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Bruderliebe

von

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~°~21~°~

 

 

Einige Monate später heiratete Darian seine Stefanie. Es war richtig so, sagte er sich immer wieder, obwohl er in dieser Zeit nicht mehr ganz so unbeschwert war. Jaden fehlte mit jedem Tag mehr und mehr. Stefanie bemerkte die Launen ihres Mannes zunehmend.

Sein Vater wie auch Jadens Mutter verstanden nicht, warum sein Halbbruder alle Brücken hinter sich abgebrochen hatte, als sie von Susan erfuhren, dass es Jaden gut ging, er aber ein völlig neues Leben anfangen wollte. Erwartungsgemäß waren sie enttäuscht, begriffen seine Beweggründe nicht wirklich. Auch Susan verbarg ihre Enttäuschung darüber nicht und zog sich komplett von der Familie zurück.

Besonders Vater war enttäuscht von Jaden, nannte ihn einen missratenen Jungen. Ließ es Darian spüren, wenn der in der Werkstatt vorbeikam, um seinem Vater zu helfen.

Darian musste sich immerfort mehr Unsinn über seinen Halbbruder anhören, wie enttäuscht er über ihn war, während er selbst immer mehr in den Himmel gelobt wurde. Daher ergriff er des Öfteren Partei für ihn, wurde wütend, wenn sein Vater nicht damit aufhören konnte, unter anderem auch hasserfüllt über Schwule und Andersgeartete, wie er sie zu nennen pflegte, zu reden. Sein Vater war ein Homophober, wenn der wüsste, dass Jaden ebenfalls schwul war!

Ab da konnte Darian nachvollziehen, warum sein Bruder niemals darüber ein Wort in diese Richtung verloren hatte.

Er hingegen schämte sich immer mehr wegen seines eigenen unprofessionellen Verhaltens seinem Bruder gegenüber und begriff langsam, was er damals auf der Hütte angerichtet hatte. Wenn er könnte, würde er die Zeit zurückdrehen, aber dafür war es zu spät.

Jadens Mutter ertrank in der Zwischenzeit im Kummer und ihr Lebensgefährte hatte alle Hände voll zu tun, um sie aufzubauen, was er nicht immer schaffte, und schob daher auf ihren Sohn einen Hals. Darian bekam es mit, daher besuchte er sie ab und zu, was er früher nie getan hatte. Das schlechte Gewissen nahm stetig zu, war er doch schuld an der Misere. Zwischen der Mutter und ihm wurde das Verhältnis besser, aber noch nicht so, dass man da eine dicke Freundschaft hätte ausmachen können.

Und wenn er alleine war, hatte er viel zu viel Zeit zum Nachdenken, hörte dabei immer öfter die Musik seines Bruders, stellte mit Entsetzen fest, wie wenig er von ihm eigentlich wusste. Das stimmte ihn traurig, hätte er doch nur früher gewusst …

Hätte es was geändert? Es war doch nicht rechtens, oder? Nein, er war noch nicht so weit. Nicht so weit, sich etwas Gewisses einzugestehen. Manchmal fragte er sich, ob es Jaden besser ginge als ihm, ob er inzwischen Freunde gefunden hatte, die um ihn herum waren und ihn so akzeptierten, wie er war, oder noch schlimmer, einen Freund – einen Lebensgefährten.

Eifersucht kam hoch und bohrte sich in sein Herz, doch schalt er sich zugleich einen Narren. Er hatte doch den Weg gehen wollen und niemals den anderen.

Die Zeit verging. Darian stürzte sich immer mehr in Arbeit und kam daher oft spät abends nach Hause, was seiner Frau sehr missfiel. Sein Privatleben ging langsam den Bach hinunter. Das Eheleben hatte ihn im Griff und Darian stumpfte immer mehr ab, ließ keine Emotionen zu, wurde mürrisch. Mit Stefanie schlief er immer weniger, bis gar nichts mehr zwischen ihnen lief. Der Kinderwunsch seiner Frau blieb somit unerfüllt. Die Ehe wurde für ihn zu einer Hölle und Stefanie wandte sich ebenfalls von Darian ab.

Sie ging immer öfter alleine mit Freundinnen aus, erzählte ihnen, wie unglücklich sie über ihre trostlose Ehe war. Zu Hause bei ihrem Mann, wenn sie das Thema Jaden in Angriff nehmen wollte, blockte er harsch ihre Versuche ab. Er schloss sich, als Flucht vor einem weiteren Gespräch, oft in Jadens Zimmer ein, was immer noch unverändert geblieben war. Nicht einmal ein Kinderzimmer hatte er daraus machen wollen, geschweige denn, dass es einer betreten durfte.

Seine Frau war nicht dumm, zählte sie schon lange eins und eins zusammen. Ihre Vermutungen verdichteten sich und eines Tages fragte sie ernst nach, als sie es nicht mehr aushielt, was damals wirklich auf der Wanderung passiert war.

„Sag endlich die Wahrheit, Darian, das bist du uns, nein, mir schuldig.“

Sie saßen in der Küche bei einer Tasse grünen Tee. Stefanie beobachtete die Reaktion ihres Mannes genau, der nun gedankenversunken an seinem Gebräu nippte. Schließlich stellte er seine Tasse auf den Tisch. Ihre Blicke trafen sich und er nickte schließlich. Er war es leid, sich ewig zu verstecken und platzte endlich mit der Wahrheit heraus. Seine Augen waren dabei mit Tränen angereichert, als er anfing, zu erzählen. „Ich habe damals in der Hütte meinem Bruder was Furchtbares angetan.“ Seine Finger hielten krampfhaft die Tasse.

„Was angetan?“, hakte sie nach, als sie merkte, wie er dichtmachen wollte.

„Ich habe mit meinem Bruder geschlafen.“ Jetzt war es heraus und Stefanie wurde merklich blasser. Ihre Vermutung hatte sie nun bestätigt bekommen. Sie hörte ihm dennoch still, aber entsetzt weiter zu. „Es war einfach über mich gekommen. Mit seiner verletzbaren Art sah er so anders aus, so schön. Es provozierte mich irgendwie.“ Seine Stimme bekam einen weinerlichen Unterton. „Ich war nicht gerade zärtlich zu ihm. Das ist der Grund, warum er nun weg ist.“ Darian verschwieg jedoch seiner Frau wichtige Details, wie die, dass Jaden ihm seine Liebe gestanden hatte und er danach ausgerastet war. Ihn geschlagen hatte, ihn in dem Sinne vergewaltigte. Es war ohnehin schwer genug, ihr das zu beichten. „Ich bin schuld, dass er fort ist.“ Die schwere Last fiel teilweise von ihm ab, dennoch blieb die Schuld daran bestehen.

Obwohl seine Frau es lange geahnt hatte, war es für sie trotzdem ein Schock. Sie rang nach Fassung. „Ich habe es vermutet, du … kein Wunder, dass Jaden es nicht ausgehalten hatte. Du hast uns beide belogen … Du hast mich betrogen, benutzt …“ Sie stand auf, ließ ihre Tasse stehen und stürmte in Tränen aufgelöst aus der Wohnung.

Darian ging ihr nicht hinterher, er konnte nicht. Wem sollte er etwas vormachen? Seine Gefühle für Jaden konnte er nicht mehr verleugnen. Sie schlummerten und waren erst herausgebrochen bei der Wanderung. Ab da war er sich sicher gewesen, dass er mehr auf Männer stand als auf einen weiblichen Körper. Nur sein Verstand und sein Herz, die fochten stets einen Kampf. Doch nun hatte er es seiner Frau gebeichtet.

Stefanie kam erst am nächsten Morgen zurück. Ihre Augen waren gerötet. Sie hatte die ganze Nacht bei einer Freundin verbracht und von ihrem Liebeskummer erzählt, aber nicht, was ihr Mann angestellt hatte. Sie hatte eigentlich zu Susan gewollt, die immer noch ihre Freundin war, wenn auch nicht mehr so eng, seitdem Jaden fortgegangen war. Sie wollte zu ihr, um über Jaden etwas zu erfahren und ob sie davon schon früher gewusst hatte, schließlich waren Jaden und sie zusammen gewesen.

Waren sie das wirklich gewesen?

Stefanie wusste nicht mehr, was sie noch glauben sollte, daher entschied sie sich dagegen, zu ihr zu gehen. Vielleicht auch aus Angst, dass sie eine weitere Enttäuschung anhören musste, dass Susan ihr auch etwas verschwiegen hatte. Armer Jaden, dachte sie. In diesem Moment tat der Schwager ihr leid.

Als sie Darian sah, flüchtete sie erneut aus der Wohnung, konnte seinen Anblick nicht ertragen und lief stundenlang umher. Ihre Ehe, sie bestand wirklich nur noch auf einem Stück Papier.

Darian war zu Hause geblieben und starrte auf den schwarzen Fernseher. Ihm ging so vieles durch den Kopf. Seine Frau wie auch er waren nicht zur Arbeit erschienen, der Anrufbeantworter blinkte. Er hatte danebengestanden und mit angehört, wie man versuchte hatte, seine Frau wie auch ihn zu erreichen.

Gegen Abend kehrte Stefanie zur Wohnung zurück, wo Darian bereits auf sie gewartet hatte. Sie war ziellos durch die Gegend gelaufen, bis sie erschöpft den Rückweg angetreten hatte. Mit keinem ihrer Freunde hatte sie darüber reden wollen. Galt doch bei den meisten von ihrem Freundeskreis ihre Ehe als Vorzeigebild. Bitter stellte sie fest, dass sie sich selbst etwas vorgemacht hatte. Dass sie in einer rosa Wolke leben wollte und all die Signale ignoriert hatte, die sie hätte sehen müssen. Doch nun gab es kein Zurück mehr.

Als Darian und sie in die Küche gingen, um zu reden, bereitete er einen Tee für sich und Stefanie zu, die schweigend am Tisch Platz genommen hatte.

Er kam mit dem fertigen Kräutertee an den Tisch und stellte eine Tasse vor seine Frau, dann nahm er gegenüber Platz. Er sah sie eine Weile an. Darian wollte Stefanie als gute Freundin weiterhin behalten, doch wusste er genau, dass er dies nicht von ihr erwarten konnte. Ihm wurde klar, dass er sie von Anfang an nicht genug geliebt hatte. Tief atmete er durch und umklammerte den heißen Becher so lange, bis er es nicht mehr aushielt vor Hitze und endlich das Schweigen von sich aus brach. „Es tut mir leid, kannst du mir verzeihen?“, flüsterte er sehr leise und doch von ihr hörbar.

Stefanie sah auf. „Verzeihen?“ Sie schüttelte ihren blonden Haarschopf. „Warum?“

„Warum?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich hatte es doch erklärt.“

Sie schnaufte. „Stehst du auf Männer generell?“, fragte sie schrill. Ihre Nerven lagen blank.

„Ich weiß es nicht genau.“ Darian wusste es tatsächlich nicht. Er konnte es ihr nicht erklären, was er selbst nicht wirklich verstand. Warum er mit Jaden geschlafen hatte? Er in Jaden etwas anderes sah als in ihr, da hatte er eher eine Ahnung. Nur begriff er die Gefühle für seinen Bruder nicht. Manchmal glaubte er es zu wissen, hatte für sich eine plausible Erklärung, aber dann trat die Erziehung seiner Mutter in den Vordergrund, die ihn bis zu seinem 12. Lebensjahr geprägt hatte. Jaden war doch sein Bruder, verdammt.

Stefanie sah ihn ernst an, dann sprach sie das aus, was er befürchtete: „Ich will die Scheidung.“ Damit hatte er gerechnet, alles andere wäre nur noch eine Aufrechterhaltung einer Fassade gewesen, nur um dem Umfeld etwas vorzuspielen.

 

Stefanie hatte so viel Anstand besessen, keinem davon zu erzählen. Nicht mal seinem Vater oder Jadens Mutter. Sie fand, dass es nicht mehr ihr Kampf war und er genug bestraft war mit dem Wissen, dass er falsch gehandelt hatte. Sie tröstete sich rasch und lernte bald einen anderen Mann kennen und lieben ... das Scheidungsjahr wurde parallel eingereicht. Darian legte keinerlei Einwände ein. Seine Freunde, die wenigen, die er noch hatte, seine Familie, sie alle verstanden ihn jedoch nicht. Er war jetzt der Böse und Stefanie die Verlassene. Man munkelte hinter seinem Rücken, dass eine andere Frau der Grund für ihre gescheiterte Beziehung wäre. Die Gerüchteküche brodelte.

Darian nahm kaum Notiz von seiner Umwelt, trank immer mehr über den Durst, als Stefanie bereits schon ausgezogen war und zu ihrer neuen Beziehung zog. Was hätte er leugnen sollen, was er selbst nicht mehr verstecken konnte und auch wollte. Die Liebe zu seinem Bruder – sie kam zum Vorschein und er wünschte sich die Zeit zurück, in der er in seiner Nähe war.

„Wo bist du?“

 

 

 

©Randy D. Avies 2012



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Veri
2015-08-26T14:52:57+00:00 26.08.2015 16:52
Elskskalspfäxäfäfüfndvahaoelymyxbg 😭😭😭😭😭😭😭😭😭😭
So traurig obwohl ich weiß, das er selbst schuld ist :(
Antwort von:  randydavies
27.08.2015 04:18
Manchmal hat man dann doch Mittleid. Obwohl er ja an allem Schuld ist ...


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