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Kill this Killing Man II

Höhen und Tiefen
von

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Ringo

173) Ringo
 

„Brauchen wir noch Medikamente für ihn, dann würde ich gleich losfahren. Oder willst du?“

„Ich möchte lieber hier bleiben“, erwiderte Sam, auch wenn die Aussicht sich die Beine vertreten zu können sehr reizvoll war. „Bringst du Vick Vaporup mit und ein paar richtig dicke Socken? Außerdem wäre ein Inhalator vielleicht ganz hilfreich.“

„Ich sehe zu, was sich machen lässt. Und was zu Essen?“

„Mir reicht ein Sandwich oder was vom Chinesen und für Dean? Kannst du Tomaten-Reis-Suppe kochen?“

„Ich bringe alles dafür mit. Eigentlich wollte ich ihm eine Geflügelbrühe kochen.“

Sam atmete tief durch und nickte. Alles was ihm half.

„Gemeinsam kriegen wir ihn wieder auf die Beine“, versuchte der Ältere ihn aufzumuntern.

„Danke Bobby“ Das war genau das, was Sam gebraucht hatte, eine Aufmunterung und die Versicherung, dass alles wieder gut werden würde. Ein bisschen Hoffnung, an die er sich klammern konnte.

„Wir schaffen das, wäre doch gelacht! Außerdem ist es nicht das erste mal, dass er hier ...“ Bobby brach ab. Diese Erinnerungen waren nicht unbedingt das, was er jetzt heraufbeschwören wollte.

„Ich fahr dann mal“, sagte er leise und drehte sich zur Tür.

„Bis nachher“, verabschiedete sich Sam leise. Auch er hätte diese Erinnerungen lieber nie wieder erwähnt. Doch sie waren nicht so einfach zu verdrängen. Also erhob er sich und begann voller Zweckaktionismus das Zimmer aufzuräumen. Er holte frisches Wasser und neue Handtücher und wusch seinem Bruder den Schweiß vom Körper. Er wickelte ihn in ein paar große Badetücher, packte ihn fest in die Decken ein und öffnete die Balkontür sperrangelweit, damit endlich wieder frische Luft in das Zimmer strömen konnte. „Bin gleich wieder da“, versprach er Dean, schnappte sich die herumliegende Wäsche und ging in den Keller, wo er die Waschmaschine fütterte. In der Küche kochte er frischen Tee und machte sich selbst eine heiße Zitrone, von der er hoffte, dass sie ihn gegen die ganzen Bakterien zu schützen, nicht dass es Dean irgendwann wieder besser ging und er die Lungenentzündung hatte.
 

Liebevoll schaute Mary ihrem Jüngsten hinterher. Wie toll er sich doch um seinen Bruder kümmerte. Doch kaum hatte Sam das Zimmer verlassen, begann Dean sich unruhig hin und her zu werfen. Mit Sorge wandte sie sich zu ihm um. Wenn sie wenigstens das Fenster wieder schließen könnte, bevor er sich freigestrampelt hatte. Fieberhaft überlegte sie, wie sie Sam wieder nach oben bekommen konnte, doch dann fiel ihr etwas ein, bei dem Dean immer mit großen, strahlenden Augen an ihren Lippen hing und wie sehr er es gehasst hatte, wenn er dabei eingeschlafen war. Lächelnd erinnerte sie sich an einige kalte, verregnete Tage an denen sie mit ihrem Sohn auf dem Schoß vor dem Kamin gesessen und ihm die Geschichten erzählt hatte. Das war kurz bevor der Dämon ihr das Leben genommen hatte. Noch heute fühlte sie die Trauer, wenn sie daran dachte, wie sehr sie sich in diesen Tagen wünschte, irgendwann einmal mit Sam und Dean so zusammensitzen und ihnen die Geschichten erzählen zu können. Wann hatte sie ihm das erst mal erzählt? Damals war sie mit Sam schwanger, irgendwann kurz nach Deans viertem Geburtstag.

Dean kämpfte leise wimmernd um mehr Luft.

Mary schüttelte die Erinnerungen und die Trauer ab und setzte sich auf das Bett. Sanft strubbelte sie ihm durch die verschwitzen Haare, nahm seine Finger in ihre und begann zu erzählen:

„Es war einmal vor langer Zeit da lebte in der Prärie eine Kolonie Präriehunde.

Fleißig arbeiteten sie an ihren Tunneln, suchten Futter und kümmerten sich um ihre Familien.

Sie erinnerte sich an das erste Mal, als sie ihm diese Geschichte erzählte. Er hatte sich aufgesetzt und sie gefragt: „Was ist die Prärie, Mom?“

„Das ist eine große Wiese, wie die Weide am Ende der Straße, da wo die Kühe stehen, nur viel, viel größer.“

„Und eine Konolie?“

„Eine Kolonie ist wie eine Stadt. Wie Lawrence.“

„Haben diese Hunde auch so eine Familie wie Daddy und ich und du?“

„Fast so eine Familie wie wir, ja.“

„Fast?“

„Sie haben mehr Kinder“, lachte sie. „Und der Daddy ist öfter weg.“

„Das ist doof! Ich will auch Geschwister. Wann kriege ich meinen Bruder?“

„Eine Weile musst du schon noch warten, Schatz.“

„Wie lange?“

„Wenn die ersten Kirschen reif sind, sollte er da sein.“

„Wann ist das?“

„Wenn der Schnee geschmolzen ist“, versuchte sie seine Fragerei zu beenden.

Dean dachte nach. Er liebte den Schnee und er wollte doch morgen noch einen Schneemann mit Daddy bauen! Das hatte Daddy versprochen!

„Nicht schmilzen. Ich will doch morgen mit Daddy einen Schneemann bauen!“

„Morgen schmilzt der Schnee noch nicht“, beruhigte sie ihn.“

„Das ist gut! Was ist mit den Hunden?“

Mary lächelte bei der Erinnerung an dieses Gespräch. Aber auch weil ihren Worten wohl noch dieselbe Magie innezuwohnen schien, wie vor so vielen Jahren. Auch heute wurde Dean ruhiger, so als ob er diesen längst vergessenen Geschichten lauschen wollte. Hatte er sie vergessen? Irgendwie hoffte sie, dass es nicht so wäre, auch wenn in seinem Leben so viel passiert war, dass diese einfache Gute-Nacht-Geschichte wohl schon lange verdrängt worden war. Aber selbst wenn. Seine Reaktion zeigte ihr, dass es ihm gefiel und so machte sie weiter.

Noch bevor der Frühling richtig loslegte spürte die schwangere Präriehunde-Dame Liv, dass es bald Zeit war ihre Jungen zur Welt zu bringen. Tief unter der Erde in ihrem Bau hatte sie dafür extra eine kuschelig warme, sichere Höhle als Kinderstube eingerichtet.

In der folgenden Nacht war es endlich soweit. Liv brachte fünf Junge zur Welt. Drei Mädchen, Lilly, Rose und Pebbles sie war die zarteste der Kinder, und zwei Jungen Gray und der Letztgeborene, Ringo.

„Nackt, blind und taub sahen sie eher wie rosa Maden aus, denn Präriehunde.“

Mary hielt lächelnd inne. An der Stelle hatte Dean sie damals gefragt, ob er auch blind und taub zur Welt gekommen wäre. „Nein. Du konntest sehen und hören, wenn auch nicht so gut wie jetzt, aber genau wie diese fünf Kleinen hast du auch nur gegessen und geschlafen.“ Und wie damals strich sie ihm sanft die Haare aus der Stirn.

„Wie Sammy“, hatte Dean einmal gesagt, als sie ihm die Geschichte, nach Sams Geburt, mal wieder von Anfang an erzählte.

„Ja, wie Sammy“, hatte sie lächelnd geantwortet.

Die Jungen entwickelten sich schnell zu kleinen, frechen, aufgeweckten Präriehund-Kindern.

Es verging nicht viel Zeit, bis ihnen die gewohnte Umgebung ihres Kinderzimmers zu langweilig wurde.

Eines Tages, Liv war gerade losgegangen, um Futter zu besorgen, standen sie unschlüssig im Zimmer herum und überlegten, was sie machen wollten, bis ihre Mutter zurückkam. Pebbles zog in einem unbeobachteten Moment ihr Kissen vom Bett und schlich sich an Ringo heran.

Sie tippte dem Jüngsten auf die Schulter. Er drehte sich um … Paff … bekam er ein Kissen vors Gesicht und plumpste auf den Hintern. Helles, vierstimmiges Gelächter und Gejohle begleitete seinen Versuch wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er rappelte sich auf. Pebbles hatte noch immer das Kissen in der Hand. „Duuu“, grollte er und stürzte sich auf sie.

Während Ringo sie überall kitzelte, wo er sie erreichen konnte, versuchte sie sich seiner Angriffee zu entgehen. In einem wirren Knäuel aus Armen und Beinen kullerten sie über den Boden.

Schnell stürzten sich die anderen Drei auf das Knäuel.

Liv hörte das Gejohle, als sie zurückkam. Schnell packte sie alles in die Vorratskammer und betrat das Kinderzimmer.

„Was ist denn hier los?“, rief sie entsetzt. Doch niemand reagierte.

Seufzend näherte sie sich dem Gewusel. Sie griff zu und zerrte das erste Junge zu sich.

Sofort wollte die Kleine, es war Lilly, sich wieder ins Getümmel stürzen, doch ein heftiger Knuff ihrer Mutter ließ sie innehalten. Sie wurde in ihr Bett geschickt und musste dem Treiben ihrer Geschwister tatenlos zusehen. Sie blieb nicht lange alleine. Nach und nach zog ihre Mutter einen nach dem anderen aus dem Getümmel und trieb sie auf ihre Betten, bis nur noch Gray und Rose übrig waren.

Die Beiden zu trennen fiel ihrer Mutter besonders schwer, denn Gray hatte sich im Ohr seiner Schwester verbissen und wollte nicht loslassen, egal wie sehr das Mädchen auch schrie. Erst als Liv ihn in eines seiner Ohren biss, ließ er jammernd los.

„Es reicht“, schimpfte sie laut, als alle Kinder still saßen. „Was sollte das denn, bitte schön?“

„Pebbles hat angefangen“, petzte Gray.

„Es ist mir egal, wer angefangen hat. Ich habe auch nichts dagegen, wenn ihr spielt aber ich will keine Keilerei. Es wird nicht gebissen, gekratzt oder getreten. Habt ihr mich verstanden?“

Die Fünf nickten murrend.

Das blieb nicht die einzige Rauferei der Geschwister. Je größer sie wurden, um so häufiger kam es zu Streitereien, während die Mutter auf Futtersuche war.

Mary erinnerte sich daran, wie sehr Dean schon damals an seinem kleinen Bruder hing und wie er ihr einmal versprach, nie mit Sam zu raufen sondern immer auf ihn aufzupassen.

Das hatte er getan. Auch wenn sie jede Streiterei hingenommen hätte, wenn sie dafür ein normales Leben mit ihnen hätte führen können.

Sie strich Dean erneut durch die verschwitzten Haare. Sie war stolz auf ihre Jungs und froh darüber, dass sie sich so gut verstanden.
 

„Liv hatte es nicht leicht allein mit ihren Kleinen. Ständig musste sie die kabbelnden Kinder trennen, die sich sofort gegenseitig die Schuld in die Schuhe schoben, und ein Machtwort sprechen. Gray war der schlimmste Satansbraten und ignorierte die „es wird nicht gebissen“-Regel, die seine Mutter aufgestellt hatte.

„Wo ist denn der Daddy?“, wollte Dean einmal wissen. „Hatte er auch einen Unfall wie Mr. Daniels?“

Sie hatte sich nie Gedanken über einen Vater gemacht, was wohl daran lag, dass John zu der Zeit öfter verschwunden war. Sie wollte einfach keinen Mann in der Geschichte. Dass Dean ihr eine Antwort regelrecht auf dem Silbertablett lieferte, kam ihr damals nur recht.

„Ja, er hatte auch einen Unfall.“

„Wird er wieder gesund?“

„Bestimmt“
 

Genau in diesem Augenblick kam Sam die Treppe nach oben. Er hörte eine weibliche Stimme und erstarrte.

Wer war das? Es klang weder wie Ruby noch wie Jody. Aber das konnte auch nicht sein! Die eine konnte nicht einfach so ins Haus, seit sie es bei dem Umbau komplett gesichert hatten und die andere hätte er kommen hören müssen.

Sein Herz setzte einen Schlag aus und begann gleich darauf zu rasen. Wer war bei Dean? Was wollte dieses Wesen von ihm?

Er stürmte auf die Tür zu, als ihm etwas bewusst wurde. Mit der Hand an der Klinke hielt er inne und lauschte.
 

„Liv wurde klar, dass ihre Kinder in ihrer Abwesenheit beaufsichtig werden mussten. Sie bat Moyra, die Tante der Kleinen, den jungen Präriehunden beizubringen sich in den vielen Gängen des Baus zurecht zu finden. Alle fünf mochten Moyra, da sie ihnen immer kleine Leckereien mitbrachte.

„Hoppla“, lachte Tante Moyra und fing Rose ab, die ihr nicht mehr ausweichen konnte. Liv hatte ihren Kindern einen Tag nach ihrer Moralpredigt erlaubt im gesamten Bau zu spielen. Nur nach draußen durften sie noch nicht. Das war für sie noch viel zu gefährlich. Die fünf Rabauken störte das nicht weiter. Sie entdeckten immer noch neue Gänge und die langen Gänge, die toten Enden und die Vorratskammern bargen jede Menge Verstecke und Platz zum Toben.

„Hab dich“, grinste Ringo und schlug seiner Schwester auf dem Arm.

„Das ist gemein“, jammerte sie. „Tante Moyra hat mich festgehalten!“

„Selber schuld“, lachte Ringo und blieb bettelnd vor seiner Tante stehen. „Was hast du uns mitgebracht?“

„Lauf und hol die anderen“, sagte sie geheimnisvoll.

Sofort jagten die Geschwister durch den Bau und Ringo…
 

Sam hielt es nicht mehr aus. Die Stimme kam ihm seltsam bekannt vor, doch er konnte sie nicht zuordnen. Er musste wissen, wer bei seinem Bruder war und ihm eine Geschichte erzählte!

Lautstark schlug er die Klinke nach unten und riss die Tür auf.

„Wer bist ...“, begann er und verstummte sofort wieder. Der Raum war verdammt kalt! Schnell schloss er das Fenster und untersuchte das Zimmer gründlich. Kein Fremder war in dem Raum.

„Wer bist du und was willst du?“, fragte er noch einmal in die relative Stille, die nur von Deans geräuschvollen Atemzügen unterbrochen wurde.

Natürlich erhielt er keine Antwort.

Er setzte sich vorsichtig auf Deans Bett und legte ihm die Hand auf den Arm.

„Bin wieder da“, verkündete er unnötigerweise, nur um etwas zu sagen. Aufmerksam musterte er seinen Bruder. Irgendwas war anders, nur was? Er glühte noch immer und auch das Rasseln seiner Lunge hatte sich kaum geändert. Und trotzdem. Sam würde es nicht unbedingt beschwören wollen, aber Dean schien ruhiger zu schlafen. Lag das an der Stimme? Aber wer war sie?

Noch einmal ging er in Gedanken durch, was er gehört hatte.

„Ringo“, flüsterte er leise. „Ringo?“ Und dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag.

„Ringo!“ Deans Teddy hieß Ringo!

„Mom?“, fragte er aufgeregt.

„Mom! Bitte zeig dich!“ Jetzt war ihm auch klar, warum er die Stimme zu kennen schien.

„Bitte!“, flehte er noch einmal.



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