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Bis dass der Tod sie scheidet

BBC Sherlock
von

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Der Freund

Gedankenverloren stocherte John mit dem Strohhalm in seinem leeren Glas herum und hörte daher auch nur mit halbem Ohr zu, wie Simon ihm voller Begeisterung von seinen Abenteuern und Erlebnissen in Südamerika vor einigen Jahren erzählte. Eigentlich war er ja hergekommen, um sich abzulenken, sich vielleicht sogar ein wenig zu amüsieren. Aber es war zwecklos. Sherlocks Worte ließen ihn einfach nicht los. Im Grunde genommen ärgerte ihn ja noch nicht mal die Tatsache, dass er ihn so einfach weggeschickt hatte, obwohl er ihm nur helfen wollte. Ein „Danke“ hatte er sowieso nicht erwartet. Und es war auch nicht diese typisch schroffe Art, mit der er ihn vor die Tür gesetzt hatte. An die war er nach all der Zeit nun weiß Gott gewöhnt. Nein, es ging ihm vielmehr darum WAS er gesagt hatte: Sie stören. Lassen Sie mich allein, ich brauche Sie nicht. Nicht unbedingt die Worte, die man von seinem Freund hören wollte. Und das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass er wahrscheinlich der einzig Dumme war, der sich darüber nun den ganzen Abend Gedanken machte, während Sherlock-

„John? Hey, John! Noch da?“

John schreckte auf, als plötzlich eine Hand vor seinem Gesicht hin und her winkte.

„Entschuldige, was hattest du gesagt?“

Simon musterte ihn mit gerunzelter Stirn.

„Du bist schon die ganze Zeit so abwesend. Was ist denn los?“, wollte er wissen, bevor seine Lippen sich zu einem zweideutigen Grinsen verzogen. „Liebeskummer?“

„Was? Nein!“ erwiderte John, vielleicht eine Spur zu hastig. „Nein, ich…“ Er zögerte. Er war definitiv nicht der Typ Mensch, der gerne über seine Probleme sprach. „Es ist nichts. Mein Mitbewohner treibt mich zurzeit nur in den Wahnsinn.“

„Du hast einen Mitbewohner? Wieso, was ist denn mit ihm?“
 

„Er ist…“ John suchte nach den passenden Worten. „…schwierig. Anstrengend. Launisch, überheblich und wenn er nichts zu tun hat, unausstehlich. Mal redet er wie ein Wasserfall, dann spricht er plötzlich für drei Tage überhaupt nicht mehr. Die Küche hat er quasi für sich und seine Experimente eingenommen, von den ganzen Leichenteilen überall mal ganz zu schweigen. Heute erst hätte ich um ein Haar mit einem toten Mann geduscht und ja, ich kann mir durchaus Romantischeres vorstellen. Und dass er auch nur einmal loszieht, um einkaufen zu gehen, darauf warte ich bis heute noch“, zählte er wild und in rasender Geschwindigkeit die Dinge auf, die ihn zwar des Öfteren an den Rand der Verzweiflung brachten, aber natürlich nicht der Grund für seinen eigentlichen Zorn waren. Überhaupt, was tat er hier eigentlich? War nicht sein ursprünglicher Plan gewesen, das Thema „Sherlock“ für den Rest des Abends aus seinem Kopf zu verbannen? Verflucht sei dieser Detektiv, der nicht einmal anwesend war und ihn trotzdem nicht in Ruhe ließ!
 

Während John Sherlock innerlich zum Kuckuck wünschte, sah Simon ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Ehm…Leichenteile?“, fragte er noch einmal langsam nach und verzog das Gesicht. „Das klingt irgendwie abgefahren. Und, mal abgesehen davon, eindeutig nach einem alten Ehepaar, Johnny.“

„Wir sind kein Paar!“, machte John mit Nachdruck in der Stimme deutlich, erntete jedoch lediglich einen amüsierten Blick.

„Wunder Punkt, was? Aber das trifft sich eigentlich ganz gut. Ich bin selbst auf der Suche nach einem Mitbewohner. Wenn du die Nase voll hast, zieh doch einfach aus und wir machen unsere eigene WG auf.“

„Ausziehen?“ Dieser Gedanke war für ihn so abwegig, dass John bisher nicht mal im Traum darüber nachgedacht hatte.

„Ja genau! Überleg doch mal, wir könnten die alten Zeiten wieder aufleben lassen.“

„Wir sind aber nicht mehr fünfundzwanzig, Simon“, meinte John, fast schon ein wenig belustigt.

„Na und? Hey, ich hätte sogar schon die perfekte Wohnung! Ein wenig außerhalb von London, aber preisgünstig und mit einer guten Anbindung.“

„Simon, ich-“

„Schau sie dir doch einfach mal an“, fiel ihm sein alter Freund ins Wort, zog einen kleinen Notizblock aus seiner Hosentasche und schrieb die Adresse der Wohnung auf, um sie John daraufhin in die Hand zu drücken. „Glaub mir, das wird super. Und ich kann dir versprechen, ich habe weder was mit Leichen am Hut, noch mit-“
 

Verzeihung.“
 

John erstarrte augenblicklich in seiner Bewegung, als plötzlich eine ihm viel zu vertraute Stimme an sein Ohr drang, während Simon, ein wenig irritiert von der abrupten Unterbrechung, zu dem Mann aufsah, der kurz zuvor an ihren Tisch getreten war.

„Ja?“

„Ist der Stuhl hier noch frei?“

„Klar, nehmen Sie ihn ruhig. Wir brauchen ihn nicht.“

„Zu freundlich.“ Der Mann zog den Stuhl ein Stück zurück, doch anstatt ihn anschließend an einen der anderen Tische zu tragen, ließ er sich kurzum an ihrem eigenen nieder und während John mit versteinerter Miene dabei zusah, wie sich der Mann wie selbstverständlich seines langen Mantels entledigte, räusperte sich Simon ein wenig verstört.

„Ehm, eigentlich hatte ich gedacht-“

„Oh, wie unverschämt von mir. Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Sherlock Holmes.“ Er hielt Simon seine Hand entgegen, der die Geste allerdings nur sehr zögerlich erwiderte und sofort glitt sein verwirrter Blick hinüber zu John. „Ist das ein Bekannter von dir?“
 

John sparte sich eine Antwort und wandte sich stattdessen direkt an Sherlock.

„Was zum Teufel machen Sie hier?“, zischte er ihm zu, doch der Detektiv ignorierte ihn in gekonnter Manier. John ahnte Schreckliches.
 

„Simon, nicht wahr? John hat noch nie von Ihnen erzählt, aber ich nehme an, Sie kennen sich von früher. Alte Studienfreunde?“

Wieder huschte Simons Blick flüchtig zu John. „Ehm, ja, das stim-„

„Naja, zumindest bis Sie beschlossen haben nach China zu reisen und das Studium abzubrechen.“ Unbeeindruckt langte Sherlock nach der Getränkekarte. „Wann? Viertes Semester? Nicht eine Ihrer besten Entscheidungen, aber das wissen Sie ja selbst. Jedenfalls blieben Sie allem Anschein nach eine Weile in China und lebten dort ganz offenkundig deutlich über Ihren Verhältnissen. Partys, schicke Autos, gutes Essen…Sie wissen schon, das Übliche eben. Die Uhr, die Sie da tragen ist ein Geschenk einer Frau, die sie dort kennenlernten. Sie war verliebt, sie hätte vermutlich alles für Sie getan, aber dumm wie Sie waren haben Sie sie sitzen lassen. Wieder eine Entscheidung, die sie bereuen sollten.“

„So ein ausgemachter Blödsinn! Was bilden Sie sich eigentlich ein!?“, rief Simon aufgebracht, aber ihm war deutlich anzusehen, dass Sherlock mitten ins Schwarze getroffen hatte. John, der zwischenzeitlich versucht hatte den Detektiv zu bremsen, hatte indes erfolglos aufgegeben und konnte nur noch inständig hoffen, dass er es nicht noch weiter auf die Spitze trieb. Doch Sherlock schien in seinem Element und fuhr daher recht unbeirrt fort.

„Anschließend führte Sie Ihr Weg über Umwege nach Amerika, wo sie zu spielen begannen. Sie verloren nicht nur das letzte Bisschen, das sie noch hatten, sondern häuften Schulden an, die Sie wahrscheinlich ohne die Hilfe Ihrer viel zu großzügigen Eltern niemals hätten zurück zahlen können.“

„Hören Sie auf!“

„Dann kamen Sie zurück nach England, wo ein Bekannter Ihnen einen mehr schlecht als recht bezahlten Job verschaffte, auch wenn Sie allen mit Ihrem ach so teuren Anzug etwas Gegenteiliges weißmachen wollen. Und nun beabsichtigen Sie sich in einer schäbigen Wohnung in London niederzulassen und suchen verzweifelt einen Mitbewohner, der-“

„Aufhören!“ Geräuschvoll schlug Simon mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass sich einige Leute schon nach ihnen umdrehten, und stand auf. „Es reicht. Ich hab keine Ahnung, wer Sie eigentlich sind, aber das muss ich mir nicht bieten lassen. Sorry John, aber ich verschwinde.“ Er deutete auf den Zettel mit der notierten Adresse. „Kannst es dir ja nochmal überlegen. Meine Nummer hast du ja.“

Er griff nach seiner Jacke und warf Sherlock im Vorbeigehen noch einen vernichtenden Blick zu, ehe er schließlich wütend die Bar verließ.

„Schade, dabei ist es doch gerade so nett geworden.“
 

Mit finsterer Miene fixierte John den seufzenden Detektiven.

„Bravo. Ganz toll gemacht, wirklich.“

„Vernehme ich da etwa einen Hauch von Ironie?“

„Was um Himmels Willen haben Sie sich dabei gedacht!?“, fuhr ihn John an. „Zuerst schmeißen Sie mich raus und jetzt verderben Sie mir auch noch den Rest des Abends! Haben Sie nichts Besseres zu tun!?“ Zornig stand er auf und bemühte sich um Selbstbeherrschung. „Gehen Sie wieder zurück“, sagte er und kehrte Sherlock den Rücken zu. „Gehen Sie wieder zurück und legen Sie sich ins Bett. Sie haben immer noch Fieber, vergessen Sie das nicht.“

Dann verließ auch er die Bar.
 

Er wollte weg. Einfach nur irgendwohin, wo er sich in Ruhe abreagieren konnte.

Doch noch bevor er die andere Straßenseite erreicht hatte, hörte er auch schon Sherlocks Stimme hinter sich.
 

„John.“

„Lassen Sie es gut sein, Sherlock.“

Es folgte ein kurzes Schweigen, ehe der Detektiv erneut das Wort ergriff, dieses Mal deutlich zögernder.
 

„Wenn es Sie glücklich macht, dann könnte ich es vielleicht einrichten, Ihnen ab und an mit den Einkäufen zu helfen.“
 

Verdutzt über diese auf den ersten Blick wirre Aussage blieb John stehen und drehte sich um.

„Was?“

Er beobachtete, wie Sherlock auf ihn zu kam, den Blick gen Boden gerichtet und die Hände tief in seinen Manteltaschen vergraben.

„Und vielleicht könnte ich es auch einrichten, für meine Experimente künftig nur den halben Küchentisch zu verwenden. Wenn es Sie glücklich macht.“

„Wovon reden Sie da bitt-?“

Doch er stockte, als ihm allmählich dämmerte, was Sherlock damit bezweckte.

„Moment mal. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich auch nur eine Sekunde lang in Erwägung gezogen habe, tatsächlich mit Simon zusammenzuziehen?“

Fassungslos starrte er Sherlock an und als dieser darauf nichts erwiderte, konnte er einfach nicht anders, als im nächsten Moment in ein geradezu erlösendes Lachen auszubrechen.

„Ein schöner Detektiv sind Sie“, sagte er schließlich, wischte sich einige Lachtränen aus den Augen und es war, als würde die ganze Last, die er den lieben langen Abend mit sich herum getragen hatte, mit einem Mal von ihm abfallen. Offenbar war er doch nicht der Einzige gewesen, der sich Gedanken gemacht hatte.
 

Irritiert über Johns plötzlichen Lachanfall, legte Sherlock den Kopf in eine leichte Schieflage und taxierte seinen Freund aufmerksam.

„Sie haben nicht einmal darüber nachgedacht?“

„Als ob ich Mrs. Hudson mit Ihnen allein lassen würde. Die arme Frau.“
 

Ein flüchtiges Lächeln huschte über Sherlocks Gesicht. Für ihn war das Antwort genug.

Dann wurde seine Miene jedoch wieder ernst.

„Hören Sie…Das, was ich vorhin sagte…“

„Vergessen Sie’s“, unterbrach ihn John, um ihnen beiden ein möglicherweise peinliches Gespräch zu ersparen. Seine Wut und seine scheinbar grundlosen Bedenken hatten sich gerade eben sowieso in Luft aufgelöst.

„Aber auf die Sache mit den Einkäufen werde ich definitiv noch zurück kommen.“

Erneut zeigte sich ein Schmunzeln auf dem Gesicht des Detektivs.

„Diesbezüglich möchte ich Sie darauf hinweisen, dass meine Betonung auf dem Wort vielleicht lag.“

„Und ich möchte Sie darauf hinweisen, dass sich die Adresse dieser wunderschönen Wohnung am Rande Londons immer noch in meiner Tasche befindet.“

„Tut sie nicht“, erwiderte Sherlock und wandte sich um. "Gehen wir?"

Es war überflüssig zu erwähnen, dass er Recht hatte. Und dass Sherlock seine Finger da im Spiel hatte, war John natürlich auch sofort klar.

Seufzend schloss er zu seinem Freund auf, der sich bereits in Bewegung gesetzt hatte, und gemeinsam machten sie sich schließlich auf den Weg nach Hause, zurück in Richtung Baker Street.
 

"Sagen Sie...", begann Sherlock nach einer Weile, während Sie durch die immer noch recht belebten Straßen Londons schlenderten. "Was fanden Sie damals nur an diesem Idioten?“

„Simon? Er ist kein Idiot, Sherlock. ....Naja gut, er hat sich wohl im Laufe der Zeit zu einem entwickelt und ja, auch damals ist er ganz sicher kein Engel gewesen, aber so wie ich ihn kannte war er eigentlich immer ein recht netter und hilfsbereiter Kerl.“

„Nun, viel ist davon nicht mehr übrig geblieben.“

„Da haben Sie wohl Recht“, seufzte John und drehte sich um, als Sherlock plötzlich stehen blieb. „Was ist los?“
 

„Was haben Sie da eben gesagt?“

„Ich sagte: Da haben Sie wohl Recht.“

„Nein, das davor.“

„Ehm…Simon war kein Engel, aber ansonsten immer ein netter und hilfsbereiter Kerl. Wieso? Was ist denn?“
 

Sherlock sah aus, als hätte ihn die Erkenntnis in Form eines Blitzes getroffen.

„Gott, wie konnte ich nur so blind sein. Wir hatten es doch vor unseren Augen!“

„Bitte? Was hatten wir vor Augen?“

„Die Lösung, John! Die Lösung unseres Falls!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  mindpalace
2013-05-25T18:22:31+00:00 25.05.2013 20:22
Engel! Engel! Die Engelsstauen? Warte... Wer hat die noch mal gemacht? (Ich habe ein so miserables Gedächtnis >.<)
Diese kitschigen Engelsstauen? XD Herr Gott! Ich kann mich noch nicht mal daran erinnern, ob es eine weibliche oder männliche Person war, von der die alte Dame geredet hat. :( Aber ich werde es sicher bald erfahren :D (oder auch nicht, weil ich komplett falsch liegen könnte)

Ich liebe deine Geschichte schon jetzt! Du hast sie so herrlich gut getroffen und ich fieber der Lösung dieses Falles richtig gehend hinterher. Ich versuche mit zu raten, als würde ich einen richtigen Krimi lesen xD
Von:  Mondlicht
2013-03-08T23:12:16+00:00 09.03.2013 00:12
Sehr amüsant! Herrich wie die beiden immer so schön aneinander geraten. :)
"Vielleicht" könnte ich ab und an einkaufen....
herrlich.

ICh warte schon gespannt auf den nächsten Teil ;D
Antwort von:  Lovienna
09.03.2013 11:40
John sollte sich geehrt fühlen. Für Niemanden sonst würde Sherlock freiwillig einkaufen gehen. ;)
Freut mich, dass dir das Kapitel gefallen hat! Vielen Dank!! :D


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