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Alaska

von

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Erste Blicke und alte Erinnerungen

Ein paar Tage später war Jane erst recht spät auf den Beinen, erst gegen Mittag kam sie aus dem Haus. Sie trug einen langen Mantel mit Pelzanasatz, was momentan wohl ziemlich in Mode war und hatte ihre dicksten Stiefel an.

Stöhnend zog sie sich die Mütze tief ins Gesicht und stellte den Kragen ihres Mantels auf. Dieses eisige Wetter brachte sie irgendwann noch um!

„Hey Kaskae! Komm!“

Mit einem freudigen Bellen stand sie auf und sprang vorfreudig an ihrem Frauchen hoch.

„Ja, ist gut! Ich muss nur noch was Einkaufen, komm mit.“, seufzte Jane, befestigte die Leine am Halsband der Hündin und lief schließlich mit ihr die Straße entlang. Doch Kaskae wollte rennen, sie wollte wie gestern durch den Schnee toben, sich darin wälzen um ihn dann wieder aus dem Fell zu schütteln. Schnee war eine verdammt tolle Sache, man konnte ihn sogar fressen… auch wenn er nach nichts schmeckte. Eigentlich war Schnee nur sehr kaltes Wasser, was dann im Maul schmolz. Und Schnee machte verdammt viel Spaß! Man konnte sich darin wälzen ohne dreckig zu werden und dann konnte man ihn ganz leicht wieder aus dem Fell schütteln. Zudem wurde man nicht so nass und dreckig, als wenn man sich in Wasser oder gar Schlamm wälzte.

„Nein! Kaskae, nicht jetzt! Du hast den ganzen Garten für dich, mach das später.“, meinte Jane harsch und lief weiter. Der Schnee ging ihr zwar ‚nur‘ bis zu den Knöcheln, doch sie hatte die Schnauze trotzdem schon voll. Wie sollte das enden? Sieben Monate Schnee… Das musste man mal auf sich wirken lassen! SIEBEN MONATE! Und die ‚Höchsttemperaturen‘ gingen kaum über die zehn Grad- Grenze. Im ernst, das war doch nicht normal! Was hatte dieser Ort nur so tolles an sich? Na gut, er war inzwischen eine kleine Berühmtheit, wegen diesem Halbwolf, Balto. Letzten Monat gab es in Nome eine Diphtherieepidemie. Jane und ihre Eltern hatten die ganze Sache in der Zeitung verfolgt.

Jane hatte zugegebener Maßen die ganze Sache nicht ganz verstanden: Zuerst war ein Schlitten mit den normalen Schlittenhunden losgefahren und die Medizin auch abgeholt. Doch dann war dieser Schlitten irgendwo mitten auf dem Rückweg vom Weg abgekommen. Unter ungeklärten Umständen war schließlich Balto derjenige, der all die Hunde aus dem Schneesturm gerettet hatte. Der eigentliche Leithund, Steele, irgendein hochgezüchteter Malamute, war noch am selben Tag, wenn auch leicht verfroren, in Nome angekommen.

Naja, Jane war die ganze Sache ein kleines Rätsel, aber das machte jetzt auch nichts zur Sache… Sie interessierte sich weder für die Schlittenrennen, doch für Halbwölfe. Ihr war es letzten Endes nur wichtig gewesen, dass die Epidemie gestoppt werden konnte.

Doch Kaskaes zerren riss sie aus den Gedanken. „Nein! Komm jetzt!“, meinte sie entschlossen und nahm die Leine noch ein Stück kürzer. „Beherrsch dich endlich.“

Als sie Nome schließlich erreichten, band Jane ihre Hündin wieder am Pfeiler an und verschwand im Laden. Eigentlich war Miss Morris fürs Einkaufen zuständig, doch Jane war für jede Ablenkung dankbar!

„Hey, hey, hey! Wen haben wir denn da!“, rief plötzlich eine Stimme, die Kaskae irgendwie bekannt vorkam.

„Ach, hallo Dixie.“, begrüßte Kaskae die Samojedenhündin und sah sich um. „Wo ist dein Frauchen?“

„Ach die… Morgen beginnt die Schule wieder, sie ist grade auf dem Weg zu ihrem Internat.“

„Ah… Ach so. Und Sylvie?“

„Noch nicht wach.“, meinte Dixie und setzte sich neben Kaskae. „Aber wo ist denn dein Frauchen, oder wird dieser Pfeiler hier irgendwie dein Stammplatz?“

Kaskae rollte grinsend die Augen und schüttelte sich den Schnee aus dem Fell, ehe sie sich setzte. „Nein, sie ist nur Einkaufen. Aber eine Frage mal: Ist es eigentlich normal, das du hier ganz allein rumläufst?“

„Ach, das ist hier ganz normal! Wir gehen manchmal auf eigene Faust durch die Stadt- Du nicht?“

„Nein, das würde Jane nicht zulassen, sie würde vor Sorge um mich sterben… “, meinte Kaskae.

„Echt jetzt? Seltsam, eigentlich macht es den Leuten aus der Gegend kaum was aus, wenn ihre Hunde für einige Zeit allein durch die Gegend laufen.“ Dixie war merklich verwundert von Janes Einstellung, doch anscheinend schien man das in ihrer alten Heimat so zu regeln.

In diesem Moment öffnete sich die Ladentür, und ein kleines Mädchen kam herausgestürzt. Sie schein auf ihre Eltern oder so zu warten, doch als sie Kaskae und Dixie sah, war es um sie geschehen.

„Wooow! Du bist aber eine Schöne! Und so groß!“, rief sie aufgeregt aus und kniete sich neben Kaskae, die misstrauisch den Kopf zurücksteckte. Ihr war es nicht ganz geheuer, dass wildfremde Kinder sie betätschelten, aber ihretwegen… Solange die Kleine nicht zu nervig würde.

„Äh… Wer ist das überhaupt?“, fragte Kaskae schließlich verunsichert.

„Ach das! Kein Grund zur Panik! Das ist nur Rosie, eines der hier lebenden Kinder. Ganz ruhig bleiben.“, meinte Dixie und rieb den Kopf an Rosies Bein.

„Rosie, geh weg da, ich sagte doch keine fremden Hunde streicheln!“, rief plötzlich ein Mann und streckte dem Mädchen die Hand entgegen.

„Aber ich kenn Dixie doch.“, wand Rosie sofort ein.

„Ich meine auch nicht Dixie, sondern die andere Hündin.“

„Okay Daddy, aber sie war so lieb, sie hat sich einfach streicheln lassen.“, entgegnete Rosie.

„Das mag ja sein, aber sie kennt dich nicht! Wenn sie sich bedrängt fühlt, könnte sie auch nach dir schnappen.“

Na wenigstens einer, der hier richtig denk, meinte Kaskae innerlich.

„Hm… Wem gehört die eigentlich? Ich hab die hier noch nie gesehen.“

Eine Frau war neben Rosie und deren Vater aufgetaucht, wahrscheinlich Rosies Mutter.

„Das ist meine.“, entgegnete plötzlich eine Stimme und Jane kam mit einer Einkaufstüte aus dem Laden getreten. „Jane Costner mein Name.“, stellte sie sich flüchtig vor.

„Ach, das ist Ihr Hund?“, hakte Rosies Vater nach. „Ein wunderschönes Tier, ein Malamute, nicht?“

„Ähm, ja, das ist sie… Kaskae ist ihr Name.“, erklärte Jane und lächelte verlegen. Sie liebte es einfach, Komplimente für ihren Hund zu bekommen, das war für sie das Größte! Denn insgeheim machte sie es doch auch stolz, für einen hübschen Hund gelobt zu werden, auch wenn Kaskaes Aussehen wohl kaum Janes Verdienst war.

„Einfach ein wunderschöner Hund. Eine Frage… Schon mal über Schlittenrennen nachgedacht?“

„Äh… Nein, nicht wirklich… Das… das ist nicht so mein Ding. Meine Eltern würden das zwar zulassen, doch die Schule steht an erster Stelle.“, erklärte Jane und band Kaskae los.

„Hm… Einen Moment mal… Deine Eltern, sind das nicht… Augenblick, du heißt Costner… Sind deine Eltern nicht diese beiden Wissenschaftler?“, fragte nun Rosies Mutter.

„Biologen.“, korrigierte Jane lächelnd.

„Genau, genau! Ihr seid doch in das neue Haus, etwas abseits von Nome gezogen, oder?“

Etwas abseits ist gut, hier ist alles abseits, schoss es Jane durch den Kopf, doch sie nickte nur.

„Okay, ich wünsche euch dann auf jeden Fall Herzlich willkommen! Und das mit dem Schlittenfahren kann ich dir nur empfehlen, das macht wirklich Spaß, nicht Rosie?“

Rosie, die bis jetzt nur abwesend Dixie gestreichelt hatte, horchte auf und nickte eifrig.

„Das tut es! Meine Eltern haben einen Husky, Jenna, und ich hab jetzt für sie und mich meinen eigenen Schlitten! Das macht so viel Spaß darin zu fahren!“, erzählte sie strahlend. Ihr schien die Sache wenigstens Spaß zu machen, doch Jane konnte sich das einfach nicht vorstellen… Sie und Hundeschlitten, ja klar!

„Ich denk vielleicht darüber nach.“, meinte sie lächelnd und nahm dann Kaskaes Leine in die Hand. „Wir müssen dann aber weiter, aber sicher sieht man sich nochmal. Auf Wiedersehen.“, verabschiedete Jane sich und schulterte ihre Einkäufe.
 

Auf dem halben Weg aus der Stadt, stockte Jane plötzlich, als sie am Schaufenster einer Bäckerei vorbei lief. „Wow… das sieht lecker aus…“, seufzte sie und sah fast schon sehnsüchtig in das Schaufenster- Ach, für ein bisschen Süßes Zeug würde es wohl noch reichen.

„Mädchen, warte hier. Und pass auf die Sachen auf! Halte Wache!“

„Jaja, ich bin die Verlasshündin schlechthin.“, meinte sie und legte sich auf die Unterdachte Veranda vor der Bäckerei. Aber im Ernst: Wer würde schon ein paar Einkaufstüten klauen?
 

Zur selben Zeit lief Steele mit seinem Besitzer, nur eine Ecke weiter, zum Training. Er stürzte sich seit der Sache mit Balto so hart wie noch nie ins Training, aber irgendwie konnte er sich nie steigern… Das war deprimierend.

Doch als er an der Bäckerei vorbeilief, und die Malamutehündin daliegen sah, stockte er für eine Sekunde und starrte sie wie gelähmt an.

Er hatte früher, also vor der Sache mit Balto, ja viele Hündinnen gekannt und sie alle hatten ihn regelrecht vergöttert. Er war das was man als ‚Hündinnenmagnet‘ bezeichnen konnte. Er hatte sich oft mit diesen scheinbar Willenlosen, ihm jeden Wunsch erfüllenden, Dingern amüsiert, aber das war nie was Ernstes. Er hatte ein bisschen geflirtet und sie waren reihenweise geschmolzen. Aber sie waren ja alle so langweilig gewesen- So einseitig, so, so- Langweilig. Anders konnte man es nicht beschreiben.

Aber die Zeit war vorbei, zumindest bei den Hündinnen, die er schon kannte. Aber diese, diese hatte er noch nie hier gesehen, das war eine Neue. Sie kannte Steeles Geschichte nicht, sie war völlig neutral- Und das würde Steele ausnutzen. Er müsse wahrscheinlich gar nicht viel tun, um sie auf seine Seite zu bekommen- Mit Sicherheit war sie wie die anderen auch- Leicht rumzukriegen. Zudem gefiel sie ihn… Sie war hübsch und hatte ganz bestimmt auch ihre Reize.

Inzwischen hatte auch Kaskae Steele bemerkt. Sie hob den Kopf und sah dem Rüden mit aufgestellten Ohren hinterher. Wow, bisher hatte sie selten so einen großen Hund gesehen- Beeindruckend, und sie dachte immer, sie wäre die Größte. Doch am faszinierendsten fand sie seine eisblauen Augen. Die hatten irgendwas, irgendwas fesselndes, undurchdringliches. Der Blick war so eisig und gleichzeitig geheimnisvoll, dass Kaskae ihm einfach hinterherschauen musste. Der Rüde sah wirklich… Gut aus. Er war bestimmt einer diese Hochleistungsschlittenhunde- Eine Szene mit der Kaskae NICHTS zu tun haben wollte- NIE mehr.

„Hey, Mädchen, hier bin ich wieder.“

Kaskae schreckte auf und wand den Kopf um. Jane kam aus dem Laden heraus und band die Hündin eilig ab. „Na dann komm.“
 

Doch auf dem Heimweg gab es SCHON WIEDER eine kleine Unterbrechung, die zumindest Janes Aufmerksamkeit erregte- Wäre es nach Kaskae gegangen, dann wäre sie sofort weitergelaufen!

Der ‚Trainingsplatz‘ für die Schlittenhunde, war einfach die gesamte Gegend- Es gab weder Absperrungen, noch sonst was, die Hunde rannten einfach eine bestimmte Strecke gegeneinander.

Jane hatte die kleine Menschenmenge bemerkt und hatte sich einfach dazwischen gestellt. Auch wenn Schlittenrennen nicht ihr Ding waren, so war es doch ganz interessan dabei zuzusehen, sonst gab’s hier ja eh nichts.

Doch Kaskae war das hier gar nicht recht, ganz und gar nicht! Sie kannte diesen Albtraum, sie kannte jedes dreckige, schmerzvolle Geheimnis der Hundeschlitten. Nein, sie hatte diesen Horror oft genug mitmachen müssen, sie wollte sich das nicht schon wieder antun! Sie wollte hier weg! Sie wollte das nicht, sie wollte gehen! Ängstlich legte sie die Ohren an und klemmte den Schwanz ein, doch Jane schien das alles gar nicht zu bemerken, sie hatte nur Augen für die Musher, die ihre Hunde fertig machten.

„Lass uns gehen…“, wimmerte Kaskae leise und presste sich ängstlich an Janes Beine, doch die tätschelte ihr nur den Kopf. „Jane, bitte…“, wimmerte Kaskae und winselte nun merklich lauter.

„Hä? Mädchen, was ist denn?“, fragte Jane und bückte sich zu der Hündin herunter. Doch es schien, je eher sich die Musher für das Training fertig machten, und je eher sie für den Start bereit waren, umso größer wurde Kaskaes Panik. Inzwischen riss sie wie wild an der Leine, schien fast schon hysterisch zu werden.

Auch Steele, der an einem der Schlitten stand, erkannte die Hündin von grade eben wieder und zog verwundert eine Augenbraue hoch, als er sah, mit welcher Hartnäckigkeit sie an der Leine zerrte. Egal welches Problem sie hatte, sie sollte ihn besser nicht ablenken.

Und dann, als einer der umherstehenden Männer das Startsignal gab, da war alles mit Kaskae vorbei! Jaulend riss sie sich so plötzlich los, dass Jane sie nicht mehr halten konnte. Alles was sie jetzt noch sah, war eine in Todesangst rennende Malamutehündin.
 

„Nein, nein, bitte nicht!“, schrie die junge Hündin, als sie die Peitsche über den Rücken brettern spürte. Sie konnte nicht schneller! Die Zunge hing ihr aus dem Maul, sie hechelte wie wild, ihr Puls raste, sie glaubte jeden Moment zu hyperventilieren und umzukippen. Zudem war der Schlitten einfach zu schwer für sie und es ging bergauf. Ihre Pfoten waren von den Eissplittern inzwischen so aufgerissen, dass sie bluteten und eine rote Spur im Schnee hinterließen. Ihr tat jeder Muskel ihres Körpers weh, die Beine schmerzen unbeschreiblich und das alte Geschirr schnitt ihr so in die Haut ein, dass sie glaubte, ihr würde es gleich die Haut verätzen.

Ihr Körper wollte nicht mehr, sie konnte verdammt noch mal nicht mehr! Sie war völlig fertig, sie war am Ende! Sie wollte nur noch umkippen und endlich von diesen unbeschreiblichen Qualen erlöst werden. Doch dann spürte sie den nächsten Peitschenhieb, der ihr auf der Haut brannte.

Sie schrie schmerzerfüllt auf und schrie! Sie schrie nach irgendwas… Irgendwem. Doch nie kam jemand. Nie kam jemand, der sie retten würde- Nie.

Das hier war die Hölle auf Erden für einen Hund! Man konnte es kaum in Worte fassen, zu welcher rohen Gewalt diese Menschen imstande waren… Kaskae wusste nicht mal wo sie anfangen sollte, es gab zu viel. Doch sie wollte jetzt auch gar nicht darüber nachdenken, sie musste erst diesen Berg schaffen.

Und tatsächlich- Irgendwie schleppte sie sich mit letzter Kraft den Hügel hoch und ließ sich erleichtert zur Seite rollen, als sie sah, wie der Mann vom Schlitten abstieg und auf sie zukam.

Harsch und alles andere als vorsichtig, nahm er Kaskae das Geschirr ab und schubste sie in ihren Zwinger. Sie bekam ihre magere, trockene Futterration, die hauptsächlich nur aus Robbenfett und ein paar Arterien bestand, unter dem Zwingergitter durchgeschoben und wurde dann wieder allein gelassen. Sie sah dem Mann mit einem mordlustigen Blick hinterher, wie er zu den vorderen Zwingern ging. Die vorderen Zwinger… Ja. Irgendwann würde sie da auch endlich landen- Dann kam sie hier weg. Sie leckte sich das Blut von den Pfoten und würgte sich das Futter rein.

Diese Männer würden ihr nie ihren Stolz, ihre Würde oder ihren Willen zu überleben nehmen. Sie sollten es nur versuchen… Doch Kaskae würde nicht aufgeben, nie! Es war ihr egal, wie oft sie geschlagen werden würde! Die Männer einfach umbringen ging leider nicht, wenn sie das auch nur versuchen würde, würden die sie abknallen. Also musste sie sich fügen- Das war der schnellste Weg aus dieser Hundehölle.
 

Nein, nein, nein! Das durfte alles nicht wahr sein! Was wollten die von ihr? Die sollten sie in Ruhe lassen! Warum wollten die ihr wieder weh tun, was hatte sie denn jemals getan? Die sollten ihr vom Pelz bleiben! Jeder von denen! Keine Schlitten mehr, keine Geschirre, keine Rennen mehr, nie mehr! Sie wollte diesen Albtraum nicht schon wieder von vorne durchmachen!

„Kaskae! Komm zurück!“, schrie Jane von weitem und nahm die Verfolgung auf. Doch sie hatte natürlich keine Chance.

Schwer atmend kam Kaskae schließlich doch zum stehen, als sie merkte dass… dass ihr niemand was tat. Sie war sicher! Niemand schlug auf sie ein… Alles war gut… Alles gut.

Ganz langsam atmetet sie tief ein und aus und wollte sich schon auf den Rückweg machen, als sie plötzlich ausrutschte. Was zum…? Oh nein! Nicht gut, gar nicht gut!

Kaskae sah sich mit immer noch rasendem Herzen um. Sie saß mitten im Hafenbecken von Nome. Das Eis war nicht mehr sehr dick, ein Fehltritt und sie würde als Eisklotz ans Ufer gebracht werden müssen. Toll. Und jetzt?

Wimmernd sah sie sich nach Jane um, die am Ufer stand und scheinbar versuchte, sie mit einem Leckerchen an Land zu locken.

Doch Kaskae traute sich nicht… Sie würde ausrutschen und ins Eis einbrechen!

„Na komm Mädchen, bei Fuß!“, rief Jane ein paar Mal und sah sich hilflos um. Okay, so klappte das anscheinend nicht… Was dann? Auf das Eis gehen würde sie ganz bestimmt nicht! Sie war ja nicht blöd! Aber es musste doch irgendeine andere Möglichkeit geben!

Ratlos ließ Jane den Blick über das Hafenbecken schweifen, doch dann erkannte sie einen alten Steg, der weiter hinaus führte.

Hm… Vielleicht, wenn sie sich lang genug machte, vielleicht würde sie dann Kaskaes Leine zu fassen bekommen… Einen Versuch war es immerhin wert.

„Hey Süße, alles wird gut, ich bin gleich da…“, murmelte sie eher sich selbst als der Hündin zu. Als sie am Ende des Steges ankam, legte sie sich auf den Bauch und versuchte sich so lang wie nur mögcih zu machen, ohne dabei auf das Eis zu fallen.

Gequält stöhnte sie auf und streckte den Arm nach der Leine aus. „Kaskae, komm her, komm!“, flehte sie. Die Hündin war nun nur ein paar Meter von ihr entfernt. Oh Bitte! Als hätte sie nichts anderes zu tun! Sie wollte nur einkaufen, und jetzt lag sie auf einem Steg, fror bis auf die Knochen und versuchte ihren anscheinend hochintelligenten Hund vom Eis runter zu bekommen. Warum sie?

„Kaskae! Komm jetzt!“, motzte sie sie an und strick sich eine braune Locke aus dem Gesicht- Okay, das reichte! Wenn sie nicht zu Jane wollte, dann kam Jane eben zu ihr! „Okay Fräulein, das gibt ärger!“

Ganz langsam kletterte Jane die kleine Leiter am Steg runter und tastete mit dem Bein vorsichtig das Eis ab. Okay, anscheinend konnte sie hier noch stehen.

„Kaskae, komm jetzt, komm!“, forderte sie sie auf, doch die Malamutehündin sah ihr Frauchen nur mit großen, unwissenden, unschuldigen, braunen Knopfaugen an. Obwohl Jane eigentlich nur zu gern so getan hätte, als würde der Hundeblick ihr nichts anhaben, doch sie konnte einfach nicht anders… Sie gab nach.

Wortlos lief sie ganz langsam, Schritt für Schritt, auf Kaskae zu und ergriff die Leine.

Und plötzlich, als wäre nie etwas gewesen, sprang Kaskae auf und lief mit wedelndem Schwanz hinter Jane her, die mit leicht zittrigen Knien das Eis abtastete, um mögliches Einstürzen zu verhindern. Sie konnte nicht mehr den Steg hoch, Kaskae war zu schwer um sie da hoch zu bekommen.

Und nun, als sie ENDLICH das Ufer erreichte, zitterte sie regelrecht. Ihre Knie waren so wackelig, sie musste sich erst mal in den Schnee setzen und tief durchatmen- Was für ein Tag! Und es war nicht mal drei Uhr!

Kaskae, sah nur unschuldig zu Jane und schmiegte den Kopf an ihrem Gesicht.

„Mann, Mann, Mann! Ey, was war denn grade los mit dir? Friert die Kälte dir langsam aber sicher das Resthirn zu? Was war das vorhin, verdammt! Dir hat niemand was getan!“, begann Jane zu schimpfen und rappelte sich nun doch auf. Sie nahm die Einkaufstüte, die zusammengefallen im Schnee stand und riss so ruckartig an Kaskaes Leine, dass dieser für einen kurzen Augenblick die Luft wegblieb.

Toll, jetzt war Jane wütend! Und das nur wegen ihr. Kaskae hasste es wenn Jane wütend war! Sie war dann ganz leicht reizbar, zupfte sich ständig an den Haaren rum und ignorierte Kaskae gnadenlos.

„Komm jetzt.“, murrte Jane als sie wieder auf der, von dem gröbsten Schnee befreiten, Straße waren, die nach Hause führte.

„Tut mir ja leid…“, meinte Kaskae kleinlaut. Aber Jane verstand einfach all das nicht… Sie wusste auch gar nicht, was Kaskae schon alles durchgemacht hatte. Sie konnte nicht nachvollziehen, woher diese panische Angst vor Schlittenrennen kam- Sie wusste es einfach nicht.

Was Kaskae nicht bemerkte, waren zwei eisblaue Augen, die ihr mit einer Mischung aus Neugierde und Abschätzung hinterher sahen- Ja, so unterschiedlich konnten die Gefühle für jemanden sein.
 

Am Abend, als die Dämmerung schon lange eingesetzt hatte und der Vollmond hell und prall am Himmel hing, Saß Kaskae wie jeden Abend in ihrer Hundehütte und hatte sich müde gegen die Hauswand gepresst: Ihre Hundehütte war so gebaut, dass eine der Wände direkt die Hauswand war, es gab also keinen Zwischenraum zwischen Haus und Hundehütte, sie grenzten genau aneinander.

Die Hauswand war immer viel wärmer als die anderen Wände, da genau an dieser Stelle der Kamin stand.

Eigentlich war Kaskae schon fast am Einschlafen, als sie von draußen plötzlich ein langgezogenes Heulen hörte.

Sofort sprang sie auf und spitzte angestrengt die Ohren, in der Hoffnung noch mehr zu hören. Früher hatte sie das nachts ein paar Mal mit den Nachbarshunden gemacht. Und irgendwie überkam sie nun die unbändige Lust es wieder zu tun!

Also gut… Wer war denn überhaupt da? Sie spitzte die Ohren und erkannte auf jeden Fall schon mal Sylvie… Dieses raue Bellen konnte nur sie sein. Und sie erkannte auch ein etwas piepsigeres Jaulen, dass war auf jeden Fall Dixie.

Nun folgten einige Hunde, die Kaskae vielleicht mal gesehen, aber noch nie gehört hatte. Nun war sie an der Reihe. Ein sehr langes, lautes und fast schon kratziges Jaulen entfuhr ihr und sie spitzte nun die Ohren, um eine Antwort zu erhalten.

Dixie und Sylvie erklangen daraufhin in lautem, fast schon hysterischem Bellen, das durch die Entfernung zum Ort jedoch merklich Gedämpft bei Kaskae ankam.

Dann jedoch ertönte ein weiteres Jaulen. Es war sehr tief, lang und nicht so stockend wie das der anderen Hunde. Kaskae horchte genauer hin. Okay, dieses Jaulen was ihr wieder neu.

Sie gab ein langgezogenes Heulen zur Antwort, gespannt ob der neue sich wieder melden würde. Doch ehe sie sich versah, hörte sie plötzlich ein genervtes Seufzen hinter sich- Nicht gut, gar nicht gut.

Jane stand in ihrem Nachthemd da, hatte den Hausschlüssel in der Hand und bibberte ein wenig.

„Mädchen, bitte… nicht jetzt. Morgen ist Schule.“, nuschelte sie gequält und nahm Kaskae am Halsband. Auf leisen Sohlen schlichen sie ins Haus und stahlen sich unbemerkt in den ersten Stock- Was gar nicht so einfach war, da die Stufen schrecklich quietschten.

„Und jetzt möchte ich ruhe, okay?“, befahl Jane und kuschelte sich in ihr Bett.

Kaskae sah sehnsüchtig aus dem Fenster, durch das der Vollmond strahlte, doch manchmal war es besser sich zu fügen.

Mann war das öde.

Obwohl Kaskae eigentlich schlafen sollte, konnte sie nicht. Doch wenn sie jetzt jaulen würde, dann würde es ärger, für sie als auch für Jane geben, denn eigentlich durfte sie nachts gar nicht ins Haus.

Gelangweilt starrte Kaskae auf ihre Zehen, doch dann hatte sie eine geniale Idee- zumindest ihres Erachtens nach.

Jane schlief inzwischen tief und fest und so konnte Kaskae unbemerkt auf ihr Bett springen.

Betten waren was tolles! Eigentlich fand Kaskae es verdammt unfair: Die Menschen bekamen tolle Betten, doch sie bekam nur eine öde Decke, wenn sie Glück hatte auch ein großes Kissen- Aber mehr war da nicht dabei. Sie fand’s unfair.

„Na dann gute Nacht Frauchen…“, gähnte Kaskae und kuschelte sich ins Fußende des Bettes.



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