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24 Farben der Liebe

Adventskalender 2015
von

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3. Türchen: Treue

Tücher in allen erdenklichen Farben und Mustern hingen an Haken, und die Regale standen voll mit Kerzen, Truhen und mysteriös anmutenden Skulpturen, die Wände waren mit schwarzem Samt verkleidet. Aus der einen Ecke mit den Duftölen strömte ein süßlicher Duft. Bea war noch nie in so einem sonderbaren Laden gewesen.
 

„Guten Tag“, begrüßte sie die alte Frau, die hinter der Theke saß. Bea betrachtete ihr faltenüberzogenes Gesicht mit Ehrfurcht. Sie sah so allwissend und geheimnisvoll aus. Passte perfekt hier hinein, in dieses Esoterik-Lädchen.
 

Zukunft vorhersagen: 5 Euro für eine Woche, 19 Euro für einen Monat, verhieß das kleine Schild auf der Theke. Und ein weiteres: Stehlen bringt dir 7 Jahre Pech!
 

„Tach. Ich…schau mich nur um.“

„Wolle zum Stricken finden Sie da hinten, in dem Korb bei den Stoffen“, sagte die Alte, ohne aufzusehen. Sie war in ein Buch vertieft.

Kopfschüttelnd ging Bea zur Wolle und schaute sich die verschiedenen Farben an. Woher hatte sie gewusst, dass sie nach Wolle suchte?
 

Gegen Krankheiten, für Glück oder für die Ewige Treue... Sie nahm ein Wollknäuel nach dem anderen aus dem Korb. Ewige Treue klang gut, und sie waren auch nicht viel teurer als normale Wolle. Doch was konnte sie denn stricken für Sascha, das ihnen Ewige Treue bescherte? Einen Schal? Eine Unterhose? Eine Mütze? War es dann mit der Treue vorbei, wenn Sascha sie abnahm?

Sie entschied sich für Wolle in schönem, satten Grün wie die Wiesen auf der Alm, wo Sascha und sie im Sommer zusammen Urlaub gemacht hatten, bezahlte und verließ das Geschäft. Länger hätte sie es eh nicht ausgehalten, weil sie von den Räucherstäbchen bereits Kopfschmerzen bekam.
 

V on der ruhigen Seitenstraße aus ging sie auf die belebte Fußgängerzone. Von dort aus konnte man nach links zum Einkaufszentrum und nach rechts in den kleinen Park. Und genau da wollte sie hin. Das Wetter war perfekt. Keine grauen Wolken, nicht zu kalt heute. Die perfekte Auszeit vom Uni-Stress.

Enten schwammen im Teich, wurden gefüttert von einer jungen Frau im schwarzen Mantel. Es war so idyllisch, das man kaum glauben konnte, mitten in der Stadt zu sein.
 

Bea pflanzte sich und ihre Umhängetasche auf eine der Bänke und packte die Wolle und ihr Strickzeug aus.

Einige Maschen hatte sie bereits gestrickt, als plötzlich die junge Frau neben ihr auf der Parkbank Platz nahm. Sie schaute die Wolle an, oder genauer gesagt, das goldene Etikett auf der Wolle.
 

„Ist das aus diesem Esoterik-Laden? Für die Ewige Treue?“

„Ja.“ Bea grinste. „Ein Weihnachtsgeschenk für meinen Schatz. Mal schauen, ob es wirkt…“

Doch auf dem Gesicht der blonden Frau spiegelte sich Entsetzen und sie begann zu zittern. „Gibt es diesen Laden etwa immer noch?! Man sollte ihn schließen!“
 

„Wieso das denn?“ Bea ließ sich nicht beirren und strickte weiter. Der Faden floss nur so zwischen ihren Fingern hindurch.
 

„Es ist eine unglaubliche und verrückte Geschichte. Vor vier Jahren ist sie mir passiert. Damals war ich noch Studentin… und seit anderthalb Jahren glücklich mit meinem Freund, Kai. Doch weil ich mal betrogen worden war, wollte ich sichergehen, Glück in der Liebe zu haben. Durch Zufall habe ich in der Adventszeit diese Wolle entdeckt, als ich nach einem Geschenk gesucht habe, und diese Wolle hat mich schließlich überzeugt…“
 

Sie unterbrach die Geschichte, um nach einem Taschentuch zu kramen. Bea strickte weiter.

„Jedenfalls, ich habe ihm einen schönen Schal gestrickt. Aber!“ Sie schniefte. „Wenn ich vorher nur gewusst hätte…“

„Was gewusst?“ Bea blickte genervt auf. Die sollte endlich mal zum Punkt kommen.
 

„Dass in dieser Wolle böse Magie steckt!“, flüsterte die Frau und ihre Augen quollen fast hervor.

Bea prustete. Ja, sicher, ganz bestimmt. Böse Magie!
 

„Der Tag…ich kann mich genau erinnern. Es war ein Montag, der zwölfte Dezember. Und ich war bei einer Freundin, für die Uni lernen. Ihr habe ich von dem Schal erzählt, und sie hat sich natürlich drüber lustig gemacht. Ich habe ja auch nicht so wirklich dran geglaubt. Aber als Kai dann gestorben ist…“ Die Schultern der Frau bebten.

„Nicht einfach gestorben. Er wurde erdrosselt! Von diesem Schal! Es war dieser verdammte Schal und nichts sonst. Ewige Treue!“
 

„Was hat das damit zu tun, dass er mit einem Schal erdrosselt wurde?“

„Er hat mich an jenem Tag betrogen. Oder, wollte mich betrügen, mit einer gemeinsamen Freundin, Clarissa hieß sie. Das kam vor Gericht dann heraus, sie wurde angeklagt, ihn umgebracht zu haben. Sie hat erzählt, wie es war: Nämlich dass sie diesen verdammten Schal nicht von seinem Hals abbekam, als sie… mit ihm zugange war. Wie eine böse Schlange hat er sich immer fester um seinen Hals geschnürt.“
 

„Ach“, sagte Bea unbeeindruckt. Dass es merkwürdige sexuelle Vorlieben gab, war ihr nicht unbekannt. Auch sie mochte es mit Sascha ein bisschen härter.
 

Dieser Schal war der Übeltäter… Davon bin ich felsenfest überzeugt, so sehr ich Clarissa hasse für das, was sie getan hat. Aber sie ist es nicht gewesen, es war der Schal! Ich schwöre es! Sein Auftrag war für die Ewige Treue zu sorgen. Und weil Kai untreu war, musste er sterben. Der Schal hat nur das getan, wofür er gestrickt worden war.“
 

„Ganz sicher.“ Ob sie das im Gerichtssaal genau so dargestellt hatte? Das war sicher spaßiger gewesen als bei Barbara Salesch.
 

„Er ist tot! Mein Freund ist tot! Erwürgt von meinem Schal! Den ich gestrickt habe mit genau dieser Wolle! Ist das nicht Beweis genug?! Ich kann Ihnen das Grab zeigen!“
 

„Es tut mir Leid, dass Sie ihren Freund verloren haben, und das auch noch so kurz vor Weihnachten. Aber meiner Ansicht nach sollten Sie besser den Fakten vertrauen. Nämlich, dass Kai und diese Clarissa einen Unfall hatten, weil sie ihm einen kleinen Kick verschaffen wollte. Nicht so selten, wie Sie meinen. Hat sogar einen Namen, der mir gerade nicht einfällt.“

Zudem empfand sie die Frau als krankhaft eifersüchtig, paranoid und ziemlich abergläubisch, doch das sagte sie lieber nicht.

„Und jetzt muss ich gehen.“ Bea stand auf. Sie fröstelte.
 

Doch die Frau rief ihr hinterher: „Schmeißen Sie die Wolle weg! Hören Sie auf mich, sie bringt Unglück! Ich weiß, dass Sie mir glauben, tief in Ihrem Inneren. Sie sind mir nämlich sehr ähnlich. Glauben auch an Übersinnliches. Sonst hätten Sie die Wolle doch nicht gekauft, oder?“



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