldige ich mich dafür.“

Kipino blickte noch einen Moment lang verdutzt drein, dann seufzte er schwer. „Welche Erziehung?“

„Ich stehe direkt neben dir!“, protestierte der Rotschopf sofort.

„Das ist mir bewusst. Aber ich darf wohl aussprechen, was der Wahrheit entspricht.“

„Von wegen Wahrheit!“

„Doch, so ist es. Und nun Schluss damit, wir haben Wichtigeres zu tun!“

Nachdem er ein Machtwort gesprochen hatte, begab sich Kipino an die Seite des Pharaos – was Samira nicht davon abhielt, ihm die Zunge heraus zu strecken. Sie stand eingeschnappt daneben und sah zu, wie der andere Schattentänzer eine Fackel aus den Satteltaschen seines Pferdes holte und sie mit Hilfe von Feuersteinen entzündete. Kurz darauf landete die Fackel in dem dunklen Schacht, während sechs Augen ihrem Fall gespannt folgten. In einer Tiefe von fünfzehn Fuß kam sie auf. Das von ihr ausgehende Licht zeigte, dass die Wände ungleichmäßig genug waren, um daran hinab zu klettern.

Atemu nickte. „In Ordnung. Ich werde hinuntergehen. Ihr wartet hier.“

„Tut mir leid, Majestät, aber das wird nicht möglich sein“, entgegnete Kipino. Auf den fragenden Blick hin, der ihm zugeworfen wurde, zuckte er die Schultern. „Anweisung von Risha.“

Atemu seufzte schwer.
 

Rishas Anspannung stieg ins Unermessliche, als die Späher verkündeten, dass ihr Bruder zurückkehrte. Als die Pferde schließlich in die Himmelspforte preschten, wartete sie bereits ungeduldig. Riell war kaum von seinem Reittier gestiegen, da war sie an seiner Seite. Ihr Bruder gab ihr jedoch mit einem einzigen Blick zu verstehen, dass hier weder die rechte Zeit, noch der rechte Ort war, um zu reden. Ihre Augen wanderten unruhig von ihm zu dem schlaffen, viel zu dünnen Bündel, das er eben von seinem Pferd hob. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sollten das … Reshams Überreste sein? Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.

Wortlos folgte sie Riell, der, ohne die Anderen auch nur eines Blickes zu würdigen, zu der Aushöhlung stapfte, die ihm als Schlafplatz diente. Während er hineintrat und das Bündel behutsam ablegte, zog Risha das Tuch am Eingang vor, damit niemand hereinschauen konnte.

Keiner von beiden wagte es zunächst, die Stimme zu erheben, als sie alleine waren. Doch irgendwann konnte die Schattentänzerin nicht mehr an sich halten.

„Wie schlimm ist es?“

Riell atmete tief ein. Wie sollte er es ihr beibringen? Es selbst mit eigenen Augen zu sehen, war bereits eine Tortur gewesen. Die Kunde von Reshams Zustand weiterzutragen, war noch schlimmer. „Risha …“, begann er zögernd, auf der Suche nach Worten. Er kaute auf seiner Unterlippe, wusste nicht, wie er es erklären sollte.

Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass sie näher kam und sich neben ihn kniete. Sie sah ihn eindringlich an, wandte den Blick dann jedoch ab und streckte die Hand langsam nach dem Leinentuch aus.

Sie zuckte zusammen, als Riell plötzlich ihr Handgelenk ergriff. In seinen Augen spiegelten sich Schmerz, Trauer und unbändige Wut.

„Überlege es dir gut“, sagte er leise. „Es wird dich in deinen Träumen verfolgen.“

Er konnte sie nicht davon abhalten, die Leiche zu sehen, wenn sie sie sehen wollte. Es war ihr gutes Recht. Es war vielleicht nötig, um mit dem Verlust umgehen zu können. Und dennoch musste er sie warnen, auch, wenn ihm bewusst war, dass sie nicht auf ihn hören würde. Es war seine Pflicht.

Rishas Augen wanderten derweil zurück zu dem Leinenbündel. Mit sanftem Druck gab sie Riell zu verstehen, dass er loslassen sollte. Er tat es. Behutsam legte sie die Finger auf das Tuch und ergriff eine Ecke. Ein Alptraum mehr oder weniger … sie musste es wissen. Aus dem Augenwinkel sah sie noch, wie Riell den Kopf abwandte, dann zog sie den Stoff zurück.

Es bereitete ihr Mühe, nicht augenblicklich zurück zu weichen. Ihre Augen weiteten sich. Sie gab kein Geräusch von sich, als sie das ganze Ausmaß der Katastrophe betrachtete. Ihre Gedanken schwirrten durcheinander.

Was hatten sie ihm angetan? Was, im Namen aller Götter, die sie kannte, hatten sie ihm angetan? Warum? Warum er? Warum der Mann, der selbst im Angesicht des schlimmsten Unglücks noch Hoffnung hatte? Warum der Eine, der selbst gegenüber der widerlichsten Ausgeburt der Unterwelt noch Güte gezeigt hatte? Warum Jener, der es am allerwenigsten verdient hatte?

Ihre Hand ballte sich zur Faust. Caesian hatte ihn nicht einfach nur getötet. Er hatte seinen Körper geschändet, seine unendliche Seele zerstört, so wie er Ägypten geschändet und zerstört hatte. Bislang war diese ganze Auseinandersetzung nichts Persönliches gewesen. Risha war nicht dumm. Sie wusste, dass in einem Krieg Menschen starben. Sie hatte zwar Rache für Reshams Tod geschworen, doch sie war sich bewusst gewesen, dass es jeden von ihnen hätte treffen können. Doch nun hatte Caesian die Grenze überschritten. Spätestens jetzt war dieser Krieg etwas verdammt Persönliches. Und dafür würde er leiden. Lange, qualvoll. Sie würde ihn foltern, ihm anschließend Zeit geben, sich auszukurieren, ehe sie ihm wieder Schmerzen bereitete. Immer und immer wieder, solange, bis er brach. Und wenn es bis an ihr Lebensende dauern mochte.

Ein Schluchzen riss sie aus den Gedanken. Forschend blickte sie in Riells Tränen überströmtes Gesicht. Er sah zurück.

„Alles in Ordnung“, sagte er mit erstickter Stimme und deutete auf eine Träne. „Es hilft. Wirklich, Risha.“

Sie spürte den Kloß in ihrem Hals, unterdrückte ihn jedoch. Sie würde nicht weinen. Sie war stärker als das. „Dafür wird er büßen“, flüsterte sie, sprang auf und verließ die Höhle.

Sie kam jedoch nicht weit. Kaum war sie hinausgetreten, wurde sie von Riell am Arm gepackt. „Was hast du vor?“, fragte er mit noch immer gebrochener Stimme.

„Er ist zu weit gegangen.“

„Das hast du vorher bereits gesagt.“

„Nun hat er die Grenze endgültig überschritten! Wir dürfen diesen Bastard keinen einzigen Augenblick länger auf Erden wandeln lassen!“

Risha merkte erst, dass sie laut geworden war, als sie zahlreiche Blicke auf sich spürte.

„Und was ändert das? Nichts kann ihn jetzt noch retten. Nichts, Schwester. Nichts.“

„So siehst du es also? Was willst du tun, hm? Hier rumsitzen und weiterhin zusehen, wie dieser dreckige Mistkerl alles mit Füßen tritt, was wir kennen und lieben?“

„Nein!“, donnerte Riell mit einem Mal und brachte sie zum Schweigen. „Nein. Nichts liegt mir ferner. Aber ich gedenke, anders vorzugehen, als du. Was glaubst du, wollte er damit bezwecken, dass er uns Vater in diesem Zustand zurückgegeben hat? Genau das, was du tun möchtest. Dass wir blind in unser Verderben laufen, von Hass und Trauer geblendet. Aber das werden wir nicht tun, denn ich weigere mich, diesem Scheusal das zu geben, was er möchte. Deswegen werden wir nicht jetzt gehen. Wir werden überlegen und planen – damit wir ihn endlich ein für alle Mal zur Strecke bringen können.“

Für einen Augenblick standen beide nur da, sahen einander an und schweigen. Schließlich wischte sich Riell mit dem Umhang über das Gesicht. „Folge mir bitte. Es gibt da noch etwas, das wir besprechen müssen.“
 

Der Abstieg hatte nicht lange gedauert.

Bald fanden sich Atemu, Kipino und Samira in einer dunklen Höhle wieder, von der aus ein einzelner Gang abging. Während der Pharao die Fackel vom Boden aufhob, entzündete Kipino zwei weitere. Schließlich setzten sie sich in Bewegung.

Zu Beginn hatte Atemu geglaubt, es wäre Einbildung – nun war er sich sicher, dass er hier unten irgendetwas spürte. Etwas Mächtiges. Vielleicht hatten sich die Götter ein weiteres Mal wohlgesonnen erwiesen und ihnen hier tatsächlich den Weg zu einem der Artefakte geebnet. Dennoch blieb er wachsam. Sein Gefühl musste nicht zwingend etwas Positives bedeuten. Sie konnten auch geradewegs in eine Falle tappen.

Eine ganze Weile lang folgten sie dem Pfad, der immer weiter abzufallen schien. Hinter einer Biegung endete er plötzlich. Vor ihnen befanden sich drei Treppenstufen, danach gewann die Aushöhlung im Fels an Raum. Atemu versuchte, in der Finsternis etwas zu erkennen, doch das Licht seiner Fackel war nicht stark genug, um seinen Schein weit genug zu werfen. Als er sich weiter umsah, entdeckte er etwas: Links und rechts verliefen an der Wand entlang feine Rillen in der Mauer, die mit einer Flüssigkeit gefüllt waren. Als er sie näher in Augenschein nahm, stellte er fest, dass es Öl war. Ohne lange zu überlegen, entzündete er es.

Mit einem leisen Zischen sprang das Feuer auf die Substanz über, fraß sich an ihr entlang immer weiter voran. Bald war Atemu klar, dass sie hier in einer größeren Höhle gelandet waren. Doch was er sah, als sämtliches Öl ringsherum in Flammen stand, übertraf seine kühnsten Vorstellungen.

Vor ihnen erstreckte sich eine Höhle, in die der Palast Men-nefers spielend hineingepasst hätte. Sie war angefüllt mit zahllosen Regalen, die wiederum unzählige Schriftrollen fassten und bis unter die Decke reichten. Leitern in regelmäßigen Abständen ermöglichten einen Zugang zu den Schriftstücken. Die gewaltigste Bibliothek, die Atemu jemals gesehen hatte. Die Wände waren über und über mit Götterdarstellungen und Hieroglyphen bemalt. Die meisten davon waren jedoch derart kryptisch gehalten, dass sich der Pharao nicht auf Anhieb einen Reim aus ihnen machen konnte.

Von der Neugierde gepackt, ließen er und die beiden Clanmitglieder ihre Fackeln am Eingang zurück und traten zwischen die Regale.

„Was ist das hier?“, sprach Samira schließlich die Frage aus, die ihr auf der Zunge lag.

„Eine Bibliothek“, erwiderte Kipino knapp.

„Das sehe ich selbst! Aber wenn er schon von diesem Ort geträumt hat – den es dann auch noch wirklich gibt – dann muss hier doch irgendetwas Besonderes sein, oder nicht?“, meinte sie und gestikulierte in Richtung Atemu.

Der Pharao nickte. „Das sehe ich ebenso. Am besten sehen wir uns ein wenig um. Aber seid auf der Hut.“

Sie teilten sich auf, jeder nahm sich ein anderes Regal vor. Normalerweise hätte sich Samira nichts Ätzenderes vorstellen können, als eine Bibliothek zu durchsuchen. Lesen war nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung, auch, wenn Kipino ihr dauernd damit in den Ohren lag, dass es nicht jedem vergönnt war, lesen und schreiben zu können. Doch diese Sammlung hier musste irgendetwas Außergewöhnliches an sich haben und sie war fest entschlossen, herauszufinden, was es war. Sie griff sich wahllos drei Schriftrollen aus einem Regal und ließ sich auf dem Boden nieder. Als sie eine davon aufrollen wollte, fiel ihr auf, dass sie mit einem kleinen, hölzernen Schildchen versehen war. Ein Name stand darauf. Achum, Sohn des Totach und der Rasut. Samira runzelte die Stirn. Sie war nie sonderlich aufmerksam gewesen, wenn sie von Kipino unterwiesen wurde, doch die Geschichte ihrer Heimat hatte sie immer interessiert. Von so einem Namen hatte sie jedoch noch nie gehört. Verwundert entrollte die das Schriftstück. Es war nicht sonderlich lang. Sie überflog die Zeilen. Etwa die Hälfte des Dokumentes gab das Leben dieses Achums wieder, das alles andere als spektakulär klang. Dann stockte Samira. Bis zu dem Punkt, an dem es hieß, dass Achum geheiratet habe, war der Texte für sie klar und verständlich. Danach wandelte sich die Ausdrucksform urplötzlich. Sie wurde kryptisch, formelhaft. Wer immer das hier geschrieben hatte, war zum Ende hin wohl übermüdet, senil oder beides gewesen. Kopfschüttelnd legte sie die Rolle beiseite und besah sich die nächste. Doch sowohl bei dieser, als auch bei der darauffolgenden, ergab sich das gleiche Muster. Ein Teil des Textes, mal länger, mal kürzer, war absolut verständlich gehalten. Ab einem gewissen Punkt war er jedoch plötzlich nicht mehr nachvollziehbar. Sie untersuchte noch einige weitere Schriftrollen, wahllos ausgewählt, nur um das gleiche Bild bei allen zu finden. Es war lediglich eine darunter, bei der sich der kryptische Teil nur auf einen Satz beschränkte – eine Rolle über das Leben eines Bauern namens Reshef.

Dann stach ihr plötzlich noch etwas ins Auge. Sie legte sämtliche Schriftrollen nebeneinander. Wie war das möglich?

Sie schnappte sich die Rollen und suchte Kipino und den Pharao zwischen den Regalen. Als sie beide gefunden hatte, breitete sie die Schriftstücke vor ihnen aus und legte ihre Beobachtung dar. Zunächst sprach sie die wechselnde Ausdrucksform der Texte an.

Atemu nickte zustimmend. „Das ist Kipino und mir auch schon aufgefallen. Aber wir haben keine Erklärung dafür.“

„Das ist aber nicht das Einzige“, fuhr der Rotschopf fort. „Seht mal her. Alle Schriftrollen weisen die gleiche Handschrift auf.“

Pharao und Schattentänzer stockten. „Dann hast du wohl zufällig Rollen des gleichen Schreibers genommen. Es liegt nahe, wenn sie nebeneinander im Regal stehen“, versuchte sich Letzterer an einer Erklärung.

„Das taten sie aber nicht! Ich habe sie völlig willkürlich herausgenommen.“

Die beiden Älteren tauschten Blicke. „Ich glaube nicht an einen Zufall“, sagte Atemu schließlich. „Aber wie kann es sein, dass ein einziger Mann all diese Schriften verfasst hat?“

Er ließ den Blick umher schweifen. Nein. Diese Arbeit würde den Lebenszyklus eines einfachen Menschen bei weitem übersteigen.

„Außerdem enthielt alles, was ich bis jetzt gefunden habe, irgendwelche Lebensläufe. Aber nicht von Königen, großen Kriegern oder dergleichen – sondern von ganz einfachen Menschen, die über ganz Ägypten verstreut leben. Warum würde man so etwas aufschreiben? Und wie soll man all das hier fertigbringen, wenn man auch noch quer durch das ganze Land reisen muss?“, überlegte Samira weiter.

„Letztes ließe sich lösen, indem die Leute zum Verfasser kommen – sofern sie es sich leisten können, eine solche Reise auf sich zu nehmen. Bei deinem anderen Argument stimme ich dir zu“, meinte Kipino.

„Sehen wir uns weiter um. Wir müssen herausfinden, was das hier ist“, entschied Atemu schließlich und wandte sich ab. Der Schattentänzer tat es ihm gleich.

Samira hingegen entschied, mit dem zu arbeiten, was sie bislang herausgefunden hatte. Sie ergriff die Schriftrolle des Bauern Reshef. Sie war am wenigsten kryptisch gehalten. Wenn sie also versuchen wollte aus den verworrenen Worten schlau zu werden, wäre es am besten sie würde hier anfangen. Doch als sie zu der letzten Zeile zurückkehrte, waren die Hieroglyphen nicht mehr dieselben. Als ihre Augen weiter über das Dokument wanderten, erkannte sie, dass sich auch der restliche Text gewandelt hatte. Nun war es nur noch eine Zeile, die nicht mehr in Rätseln geschrieben war, ansonsten war der Text vollkommen unverständlich – und diese eine Zeile sprach von der Geburt eines Mädchens mit dem Namen Kina.

Verwirrt blinzelte Samira. Sie war sich absolut sicher, dass das hier gerade eben noch die Schriftrolle des Bauern Reshef gewesen war! Eilig sprang sie auf und suchte die Anderen.
 

Die kleine Gruppe in der Himmelspforte wurde unruhiger, je länger Risha und Riell verschwunden blieben. Der Wutausbruch der Schattentänzerin verhieß nichts Gutes. Irgendetwas war passiert und es hatte mit Reshams Leichnam zu tun. So erschien es, als sei eine Ewigkeit vergangen, als beide aus Riells Behelfsquartier traten und zu ihnen ans Lagerfeuer herüberkamen. Seto erhob sich und ergriff als erster das Wort.

„Was ist passiert?“

„Ich möchte nicht darüber sprechen“, erwiderte Riell. „Wir sind in keinen Hinterhalt oder dergleichen geraten. Wir haben lediglich die Leiche meines Vaters zurückgebracht. Das ist alles was Ihr wissen müsst. Der Rest ist Angelegenheit der Schattentänzer.“

Der Hohepriester sah alles andere als überzeugt aus. Doch ehe er etwas sagen konnte, fuhr sein Gegenüber bereits fort.

„Von einer Sache möchte ich euch jedoch in Kenntnis setzen“, meinte er und hob einen kleinen Papyrus in die Höhe. Seto hatte den Fetzen bislang gar nicht bemerkt. „Dieses Schriftstück fand ich an dem Leichnam meines Vaters. Es ist an Euch gerichtet.“

Spätestens jetzt hatten beide die gesamte Aufmerksamkeit der Anderen auf sich. Riell machte jedoch keine Anstalten, das Schreiben an Seto auszuhändigen.

„Risha und ich haben es bereits gelesen. Wir mussten wissen, was es damit auf sich hat. Eine Nachricht vom Feind an jemanden aus den eigenen Reihen hätte einen Verräter unter uns bedeuten können. Ihr hättet in meiner Situation ebenso gehandelt.“

Der Hohepriester konnte nicht leugnen, dass er das getan hätte. Dennoch riss er den Papyrus aus Riells Fingern, sobald er ihm gereicht wurde. Hektisch entfaltete er ihn.

Seine Augen weiteten sich. Wieder und wieder las er den Text. Es konnte, es durfte nicht wahr sein! Mit einem Mal ergab der Regen Sinn. Caesian hatte einen Gott getötet – um ein anderes Leben zurück in diese Welt zu holen. Die Nachricht, die ihm das bestätigte, war ebenso einfach wie furchtbar.
 

Ich habe Kisara.
 

~*~*~*~


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und weiter geht's. Leider etwas kurz geraten, aber ich glaube, dass das Ende des Kapitels so am besten passt.
Das nächste Kapitel kommt bis Anfang Februar. Danach bin ich in den Semesterferien viel unterwegs, ich kann also nicht versprechen, dass vor April ein weiteres Kapitel folgen wird. Dafür wird das nächste Stück aber ein bisschen länger ausfallen.

Liebe Grüße und Danke für's Lesen!

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Seelendieb
2015-01-15T06:09:17+00:00 15.01.2015 07:09
Soooooooo... jetzt wird es interessant werden. Seto weiß von Kisara und der weiße Drache - Kisara - will nicht, dass Seto "unrein" wird. Bin mal tierisch gespannt drauf, wie sich das entwickeln wird. hehehe

Sehr gutes Kapitel. Hab das Gefühl, wir nähern uns jetzt mit ganz großen Schritten dem Finale. Super! Freu mich schon aufs Nächste!
Antwort von:  Sechmet
15.01.2015 09:52
Hey!
Danke für deinen Kommentar. :) Freut mich, dass dir das Kapitel gefallen hat!
Ein bisschen wird es schon noch dauern, bis ich mit der Geschichte fertig bin - immerhin sind da einige Handlungsstränge, die momentan noch in der Luft hängen und zusammengeführt werden wollen. Aber die Grundsteine für die letzten Kapitel werden jetzt allmählich gelegt.
Danke dir und bis zum nächsten Mal!
Sechmet
Von:  Yanara126
2015-01-13T21:33:09+00:00 13.01.2015 22:33
Ooooookay... Das muss eine verdammt große Bibliothek sein! O.O Der unverständliche Text ist auch interessant. Warum der wohl so kryptisch ist? Muss ja einen Grund dafür geben. Und was wird Seto jetzt wohl machen?
Ich frag mich ja ob der Schwarze Magier auch noch eine Rolle kriegt. Wenn ja, ist es dann nur das Monster oder wirklich Mahado, oder wie auch immer du ihn schreibst? Ich persönlich finde das O am Ende zwar komisch, aber bitte.
Jedenfalls wieder ein sehr gelungenes Kapitel, auch wenn es tatsächlich ein bisschen kurz war. Ich freu mich schon aufs nächste.
LG Yanara
Antwort von:  Sechmet
13.01.2015 23:42
Hi Yanara!
Danke für deinen Kommentar! :)
Ja, die Bibliothek ist verdammt groß ... warum wird sich noch zeigen.
Die Frage zum Schwarzen Magier kann ich dir beantworten. Ich hoffe, du bist nicht allzu enttäuscht, aber er ist für diese FF nicht vorgesehen. Da ich ihn immer als Geist Mahads (ich schreibe ihn ohne O, mit dem O wirkt es mir zu Japanisch, ohne O klingt der Name ägytischer) begriffen habe, habe ich die Vorstellung, dass er, ebenso wie Kisara, Atemu etc. nach der fünften Staffel ins Totenreich eingegangen ist. Klar könnte man jetzt darüber streiten, ob er nicht an Atemu gebunden sein müsste, aber für mich waren die Ka-Bestien des Pharao immer die Ägyptischen Göttermonster. Mahad war für mich nach seinem Ableben in der Serie eher ein Schutzgeist. Ich lasse dem Guten jedenfalls seinen Frieden.
Freut mich, dass dir das Kapitel trotz der Kürze gefallen hat. Ich habe lange überlegt, ob ich es länger machen soll, fand dann aber, dass ich dadurch den Cliffhanger zerstören würde.
Danke nochmal und bis zum nächsten Kapitel!
Sechmet


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