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Raftel (2)

The Rainbow Prism
von

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22 - Irgendwo über dem Regenbogen

Mit der nächsten Welle rollte das Beiboot an den Strand. Doch der Spannungsbogen, was es nun mit dieser Box auf sich hatte, sollte noch für einige Stunde gespannt bleiben. Zumindest konnten Taiyoko und Takeru aus ihrem Versteck heraus beobachten, dass diese sehr schwer und massiv sein musste, denn die vier Mann an Besatzung mühten sich laut fluchend und mit vereinten Kräften, das Monstrum nahe der Böschung zu platzieren.

Die Vier sahen sich der Kleidung nach allesamt ähnlich. Dunkle Leinenhosen endeten in schwarzen Schnürstiefeln. Die Oberkörper versteckten sich unter Camouflage-Parkas. Bei sich führten sie ein buntes Sammelsurium unterschiedlichster Jagdwaffen und Fallen. Deutlich von diesen hob sich ein Fünfter im Bunde hervor. Seine hohe Krähenstimme zeterte mit den Jägern, jedoch waren seine Bewegungen eher gering. Er schritt eilig durch den Sand, positionierte mit geringen, aber exakten Armfuchteleien die Kiste und verharrte dann erhaben wie eine Götterstatue merklich zufrieden. Der Wind frischte auf und ließ seinen langen Droidenumhang nur so um seine dürren Beine und Arme schlackern. Nur die große Knollnase, welche unter der Kapuze hervorragte, passte nicht zu der mageren Gestalt. Der Platz schien für die Jägerschaft perfekt. Sie schlugen Zelte für ihr Nachtlager auf und brieten sich ihr Essen über dem flackernden Lagerfeuer.

Ob es der Geruch nach leckerem Essen über die Entfernung zum Versteck nun tatsächlich in die Nasen des Duos schaffte oder ob es eine pure Geruchseinbildung auf Grund der knurrenden Mägen war, vermochte man nicht zu sagen. Jedenfalls wurde man vom Starren auf feste Nahrung nicht satt, sondern nur noch hungriger. Und die ewigen Mahlzeiten aus Bananen und Kokosnüssen hingen einem zum Halse heraus. Obgleich die Gefahr bestand in einen Kampf mit ungünstigem Ausgang verwickelt zu werden, wuchs unabhängig voneinander bei beiden die Idee, das Lager dort zu überfallen, zu plündern und das Schiff zu entern.
 

Der Tag neigte sich seinem Ende entgegen. Die Sonnenstrahlen, welche die Paradiesillusion am Leben hielten, erloschen langsam aber stetig hinter dem Horizont. Das mittlerweile bekannte Abbrennen der Insel hatte begonnen.

In die Camper-Gruppe am Strand kam Bewegung. Während einer als Wache zurückblieb, machten sich die Übrigen samt Jagdausrüstung und Beschwörungsformeln auf den Weg durch Feuer, Asche und Dreck und waren auch schon bald nicht mehr gesehen.

Taiyoko, die eben gerade noch Gesellschaft hatte, stand nun in ihrer Deckung zwischen zwei Felsen so schnell allein da, dass sie sich nur erstaunt umblicken konnte. Es waren nur Sekunden verstrichen, als sie Takeru unlängst der Zelte für einen Augenschlag wahrnahm, dann wieder verschwinden sah und sich fast zu Tode erschreckte, wie er dann beim zweiten Augenaufschlag wieder direkt neben ihr stand, als wäre er nie weg gewesen. Der große Unterschied bestand jedoch darin, dass er sich um einige Gegenstände bereichert hatte: Verpflegung und Decken. So schnell in der kurzen Zeit? Wie hatte er das gemacht? Grinsend zog er das schwarze Tuch wieder von seinem Gesicht. Selbst die Wache schien nichts bemerkt zu haben, denn diese saß völlig unbekümmert am Lagerfeuer, drehte gedankenverloren Stockbrot über der Glut und war dem Einschlafen nahe.

Mit einem gesättigten Magen und sich vor dem Dreck schützend in die Decken gehüllt wurden neue Pläne geschmiedet. Sobald die Camper wieder abreisten, würden sie sich als blinde Passagiere an Bord geschmuggelt haben. Man müsste nur den rechten Moment abpassen.

Weitere Stunden vergingen. Es mochte inmitten Nacht die schwärzeste Zeit sein, als Blitze über die Ascheebene zuckten. Es grellte blendend auf und knallte erbebend, dass es die beiden im Versteck den Boden unter den Füßen wegriss. Irritiert blickte man auf und rätselte innerlich über ein großes Kugelblitzgebilde, was vom Inselinneren seinen Weg über die Ebene suchte hinab zum Strand. Je näher es kam, desto lösender entpuppte sich das Rätsel. Die Jäger hatten Beute gemacht. Sie hingen an langen Führstricken und rangen mit einem Tier um die Wette. Es keilte mit Blitzen nach seinen Fängern aus, bockte die Zaubersprüche des Druiden hinweg und war nur mit Mühe zu bändigen.

Die Gruppe kam nur langsam voran, doch die Strandwache hatte sie längst bemerkt, erhob sich und zog das große Tuch von der Box: ein Käfig! Was auch immer die Bande mit dem Tier vorhatte, sie würden es wohl verschiffen wollen. Na, wenn das man eine gemütliche Schifffahrt werden würde.

Das Wesen war in keiner Form zu zähmen. Aggressiv und voller Hass stierte es seine Peiniger aus tiefschwarzen Augen an, welche Höllentoren gleich kamen. Sicherlich war es bereit zu töten, wenn es denn die Chance hätte.

Neugierig und magisch von diesem Fabeltier in den Bann gezogen, waren die beiden Beobachter aus ihrem Versteck hervorgekrochen, um das merkwürdige Geschehen genauer erfassen zu können. Verkohlte Palmen und flache Steine waren nun ihr letzter Sichtschutz vor den Jägern. Die Distanz zu ihnen war ungünstig nahe, das Risiko entdeckt zu werden groß.

Längst hatte die Bande unter Lebensgefahr die teuflische Bestie in den Käfig gesperrt und dessen Kopf mit den Stricken so an das Gitter gebunden, dass sich seine Stirn gegen die Stäbe drückte. Der Druide entpuppte sich als Magier, der zu wissen schien, auf was er sich da eingelassen hatte. Er murmelte unverständliche Worte, verfiel in Trance und bewegte die Arme unkoordiniert in der Luft bis die Gitterstäbe des Käfigs im ultravioletten Schimmer glühten. Das Vieh saß nun sicher gefangen im Käfig fest. Fluchtversuch ausgeschlossen. Böse starrte es seinen Widersacher an. Dabei schnaubte es aus seinen Nüstern, so dass sein Atem in der Luft zu Eis gefror, klirrend platzte und sich im Sand verlor.

Nun, wo es dort in der Gefangenschaft festgehalten wurde, konnte man es genauer betrachten. Es mochte wohl eine sehr hohe Rückenhöhe haben, denn verglichen an den Körpergrößen der Jäger hätten diese es nicht einfach so ohne Hilfe erklimmen können. Die Fellfarbe war eigenartig. Es war ein mattes Weiß so rein wie das Mondlicht, doch fixierte man mit den Augen nur einen bestimmten Punkt auf diesem Fell, so war als, als würde man in graue Sturmwolken blicken. Hypnotisiert von diesem Muster war man kaum mehr in der Lage seinen Blick abzuwenden. Mähne und Schweif wallten wie Seidenfäden. Die langen, dünnen Beine endeten in Spalthufen, die von einem starken Fesselbehang fast vollständig verborgen wurden. Der Hals des Tieres war kräftig bemuskelt und endete in einem kräftigen barocken Kopf. Alles in allem sah der gewöhnliche Mensch in ihm ein gewöhnliches Pferd.

„Wir können es da nicht so im Käfig lassen“, murmelte das Mädchen vor sich her.

„Bitte was?“

Entgeistert sah Takeru sie an. Hatte er sich eben verhört? Sie hatten bei Weitem ganz andere Probleme als irgendwelche Tiere aus irgendwelchen Käfigen zu befreien. Auf seiner Prioritätenliste stand die Abreise von dieser Insel ganz oben und nicht das Vieh in der Gitterbox.

Obgleich der Fang der Bestie durch die Gruppe noch nicht genug wäre, sollte der Höhepunkt des Spektakels auf dem Fuße folgen. Der Magier zog aus einem seiner Ärmel ein zweischneidiges Henkerschwert hervor, welche ihn um Längen überragte und es wirklich verblüffend war, wie eben diese Waffe hätte in dem Umhang gepasst. Die Verwunderung darüber konnte man bei beiden an den Augen ablesen, und sie wurden plötzlich groß wie Kuchenteller, als der Magier weit mit dem Schwert über seinem Kopf ausholte und zuschlug. Selbst Takeru, der ansonsten hartgesotten war und dachte, alles in seinem Leben gesehen zu haben, stand das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Das Vieh im Käfig kreischte metallisch voller Schmerz auf. Der Ton ließ das Blut in den Adern gefrieren. Zeitgleich kreischte Taiyoko im Chor dazu:

„NEEEEIIIINNNN!“

Sie sprang aus dem Versteck hervor, zückte ihr Schwert und rannte blindlings in ihr Verderben. Es war der Überraschungsmoment, der die Jäger und den Magier komplett überrumpelte. Nie hätten diese mit weiteren Jägern auf diesem Eiland gerechnet. So kam es, dass das Mädchen den ersten Mann sofort mit einem Schlag erwischte. Als sie vor ein paar Tagen einen Begleiter aus Takerus Bande tötete, war sie schockiert, doch hier in dieser Notlage schien es ihr plötzlich ganz leicht. Zumal diese unbändige Wut in ihr tobte. Die Jägerbande hatten an einem der schönsten Fabelwesen einen unverzeihlichen Frevel begangen. Nie hatte sie je zuvor in ihrem Leben ein Einhorn gesehen. Gerade eben war dieses vor ihren Augen um sein Horn beraubt worden.

„Du dreimal Wahnsinnige...!“, brüllte ihr Takeru aufgebracht hinterher.

Sie waren aufgeflogen. Da machte die Art des Auftritts auf dem frisch eröffneten Schlachtfeld nun auch nichts mehr aus. Schnelles Handeln war von Nöten.

„Rokushiki Soru!“

Die noch stehenden Jäger fielen wie Spielzeugsoldaten in den von Asche bedeckten Sand. Aufgespießt von ihren eigenen Waffen fuhr der Tod durch sie hindurch ohne eine Chance ihn vorher wahrgenommen zu haben.

„Wieso hockten wir die ganze Zeit da oben im Gebüsch, wenn du die alle allein platt machen kannst?“ raunte Taiyoko ihn an, wo er gerade neben ihr in Angriffsstellung aufgetaucht war.

„Weil das hier Spuren hinterlässt, du Anfängerin!“

Man hätte erwarten können, dass ihr unüberlegtes Verhalten ihn hätte verärgern können. Doch in seiner ruhigen, dunklen Stimme war nichts dergleichen herauszuhören. Fast hätte sie meinen können, unter dem schwarzen Tuch, welches er sich bereits wieder bis über die Nasenspitze gezogen hatte, einen Hauch eines Lächeln zu erahnen.

Ein Blitz unterbrach die kurze Konversation. Der Magier, aus seiner Starre erwacht, hatte sich seine Beute ergriffen und hielt sie nun wie einen Zauberstab drohend auf die beiden, die da nun zwischen ihm und Einhornkäfig standen und seine Pläne zu durchkreuzen schienen. Wieder schüttelte er das Horn und ein weitere Blitz sauste auf sie zu. Nur ein rechtzeitiger Hechtsprung rettete beide davor auf der Stelle als Grillgut zu enden. Noch ein Blitz und noch ein Blitz sollten folgen. Sand spritze auf, Steine flogen, Felsen splitterten. Der Magier wurde immer treffsicherer und Takeru schätzte die Siegeschancen für sich und Taiyoko immer unsicherer. Langsam wurde es eng. Die Angriffe auf die Jäger und das Ausweichen vor den Blitzen hatten viel Kraft gekostet.

Eine Stimme drang an ihre Ohren. Ein Ton wie der einer Bronzeglocke:

„Lasst mich frei. Ich kann euch helfen.“

„Das will ich hoffen...!“ murmelte Takeru.

Wie sollte man das Fabeltier aus dem Käfig holen? Der Gedanke zerstob so schnell, wie der nächste Blitz auf sie zu donnerte und den Felsen, der ihnen gerade noch Schutz gab, zerschmetterte. Das Mädchen schien in diesem Moment keine große Hilfe zu sein. Er hatte ihr Pokerspiel durchschaut. Dass sie auf dem Dampfer des nachts ihre Kräfte entfalten konnte, war nur blanker Zufall gewesen. Es aber wie gut geübtes Können zu präsentieren, war clever. Sicherlich würde sie auch kein Eisen zerschneiden können, um den Käfig zu öffnen, auch wenn sie eine sehr gute Schwerttechnik besaß. Also blieb nur eines. Man musste alles auf eine Karte setzen.

„Rokushiki Rankyaku Tsuki!“

Er sprang hoch und trat in die Luft. Geschnittene Luft formierte sich, flog wie ein Bumerang auf den Magier zu und brachte ihn zum Straucheln. Sein nächster Blitz aus dem Horn verfehlte sein Ziel und traf den Käfig. Holz zerbarst, Metallstangen deformierten sich, ein Zauber war gebrochen. Heraus sprang ein wutentbranntes Einhorn. Es stellte sich auf die Hinterbeine, wieherte gellend und galoppierte dann auf Takeru zu, der reflexartig in die Mähne griff und dann Taiyoko vom Rücken des Tieres aus am Arm packte und hochzog. Ein Lichtschein zerschnitt die Kampfplatz. Doch es war kein Blitz. Es war fein und farbenfroh.

„Ein Regenbogen?“

Ein wilder Ritt sollte folgen. Durch Feuer, Asche und Rauch. Es biss ihm in die Augen, dass er sie notgedrungen schließen musste.

Er spürte nur noch. Spürte, wie sich das Mädchen angstvoll an seinen Rücken klammerte und das Gesicht an seiner Schulter vergrub, um nicht herunterzufallen. Spürte, wie die Mähne sich in seine Handflächen einschnitten und sein Blut die silberne Mähne rot tränkte. Spürte, wie die anfänglichen hektischen Schritte und Sprünge des Einhorns einer gleichmäßigen, raumgreifenden Galoppade gewichen waren. Spürte, wie es immer höher und höher in den Himmel ging, die Kälte und dünne Luft den Atem raubte.

Irgendwann hörte es plötzlich auf.
 

Als Takeru die Augen aufschlug, blickte er in einen azurblauen Himmel mit filigran-bunten Lichtstreifen. Der Untergrund, der ihm ein geruhsames Bett bot, war weich und weiß. Wie Watte. Eine Wolke? Im Schnelldurchlauf spulten sich in seinem Kopf noch einmal die Szenen der letzten Stunden ab. Feuer, Einhorn, Feinde, Regenbogen, Höllenritt in den Himmel. Himmel ...

Diese letzten Schlagworte waren so unglaublich, dass er nach alledem nur eines annehmen konnte: Er war sicherlich tot. Bestimmt war er das. Kein normaler Mensch überlebte so einen Tag und ritt dann mit einem Einhorn über einen Regenbogen in den Himmel. Na, denn man gut, dass das Tier nicht pink war. Das hätte ihm arg zu denken gegeben. Ebenso sonderbar schien es ihm, dass er überhaupt auf einer Wolke liegen durfte, wobei er doch ein Vorstrafenregister vom Umfang mit dem eines Telefonbuches zu vergleichen vorweisen konnte. Normalerweise waren für solche Leute ein brennend anderes Ende nach dem Ableben vorgezeichnet.

„Er scheint aufgewacht zu sein, Herrin!“, tönte eine tiefe Bronzestimme an sein Ohr.

Herrin? Nun war er doch hellwach, setzte sich auf und musterte seine Umgebung. Wolken, soweit das Auge reichte, wurden von einem herrlichen Sonnenschein überzogen. Auf einer dieser Wattewolken waren sie gestrandet und trieben im Gleichschritt mit dem Wind in zehn Kilometer Höhe über das Blaumeer hinweg. In direkter Nähe lag neben Taiyoko das geschändete Einhorn, hatte nun aber seinen Kopf majestätisch erhoben und blickte ihn durch seine silbernen Augen wie durch Monde an. Es war alles so real, dass er wohl doch überlebt haben musste.

„Wieso nennst du sie Herrin?“, fragte er immer noch etwas neben sich stehend, rieb sich den schmerzenden Schädel und versuchte seine Augen an die Helligkeit zu gewöhnen.

„Nun denn, es gebietet der Anstand, sie so zu nennen, da sie dieses Schwert bei sich hat“, folgte die nüchterne Erklärung auf dem Fuße.

„Nee, schon klar ...“, murmelte er und zog die weitere Option in Betracht, eventuell doch nicht in der Realität, sondern in einer Parallelwelt zu wandeln.

„Wado-Ichi-Monji? Was weißt du darüber?“

Taiyokos Neugier war geweckt worden. Langsam zog sie das Katana aus der Saya und betrachtete es aufmerksam, wie es weiß gleizend in der Sonne glänzt. Die letzten Kampfspuren klebten noch eingetrocknet auf seiner Klinge. Sich nicht um seine Reinigung gekümmert zu haben, war mehr als blasphemisch. Sicherlich waren ihre Eltern in großer Sorge um sie, doch ihr Humor kehrte zurück, als ihr in den Sinn kam, wie viel Ärger es geben würde, dass sie unerlaubt das Familienheiligtum hatte mitgenommen. Was war nun schlimmer, ihr eigenes Verschwinden oder das von Wado-Ichi-Monji?

„Schau mit deinem Herzen durch deine Augen. Einhornblut ist der Lack, den die Saya schmückt, und es sind Schweifhaare, aus denen die Sageo geflochten wurde. Nur wenigen Schreinschwertern gebühret diese Ehre. Doch scheint es nicht dein Schwert zu sein? Es ruht kein Versprechen auf ihm, welches du einst geschlossen hättest. Das war vor langer Zeit jemand anderes.“

Obgleich die Einhornsprache doch recht altertümlich abgedroschen schien, so klang sie durch den Bronzeton schon fast traumhaft, gar poetisch elegant. Und wie unheimlich allwissend dieses Tier war. Woher wusste es etwas über die Geschichte dieses Katanas? Natürlich hatte es recht. Soweit sie zurückdenken konnte und über alledem auch das Buch ihrer Mutter studiert hatte, war Wado-Ichi-Monji wie ein Wanderpokal von ihrer Tante zu ihrem Vater weitergereicht worden und dann bei ihrer Mutter hängen geblieben. Dass sie selbst es in der Nacht aus der Not heraus gegriffen hatte, war blanker Zufall gewesen.

Die polierte Klinge spiegelte ihr Antlitz durch die Blutstropfen hindurch. Sie sah nur ihre Augen auf dem schmalen Stahlstreifen, die auch hätten ihrer Mutter gehören können. In dem Punkt sahen sie sich vollkommen ähnlich. In diesem Moment verspürte sie mehr denn je denn sehnlichsten Wunsch, endlich die Heimreise antreten zu können. Die Suche nach einer Teufelsfrucht könnte warten. Auf dem Rücken des Einhorns müsste es über den Regenbogen eine Leichtigkeit sein, nach Loguetown zu gelangen.

Sie kniete sich vor dessen Kopf, streichelte seine Stirn und betrachtete traurig den kleinen Stumpfen, der noch von seinem Horn übrig geblieben war.

„Tut es sehr weh?“

„Es geht. Zum nächsten Blutmond wird es wieder gewachsen sein“, sprach es ruhig und gelassen. Dabei könnte man meinen, es hätten eine lächelnde Miene aufgesetzt, als es fröhlich durch die Nüstern schnaubte, um seine elendige Lage zu verschleiern. Pikadon hieße es und Taiyoko fand seinen Namen sehr zutreffend. Mit seinen Blitzattacken war es ein wahrliches Höllentier. Damit war anscheinenden eine Freundschaft besiegelt.

Pikadon wandte erhaben sein Haupt und sah durch seine Mondaugen lange prüfend die Begleitung seiner Herrin an. Nachdenklich wiegte es den Kopf und schüttelte seine lange wallende Mähne. Seine Herrin würde er gerne durch die Lüfte tragen, doch was wäre mit diesem dort, der dort so schweigend saß und diese innere Traurigkeit inne hatte? Die Dunkelheit in ihm hätte schon auf dem Weg hier hinauf eine große Last dargestellt. Wie ein Klotz am Bein, der einen immer weiter und weiter hinunter zöge und ertrinken ließe. Es wäre schwer, den Lichtweg zu beschreiten. Er würde nur Unbefangenen zustehen, da sie noch Leichtigkeit besaßen.

Takeru, der nur mit halben Ohr zugehört hatte, war nun absolut bei der Sache. Man wollte ihn hier oben auf der Wolke aussetzen? Auf gar keinen Fall! Er protestierte, musste sich aber von Pikadon abwimmeln lassen. Es läge allein in der Entscheidung seiner Herrin, ob sie sich auf diese Gefahr begeben würde, nicht vom Regenbogen getragen zu werden, weil sie ihn dabei hätten.

Ein recht einseitiger Streit entbrannte, in welchem Takeru wütend auf Taiyoko einredete. Sie selbst hockte verzweifelt auf dem Boden, hielt sich schützend vor dem Wortschwall die Arme über dem Kopf und war unfähig, ihm irgend etwas entgegen zu setzen, bis sie rund umschlagend aufschrie:

„Das ist doch alles deine Schuld, dass wir hier oben sind!“

„Du bist doch ausgerastet und über Bord gegangen?!“

„Du hast mich entführt!“

„Pfff...!“

Wenn man die Kette der unglücklichen Umstände weiter in die Vergangenheit zurückverfolgte, so hatte sie verdammt recht. Dennoch konnte er es nicht zu geben, weshalb er nun auf dem Absatz kehrt machte und ihr mit verschränkten Armen die kalte Schulter zeigte.

Sie sagte gar nichts mehr, schmiegte sich traurig und unsicher an Pikadon. Zuviel war in den letzten Tagen passiert, dass man sofort hätte eine Entscheidung fällen können. Was wäre richtig, was wäre falsch? Es gäbe keine richtigen oder falschen Entscheidungen, sondern man müsse abwiegen, auf welchem Pfade man zum Ziel kommen würde, riet ihr das Einhorn. Da gäbe es viel zum Abwiegen, gab sie lachend zurück.

Die Weiterreise würde sich wohl auf unbekannte Zeit verzögern.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  pbxa_539
2015-11-19T13:37:11+00:00 19.11.2015 14:37
Hmm, auf welcher Wolke hocken die denn jetzt? Und was wollten die anderen mit dem Einhorn-Horn?
Bestimmt wieder so ein (Aber)Glaube von magischen Kräften etc.
Wie lange haben die jetzt eigentlich auf der Insel fest gesessen? Irgendwie ist mir da grad das Zeitgefühl abhanden gekommen.
Interessant wäre allerdings noch zu wissen, über welche Fähigkeiten Takeru genau verfügt.
Der scheint auch irgendwie nicht allzuviel von sich preiszugeben.
Na gucken wir mal.
Antwort von:  sakemaki
19.11.2015 20:42
Es ist keine Skypia-Wolke, aber eben eine Himmelsinsel. Sie saßen ungefähr eine Woche auf der Paradies-Feuer-Insel fest. Natööörrlich hat das abgeschlagene Horn einen kurzen Sinn und wird natöörlich noch erläutert. ;-)
+tztz* Erst Takeru nicht leiden können udn nun Interesse hegen. Joah, der hat tatsächlich noch Backstory. :-)
Von:  fahnm
2015-11-03T00:42:49+00:00 03.11.2015 01:42
Spitzen Kapitel


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