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24 Farben der Liebe

Adventskalender 2015
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Zuckerwattenhausen mal aus einem anderen Blickwinkel. Komplett anzeigen

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6. Türchen: Schloss

Hand in Hand gingen Anita und Steffi durch die nächtliche Stadt, auf den Weg in Anitas Wohnung. Gerade vom Abendessen bei Dominique und Faruk kommend, guten Freunden von ihnen. Nur ein weiteres Pärchen, das die sternenklare Nacht und die frische Luft genoss. Dick in Schal und Mütze eingepackt trotzten sie der Kälte.
 

„Ahh, der kann wirklich so gut kochen, wie du gesagt hast“, schwärmte Anita. „Aber dass ihr auf seinen Kirchenaustritt angestoßen habt, das finde ich irgendwie… Naja, das ist doch eher eine private Sache, oder?“

„Wieso? Das macht schon Sinn, wenn man weiß, was Dominique erlebt hat, mit seinem Ex. Also, die ganze Geschichte kenn ich auch nicht. Aber ich weiß, dass er sich lieber für die Kirche entschieden hat und ihn dafür sitzen gelassen. Das ist doch ein Tritt in die Fresse! Ich glaube, ich hätte genauso gehandelt an seiner Stelle. Boah, ich glaub ich wär sowas von ausgerastet und hätte alle Holzkreuze mit Benzin übergossen!“

„Oh. Das wusste ich gar nicht. War er Priester oder sowas?“

„Noch nicht, er studiert noch. Da lang? Sicher?“, fragte sie nach, als Anita auf die Ampel drückte.

„Ich hab einen kleinen Umweg vor, weil ich dir was zeigen will“, antwortete sie geheimnisvoll, und Steffi beschloss, ihr einfach zu folgen.
 

Sie erreichten den Steg und gingen dort nebeneinander die Treppenstufen hinauf.

Etwa in der Mitte der Fußgängerbrücke blieb Anita stehen. Sie stützte sich mit den Ellbogen am Geländer ab und schaute in die Ferne. Zu Wolkenkratzern, die der Stadt den Spitznamen „Mainhattan“ verpasst hatten.

Steffi lehnte sich rücklings gegen das Geländer, erfreute sich am Schauspiel des Windes, der Anitas roten Locken Leben einhauchte, sie zu Minischlangen verwandelte. Und es gelang ihr, alle Gesprächsfetzen vorbeigehender Passanten auszublenden, die eingehakt ihre Spaziergänge unternahmen, oder Gruppen von Touristen die die Stadt besichtigten.
 

„Schau mal. Siehst du das? Überall am Geländer. Die Schlösser...“

„Ja...“

Das Geländer war kunstvoll gestaltet, erinnerte an Blumen, die in Kreise gefasst waren. Hier und da hingen kleinere oder größere Träubchen von Vorhängeschlössern herum. In allen erdenklichen Farben, Formen und Größen, soweit das Auge reichte. Wie ein stählerner Flickenteppich, wenn man die Augen zusammenkniff.

„Willst du sie fotografieren? Und einen Bericht darüber schreiben?“

Anita studierte Onlinejournalismus und war immer mit einer Kamera bewaffnet. Oft beneidete Steffi sie um ihre Kreativität, und das Talent, für die Dinge, die sie begeisterten, sich so lange hinzusetzen, bis sie die Lösung hatte.

Während sie sich selbst als durchschnittliches Mädchen definierte, das ein Durchschnittsfach studierte und ganz banalen Hobbies nachging, wie etwa Volleyball spielen und Backen.
 

Anita antworte nicht, während sie in den Tiefen ihrer Handtasche kramte und dann ihre Kompaktkamera zutage förderte. Und noch etwas. Ein kleines, verschnürtes Stoffbeutelchen, das sie ihrer Freundin reichte.

„Mach es auf.“

Steffi tat es, und war verblüfft, als sie das kleine Vorhängeschloss zutage förderte. In Pink war es lackiert, und ihre beiden Namen waren eingraviert. Und das heutige Datum.

„Ich habe es in Auftrag gegeben“, erzählte sie. „Weißt du noch, was vor einem Jahr war, Schatz?“
 

Und wie genau sie das wusste. Anitas Lächeln jetzt war genau das gleiche, wie zu Anfang ihres Studiums letztes Jahr im Oktober, als sie sie fragte, ob neben ihr noch frei war. Am Tisch in der Mensa, wo sie zu Mittag aß. Natürlich sagte sie Ja, schon alleine aus dem Grund, weil sie eine unscheinbare Schönheit war.

Bratkartoffeln mit Fischstäbchen und einen Salat hatten sie beide gehabt, das wusste sie immer noch, weil sie alles, was Anita betraf, in einen unendlich großen Extra-Container im Gedächtnis einspeicherte.

Sie waren ins Gespräch gekommen, fanden sich gegenseitig interessant und hatten bald jede Pause zusammen zu Mittag gegessen. So nahm es seinen Lauf, bis sie sich zwei Monate später auf einer Party geküsst hatten. Der Anfang von etwas ganz Großem. Heute könnte sich Steffi nicht mehr vorstellen, Anita nicht zu lieben.
 

„Heute ist unser Jahrestag“, verkündete sie. „Deswegen werden wir zusammen diesen kitschigen Brauch begehen.“

„Was meinst du?“

„Das kennst du nicht? Wirklich nicht“, fragte sie ungläubig. „So oft sind wir über diese Brücke hier gelaufen, und du wusstest nicht, dass sie für ihre Liebesschlösser berühmt ist? Nun… man kommt mit seinem Partner her, und hängt ein Schloss an das Geländer. Den Schlüssel wirft man ins Wasser. Das soll der Liebe Glück bringen.“
 

„Nicht wirklich, oder?“, fragte Steffi skeptisch nach.

„Ach, komm schon, Schatz, sei nicht so….“

Steffi musste einfach lachen, und weil Anita es so sehr wollte, konnte sie nicht Nein sagen.

Also taten sie es so, wie sie erklärt hatte. Das Schloss befestigte sie an einem gut sichtbaren Platz, und Anita fotografierte sie dabei, dann das Schloss und dann sie allein. Dann machte sie eine ganze Fotostrecke von Steffi, wie sie den Schlüssel über das Geländer warf, wo die Nacht ihn verschluckte.
 

„Na, hoffentlich trotzt es Wind und Wetter“, murmelte sie. „Ist das auch rostfreier Edelstahl?“

Anita lachte und nahm sie in eine zärtliche Umarmung, bei der ihr verflucht warm wurde.

„Ich will noch so viele Jahrestage mit dir erleben, Steffi. Du machst so glücklich, und ich liebe dich!“

Als Antwort gab sie ihr einen Kuss, in den sie alle Gefühle hineinpackte, die sie für sie empfand. Eine prickelnde Glutwelle schien dabei ihren ganzen Körper entlang zu kriechen.
 

Und dann traf sie die allererste Schneeflocke des Jahres auf der Nasenspitze; schmolz schon, kurz nachdem sie ihre wunderbare Kühle wahrgenommen hatte.
 

„Lass und jetzt nach Hause gehen, Schatz. Ich merke schon, du kannst es kaum erwarten.“



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