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Das Lied im Automaten

von

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Flüchtig

Der nächste Morgen erwartete sie mit einem freundlichem Lächeln. Sie hatten die Nacht zusammen in einem Zimmer verbracht, in einem freundlichen, warmen Raum mit zwei Betten, einem Tisch und zwei Stühlen. Dank der Vorhänge wurde das Morgenlicht etwas zurückgehalten, es nahm den leichten Grünton der nicht ganz dichten Stoffbehänge an. Alyne rieb sich müde die Augen. Sie gähnte im schwachen, einfallendem Licht. Dunkel erinnerte sie sich an den gestrigen Abend. Nachdem sie unter sich gewesen waren, waren sie todmüde in das Bett gefallen. Danach konnte sie nur noch Schwärze feststellen, die ihren Geist ummannt hatte.

Doch nun war die Sonne wieder am himmlischen Firmament und vertrieb diese Düsternis. Sie gähnte noch ein weiteres Mal. Streckend reckten sich ihre Arme gen Decke, während sie verschlafen aus dem Bett stieg. Es waren nur zwei Nächte vergangen, in der sie kein Bett unter sich gewusst hatte, aber irgendwie war es trotzdem wieder angenehm gewesen, etwas wirklich Weiches unter sich zu wissen. Sie betrat den Nebenraum, um ihre zerknitterte Schlafkluft gegen frische Wäsche zu tauschen.

Feliff schien, trotz ihres doch erheblichen Lärmes, nicht aufzuwachen. Er schlief, wortwörtlich, wie ein Stein. Auch seine Haltung war sehr zusammengekrümmt oder sich klein machend. Nur ab und zu hatte er lautstark in der Nacht seine Arme und Beine zur Seite gereckt, um sie gleich wieder zusammenzuklappen. Es war zwar schlafstörend, aber ulkig mitanzusehen. Wieso sie dies aber vorher nie bemerkt hatte, wusste sie nicht.

Vielleicht war sie in den letzten Nächten einfach zu müde gewesen. Sie gab sich mit dieser Erklärung zufrieden, während sie sich die Hose überstreifte. Sie streckte sich noch einmal ausgiebig, als sie zum Waschbecken schlurfte, welches sich ebenfalls in diesem Raum befand. Ein kalter Schwall Wasser belebte ihre müden Geister wieder. Auch ein Türklopfen im Hauptzimmer nebenan weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie wischte sich die Hände an einem Tuch ab, hörte dann aber Schritte, die zur Tür gingen und ein darauf folgendes Klicken. War er in so kurzer Zeit aufgestanden?

Sie hörte Stimmen, aber nur schwach. Sie öffnete die Tür und unterbrach dabei Feliff und Paterini, welche sich im Türrahmen unterhielten.

„Guten Morgen“, begrüßte der Dorfvorsteher sie. „Gut geschlafen?“

„Morgen.“ Sie konnte einen erneuten Genäher nicht unterdrücken. „Ja, ziemlich. Was ist los?“

„Der Dorfälteste und der Dorfberater wollen euch sehen. Macht euch fertig, dann begleite ich euch zu ihnen“, antwortete Paterini und winkte ihnen zum vorläufigen Abschied. Er schien noch etwas zu erledigen zu haben.

„Irgendwie schon komisch, oder?“, fragte Feliff, während er die Tür schloss.

„Hmm?“ Alyne ließ sich auf das Bett plumpsen. „Was denn?“

„Ich weiß nicht, aber ich finde es nicht so üblich, dass ein achtzehnjähriger Junge ein Dorfvorsteher ist.“

„Vielleicht ist es einfach nur ein anderer Rang, der so heißt“, antworte sie achselzuckend. Sie kümmerte das Thema sichtlich nicht viel.

Aber seine Stirn blieb in Falten gelegt, auch wenn er nun im Nebenraum verschwand, um sich umzuziehen. Sie dagegen ließ sich beinahe ganz sorglos rücklings auf das Bett fallen. Doch dann bildete sich auch eine Sorgesfalte auf ihrer Stirn. Wie kämen sie jetzt nach Efarnia, wo auch immer das liegen mochte? Und was würde sein, wenn sie dort wären? Was würde sie dort erwarten? Sie war wie immer einem Impuls gefolgt, der sie schon so oft geleitet hatte.

Dann entglitt ihr ein Seufzer. Es gäbe sowieso nichts, was man an der Situation noch ändern könnte. Ob es eine gute Entscheidung gewesen war, ließ sich nicht jetzt, sondern erst viel später klären. Vielleicht waren sie bis dahin auch um einiges schlauer als damals.

Dann kamen ihr die Erinnerungen an das Monster wieder.

Beißender Hass war das, woran sie sich noch sehr gut erinnerte. Als wäre es in ihr Gedächtnis eingebrannt gewesen, unlöslisch und mit einem bitteren Geschmack. Was war es, was das Tier trieb? Es schien ihr, als würde es nur aus einer Emotion bestehen. Und das konnte doch nicht sein, oder?

„Ich bin fertig.“ Feliff trat wieder in den Raum hinein und entwendete die düsteren Gedanken aus Alynes Händen. Schwungvoll stand sie wieder auf, ihre Schritte waren in Richtung Tür platziert. Sie öffnete die Tür und stieß beinahe mit Paterini zusammen, der gerade anklopfen wollte.

„Huch!“ Sie wich einen Schritt nach hinten, ebenso er. Dann breitete sich ein schwaches Lächeln auf seinem Gesicht aus.

„Können wir?“

Beide nickten, dann folgten sie dem Dorfvorsteher den Flur entlang. Wie sie bemerkte gingen sie in Richtung Eingang, der links von ihrem Zimmer lag. Sie bogen jedoch einmal vom Weg ab, also mussten der Dorfälteste und der Dorfberater in diesem Haus auf sie warten. Während sie so gingen, kam ihr auf einmal eine Frage in den Sinn. „Sag mal... Ist Paterini dein richtiger Name?“ Sie hatte sich ein wenig über den etwas sehr... niedlichen Klang seines Namens gewundert, doch trunken von der gestrigen Fröhlichkeit hatte es sie nicht weiter geschert. Nun wollte sie es aber doch wissen.

Er lachte kurz auf, ob es ein freudloses oder ein beschämtes war, wusste sie nicht ganz. „Nein, Paterini ist nicht mein richtiger Name. Zum Glück! Ich kann glücklicherweise sagen, dass ich noch einen wesentlich besseren Namen besitze.“

„Und der lautet?“ Nun war es Feliff, der gefragt hatte.

Ihr Wegführer warf einen kurzen Blick nach hinten. „Zuan, der Führende.“

Alyne nickte anerkennend. „In eurem Dorf hat jeder Name eine Bedeutung, nicht?“

„Bei euch etwa nicht?“, lachte er, ergänzte dann aber noch kurz darauf: „Ja, die Bedeutungen kommen vor allem durch die vielen Erzähler, die mit all ihren Geschichten kommen. Es ist eine wilde Ansammlung von Sprachen, aber es stört niemanden, dass zwei die Wilde heißen können, aber dennoch einen anderen Namen besitzen. Es ist ein gewisses Band und man muss sagen, die Dorfleute, mich eingeschlossen, lieben Bedeutungen hinter allem möglichen.“ Er grinste ihnen über die Schulter zu, ehe er seinen Blick wieder auf den durch viele Fenster beleuchteten Gang fokussierte. „Aber wenn man in so einem Alltag lebt, findet man alles einfach magisch.“ Er zuckte mit den Schultern. Damit schien das Thema für ihn beendet zu sein.

Sie gingen eine Weile schweigend weiter, während die Halbelfe sich mit der Aussicht beschäftigte, war der Reinblütige in tiefen Gedanken versunken. Und auch der einzige, 'richtige' Mensch unter ihnen ging seinen eigenen Gedanken nach. Ein Geräusch von einem Knöchel auf Holz ließ sie alle aufhorchen.

Vor ihnen stand auf einmal ein Herr, der schon etwas in die Jahre gekommen war. Ein mit weißen Fäden durchzogener Bart schmückte sein Kinn, seine längeren Haare waren in einem genauso schwarzweiß gestreifen Muster gefärbt. Auch er trug die hier übliche grobe Kleidung, aber seine wiesen noch ein paar schlichte Stickereien in unauffälligen Farben auf. Sein Gesicht sprach von vielen langen Jahren, seine wasserblauen Augen schienen mehr Jahre als ein ganzes Elfenleben gesehen zu haben. Und in diesen Augen stand nun leise Verwirrung, doch sein Ebenbild, was die Mimik anbelangt, schien genauso überrascht zu sein.

Feliff spürte Anzeichen von Magie, die durch einen Körper strömte. Stark war sie nicht, aber dennoch ausreichend. Mehr als Alyne, weniger als Inkalak. Magie. Er warf einen kritischen Blick auf den Mann, der ihn ebenso musterte. Ein undefinierbarer Ausdruck lag auf seinem Gesicht, welches von grauen Strähnen umrahmt wurde. Seine Haare verdeckten die offensichtlichsten, äußerlichen Anzeichen für elfisches Blut.

„Wer sind Sie?“, fragte Feliff schließlich schluckend. Den beiden anderen Anwesenden war kein Wort über die Lippen gekommen, während die beiden sich gemustert hatten. Ratlos schwiegen sie mit ihnen, aber ohne so recht zu wissen, was los war.

„Ich bin der Dorfälteste von Forunier. Und du?“ Eine Augenbraue des Dorfältesten zog sich in die Höhe. Feliff räusperte sich ohne erkenntlichen Grund, ehe er antwortete.

„Feliff, mein Name.“ Er holte tief Luft, eine Entscheidung treffend, da das Versteckspiel keinen weiteren Sinn mehr machte. „Ich bitte Sie und auch dich, Zuan, die nachfolgende Information nicht weiterzugeben.“ Er sah beide eindringlich an, einer nickte fragend, aber energisch, der andere mit Bedacht, aber doch klar. „Ich bin, wie Sie vielleicht schon bemerkt haben“, er wandte seinen Blick zu dem Dorfältesten, „ein reinblütiger Elf.“ Wie zur Demonstration strich er sich die wenigen Strähnen längeres Haar, welche über seine nun spitz zulaufenden Ohren lagen, nach hinten.

Ein überraschtes Luftholen ließ sich von Zuan vernehmen, ein Verstehendes vom Dorfältesten. „Und was machen Sie hier, Feliff?“

„Ich finde eher, die Frage sollte an Sie gerichtet sein.“ Sie schienen die fassungslosen Blicke seitens des Dorfvorstehers nicht zu beachten, welcher von dieser Information sichtlich überrascht war. Er hatte angenommen, Menschen wie ihn aufgenommen zu haben. Und nun sollte einer von ihnen einer von diesen... Elfen sein? Und wieso noch reinblütig? War das etwas Besonderes, das es zu erwähnen sich lohnte? Er verstand es nicht.

„Ich weiß nicht. Ich gebe meine Daten nicht gerne preis. Paterini“, richtete der Dorfälteste seine Aufmerksamkeit abrupt auf Zuan um, „ich und Feliff gehen schon einmal zu Chael vor. Bitte komm später dann mit der jungen Dame nach, einverstanden?“

Dieser nickte immer noch etwas verwirrt, während er den beiden um eine Ecke biegenden Gestalten nachsah. Dann fasste er endlich wieder Worte, als er Alynes unruhige Bewegungen aus dem Augenwinkel wahrnahm. „Wusstest du davon?“

„Ähm... ja...“ Sie fragte sich, ob sie ihm offenbaren sollte, was sie war. Es war wohl besser. „Hör mal... ich bin selbst eine Halbelfe.“

Ein resignierter Blick traf sie, der jedoch Erleichterung versprach. „Zum Glück!“, stieß er dann etwas zu emotional aus. „Ich hatte schon befürchtet noch einen dieser... reinblütigen Elfen hier zu haben.“ Er wischte sich theatralisch über die Stirn. „Aber das scheint ja nicht so zu sein.“

Sie nickte, unsicher, ob sie ihre elfische oder menschlische Seite an die Oberfläche lassen sollte.
 

Wütende Schritte hallten im leeren Saal wieder. Aufgebrachte Worte schnappten in der Luft nach jemanden, der sie ernst nahm. Ein aufgeregtes Gesicht schritt vor zwei Elfen nieder, deren Position höher nicht sein konnte und ein Elf, dern sich zurückhielt, legte seine Stirn in Falten.

„Wie... Wie konntet ihr?“
 

Die Audienz, wie Alyne das Treffen inzwischen nannte, war eine Qual gewesen. Es gab nichts, worüber sie nicht ausgefragt wurden und nur eine Frage, auf die sie wirklich antworten konnten. Es war zwar alles unter Geheimhaltung gelaufen, an die sie auch glaubte, aber diese Nervosität, die sie verspürt hatte, war mehr als unangenehm gewesen. So war sie mehr als froh wieder in die Behaglichkeit des kleinen Zimmers zurückzukehren, in welches sie Zuflucht gesucht hatten. Feliff hatte sich nachdenklich in den Nebenraum verbarikadiert, ab und zu hörte sie leise Fluchgeräusche. Sie seufzte.

Vielleicht würde ein kleiner Spaziergang ihre Geister wieder munter machen. Sie kritzelte schnell eine Nachricht auf das Papier, welches sich auf dem Tisch des Zimmers befunden hatte, schob ihn unter der Tür zu ihm durch und verließ es dann wieder. Ihren Schwertern warf sie noch einen kleinen Blick zu. Sie standen geordnet an einer Wand, glänzend poliert. Dies war eine ihrer Beschäftigungen gewesen, während Feliff sich über irgendetwas aufgeregt hatte, vielleicht über einen unsichtbaren Feind.

Sie kicherte bei der Vorstellung, wusste aber genauso gut, dass diese Gefahr real sein konnte. Dennoch war sie nicht jemand, der sich bei jeder kleinsten Gelegenheit Sorgen machte. Viel zu energieaufwendig, als dass es sich lohnen würde, fand sie.

Sie hatte den Weg zum Eingang relativ schnell wieder im Kopf und fand ihn demzufolge auch leicht. Noch während sie hinaustrat ertönte eine weibliche Stimme von hinten.

„Ah, du musst Alyne sein, habe ich Recht?“ Sie kam ihr nicht bekannt vor, überrascht drehte sie sich um. Sie dachte eigentlich, nun jeden im Dorf zu kennen, nach dem, was gestern passiert war. Ein schlankes Mädchen mit Sommersprossen kam ihr aus dem Inneren des Hauses entgegen. Sie lächelte und hielt einen Korb, in dem sie Wäsche erkennen konnte, in den Händen.

„Genau. Und du bist?“, fragte sie dann. Sie öffnete die Tür nun ganz und zum ersten Mal traf auch die Wärme der Sonne sie voll und ganz. Sie schloss kurz die Augen, ehe sie weiterging. Das Mädchen war ihr gefolgt.

„Ich bin Pura, die Tochter.“ Sie kicherte. „Ich wohne eigentlich im Frauenhaus, aber nicht, weil ich Witwe, sondern Waise bin. Ich kümmere mich um die Wäsche und auch ein wenig um den Haushalt von den Sammelgebäuden im Dorf. Und bei dir? Was machst du so?“ Sie sah die Halbelfe neugierig an, ohne zu wissen, mit wem sie sprach. „Aus welchem Dorf kommt ihr?“

Diese fühlte sich durch die Fragen ein wenig ratlos. Was sollte sie antworten, ohne zu viel zu verraten? Das Gespräch hatte eindeutig gezeigt, dass Elfen hier eher unwillkommen waren, wenn sie nicht von Anfang an zu erkennen gegeben hatten, wer sie wirklich waren. Und nun sollten sie diese Maskerade bis zum Schluss aufrecht und glaubhaft halten. Aber das, so wurde ihr deutlich, war gar nicht mal so einfach. Da spürte sie immer noch den auf ihr lastenden Blick, der sie neugierig ansah. „Ähm... Wir kommen aus einem Dorf weiter südlich“, wich sie einer konkreten Antwort aus. „Mit dem Namen wirst du nichts anfangen können, denke ich. Es ist ein sehr kleines Dorf.“ Sie widerstand der Versuchung, ihren Blick zu senken. Diese ganze Situation war ihr unangenehm. Sie hasste es, zu Leuten nicht ehrlich sein zu dürfen.

Es war eine Qual.

„Und ich besuche dort die Schule“, ergänzte sie noch hastig, als ihr die erste Frage wieder bewusst wurde. „Wir sind auf... einer Studienreise“, klamüserte sie sich zusammen. „Wir werden wohl übermorgen abreisen, wenn wir dann die weiteren Pläne geklärt haben.“

„Aha.“ Pura wirkte nicht so, als würde sie ihr nicht glauben. Erneut war sie versucht, einen Seufzer der Erleichterung loszulassen. „Dann kannst du mir ja bei der Arbeit helfen!“, lachte sie dann vergnügt. Sie zwinkerte ihr scherzhaft zu, während sie Alyne durch das Dorf navigierte. Der weitere Gesprächsverlauf war harmlos, nun ging es nicht mehr über ihre Person an sich, sondern eher um Wahrheiten, die ein Mädchen ein anderes wohl fragen würde. Nur bei der Frage nach dem Alter wurde es etwas kritisch. Obwohl die Halbelfe schneller alterte als normale Elfen, war sie immer noch weit davon entfernt, nach menschlichen Mäßstaben ihren Jahrzehnten gerecht zu werden. Sie wich der Frage aus, indem sie das tat, was sie bei anderen, eitleren Elfen mal gesehen hatte: Sich für das Alter schämen, was sie nicht tat.

Zum Glück war aber auch diese Frage schneller abgehandelt als sie es sich erhofft hatte. Pura erwies sich als eine geduldige Zuhörerin, war aber im selben Maße auch ein Plappermaul. Alyne unternahm ihre ersten Versuche an der Wäschewascherei, die sie bisher sonst kontinuierlich meiden konnte.

Und Feliff?

Er hatte sich von der Begegnung mit dem Dorfältesten Trivian und dem Dorfberater Chael noch nicht erholt. Es gab in diesem Sinne aber auch nichts, wovon er sich hätte erholen können. Es war nur die Gewissheit, dass dieses Dorf einen Elfen beherbergte, der ihm so vertraut vorkam und gleichzeitig so fremd, dass er nicht wusste, wie er es ausdrücken sollte.

Und mit jeder weiteren Sekunde, die verging, spürte er eine wachsende Unruhe und eine Ahnung, die sich immer mehr festigen konnte.
 

Wispern verzerrte die Stille der Nacht, während Gestalten huschten und ihre Anführer suchten. Gemurmel summte durch die Luft, welche von stickiger Wärme aufgeheizt wurde. Die Außenposten ließen die von weit entfernt gekommenen Späher wortlos weiter, die ihre schleichenden Gänge durch Baum und Gebüsch fortsetzten. Sie hatten ein deutliches Ziel vor Augen, sowohl in der nahen Gegenwart, als auch in der fernen Zukunft, die sie glorreich sahen, wenn ihr Plan gelingte.
 

„Wir müssen gehen.“ Seine Stimme klang trocken, als er ihr die Neuigkeit mitteilte, kaum dass sie in das Zimmer getreten war. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, weil er mit dem Rücken zu ihr hockte.

„Wieso?“, lautete ihre erste Frage.

„Weil wir hier nicht mehr sicher sind.“ Sein Blick war eisern auf seine Hände gerichtet, die in aller Hast irgendetwas packten. Seine Tasche vielleicht? Er wühlte schon seit geraumer Zeit darin herum.

„Wieso?“, war ihre zweite Frage.

„Sie wissen es.“

„Was?“

„Dass ich hier bin.“ Er hob die Augen kurz, sie waren von Ernst geprägt. Dann ließ er sie wieder auf seine Hände sinken, die das Gewünschte scheinbar ertastet hatten. „Der Automat ist noch da. Wir haben Zeit bis zur Nacht, dann sollten wir gehen.“

„Ich verstehe es aber immer noch nicht.“ Fragend näherte sie sich ihm, warf sich dann aber doch lieber auf das Bett. „Wer weiß es und wieso?“

„Informationen scheinen durchgesickert zu sein. Vielleicht ist dieser Trivian ja ein Teil der Rebellengemeinschaft. Sie können uns erheblichen Ärger bringen, wenn sie uns, aber vor allem wohl eher mich, in die Hände kriegen. Und wenn hier hier bleiben, spielen wir ihnen nur in die Hände.“ Er holte behutsam ein Konstrukt, welches entfernte Ähnlichkeit mit dem Erbstück ihres Vaters hatte, aus seiner Tasche. Eine Hülle nach der anderen fiel von ihm ab, nachdem der Automat sicheren Stand auf dem Boden gefunden hatte.

„Aber warum denn?“, stöhnte sie. Sie war nicht in der Laune für Nacht und Nebelaktionen, aber das war sie eigentlich nie.

Er antwortete nicht, sondern betrachte stattdessen den Automaten eingehend. Das nahm sie als Aufforderung, näher heranzukommen und besah sich ebenfalls diesen genauer an. Doch ihr fiel nichts Weiteres auf, außer, dass er auf einmal viel staubfreier war. Hatte er ihn irgendwann geputzt oder gereinigt?

„Was passiert eigentlich, wenn man an den Hebeln drückt?“, fragte sie auf einmal. Eine ihrer Hände griff nach einem der schwarzen Hebel, bewegte ihn aber nicht. Feliff hielt die Luft an und stieß sie erleichtert wieder aus, als sie nichts tat.

„Ich habe keine Ahnung.“ Er fuhr damit fort, die Mechanik des Ganzen anzusehen. „Aber womit lässt sich das wohl...“ Sein restlicher Satz verschwand in gemurmelten Lauten.

„Naja, auch egal“, brummte sie dann. „Ich geh mich noch einmal aufs Ohr legen.“ Mit diesen Worten war sie ruckartig aufgestanden und hatte sich auf ihr Bett geschmissen. Wenige Augenblicke später waren nur noch Gemurmel und gleichmäßige Atemzüge im Raum zu hören.

So ging es auch eine ganze Weile, während die Sonne ihren Platz am Himmel mit dem Mond tauschte. Der Himmel färbte sich dunkler und dunkler, so dunkel, dass er beinahe einen blau schimmernden Schwarzton begründete. Ein fernes Echo ließ Feliff aufhorchen.

„Wir müssen jetzt los“, flüsterte er mit Nachdruck und machte sich daran, den Automaten, den er selbst in der Dunkelheit der Nacht noch sehen konnte, einzupacken. Ein lautes Krachen durchschnitt die Stille, doch es war so hoch, dass keiner der Dorfbewohner auch nur zusammenzuckte. Doch die beiden Wesen mit elfischen Blut krümmten sich vor nachhallendem Schmerz. Was war das für ein heller Ton?

Nun hatte auch Alyne die Lage begriffen. Sie griff in aller Eile nach ihren Schwertern, welche nur etwas mehr als eine Armlänge von ihrem Bett entfernt standen. Ein erneuter Knall ließ sie auf den Boden fallen, ein von irgendetwas ersticktes Klappern folgte darauf. Was war dieser helle Tongewesen? Und diese Welle. Oder war da keine? Irgendeiner aus dem Dorf musste doch etwas merken! Aber es blieb still. Selbst Trivian, der doch eigentlich alles mitbekommen sollte, schien nichts zu hören und nichts zu fühlen.

In immer schneller werdenden Abständen ertönte dieser Laut, der die beiden an den Boden fesselte. Es war unerträglich! Sie waren unfähig, sich zu bewegen, doch irgendwie mussten sie hier wegkommen. Es wurde immer gefährlicher, mit jedem weiteren Stoß eines Feindes, den sie nicht kannten. Seltsamerweise betraf es die beiden aber gleich stark, obwohl in ihr doch weniger elfisches Blut floß. Es war eine Waffe, die sich gegen das ganze eflische Volk richtete.

Waren das wirklich noch die Rebellen, die doch nur die Reinblütigen unter ihnen verabscheuten?

Endlich bekam Alyne einen Knauf zu fassen, als ein erneuter Schmerz durch ihre Glieder zuckte. In der kurzen Pause von vielleicht zwei oder sogar fünf Sekunden packte sie Feliff, den es am Ende doch mehr getroffen hatte, am Kragen, während dieser den Automaten fest umklammert hielt. Auch hatte er schon seine Tasche geschultert, nur noch ihre lag auf dem Tisch. Sie biss die Zähne zusammen, als der Laut wieder echote. Bloß nicht nachgeben, dachte sie sich.

Dann flüchtete sie mit dem, was in ihren beiden Händen war, aus dem Raum.
 

Sie erinnerte sich nicht mehr, wann sie wieder zu Sinnen kam oder was sie zuvor getan hatte. Sie wusste nur noch schemenhafte Erinnerungen, dass sie einen Elfen hinter sich hergeschleift hatte, der krampfhaft etwas umklammert hatte, während Stöße, die nicht zu sehen waren, ihr zugesetzt hatten. Sie erinnerte sich an diesen Elfen, sie erinnerte sich, dass sie irgendwann Seite an Seite gelaufen waren. In ihrer Hand hatte sie ein Schwert gefühlt, zwischen ihren Herzschlägen ein Lied. Und dieser Elf, der neben ihr gelaufen war. Er wirkte müde und erschöpft, auch wenn er es nicht war. Dieser Elf, den sie doch kannte.

Feliff.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Random Fact (ich denke, ich tue sie jetzt immer hier herein, Link entnimmt man nun bitte der Beschreibung):
Trivian -> der Dreiklang
Chael -> der Rufende Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2014-12-26T21:32:39+00:00 26.12.2014 22:32
Hm, die letzten 2 - 3 Sätze klingen irgendwie, als wäre was passiert. Also so richtig, meine ich. Was dramatisches. Als ob sie aus der Nummer doch nicht ganz unbeschadet rausgekommen wären.

Wouw. Und ich hatte schon gedacht, das schwarze Vieh im Wald wäre gefährlich gewesen. Aber, daß nun noch ganze Kopfgeldjägerbanden hinter Feliff her sind, hätte ich nicht erwartet. Der Ärmste! Bitte tu ihm nix, ich mag ihn doch so! Ich will mir gar nicht ausmalen, wie der als gefolterter Gefangener oder vielleicht sogar tot endet. Q__Q
Allerdings drängen sich mir an dieser Stelle ein paar neue Fragen auf. Wer Feliff eigentlich so richtig ist (mal abgesehen von seinem Reinblüter-Status), warum er in Alynes Dorf gekommen ist und warum er mit Alyne losgezogen ist. Bin mal gespannt, ob man da noch Hinweise zu kriegt. Feliff wird gerade wieder sehr rätselhaft, wenn solche Mächte ein Interesse an ihm haben.


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