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Kalendertage

Der Tag, an ...
von

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45 - Der Tag, an dem das Einhorn Ausgang hatte

Den Hokageturm hinter mich lassend war ich schweigend durch die Straßen gelaufen. Auf den ersten Blick wohl etwas planlos, doch auf den zweiten Blick suchte ich gezielt Umwege auf, weil ich wegen des Fußes noch einen Arzttermin hatte. Allerdings wäre ich auf direktem Wege viel zu früh dort in der Praxis aufgeschlagen und hätte es mit all diesen neuen Informationen in meinem Kopf gar nicht ertragen, im Wartezimmer still auf einem Stuhl die Zeit absitzen zu müssen. Das Adrenalin rannte durch meinen Körper wie eine Horde Karnevalsjecken. Es kribbelte in mir, weil ich so durcheinander war. Hatte ich eben wirklich das Wort „Informationen“ benutzt? Früher hätte ich vielleicht „Erkenntnisse“ oder eher „Neuigkeiten“ gesagt. So sehr hatte mich der Ninja-Kram schon infiziert, dass ich teilweise das Vokabular von der Bande übernahm. Ich blieb mir selbst die Antwort schuldig, ob das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen wäre. Viel zu sehr beschäftigt hing ich meinen Gedanken nach.

Mein Vater war also schwerkrank und lag im Sterben. Krebs. Wie so viele Menschen dieses Schicksal ereilte, so hatte es auch ihn erwischt. Nun gut. Das war hart, aber nicht zu ändern. Trotzdem traf es mich empfindlich. Blut war doch dicker als Wasser. Man hatte alle die ganzen Jahre immerhin familiär verbracht. Wäre ich Raucherin, ich hätte mir wohl oder übel eine Kippe angesteckt, weil das ja angeblich so entspannend wirken sollte. Ernsthaft hatte ich sogar für eine Sekunde die absurde Idee gehabt, ich hätte Shikamaru um einen Glimmstängel anbetteln sollen. Das war natürlich Blödsinn, weil ich nie das Bedürfnis gehabt hatte, mich von der Nichtraucherseite abzuwenden. Shikamaru übrigens auch nicht. Aber ab und zu in der Pause rauchte er auf dem Seitenbalkon des Turms eine Asuma-Gedächtnis-Zigarette. Das musste so sein und basta!

Mein Verhältnis zu meinem Vater war schwer zu beschreiben. Einerseits war er sehr offenherzig gewesen, andererseits undurchschaubar und stets auf Distanz. Darüber hinaus war er zuhause so gut wie nie anzutreffen. Wenn ich meiner Familie nach deren Meinung Schande bereitet hatte, so hatte ich stets die Kämpfe mit meiner Mutter auszutragen. Mein Vater war nie zugegen. Umso mehr wunderte mich nun sein Entschluss, mir die Firma zu vermachen. Auch da wurde ich mir selbst nicht klar, ob das nun gut oder schlecht wäre. Ich glaubte mal eher, es wäre schlecht, denn obgleich die Stahlhütten volle Auftragsbücher hatten, so steuerte durch Misswirtschaft der ganze Karren in den Dreck. Man könnte auch klar sagen: Die Firma stand kurz vor dem Ruin. Vielleicht sollte es der letzte Wille und Wunsch meines Vaters sein, dass ich diesen Karren aus dem besagten Dreck zu ziehen hätte, weil ich als einzige im Gegensatz zu allen anderen Familienmitgliedern jahrelang kaufmännisches Geschick bewiesen hatte.

Schon wieder war ich am Grübeln. Ich grübelte oft in letzter Zeit. Viel zu viel. Die Leichtigkeit, dass Leben in vollen Zügen zu genießen, wie ich es die vergangenen Jahre getan hatte als ich mit Yuuki noch im Kontor wohnte, war mir abhanden gekommen. Ich erinnerte mich wieder, wie mich mein Freund mal fragte, ob ich glücklich und zufrieden wäre. Ich meinte schon, dass ich diese Frage bejaht hätte. Nun aber war ich wieder völlig verunsichert und durcheinander. Dabei hatte ich doch ganz viel, was mich glücklich machen müsste. Da begann ich nun zu grübeln, was Glück wirklich wäre und wie man es erkennen und schätzen lernen müsste. Mein Kopf qualmte wie Shikamarus Zigaretten.

Ûhei war wirklich ein zuvorkommender und aufmerksamer Ninken. Es entging ihm ganz und gar nicht, dass ich recht niedergeschlagen war, obwohl ich versuchte zu lächeln. Und er konnte deutlich sehen, wie sehr ich mich durch das Gehen überanstrengte und mehr und mehr humpelte. Eine besorgte Hundeschnauze schnappte nach meinem Hosenbein und zog mich sanft, aber energisch zu einem naheliegenden Ramenrestaurant, welches gerade seine Pforten öffnete. Mein Magen knurrte, und erst jetzt wurde mir klar, dass es schon fast Mittagszeit war.

Ichirakus Ramenbude hatte sich durch sein Werbeaushängeschild namens Naruto gewaltig verändert. Ein großzügiger Umbau hatte die einstige Bretterhütte in ein modernes Restaurant mit unzähligen Sitzplätzen verwandelt. Wohl aus nostalgischen Gründen flatterten an der äußeren Seitenfront noch die alten, dem Sonnenschutz dienenden Tücher, unter welchen man hindurch tauchten musste, wollte man das Restaurant über den Seiteneingang betreten oder verlassen. Heilfroh ergatterte ich einen Tisch fernab der Theke und dem Gedränge, welches gerade hereinströmte. Eine Handvoll Zeitschriften lagen auf einem der Stühle. Ungewöhnlich, dass sie beim Saubermachen der Lokalität vergessen worden waren, doch ich nahm sie gerne zur Hand, um meine Gedanken zu zerstreuen bis man meine Bestellung aufnehmen würde. Das ging hier ziemlich schnell von statten, obgleich die Bedienung ein wenig stutzte: Der Verkaufsschlager war Tonkotsu-Ramen, die ich aber gar nicht so mochte, weil die Brühe, wie der Name schon sagte, auf abgekochten Schweineknochen basierte. Ich orderte lieber eine Miso-Ramen mit Lauchzwiebel, halbgekochtem Ei, Mais, Thunfisch und Nori-Blättern. Naja, wird sich die Bedienung gedacht haben, Touristen hätten immer besondere Extrawünsche, und zog mit ihrem Notizblock fleißig zum nächsten Tisch. Optisch gehörte ich nach wie vor nicht zu Konoha. Und meinen Dialekt konnte ich oft auch nicht unter Kontrolle bringen.

Der Laden füllte sich in unglaublicher Geschwindigkeit. Schon bald war er bis auf den letzten Platz besetzt. Ein hektisches Treiben setzte hinter dem Tresen ein. Wenn man gewollt hätte, hätte man zuschauen können, wie der Koch die Speisen herstellt, weil die ganze Kochprozedur nämlich direkt dahinter stattfand. Zack, und schon stand der heiße Suppenteller frisch dampfend vor mir. Ich bezahlte gleich, damit ich später nicht warten müsste. Das hasste ich nämlich, wenn man sich auf den Weg machen wollte, aber die Bedienung nicht zum Kassieren an Land kam. Ich fragte Ûhei, ob er vielleicht auch etwas zu fressen oder zu saufen bräuchte, doch der Hund schien wunschlos glücklich. Er lag zu meinen Füßen unter dem Tisch und döste. Schulterzuckend schlürfte ich die Schüssel leer und fand es einfach nur lecker. Da nutzte mir auch der Touristenbonus, beim Schlürfen den Tisch bekleckern oder die Nudel durchbeißen zu können, wie es mir beliebte, denn als Auswärtige wüsste ich es ja eh nicht besser. Mein Kopf war freier geworden. Gedankenverloren irrten meine Augen durch die Essensgäste ohne sich einen von diesen genauer anzusehen. Der Bekleidung nach waren ebenso viele Passanten wie Shinobis hier. Diejenigen, die fertig mit ihrer Mahlzeit waren, zogen an meinem Tisch entlang wieder hinaus. Mein Geist musste verrückt spielen, denn zeitweilig meinte ich, dass einige Leute extra an meinem Tisch entlang streiften. Bohrende Blicke auf mir spürend, zuckte ich zusammen. Nein, das war bestimmt nur eine Einbildung. Seit der Entführung hatte ich mir einen Dachschaden geholt. Es hatte auch nur mäßig geholfen, mich mit meinem Freund über solch schlimme Erlebnisse auszutauschen. Wir hatten noch nicht die passende Gelegenheit dazu gefunden. Und Kakashi ging mit seinen Traumata auch nur in so fern um, dass er nicht darüber sprach und sie unverarbeitet hinunterschluckte.

Meine Schüssel war geleert, doch wollte ich noch nicht weiter. Bis zum Arztbesuch hatte ich noch etwas Zeit. Ich blätterte wieder durch die Regenbogenpresse, die teilweise schon ein paar Wochen auf dem Buckel hatte, und blieb beim Jahreshoroskop hängen. Da musste ich schmunzeln, wie mir bei den Horoskopen immer einer Anekdote aus der Schwangerschaft einfiel. Mein Frauenarzt war erkrankt, weshalb ich zu einer regelmäßigen Routineuntersuchung eine andere Praxis aufsuchen musste. Eine junge Frau stellte sich mir als Ärztin vor, untersuchte mich und las sich anschließend in dem Schwangerschaftsheftchen von Seite zu Seite, um die Ergebnisse einzutragen. Plötzlich wurde sie blass. Nein, blass war gar kein Ausdruck. Sie wurde weißer als der Kalk an der Wand. Weißer als ihr Arztkittel. Natürlich geriet ich ihn Panik, dachte ich schon, mit meinem Baby wäre etwas nicht in Ordnung. Und dann begann sie auch noch so geheimnisvoll und bestürzt zu fragen, ob ich mein Baby nicht später bekommen möchte. Sie würde dafür alles in die Wege leiten. Ich musste Augen so groß wie Kuchenteller gehabt haben, und ich wusste noch ganz genau, wie es mir heiß und kalt den Rücken herunterlief. Das Ende vom Lied war ein alberner Aberglaube dieser Ärztin. Das hätte ich von ihr gar nicht gedacht, denn sie schien mir so frisch und frei aus der Ausbildung zu kommen, wo es doch wissenschaftlich und nicht okkult zugehen müsste. Ganz unverblümt redete sich nun die Ärztin ihr Problem von der Seele. Der errechnete Geburtstermin läge kurz vor dem Neujahrstag. Würde das Kind vor diesem Tage zur Welt kommen, würde es im Schlangen-Jahr geboren werden. Und Schlangen-Kinder wären sehr schwierig. Zwar wären sie klug, aber auch sehr machtgierig. Es wäre doch besser, wenn das Kind ein paar Tage später im Jahr des Pferdes geboren würde. Die wären zwar auch schwierig und sprunghaft, aber nicht so schlimm wie Schlangen und obendrein gesellig. Ich musste die Ärztin angeschaut haben, als hätte ich einen Geist angetroffen. Schockiert lehnte ich das Angebot ab und verließ die Praxis. Übrigens sollte ich Yuuki sogar schon zwei Wochen vor dem errechneten Termin überglücklich in meinen Armen halten. Er war dem Datum nach definitiv eine Schlange, aber Hauptsache gesund. Wir beide kamen bis jetzt gut damit zurecht. Heute konnte ich über diese Geschichte lachen. Damals hatte sie mich in Angst und Schrecken versetzt. Amüsiert blätterte ich in den Zeitschriften weiter.

„Feind auf fünf Uhr!“, knurrte es warnend vom Hund unter dem Tisch hervor.

Verwundert sah ich auf und sah auch schon in einem Wandspiegel das grüne Schicksal von schräg hinten auf mich zurollen wie ein Panzer auf dem Schlachtfeld. Gai war sicherlich kein Feind wie es Ûhei spöttisch ausdrückte, aber ich fand ihn nach wie vor extremst anstrengend. Oder wie Shikamaru sagen würde: Nervig! Schlimmer als ein Gai allein, war ein Gai mit Personen im Schlepptau, die ich gar nicht allesamt kannte. Hoffentlich waren das keine Gai-Kopien wie Rock Lee oder dessen Sohn Metal Lee.

„Hallo, Sherenina! Das ist ja eine Überraschung. Was macht dein Fuß? Hier ist doch sicherlich noch Platz für uns?“

Gai strahlte mit der weißen Kauleiste heller als die Neonröhren an der Fensterfront. Ohne meine Antwort abzuwarten, platzierte er sich einfach neben mich und deutete seinen beiden Begleitern jeweils einen Stuhl an. Die setzten sich grüßend, taten aber eher verhaltend, weil sie mich ebenso gut kannten wie ich die beiden. Nämlich gar nicht.

„Och, es geht schon ganz gut mit dem Fuß“, versuchte ich der Situation zu entkommen. „Ich muss auch damit gleich zum Arzt weiter.“

Ich war unruhig und nervlich angespannt. Es wäre ein Unding, wäre dieses den beiden Shinobi neben Gai nicht aufgefallen. Die hatten dafür gewöhnlich gepolte Antennen. Der grüne Clown hingegen hatte meiner erlebten Erfahrung nach für vieles gar keine Antennen. Er rollte wie ein Elefant im Porzellanladen durchs Leben und merkte erst hinterher, was er mit seinem Feuereifer alles platt gefahren hatte. Das war sehr schade, denn er hatte durchaus die positiven Eigenschaften, dass man sich mehr als hundertprozentig auf ihn verlassen konnte und er einen niemals hängen ließ. Doch sein überdrehtes Auftreten war und blieb einfach peinlich und stieß Menschen, die ihn nicht kannten, sofort unangenehm vor den Kopf.

„Du schaust aber blass um die Nase aus“, stellte Gai besorgt fest.

Ich winkte ab und behauptete, dass ich seit der Entführung manchmal übersensibel reagieren würde. Und so ganz gelogen war das noch nicht einmal. Mir war nicht danach, das Thema zu vertiefen und hoffte, Kakashis selbsternannter Rivale Nummer Eins würde nicht weiter nachhaken. Unbedacht schob ich nach:

„Ich habe seit heute Morgen das Gefühl, ich werde angestarrt.“

„Angestarrt?“, wunderte sich Gai.

Kurzes Schweigen. Doch selbst hier am Tisch spürte ich, wie ich gemustert wurde. Mir wurde es mulmig zu Mute. Hatte ich die Pest am Leibe oder einen bösen Fluch an mir?

„Das ist keine Einbildung. Kennst du das Einhorn-Syndrom?“, fragte mich der Typ mit dem Zahnstocher im Munde.

Da er mich offen ansprach, nahm ich den nun genauer unter die Lupe. Geschätzt musste der so groß wie ich sein. Mit Sicherheit so alt wie mein Freund, aber nicht älter als Gai. Und ich hatte den verdammt schon einmal irgendwo gesehen. Aber wo? Es wollte mir beim besten Willen nicht einfallen. Er grinste etwas verwegen, schob das Stäbchen von einem in den anderen Mundwinkel und sah mich aufmerksam an. Das Einhorn-Syndrom? Nie davon gehört. Ich schüttelte den Kopf, war aber gespannt, was es damit auf sich haben könnte.

„Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, ein Fabeltier wie zum Beispiel ein Einhorn zu treffen?“, wollte er mir einen Denkansatz geben.

„Die Wahrscheinlichkeit liegt wohl bei Null, denn es gibt in der Realität keine Einhörner“, antwortete ich und hoffte, mich nicht blamiert zu haben, weil ich ihm eventuell bei einer geschickten Fangfrage auf den Leim gegangen wäre.

„Ganz genau!“, bestätigte er jedoch meine Antwort und ließ mich erleichtert aufatmen. „Auf einer Mission hatte es mich früher mal auf eine abgelegene Insel verschlagen. Die Einwohner dort sind alle irgendwie um viele Ecken miteinander verwandt. Darum sehen die sich auch alle sehr ähnlich. Alle haben einen dunklen Teint, schwarze Haare und braune Augen. Die Inselbewohner halten kaum Kontaktpflege zur Außenwelt. Für Außenstehende gibt es dort nichts, was eine Reise lohnen würde. Somit sind die Leute dort stets unter sich. Man kennt demnach Menschen mit einer anderen Haar- oder Augenfarbe nur aus Berichten und Erzählungen. Die Wahrscheinlichkeit, mal solch einen anders ausschauenden Menschen zu treffen, geht gegen Null.“

Ah, nun verstand ich. Sollte auf der Insel jemals ein unbekannter Neuling entdeckt werden, so würde der von den Einheimischen automatisch begafft wie ein exotisches Wunderding. Weiter erzählte mir der Shinobi, dessen Name mir immer noch nicht eingefallen war, dass es sogar ältere Inselbewohner wären, die blonde Haare von Besuchern anfassen würden, nur um zu sehen, ob diese echt wären. Das klang so unglaublich, dass wir in der Runde am Tisch uns erstaunt äußerten. Doch es sollte wohl tatsächlich der Wahrheit entspringen.

Und was hatte nun das Einhorn mit mir zu tun? Doch dann fiel der Groschen und ich lachte kurz auf. Jemals eine Frau an Kakashis Seite zu wissen, war genau so unwahrscheinlich, wie ein Einhorn zu sichten. Vermutlich glaubte man sogar im Dorfe, es wäre eine sowieso Unmöglichkeit, dass mein Freund eine Beziehung hätte, weil er zeit seines Lebens als Einzelgänger unterwegs war. Sonderbar und fast schon ein bisschen traurig, was die Leute anscheinend so dachten. Es fiel mir wieder ein, wie Kakashis Chakraspur an mir klebte und der eine oder andere Shinobi mich merkwürdig beäugt hatte. Völlig ausgeschlossen, dass an einer wildfremden Frau seine Chakraspur haften könnte. Also so was!

YEEESS! ICH war das Einhorn! Und seit heute Morgen nach dem Rundgang durch Kakashis Arbeitsstelle war das nun wohl mit unsere Beziehung für den einen oder anderen offensichtlich, obgleich wir durch die Flure sehr unpersönlich nebeneinander hergegangen waren. Man hätte eher vermuten können, ich wäre lediglich eine Botin aus einem der anderen Reiche und hätte eine Nachricht an Hokage-sama übergeben müssen. Nun ja, eine Kleinstgruppierung im engsten Bekanntenkreis wusste ja schon länger Bescheid. Trotzdem wurde augenscheinlich getuschelt. So ein Einhorn wollte ja jeder mal gesehen haben.

Genauso, wie der Shinobi mit dem komischen Zahnstocher im Mund.

„Cleveres Mädchen“, kam es zufrieden vom Stäbchenkauer und reichte mir dann begrüßend seine Hand, weil er wohl wusste, dass dieses in meiner Heimat so Usus wäre.

„Genma!“, stellte er sich kurz und knapp vor.

Der Name kam mir ebenso bekannt vor, wie sein Gesicht. Woher, woher? Ich feilte immer noch die Groschen in meinen Hirnwindungen, damit sie endlich mal fallen könnten. Da half nur noch beschämtes Nachfragen.

„Wir sind uns schon mal flüchtig über den Weg gelaufen, aber ich weiß nicht mehr, wo das war“, gestand ich.

„Bei der Anmeldung zur Aufnahmeprüfung auf die Akademie. Du hattest mir am Meldetisch die Formulare überreicht“, kam es ohne großes Überlegen seinerseits.

Mit der flachen Hand deutete ich einen Schlag an meine Stirn an. Es stimmte. Plötzlich hatte ich wieder das Bild vor Augen, wie ich Genma Yuukis Startzettel zur Prüfung gab und er mich dabei irritiert anglotzte, just in der Sekunde, wo sich unsere Finger berührten.

Und nun stellten sich auch der Dritte im Bunde vor. Ebisu hieß der. Den hatte ich noch nie zuvor gesehen und war aber wohl ein ruhigerer Vertreter. Kerzengerade sitzend und still hatte er gelauscht. Zwischendurch schob er seine Sonnenbrille mit kleinen Rundgläsern auf der Nase zurecht.

Die Bedienung tippelte an unserem Tisch vorbei, um die Essenswünsche zu notieren. Ich hingen nutzte die Chance und zahlte bei ihr mein Essen. Sie unterbrach unsere Vorstellungsrunde. Schade, gerade wurde es interessant. So konnte ich durch Gais vorlautes Mundwerk noch erfahren, dass Ebisu, Genma und er früher in ein und demselben Ausbildungsteam waren. Viel zu selten liefe man sich heutzutage nur noch über den Weg, weil jeder von ihnen einen anderen Karriereweg eingeschlagen hatte. Obendrein hatten sie allesamt mit Kakashi zusammen die Schulbank gedrückt. So schloss sich ein weiterer Kreis. Gai konnte es sich in diesem Zuge auch nicht verkneifen zu berichten, wie sie Kakashis Team einmal grandios geschlagen hätten. Ebisu musste jedoch den Erfolg kleinreden. Mit dem damaligen Tollpatsch Obito in einem Team wären Siegeschancen von Beginn an gering gewesen. Für einen Moment schien es, dass jeder der Drei irgendeiner Erinnerung nachhing, sie aber sofort wieder beiseite schob.

Mein Blick fiel auf die Uhr. Doch schon so spät? Erschrocken sprang ich auf. Ich hatte doch noch den Arzttermin! Von meinem Übereifer überrascht, riss Ûhei den Kopf hoch und stieß ihn sich ganz empfindlich an der Stuhlkante. Da erst bemerkte man den Ninken. Ebisu beugte sich sogar etwas zu ihm hinab.

„Nanu, was machst du denn hier?“

Ûhei kroch hervor, machte an meiner Seite ganz artig „Sitz!“ sagte nur:

„Geheimmission!“

Er konnte und wollte nicht zugeben, dass er von seinem Herrchen zu mir zur Strafe abkommandiert worden war für die vielen geklauten Hundekuchen im Supermarkt. Wenigstens war er ehrlich und sagte häufig, dass es doch eine sehr milde Strafe wäre, an meiner Seite zu sein. Eher ein entspanntes Arbeiten mit vielen Pausen und Freiräumen.

Ich dankte für die nette Bekanntmachung und verabschiedete mich höflich. Die Shinobis ebenso. Verdächtig grinsend saß Genma auf dem Stuhl und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Es lag im etwas auf der Zunge, was sein schelmisches Grinsen schon fast zu einer boshaften Fratze werden ließ. Was auch immer ihm gerade bei der Verabschiedung durch den Kopf schoss, es schien mir unheilvoll und boshaft. Ich wünschte, er hätte es nie ausgespuckt. Tat er aber. Völlig unverblümt und rücksichtslos.

„Pass gut auf dich auf!“ sagte er mir noch und gab mir ein bitterböses Rätsel mit auf den Weg: „Wie erreicht man das Herzen einer Frau am schnellsten?“

„Was soll das, Genma!?“, polterte Gai sofort entsetzt los.

Ebisu verlor beinahe seine Brille und räusperte sich bestürzt. Ûhei zuckte zusammen. Man gut, dass mir die Geschichte hinter dieser Frage bekannt war. Da half nur absolute Souveränität. Auf gar keinen Fall durfte man sich von so etwas einschüchtern oder gar verunsichern lassen. So wandte ich mich zu ihm und sagte mit Grabesstimme.

„So sei es!“

Mit einem Pokerface machte ich auf dem Absatz kehrt, da das diabolische Grinsen nun auf meiner Seite war. Zu gerne hätte ich nun die neuen Reaktionen am Tisch beobachtet, doch dazu fehlten mir an meinem Hinterkopf ein paar passende Augen. Gai meinte irgendwann später, Genmas Gesicht wäre zu Eis erstarrt und sein Senbon wäre ihm zum ersten Mal im Leben in aller Öffentlichkeit aus dem Mund gefallen. Selbst von Ebisu, der sich selten in Streitereien einmischte, hagelte es eine Handvoll saftiger Tadel. Mit so einer Antwort meinerseits hatte niemand gerechnet, und Genma am wenigsten. Er ist ein schwer zu durchschauender Mensch. Keine Ahnung, was er sich dabei gedachte hatte, ausgerechnet diese Frage zu stellen. Ob das nur ein ganz übler Scherz sein sollte, eine Warnung oder weil er Kakashi eines auswischen wollte. Beide waren sich häufig nicht ganz einig. Kakashi kam immer ins Grübeln, wenn es um Genma ging. Was auch immer zwischen den beiden ein Problem war, es hatte Genma den Job gekostet, weiterhin zur Hokage-Leibgarde zu gehören. Vielleicht würde es sich in ferner Zukunft klären.

Ich dankte für die nette Bekanntmachung und verabschiedete mich höflichst. Äußerlich gefestigt, innerlich getroffen, trabte mit geknicktem Fuße ein Einhorn zum Arzt.
 

Teams wurden auf Missionen geschickt. Teams kehrten auch wieder nach Hause. Doch manchmal fehlte einer auf dem Rückweg. Im schlimmsten Falle musste das ganze Team sogar gerettet werden, weil die Mission fehlgeschlagen war. Dann wurden die Überleben lange und übelst verhört, getadelt, bestraft oder gar mit Spott übersät. Getröstet wurden sie nie. Niemand scherte sich um die zerrissenen Seelen und gebrochene Herzen. Nur kaputte Knochen und zerfetzte Körperteile wurden geheilt.

Wenn ein Teammitglied starb, so sprach man nicht darüber, wie und warum dieses geschah. Man machte es mit sich aus und teilte niemals den Schmerz.

Ein Shinobi zeigte keinen Schmerz.

Ein Shinobi weinte nicht.

Als Rin tödlich verletzt und Kakashi bewusstlos im Wald aufgegabelt wurden, machten schnell Gerüchte die Runde. Das hätte er nur getan, um die nächste Stufe des Sharingans zu aktivieren, warf man ihm vor. Vom Kameradenmörder Kakashi wurde da gelästert. Und viele glaubten das sogar und wandten sich von ihm ab.

Da war es kein Wunder, dass eines düsteren Tages Kakashis Spindtür mit Blut beschrieben wurde:

„Wie erreicht man das Herzen einer Frau am schnellsten? - CHIDORI!“



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