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Raftel (2)

The Rainbow Prism
von

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39 - Tauschhandel

Wie sich ein ganzes Sichtfeld veränderte, wenn man nur etwas den Standpunkt verrückte, erweckte bei Zoro ein noch nie erlebtes Erstaunen. Ewige Male hatte er von der Sunny aus das Meer beobachtet, wie es sich in einem Zusammenspiel mit dem Wetter formte. Hoch oben im Krähennest fühlte man sich aber eher dem Himmel so nah und dem Meer so fern. Nun war es umgekehrt.

Er stand mitten auf der Wasseroberfläche. Unter seinen Füßen glättete sich das Wasser zu einem glasklaren Spiegelbild. Sein floraler Bannkreis zog einen relativ großen Kreis um ihn herum und grenzte seine Position sicher von der maritimen Naturgewalt ab. Mit jedem Schritt wanderte dieser Kreis mit ihm voran. Als würde er in einer großen Seifenblase wandeln, zerschellte Gischt und Wind an dieser unsichtbaren Barriere. Außerhalb dieser Blase tobte die Natur weiter. Der Wind hatte aufgefrischt und trieb das Wasser zu Wellenhügeln empor. Man konnte gen Süden schauen, wo die Sonne am Höchsten stand. Dort war noch blauer Himmel und ruhige See mit langgezogenen Wassertälern auszumachen. Doch gen Westen tobte es gewaltig. Ein Sturm peitschte gegen meterhohe Berge aus kaltem Nass. Der Himmel war dort pechschwarz. Nur zuckende Blitze erhellten ihn im Sekundentakt. Im Norden türmten sich große ballenden Wolkenmassen. Sie wurden von der Sonne aus dem Süden angestrahlten und färbten sich durch sie blutrot als würde eine Feuersbrunst lodern. Das Meer war dort tiefgrün, glatt gebürstet und schaumig. Doch Zoros Weg führt ihn in Richtung Osten. Dort, wo sich das bleierne Grau tiefhängender Wolken und das schweflige Gelb von Nebelbänken vereinten und die See ölig triefend schwappte.

So wie die Blitze im Westen zuckten, so durchzuckte es auch Zoros Kopf. Visionen aus der Vergangenheit schlugen in seinem Hirn ein wie eine Bombe. Das hatte er schon mal gesehen. Damals, als er mit Smoker hierher gekommen war, lag alles im Nebel unter einer dicken Eisschicht. Doch der Weg zum verlorenen Königreich und zu dem Ort, wo die Prismen und das One Piece wohl gehütet vor der Außenwelt verschlossen lagen, hatte dasselbe gelbgraue Farbenspiel gehabt. Es konnte also nicht weit sein, bis das Ringporneglyph und Raftel auftauchen würden. Zoro hielt inne und blickte zurück. Die Sunny hatte Mühe, ihm zu folgen, blieb aber artig auf Kurs. Für die Crew musste er aus der Ferne aussehen, wie ein grüner Funke mitten im Ozean. Eine Kerzenflamme auf dem Wasser. Mit jedem Schritt, den Zoro weiter seinem Ziel entgegenlief, wurde er innerlich zwiespältiger. Einerseits erfüllte es ihn mit Freude, dass der ganze Zirkus vielleicht in wenigen Stunden ein Ende mit ungewissem Ausgang nehmen würde. Andererseits war es genau diese Ungewisse, die ihm nun allerdings gar nicht schmeckte. Man konnte nicht vorausschauen, was seine Freunde und ihn dort am Ziel erwarten würde. Vermutlich einen Haufen Feinde mit bester Kampflaune und sämtlichen faulen Tricks auf Lager. Wenn sie die Oberhand behalten würden, wäre alles klar. Aber was wäre, wenn sie scheiterten und eine herbe Niederlage einstecken müssten?

Man konnte es nur herausfinden, wenn man endlich am Ziel ankäme. Zoro beschleunigte seine Schritte, musste aber feststellen, dass die Sunny dann nicht mehr folgen konnte. Die Entfernung zwischen ihnen wurde zu groß. Also pausierte er wieder und verfiel zurück in den alten langsameren Schritt, der mit der Geschwindigkeit der Sunny harmonierte. Bald schon wurden die Nebelbänke dicker und undurchdringlicher. Zoros Seifenblase und sein Bannkreis aus floralen Blitzmustern leuchtete wie eine zweite Sonne, nur in grün. Das Piratenschiff war wieder einmal nicht mehr auszumachen. So blieb er abermalig stehen und wartete, bis die Galionsfigur den Nebel durchbrach und ihn beinah überfahren hätte. Nun ging er neben dem Schiff einher, wechselte das eine und andere Wort mit seinen Freunden, welche oberhalb an Deck verweilten, und nahm gern die Flasche Sake an, die Sanji ihm hinunter warf.

Plötzlich wurde die aalglatte See schaumig. Erst waren es nur vereinzelte Felder, dann wurden es ganze Schaumteppiche. Und als das Ringporneglyph aus dem Nebel auftauchte, türmten sich wahre Meeresschaumberge in den Himmel. Und ruhig war es. Gespenstisch ruhig. Zoro wunderte sich.

„Wie man sieht, sieht man nichts!“, schoss es ihm durch den Kopf, behielt den Gedanken aber fürs erste vor seinen Freunden geheim.

Doch auch diesen müsste nicht verborgen geblieben sein, dass die erwartete Massenschlacht im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen würde. Es war niemand da. Kein einziges Schiff kreuzte in diesen Gewässern. Wenn hier ein Krieg toben sollte, dann waren wohl alle Schlachten schon geschlagen und die Strohhutbande hatte ihren Einsatz verpasst. Zoro aber ließ sich nicht beirren. Er zog weiter. Weiter bis er die Porneglyphen fast mit der Hand berühren konnte. Nur wenige Meter trennten ihn von dem Ringporneglyph und somit dem Zugang zu einer Parallelwelt, die niemand außer einem Hanyô betreten konnte.

„Wirf mal ein Tau rüber. Ich ziehe euch rein!“, rief er Franky zu, der sich sofort auf die Socken machte, ein Tau an der Sunny festknotete und das andere Ende Zoro hinunterwarf.

„Na komm, altes Mädchen“, raunte er dem treuen Schiff zu, welches seine Mannschaft bis jetzt durch alle wilden Wasser begleitet hatte, als er die Sunny an dem Tau hinterher zog.

Sie schwamm ohne Widerstand wie eine Badeente mit ihm. Zusammen passierten sie den Steinkreis. Kaum war er auf gleicher Höhe mit den Quadersteinen, begannen sie violett zu schimmern. Und die Felder zwischen den Steinen schimmerten ebenfalls in einem transparenten Violett. Zoros Bannkreis wurde schlagartig schwarz. Von der Sunny tönte aus aller Munde gleichzeitig ein erstauntes:

„COOL!“

Mehr bekamen seine Freunde nicht heraus. Zu beeindruckend war der magische Moment. Als sich dann auch noch die Silhouette Raftels vor ihren Augen erhob, war es um sie alle geschehen. Das Ende einer langen Reise war hier und jetzt. Und nun?

Die Strohhüte waren hier und sonst keiner. Also legte man an der Reling Raftels an und erklomm die Insel, die eher einer in den Stein gemeißelte Festung glich. Erst andächtig, dann neugierig offensiv streifte man durch die verlassenen Räume einer längst vergessenen Zeit. Nachdem alle Neugier befriedigt worden war, fanden sich alle fast zeitgleich in dem großen Innenareal der Festung wieder zusammen. Man war doch ein wenig enttäuscht, von diesem sagenumwobenen Ort. Aber was genau hatte man eigentlich erwartet? Die Strohhutpiraten standen planlos und betreten im Kreise, sahen sich gegenseitig an und stellten dann fest, dass einer von ihnen fehlte.

„Mann, jetzt sagt nicht, Zoro verirrt sich auch auf diesem kleinen Eiland?“, stöhnte Usopp laut auf und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.

„Nein, tu ich nicht!“, hallte es trocken von oben herab.

Überrascht rissen alle die Köpfe herum und sahen ihren Mitstreiter auf einem kleinen Turm stehen. Er lehnte lässig mit den Händen in den Hosentaschen an einem Masten, auf dessen oberer Spitze eine Holzkonstruktion befestigt war. Es sah aus wie ein großes, eckiges U.

„Der Trick von Raftel ist nicht irgendein Schatz, sondern das hier“, erklärte Zoro von oben herab und klopfte nachdrücklich zweimal gegen den Holzbalken.

Es amüsierte ihn, wie die Fragezeichen über den Köpfen seiner Freunde glühten, was wohl das Holz-U zu bedeuten haben könnte. Man sah ihnen förmlich das Rattern des Nachdenkens in ihren Gesichtern an. Also half er ihnen auf die Sprünge und deutete mit dem ausgestreckten Arm auf einen weiteren Turm am anderen Ende Raftels. Ein großer hölzerner Pfahl stand kerzengerade auf dessen Turmspitze.

„Kimme und Korn!“, stellte Robin als erste fest.

„Natürlich!“

Nun fiel es auch Nami wie Schuppen von den Augen. Das U und der Pfahl bildeten gemeinsam ein Seezeichen.

„Ich kapier' gar nichts“, kam es aus Luffys und Choppers Munde gleichzeitig.

Man erklärte untereinander, dass vom Schiff aus das U und der Pfahl wie ein Seezeichen zu deuten wären. Man müsste das Schiff so auf Kurs halten, dass der Pfahl und das U deckungsgleich übereinander lappten. Ähnlich wie Kimme und Korn bei einer Schusswaffe, um das Ziel zu treffen.

Zoro hatte der Diskussion unten auf dem Innenhof kein Gehör geschenkt. Er war einmal um das U herumgegangen, lehnte nun rücklings an ihm und sah gedankenverloren auf die ruhigen Wellen und den wabernden Schaummassen. Er erinnerte sich wieder. Er war Smoker damals davongelaufen. Einfach so über das Meer hinweg, bis das verlorenen Königreich auftauchte. Es schien alles genau so zu sein wie damals. Nur der Meeresschaum war neu. Und das bescherte ihm Unruhe. Jedes Mal, wenn er den Schaum anfixierte, kam es ihm vor, als würden unzählige weinende Stimmen um Hilfe rufen. Das konnte kein gewöhnlicher Schaum sein, der als Abfallprodukt von Algen das Meer verunreinigte. Das hier war etwas ganz anderes. Irgendwo genau gerade aus erstreckte sich die sogenannte 8. Route. Es gab sieben Routen nach Raftel, aber nur eine 8. Route zum verlorenen Königreich. Der Ort, wo One Piece in einem großen Raum sich um ein letztes Porneglyph herumstapelte. Doch der für Zoro spannende Teil war ein ganz anderer Ort. Es war der Spiegelsaal, wo er vor vielen Jahren mit Kivi die Prismen vereint hatte, weil man noch glaubte, damit wäre alles wieder gut in der Welt. Nun wusste er es besser. Nichts war wirklich gut, es sei denn, man hätte die Geschichte ruhen lassen. Mittlerweile hatte Zoro eine ziemliche Ahnung davon, was ihn auf der nächsten, und tatsächlich letzten Insel der Grandline wirklich erwarten würde. Es war Zeit zu gehen.

„Wir müssen weiter!“, rief er zu seinen Freunden hinab und unerwarteter Weise gab es keine Widerworte.

Zoro konnte nicht mehr sagen, wie lange die Überfahrt überhaupt zum verlorene Königreich mal gedauert hatte. Jetzt kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Der Nebel wurde dichter, die Schaumberge höher und das U mit dem zentrierten Pfahl stahl sich schon fast aus deren Augen, als schemenhafte Umrisse am Horizont auftauchten. Und dann waren sie endlich da.
 

Das Verlorene Königreich war wie Raftel ebenfalls eine in Stein gehauenen Festung. Jedoch war diese Festung hier sehr viel kleiner. Man könnte auch sagen, dass es gerade mal die Größe einer Burg hatte, während Raftel neben der Festung und den beiden Seezeichentürmen noch ein großzügig bewaldetes Innenland hatte. Die hier herrschende Stille überwog noch die, welche sie auf Raftel erfahren hatten. Es war mehr als gespenstisch. Schon beim Betreten der Burg fröstelte es auf der Haut und gefror das Blut in den Adern. Geschlossen marschierten sie die breite Treppe von der Hafenmauer hinauf und durch das Nebentor auf den Innenhof. Da Zoro nicht mehr so recht wusste, wie die Räume und Nebengebäude miteinander verbunden war, durchstreiften sie das übersichtliche Areal. Es war wieder einer dieser langen Flurgänge, die ewig schienen mit seinen unzähligen Türen, die es alle zu öffnen galt. Als Brook und Franky eine dieser aufstießen und nichts weiter hervorbrachten außer:

„Wahnsinn....!“, waren sie endgültig angekommen.

Der Rest rannte zur Tür, sah den Raum und konnte es nicht fassen. Erst war man geblendet vom Glanz und überwältigt von der Masse, dann kam Leben in die Bande. Man stürmte gleichzeitig los, wie durstige Wüstenwanderer zur nächstbesten Oase. Prügelte sich durch eine Tür, durch die definitiv keine ganze Piratenbande gleichzeitig nebeneinander passte und stellte dann fest, dass Goldmünzen ein viel zu hartes Metall waren, um darin zu baden. Man durfte den Spruch „im Gelde schwimmen“ also nicht wortwörtlich nehmen. Es gab blutige Lippen, blaue Flecke und eine Stauchung. One Piece sollte der Legende nach der größte Schatz der Welt sein. Das hier übertraf wirklich alle Traumbilder. Berge von Münzen, Haufen von Geldbündeln und Edelsteine und Schmuck aus allen Jahrhunderten häuften sich fast bis an die Decke. In der Mitte prangte ein weißes Porneglyph. Während alle noch dem Wahn der Entdeckung verfallen waren, hatte Robin ihre neugierigen Fingerspitzen über die eingemeißelte Schrift huschen lassen. Ein freudiges Lächeln zierte ihr Gesicht, dann schweiften ihre Augen umher. An der Eingangstür wurde sie fündig nach der Person, die sie gesucht hatte. Langsam ging sie zu ihm hinüber.

„Du hast das schon mal gesehen damals, oder?“ fragte sie Zoro.

Es war eine rein rhetorische Frage, aber sie wusste nicht so recht, wie sie einen Smalltalk mit ihm halten sollte. Zoros Körpersprache sprach trotz seiner undurchdringlichen Gesichtszüge Bände. Er stand mit verschränkten Armen an den Türpfosten gelehnt, beobachtete mit trauriger Mine seine im Luxus schwelgenden Freunde und ließ zeitweise den Kopf hängen. Viel schwarzer Trübsal wurde geblasen. Für Robin war klar: Auch dieses unzählbare Vermögen würde Tashigi nicht finde. Kein Geld der Welt reichte aus, um sie zurückzuholen. Es war eine sehr seltene Seite von Zoro, die sich in diesem Augenblick offenbarte. Dennoch nahm die Archäologin erneut den Gesprächsfaden auf.

„Das Porneglyph beinhalten einen Quellentext über das Regenbogenprisma, welches im Spiegelsaal zu finden wäre. Weißt du da etwas drüber?“

Zoro schwieg eine Weile. Ja, die ganze Geschichte ergab nun einen einfachen aber simplen Sinn. Er stieß sich sachte vom Türpfosten ab und bat Robin, ihm zu folgen. Gemeinsam ging es den Gang weiter entlang. Wo zum Henker war nochmal dieser blöde Spiegelsaal? Es konnte nicht weit sein. Robin versuchte ihm zu helfen, indem sie gezielter nachfragte. Wie sah der Raum aus? Wie groß, welche Form? Langsam näherte man sich einem Teil des Gebäudes, der architektonisch zu den Erinnerungsfetzen kompatibel wäre.

„War es hier?“, fragte Robin geduldig nach.

„Möglich...“, überlegte Zoro laut, war sich aber nach wie vor nicht mehr sicher.

Er stieß die Tür auf und war erleichtert, den Spiegelsaal tatsächlich wieder gefunden zu haben. Aber es war nicht das, was er erwartet hatte. Als er vor vielen Jahren gegangen war, erstrahlte eine einzige weiße Lichtquelle diesen Raum. Die Lichtstrahlen brachen sich in den tausenden und abertausenden Spiegeln in alle Regenbogenfarben dieser Welt, wurden gebündelt und nach draußen in den Himmel entsendet. Es gab kaum etwas schöneres anzusehen. Jetzt aber klaffte ein dunkler Raum, der mit seinen Spiegeln wie ein düsteres Gruselkabinett wirkte. Viele der Kristallspiegel waren zertrümmert. Ein Scherbenmeer bedeckte den Fußboden. Es knarrte und knarzte bei jedem Schritt. Unter den Sohlen brachen viele kleine Scherben zu noch kleineren Splittern. Wer oder was auch immer hier seine Laune hatte toben lassen, es war ganze Arbeit geleistet worden. Zoro suchte mit seinen Augen den Boden ab, schob mit seinen Stiefeln die Spiegelscherben auseinander, als hätte er die Chance, irgendetwas entdecken zu können. Dann stellte er sich inmitten des Raumes auf die Scherben und konzentrierte sich. Er legte seine Handflächen vor sich gegeneinander und warte. Da war ein warmes, wohliges Kribbeln zwischen den Fingern, was stetig anwuchs.

„Wie lautet das Rätsel auf dem weißen Porneglyph, Robin?“

„Nicht die Art, sondern die Weise sei unser Streben.“, gab sie nachdenklich von sich.

„Und hast du es verstanden?“

„Nicht ganz...“, gab sie zu und beobachtete ihren Mitstreiter in seiner Ruhepose ganz genau.

Und dann begann es zu strahlen zwischen Zoros Händen. Erst war es nur ein Glimmen wie eine kleine Kerzenflamme. Schnell wurde es heller und größer. Ein kleiner leuchtender Lichtball wuchs und wuchs zwischen den Händen des Hanyôs. Dann brachen erste Strahlen heraus, trafen die vielen unzähligen Scherben und Splitter und reflektierten sich wieder und wieder in sich selbst. Schon bald erstrahlte der gesamte Spiegelsaal in einem grellen Rot. Und als Zoro seine Hände öffnete schwebte über ihnen ein Prisma aus purem Licht. Andächtig, aber einem zufriedenen Grinsen neigte Zoro seinen Kopf zur Seite und betrachtete den herrlichen Glanz, wie er sich überall um ihn herum reflektierte. Auch Robin, welche bis dahin nur in der Eingangspforte gestanden hatte, konnte sich an dem Lichterglanz nicht sattsehen. Es war einfach nur unbeschreiblich schön.

„Es ist eigentlich ganz einfach. Es ist egal, ob der Regenbogenkristall nun vollkommen ist oder er in seine drei Prismen zerfällt. Er bringt immer das Licht der Galaxie in unsere Welt und regelt die Jahreszeiten. Soviel zum Thema „nicht die Art“. Es geht um die „Weise“, wie man die Prismen handhabt. Wer den ganze Kristall hat, kontrolliert die Welt. Aber bricht man ihn in Stücke, ist er schwerer zu kontrollieren, weil man immer alle drei Träger unter einen Hut bekommen muss. Außerdem ist jeder Prismenträger mit seiner besonderen Gabe ein eigene Geheimwaffe für sich. Man kann diese Gaben nämlich aus dem zusammengesetzten Kristall nicht herausfiltern.“, dachte Zoro mehr laut zu sich selbst, als dass er Robin eine Erklärung gab.

„Aber wer hätte dann ein Interesse, den Kristall wieder in seine Einzelteile zu zerlegen?“ spann Robin den Fragefaden weiter.

„Jemand, der die alleinige Macht dazu hat. Ein Wächter. Und der tat es auch nur auf Befehl. Das Auseinanderbrechen des Kristalls geschah an dem Tage, an welchem die bunten Himmelstreifen überall in der Welt auftauchten.“

Ja, so musste es sein. Und es war auch der Tag, an dem er den Brief bekam mit dem einzigen Wort „Erwache!“. Es konnte nichts anderes bedeuten, als dass jeder Träger wieder zu seiner Aufgabe zurückkehren müsste. Allerdings war dieser Punkt ein kniffliger. Wenn die Träger wirklich alle innerhalb ihrer Linien blutsverwandt wären, so wären Kivis und Samakkos Plätze nun frei. Sie hatten keine bekannte Nachkommenschaft. Es muss einen Wächter geben, der die Macht hätte, neue Träger zu bestimmen. Zoro schwante übles, dass er mehr als ihm liebte diesen Wächter bereits kennen würde.

„Du hast es herausbekommen!“, hallte es plötzlich von allen Wänden wieder. Ein lautes Echo, was durch Mark und Bein fuhr, erschreckte die beiden Piraten so sehr, dass sie innerlich wie äußerlich zusammenzuckten. Zoro verlor die Konzentration, presste seine Hände wieder aufeinander und verlor den Glanz seines frisch zurückerhaltenden roten Prismas. Schwarz und gruselig wurde es wieder in dem Spiegelsaal, und aus allen Spiegeln stierten fiese Gestalten in langen Umhängen und grellgrünen Augen heraus. Selbst aus den Scherben und Splittern gafften grellgrüne Augenpaare. Es waren die Hanyôs mit den auferweckten Erinnerungen von Rice Island. Ein Aufkreischen erschütterte den Saal.

„Robin?“ fuhr Zoro herum und suchte seine Mitstreiterin.

Fassungslos musste er mitverfolgen, wie die gierigen Griffel der Grünäugigen sich um ihren Körper schlangen, ihre Teufelskräfte unterdrückten und sie sich zu Meerschaum verwandelte. Als weiße Statue stand sie nun mit einer entsetzten Fratze da und perlte ab. Schaum bildete sich zu ihren versteinerten Füßen.

„Wir wollen dir einen Handel anbieten, Roronoa Zoro. Der du bist der einzige Hanyô von uns, der sich an alles erinnern kann. Gehörst du noch zu uns? Nein, du bist so … anders!“, polterte die Stimme in Zischlauten von allen Wänden auf ihn nieder.

„Ein Handel?“

„Wir können uns an nichts erinnern. An gar nichts. Darum fristen wir unser elendiges Leben wie Demenzkranke in einem Tal voller Bekloppter. Aber wenn wir das blaue Prisma des Wissens haben, dann können wir wieder so sein wie früher. Wir fordern etwas, was du schon hast. Wir wollen den Wächter!“

Das Zischen schnitt ins Trommelfell und war unerträglich. Zoro hatte seine liebe Mühe, die Worte zu verstehen. Und nun, wo er wieder sein rotes Prisma mit sich vereint hatte, so spürte er den unbändigen Schmerz der Grünäugigen. Bah, Gefühlswellen orten und Geistererscheinungen sehen. Genau das hatte er ohne Prisma so rein gar nicht vermisst.

„Und wenn ich ablehne?“

Zoro war sich gar nicht so sicher, ob er mit seinem Verdacht, den Wächter zu kennen, richtig lag. Aber die Grünäugigen waren sich wohl mehr als sicher, wenn sie ihm unverblümt einen Deal unterbreiten wollten. Fragte sich nur, gegen was sie den Wächter denn eintauschen wollten.

Ein schallendes, grässliches Gelächter folgte aus den Spiegelbildern.

„Deine Freunde sind bereits zu Meeresschaum geworden. Sie schlafen einen ewigen Traum bis sie sich im Meerwasser zersetzt haben. So wie alle, die in den letzten Tagen hier in den Gewässern vor Raftel kreuzten. Je länger sie schlafen und zu Schaum werden, desto schwerer wird es, den Zauber rückgängig zu machen. Also, den Wächter gegen deine Freunde!“

Das war es also. Ein ziemlich perfektes Druckmittel. Und wenn sich seine Freunde von selbst im Meer zersetzten, gäbe es noch nicht einmal Zeit zu schinden und eine Alternative zu finden. Dennoch wollte er sich dem nun entdeckten Feind nicht kampflos ergeben.

„Ich werde sehen, was ich tun kann.“

Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verließ mit aufrechter Körperhaltung und selbstbewusstem Schritt den Saal. Äußerlich war Zoro einfach nur Zoro. Abgebrüht, emotionslos und bereit, zu pokern. Innerlich hätte er entgleisen und ausrasten können. Er brauchte einen Plan. Und zwar sofort.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Schaschii
2016-11-08T18:36:41+00:00 08.11.2016 19:36
Blutsverwandt? Jetzt sag bloß das der Wächter seine Tochter ist oder?! O.O
es ist einfach immer so spannend diese Kapitel zu lesen und zu erfahren wie es weiter geht. Auch die Stimmung und die Atmosphäre bringst du genial rüber, fast als stünde man direkt neben Zorro und erlebt alles mit.
Ebenso Zorros neue und alte Charakterzüge passen einfach wie die Faust aufs Auge.
Alles in allem hätte ich am liebsten jetzt sofort das nächste Kapitel! :)
Antwort von:  sakemaki
08.11.2016 23:07
Ach du Schreck, waren meine Gedankengänge wieder so wirr, dass ich voller kreativer Energie für meine Leserschaft nur unverständlichen Mist geschrieben habe? O_O
Nein, blutsverwandt heißt, dass das rote Prisma theoretisch an Taiyoko weitervererbt würde, würde Zoro nicht mehr sein. Keine Sorge, das ist aber in Raftel 2 definitiv nicht geplant. Es sind zwei Parteien: Auf der einen Seite stehen die drei Prismenträger, auf der anderen Seite ist der Wächter. Und wer der Wächter ist, ist noch ein anderer AHA-Effekt. Kommt später! ;-)
Leider habe ich eben beruflich sehr viel um die Ohren. Daher kommt das nächste Kapitel erst Ende November/Anfang Dezember. Ich bin echt bemüht, einen 2-3 Wochen-Rhythmus einzuhalten.
Freut mich sehr, dass ich Zoros Gedanken und innere Wandlung so gelungen in Szene setzen konnte. Danke!
Antwort von:  Schaschii
09.11.2016 23:38
Aaaah ok! - ich verstehe! :)
Neu das nicht es klang nur so nach blutsverwandt im Sinne von ein nachkomme eines prismenträgers bietet sich als Wächter durch die Blutlinie an. Deswegen dachte ich taiyoko!
Aber wehe du kommst auf die Idee Zorro iwann zu killen nur um das prisma weiterzugeben 😲
Kann ich verstehen is ja auch vollkommen ok :)


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