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Bruderliebe

von

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~°~31~°~

 

 

Damals auf der Hochzeitsfeier

 

Darian war mit seinem Motorrad auf der Hochzeit später erschienen, weil sein Freund Miguel etwas zu erledigen hatte und es nicht pünktlich zur Trauung schaffen würde. Daher hatte ihm sein Freund zwar vorgeschlagen, einfach früher dort zu sein, um die Trauung nicht zu verpassen, was Darian aber dankend abgelehnt hatte.

Es war ihm nicht unrecht gewesen, hatte er nicht wirklich Lust auf diese Feier. Doch hatte er den Wunsch seines Freundes, ihn dorthin zu begleiten, nicht abschlagen können. Der Südländer konnte in diesen Dingen ziemlich hartnäckig werden und vor allem einen herzerweichenden Blick aufsetzen. Damit bekam er ihn immer herum. So beugte er sich seinem Schicksal. Auch wenn ihn Hochzeiten, seit seiner eigenen missglückten Ehe, übel aufstießen, da seine Meinung mittlerweile, was den Bezug auf weiße Trauungszeremonien anging, gespalten war.

Umso weißer die Hochzeit, desto schneller das Aus!

Seine Hochzeit mit Steffie war blütenweiß gewesen, mit allem Schnickschnack und war in einer Katastrophe geendet, an der er zwar nicht unschuldig war, doch auch wenn er nicht in seinen Bruder verliebt gewesen wäre, hätte diese Ehe dennoch nicht lange gehalten.

Verschwitzt stieg Darian in seiner viel zu warm angezogenen Lederkluft von seinem Motorrad ab, als er einen geeigneten Platz unter einem Baum gefunden hatte, wo die Sonne nicht so auf die Maschine knallen konnte. Er setzte den Helm ab und legte ihn auf den Sitz. Die Haare klebten ihm nass am Kopf. Trotz der sengenden Hitze hatte er sich gut eingepackt, da die Sicherheit für ihn vorging. Die passenden Wechselklamotten hatte er in seinen Rucksack gepackt. Ein ordentlich zusammengelegter, dunkler Anzug und er hoffte, dass dieser nicht all zu verknittert aussah. Er war zudem nur ausgeliehen, hatte er außer Jeans und legeren Klamotten nicht wirklich was Feines.

Darian schaute auf die Kapelle, die ruhig und verlassen wirkte, und ersehnte dort ein wenig Abkühlung. Die Zeremonie schien schon lange vorbei und die Hochzeitsgäste hatten sich am Strand versammelt, wie er von Weitem sehen konnte. Er staunte zudem nicht schlecht, als sein Blick auf den voll beladenen und großen Geschenketisch fiel. Er selbst hatte kein Präsent mitgebracht, das wollte Miguel erledigen.

Die Kapelle war zum Glück nicht abgeschlossen und die deutlich kühlere Luft wehte ihm entgegen. Hier und da sah er auch einige Utensilien der Hochzeitsgäste, also war er nicht der Einzige, der sich umzog.

So zog er sich rasch auf einer der hinteren Bänke um, band sich gegen die Hitze die inzwischen wieder trockenen Haare zu einem Zopf, nachdem er sie kurz durchgekämmt hatte. Dann strich er sich noch einige Falten an seinem Anzug glatt und schlüpfte in die passenden Schuhe. Auch wenn es heute nicht so heiß gewesen wäre, mit Lederklamotten auf einer Hochzeitsfeier zu erscheinen, fand er nicht gerade angemessen. Den Rucksack mit der Fahrerkluft verstaute er in der Satteltasche an seiner Yamaha. Danach wartete Darian pünktlich zu der vereinbarten Zeit vor der Kapelle auf Miguel. Dabei starrte er sehnsüchtig auf seine schwarze Yamaha R6, die unweit auf dem Rasen unter einem Baum geparkt stand. Wie lange hatte er auf diese Maschine sparen müssen. Ein Auto hatte er nicht gewollt und war die ganze Zeit über mit einem alten Fahrrad durch Hamburg gefahren. Dieser Flitzer gab ihm die gewisse Freiheit.

Eigentlich wäre er heute lieber alleine durch die Gegend gefahren, als hier zu sein, hatte er seit Langem endlich mal ein freies Wochenende. Die vielen Menschen, gerade in Hamburg, die mochte er schon lange nicht mehr. Es war ihm zu viel. Früher hatte es ihm nichts ausgemacht, doch jetzt …

„Hey, wartest du schon lange auf mich?“ Miguel kam auf Darian zu und gab ihm einen schnellen Kuss, den dieser mit gehetztem Blick erwiderte.

„Nein, nicht wirklich.“

„Wir sind alleine, okay! Gut siehst du aus, der Anzug steht dir. Du musst dir wirklich so einen zulegen und nicht ausleihen“, überging Miguel Darians Anflug von Panik, als sie sich erneut küssten. Er verstand immer noch nicht, warum der Münchner so viele Probleme damit hatte.

Darian schluckte und lenkte sich ab, betrachtete Miguel verstohlen. Der Mann sah gut aus, wie er sich selbst eingestehen musste. Bewundernd sahen sie sich gegenseitig an.

Darian lächelte. „Anzüge sind nicht so mein Fall“, gab er offen zu.

„Echt, du siehst wirklich klasse damit aus. Und hat alles so weit geklappt?“

„Schmeichler. Ja, da drüben steht sie.“ Er wusste, was er meinte, und deutete stolz auf seine Maschine.

„Später machen wir eine Spritztour, okay! Sieht gut aus.“

„Was nur gut? Sie sieht genial aus.“

„Komm!“ Miguel lachte einfach.

„Wie du meinst, hab aber keinen zweiten Helm dabei“, protestierte Darian. Er wollte keinen Ärger.

„Pft, Moralapostel … wird schon keiner merken.“

Sie gingen zusammen zum Strand auf die Feier. Die Leute schienen ausgelassen und waren lange zum gemütlicheren Teil übergegangen. Das Übliche fanden sie vor, den Brauttanz, die Rangelei um das Hochzeitspaar, eben alles, was dazugehörte. Darian hatte sich dem Paar nicht vorgestellt und es Miguel überlassen und stand daher etwas abseits. Schließlich war er nur die Begleitperson und nicht mit dem Brautpaar verwandt oder bekannt. Zudem zierte er sich noch immer ein wenig, seine Homosexualität in der Öffentlichkeit zu zeigen, auch wenn er auf einem guten Weg war.

Miguel schüttelte den Kopf, als er das Brautpaar alleine begrüßen musste.

Darian schaute sich derweilen um, war erstaunt, wie viele Menschen sich auf der Feier befanden, die wirklich schön und dekorativ am Sandstrand aufgebaut war. Doch schnell verlor er den Überblick über die Anzahl an Menschen, als er versuchte, sie grob zu zählen. Eigentlich hatte er keine Lust auf dies alles hier und so wirkte er auch zeitweise gelangweilt. Er war für Miguel kein guter Gesprächspartner, als dieser ihm freudestrahlend verkündete, bald zu ihm nach München ziehen zu wollen. Darian hatte vor, wieder zurückzugehen. Das Vagabundenleben war vorbei, er wollte nach Hause. Seine Wut auf die Welt, die Wut auf sich selbst und manchmal auf seinen Bruder war zwar immer noch etwas, was er unter Kontrolle bringen musste, trotzdem fühlte er sich stark genug, zu seiner Familie zurückzukehren und sich ihnen zu stellen.

„Tausend Euro für deine Gedanken, mein Lieber“, schnitt Miguel in seine Überlegungen.

„Was?“ Darian versuchte sich in einem Lächeln und sah ihn leicht verlegen an. Miguel hatte keine Ahnung, was wirklich in ihm vorging.

„Ich sagte gerade eben, dass ich zu dir nach München komme, denn ich kann mich versetzen lassen. Das war es auch, warum es vorhin länger gedauert hatte. Außerdem lasse ich dich nicht mehr gehen. Wir suchen uns dort ein schönes Häuschen.“

Darian wusste nicht, ob er sich freuen oder eher davonlaufen sollte. Daher äußerte er sich nicht zu Miguels regen Zukunftsplänen, schwieg lieber zu dem Thema. Wie würde die Familie auf Miguel reagieren? Er seufzte.

„Ich hole uns ein Bier, ja? Die Hitze ist unerträglich“, stöhnte sein Freund.

„Mhm, wenn du meinst.“ Mehr als ein Bier würde er allerdings nicht trinken, da er seinen Führerschein nicht gefährden wollte. Er senkte den Blick und wirkte nun in sich gesunken, achtete nicht auf die nachdenklich gewordenen Blicke, die Miguel ihm zuwarf.

Darian dachte an seinen Bruder, gestand sich ein, sich Sorgen um ihn zu machen. Es fuchste ihn, nicht zu wissen, wo er wirklich steckte. Ob er ihn jemals wiedersehen würde? Zu Susan hatte er sporadisch Kontakt behalten, vielleicht kehrte Jaden irgendwann wieder nach München zurück. Das war auch noch einer der Gründe, warum er tatsächlich zurück wollte.

„Wie meinen? Magst du jetzt ein Bier oder nicht?“ Miguel stupste ihn in die Seite, worauf Darian ihn ansah und die Gedanken um Jaden verflüchtigten sich.

„Ein Bier ist okay.“ Er atmete tief durch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Hitze machte auch ihm zu schaffen.

„Ich komme gleich wieder.“ Miguel holte schließlich die Getränke für sie beide, während Darian mittlerweile auf die Köstlichkeiten des hergerichteten Buffets starrte und die Menschen um ihn herum auszublenden versuchte.

Das Buffet sah äußerst einladend aus, wie er hungrig feststellte, als ihm bewusst wurde, dass seine letzte Mahlzeit schon etwas länger zurücklag und sein Magen zu knurren angefangen hatte. Die Lachshäppchen, die gebettet im Salatbeet lagen und mit Kaviar garniert waren, sahen zu köstlich aus, um sie zu ignorieren. Als er sich über die Leckerbissen beugte, strahlte ihm eine angenehme Kühle entgegen, während er sich das erste Häppchen holte. Das Essen wurde mit Kühlplatten gekühlt. So wartete Darian auf Miguel, während er genüsslich in das gekühlte Fingerfood hineinbiss. Sie sahen optisch nicht nur gut aus, sie schmeckten auch lecker. Der Norden konnte mit Fischspezialitäten wirklich bei ihm punkten. Soviel wie er in einem Jahr an Fisch konsumierte, hatte er in München nicht annähernd die Jahre über gegessen. Es war bereits die zweite Portion, als sein Blick auf eine Person fiel, als er sich erneut umschaute, während er sich gerade seine Finger an einer Stoffserviette sauber wischte.

 Durch seinen Körper ging ein Ruck.

Darian traute seinen Augen nicht, als er unweit eine Person erkannte.

Jaden? Wie ist das nur möglich?

Er kniff die Augen zusammen. Sah er eine Fata Morgana? Nein, es war Jaden, daran bestand kein Zweifel, der dort stand.

Doch Jaden stand nicht alleine da. Es war jemand bei ihm. Er erkannte seinen Therapeuten Carsten Engel, der sehr eng neben seinem Bruder stand. Sie unterhielten sich angeregt.

Was hatte er mit Jaden zu tun? War Jaden auch in Therapie?

Misstrauisch beäugte er die beiden – sie schienen so vertraut. Ihm blieben die Blicke nicht verborgen, die sie sich zuwarfen.

Trotzdem konnte er seine Augen nicht von ihm lassen. Am liebsten wäre er sofort zu ihm geeilt, hätte ihn umarmt, geschüttelt und gefragt, warum er abgehauen war. Aber irgendwas hinderte ihn daran, sich Jaden so offen zu zeigen, obwohl er sich danach verzehrte. Vielleicht war es die Tatsache, dass er nicht alleine war, sondern mit diesem Carsten zusammenstand. Sie waren zudem von einer Gruppe von Leuten umzingelt.

Der Appetit auf ein weiteres Häppchen war ihm vergangen. Er warf die Serviette in einen dafür vorgesehenen Tischmülleimer, während er versuchte, seine innerliche Unruhe zu bändigen und dem Gespräch der beiden zu lauschen, als er sah, dass sich Jaden nicht wohlzufühlen schien. Er kannte den Blick noch zu genau, der gehetzte, in sich gezogene, wenn Jaden lieber alleine sein wollte. Darian blieb erfolglos, da die übrigen Geräusche der verursachenden Gäste die Worte der beiden überlagerten. Daher betrachtete er ihn verstohlen, versuchte aus der Mimik heraus etwas erkennen zu können.

Nach all der langen Zeit war sein Bruder immer noch zart und blass, wie Darian feststellte und merkte, wie sich sein Herz dabei schmerzvoll zusammenzog. Und doch sah Jaden verändert aus, er trug seine Haare anders, im Nacken kurz, was ihm sehr stand und der Rock erst ... Weit über drei Jahre war es her, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte und nun ausgerechnet auf diesem Fest, so weit weg von seiner Heimatstadt München. Die Überraschung stand ihm immer noch im Gesicht. Jetzt hatte er ihn gefunden und anstatt endlich zu ihm zu gehen, wollte er auf einmal nur noch hier weg. Das schlechte Gewissen seinem Bruder gegenüber kam auf. Darian hatte auf einmal nicht mehr das Bedürfnis, von seinem Bruder gesehen zu werden, wollte zudem nicht mit ansehen, wie er vielleicht jemand anderes kennengelernt hatte. Daher drehte er sich weg und ging auf Miguel zu, als der mit beiden Bierflaschen in der Hand bereits auf dem Weg zu ihm war.

„Hey, amüsierst du dich?“ Der Südländer strahlte ihn an. Es war nicht zu übersehen, wie verliebt er in ihn war, und überreichte Darian das Bier.

Widerstrebend nahm er das Bier entgegen, obwohl sich die Flasche schön kühl in der Hand anfühlte, war ihm auch der Genuss aufs Bier vergangen.

„ Mhm, lass uns gehen …“

„Warum denn, Carsten ist auch hier, wir haben ihn noch gar nicht begrüßt. Da steht er doch, da vorne.“ Er deutete mit dem Finger auf den Therapeuten und Darian schritt dazwischen, fasste nach seiner Hand und zog sie nach unten.

„Lass das?“ Zum Glück hatte ihn Carsten noch nicht gesehen. Und vor allem Jaden, der immer noch vertieft in Gesprächen war.

„Manchmal verstehe ich dich nicht.“

„Ich weiß, ich habe jetzt keine Lust auf Therapeutengeplauder und möchte gehen.“ Darians Laune sank in den Keller und sein Freund bemerkte es nicht oder überspielte es gekonnt, denn er löcherte ihn weiter.

„Ich möchte erst mein Bier leer trinken. Und zudem hast du mir noch nicht erzählt, ob er dir inzwischen schon helfen konnte?“ Miguel nahm einen großen Schluck aus der Flasche. „Tut das gut.“

Während sein Freund sich genüsslich dem Bier zugewandt hatte, dachte Darian über Carsten nach.

Seit einem Monat etwa war er in Therapie. Miguel hatte ihn empfohlen, weil Darian seine Träume nicht mehr in den Griff bekam. Da Miguel oft bei ihm über Nacht blieb, hatte er schon lange seinen unruhigen Schlafzustand gemerkt. Es waren Träume, in denen er mit seinem Bruder zärtlich schlief, ihn auf den Mund küsste. Er musste sich Jaden aus dem Herzen reißen.

Darian hatte Miguel niemals den wahren Grund dafür gesagt, als der Südländer danach gefragt hatte. Die Tatsache, dass Jaden hier war, ließ ihn nicht los. Er realisierte immer mehr, dass er seinen Bruder tatsächlich gefunden hatte. Jaden ist hier? Eine steile Falte hatte sich auf seiner Stirn gebildet, als er auch Carsten beobachtete.

Dass er seinem Therapeuten begegnen würde, damit hatte er gerechnet, denn Miguel hatte es ihm erzählt, dass er der Ex-Mann von der Braut war. Zudem hatte ihm der Südländer von seiner Freundschaft zu Carsten erzählt. Er stellte sich langsam die Frage: Kannte Miguel auch Jaden?

Alleine die Vorstellung, dass sich Miguel und Jaden kennen würden, er es die ganze Zeit über nicht gewusst hatte, ließ ihn noch unruhiger werden, als er schon war. Fragen über Fragen stürmten auf ihn ein.

Wie lange lebte Jaden schon hier? Seit Jahren etwa? Es erstaunte ihn erneut, seinen Bruder so weit von zu Hause zu wissen.

„Hey Babe, du bist heute wirklich sehr nachdenklich. Ich habe dich etwas gefragt?“ Miguel hatte ihn an der Schulter berührt.

„Ja, was?“ Er schaute sauer zu ihm. Wie er den Kosenamen hasste. Schon oft hatte er ihm gesagt, er solle ihn nicht so nennen. „Und nenn mich nicht so.“

„Wieso?“ Miguel wollte ihm schon zärtlich über die Wangen streicheln, da wich er ihm aus. Vorhin, vor der Kapelle, waren sie alleine gewesen, aber hier? Es war noch immer für ihn Neuland – seine Homosexualität. Auch wenn Miguel ein netter Kerl war und er ihn wirklich mochte, ganz aus seiner Haut konnte er nicht.

Darian schielte erneut zu den beiden rüber, der Abstand war jetzt größer, was ihn deutlich beruhigte, da er sich sicher sein konnte, nicht gesehen zu werden. In dem Falle war es gut so, dass die Feier voller Menschen war. Doch Jaden so friedlich zu sehen, in trauter Zweisamkeit mit dem Therapeuten zusammen, die Blicke, die sie sich immer wieder zuwarfen, schnitten ihm tief ins Herz, trafen genau den Punkt, den er sich so lange verbat: Eifersucht!

 

 

©Randy D. Avies 2012

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Veri
2015-08-29T21:01:12+00:00 29.08.2015 23:01
Oh weh :(


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