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Der Weg des Kriegers

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Anzu wechselt ihre ersten Worte, mit einem ihr völlig Fremden, in einer ihr völlig fremden Umgebung.

Kommentare und Kritik, bitte. :))

LG
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Das Auge des Horus

Das Auge des Horus
 

Pechschwarz.

Blickdicht und schwer drückte die Dunkelheit sie zu Boden. Sie lag schwer auf ihrem Körper und hinderte sie daran sich zu bewegen. Jede Bewegung ihres Körpers wurde sofort zurückgehalten und niedergedrückt. Die Luft entwich ihren Lungen, bis sie sich schmerzhaft zusammen zogen und sich anfühlten, als würden sie zerbersten.

Der Mangel an Sauerstoff führte bei ihr zu einem Hustenreflex, doch nicht einmal dem, konnte sie nachgeben.

Panik begann sich in ihr auszubreiten. Verzweifelt öffnete sie ihren Mund um nach Hilfe zu schreien, doch kein Ton drang aus ihrer Kehle.

Und dann begann der Traum von Neuem.

Sie fand sich in mitten einer Wüste wieder. Weit und breit war niemand zu sehen. Einsam lag sie auf dem Boden und der trockene Sand kitzelte ihre Glieder. Die Sonne brannte unbarmherzig auf sie hinab, saugte ihr die Lebenskraft aus dem Leib. Es war wie ein schlechter Scherz, als sie erkannte, dass ihr lebensspendendes Licht zugleich auch bluthungrig und grausam zu sein vermochte.

An dieser Stelle fanden sie zwei machthungrige Augen und sie spürte den Schmerz einer zuschlagenden Faust auf ihrem Gesicht.

Die Szene wechselte und sie erwachte auf heißem Stein. Sie lag auf ihrem Rücken und spürte, wie die heiße Oberfläche sich in das Fleisch ihres Rückens brannte.

Wiederholt, wurde ihr die Luft aus den Lungen gerissen, als brutale Tritte ihren Bauch traktierten. Wieder versuchte sie zu schreien, doch es war keine Luft übrig um diesem Vorhaben nachzugehen.

Eine Stimme in der Ferne schrie laut auf und der Schmerz verblasste.

Sie konnte nicht wachrufen, was geschrien war, doch sie erinnerte sich an diese Stimme. Etwas Reines lag in ihr, etwas, das ihr Hoffnung gegeben hatte. Ein Tumult rührte sich außerhalb ihres Wahrnehmungsbereiches und sie hörte wütende Stimmen, schreiend, flehend, letztlich sogar dankend.

Der letzte Teil ihres Traumes, war lediglich ein Gefühl von Sicherheit. Nachdem sie etliche Male aufgehoben und wieder abgelegt oder um positioniert geworden war, fand sie sich in einem Gefühl von Sicherheit wieder. Sie spürte, wie ihr jemand durch das Gesicht strich und der Geruch von Blut in ihrer Nase wurde getilgt. Hatte es jemand weggewischt?

Plötzlich, war dieses Gefühl vergangen und sie hörte ihren Körper aufschreien. Sie spürte, wie sie weggetragen wurde.

Und an dieser Stelle, begann es wieder von vorne.

Diesen Traum sah sie zum wiederholten Mal vor ihrem inneren Auge. Längst, hatte sie aufgehört mitzuzählen, doch sie konnte inzwischen jedes Detail vorausahnen. So verfiel sie nicht mehr in völlige Panik und Furcht, wenn sie sich alleine in der Wüste wiederfand und begann nicht mehr in Tränen auszubrechen, wenn sie geschlagen wurde.

Inzwischen wünschte sie sich nur noch, diesen Kreislauf zu durchbrechen und endlich voran zu schreiten, wo auch immer das hinführen mochte.

Konzentrier dich., befahl sie sich.

Ihr Zustand würde sich nicht verbessern können, wenn sie nicht versuchte ihn zu ändern. Entschlossen konzentrierte sie sich auf ihren Körper und versuchte ihm Signale zu senden, die er in Bewegungen umwandeln würde. All ihre Willenskraft fokussierte sich auf ihre Augenlider. Wenn sie es schaffen würde sie zu öffnen, konnte sie den Kreis durchbrechen und diesen Albtraum endlich hinter sich lassen.

Auf der Suche nach innerer Stärke, versuchte sie sich Erinnerungen wach zu rufen, die sie stark gemacht hatten.

Der Morgen, an dem sie aus dem Schoß der Familie entrissen wurde, weil sie ihren kleinen Bruder versteckt hatte. Die Hände der Männer, die sie gefangen genommen hatten und sie aus der liebevollen Umarmung ihrer Liebsten gezerrt hatten.

Sie hörte das Flüstern des verängstigten Jungen, der zu ihr hinauf blickte, während sie die Tür zu seinem Versteck schloss.

„Anzu! Komm mit mir.“

Sie wusste noch, wie sie sich schwören musste stark zu sein um nicht zurückzusehen. Wenn sie es getan hätte, wäre ihre ganze Familie verdammt gewesen.

So hatte sie sich abgewandt, sich ihrem Schicksal gestellt und die Stärke gefunden weiterzuleben.

Die erste Nacht auf dem Schiff, das sie ihrem Ziel näher bringen sollte.

Sie hörte das Weinen und Wimmern der Anderen und versuchte ihnen zu helfen. Doch sie waren verloren gewesen. Ihre Herzen hatten aufgegeben und die Hoffnung war aus ihren Blicken gewichen.

Sie schwor sich insgeheim, niemals so zu werden und erkannte, dass selbst wenn sie nicht mehr an Gnade und Hoffnung glauben konnte, sie immer noch an sich selbst zu glauben vermochte.

Anzu spürte wie ihre Augenlider zu zucken begannen.

Sie konnte sie nun ganz genau wahrnehmen. Sie ließ ihre Erinnerungen durch ihren Geist kreisen und schließlich, drang Licht auf ihre Netzhaut. Zunächst schwach, wurde es immer wieder verdunkelt, wenn sie blinzelte, doch zunehmend, schaffte sie es immer weiter zu öffnen und schließlich auch, es geöffnet zu halten.

Das einfallende Licht schmerzte und blitzartig, breitete sich dieser Schmerz aus. Er floss ihren Hals hinunter, rann durch ihre Venen, beschleunigte den Schlag ihres Herzens und kribbelte in ihren Zehen.

Und dann begann sie zu schreien. Ein markerschütternder Schrei fand, nach einer so langen Zeit der Zurückhaltung, den Weg über ihre Lippen. Den eigenen Laut in den Ohren, fuhr ihr Körper auf und ihre Augen nahmen ihre Umgebung wahr.

Es war ein großer Raum, mit einer verzierten Decke. Es sah aus, als stand auf ihr eine Art Geschichte geschrieben, denn sie erblickte, dass Zeichen des Horus direkt über sich. Das alles erblickende Auge des Lichtgottes.

Gerade wollte sie diese Schriftzüge weiterverfolgen, als ihr jemand den Mund zu hielt.

Verängstigt begann sie zu realisieren, dass sie nicht alleine in diesem Zimmer war.

„Bitte!“, zischte sie jemand von der Seite an.

Ihr Kopf fuhr herum und der Laut in ihrer Kehle erstarb, als sie ihre Augen auf die Person neben sich fallen ließ.

Feuer schlug ihr entgegen. Ein leidenschaftliches Feuer, das einem Schutz bot, wenn sich das Licht des Tages langsam zurückzog. Feuer, das Wärme in die kältesten Ecken ihrer Seele brannte.

Niemals im Leben, hatte sie solche Augen erblickt.

Verwirrt riss sie ihre Seelenfenster panikweit auf und brachte eine Hand auf Höhe ihres Mundes.

„Hey. Hey.“, flüsterte diese Stimme erneut und ihre Hand wurde sanft gepackt und zurück neben ihrem Körper zur Ruhe gebracht.

„Beruhigt Euch bitte.“

Dunkel und tief. Dieser Klang. Wie ein Erdbeben oder ein tosender Sandsturm, der über die Stadt hinweg grollte. Ein atemberaubendes Naturschauspiel.

Zu nah um den Rest ihres Besuchers auszumachen, begann sie zu Nicken.

Der Wunsch ihn vollständig zu sehen, riss an ihren Gedanken.

„Ich bin nicht hier, um Euch zu verletzen. Ihr seid sicher.“

Die Hand wich von ihrem Mund, strich vorsichtig ihre Wange und ihren Nacken entlang und kam auf ihrer Schulter zum liegen.

Den neuen Raum sofort ausnutzend, wich sie von dem Unbekannten zurück um ihm endlich ins Gesicht zu sehen.

Es war ein junger Mann. Ein freundliches Lächeln lag auf seiner reinen, braunen Haut. Seine Gesichtszüge maskulin und würdevoll, während sein wacher Blick, mit diesen brennenden Augen es schwer machten, sein Alter einzuschätzen. Lange goldene Strähnen vielen ihm ins Gesicht, wurden aber von goldenen Schmuck, den er auf seinen Haupt trug zurückgehalten. Sie rieb sich die Augen, als sie meinte auch noch rot und schwarz auf seinem Kopf schillern zu sehen.

Beim erblicken ihres Gegenübers, hielt sie den Atem an. Niemals zuvor hatte ihr jemand auf den ersten Blick so viel Ehrfurcht eingeflößt.

Beruhigend hob der junge Mann seinen rechten Arm, während der Linke auf ihrer Schulter verweilte.

„Bitte. Habt keine Angst.“, wiederholte er und schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln.

Nervös starrte sie in ihren Schoß, wo sie ihre Hände gefaltet hatte. Unschlüssig starrte sie sie an und schüttelte ruckartig ihren Kopf.

Sie hatte sich geschworen stark zu sein.

Warum also saß sie hier und war so verunsichert, wie auf dem Podest des Sklavenmarktes? Tief durchatmend, beruhigte sie ihre Atmung und ihren Herzschlag.

„Ich… ich habe keine Angst.“

Beim Sprechen dieser Worte, zog sich ihr Bauch vor Schmerz zusammen, hinderte sie daran, ihn in einem Stück herauszubringen.

Ein erleichtertes Seufzen drang in ihre Ohren.

„Gut. Denn seid versichert, dass es nicht von Nöten ist.“

Die Hand von ihrer Schulter verschwand und die Person neben ihr regte sich. Der junge Mann hatte auf seinen Knien vor ihrem Lager gesessen, nun zog er sich zurück und setzte sich auf einen Hocker nicht weit hinter ihm.

Offensichtlich war er aufgesprungen, als sie angefangen hatte zu schreien.

Mutig glitten ihre Augen aus ihrem Schoß hinweg und versuchten ihre Umgebung nun vollständig wahrzunehmen. Das Lager auf dem sie lag, war vielmehr ein gewaltiges Bett, das mit glänzenden Stoffen bezogen war. Durch die geöffneten Fenster, drang der Klang von geschäftigen Treiben. Sie hörte Menschen miteinander reden und nacheinander rufen.

Neben der ausladenden Tür befand sich eine Unterlage, auf der sie Schreibutensilien erkennen konnte.

So fasziniert sie auch von diesem Ort war, Anzu kam nicht umhin sich zu wundern, wie sie hierher gelangt war.

„Wo bin ich?“, fragte sie, während ihr Blick, die Tür zu einer Außenterrasse fand.

Es kam keine Antwort. Stillschweigen füllte den Raum, bis sie es schließlich nicht mehr aushielt und sich wieder der einzigen anderen Person in diesem Raum zuwandte.

Der junge Mann schien vollkommen abgelenkt. Er starrte wie besessen in ihr Gesicht. Erschrocken verfärbten sich ihre Wangen rot und sie schnippte einmal mit ihren Fingern vor seinem Gesicht.

„Hallo?“, rief sie dabei laut.

Der gewünschte Effekt ließ nicht lange auf sich warten, denn sofort fanden seine Augen die ihren und er lächelte entschuldigend.

„Verzeiht.“, sprach er höflich, doch sein Gesicht verblieb entspannt und beherrscht. Sie hatte ihn nicht einmal aus der Ruhe gebracht. Als wäre sein Geist wie Wasser, das sich allen Gegebenheiten anpassen konnte.

Ohne auf ihre Frage einzugehen, kam ihm der nächste Satz über die Lippen.

„Erinnert Ihr Euch an das Geschehende?“

Anzu zog eine Augenbraue auf ihrer Stirn nach oben.

Verwirrt fasste sie sich an ihren Kopf. Die Ereignisse an diesem Tag überschlugen sich förmlich in ihrem Inneren.

„Ich wurde getreten.“, sagte sie und schluckte, als ihr bewusste wurde, was ihr Traum zu bedeuten hatte.

„Danach verblasst die Erinnerung.“

Ihre Hände hatten damit begonnen, nervös, die Laken zu nässeln.

Schwungvoll, dennoch nicht plötzlich, erhob sich der junge Mann und drehte ihr den Rücken zu, einen langen, roten Umhang hinter sich herziehend.

Für einen kurzen Moment, glaubte sie ein bekanntes Zeichen auf dem Goldschmuck seines Hauptes zu erblicken, doch sie ließ von diesem Gedanken ab. Es gab jetzt wichtigere Fragen, auf die sie eine Antwort benötigte.

Sie wollte ihren Mund öffnen, doch die Worte erstarben als er begann sich durch den Raum zu bewegen. Die Arme verschränkte er hoheitsvoll hinter seinem Rücken, während seine langen Beine ihn durch das Zimmer trugen.

Während er sich bewegte, konnte sie ein ums andere Mal einen Blick auf seine Miene erhaschen. Er blickte mitfühlend drein.

„Ihr seid bei einer Auseinandersetzung ziemlich ernstzunehmend verletzt worden.“, erklärte er und fand sich an ihrer Seite wieder.

„Ich weiß.“, erwiderte sie trocken und hielt sich dabei ihre schmerzenden Rippen. Mit jedem Moment, den sie saß, nahmen die Schmerzen zu. Doch Anzu weigerte sich eine Miene zu verziehen. Immerhin wusste sie nicht, was mit ihr geschehen würde.

„Eure Wunden sind versorgt worden, doch Ihr habt uns Sorgen bereitet. Die letzten drei Tage, wart Ihr nicht ansprechbar.“

Obwohl diese Nachricht sie erschütterte, drei Tage, reagierte sie beherrscht. Zum Teil schrieb sie sich selbst diese Tatsache zu, da sie gelernt hatte ihre Emotionen im Griff zu behalten, doch teils klang diese Nachricht aus seinem Mund überhaupt nicht bedrohlich.

Sein Lächeln traf sie und zerrte an ihrer Beherrschung.

„Jetzt kann man Euch immerhin schon wieder in die Augen sehen.“, sagte er freundlich.

Das stimmte!

Anzu rief sich in Erinnerung, dass sie nicht in der Lage gewesen war ihr linkes Auge überhaupt zu öffnen.

Ihre Hände fanden den Weg in ihr Gesicht und verursachten dort ein dumpfes Pochen.

Entschlossen wurde ihre Hand davon weggerissen.

„Die Schwellung ist zurückgegangen, doch die Blutergüsse, sind noch präsent.“, mahnte sie der Unbekannte besorgt.

„Außerdem, ist Eure Lippe noch nicht verheilt. Ich rate davon ab, an ihr herumzuspielen, sonst könnte sie wieder einreißen.“

Hitze stieg in ihre Wangen. Sie fühlte sich wie ein Kind, dem man gerade eine Rüge gegeben hatte. Eifrig riss sie ihre Hand los und fauchte den Unbekannten an.

„Redet nicht mit mir, als wäre ich ein Kind!“

Sie schreckte unter dem bissigen Ton ihrer eigenen Stimme zusammen, doch ihr Gegenüber reagierte wiederholt ruhig.

Doch kam sie nicht umher, die schlagartige Veränderung in seinem Blick zu sehen.

Beschwichtigend hob er beide Hände.

„Ihr habt Recht, verzeiht.“, sagte er und ließ sich wieder auf den Hocker sinken.

„Ich wollte Euch nicht aufbringen. Sicher habt Ihr viele Fragen.“

Seine Stirn in Falten legend, ermutigte er sie dazu sie auszusprechen.

„Wie bin ich von dort weggekommen?“

„Ein Freund hat Euch gesehen und war tief von Eurem Handeln beeindruckt.“

Entsetzt riss sie die Augen auf. War sie zwar gerettet vor der Arbeit in einem Hurenhaus, begann sie sich zu fürchten, dass es doch rein gar nicht geändert hatte.

„Habt Ihr…?“, sie räusperte sie sich nervös, dann wurde ihre Stimme fest, sich auf die Antwort vorbereitend.

„Habt Ihr mich erworben?“

Die junge Frau hatte versucht, ihre Frage so rational wie möglich zu formulieren, doch der angewiderte Ton in ihrer Stimme, wollte partout nicht weichen.

Der junge, unbekannte Mann hielt in seiner Bewegung inne und musterte sie ausgiebig. Das Mitgefühl in seinem Blick nahm zu.

„Nein.“, flüsterte er und schüttelte, seine Aussage verstärkend, den Kopf.

Erleichtert atmete Anzu auf und bemerkte, dass sich ihre Hände über der Brust verschränkt hatten, wie um ihr Herz, im Falle einer Enttäuschung, zusammenzuhalten.

Sie leckte sich über die Lippen und gab einen überraschten Laut von sich, als sie die dicke Kruste berührte, die auf ihrer Unterlippe wuchs.

„Was ist mit den Männern geschehen?“, fragte sie nach einer Zeit des Schweigens. Wut ließ sie das Blut in ihren Ohren rauschen hören.

„Sie wurden… fortgebracht.“, kam die Antwort.

Seine roten Augen, sanken eine Sekunde lang von den ihren ab, zeigten ihr, dass er mehr wusste als er zugab.

Nicht nur er verfügte über diese wachen, forschenden Blicke.

Um ihn nicht zu erzürnen, bevor ihre anderen Fragen beantwortet wurden, nickte sie nur verstehend. Er verfolgte eine Strategie, indem er ihr diese Information vorenthielt. Was versuchte er vor ihr zu verstecken?

„Was geschah mit den anderen Frauen?“

„Sie wurden ebenfalls in Sicherheit gebracht.“

„Und der Junge?“

„In Sicherheit.“

Genervt seufzte sie laut auf, ließ ihren Kopf in den Nacken fallen.

„Ihr wollt mir diese Fragen überhaupt nicht beantworten.“, stellte sie fest.

Stille.

Das Mädchen hörte nichts, außer ihren regelmäßigen Atemzügen und denen ihres Besuchers. Das Zwitschern der Vögel war lauter geworden und sie kam nicht umhin sich zu fragen, wie spät es wohl sein mochte.

Ärgerlich atmete sie aus und in diesem Moment begann auch er wieder zu sprechen.

„Alles zu seiner Zeit.“, erklärte er ruhig und obwohl dies so ziemlich das Letzte war, was sie hätte hören wollen, fand sie doch eine unerklärliche Befriedigung in seinen Worten.

„Jetzt, solltet Ihr all Eure Kraft darauf konzentrieren, zu Kräften zu kommen.“

Sie starrten sich an.

Seine Augen schienen tiefer in sie zu sehen, als sie es lieb hatte, während ihre eigenen Blicke an seiner Oberfläche abzuprallen schienen. Niemals zuvor hatte sie so intensive Augen gesehen. Es war, als wären sie komplett in sie eingedrungen, auf der Suche nach ihren Gefühlen. Doch hielten sie sich fern, von jenen, die nur sie etwas angingen. Als wüsste er genau, wo die Grenze zu ziehen war.

„Wo bin ich?“, wiederholte sie ihre Frage von früher geistesabwesend. Das Mädchen hatte beinahe nicht bemerkt, wie diese Frage über ihren Mund gehuscht war.

Doch nach allem was sie erfahren, oder auch nicht erfahren hatte, musste sie es einfach wissen. Wie konnte sie sich Gedanken um ihr künftiges Handeln machen, wenn sie nicht einmal wusste, wo sie sich aufhielt.

„Das erfahrt Ihr früh genug.“

Erneut!

Er hatte keinen Wert darauf gelegt, ihre Frage zu beantworten aber dennoch fand sie sich zufriedengestellt und beruhigt wieder.

Eine Hand erhebend, streckte er sich ihr entgegen. Vorsichtig, darauf bedacht ihr nicht wehzutun, führte er eine Hand an ihre Wange und legte sie behutsam darauf. Der Schmerz blieb aus. Die Berührung war so hauchzart, dass sie eine Gänsehaut auf ihrem Hals hervorrief. Sein Daumen bewegte sich langsam auf und ab und Anzu hatte das Gefühl, dass ihr niemand etwas anhaben konnte.

Es war eine kleine, harmlose Bewegung, wie das Aufrollen einer Papyrusrolle. Eine simple Geste, die nichts anderes bekundete als Beistand.

Fasziniert fand sie sich gedankenverloren wieder.

„Wer seid Ihr?“, hauchte sie beinahe tonlos, doch sie wusste, dass er sie gehört hatte.

Das Lächeln auf seinen Lippen zog sich noch ein Stück weiter nach oben, doch antwortete er nicht sofort.

Als er seinen Mund öffnete, ahnte sie, dass sie auch auf diese Frage keine Antwort bekommen sollte.

Lautes Trampeln ließ ihn seinen Blick von ihr, auf die Tür richten und er zog seine Hand von ihr weg. Binnen eines Wimpernschlags, war er aufgesprungen und hatte sich herumgedreht, den Eindringling empfangend.

„Herr!“, rief jemand und klopfte heftig an die Tür.

Im Anschluss daran, wurde sie aufgerissen und Anzu fand sich in einem Zustand tiefster Verwirrung wieder. Vor ihr und ihrem unbekannten Besucher, stand jemand, der diesem zum erschüttern ähnlich sah.

Der junge Eindringling, war kleiner als ihr Besucher und seine Gesichtszüge unterschieden sich leicht, doch im Großen und Ganzen, war er ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.

Grundliegende Unterschiede erkannte man lediglich in seiner Stimme, die einem frischen Sommerwind glich und seinen Augen, die zwar eine ähnliche Farbe aufwiesen, aber friedlicher und ruhiger glänzten, als die seines Ebenbildes.

„Yuugi.“, grüßte ihr geheimnisvoller Besucher den Eindringling, während sie gänzlich überfordert ihre Blicke zwischen den Beiden hin und her gleiten ließ.

„Seto verlangt dich zu sehen. Er hat Erfolge erzielt.“, vermeldete der Bote.

Sein Blick entfernte sich von dem Mann, den er angesprochen hatte und blieb auf ihr haften.

„Ihr seid wach.“, nahm er fröhlich zur Kenntnis. „Das freut mich.“

Als die Antwort seines Gegenübers kam, war der Blickkontakt sofort unterbrochen.

„Das wurde aber auch Zeit.“, murmelte er leise und begann wieder auf und ab zu laufen.

„Wo erwartet er mich?“

„In dem Verließ, unterhalb des Palastes. Und er ersuchte dich um Eile.“

Mit einem Nicken gab der Angesprochene zu erkennen, dass er verstanden hatte und drehte sich ihr zu.

„Meine Anwesenheit wird verlangt.“, sprach er zu ihr und senkte seinen Kopf als Abschiedsgruß. Während er auf die Tür zu lief, starrte sie ihm hinterher.

Aus einem unbekannten Grund, breitete sich Unwohlsein in ihr aus.

Vor seinem kleineren Ebenbild kam er zum Stehen und legte ihm vor Verlassen des Zimmers, eine Hand auf die Schulter.

„Danke Yuugi.“, hörte sie ihn sagen. „Würdest du ihr Gesellschaft leisten, bis sie sich beruhigt hat?“

Ein Grinsen legte sich auf seine ruhigen Gesichtszüge, als der Gefragte mit einem Nicken bejahte.

Dann war der Fremde aus ihrem Zimmer verschwunden.

Zurück blieb sie mit gemischten Gefühlen.

Einerseits erleichtert, darüber, seinen forschenden Blick los zu sein, doch andererseits enttäuscht durch sein Verschwinden.

Der junge Mann, den er Yuugi genannt hatte, kam auf sie zu.

„Wie fühlt Ihr Euch?“, fragte er freundlich.

Seine Stimme, sie kam ihr so bekannt vor.

„Kenne ich Euch?“, fragte sie ihn gerade heraus. Sie war dieser Ratespielchen überdrüssig geworden und verlangte nun, mehr denn je, nach Antworten.

Scheinbar überrascht, legte der Mann namens Yuugi seine Stirn in Falten.

„Wie kommt Ihr darauf?“

„Eure Stimme. Ich kenne sie.“, erklärte sie sachlich. Sie kramte in ihren Erinnerungen. Doch das Einzige, was sie zu finden vermochte, war Schwärze.

Unsicher zuckte der junge Mann mit den Schultern, während er offensichtlich abwog, was er ihr sagen konnte.

„Sagen wir, ich war Zeuge Eures Auftritts auf dem Marktplatz und schwer beeindruckt von Euch.“

Langsam kam er auf das Bett zu und hielt ihr eine Hand entgegen. Freundlich lächelnd, sprach er weiter.

„Mein Name ist Yuugi Mouto.“

Unsicher ergriff sie seine Hand.

„Anzu.“, stellte sie sich vor, doch wenig später riss eine Flut aus Erinnerungen sie aus der Realität.

Ihr sprecht mit Yuugi Mouto, Beschützer der Krone und Großwesir des Pharaos., schallte es in ihrem Kopf wieder.

Und dann ergab alles einen Sinn.

Anzu erinnerte sich an das Geschehen um sie herum, während sie in die Dunkelheit driftete. Sie hörte diese Stimme, wie sie mit anderen stritt, hörte den Tumult um sich herum und vernahm schließlich den Befehl: Bringt sie in den Palast.

Entsetzten veranlasste sie dazu ihm ihre Hand zu entreißen. Ihre blauen Augen starrten ihn vor Schreck geweitet an.

„Ihr…!“, stieß sie aus. „Ihr seid der „Freund“ von dem er sprach!“

Verwirrt schüttelte ihr Gegenüber den Kopf und versuchte einen Schritt näher an sie heran zu treten. Für ihn musste ihr Verhalten übergeschnappt wirken.

„Bleibt fern von mir!“, zischte sie und zog sich in ihrem Bett zurück.

Der Eindringling blieb abrupt stehen und versuchte ihr in die Augen zu sehen, doch sie schüttelte seinen Blick ab. Sie hatte genug davon ruhig gehalten zu werden, besonders, wenn sie einen so schrecklichen Verdacht hatte.

„Ihr habt mich in den Palast bringen lassen?“, es klang mehr nach einer Feststellung, als nach einer Frage.

Kurz herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann kam endlich ein Wort über seine Lippen.

„Ja.“

Angespannt, rieb sie sich mit ihrer Hand über die Augen, die auf einmal so müde waren, als hätte sie seit Tagen keinen Schlaf gefunden. Verzweifelt fiel ihr Blick an die Decke.

Wie hatte das geschehen können? Warum wollten die Götter sie um jeden Preis leiden sehen?

Eine einzelne Träne fand den Weg aus ihren schmerzenden Augen.

Reichte es nicht, dass sie allem beraubt wurde, dass für sie wichtig gewesen war, dass sie auf ihrem qualvollen Weg gedemütigt und misshandelt worden war? Nun fand sie sich auch noch im Haus jenes Mannes wieder, den sie tiefer verabscheute als Alles, was ihr jemals in den Sinn gekommen wäre. In Gesellschaft seiner Schergen.

Ihr Augenmerk fiel erneut auf das Auge des Horus, dass sie zuvor dort ausgemacht hatte. Dieses Zeichen… sie kannte es.

Eine weitere Vermutung bahnte sich den Weg in ihren Kopf. Ein Gedanke, der ihr die Wärme aus den Gliedern sog und ihren Magen dazu brachte zu rebellieren. Ihre Hand presste sich auf ihren Mund.

Dasselbe Zeichen, war auf dem Goldschmuck ihres ersten Besuchers abgebildet gewesen.

Anzus Bauch zog sich zusammen und sie musste würgen.

Das Auge des Horus, war als Zeichen der Weisheit bekannt und seit jeher das Zeichen der Könige.

Yuugi trat einen Schritt auf sie zu, besorgt um ihren plötzlichen Zustand, doch sie schlug mit ihrer freien Hand nach ihm und schüttelte wild den Kopf.

Kräftig schluckend, stellte sie ihm eine Frage und der junge Großwesir ertappte sich dabei, zusammenzuschrecken über ihren heftigen Ausbruch.

„Wer war er?“, wollte sie simpel wissen, doch ihr Ton ließ ihn hellhörig werden.

Sie klang verängstigt, beinahe in die Ecke getrieben und völlig erschöpft.

„Wer war er?“, wiederholte sie lauter.

Der junge Mann musterte sie ausgiebig, bis er die Schultern sinken ließ und auf ihre Frage antwortete, sodass ihr der Boden unter den Füßen entrissen wurde.

„Der Pharao.“

Als sie seine Worte vernahm, begann sie ins Dunkle zurückzufallen. Ungläubig hielt sie sich ihren Kopf, aus Angst er würde zerspringen.

Es war, als wollten die Götter sie auf die Probe stellen, als wollten sie herausfinden, wie weit sie sie treiben könnten, bis sie ihren Verstand und ihren Willen zu leben verlor. Grausam, wenn man daran dachte, wie sie stets zu ihnen gebetet hatte sich ihrer anzunehmen. Ironisch, wenn man realisierte, dass sie ihren Bitten nachgekommen waren. Die Götter hatten sich ihrer angenommen, jedoch waren sie ihr nicht gnädig gewesen.

Der Schmerz dieser Gewissheit, betäubte ihre Sinne und das Letzte was sie wahrnahm, war die Stimme des jungen Mannes, wie er ihren Namen rief, bevor es ihr schwarz vor den Augen wurde.

Pechschwarz.

Blickdicht und schwer drückte die Dunkelheit sie zu Boden.



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