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Zeitlose Zerstörung

von

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Rise and rise again until lambs become lions

Gin warf den braunen Umschlag mit den Unterlagen über die Organisation auf das Bett. Gespielt neugierig lies er seinen Blick durch den Raum schweifen. „Nett hast du es hier.“

Vermouth verdrehte die Augen. „Richte dich ja nicht häuslich ein.“ Unter normalen Umständen hätte sie ihn sicher nicht mitgenommen. Nichtsdestotrotz hatte Vermouth Glück. Als bekannte Schauspielerin stand ihr nicht nur genug Geld zur Verfügung, sie war auch noch der Liebling des Bosses ihrer Organisation. Sie konnte sich alles kaufen und nichts war zu teuer. So war es schließlich auch kein Wunder, dass ihr mehrere Immobilien – natürlich unter einem anderen Namen gekauft – zur Verfügung standen. Hatte sie genug von Gin, könnte sie ihn – nur in der Theorie – hier lassen und sich zu einer anderen Wohnung begeben.

Ein Grinsen umspielte Gins Lippen. „Welchem deiner Alias haben wir das Haus denn zu verdanken?“, wollte er wissen.

„Das musst du nicht wissen“, sprach sie ruhig. Die blonde Schönheit trat an das Bett und nahm den Umschlag hoch. „Keine Kopien?“

„Als ob der Idiot daran dachte“, sprach Gin. Geschmeidig warf er sich quer über das Bett. Seine Hand wanderte in das Innere seiner Jacke.

„Rauchen nur draußen“, entgegnete Chris sofort.

„Nur die Ruhe.“ Wenige Sekunden später zog Gin das Handy heraus. Sich Zeit lassend, wählte Gin eine Nummer und hielt sich das Mobiltelefon ans Ohr. „Wie schaut‘s aus?“
 

Vermouth schüttelte den Kopf. Gins Art war nervig. Selbst wenn er nur Gast war, führte er sich manchmal auf, als gehörte ihm alles. Wenigstens wusste der Mann in Schwarz, wann es besser war, den Mund zu halten und vor einem Vorgesetzten zu Kreuze zu kriechen. Leider war ihr das nicht vergönnt.

Früher – noch zu Zeiten von Sharon Vineyard – hatte sie sich stark zu ihm hingezogen gefühlt. Spaß war beiden auch sehr oft gegönnt. Irgendwann kam die Wendung in ihrem Leben. Der Spaß mit Gin war nicht mehr so ergiebig wie zuvor. Ihre Wünsche änderten sich. Und alles lag an dieser einen Begegnung. Die Begegnung, die ihr die Augen öffnete.

Der Zufall führte Sharon in die Arme ihrer guten Freundin Yukiko. Es war eine Freude sie in den Vereinigten Staaten zusehen, doch schon bald erkannte sie, dass aus der jungen Schauspielerin eine schöne Blume wurde. Yukiko heiratete früh und neben ihrer Karriere erfüllte sie sich den Traum einer eigenen Familie. Shinichi war zu den Zeiten ein kleiner Junge. Wahrscheinlich erinnerte er sich gar nicht mehr an ihr wirklich erstes Treffen.

Sharon merkte, wie sie mehr vom Leben wollte und einige Jahre später wurden ihr Ehemann wie auch die gemeinsame Tochter Chris Vineyard geboren – ein Konstrukt mit dem sie spielen konnte, wie sie wollte. Die Presse reagierte prompt, als die ersten, selbst gestreuten, Geheimnisse über ihre Familie publik wurden. Keiner zweifelte, dass sie tatsächlich seit über 20 Jahren verheiratet war und genau so lange eine Tochter hatte. Sharon Vineyards Leben war immerzu unbekannt. Selten sah man Mutter und Tochter zusammen. Chris blühte erst auf, nachdem ihre Mutter von der Bildfläche verschwand. Nur kannte keiner die Wahrheit. Mutter und Tochter waren ein und dieselbe Person. Zuerst durch Schminke ineinander verwandelbar, später gezeichnet durch das Leben.

Gin wusste von allem nichts und bildete sich was darauf ein, als er Chris ‚abschleppte‘, dabei war sie diejenige, die nur mit ihm spielte. Erneuter Spaß mit Gin, der nur einem Zweck diente…
 

„Keine Kopien gefunden.“

Vermouth brauchte mehrere Sekunden ehe ihr klar wurde, was Gin erzählte. „Gut.“

Gin streckte sich. „Ich könnte ein Schläfchen vertragen“, grinste er.

„Vergiss es.“

„Du hast ja heute mal wieder wunderbare Laune“, gab er von sich. Gins Blick wanderte im Schlafzimmer herum und ließ ihn auf ihrem Nachttisch haften. „Was ist das?“

„Ein Drehbuch.“

„Das hab ich selbst erkannt“, zischte er. Gin streckte den Arm nach dem Drehbuch aus.

„Mach mir keine Flecken drauf.“

„Was für eine Rolle sollst du spielen? Mal wieder das naive Blondchen?“

„Wenn ich mich für die Rolle entscheide, dann ja. Ich würde ein fast reiches Mädchen spielen, dass kurz vor ihrer Hochzeit vom Bräutigam und seinen Freunden missbraucht und fast umgebracht wird. Aber natürlich rettet mich ein nobler Herr und verwandelt mich in einen noch schöneren Vampir und alles damit ich seinen Sohn eheliche. Nur leider interessiert mich der Kerl nicht die Bohne und ich nehm einen, der fast von einem Bären oder einem wilden Tier getötete wurde. Und um die Rolle noch perfekt zu machen, kann ich die menschliche Freundin meines damals fast Ehemanns und nun Adoptivbruders nicht leiden und möchte im Inneren aber nur an ihrer Stelle sein“, spottete Vermouth.

„Darfst du die Kleine wenigstens umbringen?“

Vermouth zuckte mit den Schultern. „Das ist nicht vorgesehen. Aber vielleicht ändern sie irgendwas. Es ist ja nicht so, dass sich Drehbücher immer an die Buchvorlagen halten. Aber je mehr ich das Drehbuch und den Vergleich zum Buch lese, desto eher bin ich abgeneigt.“

„Mach was du willst. Was sagt der Boss dazu?“, fragte Gin.

„Er lässt mir freie Wahl“, antwortete die Schauspielerin. Ein Vorteil wenn man der Liebling des Bosses war und nur wenig bis gar keine Fehler machte.

Gin blätterte durch das Drehbuch. „Nachdem was ich hier so lese, solltest du die Rolle wirklich nicht annehmen“, gab er von sich.

„Welche Szene ist es?“

Gin verzog das Gesicht. Nun sollte er die Schnulze auch noch vorlesen. Bäh. Widerlich. Und dennoch tat er es. „Und so verliebte sich der Löwe in das Lamm“, sprach der Mann in Schwarz.

Vermouth stieg sofort darauf ein. „Was für ein dummes Lamm.“

„Was für ein abartig masochistischer Löwe“, las Gin. Er grinste. Wenigstens stimmte der letzte Satz. Diesen hätte er sofort unterschrieben. „Die Rolle ist wirklich nichts für dich.“

Vermouth kicherte. „Das wäre nicht einmal meine Szene. Trotzdem müsste ich als einer der Hauptcharaktere bei jedem Dreh dabei sein und für einen möglichen Ausfall bereit stehen“, meinte sie. „Bisher hat mich das alles nicht angesprochen.“

„Ein Löwe der sich in ein Lamm verliebt“, spottete Gin. „Die haben noch nie einen richtigen Löwen gesehen.“

„Wenn alle Löwen so sind wie du, würde ich ihnen auch davon abraten. Wenigstens kann man dir nicht vorwerfen, dass du ein Lamm bist.“

Gin grinste. „Nicht so wie die anderen Mitglieder der Organisation.“

„Tja…du weißt doch, wie man so schön sagt. Sie kommen als kleine Lämmer zu uns und gehen als gefährliche Löwen in die Welt.“

„Und die, die es nicht schaffen, werden erschossen“, fügte Gin hinzu. Man konnte die Organisation wirklich einfach beschreiben. Ihre neusten Mitglieder waren kleiner Lämmer, die nichts konnten und noch gar nichts über die Welt und das Leben wussten. Mit der Zeit, viel Training und kleineren Aufträgen um ihre Loyalität unter Beweis zu stellen, wuchsen die kleinen Lämmer. Vor ihrer ultimativen Prüfung waren sie schwarze Schafe, doch nachdem größere Aufträge und der erste Mord verübt wurde, wurden sie zu Löwen. Gefährliche Löwen, die nicht mehr aufzuhalten waren.
 

Die Tage vergingen und Gin richtete sich schon fast häuslich in den Staaten ein. Leidtragende war Vermouth.

„Wann willst du zurück nach Japan?“, wollte sie wissen. Auf Dauer konnte Gin einem auf die Nerven gehen. Es war ein Wunder, dass Wodka es so lange mit ihm aushielt und an Gins Rockzipfel hing wie ein kleiner Junge, der sich nach einem Lolly sehnte.

„Mal sehn.“ Gin streckte sich. „Der Boss wird schon wissen, wann es am besten ist zurück zu kehren. Hast du was Neues vom FBI gehört?“

„Nein, sie halten ihren Fehler bezüglich des Gemäldes unter Verschluss, was ihnen leicht fällt, da keiner diese Angelegenheit mit dem FBI in Verbindung bringt.“

„Ich hätte zu gern sein Gesicht gesehen, als er bemerkte, dass wir vor ihm da waren.“

„Du kannst es dir doch vorstellen. Akais Gesicht wird sich wohl nicht wirklich verändert haben.“

Gin grinste. „Die Vorstellung allein reicht mir nicht.“

„Das ist mir egal. Falls es dir wirklich so wichtig ist, kannst du ihn besuchen und selber fragen. Noch besser, du suchst dir eine Wohnung in seiner Nähe und beobachtest ihn dann Tag für Tag.“

„Mach dich nicht lächerlich.“

„Trotzdem wenn du noch länger hier bleiben willst, solltest du dir eine eigene Bleibe oder ein Hotel suchen“, kam Vermouth erneut auf das Thema vom Beginn zu sprechen.

„Jaja…sag doch gleich, dass du mich nicht hier haben willst, wobei ich mir sicher bin, dass ich ein besserer Umgang bin als Wodka.“

Sie schmunzelte. Damit traf Gin ins Schwarze. Gerade als sie etwas erwidern wollte, verzog Gin das Gesicht.

„Wenn man vom Teufel spricht.“ Er sah auf das Handy und spielte wenige Sekunden mit dem Gedanken einfach nicht ranzugehen.

„Geh schon ran“, gab die Schauspielerin von sich. „Dein Klingelton nervt mich.“

„Was willst du, Wodka…“, raunte Gin genervt in den Hörer.

Das Gespräch dauerte mehrere Minuten. Minuten, in denen Gin immer wieder durch den Raum ging und zwischendurch aus dem Fenster sah. „Schick mir die Daten zu, ich buch den Flug.“

„Du musst schon gehen? Das ist aber Schade, dabei wollte ich dir doch noch so viel zeigen.“ Vermouths Schauspiel war perfekt. Ihre Gesichtszüge und auch eine leichte Träne kam zum Vorschein. Ja, diese Frau wusste, was sie tat und sie wusste, wie sie den Männern den Kopf verdrehen konnte. Aber nicht allen.

„Die Pflicht ruft. Das solltest du am besten wissen“, gab Gin von sich. Seine Stimme war kühl. „Ich brauch deinen Computer.“

„Bitte.“ Vermouth wartete.

Gin sah ungeduldig zu ihr. „Wird’s bald?“, raunte er.

Vermouth verdrehte die Augen. „Ein wenig Höflichkeit könnte dir nicht schaden, Gin.“ Trotz allem stolzierte sie in das eingerichtete Arbeitszimmer. Der Raum war spartanisch eingerichtet. Wand, Tür, Fenster, weitere Wände und schließlich der Schreitbisch in der Mitte. Ohne zu zögern, ging sie zu diesem, schaltete ihn an und gab ihr Passwort ein. Gerade als sie ihre Lippen zu einem Wort formte, stieß Gin sie zur Seite und öffnete das Internet.

„Willst du mir nicht sagen worum es geht?“, kam es von der Blonden.

Ein Grinsen umspielte seine Lippen. „Ein neuer Auftrag.“

„Worum geht’s?“ Vermouth wurde sichtlich hellhörig. Neue Aufträge waren interessant, vor allem, wenn sie dazu führten, dass Gin das Land verließ.

„Wodka hat einen Auftrag fast vermasselt“, knurrte der Mann in Schwarz.

„Ist ja nichts Neues.“ Dafür fing sie sich einen bösen Blick ein.

„Ein Schnüffler wäre ihm fast auf die Schliche gekommen und wollte ihn ins Gefängnis bringen, nur weil ihn sein Aussehen verdächtig erscheinen ließ.“

Vermouths Kehle schnurrte sich zusammen. Ein mulmiges Gefühl jagte durch ihren Körper. Shinichi…Conan… Das durfte nicht sein.

„Glücklicherweise konnte jemand anderes wegen Mord überführt werden, sodass der gute Wodka immer noch frei herum läuft.“

Vermouth nickte. „Wodka hat manchmal mehr Glück als Verstand.“

„Der Boss ist natürlich nun in Sorge, dass unsere Identitäten auffliegen. Deswegen soll ich mich um die Angelegenheit kümmern.“

„Heißt?“ Vermouth hasste es, wenn sie ihm alles aus der Nase ziehen durfte.

„Der Schnüffler wird erledigt. Am besten so, dass nichts auf uns zurück fällt. Deswegen mach ich die Sache alleine.“

„Lass das doch Bourbon machen.“

„Pff…vergiss es. Ich mach das selber.“ Gin öffnete die erste E-Mail in seinem Postfach. Sie hatte keinen Text, nur zwei Anhänge. Den ersten öffnete er sofort und sah sich das Bild des Detektivs an. „Sein Gesicht kommt mir bekannt vor.“

„Wahrscheinlich hast du in der Zeitung von ihm gelesen. Kogoro Mori, er löst seine Fälle im Schlaf“, antwortete die Schauspielerin.

„Nein, das ist es nicht…wir haben ihm schon einmal einen Besuch abgestattet. Ja…ich erinnere mich. Das FBI hat ihn benutzt um uns zu kriegen“, schnaubte er. „Man trifft sich immer zweimal im Leben. Dieses Mal kommt er nicht so glimpflich davon.“ Der Cursor der Maus wanderte langsam zum zweiten Anhang. Mit einem Doppelklick öffnete er auch dieses.

„Und wer soll das sein?“ Ihre Reaktion war kühl. Ein Glück, dass ihr Schauspiel bis zur Perfektion ragte. Ebenso war es ein Glück, dass sie hinter Gin stand und er den Schrecken auf ihrem Gesicht nicht erkannte.

„Seine Tochter soweit Wodka richtig recherchiert hat. Und der Junge wohnt wohl auch bei ihm“ Gin lehnte sich nach hinten und verschränkte die Arme.

„Sollen sie auch sterben?“

Der Angesprochene grinste. „Viel besser. Ich soll sie zur Organisation bringen. Sie werden unser nächstes Lämmer. Und schon bald werden aus ihnen mächtige Löwen werden.“

Vermouth wich nach hinten. Eine Katastrophe bannte sich an. Und sie waren die Schlüsselfiguren.

Ran Mori. Oder das, was nach den Taten der Organisation von dem unschuldigen Mädchen übrig blieb.

Conan Edogawa, dessen wahre Identität der Organisation noch verborgen blieb.

Shinichi Kudo. Der Junge, der alles änderte.



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