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Raftel (2)

The Rainbow Prism
von

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27 - Schöne Aussichten

Es gab nirgends, aber auch wirklich nirgends, einen besseren Platz zum Verweilen als hoch oben in der Ausguck-Loge der Thousand Sunny. Zumindest war es Zoros ganz persönliche Meinung. In diesem Raum war man normalerweise allein, so dass niemand mit seinem Gequacke über schwere soziale Probleme oder übersprudelnder Motivation nerven konnte. Nur selten verirrte sich ein Nakama hier oben herauf. Kletterte doch einmal jemand durch die Luke, so waren es wirklich dringende Angelegenheiten oder eine sehr rare nächtliche Wachablösung durch Robin.

Diese Frau benötigte irgendwie nie Schlaf, hatte aber in manchen Nächten den Spleen, still und leise im Ausguck aufzutauchen, fast kein Wort zu wechseln und nur in die Weite der Dunkelheit zu blicken. Es wäre so beruhigend, wenn das Mondlicht auf die ruhende See träfe. Dann glitzerten die Wellenkämme mit den Sternen um die Wette, behauptete sie. Dabei lächelte sie stets geheimnisvoll und undurchsichtig. Zoro war das herzlichst egal, wer da um die Wette blinkte. Obgleich das Lächeln weniger Bedeutung zu haben vermochte, als man bei ihrem Einstieg in die Crew spekulierte, war Robin für Zoro nach wie vor suspekt. Irgendwie hatte sie eine ganz besondere Macke an sich. Irgendwie hatten hier alle an Bord eine Macke. Sonst hätten sie die gemeinsame Fahrt in den letzten Jahren wohl auch kaum ausgehalten. Ohne Macken wäre es vielleicht viel zu langweilig geworden. Zudem waren Macken eine ganz besondere Konstante im rastlosen Piratenleben. Man wusste immer, woran man beim Anderen war.

Ihre Mondscheinbeobachtungen nicht registrierend, verzog er sich nach Robins Auftauchen immer nach unten in sein Bett, wo der Rest der Crew schon vor sich herschnarchte. Es war hart, bei dieser Schnarcherei einzuschlafen. So etwas gelänge wohl nur, wenn man gleichzeitig mit den Anderen zu Bett ginge und zur gleichen Zeit auch einschliefe. Doch als Nachzügler ankommend waren die Chancen auf guten Schlaf gering. Vom Krach gerädert war er dann in der kommenden Nacht wieder froh, allein oben im Ausguck zu sein. Den Tag hatte man bis zum Einbruch der Dunkelheit mit den üblichen Nickerchen überbrückt.

Doch nun war hellster Sonnenscheintag dort draußen. Am Stand der Sonne schlussfolgerte Zoro, dass es wohl gen Mittag zugehen müsste. Die Aussicht war eintönig. Unten Dunkelblau, oben Hellblau gepaart mit einem grell blendenden Ball über ihm. Noch nicht einmal Wolken zogen vorbei. Wie gewohnt hockte er auf der umlaufenden Polsterbank, parkte seinen Kopf rammdösig auf seiner aufgestützten Hand und verlor nur deshalb beim stetigen Einschlafen das Gleichgewicht nicht, weil seine Wange sich an die kalte Fensterscheibe presste und einen hässlichen Abdruck auf dieser hinterließ. Dieser ewige Schlafmangel war reinster Mist! Aus schmalen Augenschlitzen starrte er weit in die Ferne auf die Horizontlinie, welche das beruhigende Wasserblau von einem fröhlichen Himmelblau trennte, ohne auch nur das Geringste von ihr wahr zu nehmen. Gelegentlich nickte er das eine ums andere Male ein, rutschte dabei auf der glatten Fläche ab und schmiss folglich einen kurzen Blick nach unten auf das Rasendeck mit seinem üblichen Getümmel.

Luffy versuchte sich zusammen mit Franky und Usopp im erfolglosen Angeln. Die Damen wurden vom Smutje bewirtet. Chopper lag im Gras und schlief. Über allem erklang die Melancholie eines gefühlvollen Geigenspiels. Eigentlich alles, wie gehabt. Nur Laws „Ghost“ schipperte aufgetaucht als seltener Gast samt Heart-Mannschaft nebenher und sah von hier oben aus wie eine quietschgelbe Badeente, die jemand nach dem Baden in der Wanne vergessen hatte. Welch selten bescheuerte Farbe für ein U-Boot. Aber Law hatte ihm grinsend versichert, dass hätte System. Welches auch immer, blieb ungeklärt.

Zoro wandte seinen Blick ab von dem Bordalltag unter ihm und starrte wieder hinaus ohne einen festen Punkt zu fixieren. Was nervte ihn eigentlich eben gerade an dem sorglos scheinenden Treiben der Nakama? War es allein die Tatsache, dass sie alle trotz der angespannten Lage doch recht unbefangen in den Tag hineinlebten und er selbst ausschließend maulig in der Ecke hockte? Mit dieser Lösung konnte er sich nicht so recht anfreunden. Er raffte sich auf, schnappte sich eine Hantel und begann eher missmutig sein tagtägliches Training. Die eintönige Bewegung tat gut. Sie brachte einen Rhythmus mit sich und ordnete seine wirren Gedanken, die zur Abwechselung sich nicht um seine komischen Alpträume oder Taiyokos Wohlbefinden drehten, sondern ganz allein um Tashigi.

Die Abreise in der letzten Nacht aus Agua Caliente hatte ihm nicht gefallen. Tashigi hatte sich ein verstelltes Lächeln aufgesetzt und allen die heile Welt vorgespielt. Bei Taiyokos Aufbruch hatte sie eine Träne im Knopfloch unterdrückt, war dann aber später emotionslos an ihm vorbeigegangen, als gerade mal das letzte bisschen Licht des Regenbogens am Firmament erloschen und Pikadons Hufgetrappel verklungen war. Sie hatte ihn einfach stehen lassen. Kein Blick, keine Notiz, kein Irgendwas. Die Soldaten verpackten ihre Lagerausrüstung auf der Fregatte und segelten unter dem Kommando der Admiralin mit voller Fahrt schnurstracks zum Marinehauptquartier zurück. Sie würde sich melden, wenn es etwas Neues gäbe, hatte sie nur gesagt, vorher allen außer ihm einen herzlichen Abschied gewünscht, und weg war die Marineeinheit. Ein Blinder hätte diesen überspielten Konflikt sehen können. Wenigstens waren die anwesenden Zeugen dieser merkwürdigen Situation clever genug, nicht noch Öl ins Feuer zu gießen. Man schwieg und ging zur Tagesordnung über.

Sie beide führten eine recht merkwürdige Beziehung. Wenn sie nicht da war, vermisste er sie unendlich, war übellaunig und in sich gekehrt. War sie aber da, dann konnte er ihre Sprunghaftigkeiten kaum aushalten. Oft hatte er schon diese Liebe in Frage gestellt, und ob sie denn überhaupt noch bestand, geschweige denn zukunftsfähig war. Wenn er dann in der schmerzenden Tiefe bohrte, so kam er zu dem Schluss, dass häufig ihre gemeinsame Tochter das haltende Bindeglied war. Was wäre wohl gewesen, wäre sie nicht schwanger gewesen? Vielleicht hätten sich die Wege getrennt auf nimmer Wiedersehen, und sie hätten es gar nicht so lange miteinander aushalten müssen? Auch eine gedankliche Option, die er nur schwer ertragen konnte.

So wie damals die Aktion, als er mit seinen sieben Sachen und Taiyoko auf dem Arm den Leuchtturm hinter sich gelassen hatte. Geschimpft und geheult hatte sie wieder einmal. Dabei wusste er in dem Moment noch nicht einmal so richtig um das Warum. Das wurde ihm erst später klar, als er einen zeitlichen Abstand zu alle dem hatte.

Die Trennung sollte das absolute Ende ihrer Gemeinsamkeit markieren. Es passte nicht zu seiner inneren Haltung, getroffene Entscheidungen stets zurückzunehmen oder zu modifizieren. Das könnten andere tun, er nicht. Ein blödes Hin und Her wie beim Tauziehen war ihm zuwider. So wurden es einige harte Wochen, wo man auf der Nachbarinsel ausharrte. Zum einen musste man das Scheitern einer Liebe verarbeiten, zum anderen lernte man nun einen ganz neuen Menschen dauerhaft kennen, der obendrein noch sein eigen Fleisch und Blut war. Soviel Zeit am Stück hatte er zuvor noch nie mit Taiyoko verbracht. Und schon gar nicht rund um die Uhr allein. Sie war noch so klein, gerade mal zwei Jahre alt und hielt ihn mit ihrem Dickkopf und ihrer einfordernden Art mehr als es ihm liebte auf Trab. Es war zum Ausflippen. Da hätte man am Liebsten sein Kind auf dem nächsten Spielplatz ausgesetzt. Anstelle dessen blieben Vater und Tochter lieber beim auf-die-Palme-bringen und wieder vertragen.

Und seine Nakama erst... Hätten sie Taiyoko nicht so herzlichst betätschelt und kommentarlos in ihren Kreis aufgenommen, Zoro hätte vielleicht doch die Idee mit dem Spielplatz in den näheren Fokus gerückt.

Insgeheim hatte er jedoch von Minute zu Minute gehofft, sie würde ihre Entscheidung, ihn rausgeschmissen zu haben, bereuen. Das tat sie dann auch. Aber ihre unbeständigen Emotionen und seine Sturheit waren danach immer noch nicht kompatibel. Vielleicht war er auch einfach nicht beziehungstauglich.

Er wäre wie der Wind, hatte sie ihm einmal lachend gesagt. Weil man ihn nicht aufhalten könne. Das mochte wohl sogar stimmen. Er konnte nicht dauerhaft auf einem Fleck hocken und zusehen, wie der Sand der Zeit verrann. Dabei konnte er ruhig sein wie eine Flaute oder sanft wie eine Brise, aber auch aufbrausend wie ein Orkan und im Kampf wüten wie ein Taifun. Der Vergleich mit dem Wind war gar nicht mal so unpassend, brachte er wohl auch Tashigis Hauptproblem mit sich: Den Wind konnte man nicht einfangen und bei sich behalten. Ihr aber war Beständigkeit wichtig. Jemand, der in der Nähe war. Zoro hingegen waren räumliche Nähe oder Ferne weniger wichtig. Ihm hingegen war die Ebene der Beziehung an sich die Basis einer Partnerschaft. Und dann erst dieses ständige Diskutieren von Kompromissen. Es war ermüdend, obgleich er schon recht gut gelernt hatte, gelegentlich zurück zu stecken.

Oder die Problematik lag an Tashigis unausgesprochenem Frust. Ihr hatte die Beziehung ein Blag, einen Schmetterlingsfluch am Hals und eine plötzliche persönliche Vergangenheit beschert. Mehr Vergangenheit, als ihr wohl letztendlich lieb war? Ob sie sich das alles so vorgestellt hatte?

Der Modus der ewigen Fernbeziehung mochte es vermutlich sein, der ihre Liebe am Leben hielt. Man vermisste sich, bis man sich wieder sah, fetzte sich zeitweise, bis man sich wieder für Tage, Wochen, Monate trennte. So ging man sich wenigsten nicht dauerhaft konstant auf die Nerven, sondern hatte Regenerationszeiten. Zum Schluss freute man sich, bis man sich endlich wiedersah.

Hach, zum Teufel. Ich liebe dich, Tashigi! Auch wenn Kuinas Geist nun wieder aufgekreuzt ist, so habt ihr doch gar keine Gemeinsamkeiten. Du bist total anders als sie. Dich und keine andere.
 

Unerwartet klopfte es an der Zugangsluke. Es war nicht von höflicher Natur und bat auch nicht um bescheidenen Einlass. Nein, es war ein aggressives Hämmern, dass kein Warten duldete, sondern sofort hereinplatze. Die Luke flog krachend auf, Usopps krebsroter Kopf vom eiligen Hinaufklettern sprengte durch die Öffnung und eine heulende Teleschnecke platzierte sich auf dem Holzboden.

„Hier, Taiyoko ist dran! Da muss etwas Schlimmes passiert sein!“, stöhne Usopp völlig außer Puste.

Polternd fiel die Hantel aus Zoros Hand zu Boden und wäre beinah erst auf Usopp und dann durch die geöffnete Luke in die Tiefe gerollt, hätte dieser sich nicht mit einem Hechtsprung gerettet und besagte Luke ebenso schnell zugeknallt, wie er sie noch vor einer Sekunde geöffnet hatte. Völlig perplex und aus seinen depressiven Gedanken gerissen, griff Zoro nach dem Schneckenmikrofon. Es war tatsächlich seine Tochter, die ihm mit Tränen erstickter Stimme versuchte, etwas mitzuteilen. Sie war aufgelöst und brachte nur Stammelei und Wortfetzen zu Stande:

„Es ist alles kaputt … Und Nobu geht es ganz schlecht … Überall sind Trümmer ...“

Er versuchte sie zu beruhigen und fragte nach Takeru, der sich prompt aus dem Hintergrund durchs Telefon meldet, um ja nicht den Anschein zu erwecken, er hätte sich aus dem Staube gemacht. Noch immer befand sich sein Herz in Zoros Händen. Da wäre jeder Fehltritt seinerseits ein gezielter Fußtritt andererseits auf sein lebenswichtiges Organ.

„So, ich habe nun den Hörer. Kurzversion“, begann Takeru seinen Bericht.

Er dachte einen Augenblick nach über die letzte vergangene Stunde, seit sie Lougetown erreicht hatten.

„Wir kamen vor gut einer Stunde in Loguetown an. Ich wollte ja erst die Innenstadt vermeiden. Wegen meinen Kopfgeld und so … Es wimmelt hier von Marinesoldaten, als hätte man mit dem Ast im Ameisenhaufen gestochert. Weiß der Teufel, wo die alle herkommen. Man sah schon von oben, dass etwas nicht stimmt. Die Insel ist überfallen und in Brand gesteckt worden. Viele Straßenzüge sind nur noch Schutt und Asche. Dann wollte Taiyoko unbedingt zur Marinestation rüber und jemanden treffen. Wie hieß der noch? Nobu? Na egal, der liegt wie viele andere im Feldlazarett. Sieht nicht gut aus. Wir sind dann hoch zu eurem Leuchtturm. Der ist komplett gestürmt worden, als hätte jemand etwas gesucht. Das übliche volle Programm. Fensterscheiben eingeworfen, Möbel umgeschmissen, Hausrat zertrümmert. Wir räumen gerade das Gröbste auf...“

Takeru unterbrach seinen Monolog, als er zur Verandatür starrte, die durch Pikadons Nase aufgestoßen wurde. Das Einhorn betrat ungeniert die Wohnküche, und Takeru musste unweigerlich an eine Kindergeschichte aus längst vergangenen Tagen denken, wo ein Pferd in einer bunten Villa lebte. Die Szene, wie sich Pikadon zwischen Spüle und Esstisch hindurch quetschte, die Nüstern in einen von der Gewalt verschonten Eimer mit Äpfeln steckte, komplimentierte das Chaos auf seine ganz eigene surreale Weise, dass man schon fast hätte lachen können. Auch wenn das Einhorn sicherlich keinerlei Notiz von ihm nehmen würde, so entfuhr ihm nun ein energisches „Raus!“ und ein zur Tür zeigender Arm. Tatsächlich trollte sich das Fabelwesen von dannen auf die Veranda zurück, nahm dabei noch den Küchentisch mit, so dass er scheppernd umfiel, und versetzte Takeru in kurzes Staunen darüber, dass das eigensinnige Vieh gehorchte. Wenigstens fand Taiyoko die Szenerie erheiternd. Sie wischte sich die Tränen weg und hatte ein Lächeln auf den Lippen, wie er es bei ihrer unbekümmerten Art seit ihrer Ankunft schon vermisst hatte.

Natürlich war es ein Schock für sie gewesen, ihr Zuhause so zertrümmert zu sehen, war sie solche Anblicke einfach nicht gewohnt. Es war aber nicht unbedingt der Zustand des Leuchtturmes insgesamt, sondern vielmehr der Anblick ihres Zimmers gewesen, der sie so derart verstört hatte. Wer auch immer hier gewütet hatte, war in ihre tiefste Privatsphäre eingedrungen, hatte sie durchwühlt und nur Chaos und Zerstörung hinterlassen. Ihre kleine Welt war erschüttert und durcheinander gewürfelt worden. Selbst Taiyoko war es nun klar geworden, dass ihr altes Leben, so wie sie es kannte, nicht mehr bestand.

„Die Telefonleitungen werden sicher abgehört. Ich würde zusehen, dass wir hier schnellstens wegkommen. Ich hab da schon Ideen. Oder hast du einen besonderen Wunsch?“

Zoro hatte auf seine ruhige, überlegte Art zugehört, während Usopp sich schon wieder innerlich verrückt machte. Es war erstaunlich, wie redselig und selbstbewusst der Ninja-Bengel doch sein konnte, wenn man ihn auf Positionen setze, die er von früher kannte. Menschen fielen häufig in alte Verhaltensmuster zurück, wenn man sie das tun ließ, was sie einst gelernt hatten. Takeru war bei der Cipher Pol Zero zuletzt Teamleader gewesen. Da waren solch Anblicke von Trümmerfeldern nichts Ungewöhnliches. Verbrannte Erde und Leichen hinterlassen hatten hauptsächlich seinen Lebensinhalt ausgefüllt. So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass er in einer sachlichen Nüchternheit Zoro gegenüber einen Bericht ablieferte, als stünde er vor einem Marine-Befehlshaber, der einen täglichen Standart-Rapport erwartetet.

Zoro blickte auf die Polsterbank, wo eine Box mit Herz ruhig vor sich her pulsierte. Ganz ruhig und gelassen, als wäre alles normal. Seit er diesen transparenten Würfel in seinem Besitz hatte, hatte er ihn genaustens studiert. Es war unglaublich, was so ein entnommenes Organ alles preisgab. Nie hätte er auch nur im Geringsten erahnen können, dass es einen Unterschied gab, ob ein Herz heftig raste, weil es eine körperliche Anstrengung oder eine psychische Aufregung erfahren hatte. Der Takt war derselbe, aber der Klang des Herzschlags war verschieden. Und noch etwas war Zoro aufgefallen: Der Würfel veränderte die Farbe. Als er den Kubus frisch in den Händen hielt, waberten schwarze Wolken in ihm herum. Diese waren nun auf ein Minimum reduziert. Glasklar waren die Wände der Herz-Box. Also spiegelte diese Gebilde nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische Verfassung wider. Ein Grinsen zog über das Gesicht des Piraten, hatte er doch anscheinend vor ein paar Tagen die richtige Entscheidung getroffen, Takeru an Taiyoko und Pikadon mit einem Auftrag zu binden. Takeru mochte wohl viel Schlechtes getan haben, aber schlecht an sich war er nicht. Auch wenn er so tat. Der Ninja-Bengel könnte sich noch glatt als Glücksgriff erweisen.

Der Pirat hatte so einige unausgesprochene Ideen, wohin das Trio hätte ziehen können, war sich aber unschlüssig darüber, ob die Orte auch sicher vor Übergriffen wären. Wenn schon Loguetown Opfer von Terrorgewalt geworden war, so konnte das jederzeit überall auf der Welt geschehen. Es gab keine Tabus mehr.

„Vergiss den Hausrat. Ideen hab ich zwar, aber die Ziele werden sicher auch heimgesucht“, überlegte Zoro laut durch die Teleschnecke.

Über den Regenbogen hatte das Trio in nur wenigen Stunden Loguetown erreicht, so könnte es in Windeseile unmittelbar überall auf der Welt sein.

„Der Regenbogen bringt euch sofort überall hin. Also überlasse ich das Reiseziel dir. Ihr werdet eh ein paar Mal das Versteck wechseln müssen. Frag doch mal Taiyoko, ob sie irgendwo hin möchte“, schloss er seine Gedanken ab.

Wechselnde Orte waren wohl wirklich das Beste. Hätte er sie nach Shimotsuki geschickt, wäre seine Ziehfamilie sicherlich nicht erfreut über plündernden Besuch gewesen. Wer suchte ihn und Taiyoko und warum? Es dämmerte ihm, dass es die Wesen mit den grell grünen Augen aus seinen Visionen sein könnten. Aber das war zu absurd, um wahr zu sein. Dennoch hatte ihn dieser Verdacht über eine Verbindung wie ein Blitzschlag getroffen und bohrte jetzt in ihm.

Es war einen kurzen Augenblick ruhig in der Leitung. Man hört nur das Knacken und Rauschen. Mit großen, wartenden Augen sah die Teleschnecke Zoro an. Dann öffnete sie ihren Mund und gab Takerus Stimme wider:

„OK!“

Dann brach das Telefonat ab. Der Ninja hatte aufgelegt.

„Man, das hält man ja im Kopf nicht aus!“ beschwerte sich Usopp, der zwar stumm gelauscht hatte, aber die ganze Zeit nervös auf der Stelle herumgerutscht war. Er tat sich seit langem schwer, Zoros Strategien, sofern er denn überhaupt welche entwickelte, nachvollziehen zu können. Überhaupt war das Teamwork mit ihm nicht einfach. Ständig schmiss der Hanyô Pläne über den Haufen, zog sein eigenes Ding durch und hatte zum Schluss damit auch noch Erfolg. Wer oder was sollte Zoro also lehren, dass die Durchführung vorher abgesprochener Pläne absolute Priorität hätte gegenüber Einzelgängen?

Usopp hatte mit Zoro schon so einige Teamschlachten schlagen müssen. Nicht zuletzt, da er neben Chopper lange Zeit der Einzige aus der Crew war, der über Zoro und seine Hanyôkräfte Bescheid wusste. Es hatte sich dann so eingeschliffen, dass er zusammen mit Zoro und Chopper immer ein Team bildeten, ganz gleich, wo auch immer sie gerade landeten. Da es sich in der Zukunft wohl auch nicht ändern würde, war es immer angebracht, den eigenen Stand mit dem des Hanyôs zu synchronisieren.

„Warum hast du dir ausgerechnet Takeru als Bauernopfer ausgesucht? Er ist doch bloß nur eine Marionette für irgendeiner deiner verschrobenen Ideen?“ hakte Usopp genervt nach.

„Verschroben?“ Zoro zog die Augenbraue hoch.

„Hey, das war nicht die Antwort auf meine Frage!“ blaffte Usopp zurück. Man, diese Ausweichtaktik ging ihm auf die Nerven. Er brauchte Infos, wenn er dem nächsten Abenteuer folgen, es verstehen und erst recht überleben wollte.

„Der hat unfreiwillig ein ziemlich großes Hintergrundwissen. Dadurch, dass der mal bei der Cipher Pol Zero war, kennt der mehr ranghohe Leute persönlich als man denkt. Du weißt, was das heißt. Außerdem kann er durch das Zwielicht wandeln. So, wie Taiyoko und ich. Allerdings nicht so gut.“

Cipher Pol Zero. Klar wusste Usopp um diese Einheit. Sie operierte im Untergrund, arbeitete ausschließlich für die Weltaristokraten, nicht für Weltregierungsmitglieder, und hatte so ziemlich sämtliche politischen Zügel in der Hand. Aber das mit dem Zwielicht war dem Kanonier noch nicht ganz klar.

„Wieso kann der ins Zwielicht gehen? Ist das so einer wie du? Und ist das nicht gefährlich, den dann einfach mit Taiyoko mitzuschicken? Der wird doch sicherlich mit DER Vergangenheit nicht an seinem Leben hängen. Da ist es dem doch total egal, ob du sein Herz zu Klump trittst.“

Zoro schüttelte den nachdenklich gesenkten Kopf. Die Fragen waren berechtigt. Keine Frage, wie sollte er da nun begreiflich machen, dass er ganz alleine seinem Gespür gefolgt war?

„Takeru gehört zu den Laborratte-Kindern. Die Weltregierung hatte zwar die Ausrottung der Kali-Kinder abgeordnet, hatte dann aber schnell den Verlust des Zwielichtweges erkennen müssen. Man hat dann Teufelsfrüchte auf Genbasis von Kali-Kindern zu züchten versucht und ausgewählten Probanden zum Verzehr gegeben. Takeru ist das einzige Kind, was diese Tortur überlebt hat. Alle anderen sind tot. Steht zumindest in seiner Akte so drin. Und bei der Cipher Pol ist er rausgeflogen, weil er da irgendeine Mission vergeigt hat. Kein Plan, was genau. Aber war wohl heftig.“

Usopp und Zoro schüttelte es gleichermaßen, welch perfide Experimente die Regierung an Menschen und ganz besonders bei Kindern vollzog. Es war grausam und ekelhaft zu gleich.

Der Kanonier sah nun klarer, spürte aber an Zoros Nachdenklichkeit, dass da noch eine winzige Abschlussinformation fehlte.

„Und ...“, nahm Zoro zögernd den Gesprächsfaden wieder auf. „Sie hatte doch tatsächlich Takeru als Freund bezeichnet. Sie hatte doch noch nie so richtig Freunde. Hätte ich das sofort wieder kaputtmachen sollen? Weißt du, was ich meine?“

Der Angesprochene nickte. Das Drama hatte er gelegentlich auch am Rande mitbekommen dürfen. Taiyokos Art, anders zu sein als andere, aber keine Teufelsfrucht intus zu haben, hatte ihr viele Stolpersteine eingeheimst. Schulwechsel, Außenseiterposition. Eine Liste von schmerzenden Unannehmlichkeiten. Da waren Freunde, denen man vertraute, sehr wichtig. Und wenn sich das Trio irgendwie auf einer freundschaftlichen Basis zusammengerauft hatte, dann konnte das nur gut sein. Auch wenn es für Außenstehende auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar schien.

Es knitterte. Ein handgeschriebener Zettel fiel zu Boden. Siedend heiß trieb es Usopp Schweißperlen auf die Stirn. Der Zettel! Den hatte er doch glatt vergessen. Das Stück Papier war eigentlich der Hauptgrund gewesen, weshalb er hatte hier in den Ausguck sprinten wollen. Doch dann klingelte die Teleschnecke und er war von seinem Vorhaben abgekommen. Der Satzinhalt war hochbrisant. Usopp hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, während seiner Basteleien im Hobbyraum den Marinefunk abzuhören. Die Ansage dort hatte ihn schockiert. Es war ein denkbar ungünstiges Timing.

Er hatte noch vor Augen, wie Tashigi mit der Fregatte davon segelte. Wie sie Zoro in einem ungeklärten Streit hatte stehen lassen. Es war nicht zu übersehen gewesen. Tashigis Kühlheit und Zoros Verletztheit.

Er knüllte den Zettel in seiner Hand und stopfte ihn in seine Hosentasche. Nun hatte sein Nakama gerade erst seine Tochter wiedergefunden und sie hoffentlich in guten Händen entlassen, da kam die nächste Hiobsbotschaft. Usopp war überfordert mit der Situation. Sollte er Zoro einweihen oder erst einmal nichts sagen? Niemals würde man Zoro etwas sofort ansehen, wenn ihn etwas bewegte. Doch einst hatte Usopp gesehen, wie Hanyôs ausblühen, wenn sie innerlich zerrissen waren. Das durfte nie wieder passieren. Da wäre Schweigen besser.

Auf der anderen Seite würde Zoro sowieso alles herausbekommen. Dann würde wohl Usopps eigener Kopf rollen, wenn er nicht spräche. Na, das waren ja alles schöne Aussichten. Er seufzte, atmete noch einmal laut hörbar durch und druckste dann heraus:

„Tashigis Fregatte gilt als vermisst ...“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  pbxa_539
2016-05-23T08:14:11+00:00 23.05.2016 10:14
Da fängt das Kapitel so schön an und dann haust du zum Schluss so einen Hammer raus.
Aber es war schön, mal ein Kapitel zu haben, welches sich ausschließlich um Zoro dreht. Und ein wenig die Beziehung beleuchtet, die zwischen ihm und Tashigi besteht. Aber wirklich schlauer als vorher bin ich da nun auch nicht.
Eher hab ich festgestellt, dass ich schon wieder viel zu lange nicht gelesen habe und mir dementsprechend einige Informationen entfallen sind.
Aber ich hab ja noch ein paar Kapitel zum lesen & kommentieren vor mir, bis dahin wird mir der fehlende Rest ja wohl hoffentlich einfallen, ansonsten muss ich das auch noch nachlesen.
Wollen wir mal abwarten, ob Tashigis Fregatte wieder auftaucht. Und wer oder was Loguetown überfallen und alles zerstört hat.
Und so weiter und so fort.
Von:  fahnm
2016-03-21T22:39:10+00:00 21.03.2016 23:39
Super Kapitel


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