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Touching Tomorrow

von

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17.12.

Jodie sah auf die Uhr.

8:10. Du hast schon mal länger geschlafen, sagte sie sich selbst. Sie ging in die Küche, kochte Kaffee und deckte den Frühstückstisch. Sie goss sich bereits eine Tasse ein und trat an das Küchenfenster. Draußen begann der Schnee. Die Stadt war friedlich. Fast hätte sie all ihre Sorgen vergessen.

Das monotone Schnarchen von Camel – der auf dem Sofa schlief – holte sie aber wieder in die Realität zurück. Obwohl sie nicht allein war, fühlte sie sich einsam. Sie wollte, dass das alles aufhörte. Sie wollte nachts wieder in Ruhe schlafen und nicht immer daran denken müssen, was man ihr vorwarf. Außerdem konnte sie das mulmige Gefühl in ihrer Bauchgegend nicht los werden. Wie viele neue Alerts würde sie heute wohl haben?

Wann hörten sie endlich auf? Wieso fanden sie keine neue Geschichte die sie breit treten konnten? Warum war sie auch nur so hinter ihr her. Jodie biss sich auf die Unterlippe. Wenn nicht bald ein Wunder geschah, würden sie nie Ruhe geben.

Als es an der Tür klingelte, zuckte Jodie zusammen. Außerdem hörte sie ein Gähnen. Jodie ging durch den Flur zur Haustür. Sie nahm das Telefon der Freisprechanlage in die Hand. „Ja?“

„Guten Morgen, Inspektor Takagi hier. Könnten Sie mich rein lassen?“

„Inspektor“, murmelte sie. „Natürlich.“ Sie betätigte den Summer. Jodie atmete tief ein.

„Was ist passiert?“

Sie drehte sich überrascht um und sah Camel an. „Gott, Camel, musst du mich so erschrecken?“, wollte sie wissen.

„Tut mir leid…das war keine Absicht.“

„Schon gut. Ich wusste ja, dass du hier bist.“ Sie sah wieder zur Tür. „Inspektor Takagi kommt gleich.“

Es klingelte erneut an der Tür. „Das wird er sein“, sagte Jodie. Sie versuchte nicht eingeschüchtert zu wirken. Dennoch öffnete sie die Tür mit einem sehr schlechten Gefühl. „Inspektor Takagi, guten Morgen, kommen Sie doch rein.“

Der Inspektor nickte und trat ein. „Bitte entschuldigen Sie die frühe Störung.“ Er sah an Jodie vorbei. „Oh. Agent Camel, guten Morgen.“

„Guten Morgen“, sprach der Agent.

„Inspektor“, fing Jodie an. „Haben Sie Neuigkeiten wegen Sayaka Shibungi? Ist sie wieder aufgetaucht?“, wollte sie dann wissen.

Takagi schüttelte den Kopf. „Es tut mir wirklich sehr leid. Es ist uns allen nicht leicht gefallen.“ Er zog einen Zettel aus seiner Jackentasche und gab ihn Jodie.

Sie wurde bleich. „ich…ich werde verhaftet…?“

„Ja“, sagte Takagi. „Wir haben weitere Beweise. Wir können…wir dürfen Sie jetzt nicht mehr frei rumlaufen lassen. Es ist erst einmal die Untersuchungshaft. Noch ist alles offen.“

Jodie schluckte.

„Ich habe dafür gesorgt, dass Sie in Einzelhaft kommen. Ich möchte das jetzt gern ohne großes Aufsehen machen, kommen Sie bitte mit?“

„Ja…natürlich…brauch ich irgendwas?“

„Ihr Anwalt wird Ihnen die Sachen mitbringen. Machen Sie sich keine Sorgen.“

„Ist gut…“, murmelte sie. Jodie blickte zu Camel. „Kannst du…?“

„Ich informiere Black und Akai.“

„Danke. Und sag ihnen, dass ich das durchsteh. Sie müssen sich keine Sorgen um mich machen.“
 

***
 

Gin saß an seinem Laptop. Er studierte die veröffentlichten Artikel. Sowohl die von Zeitungen als auch die der Internetportale. Bei jedem Artikel kämpfte Gin mit seinem Würgereflex. Sie alle beschrieben Sayaka als Heilige. Etwas das sie wahrlich nicht war. Trotzdem waren alle Artikel sehr eintönig, was nur an einer Sache liegen konnte: Die Polizei hatte keine neuen Beweise.

Und wo nichts war, konnte nichts Neues veröffentlicht werden. Aber Gin kannte die Medien. Sie würden weiter forschen. Und wenn nicht, würde er dafür sorgen.

Gin knurrte. Diesmal würde er das FBI nicht so einfach davon kommen lassen. Jodie Starling war zwar niemand der ihnen gefährlich werden konnte, doch sie hatte die falsche Wahl getroffen.

Wer hätte gedacht, dass Sayaka uns doch noch nützlich sein wird.

Ihr Verschwinden rief einige Menschengruppen auf den Plan: Polizei, Presse, FBI. Wer aber nicht hören wollte, der musste fühlen. Und Sayaka war ein Risiko für die Organisation. Die Tatsache war alles andere als zu übersehen. Sayaka baute Gefühle auf wo sie keine haben durfte. Die Gefahr dass sie ausstieg und irgendwann alle mit in den Abgrund riss, war zu hoch. Sie musste eliminiert werden. Vor allem dann, als bekannt wurde, dass sich auch das FBI in der Firma breit machte und alles haargenau unter die Lupe nach.

Sayaka konnte man nicht mehr trauen. Auch wenn sie nicht viel wusste, konnte die Organisation nicht zulassen, dass auch nur eine Person einfach so ausstieg. Nur der Tod war das Ende. Eine andere Möglichkeit hatten die Mitglieder nicht. Die Organisation musste nun hart durchgreifen. Sie hatten so viele Verräter, so viele Menschen die ihnen auf der Nase herum tanzten – sie alle mussten bestraft werden. Es war eine Schmach für sie, dass gerade die Personen ein recht hohes Ansehen bei der Organisation genossen. Und einer von ihnen lief noch draußen frei herum. Allein deswegen musste Gin schon sorgen, dass Sayaka Shibungi für immer schwieg.

Gin gab zwar Vermouth den Auftrag sich um Sayaka zu kümmern, trotzdem war er sich im klaren, dass es schwer war die Frau unter Kontrolle zu halten. Vor allem dann, wenn das FBI ihre Nase hinein steckte. Und er traute der Schauspielerin nicht. Vermouth spielte ein falsches Spiel. Sie betrog und log wenn sie nur die Möglichkeit dazu bekam. Sie war alles andere als vertrauenswürdig. Irgendwann würde der Boss die Wahrheit auch noch erkennen.

Natürlich setzte Gin sein Vertrauen nicht in Vermouth. Er selbst hatte auch die Akte von Sayaka gelesen und war Vermouth am nächsten Tag gefolgt. Er konnte durch ihre Verkleidung hindurch sehen und wusste, welche Rolle sie spielte. Aus sicherer Entfernung – sowohl vor dem FBI als auch vor den Kameras – beobachtete er das Szenario.

Na, schnüffelst du mir nach?, hatte Vermouth gefragt, als sie ihn endlich erblickte. Natürlich war er für sie absichtlich auffällig. Sie sollte wissen, dass er da war und sie beobachtete.

Aber eines musste er ihr lassen. Sie wusste, wie sie Sayaka Angst einjagen konnte und in die Ecke drängte. Gin hatte fast keinen Zweifel mehr an der Loyalität der Frau gehabt. Fast.

Am nächsten Tag verschwand Sayaka rein zufällig. Sie fuhr nicht zur Arbeit. Stattdessen blieb sie zu Hause. Und genau dort verlor sich ihre Spur.

Ich? Was soll ich damit zu tun haben?, wollte Vermouth im Anschluss von ihm wissen. Sie tat als wüsste sie nichts.

Für alle andere wäre es einfach nur Zufall, aber Gin glaubte nicht an Zufälle. Besonders nicht wenn sie sich wie jetzt häuften. Aber solange er Vermouth nichts beweisen konnte, musste er die Füße still halten. Gin saß in seinem Wagen. Er stand weit genug von Medipharm entfernt. Er würde nicht auffallen. Er stieg aus und ging einige Schritte in die Richtung des Unternehmens. Die Agenten im Zivilfahrzeuge erspähte er schnell. Akai war nicht in der Nähe. Das spürte er.

Gin blieb stehen und zog sein Handy aus der Manteltasche. Er unterdrückte die Nummer und rief als potentieller Kunde am Empfang in der Firma an. Gin wusste welche Knöpfe er drehen musste, schon bald hatte er die Aufmerksamkeit der Empfangsdame, die sich mehrfach aber entschuldigte. Sota Shibungi war nicht in der Firma. Er nahm sich einige Tage frei. Dennoch versicherte sie ihm, dass der Geschäftsführer zurück rufen würde. Gin sagte ein paar zufällige Zahlen ehe er auflegte.

Gin schüttelte den Kopf. Es brachte nichts an die vergangenen Tage zu denken. Er musste sich wieder auf das konzentrieren, was vor ihm lag. Er aktualisierte das Fenster an seinem Laptop. Er knurrte und fuhr zurück zum Gebäude. Noch immer wurde keine Nachricht eingespeist, dabei hätte es eigentlich der Fall sein sollen. Außer…

Wodka kam in den Raum. Er sah seinen Partner an. „Ich konnte sie nicht finden“, sprach er.

Gin klappte den Laptop zu und drehte sich um. „Wo warst du?“

„Auf dem Friedhof. Dort wo ihr Bruder und ihre Eltern liegen. Die vergangenen Wochen hat sie das Grab ihres Bruders häufiger besucht.“

„Was ist mit dem Peilsender?“, wollte Gin wissen.

Wodka schüttelte den Kopf. „Das Handy blieb im Haus. Immer wenn wir es überprüfen, werden wir wieder dorthin geführt. Sie muss es liegen gelassen haben“, folgerte er. „Nach dem Friedhof bin ich zu ihrem alten Elternhaus und dem Haus ihrer Großmutter gefahren. Dort war sie auch nicht.“

Gin nickte. „Was ist mit dem Auftrag den ich dir gegeben habe?“

„Der ist erledigt“, antwortete Wodka sofort.

„Und du bist dir sicher, dass dich keiner gesehen hat?“

„Ja“, meinte Wodka. „Ich habe alles so gemacht, wie du es gesagt hast.“

„Wirklich?“

„Natürlich, Aniki“, kam es von Wodka. „Ich habe einen Kurier bezahlt damit er den Umschlag auf die Türschwelle der Shibungis legt. Als ich mich mit dem Boten getroffen habe, hatte ich einen Trenchcoat an. Mein Gesicht war auf den Boden gedreht, sodass er denken musste, dass ich mich schäme. Ich gab an, dass ich meiner Geliebten etwas schicken müsste. Er nahm es mir ab, zumindest hat er sich nicht gewundert. Wahrscheinlich durfte er ähnliche Aufträge schon häufiger machen. Als er los gefahren ist, bin ich ihm unauffällig gefolgt. Ich habe ihn im sicheren Abstand beobachtet. Es lief alles nach Plan. Er hat den Umschlag auf die Fußmatte gelegt und dann geklingelt. Danach ist er wieder los“, erzählte Wodka.

„Was ist mit Shibungi?“

„Der ist einige Minuten später raus gekommen. Er sah sich draußen um. Aber ehe er rein ist, hat er den Umschlag gefunden und mit rein genommen.“

Gin grinste. „Gut.“

„Was war in dem Umschlag, Aniki?“, fragte Wodka.

„Eine DVD.“

„DVD?“

Gin klappte den Laptop wieder hoch und öffnete dann das Video. Er spielte es ab. „Schau genau hin.“

Wodka sah sich die Szenen zwischen Jodie und Sayaka gespannt an. Er war überrascht. „Das hätte ich dieser Starling gar nicht zugetraut.“

Gin blickte kühl drein. „Das ist Vermouth.“

„Ver…mouth…“, murmelte Wodka.

Gin grinste. „Schau auf das Datum.“

Wodka nickte. Dann wirkte er verwirrt. „Das ist ja vor ihrem Verschwinden.“

„Mach dir nicht in die Hose“, antwortete Gin. „Wir haben uns ein paar andere Aufnahmen von der guten Sayaka besorgt. Vermouth hat mit einem Double die Szenen nachgestellt. Und dann wurde schön geschnitten.“

Wodka lachte. „Nicht schlecht. Damit haben wir das FBI in die Pfanne gehauen.“ Wodka hustete und hatte sich wieder gefangen. „Aber was ist mit der Polizei und dem FBI? Die werden doch wissen, dass es sich um eine Montage handelt.“

„Selbst wenn sie etwas ahnen. Sie haben keine Orginale. Sie können nie und nimmer überprüfen was hier geschnitten wurde und was nicht.“

„Und was macht das FBI?“

„Das FBI wird sich natürlich denken können, dass Sayaka für uns tätig war. Aber sie werden keine Beweise finden und müssen verzweifeln. Ich hab gehört, dass das Frauengefängnis nicht gerade ein entspannter Ort sein soll.“

Wodka grinste. „Aber was ist mit den Mitarbeitern in der Firma? Werden die ihr kein Alibi geben?“

„Mach dir darum keine Sorgen“, antwortete Gin. „Wenn du die letzten Artikel gelesen hast, würdest du wissen, dass sich keiner mehr sicher ist, wann welcher Kollege das Büro verließ. Heute heißt es 12 Uhr, morgen ist es 11 Uhr.“

„Das wird dem FBI nicht passen.“

„Tja…das ist nicht unser Problem“, sagte Gin. „Wir müssen Sayaka finden ehe sie plaudert. Sie ist untergetaucht und es ist ihr gelungen uns an der Nase herum zu führen. Dafür muss sie bezahlen. Sie soll sehen, was es heißt wenn man sich die Organisation zum Feind macht. Wenn sie aussteigen will, soll sie es machen. Ich knall sie gern ab.“

„Ich halt die Augen weiterhin offen.“

Das war interessant.

Er grinste. Jetzt hatte er genug gehört. Nun konnte er handeln.
 


 

***
 

James sah Jodie an. Sie sah nicht gut aus. Jodie trug einen grauen Sportanzug und sah blass aus. Man merkte ihr kaum an, dass sie erst seit einigen Stunden unter Arrest war. Es wirkte als wären es Jahre.

„Wie geht es dir?“, wollte James von ihr wissen.

Jodie zuckte mit den Schultern. „Den Umständen entsprechen würde ich sagen“, antwortete sie. „Ich habe zum Glück eine Einzelzelle bekommen. Und bisher weiß keiner, dass ich zum FBI gehöre. Wie ich es mitbekommen habe, krieg ich Frühstück, Mittag und Abendessen immer in meine Zelle gebracht. Zwischendurch gibt es Zeiten wo ich mit den anderen Insassen in den Hof kann. Aber ich glaube, ich werde das in der nächsten Zeit nicht in Anspruch nehmen. Und ansonsten bleibe ich in meiner Zelle, liege auf dem Bett und starre die Decke an.“

„Das tut mir leid“, sagte er. „Wir arbeiten daran dich hier raus zu holen. Akai sucht nach Beweisen.“

„Bitte nicht über das Vergehen sprechen“, kam es abrupt vom Wachmann.

„Ich halt hier schon durch“, meinte Jodie ruhig. „Jetzt kann ich wenigstens sagen, dass ich weiß, wie es auf dieser Seite ist….das kann doch später für die Arbeit helfen…wenn ich selbst wieder Verbrecher verhöre…vorausgesetzt das FBI will mich noch.“

„Natürlich arbeitest du weiter für uns“, sprach James energisch. „Wir wissen, dass du unschuldig bist. Dein Anwalt wird heute auch noch mit dir sprechen. Er wird mich über alles auf den Laufenden halten.“

Der Wachmann räusperte sich.

„Akai und Camel werden dich bestimmt auch noch besuchen“, wechselte James das Thema. „Besonders Camel macht sich Sorgen um dich.“

„Tut mir leid“, murmelte Jodie. „Das wollte ich nicht. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass Camel dabei war, als ich…naja du weißt schon.“

„Mach dir darüber mal keine Gedanken. Wir kriegen das hin. Und wenn du wieder zu Hause bist, wirst du dich erst einmal richtig ausruhen und erholen. Und ich möchte keine Widerworte hören.“

„Dabei dachten wir, dass es mit Babysitter besser wird“, kam es leise von Jodie. „Das werde ich. Mit einem schönen heißen Bad. Und danach geht es ab ins Bett und dann wird geschlafen bis zum geht nicht mehr.“

„Das ist eine gute Idee.“ James lächelte. „Ich muss jetzt leider gehen, Jodie. Der Anwalt wartet bereits darauf, dass er mit dir sprechen kann.“

„Ist gut.“ Sie blieb sitzen. „Danke für deinen Besuch.“

James wollte sie umarmen, obwohl er wusste, dass es verboten war und dass es ihn seine Besuche kosten konnte. Stattdessen sah er sie nur herzlichst an. „Halte dich.“

„Mach ich“, murmelte sie leise.
 

Jodie wartete einen Moment. Ihr Anwalt betrat den Raum und setzte sich ihr gegenüber.

„Haben Sie heraus gefunden, warum mich die Polizei nun in Untersuchungshaft brachte?“

Tanaka nickte. „Es ist ein weiteres Video aufgetaucht“, sprach er.

„Oh nein…“ Jodie seufzte. Sie ahnte schlimmes.

„Mr. Black hat es bereits gesehen. Das Video zeigt Sie. Sie verlassen um kurz nach 11 Uhr Medipharm und kommen nicht mehr wieder.“

„Das war ich nicht. Ich bin erst eine Stunde später gegangen“, sagte Jodie vehement. „Das müssen Sie mir glauben.“

„Das tu ich. Aber was ich glaube und was nicht, ist für diesen Fall egal. Das Video ging noch weiter. Am Ende wurde eine Szene vom Morgen gezeigt. Frau Shibungi kam in die Firma. Sie haben auf sie gewartet. Sie haben sich gestritten. Man konnte keinen Ton hören, aber anhand der Mimik und der Gestik war es erkennbar.“

„Das war ich auch nicht. Ich parke nicht einmal in der Tiefgarage“, entgegnete Jodie. „Ich parke meinen Wagen immer draußen und geh dann rein.“

„Man sieht auch nicht, dass Sie Ihren Wagen parken. Man sieht nur, dass Sie auf Frau Shibungi warteten.“

Jodie seufzte. „Das ist doch nicht für eine Verhaftung ausreichend.“

„Nicht allein, das stimmt. Aber es besteht nun Fluchtgefahr.“

Jodie sah ihren Anwalt schockiert an. „Fluchtgefahr? Aber wie soll das gehen? Ich will doch nicht einmal in die Staaten.“

„Die Polizei erhielt einen Tipp. Ihnen wurde mitgeteilt, dass man Sayaka Shibungi am Flughafen fand und sie in den nächsten Flieger nach New York steigen will. Bei der Überprüfung der Passagierliste tauchte Ihr Name auf. Jetzt nimmt jeder an, dass Sie sich in die Staaten absetzen wollen“, erklärte Tanaka.

Jodie wurde bleich. „Das darf nicht…“ Sie schluckte und kämpfte mit den Tränen. „Ich habe nichts getan…ich weiß, das alles gerade gegen mich spricht, aber ich habe nichts getan.“ Jodie beugte sich nach vorne, stützte sich mit den Ellbogen ab und vergrub ihr Gesicht in den Handflächen. „Die Videos…der angebliche Streit…ich im Haus der Shibungis…mein Name auf der Passagierliste…alles spricht gegen mich.“

Tanaka nickte.

„Können wir das Video nicht analysieren lassen?“

„Das ist nicht einfach“, antwortete der Anwalt. „Wir haben nicht das Orginal. Laut meinen Aufzeichnungen befindet sich dieses nun bei der Polizei. Ohne einen hinreichenden Anhaltspunkt werden wir das Video nicht so einfach in die Hände bekommen. Wir müssten erst nachweisen, dass man Sie reinlegen will.“

„Und das ist nicht beweisbar“, murmelte sie.

„Ich glaube Ihnen und Mr. Black. Jemand möchte Sie als Bauernopfer hinstellen. Unter diesem Fokus nehme ich an, dass das Video welches nun auftauchte ebenfalls nicht das Orginal ist. Damit ist die Chance das wir noch Hinweise finden sehr gering.“

„Verdammt…und wie wollen wir dann meine Unschuld beweisen?“

„Wenn ich ehrlich bin, sehe ich dafür so gut wie gar keine Chance. Wenn Ihre Kollegen nicht bald etwas finden, müssen wir davon ausgehen, dass es zu einer Verurteilung kommt.“

Jodie schluckte.

„Die Indizien sind ausreichend damit die Unschuldsvermutung nicht mehr gilt. Ein Unschuldiger würde nicht versuchen sich abzusetzen. Black hatte überlegt zu sagen, dass Sie von Ihren Vorgesetzten abgezogen worden sind. Aber damit würde sich das FBI nur strafbar machen wenn es in eine laufende Ermittlung so eingreift. Wir könnten es mit Schadensbegrenzung versuchen.“

„Schadensbegrenzung“, wiederholte Jodie leise. „Und was heißt das? Soll ich einfach gestehen?“

Tanaka nickte. „Sie müssen reumütig sein. Und sie müssen dem Gericht glaubhaft schildern warum Sie mit Frau Shibungi aneinander gerieten und natürlich auch warum sie dann im Haus waren. Wir könnten anführen, dass Frau Shibungi Sie nicht in der Firma wollte. Sie könnte es Ihnen bei Ihrem ersten Streit gesagt haben. Deswegen sind Sie wütend geworden. Und als Sie dann am Nachmittag noch einmal mit ihr reden wollte, nahm sie fälschlicherweise an, dass Sie nur an ihren Mann heran wollten. Das würde erklären warum der Streit ein wenig eskaliert ist. Frau Shibungi fürchtete sich und griff nach einem Messer. Sie wollte sich verteidigen. Sie sahen aber auch in dem Messer eine große Gefahr, wichen aus und wollten ihr dieses aus der Hand schlagen. Dabei kam es zum Unfall. Frau Shibungi zerstörte die große Fensterscheibe. Durch ihren Adrenalinschub kletterte sie aus dem Fenster und floh. Sie selbst kamen nicht mit dem Blut in Berührung und wollten gerade die Polizei rufen, als diese schon in der Tür stand. Außerdem haben Sie nicht von Anfang an kooperiert, weil sie an ihre Arbeit in den Staaten denken mussten. Wenn Sie das alles glaubhaft rüber bringen, könnten wir vielleicht einer Haftstrafe entgegen.“

„Und was ist, wenn in paar Monaten doch eine Leiche auftaucht?“

„Dann haben Sie nichts damit zu tun. Sie sahen nur, wie sie verschwand. Mehr nicht. Da die Polizei Sie in die Mangel nahm, konnten Sie folglich nichts machen. Außerdem wie sollen Sie jemanden umbringen, wenn Sie hier sitzen?“

„Weiß James von der Idee?“

„Nein. Noch nicht. Ich werde ihn natürlich über meinen Vorschlag in Kenntnis setzen.“

„Vorausgesetzt ich bekenne mich schuldig. Was würde mich für eine Strafe erwarten?“

Er runzelte die Stirn. „Wenn Sie einen gnädigen Richter bekommen, könnte es mit Bewährung enden. Aber ich möchte ihnen nicht viel Hoffnung machen. Im schlechteren Fall werden es bis zu 5 Jahre Gefängnis und im schlimmsten Fall bis zu 15 Jahre.“

Jodie schluckte. Sie wusste nicht einmal ob sie 2 Tage durchstand. Wie sollte es dann mit Jahren werden?



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