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Zeitlose Zerstörung

von

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Licht im Dunkeln

Kogoro zog den dunkelbrauen Trenchcoat enger an sich. Mit einem mulmigen Gefühl betrachtete er sich im Spiegel.

Seit seinem Tod verging eine Woche. Ran wohnte – trotz Einwand von Eri – bei Jodie. Rans Mutter war die Person, mit der sie als letztes rechneten. Erst als diese in der Detektei stand und Ran mit sich nehmen wollte, fiel den Agenten ihre neues Problem ein.

Glücklicherweise bekamen sie alles über die angebrachten Wanzen mit, sodass Jodie kurz darauf – natürlich nur um nach Ran zu sehen – ebenfalls in der Detektei erschien. Es war offensichtlich, dass Mutter und Tochter unterschiedliche Ansichten besaßen. Ran, die noch immer am Tod ihres Vaters zu knabbern hatte, wollte weiterhin zu Hause wohnen bleiben. Eri hingegen wollte ihre Tochter zu sich nehmen und die Detektei endgültig auflösen. Man sah auch ihr die Trauer an, die auch der Grund für die Auflösung der Wohnbegebenheiten war. Jodie selbst versuchte zwischen den Beiden zu vermitteln und schlug im richtigen Moment vor, dass Ran zu ihr ziehen konnte. Natürlich war Eri skeptisch und wollte nicht, dass sich eine fremde Frau um ihre Tochter kümmerte, vor allem dann nicht, wenn die Aufgabe ihrer Mutter galt.

Ran aber brauchte Abstand. Abstand zu jedem, der sie an Kogoro erinnerte und so war Jodie die bessere Wahl. Nichtsdestotrotz vernachlässigte Eri ihre Mutterpflichten nicht. Es gab täglich mindestens einen Anruf oder aber einen Besuch. Und es war genau das, was an Kogoro nagte. Während Jodies Besuchen in der Villa, die zur Schulzeit stattfanden, lauschte er oft und erhaschte so wenig Informationen. Im Vergleich zu ihm, konnte Eri immer mit Ran Kontakt halten. Kogoro setzte sich die schwarze Sonnenbrille auf sein Gesicht und atmete tief durch. Der Detektiv verspürte selten Angst in seinem Leben und hatte immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Aber jetzt wurde die Situation ernst. Das FBI vermutete noch immer, dass man nach ihm suchte und mit Akai hatte er keinen einfachen Aufpasser. Der grimmige Agent war mit allen Wassern gewaschen und er schien genau zu wissen, wann es an der Zeit war möglichen Ausflügen entgegen zu wirken.

Diesmal aber hatte Kogoro einen Plan. Diesmal wartete er, dass Jodie zu ihrer täglichen Berichtserstattung in die Villa kam. Kogoro versicherte sich im Spiegel, dass ihn keiner erkannte und bewegte sich von einem Ende des Raums zum nächsten. Als die Tür klingelte, erschrak er.
 

***
 

Ran saß auf ihrem Platz in der Schule. Langsam endeten die mitleidigen Blicke der Lehrer und Schulkameraden. Nur Sonoko erinnerte sie fast täglich an den Tod von Mori. Aber Ran wollte stark sein – jetzt wo sie alleine war. Rans Vater war Tod. Und Conan, der Junge, der die ganze Zeit über an ihrer Seite stand, zog zu Professor Agasa. Sie hatte niemanden mehr. Ihre Mutter versuchte es zwar, doch Ran fühlte sich erdrückt und zu sehr mit der Erinnerung konfrontiert. Und keiner verstand, was sie wirklich wollte.

Vergessen. Einfach nur vergessen.

Ran hörte dem Lehrer nicht zu. Die monotone Stimme war alles, nur nicht erhellend. So war es schließlich auch kein Wunder, dass sie die ganze Zeit über aus dem Fenster starrte. Und dann war da diese Person.

Sie stand einfach nur da und beobachtete das Schulgebäude. Vermummt. Ran erkannte lediglich einen braunen Trenchcoat, die schwarze Sonnenbrille und einen Schal. Und trotzdem kam ihr die Person bekannt vor. Ran starrte ihn an. Sie wusste, dass es nur ein Zufall war und nichts mit ihr zu tun haben musste und trotzdem war da dieses gewisse Etwas. Für einen kurzen Moment sah sie das Bild ihres Vaters in diesem Mann. Und obwohl Ran wusste, dass kein Zusammenhang bestand, schien es real zu sein. Ohne Vorwarnung stand das Mädchen von ihrem Platz auf, ging an den Tischen und den komischen Blicken ihrer Mitschüler vorbei und lief nach draußen.

„Paps?“

Ran stand am Schultor und sah sich um. Der Mann war weg. Sie lief los. Ran lief und lief und lief und lief…Der Schatten breitete sich aus. Zunächst war er klein, wurde größer und zum Schluss umhüllte sie die Dunkelheit.

Ran konnte nichts mehr sehen. Alles war schwarz. Nur in der Ferne war ein Licht. Wie sie an den Ort kam, wusste das Mädchen nicht. Ihre Beine trugen sie soweit sie nur konnte. Langsam streckte Ran ihren Arm aus, versuchte den Ort, an dem sie war, zu ertasten, doch andauernd griff sie ins Leere. Ran machte zwei Schritte nach vorne, sah sich um, trat wieder zurück und wiederholte ihre Bewegung. Verängstigt blickte sie in das Licht. Was erwartete sie auf der anderen Seite? Ran ließ sich zu Boden sinken. Alles kam hoch.

Kogoro und Eri trennten sich. Und obwohl Eri ihre Tochter zu sich nehmen wollte, konnte sie ihren Vater nicht sich selbst überlassen. Und so – auch wenn es nicht stimmte – wurde sie von ihrer Mutter verlassen und sah diese nur noch selten. Dann war da Shinichi. Auch er ging einfach so, kam wieder, wenn er es für nötig hielt und verschwand erneut. Conan zog zu Agasa und obwohl sie noch regen Kontakt hatten, wusste Ran, dass auch dieser bald enden würde. Jetzt war auch noch Kogoro gegangen und ließ sie alleine. Nur noch in ihren Erinnerungen oder in ihren Träumen würde er eine Rolle spielen. Eine Träne lief Ran an der Wange entlang, als sie sich ihrer Einsamkeit bewusst wurde. Die Dunkelheit und der Schmerz umschlossen sie.

„Raaaaaaaaaan“, hörte Shinichis Stimme.

Das Mädchen blickte nach oben in die Schwärze. „Wo bist du?“, rief sie.

„Ran.“ Wieder war es der Oberschüler der nach ihr rief.

„Shinichi…“ Mit zitternden Beinen stand sie auf. „Shinichi, wo bist du?“

„Ran.“ Diesmal gehörte die Stimme ihrem Vater.

Die Oberschülerin erschrak. Shinichi war wo ihr Vater war. War Shinichi auch nicht mehr am Leben? „Shinichi! Paps!“ schrie sich Ran die Seele aus dem Leib.

„Verschwinde von dort“, hörte sie die Stimme. „Die Dunkelheit darf dich nicht in ihre Fänge bekommen.“

Ran sah sich um. Noch immer erkannte sie nichts in der Finsternis. Nur das kleine Licht war dort.

„Geh!“, wies sie Shinichi an.

„Shinichi“, wisperte Ran leise. „Ich kann nicht.“

„Doch, du kannst. Gib nicht auf, Ran.“

„Shinichi.“

„Bitte, Ran, ich flehe dich an. Geh fort von diesem Ort.“

Rans Beine setzten sich in Bewegung. Ein Schritt vor den Anderen. Anfangs langsam, dann schneller. Das Licht wurde größer und nahm seine wahre Form an. Als Ran endlich aus der Dunkelheit kam, hielt sie sich die Hände vor das Gesicht. Das Licht strahlte. „Shinichi?“

Die Stimmen waren weg. Irritiert blickte sich das Mädchen um. Sie sah nach hinten. „Ein Tunnel?“, fragte sie sich selbst. Dann sah sie wieder nach vorne und sank auf den Boden. Das Bild war unbeschreiblich. Die Gleise und die Erde drum herum waren mit Flieder bewachsen. Pinker Flieder, der durch die Sonne strahlte. Langsam streckte Ran ihren Arm aus. Zaghaft berührte sie die Spitze des Flieders. Er war warm und herzlich. Und dann musste sie lächeln. Der Flieder gab ihr Hoffnung. Nicht nur, dass er als Symbol für eine beginnende Liebe stand, er rettete sie. Und trotzdem war es Shinichis Verdienst. Seine Stimme zeigte ihr den Weg – den Weg aus der Dunkelheit heraus.

„Ich werde es schaffen“, sprach sie zu sich selbst. „Ja, ich werde es schaffen.“ Sie musste. Es gab keinen anderen Weg. Natürlich erwarteten alle, dass sie weiter lebte und alle Hürden meisterte. Alle bis auf sie selbst. Erst jetzt kam ihr Kampfgeist zurück und der Wunsch es wirklich zu schaffen. Die Menschen, ob tot oder lebendig sollten stolz auf sie sein.

„Du wirst es schaffen.“

Ran schluckte. „Paps.“

Kogoro lächelte sie an. Er bahnte sich den Weg durch den Flieder und kniete sich zu seiner Tochter. „Egal wie steinig der Weg ist, du wirst es schaffen“, entgegnete er.

Ran nickte.

„Und wie der Flieder an einem Ort, der in die Dunkelheit führt, wirst auch du wachsen und dich nicht von der Finsternis unterkriegen lassen“, fügte Shinichi hinzu.

Kogoro umarmte seine Tochter und drückte sie an sich. „Ich bin am Leben“, flüsterte er in ihr Ohr.

„Ran?“

„Ran?“

„Ran?“

Besorgt rüttelte Sonoko ihre Freundin. „Ran?“

Die Angesprochene sah sich um. „Eh…?“

„Ran, ist alles in Ordnung?“, wollte ihr Lehrer wissen.

Ran nickte. „Ja, alles bestens.“ Irritiert sah sich Ran um. Sie war im Klassenzimmer, bewegte sich keinen Schritt weiter und doch kam ihr alles so real vor. Ran rieb sich das Nasenbein und sah erneut aus dem Fenster. Die Gestalt die sie sah – oder zu sehen glaubte, war verschwunden. Ein Traum? Eine Vorahnung? Oder hatte sie sich doch einfach nur einer Illusion hingegeben? Und trotzdem war die Vorstellung von Flieder, welcher auf Bahngleisen wuchs und sich der Sonne entgegen streckte, beruhigend.
 

***
 

Shuichi lehnte sich nach hinten und schloss die Augen. Die Zeit mit Kogoro war anstrengend. Einfach nur anstrengend. Bereits vor über einem Jahr kam Akai in den Genuss Kogoro Mori kennen zu lernen. Oft stand er vor der Detektei, rauchte in der Dunkelheit und beobachtete stillschweigend. Später kamen die Wanzen zum Einsatz. Seine Meinung über den Möchtegern-Detektiv stand von Anbeginn fest. Und nun untermauerte Mori diese Meinung.

Kogoro wusste, wie man die Nerven anderer strapazierte. Und obwohl der Agent dachte – schon hoffte – dass sich Mori endlich zurückhielt, so wurde er aufs bitterste enttäuscht. Tagsüber nörgelte Kogoro an allem. Nachts versuchte er sich aus der Villa zu schleichen. Shuichi kam sich wie ein Kindergärtner vor, der auf ein ungezogenes Kind acht geben musste. Mehrfach trichterte Jodie dem Detektiv ein wie gefährlich die Situation war und dass er nicht einfach wieder draußen spazieren gehen konnte. Und was machte Mori? Er versuchte Kontakt zu seiner Tochter aufzubauen. Dass er sie dadurch nur in Gefahr brachte, schien ihn nicht weiter zu stören.

„So schlimm?“

Akai öffnete die Augen als er Jodies warme Finger an seinen Schläfen spürte und sie mit einer leichten Massage anfing.

„Dieser Detektiv…hat mehr Glück als Verstand.“

Jodie schmunzelte. „Mach dir nichts draus. Irgendwann wird er schon verstehen, dass es einfach besser ist, wenn er hierbleibt“, sprach sie.

„Was macht das Mädchen?“

„Ran ist in der Schule und wird dort von Camel überwacht.“

„Was ist mit ihrer Mutter?“

Jodie seufzte leise, ließ dann von Shu ab und setzte sich ihm gegenüber. „Sie ruft täglich an und kommt gelegentlich zu Besuch. Natürlich ohne Vorankündigung.“

Akai zuckte mit den Schultern. „Du musst wenigstens nicht dauernd Babysitter spielen.“ Shuichi stand auf. „Willst du auch eine Tasse Kaffee?“

Jodie nickte. „Und was willst du nun wegen Mori machen?“

„Erstmal abwarten, bis er wieder zurück kommt.“

„Was?“ Jodie sprang von ihrem Platz auf. „Mori ist weg?“

„Eben gegangen.“

„Du scheinst dir ja keine großen Sorgen um ihn zu machen.“

„Was soll ich tun?“, wollte Akai von ihr wissen. „Ich werde ihm sicher nicht nach laufen. Soweit kommt’s noch.“

„Aber, Shu….“ Jodie seufzte. Sie ließ es sein, da sie eh keine Chance gegen die Argumentationskette ihres Kollegen besaß. „Mach dir nicht zu viel Gedanken darüber. Das macht nur Falten.“

„War das gerade etwa ein Witz oder der Versuch lustig zu sein?“

„Leg es aus wie du willst.“

Erneut seufzte sie. „Shu, du machst mich manchmal fertig.“
 

Kogoro schlich sich leise in die Villa.

„Wo waren Sie?“

Ertappt drehte er sich um und zog sich selbstsicher den Trenchcoat aus. „Nur kurz draußen in der Sonne.“

„Sind Sie sich sicher?“ Shuichi verzog keine Miene. Dass der Mann überhaupt lächeln konnte, grenzte manchmal an ein Wunder.

„Wo sollte ich sonst gewesen sein? Sie lassen mich ja nicht zu meiner Tochter.“

„Und das aus gutem Grund. Oder soll ich Ihnen noch einmal erklären, dass es nicht mit Ihrem Tod endete?“, wollte der Agent wissen.

„Sie halten das alles hier zu sehr für eine FBI-Angelegenheit. Aber ich sag Ihnen eines, ein Kogoro Mori lässt sich nicht so behandeln. Meine Ex-Frau ist Anwältin…“

„Ach?“ Shuichi grinste siegessicher. „Wollen Sie mich verklagen?“

„Kriegen Sie jetzt Angst?“ Man merkte, dass Kogoro hoch pokerte und nicht wusste, wann es besser war, aufzuhören und wann nicht.

„Ich zittere schon richtig.“

Kogoro lachte laut auf, ehe er zu Boden sank und schlief.

„Shu!“

Akai verdrehte die Augen. „Mach dir um den keine Sorgen. Er ist nur betäubt.“



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