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Psychisch instabil

von

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Weiß-Rotes Plastik

Ich wachte auf… glaube ich.

Von draußen höre ich Absatzschuhe klicken.

Ich wusste nicht ob ich die Augen offen hatte oder nicht, denn es machte keinen Unterschied.

Unter mir fühlte ich die Matraze, über mir die dünne Decke. Es war ein warmer Herbst, da konnte man unter einer dünnen Decke schlafen.

Ich setzte mich auf und schwang meine Beine aus dem Bett. Ich spürte den kalten Steinfußboden unter meinen Füßen. Meine Hände tasteten über meine Haare und versuchten den verrutschten Zopf zu lösen.

Ich gehöre zu den Menschen, die mit offen Haaren nicht schlafen können.

Ah, meine Haare waren immernoch noch feucht, vom Duschen.

Ich stand auf und ging blind durch das kleine, leere Zimmer zum Fenster um die Vorhänge zurückzuziehen und das Fenster zu öffnen.

Licht und Luft strömten gleichermaßen herrein. Die Luft war kalt und feucht und roch nach alten Blättern, im Licht, das vom Sichelmond reflektiert wurde, sah man gerade mal die Umrisse des Gittern vor meinem Fenster, der Hecken vom Garten, des altehrwürdigen Gebäudes, das uns beherbergte und der Mauern die uns von der Außenwelt trennten. Die Hohen Tannen dahinter wiegten sanft im Wind.

Ich wandte mich von meinem Fenster ab, zu meinem Kleiderschrank an dem seit neuster Zeit ein Spiegel hängt. Es war kein besonders schöner Spiegel, eigendlich hatte er noch nicht einmal einen Rahmen, aber er war groß und tat seine Aufgabe anscheinend gut.

Neben dem Schrank stand ein Wäschekorb auf dem Boden, der jeden Donnerstag von ein paar meiner Mitbewohner abgeholt und in den Waschraum gebracht wurde und irgendwann im Laufe des Tages frisch gewaschen wieder hier auftauchte. Eigendlich recht gut organisiert hier.

Den Schrank geöffnet, sah ich nicht wirklich was ich mir herrausfischte. In der Hand hatte ich die einfache Patientenkleidung. Ein weißes T-shirt mit V-Ausschnitt und eine einfache Hose.

Ich mochte es, denn es war bequem und da viele das Selbe trugen kam man sich nicht vollkommen bescheuert vor.

Warum sogut wie alle das trugen? Keine der Patienten konnten sagen das sie regelmäßig besucht wurden (von denen die besucht werden durften) und noch weniger Besucher gaben auch noch Geld für Kleidung aus, wenn auch welche vom Staat zur Verfügung gestellt wird. Und andere Wege um an Kleidung zu kommen gab es nicht.

Irgendwie traurig, nicht wahr?

Den Schrank wieder geschlossen und das Bett gemacht, trat ich an die Eisentür und drückte auf den Schalter der neben dem Lichtschalter angebracht war. Es surrte kurz dann kamen Schritte den Flur hinnauf, die vor meiner Tür stehen blieben. Es brummte kurz, dann klickte es laut und die Tür wurde elektronisch aufgezogen. Auf der anderen Seite stand eine Krankenschwester, die mich feundlich anlächelte.

Seltsamerweise ein fremdes Gesicht.

„Kann ich ihnen helfen, Mrs. Harrison?“ fragte sie.

Ich musterte sie weiter. Etwas dicklich, vertrauensvolle Augen, langsam ergrauendes Haar. Auf ihrem Namensschild stand M. Leuchtmann.

„Ich würde gerne einen Spaziergang machen.“ War alles was ich ihr sagte. Damit war sie sichtlich überfordert, denn sie stamelte nur irgendetwas von einer Entschuldigung. Ich schob mich an ihr vorbei und ging in Richtung Tresen, wobei ich an den anderen Eisentüren vorbeikam.

Aus einer kam plötzlich ein Stift in meine Richtung geflogen, welcher sein Ziel, die Krankenschwester wahrscheinlich, aber verfehlte, und als sich das Ziel zu dieser Tür umdrehte zischte es, „Ich kann dich hören, Schlampe.“ Ich blieb stehen und sah in die brauen Augen auf der anderen Seite des kleinen Gitterfensters. Dann lächelte ich und wünschte ihm auch einen guten Morgen. Die Krankenschwester, immernoch überfordert mit der Situation, blickte auf die Tür.

„Sie arbeiten noch nicht lange hier, nicht wahr?“ fragte ich sie während ich weiter auf den Tresen zuging.

„Nein, eigentlich nicht.“

„Wo haben sie früher gearbeitet?“

Sie schien kurz zu überlegen, ob sie mir wirklich antworten sollte. Bescheuert, wenn ich etwas von ihr wollte, bekäme ich am Computer sowieso alles raus.

„Sie können mir ruhig antworten. Ich führe nur Smalltalk. Wenn ich wirklich etwas über sie wissen wollte, könnte ich alles an einem der Computer lesen. Außerdem, solange ich hier bin, werde ich schon niemanden töten. Und dass ist wohl eine sehr lange Zeit.“

Ich lachte. Sie schien nicht zu wissen was sie tun sollte, also lachte sie nervös mit.

Sie klang wie eine dieser nervigen kleinen Handtaschen-Hunde.

„Nun, ich war in der Altenpflege, bevor ich hier her gekommen bin.“ Sie spielte mit ihren Fingern.

An ihrem Ringfinger befand sich ein weißer Abdruck.

„Wegen der besseren Bezahlung, nicht wahr? Aber dann wissen Sie wenigstens schon das wichtigste.“

Sie hat ihren Ehering abgenommen, obwohl sie das sonst nie tut. Für eine Affäre wäre der Abdruck zu auffällig. Also eine Scheidung.

„Entschuldigung?“ Sie verstand nicht.

Bräune innerhalb der Handgelenke, also vor kurzem im Urlaub, aber sie hat den Ring nicht abgenommen. Urlaub, während der Scheidung? Unwahrscheinlich. Also erst Scheidung, dann Erholungsurlaub. Hätte sie Schluss gemacht, hatte sie den Ring im Urlaub abgenommen, also hat er sich von ihr getrennt. Vom Aussehen her wegen einer Jüngeren wahrscheinlich.

„Den Umgang mit den Menschen, Miss. Es ist der Gleiche. Geduld haben, egal wie dämlich sie sich anstellen und sie sonst normal und nett behandeln. Und wenn sie sterben, dann sterben sie eben. Sie hatten es doch sowieso nicht mehr lange gemacht, so erbärmlich wie sie sich benehmen, nicht wahr?“

Sie will ihn vergessen und gleichzeitig trauert sie ihm nach.Und nun ein neuer Beruf, wahrscheinlich für einen Tapetenwechsel. Eine Art Schlussstrich. Wie sentimental und… langweilig.

Ich lächelte immernoch nett.

„Naja… ich, äh…“ stammelte sie.

Sie macht es nicht mehr lange, das sehe ich ihr an. Sie wird Selbstmord begehen, weil sich niemand mehr für sie interessiert.

Ich hörte Ruviks Stimme links von mir. „Du fängst an zu denken wie ich.“

Ich drehte mich zu ihm. „Ach, halt doch den Mund.“

Ich blickte wieder zu der Krankenschwester, die mich immernoch ängstlich anstarrte.

Sie war leicht manipulierbar und vielleicht eine Fahrkarte hier raus. Ich blickte auf ihre Brusttasche, aus der eine weis-rote Karte lugte. Sicherheitsstufe 2.

Mhm, vielleicht doch nicht.

Aber dennoch nützlich.

Ich lachte wieder kurz auf. „Es gibt Gründe, warum ich hier bin. Vergessen Sie das nie. Bei niemanden. Das ist wichtig. Sonst enden sie wie Dr. Harleen Quinzel.“

Sie antwortete mir nicht. Ich habe sie überfordert.

Komischerweise sind Menschen da wie Computer, wenn man sie überfordert, hängen sie sich einfach auf.

„Planen sie länger hier zu bleiben?“

Sie fasste sich wieder. „Nun, ich schätze ja.“

„Dann gebe ich ihnen den Tipp, dass nicht zu tun.“

„Was?“

„Alles, sie sehen aus wie ein aufgescheckter Hase.“

Ich seufze. Sie fühlt sich gekränkt.

Na toll.

„Sie sollten nicht zu lange vor den Türen stehen bleiben, es kann sein das etwas rausgeflogen kommt, und das ich meist flüssig. Wenn sie Nachtschicht haben, ziehen sie andere Schuhe an, mit diesem Geklapper wecken sie alle. Und dann werden sie meistens wütend.“

Ich ging um den Tresen herrum und drückte ihr ein paar Papiere in die Hand.

„Sie sollten sich die Akten von jedem in diesem Flur durchlesen und sich die Namen so gut wie möglich merken. Wenn sie vor haben, wähend ihrer Schicht hier nicht zu schlafen können sie gerne mehr als die erste Seite lesen, würde ich aber nicht empfehlen. Und hier“

ich hielt ihr eine halb ausgefüllte Liste vor die Nase „sollten sie gewisse Vorfälle, wie denn gerade eben, eintragen. Und da“ ich zeigte auf den Bildschirm des Computers „ müssen sie eintragen wenn einer der Insassen seine Zelle verlässt und wenn er wiederkommt. Ich vermute zur Illusion der Kontrolle.“

Nun ging ich wieder um den Tresen herrum und nahm ihr den Stapel aus der Hand um ihn dann auf den Tresen zu legen.

Dann umarmte ich sie.

Und sie erstarrte zu einer Statue.

Ich löste ich mich wieder von ihr, lies meine Hände aber auf ihren Schultern.

Ich grinste sie an.

„Die Illusion der Kontrolle, vergessen Sie das nicht. Wenn wir hier zusammenhalten, kann uns niemand mehr kontrollieren. Denn Psychopathen haben es so an sich, hoch intelligent zu sein.“

Sie hatte Angst. Vor mir.

Das ist sehr gut.

Wer Angst hat, lässt sich kontrollieren.

Ruviks lacht. Er hat es bemerkt.

Dann drehe ich mich um und verschwinde um eine Ecke.

Dann Blicke ich in meine Hand, aus der mich weiß-rotes Plastik anfunkelt.

Das war ja noch leichter als gedacht.



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