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Mörderische Goldgier

"Geliebter Blutsbruder"- Teil II
von

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Motawateh

In der Gegenwart:
 

Mich schauderte es noch immer bei der Erinnerung an die dramatischen Ereignisse am Pecos. Es war wieder einmal so furchtbar knapp gewesen, wieder einmal war Winnetou in letzter Sekunde dem weit geöffneten Rachen des Todes entronnen. Ich begann mich zu fragen, wie oft er sich schon in solch gefährliche Lagen befunden hatte, während ich durch die Weltgeschichte gereist war. Wie oft hatte er schon einsam gegen den schlimmsten aller Feinde gekämpft, während ich es mir in der Heimat gut gehen ließ?

Ich saß nachdenklich, natürlich immer noch gefesselt, neben Sam und Emery in dem Zelt an diesem mir unbekannten Ort, und meine Gedanken kreisten um die schrecklichen Momente, als ich meinem Freund voller Verzweiflung und mit letzter Kraft das Wasser aus seiner Lunge gepresst hatte, schweiften dann ab zu meinen letzten Erinnerungen an unseren Lagerplatz am gestrigen Abend, wo er mir mit seinem unnachahmlich liebevollen Blick eine gute Nacht gewünscht hatte, bevor er die erste Wache antrat.

Natürlich würde ich nie die Hoffnung aufgeben, bevor ich vor vollendeten Tatsachen stand, aber ich konnte mich einfach nicht den schwerwiegenden Ängste erwehren, die mir vorgaukelten, dass ihm jetzt wieder etwas Furchtbares zugestoßen sein könnte, dass er in vielleicht genau in diesem Moment schon wieder um sein Leben kämpfen musste, allein, wieder ohne meine Unterstützung, und das Herz wurde mir schwer.
 

Ein leiser Seufzer entfuhr mir bei diesen niederschmetternden Gedankengängen, so dass sich Sam Hawkens neben mir wieder hören ließ:

„Na, na, na, verehrtes Greenhorn, Ihr werdet doch jetzt wohl nicht so schnell den Mut verlieren? Das ist ja eine ganz neue Art von Euch, so kenne ich Euch ja gar nicht!“ Ich schaute ihn an und lächelte leicht, obgleich ich nicht wusste, ob er es in diesem diffusen Halbdunkel überhaupt sehen konnte.

„Ich verliere nicht den Mut, Sam, habt keine Sorge. Ich dachte soeben nur nach....“

„Natürlich über Euren geliebten Blutsbruder, nicht wahr? Das war mir sofort klar, das kann man Euch nämlich an der Nasenspitze ansehen, wenn ich mich nicht irre! Wobei ich immer gedacht hatte, nur meine fabelhafte Nase wäre zum Hellsehen geeignet, hihihihi...“ Zum wiederholten Male kicherte er in sich hinein, während ich mich doch etwas wunderte, dass mir meine Gedanken so deutlich anzusehen waren, obwohl wir einander fast nicht sehen konnten.
 

Sam sprach jetzt weiter, und seine Stimme bekam dabei einen weichen Klang, als er mich mit folgenden Worten zu beruhigen versuchte:

„Eurem Winnetou ist bestimmt nichts geschehen, da bin ich mir völlig sicher, so wahr ich Sam Hawkens heiße! Wahrscheinlich sitzt er nur ein paar Schritte von uns entfernt irgendwo in einem Versteck und bereitet unsere Rettung vor - wir kennen ihn doch genau!“ Ich nickte bestätigend, genau das glaubte ich auch oder wollte es zumindest glauben, denn welchen Sinn hätte es gehabt, wenn auch der Apatsche von den Kiowas überwältigt worden wäre, aber nicht zusammen mit uns anderen gefangen gehalten würde?

Dass sich Sam diesmal aber tatsächlich irrte, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand von uns wissen.
 

Wir bekamen in den nächsten Minuten auch keine Gelegenheit mehr, weiter über unsere mögliche Befreiung durch Winnetou nachzudenken, denn jetzt tat sich offenbar etwas vor unserem Zelt. Mittlerweile begann der Tag zu grauen, und die erste Morgendämmerung erhellte unser Gefängnis ein wenig. So konnte ich erkennen, dass sich auf einmal mehrere Personen vor dem Eingangsloch bewegten. Plötzlich erscholl eine befehlende Stimme, das Fell vor dem Eingang wurde vollständig zurückgeschlagen und dann erschienen vier Indianer im Inneren, von denen einer mit sämtlichen Insignien eines Häuptlings behaftet war.

Ich sah mir den Kerl genau an und konnte nach wenigen Sekunden fast mit Sicherheit sagen, dass ich ihn vorher noch nie gesehen hatte. Bisher waren mir nur der oberste Häuptling der Kiowas, Tangua, und dessen Sohn Pida bekannt, aber wir wussten ja, dass es mehrere umherstreifende Stämme der Kiowas in dieser Gegend gab, und vielleicht hatte ich es hier mit einem mir noch unbekannten Stamm zu tun. Dass es mit ziemlicher Sicherheit Kiowas waren, konnte ich an einigen Einzelheiten an der Kleidung und der Bewaffnung erkennen. Es war mir aber nicht möglich, zu erkennen, ob der kleine Trupp von Kiowas, mit denen wir vor ein paar Tagen kurz nach Sam Hawkens' Ankunft zusammengestoßen waren, auch hierher zu diesem Stamm gehörte.
 

Der Anführer, dessen finstere Gesichtszüge wie grob eingemeißelt wirkten, trat jetzt zielsicher auf mich zu und fragte mich sofort und ganz direkt, absolut entgegen jeder indianischen Sitte:

„Kennt mich der weiße Hund namens Old Shatterhand?“ Na, das war ja mal ein liebevolle Begrüßung! Da er das Gespräch sofort mit einer Beleidigung begann, sah ich auch keinen Grund, mich ihm gegenüber zurückzuhalten:

„Wen sollte ich kennen? Wer bist du? Hast du überhaupt schon einen Namen?“ Das war so ungefähr die größte Beleidigung, die man einem Indianer gegenüber aussprechen konnte, vor allem einem, der offensichtlich schon lange in einem Alter war, in dem man sich als Krieger einen Namen gemacht haben musste, zumal er auch noch gut erkennbar als Häuptling gekleidet war.

Dieser wurde jetzt auch sofort puterrot vor Zorn, trat ganz dicht an mich heran, holte aus, wollte zuschlagen, beherrschte sich aber im letzten Moment noch einmal, sich wohl an seine Ehre und Vorbildfunktion erinnernd, da seine ihn begleitenden Stammesgenossen schon zu murren begannen. Statt dessen zischte er mir, nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, so dass er mich mit seinem Geifer bespuckte, zu:

„Räudiger Köter! Du wirst nicht mehr lange bellen können, denn schon bald wird deine stinkende Seele die meinige in den ewigen Jagdgründen für alle Zeiten bedienen müssen!“

„Du irrst!“ erwiderte ich, „Es werden noch viele Sommer vergehen, bevor ich in die Jagdgründe eingehen werde, während dem Namenlosen hier vor mir schon die Knie zittern aus Angst vor seinem baldigen Tod!“
 

Jetzt konnte der Rote sich tatsächlich nicht mehr halten; seine Hand griff nach seinem Messer, riss es aus dem Gürtel und stieß damit blitzschnell in Richtung meines Halses. Ich konnte einer vielleicht sogar tödlichen Verletzung nur dadurch ausweichen, indem ich mich mit einer noch schnelleren Bewegung zur Seite warf, wobei ich aufgrund der strammen Fesseln nur wenige Zentimeter Spielraum hatte. Trotzdem gelang es mir, dadurch keine Angriffsfläche mehr zu bieten, so dass mein Gegenspieler durch den Schwung, mit dem er die Bewegung ausgeführt hatte, an mir vorbei nach vorne gerissen wurde und drohte, gegen die Zeltwand zu fallen; er konnte sich nur noch mit Mühe an dem Pfahl festhalten, an dem ich gefesselt war.

Sein Gesicht war mittlerweile weiß vor Wut, und als er wieder sicher stand, blitzten mich seine Augen mit einem solchen Hass an, dass es einem anderen wahrscheinlich angst und bange geworden wäre. Ich aber sah ihm offen und unbewegt ins Gesicht, und vielleicht war es die Ruhe, die ich dabei ausstrahlte, die bewirkte, dass er so allmählich wieder seine Gefühle unter Kontrolle bekam.
 

Sein Hass und seine rasende Wut aber wichen in keinster Weise, seine ganze Körperhaltung drückte mit größter Intensität den Wunsch aus, mich sofort in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Irgendetwas in seinem Gesicht aber wirkte auf mich so, als ob er sich selber sagte, dass es im Moment lohnender sei, mich am Leben zu erhalten. Ich war wirklich gespannt, was jetzt kam, denn so langsam wollte ich doch erfahren, aus welchem Grund wir eigentlich überwältigt worden waren und jetzt hier festgehalten wurden. Und tatsächlich, in diesem Augenblick begann die Rothaut wieder zu sprechen, und zwar in einer Art und Weise, die mich hoffen ließ, jetzt doch Näheres zu erfahren.
 

„Du nennst dich Old Shatterhand? Dein Name ist eine Lüge. Deine Hand ist gebunden, sie vermag noch nicht einmal einen Käfer zu zerschmettern. Aber ich will dem stinkenden Kojoten, der zu Unrecht ein Held genannt wird und der trotzdem den Namen Old Shatterhand trägt, dennoch wissen lassen, wer hier vor ihm steht!“ Mit teils herausforderndem, teils spöttischem Blick und hoch erhobenen Kopf hatte er sich in stolzer Haltung wieder vor mir aufgebaut, darauf wartend, dass ich das nun folgende Schweigen unterbrechen würde, um endlich seinen Namen zu erfahren. Den Gefallen tat ich ihm natürlich nicht, sondern ich sah ihn weiterhin mit stoischer Ruhe völlig unbeteiligt an.

So vergingen ein paar Sekunden, und dann hielt es der Kiowa doch nicht mehr aus. Mit einer Miene, als verkünde er mir die Ankunft des Herrn, spie er mir förmlich entgegen:

„Vor dir steht Motawateh, der tapfere und große Häuptling der Naishan-Kiowas!“ Auf diese großartige Ankündigung hin ließ ich aber immer noch keinen Laut hören, was den „großen Häuptling“ fast schon zur Raserei brachte.

„Old Shatterhand hat wohl vor Angst seine Stimme verloren?“ versuchte er mich jetzt aus der Reserve zu locken. „Motawateh wusste, das der räudige weiße Hund ein Wurm ist, der sich selbst vor dem kleinsten Vogel in ein Erdloch verkriecht!“
 

„Du hast recht“, erwiderte ich jetzt. „Du bist tatsächlich der kleinste aller Vögel, denn ich habe noch nie von dir gehört, und meine Gefährten hier neben mir ebenfalls nicht. Du kannst also noch keine großen Taten vollbracht haben und scheinst nur bei deinen eigenen Stammesgenossen bekannt zu sein!“ Diese Bemerkung brachte mir nun doch einen gewaltigen Tritt in meine rechte Seite ein, dem ich auch nicht mehr ausweichen konnte. Ich ließ mich aber dennoch nicht aus der Ruhe bringen und meiner Miene konnte Motawateh auch nicht entnehmen, dass der Tritt von mir überhaupt bemerkt wurde. Mittlerweile bereitete es mir fast schon heimlichen Spaß, diesen doch sehr von sich eingenommenen Roten bis zur Weißglut zu reizen und ihn dadurch die Beherrschung verlieren zu sehen.
 

Er sah mich jetzt lange mit einem äußerst finsteren Blick an, den ich gleichmütig erwiderte. Dann blitzte es plötzlich in seinen dunklen, bedrohlich wirkenden Augen auf; Augen, die so ganz anders waren als die seelenvollen und samtig-schwarzen Augen meines Winnetou, und er begann wieder zu sprechen:

„Elender Wicht! Dein Hochmut wird dir ganz schnell vergehen. Du wirst, noch bevor sich der Mond wieder zeigt, heulen vor Angst und Schmerz! Noch bevor die Sonne sinkt, wirst du vor mir auf den Knien liegen und betteln um Gnade, Gnade für dich und deine Gefährten!“ Sein Gesicht hatte bei diesen Worten einen äußerst zuversichtlichen Ausdruck angenommen; er schien sich seiner Sache wirklich völlig sicher zu sein. Ich ließ ein herzhaftes Lachen hören und antwortete:

„Du irrst schon wieder! Wie kannst du nur glauben, dass deine Worte zutreffen werden? Darauf kannst du wirklich lange warten!“
 

Anstatt wieder in Wut darüber zu geraten, dass ich ihn offen verlachte, ließ er jetzt nur ein unheilverkündendes Grinsen sehen. Dann stellte er mir eine Frage:

„Auch lachen wirst du nicht mehr lange! Sind deine Augen mit Blindheit geschlagen? Hast du noch nicht bemerkt, dass einer der räudigen Hunde, die dich begleiteten, fehlt?“ Ich zuckte innerlich zusammen und musste schwer an mich halten, damit er mir meinen Schrecken und meine Überraschung über seine Äußerung nicht anmerkte. Seine Frage zielte offenbar auf Winnetous Abwesenheit. Wusste Motawateh, dass sich dieser bei uns befunden hatte? Hatte er Kenntnis über dessen Schicksal? War Winnetou vielleicht doch von den Kiowas ergriffen worden? Trotz dieser drängenden Fragen sah ich den Häuptling weiterhin unbeteiligt an und stellte die Gegenfrage:

„So? Der unbekannte Kiowa-Häuptling scheint wirklich oft unter den Irrungen und Wirrungen seines Geistes zu leiden. Wer von meinen Gefährten sollte denn fehlen?“ Die Rothaut hatte nun aufgrund meiner neuerlichen Beleidigung die allergrößte Mühe, einen weiteren Wutanfall zu unterdrücken. Seine Gesichtsfarbe begann wieder ein herrliches Zinnoberrot anzunehmen, und ich glaubte sogar, ein leises Zittern in seinen Händen zu bemerken.
 

Dennoch gelang es ihm mit größter Mühe, sich ein weiteres Mal zu beherrschen; er brachte sein Gesicht nochmals ganz nahe an meines heran und zischte mir mit einer gefährlich leise klingenden Stimme zu:

„Und was ist mit dem elenden Pimo, dem Hund von Apatschenhäuptling, der gar nicht würdig ist, dass der große Motawateh seinen Namen überhaupt erwähnt?“

Wieder musste ich mich zusammennehmen, um weiterhin großes Desinteresse an seinen Worten zu heucheln. Er wusste von Winnetou! Es bestand aber immerhin noch die Möglichkeit, dass man unser Lager vor dem Überfall durch Späher belauscht und dabei natürlich auch Winnetou bemerkt hatte, während derselbige beim eigentlichen Angriff hatte fliehen können. Ich war mir jetzt sogar ziemlich sicher, dass Motawateh den Apatschenhäuptling nur erwähnte, um mir, vielleicht mit Hilfe einer List, zu entlocken, wo dieser sich jetzt befand. Er konnte ja nicht ahnen, wie sehr ich mir selber wünschte, den Aufenthaltsort meines Freundes zu kennen!
 

Also behielt ich meine für den Indianer so ärgerliche Ruhe bei und antwortete:

„Jetzt muss ich dem unbekannten Kiowahäuptling ein weiteres Mal recht geben. Er ist tatsächlich ein so erbärmlicher, unwürdiger Wurm, dass er es in keinster Weise wert ist, den weithin berühmten Namen des tapfersten und größten Häuptlings der Apatschen in den Mund zu nehmen!“ Das Zinnoberrot im Gesicht des Kiowa wurde noch drei Töne dunkler und ging schon teilweise ins Fliederfarbene über. Ich hatte genug Muße, diesen Farbwechsel zu beobachten, denn sein Gesicht befand sich immer noch wenige Zentimeter von meinem entfernt, und aufgrund der neuerlichen Beleidigung geriet sein Blut so in Wallung, dass er für Sekunden keine Worte fand. Sein Atem ging schnell und heftig, seine Fäuste ballten sich und seine Zähne knirschten. Neben mir sog Emery scharf die Luft ein; er hatte wohl große Sorge, dass ich im nächsten Moment das Messer der Rothaut zu spüren bekommen würde.
 

Dieser allerdings behielt seine Stellung bei und spie mir mit einer tödlichen Drohung in seiner Stimme die Worte ins Gesicht:

„Der stinkende Kojote, welcher sich dein Freund und Bruder nennt, wird von uns zermalmt werden - wir werden sein Fleisch den Geiern zum Fraß vorwerfen! Er ist wie giftiges Ungeziefer, aber er befindet sich in unserer Hand, und er wird die schlimmsten Martern ertragen müssen, wie sie noch keiner der tapferen Krieger der Kiowas zu sehen bekommen hat! Und dann werden wir dir seine Überreste einzeln vorlegen, so dass du wie ein altes Weib heulen und klagen wirst!“

Ich konnte und ich wollte nicht an die Wahrheit seiner Worte glauben; ich hatte ihn bisher als ein richtiges Großmaul eingeschätzt und war mir sicher, dass er mich nur bange machen wollte. Also lachte ich ihm ins Gesicht:

„Der Häuptling der Apatschen ist dein Gast? Da hast du ja wirklich großes Glück, aber glaube ja nicht, dass dieses lange anhalten wird! Er wird sich nur so lange in deinen Zelten aufhalten, wie es ihm beliebt, genauso wie meine Gefährten hier und ich. Wenn wir von deiner Gastfreundschaft genug haben, werden wir schneller verschwunden sein, als dein Auge es zu fassen vermag!“

Ich trieb es wirklich auf die Spitze, aber zu schweigen, wäre eine große Dummheit gewesen, da ich so nichts über die weiteren Pläne und deren Gründe dafür von den Kiowas erfahren hätte, außerdem wollte ich mich auf keinen Fall von den Worten dieses Cholerikers werfen lassen.
 

Der Häuptling konnte sich kaum noch zurückhalten, aber dann fiel ihm offenbar etwas ein, wovon er glaubte, dass es mir doch noch einen Schrecken einzujagen vermochte:

„Der Pimo hatte viel Gold bei sich. Wenn der feige Kojote namens Old Shatterhand uns sagt, woher dieses Gold stammt, damit die Freunde der Kiowas diesen Reichtum an sich bringen können, wird Motawateh darüber nachdenken, ob er die Qualen des schändlichsten Sohnes der Apatschen abkürzen wird. Sterben aber wird er müssen, da er den Kiowas vor langer Zeit die Schlimmste aller Beleidigungen angetan hatte. Und da du sein Freund bist, bist du ebenso wie er unser Todfeind und wirst ebenfalls sterben müssen. Bis dahin werden wir euch strengstens bewachen, so dass es euch nicht möglich sein wird, auch nur das kleinste eurer Gliedmaßen zu bewegen. Ihr werdet euch niemals befreien können! Howgh!“

Er lachte leise auf, denn er hatte bemerkt, dass ich jetzt doch leicht zusammengezuckt war. Der Kerl hatte von Gold gesprochen, von Gold, welches er bei Winnetou gefunden haben wollte! Woher sollte er wissen, dass dieser tatsächlich eine nicht unbeträchtliche Menge bei sich führte, wenn es ihm nicht gelungen war, meinen Freund in seine Gewalt zu bekommen? Mir lief es heiß und kalt den Rücken herunter; trotzdem gelang es mir irgendwie, weiterhin eine kühle Gleichgültigkeit zur Schau zu stellen, als ich ihm entgegnete:

„Dein Name müsste eigentlich „großer Mund“ lauten, denn deine Worte sind größer als deine Taten. Selbst wenn der Häuptling der Apatschen dein Gast sein sollte – und ich sage absichtlich „Gast“, denn er würde sich niemals ein deine Gefangenschaft begeben – so wäre es dir unmöglich, ihm seine Habseligkeiten abzunehmen!“
 

Motawateh erhob sich wieder zu seiner vollen Größe, sah mit einer Mischung aus Verachtung und Siegesgewissheit auf mich herab und sprach nun mit dem Brustton der Überzeugung:

„Ich werde dir beweisen, dass sich der mutlose Schakal namens Winnetou in unserer Gewalt befindet. Gedulde dich eine kurze Zeit, und du wirst es mit eigenen Augen sehen!“ Mit einer abrupten Bewegung drehte er sich um seine eigene Achse und verschwand mitsamt seinem Gefolge aus dem Zelt.
 

Stumm sah ich meine Gefährten an. Beide erwiderten ungläubig meinen Blick, und in beiden Augenpaaren erkannte ich große Zweifel über das eben Gehörte. Emery brach dann auch als Erster das Schweigen:

„Das kann nicht sein, Charlie. Wenn der Kerl Winnetou wirklich in seine Gewalt gebracht haben sollte, warum hält er ihn dann nicht mit uns zusammen in einem Zelt gefangen?“ Auch Sam wandte jetzt ein:

„Dieser Indsman glaubt wohl, er könne uns an der Nase herumführen, wenn ich mich nicht irre! Meine Nase ist zwar dank ihrer fabelhaften Größe gegenüber Eurer absolut im Vorteil, was das Herumführen daran angeht, aber dennoch wird es wohl bald so sein, dass wir diesem Kiowa auf derselbigen herumtanzen werden, hihihi!“ Das gute Kerlchen ließ sich auch jetzt wie immer nicht aus der Ruhe bringen.
 

Mein Gefühlsleben hingegen war doch etwas in Aufruhr geraten. Einerseits konnte und wollte ich es absolut nicht glauben, dass Winnetou von diesen Rothäuten tatsächlich überwältigt worden sein sollte, andererseits hatte Motawateh das Gold erwähnt, und woher sollte er davon sonst wissen? Winnetou trug im Augenblick wirklich eine nicht gerade kleine Menge an Nuggets bei sich, da wir in Kürze nach Farmington aufbrechen wollten, um für seinen Haushalt im Pueblo, für den Doktor und auch für die Siedler einige wichtige Dinge zu besorgen. Er hatte es jetzt schon bei sich, weil wir vor kurzem in die Nähe eines seiner Placers vorbeigekommen waren, und auf den Weg nach Farmington würden wir auf keines mehr treffen.

Ich war jetzt wirklich gespannt, welche Art von Beweis der Kiowa-Häuptling für Winnetous Anwesenheit hier im Lager anführen wollte. Bis dahin konnten wir sowieso nichts anderes tun als abzuwarten, wobei ich mich bemühte, die nagende Sorge in mir zu unterdrücken.
 

Wir verfielen nun in ein nachdenkliches Schweigen, wobei ich mir, auch um mich etwas abzulenken, die Geschehnisse nach der spektakulären Rettung der Siedlerkinder wieder vor Augen führte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Onlyknow3
2015-08-25T07:21:54+00:00 25.08.2015 09:21
Was für ein Kapitel. Und welche Sorgen er sich um Winnetou machen muss, ist dieser wirklich in den Händen Kiowas, oder ist er entkommen und der Häuptling hat das Gold nur gefunden das Winnetou bei sich trug. Hoffentlich ist dem Apatschen nicht zu gestoßen, das es ihm gut geht und er Hilfe holen kann. Oh man das ist doch nicht zu fassen, das glaub ich einfach nicht das diese Kiowas ihn gefangen haben. Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel mit einem besseren ausgang als es gerade aussieht.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Anmiwin
26.08.2015 15:07
Hach, wie schön, dass du so intensiv drin bist in der Story!
Im Moment ist ja eigentlich noch alles offen, was das Schicksal Winnetous angeht - und es wird auch noch ein klein wenig dauern, bis darüber Klarheit herrscht. Aber zwischenzeitlich wird es - hoffentlich - sehr spannend, und ich bin neugierig, wie du das alles finden wirst...

Vielen Dank für deine netten Rückmeldungen und bis ganz bald

Anmi


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