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☾ Mikadzuki-ko

Fortsetzung zu "☾ Mikadzuki"
von

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Retter und Helden

Es war eine seltsame Mischung aus Tatendrang und Traurigkeit, die Kagomes Brust erfüllte, als sie zwei Tage später auf der obersten Stufe der Schreintreppe stehen blieb.
 

Es war eine wunderschöne Zeit hier gewesen, aber sie wusste auch ganz genau, dass sie nicht länger bleiben konnten.

Kôheis Zugeständnis hin oder her, sie hatte schon gestern Abend die wachsende Unruhe des Ookami bemerkt und dessen Erleichterung, als sie ihm mitteilte, dass sie heute wieder aufbrechen würden. Kôhei hatte keineswegs Angst vor seinem Schwiegervater, aber er respektierte diesen deutlich und hasste es, dessen Aufforderungen zuwider zu handeln.
 

Kagome strich ihren Kimono glatt, als sie sich umdrehte, die Versammelten ansah.

Während InuYasha, Kikyô, Kôhei und Hotaru hinter ihr standen, waren Souta und die anderen auf dem Schreingelände geblieben. Auch Hitomi war gekommen, stand neben Souta und winkte jetzt ebenso wie die anderen.
 

Der Abschied war nicht leicht für Kagome, aber auf der anderen Seite wollte sie auch zurück unter den Bannkreis, in das Leben, in dem sie sich nicht gegenüber dem Großteil der Bevölkerung verstellen musste. Und sie fühlte sich für Sayuri verantwortlich, zumal diese Mission hier ihre Idee gewesen war – gut, ihre und InuYashas zugleich.

Außerdem war da ein ungutes Gefühl, dass sie zurückzog, eine unbestimmte Sorge, auch wenn sie nicht wusste um wen und warum.
 

Mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen, winkte Kagome zurück. „Lebt wohl, meine Lieben!“, rief sie noch, dann begann sie die Stufen hinab zu steigen, nicht schnell wie auf dem Hinweg, sondern langsam, ganz als wollten ihre Füße sich jede Unebenheit in dem jahrhundertealten Stein noch einmal einprägen.
 

Die anderen folgten, schweigend aus Respekt, selbst Hotaru.

Bis Nemuro waren es wieder drei Tage Weg, sie hatten genug Zeit, das Erlebte Revue passieren zu lassen und die Erinnerungen fest in ihren Herzen aufzubewahren. Für immer.
 

~*~
 

In all den Tagen der Abwesenheit sowohl InuYashas, als auch Kôheis, war es an Tián hängen geblieben, die kleinen Ausflüge der ‚Schulklasse‘ zu begleiten.

Heute aber war Sayuris erster ‚Schultag‘ und daher blieb die Gruppe heute im Unterrichtsraum.
 

Tián nutzte die Zeit, um am Strand etwas frische Luft zu schnappen. Die Brandung spülte über seine bloßen Füße, als er schließlich stehen blieb und Richtung Horizont blickte.

Irgendwo in dieser Richtung lagen die letzten Ausläufer von Hokkaido und weit dahinter die chinesische Küste.
 

Geboren im Süden Japans, wo einst die Komori ein ähnliches Fürstentum bildeten, wie es die acht großen Völker heute auf den Bannkreis-Inseln taten, vertrieben von einem der bösartigsten und herrschsüchtigsten Komori, die es je gegeben hatte, war China lange Zeit seine Heimat gewesen.

Bis ein Mordauftrag ihn zurück nach Japan führte – und in das Leben, das er heute führte.
 

Ein melancholisches Lächeln zeichnete sich auf den Lippen des dunkelhaarigen Yôkai ab, als er plötzlich die Schultern anspannte, beinahe herumgefahren wäre. Im letzten Moment beherrschte er sich, drehte sich langsamer um, blickte die beiden Grenzgänger an, die den Strand entlang kamen.

Einer wischte mit einem einfachen Tuch gerade Blut von seiner Schwertklinge, Blut das für eine einfache Verwundung bei einem Dämon viel zu reichlich war.
 

Wen hatten die beiden erwischt?

Einen Oni? Dessen Blut wäre schwarz.

Einen Taijiya? Durften sie gar nicht.
 

Misstrauisch stellte er sich den beiden in den Weg.
 

Beide Grenzgänger, ein Kitsune und ein Hebi, wie Tián schnell identifizierte, verharrten und nickten grüßend.

Sie alle wussten, dass dieser Komori unter dem Schutz des gesamten Inuclans stand und somit zu respektieren war. Kaum einer wusste allerdings einzuschätzen, bis zu welchem Grade Tián sich seinen Respekt auch selbst verdienen konnte. Früher hätte er das nicht gekonnt, was aber weniger an ihm, als an einer Eigenheit seiner Familie lag – jener Familie, die in China zurückgeblieben war, als er sich einst von ihnen lossagte.
 

„Mit wem oder was seid ihr denn zusammengestoßen?“, wollte Tián auch nur wissen.
 

Beide Grenzgänger musterten ihn kurz, ehe der Hebi salopp erwiderte: „Einen Eindringling, jung, männlich, kurzse, fast farblossse Haare. Trug einen ssseltsamen, engen Haori.“
 

Tián runzelte die Stirn. „Trug?“, betonte er die Vergangenheitsform in den Worten seines Gesprächspartners.
 

Die gespaltene Zunge des Hebi war kurz zu sehen, als der antwortete: „Hai, Tián-ssssan. Der machtsss nichts mehr lange. Dabei haben wir ihn nur leicht verwundet, wie es unsssere Befehle sssind: Verjagen nicht töten. Aber der…“
 

Ebenso misstrauisch wie aufmerksam versuchte Tián sich einen Reim auf die Erzählung des Grenzgängers zu machen.

So entging ihm auch nicht, dass an der Klinge des Einen etwas hängen geblieben war, das durch Wischen nicht abging. Gerade zupfte der Kitsune den hellgrauen, lederartigen Fetzen von dem Metall und steckte sein Katana weg. Und in diesem Moment wurde aus der weit hergeholten, dumpfen Ahnung Gewissheit.
 

Zwei mehr als verwirrte Grenzgänger zurücklassend, stürzte Tián an den beiden vorbei.

Einer der beiden tierischen Füchse blaffte ihm hinterher, aber Tián kümmerte sich nicht darum.

Er wusste, was dieser Fetzen war. Das gleiche Material, mit dem das Heft seines Aikuchi umwickelt war: Flügelhaut eines Komori. Und außer ihm sollte es hier keine Komori geben – seine Tochter als Dreiviertel-Dämonin einmal ausgenommen. Es blieb nur eine Möglichkeit: Wen die beiden Grenzgänger aufgerieben hatten, musste ein Biānfú sein – ein Festland-Komori. Und deren Schwäche kannte Tián nur zu gut. Er hatte sie einst am eigenen Leib erfahren. Fand er seinen Artgenossen nicht schnell genug, wäre selbst die einfachste Verletzung sein Todesurteil.
 

~*~
 

„Sag mal, Teshi, wolltest du mich nicht an etwas erinnern?“
 

Die Stimme seiner Mutter ließ den Hanyô innehalten.

Etwas verwirrt drehte er sich um, blickte die Sprecherin an, seine Wolfsohren – die sich von den Hundeohren InuYashas nur durch eine etwas abgerundetere Spitze unterschieden – zuckten.
 

Rin war mit vor der Brust verschränkten Armen mitten auf dem Gang stehen geblieben.

Obwohl der Weg über die Flure vom Familienflügel zum Verwaltungstrakt, in dem auch das Schulzimmer lag, nicht besonders lang und auch Teshi längst bekannt war, ließ Rin es sich selten nehmen, ihren Sohn persönlich zum Unterricht zu bringen. Also warum jetzt die Unterbrechung?
 

Da fiel es Teshi plötzlich ein und ein etwas beschämtes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. „Das hab‘ ich doch glatt vergessen…“, murmelte er in sich hinein.
 

Rin schüttelte amüsiert den Kopf. „Na so was. Da vergisst du, dass deine neue Freundin heute ihren ersten Schultag hat. Schäm‘ dich, Teshi“, schalt sie ihn liebevoll.
 

„Tu‘ ich ja schon…“, murrte der Wolfshalbdämon vor sich hin, ehe er an die Tür trat, neben der Rin bezeichnenderweise stehen geblieben war.

Doch gerade als er die Hand zum Klopfen heben wollte, hielt er inne. „Warte mal, Okaa-san… ich glaube sie ist nicht allein. Das ist… die Schneiderin, glaube ich.“
 

Rin dachte kurz nach, dann nickte sie. „Dann wird Sayuris Kimono endlich fertig sein. – Na geh‘ schon, Teshi, lass die anderen nicht warten. Aber sag‘ ihnen, dass Sayuri gleich kommt, nicht dass sie sich Sorgen machen.“
 

Teshi nickte eifrig und flitzte dann los.
 

Kaum war er weg, betrat Rin das Gemach, wenn auch ohne anzuklopfen. Die Schneiderin war eine Hundedämonin, sie hatte die Anwesenheit Rins und Teshis vor der Tür sicher längst gewittert – und vermutlich auch das Gespräch mitgehört.

Sayuri dagegen wirbelte bloß nicht herum, weil sie Assistentin der Schneiderin sie geistesgegenwärtig festhielt. Sonst wäre das kleine Messer der Schneiderin, mit dem sie einen Faden hatte abtrennen wollen, sicher in den Saum gefahren, wenn es nicht gar Sayuri verletzt hätte.
 

„Heya, Sayuri, immer mit der Ruhe“, beruhigte Rin schmunzelnd und kam näher.
 

Sayuri drehte ihr den Kopf zu. „Ach du bist es…“
 

„Hast du mich etwa nicht gewittert?“, wollte Rin wissen, die ja mitbekommen hatte, dass Sayuri sich langsam ihres Geruchssinnes bewusst wurde.
 

Sayuri senkte etwas den Blick. „Doch schon… ich hab‘ gerochen, dass da jemand kommt, den ich kenne. Aber wer von euch…“ Sie schien nahe dran, aufzuschluchzen.

So wenig weinerlich sich Sayuri bei kleineren Verletzungen oder Anstrengung zeigte, so nah‘ am Wasser gebaut war sie manchmal, wenn sie glaubte, etwas falsch gemacht zu haben.
 

„Schon gut, Sayuri. Das kommt noch, glaube es mir… Teshi und Saika haben auch eine ganze Weile gebraucht…“, tröstete Rin und tätschelte Sayuri behutsam die Wange.
 

Zaghaft lächelte Sayuri. „Dann ist ja gut…“, murmelte sie beruhigt und stand jetzt still, während die Schneiderin die letzten Kleinigkeiten prüfte, ob der Sitz des Kimono so war, wie geplant.
 

Auch wenn die Kimono der Kinder noch nicht aus der teuren und schwer zu bearbeitenden Dämonenseide gefertigt wurden, so war auch jeder normale Kimono eine Kapitalanlage und musste sorgfältig gearbeitet sein.

Aber die blonde Hundedämonin schien zufrieden, als sie sich aufrichtete, ihre eigene Kleidung glattstrich und ihrer Assistentin winkte, Sayuri loszulassen.
 

Sofort stellte das Mädchen sich bequemer und weniger steif hin, sichtlich froh, ihre Haltung so wählen zu können, wie sie wollte.
 

Rin lächelte leicht, ehe sie den kleinen Gast der Familie betrachtete.

Sie selbst hatte ja den Stoff ausgesucht, aber erst jetzt konnte sie beurteilen, ob das fertige Kleidungsstück zu Sayuri passte. Innerlich nickte Rin zufrieden. Ja, das sah hübsch aus. Weich cremefarbener Stoff mit unzähligen, roséfarbenen Blütenranken, dazu ein hellblauer Obi mit der gleichen Musterung.

„Gefällt es dir?“, wollte Rin sacht wissen.

Zu ihrer Erleichterung nickte Sayuri eifrig.

„Sehr schön. – Bist du bereit für deinen ersten Schultag?“ Betont erwartungsvoll blickte Rin Sayuri an, woraufhin die erneut emsig nickte. Die grünen Augen des Mädchens strahlten. „Sehr schön!“, wiederholte Rin und erhob sich aus dem Knien, streckte Sayuri die Hand hin. Begeistert griff Sayuri zu und als sie das Gemach verließen, schlugen sie zum ersten Mal den Weg Richtung Verwaltungstrakt ein.

Sayuris erster Schultag hatte begonnen.
 

~*~
 

Tián wusste nicht genau, was ihn ausgerechnet zu der Felsgruppe trieb, die er gerade ansteuerte, aber als er die ersten Steinbrocken überwand, erkannte er, dass sein Instinkt ihn nicht getrogen hatte.
 

Dort lag eine Gestalt, die ledrigen Schwingen, die um den Verletzten herum ausgebreitet waren, zeigten ihm auch, dass seine Ahnung nur zu richtig gewesen. Stöhnend vor Schmerz wand der Liegende sich hin und her, schien kaum mehr bei Bewusstsein.

Auf den ersten Blick erkannte Tián die tiefe Schnittwunde am Flügelsaum, aus der unaufhaltsam Blut quoll, tiefrot und dickflüssig.

Das Salz in der Meeresluft hatte die Wundränder bereits verhärten lassen, aber heilen tat die Wunde deswegen noch lange nicht. Tián wusste ganz genau, dass sein unfreiwilliges Bad im Meer damals, ihm das Leben gerettet hatte.

Sonst wäre er sicher verblutet, ehe Shiori damals durch Zufall jemanden mitbringen konnte, der ihn retten konnte. Shiori…
 

Er zwang seine Gedanken wieder in die Gegenwart zurück.

Kagome war gerade eindeutig nicht in Reichweite, also musste er, Tián, alles tun, um den armen Kerl zu retten.

Die Frage, was ein Festlanddämon auf den Bannkreisinseln suchte – und wie er überhaupt hier hinein gekommen war – verschob er auf später.
 

Stattdessen schlidderte er mit angewinkelten Beinen die Felskante hinunter und hockte sich neben dem Verletzten hin.
 

Die Züge desjenigen waren bereits eingefallen, obwohl die Verwundung nur Minuten her sein konnte, selbst sein Stöhnen wurde immer schwächer.

Und gleichzeitig spürte Tián eine zunehmende Spannung von dem geschwächten Körper ausgehen und er ahnte auch, um was es sich dabei handelte. Der Liegende war an der Grenze zum Kontrollverlust, das erkannte er auch an den leuchtend roten Augen, die sich ihm abermals zuwandten, als der Verletzte sich herumwarf.

So in etwa musste Shiori ihn damals auch kennengelernt haben.
 

Doch im gleichen Moment fuhr es ihm wie ein Messer ins Herz.

Diese Gesichtszüge kamen ihm noch aus einem ganz anderen Grund sehr bekannt vor. Genau genommen erkannte er das Gesicht, erkannte den vor ihm liegenden Dämon. Unwillkürlich lag ein Keuchen in Tiáns Stimme, als er einen jener Namen aussprach, die er seit Jahrhunderten nicht mehr in den Mund genommen hatte: „Hayato…!“
 

Die Antwort war ein Zucken und ein ersticktes Husten, als sich das Rot in den Augen seines Gegenübers kurz klärte und der Verletzte den Kopf zu heben versuchte, was ihm aber nicht gelang. Dennoch glitt kurz Erkennen durch nachtschwarze Iriden, ehe in ihnen wieder dämonisch rotes Feuer brannte.
 

Tián fasste einen Entschluss. Er hatte indirekt schon einen Cousin und eine Cousine auf dem Gewissen. Er wollte nicht auch noch für den Tod eines weiteren, alten Vertrauten verantwortlich sein, nur weil er nicht in der Lage war zu helfen. Egal wie und warum Hayato – oder Yuen, wie sein chinesischer Name lautete – hierher gekommen war, er würde ihn retten.

Kurz entschlossen streifte Tián seinen linken Ärmel zurück und setzte die Klauen der rechten Hand am linken Unterarm an, an der Innenseite wo die Haut weicher war und man obendrein eine Narbe nicht so schnell sehen würde. Eigentlich reichten ihm die Narben am Rücken, die er von der Folter vor Jahren zurückbehalten hatte, vollauf, aber nur aus Eitelkeit würde er seinen Cousin sicherlich nicht verbluten lassen.

Hayato war sein Verwandter und Verwandte vermochten sich untereinander mit ihrem Blut zu heilen, wenn die Selbstheilungskräfte des Betroffenen nicht von sich aus stark genug waren.
 

Doch gerade als Tián die Klauen in seinem Fleisch versenken wollte, packten erstaunlich kräftige Finger sein Handgelenk und hielten ihn eisern zurück. „Ti-án! Bist du… bist du… verrückt ge-worden!?“, stieß der Verletzte mühsam hervor.
 

Tián bemühte sich um ein ebenso beruhigendes wie unbeugsames Lächeln, ehe er die Hand abschüttelte und mit einer ruckartigen Bewegung seine Haut aufriss. Kurz quoll ein Schwall Blut hervor, dann begann der Strom bereits wieder abzuebben. Mit der freien Hand fing Tián sein Blut auf und ließ es gezielt auf die Wunde seines Cousins fließen.
 

Der zuckte heftig zusammen, mit geweiteten Augen sah er zu, wie die Verletzung sich langsam aber sicher besserte.

Als Tiáns Wunde sich bereits wieder schloss, versiegte auch die Blutung an dem Riss in Hayatos Flügel. Kurz darauf schimmerte dessen Kontur und im nächsten Augenblick waren die Flügel verschwunden, anstatt dessen war da jetzt ein königsblauer Umhang, auf dem Hayato lag. Das Rot aus den Augen des Festlanddämons war gänzlich verschwunden, doch jetzt blinzelte er ungläubig, musterte den vor ihm knienden, der gerade wieder den Ärmel über die fast verheilte Stelle gleiten ließ und Anstalten machte, aufzustehen.

Ehe er das aber tun konnte, schlossen sich erneut Finger um sein Handgelenk, hielten ihn zurück. Nach ein paar Augenblicken erklang eine noch heisere, schwache Stimme: „Ich habe es mir also doch nicht eingebildet. Du bist es wirklich… Tián, Biǎomèi…“
 

~*~
 

„Hotaru! Hotaru, komm her“, leise zitierte Kagome ihre Tochter zu sich, wohlwissend, dass die von ihrem mühsam ergatterten Sitzplatz nicht freiwillig aufstehen würde. Aber Hotaru konnte auch nicht wissen, dass das höflich wäre, vor heute war sie nie mit so etwas wie einem Bus gefahren und Kagome wunderte sich eher schon, dass Hotaru bisher durchgehalten hatte.
 

InuYasha und Kôhei begleiteten sie längst wieder auf dem Weg über die Dächer und vor ein paar Minuten hatte sich ihnen auch Kikyô angeschlossen.

Einzig Hotarus Magen schien das öffentliche Verkehrsmittel überhaupt nichts anhaben zu können. Erstaunlich.

Aber trotzdem sollte ihre Jüngste den Platz besser für eine ältere Dame freimachen.
 

Hotaru kam der Aufforderung ihrer Mutter nach und erntete dafür ein dankbares Lächeln der alten Frau.
 

Doch gerade als die sich hinsetzen wollte, drängelte sich ein schlaksiger, junger Mann vor, stieß die alte Dame beiseite und ließ sich selbst auf den frei gewordenen Platz fallen.
 

Es war nur Kagomes trainierten Reflexen zu verdanken, dass sie einen Schritt vortreten und den Fall der stolpernden Frau stoppen konnte, ehe die im vollen Bus das Gleichgewicht verlor.

Erschrocken keuchte die Alte auf.
 

„Hey, Sie! Sie sehen doch dass diese ältere Dame gehbehindert ist! Warum nehmen Sie ihr den Platz weg?“, wollte jemand von der Seite wissen.
 

Der junge Mann reagierte provozierende Sekunden lang gar nicht, dann pflückte er einen Ohrhörer aus seinem Ohr und blickte selbstzufrieden in die Runde. „Bitte was? – Ich bin auch behindert. Schwerhörig, wissen Sie?“

Damit steckte er den Hörer wieder ins Ohr und stellte sich für weitere Kommentare gänzlich taub. Scheinbar gelangweilt blickte er aus dem Fenster.
 

Kagome verdrehte die Augen, während sie weiterhin die ältere Dame stützte, die sich von ihrem Schock noch nicht so ganze erholt zu haben schien.

Dadurch bemerkte sie zu spät, dass Hotaru sich wieder von ihrer Seite gelöst hatte und entschieden die zwei Schritte bis zu ihrem ehemaligen Sitzplatz zurücklegte. Aufmerksamkeitsheischend zog sie den jungen Mann am Jackenzipfel, bis der sie entnervt ansah.
 

„Was willst du, Balg?“, wollte er unfreundlich wissen.
 

Hotaru, die durchaus mitbekommen hatte, dass die Dinger in seinen Ohren sein Hörvermögen deutlich einschränkten, fackelte nicht lange. Mit einer schnellen Bewegung hatte sie sich auf die Zehenspitze gestellt und ihm beide Ohrhörer aus den Ohren gezogen.

„Baa-san möchte da sitzen!“, stellte sie dann erst klar.
 

Entgeistert sah der junge Mann das kleine Mädchen an, ehe er breit zu grinsen begann. „Ich möchte hier auch sitzen, du Zwerg.“ Damit wollte er ihr das Kabel seiner Ohrhörer wieder aus der Hand nehmen, aber er hatte sichtlich nicht damit gerechnet, dass Hotaru es festhalten würde – und vor allem nicht, mit welcher Kraft. Die ruckartige Bewegung ließ sein Smartphone aus der Hosentasche rutschen und auf den Boden fallen, dabei löste sich der Stecker der Ohrhörer – und plötzlich dröhnte das Lied, dass er gehört hatte, quer durch den gesamten Bus.
 

Mehrere Mütter hielten ihren Kindern augenblicklich die Ohren zu, während einige Grüppchen jüngeren Semesters sich nur vielsagend angrinsten. Wieder andere schüttelten missbilligend den Kopf.

Der Liedtext war mehr als nur grob zu nennen.
 

Auch Kagome hätte ihre Tochter gerne davon abgehalten, weiter dem Text zu lauschen, aber in diesem Moment kam ihr der dämonische Blutanteil ihrer Tochter zu Hilfe.

Hotaru hielt sich nämlich schon von selbst die Ohren zu, weil es ihr schlicht und einfach zu laut war, was da aus dem seltsamen, kleinen Kasten plärrte. Dass sie dazu das Kabel freigab, bekam der junge Mann, der jetzt gar nicht mehr selbstgefällig wirkte, sondern mit hochrotem Kopf auf dem Boden nach seinem Gerät angelte, gar nicht mit.

Als er es endlich zu packen bekam, hielt der Bus gerade an der nächsten Haltestelle.
 

Kagome konnte kaum so schnell gucken, wie der junge Mann nach draußen verschwunden war.

Jetzt im Nachhinein konnte sie sich ein Schmunzeln dann doch nicht verkneifen. Behutsam löste sie eine Hand vom Oberarm der alten Dame und legte sie ihrer Tochter auf die Schulter.
 

Hotaru wirbelte herum, die Lippen zusammengepresst, als wollte sie ungehalten knurren, aber im letzten Augenblick beherrschte die Kleine sich, als sie merkte, dass es nur ihre Mutter war, die sie berührt hatte.
 

Mit einer kurzen Geste bedeutete Kagome ihr, dass sie die Hände herunternehmen konnte. Dann erst half sie der alten Dame, sich auf den endlich freigewordenen Platz zu setzen.

Diese schien sich inzwischen von ihrem Schreck erholt zu haben.

Während der Bus wieder anfuhr, wurde Kagome bewusst, dass sämtliche Blicke auf sie gerichtet waren – oder eher, auf ihre Tochter.
 

Hotaru hatte es jetzt auch bemerkt und lächelte glücklich. Die Aufmerksamkeit schien ihr zu gefallen.
 

Kagome grinste in sich hinein, als sie von jemandem in ihrer Nähe hörte: „Die Kleine ist eine richtige Heldin.“

Es war mit einem Augenzwinkern gemeint, das wusste Kagome, aber sie freute sich über die Anerkennung, die ihre Tochter so genoss.

Zuhause stieß sie mit ihrer forschen, ungebändigten Art manchmal auf Granit, weil das Hofprotokoll sie sehr einengte und sie deshalb in ihrer Freizeit gerne einmal übertrieb.

Kagome konnte sich durchaus vorstellen, dass Hotaru, sobald sie alt genug war, dem Beispiel ihrer älteren Geschwister folgen und hauptsächlich außerhalb des Bannkreises leben würde. Aber darüber mochte sie sich im Moment noch keine großartigen Gedanken machen.

Dennoch gönnte sie es Hotaru, sich in der Bewunderung sonnen zu können.
 

Die ältere Dame, die Hotaru eine Weile gemustert hatte, beugte sich jetzt vor, deutete lächelnd, ohne sich jedoch zu erheben, eine leichte Verbeugung an.
 

Hotaru erwiderte Lächeln und Verbeugung, ehe ihre Augen die Hand der Dame erfassten, die in deren Handtasche verschwunden war und nach etwas zu kramen schien.
 

Und das gefiel Kagome gar nicht. Vermutlich wollte die alte Dame ihre kleine Retterin mit einigen Süßigkeiten entlohnen, aber der intensive, weiße Zucker, der heutzutage verwendet wurde, wäre für Hotarus Geschmacksnerven ebenso zu viel wie das Currypulver am Abend des Ehemaligentreffens.

Mit einer Geste machte sie die Alte auf sich aufmerksam. „Gomen, aber lassen Sie nur. Sie tun meiner Tochter damit keinen Gefallen, sie dürfte es sowieso nicht essen. Der Zucker, Sie verstehen?“, mischte sie sich ein.

Vermutlich würde die alte Dame jetzt den Schluss ziehen, Hotaru sei Diabetikerin, aber das war Kagome im Moment egal. Hauptsache Hotaru bekam die Süßigkeiten erst gar nicht zu sehen.
 

Die ältere Dame hatte ihre Suche auch sofort aufgegeben und hob nun die Hand, um Hotaru leicht durch die Haare zu wuscheln. „Na dann… trotzdem danke ich dir vielmals, kleine Heldin. Ohne dich und deine Mutter hätte ich wohl stehen müssen – oder hätte mir sehr wehgetan.“
 

Kagome war mehr als erleichtert, als Hotaru sich nichts anmerken ließ und nur zurücklächelte.

Da hielt der Bus erneut. „Komm, Hotaru, hier müssen wir raus“
 

Als sie den Bus verließen, warteten die anderen drei bereits an der Haltestelle.

Sofort erfassten InuYashas Augen das strahlende Gesicht seiner jüngsten Tochter und mit fragendem Blick sah er seiner Gefährtin entgegen.
 

Kagome zuckte nur leicht mit den Schultern. „Deine Tochter hat sich gerade zu einer kleinen Heldin gemausert. – Wenn ich da an ein gewisses Feuer und ein gewisses in Gefahr geratenes Mädchen denke, dann muss sie das von dir haben, InuYasha“, schmunzelte sie.
 

Kikyô horchte auf. „Feuer? Kind in Gefahr? Die Geschichte habt ihr nie erzählt“, bemerkte sie.
 

„Nein? Gut, dann hole ich das jetzt nach. Kommt“, erwiderte Kagome nur und während die Gruppe ihren Weg brav auf dem Bürgersteig fortsetzte, erzählte Kagome Kôhei und ihren beiden Töchtern, wie es gekommen war, dass InuYasha im neuzeitlichen Tokio beinahe berühmt geworden wäre.

Und das alles nur, weil ein kleines Mädchen ihren hundeohrigen Retter gezeichnet hatte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Liegt wohl in der Familie, das Heldentum xD
Erinnert ihr euch an die Geschichte mit dem Feuer und dem Mädchen?

Im nächsten Kapitel macht dann mancher "Erste Schritte", sei es geplant oder ungeplant.

Wenn Google Übersetzer Recht hat, heißt "Biǎomèi"übrigens schlicht "Cousin" Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  nicoleherbster
2015-10-13T18:29:39+00:00 13.10.2015 20:29
schreib bitte weiter ich mag deine geschichten und würde es schade finden wenn sie nicht beendet wird

Von:  Avialle
2015-08-14T14:02:44+00:00 14.08.2015 16:02
Juhe, endlich ging es weiter!
Auch wenn es nicht aufschlussreicher wird -_-
Im Gegenteil, noch eine Maus die da rumliegt... Was es damit wohl auf sich hat? Und ich will endlich wissen, was mit Shiori ist. Klar, so wie alle an sie denken, weilt sie wohl nicht mehr unter den Lebenden, aber warum? Könntest du das mal aufklären und auch bei Kirara weiter machen? Und bei Shippo auch, wenn wir schon dabei sind
Zumindest macht unsere Gruppe außerhalb des Bannkreises 'Fortschritte'...
Ich bin ein schlimmer Leser, was?^^
Antwort von:  Mimiteh
14.08.2015 17:38
Eine geflederte Maus, um es genau genau zu nehmen, ja.
Ich verspreche dir, zwei der drei 'Baustellen' werden im Kommenden weitergeführt und dann auch aufgelöst.

Und, ganz ernsthaft, du bist alles, aber kein schlimmer Leser. Ich weiß wirklich nicht, wie ich dir je zurückgeben soll, was du mir durch deine Treue zu Mikadzuki gibst und sogar noch deine Kommentare auf Fanfiction rüberkopierst... das ist unglaublich und ich bin dir einfach nur dankbar dafür!
Antwort von:  Avialle
16.08.2015 19:57
Wie eine Maus wohl gefledert wird...? Macht das ne Maschine?
Welche zwei Baustellen denn? *gaaaarnicht neugierig ist*

Also für mich ist das ganz selbstverständlich *ganz rot*
Von:  SUCy
2015-08-14T13:23:52+00:00 14.08.2015 15:23
Tian hat endlich wieder ein Familienmitglied gefunden schön :)
Und die Szene im Bus fand ich cool, hat sie ihm einen ordentlich Denkzettel verpasst. Gut das Inuyasha nicht mit drinnen saß XDDD
Bin aufs nächste Kapitel gespannt und was nun mit Kiara ist.
Antwort von:  Mimiteh
14.08.2015 17:40
Ob er das gerade so schön findet, bleibt abzuwarten...

Ich glaube, wäre Inu mit im Bus gewesen, dann hätte der Bus nicht mehr lange existiert^^ Dann hätte der 'schwerhörige' junge Mann wahrscheinlich eine Windnarbe um die Ohren gekriegt, die er nicht hätte überhören können xD

Die Antwort auf diese Frage wird recht bald geklärt, versprochen!


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