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Psychisch instabil

von

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schreiende Masse

Die Zeit, als alle Stephen gemieden haben ist vorbei.

Zu meinem Bedauern, denn jetzt sitzen ein paar seiner Block Kompanen mit an unserem Tisch und erzählen lautstark irgendwelche uninteressanten Geschichten über ihr Leben. Ruvik hat sich schon lange verdrückt und und untersucht wahrscheinlich gerade irgendjemandes Gehirn in den tiefen meines Kopfes.

"Ich hab jetzt so 'nen neuen Typen aus Block A mit in der Küche drin, der stellt sich bescheuert an! Kann noch nicht mal ein Ei aufschlagen!" sagt einer der zwei Brauhaarigen zum tätoowierten Kahlkopf mir gegenüber. Sie sind darauf gekommen weil der Kahlkopf einen Neuen aus Block D mit an den Tisch genommen hat, der sich unter all den lauten Männern sichtlich unwohl fühlt. Kurz überlege ich ob der Typ aus der Küche wirklich so dumm war, oder schlau genug sich doof anzustellen, um weniger machen zu müssen... Ich komme zu keinem eindeutigen Ergebniss.

Also versuche ich das beste aus der Situation zu machen und sehe mir die restlichen patienten hier an, obwohl noch lange nicht alle hier sind. Es gibt keine festen Essenszeiten, also kann jeder wann er will durch diese Türen spazieren.

Allerdings habe ich das gefühl das irgendjemand wichtiges fehlt. ich wende mich mit dieser Frage an Stephen, links von mir, der aber nur mit den Schultern zuckt. Aufgrund seiner bereitwilligkeit mir zu helfen, analysiere ich das Kantinenverhalten selbst.

Meistens sitzen personen aus den selben Blöcken zusammen, aber es gibt auch Ausnahmen.

Block C -die mit durchschnittlichen IQ Irren- kommt kommt gut mit allen klar. Block B -viel Muskeln, wenig Hirn- setzt sich gern mit Block A -manipulative Hochintelligente- und Block C zusammen. Und Block D -die ängstlichen, kommunikationsgestörten Wracks- sitzen meistens unter sich oder wurden von Block C oder Block A mit an den Tisch geschleift. Die wenigen aus Block A die hier her kommen setzten sich meistens mit den (leicht manipuierbaren) Block B oder dem (niedlichen, aussehenden und sich nicht wehren könnenden) Block D zusammen.

Die Halluzinierende setzten sich gern mit Schizophrenen zusammen, Muskelprotze schnappen sich gern ein kleines niedlliches Etwas das sie beschützen wollen, Pyromane bleiben unter sich genauso wie Religionsfanatiker, oder setzen sich ein schweigendes, in die leere blickendes, kleines persönchen hinzu. Hier und dort sitzt ein manipulativer Phsychopath, der das ganze gelangweilt oder amüsiert beobachtet.

"Was? Ihr wart wirklich gestern in Block D?" fragt einer der Braunhaarigern und guckt Stephen und mich ungläubig an. "Wie habt ihr das den geschafft?" Stephen lacht ausgelassen und hält kurz die Karte hoch. Ich verdrehe die Augen.

"Du bist von Idionten umzingelt." sagt mir Ruviks Stimme in meinem Kopf. Ich stochere weiter lustlos in dem verbleibenden Salat herrum und spiesse ein großes, dunkelgrünes Blatt auf. Es knackt kurz. Ich frage mich kurz wie man eine Schädeldecke öffnet, ohne das der Proband stirbt.

"Und wie war's dort?" fragt der Kahlkopf. Ich bemerke griechische Buchstaben an seinem Hals, allerdings steht auf seinem Arm irgendwas auf Chinesisch. Er scheint multikulturell interessiert zu sein. Wahrscheinlich weiß er nicht mal was das ist.

Dann denke ich über das Gedankenexperiment "Chinesisches Zimmer" nach. Von da komme ich auf den turing Test.

Stephen hatte anscheinend bereits geantwortet, denn alle Augen blickten mich erwartungvoll an. "Relativ unspecktakulär." sagte ich.

"Du hattest da drin 'ne ziemlich harte Hallozination, Alice." meint Stephen.

"Ich habe immer Hallozinationen, Stephen, deshalb bin ich hier. Willst du das Hähnchen noch?"

"Du hast gesagt du siehst ein blutendes Mädchen an der Decke stehen."

"Immernoch besser als mit 15 von Michael Meyers durch deine Schule gejagt zu werden. Das waren noch Zeiten."

Ich spiese mit meiner Gabel eine Tomate auf. Sofort kommt der rote Saft herruasgeströmt und färbt alles um sich herrum. "Glaubt ihr das die künstliche Intelligenz mal die eines Menschen einholen wird?" wechsle ich das Thema. Die Männer an diesem Tisch sehen mich mit einer Mischung aus Entsetzten und Erstaunen an. Irgendwie erinnert mich dieser Anblick an Goldfische.

Einer davon will gerade den Mund aufmachen, da schrillt der Feueralarm los. Für einen winzigen Augenblick ist es Totenstill, dann bricht Chaos aus. Die Patienten werden zu einer gewaltigen, schreienden Masse die mit aller Kraft versucht die Türen zu öffnen, für die man die eigendlich die Klinke betätigen müsste. Es wird an den Gittern die die Fenster versperren gerüttelt, Stühle und Tische umgeworfen, einige versuchen hinter der Ausgabetheke Schutz vor dem Chaos zu suchen andere versuchen sich auf dem Boden, an Wänden oder unter den wenigen verbliebenen Tischen unsichtbar zu machen. Manch eine verängstigte Gestalt krümt sich so weit zusammen wie es geht und hält sich weinend die Ohren zu.

Der Neue aus Block D an unserem Tisch ist ein glänzendes Beispiel für dieses Verhalten.

Ich blicke mich kurz um und zucke mit den Schultern. "Vielleicht ist es ja auch schon passiert." Stephen neben mir steht mit aller Ruhe der Welt auf und gibt etwas von sich das wie ein 'Nicht schon wieder' klingt. Die beiden Braunhaarigen haben es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, alle 'Unsichtbaren' davor zu retten von dieser offenen Zurschaustellung des Wahnsinns zertrampelt zu werden, während der Kahlkopf wild vor sich hin brüllend den Fenstergittern zu schaffen macht.

Gerade als mir einfällt wenn ich den ganzen morgen lang vermisst habe, und diese erkenntniss mit Stephen teilen wollte, merke ich, dass er gar nicht mehr hier ist. Er hat das glänzende Beispiel mit beiden Armen hochgenommen und marschiert jetzt festen Schrittes auf die Küchentür zu.

In meinem Gehirn schaltet es, ich nehme meine Gabel, schnappe mir noch schnell Stephens letztes Stück Hähnchen und laufe ihm hinterher.

In der Küche sitzen schon ein paar der 'Unsichtbaren' die die beiden Braunhaarigen vor der Schuhsohle der hysterischen Masse gerettet haben.

Oder davon abgekratzt. Je nach aussehen.

"Nero war heute nicht beim Essen." sage ich dem blonden Hünen noch bevor ich sein Hühnchen verschlinge.

Entweder hat er mein Kommentar nicht bemerkt oder einfach ignoriert, denn er setzte den Neuen einfach an irgendeine Wand auf den gefliessten Boden und geht wieder raus. Ich setze mich auf eine der Kochinseln und zupfe noch das letzte Stück von meiner Gabel. Die Platten sind so hoch das ich meine Beine baumeln lassen kann. Vor mir sitzt immernoch der Neue.

Er scheint sich ein bisschen beruhigt zu haben, auch wenn er immernoch zittert, weint er nicht mehr und er hält sich auch nicht mehr die Ohren zu. Er sitzt nur in seiner Embryostellung da und schaukelt sich ein bisschen vor und zurück.

"Weißt du, irgendwie erinnerst du mich an Jason Todd."

Sein schaukeln und sein zittern stoppten abrupt, und er sah auf. Sein dunkelbraunen Haare waren verwuschelt, seine Wangen waren gereizt von den vielen Tränen, genauso wie seine Augen. Seine großen, fiebrig glänzenden, braunen Rehaugen, die mich hoffnungsvoll aber verständnislos ansahen.

Autismus? Mutismus?

"Wahrscheinlich eher Mutismus." Ich Blicke zu Ruvik, der sich neben mir an die Kochinseln gelehnt hat. Seine grauen Augen musterten das kleine Häuflein Elend so durchdringend, das er wieder anfing zu zittern und schließlich wieder in sich hinein weint.

"Er kann dich sehen." stelle ich unbeeindruckt fest, und sehe mir alle reflektierenden Oberflächen im Raum an. "Eigentlich kann mich gerade niemand außer dir sehen." Er mustert ihn so, als ob er versucht etwas zu finden, von dem er nicht weiß, was es ist. DAS ist ungewöhnlich.

Dann wendet er sich ab. "Was für eine Ironie..."



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