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Raftel (2)

The Rainbow Prism
von

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25 - Ein Herz im Würfel

Einem lautlosem Hai gleich tauchte das gelbe U-Boot durch die schwarzen Tiefen des Ozeans. Keine Wellen, kein Wind und kein Wetter konnte es von seinem Kurs abbringen, denn weit unter der Wasseroberfläche gab es nur noch Strömungen, die seinen Weg bestimmten. Kalte, die es nach unten drängten und Warme, die es hinaufziehen wollten. Schnelle, die es voran katapultierten und Langsame, die es ausbremsten. Nur einem guten Steuermann war es möglich, sich diese Strömungen eigen zu machen, um das Boot geräuschlos und energiearm zu navigieren.

Und so jemand saß auf einem Schemel direkt vor einem Wirrwarr an Rohrleitungen, Druckanzeigen, Schaltern und Handrädern. Solch ein Tiefseeboot war eine physikalisch komplexe Angelegenheit. Viele Zellen aus Stahl ließen es aufsteigen, absteigen oder hielten es auf einer bestimmten Tauchtiefe. Doch nicht nur das Fluten und Anblasen der Zellen musste beherrscht werden, sondern auch Salzgehalt und Wasserdruck brauchten ein ebenso wachsames Auge wie das Tiefenruder ein glückliches Händchen.

Für Penguin waren jahrelanges Training auf diesem U-Boot und ein gutes Gespür der Grund seiner Perfektion. Wenn er auf seinem Schemel hockte, die Hände durch die manuellen Steuerräder für die Trimmzellen steckte, um die Unterarme darin ruhen zu lassen, dann berührten seine Handballen auf dem Steuerpult nur ganz leicht die beiden Druckknöpfe des Tiefenruders. Dabei stierte er die Nadeln und Zahlen in den Druckanzeigen an, als würde er hypnotisiert durch sie hindurchblicken. Es gab von allem immer zwei Dinge. Zwei Tiefenruderschalter, zwei Trimmzellenräder und alle weiteren möglichen Anzeigen und Räder im Doppelpack, die ein Außenstehender kaum zu unterscheiden vermochte. Immer in den Farben Grün und Rot. Rot für die Backbordseite und grün für die Steuerbordseite.

Wenn man Penguin so bei seiner Arbeit betrachtete, könnte man meinen, er wäre unaufmerksam verträumt, doch der Schein trog. Hochkonzentriert verschmolz er im Geiste mit diesem Haufen an Stahl und Rohren und wurde Eins mit ihm. Jeder leiseste Ton, jede feinste Erschütterung wusste er zu deuten und das Boot demnach zu steuern. Ungern gab er bei Schichtwechsel diesen Platz auf, wenn er sich nur wenige Stunden Schlaf in seiner Koje gönnte. Seine Mahlzeiten nahm er stets am Tiefenruder ein.

Man nahm unter Wasser kein Zeitgefühl mehr war. Nur die Borduhr in der Kommandozentrale schlug zur rechten Stunde und wurde regelmäßig von einem Besatzungsmitglied korrigiert, wenn das Boot auf seiner Fahrt einen Längengrad überschritt. Es war der dritte Tag der Fahrt, als Penguin zur Mittagszeit aus seiner Arbeitsstarre erwachte und mit ruhiger Stimme seinen Kapitän wissen ließ:

„Wir sind da!“

„Auf Periskoptiefe gehen!“, befahl Law seiner Mannschaft, die sich sofort zielgerichtet in Bewegung setzte, an irgendwelche Hebeln hantierte und das Boot spürbar seine Lage veränderte. Man konnte das Rauschen von Wasser und Anspringen der Druckluftmaschinen hören.

Eben schien das Boot seine Bugnase zu heben. Es tauchte höher. Luffy und Zoro konnten nur innerlich staunen, welche Kampfmaschine sich hinter dieser unscheinbaren, quietschgelben Stahlzigarre verbarg. Niemand auf der großen weiten Welt konnte ihre Position erahnen. Es waren genug Torpedos an Bord, die jederzeit eine brachiale Vernichtung anrichten konnten. Vollkommen unangekündigt aus dem Verborgenen heraus. Und während man über Wasser noch rätselte, woher der Angriff aus dem Hinterhalt kam, so war das U-Boot schon wieder längst über alle Meere hinweg getaucht.

Die beiden Strohhutpiraten verstanden langsam allein durch die Beobachtung des Bordalltags heraus, dass solch ein Tiefseeboot etwas ganz anderes war, als ein kleines Tauchboot, wie es die Thousand Sunny mit sich führte.

Längst hatte das Boot die gewünschte Tauchtiefe direkt unterhalb der Wasseroberfläche erreicht. Law hatte eines der beiden Periskope ausgefahren, einmal schnell um die eigene Achse gedreht und sofort wieder eingeholt.

„Was war das denn?“, staunte Luffy, der erwartet hätte, Law würde einmal durch das Seerohr hindurchblicken, um die Lage zu checken.

Law blickte erstaunt über diese Frage zurück, verstand aber sofort, dass seine beiden Passagiere gewöhnlich nur über Wasser zu reisen pflegten.

„Schau auf den Schneckenmonitor!“, lachte er kurz auf.

Tatsächlich zeigte die Übertragungsschnecke den 360°-Rundumblick des Periskops im Zeitlupentempo. Der obere Teil des Bildes war ein herrliches Sonnenscheinwetter, im unteren Teil schwappten Wellen vorbei. Als sich etwas Spitzes über den Wellen abzeichnete, stoppte die Aufnahme zum Standbild. Es schien tatsächlich eine Insel zu sein.

„Es ist so. Ich weiß nicht, was genau über unseren Köpfen passiert. Klar können wir anhand der Schallwellen uns so einiges zusammenreimen. Zum Beispiel, ob es ein Marineschiff oder ein Krabbenkutter ist. Auch die Anzahl der Schiffe kann man hören. Ich bin mir daher auch ziemlich sicher, dass aus der Luft ebenfalls keine Gefahr droht. Doch ein genaues Bild ist natürlich besser. Allerdings kann man das große Periskop, wenn es ausgefahren ist, leider auch mit bloßem Auge erkennen, weil die Wellen sich daran brechen. Die Marine hat geschultes Personal dafür. Die glotzen die ganze Zeit nur auf die Wellen. Deshalb drehe ich das Seerohr schnell einmal herum und sehe mir das Ergebnis auf dem Monitor an. So haben wir Ruhe und das Periskop ist nicht zu lange aus dem Wasser heraus sichtbar. Für Torpedoangriff nehme ich das kleine Periskop dort daneben. Damit kann man aber nicht schnell fahren. Das verbiegt sich sonst durch die Wellen und den Wasserdruck“, erklärt Law ausführlich.

„Bei 14,3 Knoten ist Schluss...“, gluckste Penguin und verriet so, dass sich das Verbiegen des Periskops wohl schon einmal ereignet haben musste. Ein böser Blick Laws brachte den Gluckser zum Schweigen.

„Verstehe. Du sprachst von Luftangriffen. Dann wäre also das U-Boot von oben herab durch einen bestimmten Blickwinkel unter bestimmten Voraussetzungen durch die Wasseroberfläche sichtbar?“, fragte Zoro.

„Ja, ganz genau!“ antwortete Law erstaunt über diese gut formulierte Frage zurück und gab das Zeichen zum Auftauchen.

„Hey, tu nicht so schlau, als ob du das hier alles kapieren würdest...“, beschwerte sich Luffy, lenkte seine Aufmerksamkeit aber umgehend auf das geöffnete Turmluk. Frischer Sauerstoff strömte herein. Die Lungen der Crew lechzten danach und sogen ihn gerade zu auf.

Nein, Zoro war sicherlich kein Physik-Ass, doch hatte er sich so einiges in Erinnerung rufen können, als seine Tochter im Frühjahr allesamt mit ihrer Physikarbeit nervte, weil sie bei dem Optik-Thema so gar nicht zu begreifen schien, wie sich das mit dem Einfalls- und Ausfallswinkel zu verhalten hatte. Dank Franky, einer großen Schüssel Wasser, einem Stein und einem Geodreieck konnte der Tragik mittels eines Experiments ein Ende gesetzt werden. Zoro musste unweigerlich daran denken, als Law die Sache mit dem Periskop erklärte. Ein U-Boot war also doch nicht so unsichtbar, wie es immer den Anschein erweckte.

Die Mannschaft hatte sich oben an Deck des U-Boots versammelt. Es roch nach Meerwasser. Die letzten Wasserreste rannen platschend vom Stahlrumpf wieder zurück in die See. Erst brauchte man noch ein Fernrohr, doch dann war alsbald der Zuckerhut am Horizont ohne jegliche Sehhilfen zu erkennen. Er wuchs mit jeder Seemeile mehr empor und tauschte sein farbloses Blaugrau zu seiner wahren Farbe. In zartestem Rosa schimmerte und schillerte es nun. Der Zuckerhut war ein erloschener Vulkan, an dessen Berghängen unzählige Kirschbäume um die Wette blühten. Sakurayama war also der mehr als passende Name für dieses verzauberte Eiland. Die Bäume wuchsen bis an das Meer heran und schneiten verschwenderisch ihre Blütenblätter hernieder, so dass selbst das Meerwasser rosa bedeckt war. Es war wohl auch nur das Salz des Meeres, das diesem Naturschauspiel Einhalt gebot. Sonst hätte sich der Kirschbaumwald wohl auch noch über den Ozean erstreckt.

Es gab nur einen einzigen Ort an der Westküste mit einem Hafen, einigen kleinen Herbergen und einem winzigen Marktplatz. Zügig lief das U-Boot auf dieses Ziel zu und legte an. Law gab eine Zeitangabe vor, zu der er abzulegen gedachte, und schon verstreuten sich alle über das kleine, überschaubare Reiseziel.
 

Zoro hatte sich schnell von den Anderen abgesetzt. So schnell, dass diese es gar nicht einmal zuerst bemerkt hatten. Doch da es von Beginn an das Bestreben des Nakamas gewesen war, hier auf diesem Eiland etwas zu klären, verwunderte es auch Niemanden im Geringsten, dass sich Zoro wohl schon längst auf den Weg gemacht haben musste.

Das Areal war selbst für einen Roronoa ohne Orientierungssinn übersichtlich gehalten. Nur ein einziger Weg führte hinaus aus dem Ort zu dem hoch gelegenen Gipfel. Wie eine Schlange wandte sich der Pfad um den Vulkankegel und war beschuppt von unzähligen niedergefallener Blüten. Ein leichter Wind wog sich in den Zweigen der Kirschbäume, zupfte an den Blüten und ließ es zartrosa regnen. Leise rieselten sie hernieder wie Schneeflocken, bedeckten den Weg und die Grashalme zwischen den Bäumen. Sie fielen im Zeitlupentempo, als wäre die Zeit kurz davor stehen zu bleiben.

„Wie Schnee“, dachte Zoro, während er bedächtig dem Pfad folgte und dabei durch die Blütenblätterberge stapfte, dass es zu seinen Füßen nur so rauschte.

„Schnee … hatten wir doch neulich erst ...“, seufzte er.

Er hielt inne und blickte umher. Das Azurblau des Himmels, das Rosa der Blüten und das Schwarz der Stämme. Kitschiger konnte es kaum sein. Es war ruhig hier oben. Viel zu ruhig. Kein Vogel, keine Maus, kein Insekt hatte sich hierher verirrt.

Dennoch war er sich absolut sicher, dass er nicht einsam seiner Wege zog. Da beobachtete ihn etwas zwischen den Ästen heraus. Und es war clever genug, sein Observationshaki so zu täuschen, dass es fast unsichtbar war. Es versteckte sich und lauerte.

Zoro lüftete seine Lungenflügel mit einer tiefen Brise an milder Frühlingsluft, schloss die Augen und verharrte in tiefer Ruhe in sich. Aufmerksam tasteten seine Sinne sein Umfeld ab.

Da war der Beobachter wieder! Und sogleich auch wieder weg.

Nein, es war ihm nicht möglich, mittels Haki die Aura desjenigen zu lokalisieren. Einen kurzen Moment lang flackerte die Erinnerung auf, wie nützlich es einst mal war, Prismenträger gewesen zu sein. Gefühlswellen aller Wesen hatte er einst gespürt und diese auch gegen sie selbst verwenden können. Ein Leichtes wäre es da gewesen, den Beobachter auszuschalten. Nichts war ihm von dieser besonderen Gabe geblieben.

Doch nun war detektivische Kombinatorik und blanke Strategie gefragt. In seinem Kopf setzte er Scherbe um Scherbe an Fakten zusammen. Da war der Samurai auf dem Zeitungsfoto, der ihn herausforderte. An seinem Gürtel ein Katana. Sein Katana! Wadôichimonji! Es gab eigentlich nur drei Möglichkeiten, wer also der Samurai sein könnte. Taiyoko, weil sie das Schwert mitgenommen hatte. Takeru, der es ihr abgenommen haben könnte. Oder ein unbekannter Dritter, der es zufällig in die Hände bekommen hatte. Taiyoko, Takeru, Mister X... Zoro wog das Für und Wider zwischen den Optionen genau ab.

Und plötzlich durchzuckte es ihn wie einen Blitz, wer denn da durch die Bäume huschte. Es war kein Observieren, wie man es tat, wenn man jemanden nach dem Leben trachtet, sondern der pure Fluchtgedanke.

„Du kleiner Feigling!“, schlussfolgerte er innerlich. „Na warte!“

Als wieder für den Bruchteil einer Sekunde die Deckung des versteckten Beobachters aufflog und dessen Aura kurz aufflackerte, schoss er auf diesen los wie eine Motte, der man gerade die Stubenlampe angeknipst hatte. Sein Gegner, der längst die Situation erkannt hatte, verflüchtigte sich umgehend. Diese ganz besondere Art der Tarnung beeindruckte Zoro. Allerdings wäre sie nicht mehr lange aufrecht zu erhalten. Und schon gar nicht vor einem Hanyô wie ihm.

Zoro lehnte nun rücklings an einem Baumstamm, verschränkte die Arme und rief sich in Gedanken zurück, was Tashigi ihm vor wenigen Tagen erzählt hatte.

Von Kindern, die einfach mal irgendwann irgendwo auf den Blues verschwanden. Kinder ohne Namen und ohne Vergangenheit. Kinder, die niemand jemals suchen oder vermissen würde. Unzählige gab es davon. Ihr Schicksal war ungewiss. Doch manchmal tauchten sie auch wieder auf. Neuer Name und neue Identität. Neu instruiert und gebrandmarkt.

Selbst die Weltregierung verschlang solch kleine unschuldige Geschöpfe in ihrem Moloch und stopfte sie in geheime Einheiten, die nicht einmal innerhalb der militärischen Reihen bekannt waren. Wie Laborratten im Käfig gehalten, fristeten sie dort ein Leben zwischen missglückten Experimenten und sozial isolierten Qualen. Und genau solch ein rebellierendes Exemplar turnte hier gerade ganz in seiner Nähe durch den kitschig romantischen Blütenregen. Bockig aufbegehrend und dem Wahnsinn der Weltregierung entronnen. Zum Teufel, was diesen Menschen antrieb. Entweder war er komplett durchgeknallt oder mit einem kühl kalkulierten Plan am Start.

Das Kramen in Zoros Hosentasche beförderte ihm die Vivrecard seiner Tochter ans Tageslicht. Unbeschadet wie frisch erstellt ruhte sie in seiner Hand. Taiyoko musste ganz in der Nähe sein. Er blickte nach oben durch die lichte Baumkrone hindurch. Fast lautlos wandte sich eine feine Brise um die Äste, wog die Zweige und entlocktem dem Himmel sein klares Blau. Vollkommen unbeeindruckt von der Schönheit der Blüten holte der Wind die Kirschblütenblätter von den Bäumen. Nach Zoros verflossener Geduld war es nun ebenfalls an der Zeit, den Feind vom Baum zu holen.

Ein kleines Katz-und-Maus-Spiel begann durchs Geäst hindurch und um Baumstämme herum. Der verträumte Wald wurde schlagartig aus seinem Schlaf gerissen. Laut zitternd beschwerten sich die Zweige über die beiden Eindringlinge, wild empor tanzten die gefallenen Blütenblätter in die Höhe und legten sich zugleich ungeordnet wieder hernieder.

Und der Angreifer war schnell. Blitzschnell. Und dabei extremst geräuschlos. Ebenso, wie er einst gedrillt worden war.

Zoro hasste es, hinter den Leuten hinterher zurennen. Entweder sollten sie anständig kapitulieren oder gefälligst kämpfen. Aber dieses ganze Rumeiern war blanker Mist. Er schnaubte kurz auf und hatte beschlossen, diesem Affenzirkus nun ein Ende zu bereiten. Die Taktik seines Feindes längst durchschauend, lief er zielgerichtet auf einen Punkt zu, wo dieser in den nächsten Sekunden sich wieder zu zeigen hätte, ohne dass er es auch nur im Ansatz verhindern könnte. Der Plan ging auf.

Die Ruhe kehrte erst zurück in das Waldidyll, nachdem des Angreifers Schwert gegen Zoros prallte, welches dieser nur über der Schulter abwehrend gezogen hatte. Kalt starrte Zoros Auge über die Klinge hinweg in das Gesicht seines gleichgroßen Gegenübers, von dem man nicht viel sah außer entschlossene, dunkle Mandelaugen. Ansonsten gab es nicht viel zu sehen, denn der Rest versteckte sich unter einer schwarzen Kapuze mit schwarzer Halbmaske und schwarzem Anzug. Schwarz in Schwarz. So schwarz wie sein Innerstes. Aber da war noch was anderes in den Mandelaugen. Die Schwärze war vom Leben anerzogen worden und nicht solch eine, die sich von Beginn an in ihm ausgebreitet hatte.

Ohne Zweifel, der Angreifer verstand sein Handwerk, wenn auch der Sprung zum Spitzenplatz der wahren Schlachtenkämpfer noch zu hoch angesetzt war. Ein Hauch von Grinsen überzog Zoros Miene und glättete die Wogen seines Ärgers. Es war also alles wahr, was man über diesen Menschen erzählte: Takeru, der Zwielichtwandler. Als jugendlicher Kleinkrimineller aus Loguetown verbannt, von der Cipher Pol Zero aufgegriffen und ausgebildet, zu Teufelsfruchtexperimenten verdonnert und dann nach dem Rebellieren in den eigenen Reihen und einer gescheiterten Mission per Todesurteil gesucht. Eine Karrierespirale abwärts wie aus dem Bilderbuch.

„Wo kommst du so schnell her?“ waren Takerus einzigen Worte zur Begrüßung und man hörte deutlich die Verunsicherung in seiner Stimme darüber heraus, dass sein Gegenüber die Teufelskräfte derart analysieren und durchschauen konnte.

„Hätte ich vorher klingeln sollen?“ Zoro grinste. „Und nun? Haust du wieder ab ins Zwielicht?“

Zoro hatten nun doch seinen Spaß gefunden, als er Takerus Mimik beobachtete. Ohne mit der Wimper zu zucken hatte dieser die Frage aufgenommen und tat ganz unberührt. Innerlich musste aber gerade die Hölle ausbrechen. Dennoch ging Takeru das volle Risiko ein, formte seine Finger zu einer Raute und murmelte:

„Heiko no Toei!“

Parallele Reflektion? Über soviel jugendlichen Leichtsinn konnte Zoro nur den Kopf schütteln. Bedächtig schob er sein Schwert zurück in die Saya und blickte zu Boden, wie dieser sich langsam einem Bannkreis ähnlich schwarz färbte. Das war nicht sein eigener Bannkreis, sondern der des Teufelsfruchtnutzers. Da wollte dieser ihn doch tatsächlich mit ins Zwielicht ziehen? Wie albern war das denn Bitteschön? Da könnte Zoro doch jederzeit wieder selbst ausbrechen.

„So, du Vorstadtninja! Für sowas wie dich brauche ich nicht mal ein Schwert ...“, zischte Zoro fast schon über diese Attacke beleidigt.

„Da reicht die blanke Faust!“

Sagte es und schlug zu. Mitten in die Luft hinein. Hanyos können alle, die durchs Zwielicht wandeln, sehen. Ganz gleich, in welcher Ebene sie sich im Zwielicht befinden. Unweigerlich musste Zoro kurz auflachen, als ihm Choppers naive, aber nicht minder dumme, Frage von einst durch den Kopf schoss:

„Wenn du da mehrere Leute in dem Licht verbannst, treffen die sich da alle wieder?“

„Das ist eine verdammt gute Frage...“, hatte er lachend geantwortet und zugleich ernsthaft darüber nachgedacht, denn es war ihm bis dato völlig egal gewesen.

Zoros Faust klatschte gegen einen schwarzen Körper, der einige Meter weit flog, dann über den Boden kollerte und mit einem weiteren Aufschlaggeräusch an einem der Baumstämme hängen blieb. Noch bevor dieser sich wieder auf die Füße rappeln konnte, stach ein zweiter gewaltiger Schmerz in seine Lende, der nun von Zoros Stiefel herrührte und ihn den ganze Weg wieder zurück kollern ließ. Dann schnürte es ihm die Luft zu, wie er am Kragen gepackt und hochgerissen wurde. Verschwommenen Blickes fixierte er wehrlos Zoros emotionsloses Gesicht.

„Mensch, Takeru, wenn du in der hohen Liga mitspielen willst, musst du aber noch eine Schippe draufpacken!“, höhnte es barsch.

„Wo ist sie?“ zogen sich die drei Worte dunkel in die Länge.

Ein heftiges Schütteln an Takerus Kragen unterstrich die Frage unausweichlich in ihrer Härte. Die Welt vor seinen Augen verabschiedete sich. Der Boden unter seinen Füßen entglitt ihm. Einem nassen Handtuch gleich hing er der Ohnmacht nahe in Zoros Griff. Das musste diese Hanyô-Kraft sein, die alle Teufelsfruchtnutzer in Sekunden ausschaltete. Er hatte diese Kraft schon einmal gespürt. Taiyoko hatte sie auf dem Dampfer unbewusst angewandt, aber das hier war heftig. Als wäre man in kochendes Salzwasser geworfen worden. Ein grässliches und zugleich betäubendes Gefühl. Er war unfähig, sich zu wehren. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.

Kurzum küsste er wieder qualvoll den Erdboden, als Zoro ihn mit einem eleganten Schwung auf die Knie schmiss und sein Haupt mit dessen Stiefelsohle unharmonische Bekanntschaft machte. So zum Tode positioniert schloss er die Augen, hörte das Klicken des herausspringenden Schwertes aus seiner Schwertscheide und wartete auf das Ende. In ein paar Sekunden würde alles vorbei sein und sein Kopf würde hier zwischen den Blütenblättern rollen. Dabei würde sein Blut zwischen den rosa Blättern noch nicht einmal auffallen. Kaltes Metall legte sich an seinen Hals. Obgleich noch Kleidungsstoff das Schwert und seine Haut voneinander trennten, fror es ihm wie Eis. Wieso hieb der Pirat nicht einfach zu?

„Ich will nicht unhöflich sein. Wolltest du noch etwas mitteilen?“

Die Stimme des Piraten klang gelassen und zynisch zugleich, als würde er wie ein Dorfhenker diese Tat mehrmals am Tag ausführen. Vollkommen fließbandmäßig im Akkord. Eiskalt und unberührt vom Schicksal des Opfers.

Takeru sprach kein Wort. Zum einen wusste er nicht wirklich, was es noch zu reden gäbe. Zum anderen fürchtete er, seine Worte könnten den Piraten in irgendeiner Form weiter verärgern und dieser würde den Schlag dann so ansetzen, dass sich Takerus Kopf ganz langsam quälend vom Hals trennen würde. Takerus geschlossene Augenlider pressten sich nun aufeinander, um das aufsteigende Wasser zu unterdrücken. Sein Leben zog in diesen Sekunden vor seinem inneren Auge vorüber. Das eben noch an seiner Halsschlagader ruhende Schwert war gewichen. Es musste direkt über ihm in der Luft schweben und auf seinen Einsatz warten. Takeru bildete sich ein, wie das Kitetsu nach Blut förmlich schrie.

Tatsächlich hielt Zoro das Schwert ausholend mit beiden Händen über seinen Kopf, beobachtete aber genau die Reaktion des im zu Füßen Hockenden. Gerade mal 19 Jahre alt. Welch kurzes Leben. Welch Potentialverschwendung. Keine Gegenwehr, keine Antwort. Der Bengel vor ihm konnte mehr, als nur so verdächtig passiv vor ihm zu kauern, hatte aber nichts von seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten angewandt. Die reine Ehrfurcht oder erbietende Reue konnten es garantiert nicht gewesen sein. Die Sache stank zum Himmel.

Lautlos schob er das Schwert wieder in seine Saya, nahm den Fuß von Takerus Kopf, nur um diesen mit einer Hand am Kragen auf die Beine zu ziehen, dass es Takeru Hören und Sehen verging. Dann wurde ihm die Kapuze vom Kopf gerissen, denn der Pirat fand es unweigerlich zum Kotzen, wenn er nicht wusste, wie seine Gegner überhaupt aussahen. Wenn man schon Sachen angezettelt hatte, dann sollte man persönlich dazu stehen und sich nicht in der Anonymität verbergen.

Zoro hatte just eine bessere Idee. Wenn man Kanonenfutter hatte, dann sollte man es nicht schon vorher umbringen, sondern lieber sinnvoll einsetzen. Zumindest funktionierte das immer auch so bei Usopp, wenn dieser wieder einmal mehr alle aus der Crew nervte. Warum nicht auch bei Takeru?

Durch einen kräftigen Schlag auf die Schulterblätter stolperte Takeru vorwärts, wohin Taiyokos Vivrecard den Weg wies. Weit brauchten sie nicht zu gehen. Ein Rauschen im Blätterwalde kündigte an, dass sich etwas genau auf sie zubewegte. Rosa Blätterwolken flogen auf und inmitten dieser Wolken trabte …

„... ein Einhorn?“

Zoro blinzelte mit dem Auge, dass er nicht träumte. Sollte er doch träumen, so musste dieses ein merkwürdiger Alptraum sein und er überlegte, ob in der Sake-Flasche, die er zuletzt an Bord des U-Bootes geleerte hatte, nicht doch noch Halluzinationen hervorrufende Substanzen beigemengt worden waren. Zumindest wurde von solchen bizarren Erscheinungen berichtet, wenn man sich Drogen eingeworfen hatte.

Als würde es durch die Blätter schweben, trabte ein Einhorn ohne Horn anmutig mit majestätisch erhobenem Kopf und gewölbtem Hals auf die beiden Männer zu. Die Mähne wehte wallend im Takt des Trabes mit. Obig auf dessen Rücken thronte ein Persönchen in Samurairüstung mit allem, was dazugehört. Helm, Gesichtsmaske, Brustpanzer, Schutzschienen, Katana. Ein Bild für die Götter.

Unmittelbar stoppte das Reittier aus der Bewegung heraus vor Zoros Füßen ab, und durch eine furchteinflößende Maske wurde der Pirat von oben herab betrachtet.

„Papa!“ erklang es freudig.

Der Samurai glitt vom Einhornrücken und fiel Zoro so ungeschickt um den Hals, dass die Hörner des Helms ihn fast noch am Kopfe aufgespießt hätten. Und dann folgte ein ungebrochener Redeschwall, den sie von ihrer Großmutter geerbt haben musste. Ohne Punkt und Komma sprudelte ein wahrer Geysir an Absätzen aus ihr heraus. Von dem untergegangen Dampfer und der Paradies-Insel aus Asche. Von Pikadon, dem Zauberer und dem Regenbogen. Von den Wolken. Und wie sie Takeru dazu verdonnert hatte, ihr gefälligst zu helfen. Welch ein Abenteuer. Insgesamt gesehen hatte seine Tochter doch mächtig gute Laune.

Takeru hatte schweigend zugehört, schmerzte doch sein Unterkiefer immens von Zoros Faust. Verrenkt? Gebrochen? Er war sich unsicher dessen, wagte er es doch nicht, dieses zu testen. Es genügte ihm schon, wenn er nur mit seinen Fingerspitzen sanft die Stelle berührte und einen stechenden Schmerz spürte. Vermutlich war es dort grün und blau.

„Verdonnert?“ platze es nun aber doch aus im heraus und mitten in die Erzählung hinein.

Das Schmerzgefühl schloss seinen Mund umgehend.

„Wenn du schon wieder anfängst zu streiten, dann schmeiße ich dich beim nächsten Mal vom Regenbogen runter ins Meer, du Nichtschwimmer!“ keifte Taiyoko zurück.

Und dann ging das Geplapper weiter. Über den Regenbogen waren sie hierher geraten. Ein Zirkus hatte noch vor wenigen Tagen vor Ort sein Zelte aufgeschlagen gehabt. Beim Requisitenklau kam dann die Idee mit dem Zeitungsfoto. Insider würden es verstehen, alle anderen, die Hanyo-Jagd betrieben, nicht. Zuhause anrufen? Die Leitungen wurden garantiert abgehört. Zumindest hatte das Takeru beim Pläne schmieden behauptet.

Aufmerksam war der Pirat den Ausführungen seiner Tochter gefolgt, nebenbei hatte er beide beobachtet. Erstaunlicherweise lag da tatsächlich keine Feindschaft in der Luft, sondern eine freundliche Zweckgemeinschaft. Sieh an, sieh an.

„Klingt ja alles absolut vernünftig“, sagte Zoro gespielt ernst. „Man klaut trotzdem keine Kinder von seinen Eltern!“

Dabei schaute er Takeru mit einem Todesblick an, dass dieser mindestens um einen halben Kopf in sich zusammensackte.

„Aber er hat zu Schluss auf mich aufgepasst ...“, wollte Taiyoko eine Verteidigung versuchen.

„Ach was...“, kam wieder dieser gespielt ernste Ton vom Piraten, der an Sarkasmus nicht zu übertreffen war.

Mit einem „Abflug!“ dirigierte Zoro die beiden Abenteurer samt Reittier auf den Weg hinab ins Dorf.

Kanonenfutter. Eine verrückte Idee nahm im Kopfe des Piraten immer festere Formen an. Ein dreckiges Grinsen überzog sein Gesicht. Und Takeru ahnte, dass der Tag für ihn nicht gut ausgehen würde, während Taiyoko nur zu gut bekannt war, dass es besser wäre, jetzt lieber gar nichts mehr zu sagen.
 

Der Heimweg verging schneller als gedacht. Ebenso schnell machte die Geschichte unter den dort wartenden Nakama die Runde und Law musste laut losprusten, als Zoro ihm sein Anliegen vortrug.

„Room! Mes“

Es war nur zwei Worte und eine Handbewegung. Aber die Wirkung war lebensverändernd. Law hielt seinen Arm ausgestreckt mit der flachen Hand vor sich und blickte zufrieden auf seine leichteste Übung. Ein Würfel ruhte dort. Er pocherte und pulsierte. Ein aufgeregtes Herz schlug wild in seiner Mitte und wunderte sich, nun nicht mehr in der Dunkelheit eines Brustkorbes geborgen zu sein, sondern nun Tageslicht zu erblicken.

Zoro hatte sich in die Hocke begeben und warf Takeru einen abwertenden Blick zu. Über den Raub seines Herzens zusammengebrochen, lag dieser schwer keuchend auf dem harten Kopfsteinpflaster. Kanonenfutter eben.

„Du wirst das tun, was Taiyoko zu dir gesagt hat. Du wirst sie nach Hause bringen. Damit das auch klappt, werde ich einfach diesen Pfand hier mitnehmen“, gab Zoro dem Gepeinigten unmissverständlich zu verstehen und hielt ihm sein eigenes Herz als Beweis unter die Nase.

„Und Gnade dir alles, was dir heilig ist, wenn du es wagst, zu versagen …!“

Aus blutunterlaufenen Augenwinkel sah Takeru, wie Zoro sein Herz im Würfel in dessen Hosentasche versenkte und ihn dann einfach so verließ. Er zog seine Tochter an sich und verschwand einige Meter weiter mit ihr. Weg vom Platz an den Rand der Häuser. Dabei sprach er leise etwas, was nur die beiden hören konnten. Der Schock über Takerus Strafe stand ihr nun doch sichtlich ins Gesicht geschrieben. Doch die ruhigen, deutliche Worte ihres Vaters trockneten ihre Tränen, beruhigten sie. Ein gequältes Lächeln fand sich wieder zu ihr zurück.

„Also ich fand, er war echt großzügig zu ihm“, raunte es aus der Menge der Heart-Piraten-Crew über diesen Vorfall mitten auf dem Marktplatz in aller Öffentlichkeit. Dann leerte sich der Platz.

Takeru wusste noch nicht so recht, ob das nun großzügig war. Ein vermeintlich Herzloser hatte sein Herz verloren. Die Ironie des Schicksals. Wenigstens hatte er seinen Kopf behalten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  fahnm
2016-01-25T21:53:12+00:00 25.01.2016 22:53
Spitzen Kapitel
Von:  pbxa_539
2016-01-25T18:36:22+00:00 25.01.2016 19:36
So was in der Art hab ich mir schon gedacht.
Zoro trägt nun Takerus Herz mit sich herum. Da fallen ihm bestimmt auch noch ein paar sadistische Dinge zu ein, was man damit tun könnte.
Wobei er ihn zuvor ruhig länger hätte zappeln lassen können. Geschieht Takeru nur recht.
Hmm, merkt man, dass ich ihn nicht leiden kann? Egal.
Wenigstens hat Zoro nun seine Tochter wieder und auch Tashigi wird da sicherlich erleichtert sein.
Antwort von:  sakemaki
26.01.2016 07:03
Sadistisch passt net zu Zoro. Der ist gnadenlos und zielgerichtet, aber nicht sardistisch.
Ja, du hast schon ein paar mal erwähnt, dass du Takeru nicht magst. Und als ich deinen Kommi lag, hab ich so für mich überlegt, ob es eine generelle Ablehnung ist oder ob die Charakterentwicklung aus der Geschichte nicht rauskommt. Hätte ich vllt doch lieber 2 Chaps draus machen sollen? Takeru ist im Inneren ein echt netter Kerl. Naja, kommt ja später noch was. Taiyoko muss ja noch nach Hause.

AHHH, ich sollte mitten in der Nacht mit müden Augen keine Chaps mehr hochladen: Erst am nächsten Tag im Wachzustand viel mir so auf, was da alles falsch ist (fehlende Buchstaben, fehlende Kommata, verdrehte Buchtsaben...) Muss ich heute mal korrigieren. -.-


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