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Die dunkle Ritterin

von

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Ein Sturm zieht auf

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Ein Sturm zieht auf
 

"So wie es aussieht erreichen wir Tirisfal morgen Mittag, Lady Glutklinge." Dolette musterte ihren Diener ausgiebig, auch an ihm waren die Kämpfe nicht spurlos vorbeigegangen. Sein abgetrennter Arm hing nur spärlich gerichtet an seiner Schulter und immer wenn er ihren Blick auf sich ruhen spürte, setzte er ein mattes zerfallenes Lächeln auf, das überaus kraftlos wirkte.

"Wenn wir Unterstadt erreicht haben, solltet ihr euch eine Weile dort auskurieren, Kinnab", antwortete sie daher ihrem Gedankengang folgend.

"Ich denke, die Familie von Lady Lichtsprung kann sich sowieso einen besseren Gast vorstellen, als einen Verlassenen. Schließlich stammt unsere geehrte Lady Hohepriesterin aus Lordaeron", erwiderte er und gab erneut ein zerfallenes Lächeln Preis. Kurz wollte Dolette darüber nachdenken, wie man wohl auf sie reagieren würde, doch sie zwang diese Befürchtung tief in sich zurück. Einige Augenblicke später schwebte Susanne heran, die ganz offensichtlich dabei war Sylvanas Windläufer zu verfolgen, die mit bemüht gleichgültiger Miene voranschritt. Als die Sukkubus ihre erwählte Herrin entdeckte, ließ sie sich allerdings auf ihre Hufe sinken und rannte die letzten Schritte an der Bansheekönigin vorbei, auf die Todesritterin zu. Ihre zerschlissenen Flügel schwangen im selben Takt wie ihre Hüften, denen sie offenbar versuchte eine verführerische Note mitzugeben.

"Ah, Lady Glutklinge. Immer eine Freude euch über den Weg zu laufen", begrüßte sie die andere Untote überschwänglich und wollte sich davon stehlen.

"Mylady, ihr müsst sie entschuldigen. Ich weiß auch nicht was mit diesem verdrehten Geschöpf los ist. Ich habe mit Kapitän Kryoflug gesprochen. Wir erreichen Tirisfal voraussichtlich morgen, gegen Mittag", erklärte er aufgeregt und brachte die Dunkelläuferin somit zum Anhalten.

"Gute Nachrichten, Kinnab. Danke." Während Susanne die Hände der Todesritterin an ihre Wangen geführt hatte und ihr Gesicht genießend darin vergrub, hatte Sylvanas sich schon wieder abgewandt und wollte in den nächsten Gang verschwinden.

"Susi, vielleicht gehst du mit deinem Meister noch etwas an Deck und übst. Ich werde mir morgen deine Fortschritte anschauen, sprach Dolette nun auf die Dämonin ein, die glücklich, über diesen Einfall lächelte.

"Ja! Herrchen, kommen. Mit Susanne üben!", flötete sie glücklich und hakte sich bei dem Hexer ein. Er ließ sich mitziehen und winkte noch resignierend, als sie um die Ecke bogen.

"Diese Art Ablenkungsmanöver muss ich mir auch zu Eigen machen.", kam es von der anderen Seite der Gangkreuzung von der Bansheekönigin. Sie hatte sich an die hölzerne Wand gelehnt und die Arme vor ihrem Brustkorb verschränkt. Ihre Augen glühten rubinrot auf, doch ihre Züge wurden von einer gewissen Sänfte umspielt.

Allgemein war dieses Wesen mehr als ein Rätsel für Dolette. Früher hatte sie immer gedacht, sie wären sich unheimlich ähnlich. Zwei gefallene Elfen, die ohne es zu wollen einem Zweck dienen sollten, dem sie vorher noch all ihre Kräfte entgegengesetzt hatten. Jede für sich hatte einen Weg gefunden, mehr und vor allem anders sein zu können, als ihre dunkle, neue Herkunft es erdacht hatte. Und dennoch war Sylvanas Windläufer anders als sie. In jedem eleganten Schritt sah man wie gebeutelt sie war. Außerdem hatte sie sich selbst diese unheimlich schwere Bürde aufgelastet. Sie wollte das Weiter- und Überleben ihres erwählten Volkes, den Verlassenen sichern. Zumindest so lange sie sie brauchte. Die Verlassenen konnten sich nicht fortpflanzen und es war ungewiss wie schnell ihre zerfallenden Körper ihnen den Dienst versagen würden.

Jetzt allerdings, wo der Lichkönig besiegt war, konnte Dolette nicht mehr sagen, ob dies noch immer das Bestreben der dunklen Fürstin war. Sie erinnerte sich zurück an den Tag, an dem sie den Auftrag der Bansheekönigin erhielt. Sie schien nur von Rachegelüsten geleitet und ob die Verlassenen nach dem angestrebten Erlös noch eine Rolle für die Dunkelläuferin spielen würden, war ihr schleierhaft.

Sylvanas schien den forschenden Blick der Todesritterin mit Leichtigkeit Stand zu halten.

"Bewegt euch etwas, Lady Glutklinge?", fragte sie schließlich und stieß sich leicht von der Wand ab. Sie ging voran und Dolette folgte ihr zögernd, ohne zu wissen, wohin die dunkle Fürstin sie führte. Sie stockte und automatisch verlangsamte sich das Tempo der Todesritterin.

"Ich habe mich grade gefragt, wie es nun für euch, oder uns weitergehen soll." Die wahrheitsgemäßen Worte kamen abrupt und die dunkle Ritterin war überrascht, dass ihr weder etwas Besseres einfiel, noch ihre Worte besonders gewählt waren. In der Aura der Bansheekönigin zu wandeln, bewegte sie auf irgendeine Weise, wenn auch sie nicht deuten konnte auf welche. Sylvanas schmunzelte kurz, bevor ihre Züge wieder die dunkle Maske annahmen, die ihr Dasein mitbrachte.

"Ich dachte, ihr wolltet euch zu allererst um Marialles Angelegenheiten kümmern", antwortete sie ruhig, machte allerdings keinen Hehl daraus, dass sie der Frage offenbar absichtlich auswich.

"Ich bezog mich weniger auf meine Person, mehr auf uns als Volk, Mylady." Ein wenig vermochte Dolette sich dieser Aura wieder zu entziehen und so konnte sie die Frage nun doch deutlich formulieren.

"Natürlich habt ihr das. Diese Frage wird so einige beschäftigen. Die Allianz und gewiss auch weite Teile der Horde wären sicher hocherfreut, wenn ich meine Verlassenen führungslos im Stich lassen würde." Ein sehnsuchtsvoller Schimmer glitt über die verhärteten Züge der Dunkelläuferin, doch sie überspielte ihn mit einem weiteren Schmunzeln. Sylvanas wandte sich im Gehen nach links und stieß eine Türe unachtsam und grob auf. Sie schritt hindurch und warf ihren langen dunklen Umhang achtlos auf das großzügige Bett, am anderen Ende des Raumes. Auf der rechten Seite stand ein Sofa samt Tisch und sie deutete darauf.

"Setzt euch und wir sprechen darüber wie es mit unserem Volk weitergehen wird." Sie betonte das Wort 'Volk' auf merkwürdige Weise, was Dolette aufhorchen ließ. Für diesen Moment fühlte sie sich in ihren Vermutungen bestätigt.

Die Dunkelläuferin verschloss geräuschvoll die Türe und wandte sich dem Tisch zu auf dem eine einfache große Kanne stand aus der weißer Dampf stieg.

"Tee? Wie geht es eigentlich Marialle?", fragte sie nun.

"Danke." Die Angesprochene schob ihr die Tasse, die ihr am nächsten stand, etwas entgegen.

"Sie schläft. Schon ewig wie mir scheint. Als hätte sie noch nie richtig geschlafen." Ein verklärter Blick legte sich auf die Züge der dunklen Ritterin und sie dachte kurz an den Moment zurück, als sie ihre gemeinsame Kajüte verlassen hatte. Sich aus der zärtlichen Umklammerung ihrer Hand zu schleichen fiel der, mit der Dunkelheit vertrauten Elfe, in dem spärlich beleuchteten Raum nicht schwer. Doch als sie sich im Türrahmen noch einmal umdrehte und die schlafende Schönheit betrachtete, konnte sie sich von dem Anblick kaum losreißen.

Sie musste denselben Ausdruck haben, denn Sylvanas musste sich schmunzelnd räuspern, um sie wieder ins Hier und Jetzt zurückzuholen.

"Und euch?", fragte die Bansheekönigin ruhig. Dolette brauchte einen Augenblick. Sie hatte noch nicht bewusst darüber nachgedacht, was nun in ihr vorging.

"Es ist alles so anders..." Sie unterbrach sich. Es war nicht in Worte zu fassen. Der Einfluss des Lichkönigs war verschwunden, doch die wispernde Stimme blieb. Drängte sie hier und da, aber sie war schwach. Der rote Schimmer umgab sie wie ein Feld.

"Wie habt ihr das gemacht?", stieß sie dann hervor, als ihre Gedanken zu der Dunkelläuferin schwenkten.

"Was?", fragte Sylvanas irritiert.

"Ich verdanke es euch, dass ich ausbrechen konnte", erklärte sie ihre Frage. Sylvanas überlegte. Lange. Zu lange für den Geschmack der dunklen Ritterin.

"Irgendwas von euch ist in mir und verschließt das Wesen der Runenklinge." Die Bansheekönigin schaute kurz in die leuchtenden blauen Augen und ihre schienen für diesen Moment aufzublitzen.

"Ich würde euch gern eingehend erklären, wie das möglich ist, Lady Glutklinge, aber ich bin mir selbst nicht über das Ausmaß meiner Fähigkeiten als Banshee bewusst. Ich schlage vor ihr nehmt es als gegeben hin." Da blieb ihr wohl auch nichts anderes übrig, also beließ Dolette es dabei. Sie nickte nur sachte und überließ es der dunklen Fürstin weiter zu sprechen. Aber sie ließ wieder einige Zeit verstreichen. Es glitt dieser wehmütige und sehnsuchtsvolle Ausdruck über die fahlen Gesichtszüge der Banshee. Da ergriff die Todesritterin doch das Wort.

"Ich war eben etwas verwundert, dass ihr die Verlassenen als euer Volk bezeichnet. Sicher ihr führt sie an, aber ich hätte gedacht ihr seht euch selbst nicht als eine von ihnen." Es sprudelte einfach aus ihr heraus und innerlich verfluchte Dolette sich schon für ihre Worte. Die ehemalige Waldläufergeneralin schmunzelte allerdings nur, bevor sie begann zu sprechen.

"Das verstehe ich gut. Bis noch vor einigen Tagen hättet ihr damit auch Recht behalten."

"Was hat sich geändert?" Wieder ließ eine Antwort auf sich warten und sie schien wehmütig ihren Gedanken hinterherzuhängen.

"Ich war hoch oben auf dem Frostthron, doch der Lichkönig lag schon in der schwarzen Blutlache, in der ihr ihn zurückgelassen habt. Tot. Der Sinn meines Lebens war aufgebraucht. Ich hatte es einfach verpasst." Eine weitere Pause. Dolette beobachtete die dunkle Fürstin eingehend. Ruhig saß sie auf dem Stuhl ihr gegenüber, schaute auf einen leeren Punkt an der Wand. Ihre graublonden Haare fielen in unsteten Wellen, kraftlos auf ihre Schultern. Dennoch war ihre Haltung äußerst elegant und sie mutete erhaben und schön an. Die Todesritterin wagte nicht zu sprechen und ließ ihr Zeit, ihre Ausführung wieder aufzunehmen.

"Die Verlassenen waren für mich nie mehr als Schachfiguren. Pfeile in meinem Köcher. Nur dazu gut meinem Ziel näherzukommen, den Lichkönig zu Fall zu bringen, aber jetzt ist es anders." Ihr Blick verließ den fixierten Punkt und sie schaute auf ihre, zu Fäusten geballten Hände, die auf ihrem Schoß ruhten. Sie öffnete sie und betrachtete sie eingehend. Plötzlich erschienen acht geisterhafte Frauen im Raum, deren Körper nur schemenhaft zu erkennen waren. Ihre helle Erscheinung beleuchte den dunklen Raum, der auf einmal viel dunkler geworden schien und Eiseskälte breitete sich darin aus. Dolettes Augen weiteten sich. Es waren Kriegerinnen. Es waren Val'kyr. Die Kriegsmaiden des Lichkönigs. Ergeben versammelten sie sich hinter Sylvanas.

"Offensichtlich", stieß die dunkle Ritterin gepresst hervor.

"Ich fiel. Nein ich sprang. Hinab vom Frostthron. Hinab auf den aufgebrochenen Boden aus Saronitgestein. In der Hoffnung, dass ich dort unten das ersehnte Ende finden könnte. Sie ließen mich nicht." Sylvanas schaute sich um. Blickte einzeln in die ausdruckslosen Gesichter der Kriegsmaiden, die ehrfürchtig und schuldbewusst den Blick vor ihr neigten. Sie sagten nichts.

"Sie hielten mich in der Zwischenwelt und zeigten mir was geschehen kann. Was geschehen wird, wenn ich mein Volk und unsere Welt im Stich lasse. Und so boten sie mir einen Pakt, um ihre und auch meine Freiheit zu erlangen. Nun sind sie nicht mehr an den Lichkönig gebunden, sondern an mich." Die Bansheekönigin schaute nun direkt in die geweiteten blauen Augen ihres Gegenübers und entließ die Val'kyr mit einer Handbewegung. Eine nach der anderen verschwand mit einem Flügelschlag ihrer leuchtenden Schwingen. Dolette hielt dem forschenden Blick der Dunkelläuferin stand und ließ das gesagte auf sich wirken. Sie wusste welchem Zweck die Kriegsmaiden unter dem Lichkönig dienten. Und sie sah die Möglichkeiten, die sich dadurch für die Herrscherin der Verlassenen und ihr Volk auftaten. Die Val'kyr waren in der Lage Verstorbene zu ihrem untoten Leben zu erwecken. So war es der Geißel möglich gewesen ihre mächtige Armee zu formen. Und so könnte es nun Sylvanas sein, die ihrem Volk zu Wachstum verhilft.

"Also sind die Maiden nun an euch gebunden, wie vorher an den Lichkönig? Und ihr könnt über ihre Macht verfügen?" Die Bansheekönigin erhob sich elegant zu ihrer vollen beeindruckenden Größe. Ihre roten Augen glommen grell auf. Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich.

"Ich gebiete nun über Leben und Tod", sagte sie gefährlich leise und drehte sich weg.

"Ungeahnte Möglichkeiten, Mylady. Aber auch eine große Bürde." Sylvanas nickte kaum merklich und noch immer abgewandt. Wieder meinte Dolette Sehnsucht in der Aura der dunklen Fürstin zu spüren und tatsächlich stützte sie sich gereizt mit der Faust an der Wand ab, an die sie heran getreten war.

"Zu meinen Lebzeiten war ich die Beste meiner Zunft. Schon früh stieg ich zur Generalin der Waldläufer Silbermonds auf. Ich war schön und vor allem war ich eitel. Mein Dasein als Banshee ließ mich nichts anderes als Qualen und Hass empfinden, bis der Einfluss des Lichkönigs nachließ. Von seinem Einfluss befreit, dachte ich nur noch an Rache. Für diese Rache war ich bereit alles zu opfern." Die Dunkelläuferin schmunzelte bitter.

"Und nun seht was aus mir geworden ist. Noch immer nicht tot, dafür fähig zur Nekromantie. Das Leben noch mehr verlängert, durch einen Pakt mit den ersten Dienerinnen des Lichkönigs höchst selbst. Und immer noch. Immer noch sehne ich mich nach dem Tod", schloss sie ihre Ausführungen mit düsterer Miene ab. Dolette erschrak leicht, bei dem Einblick den die Herrscherin der Verlassenen ihr in ihr Innerstes gewehrte.

"Euer Schicksal ist dem meinen sehr ähnlich, sagt mir wie soll ich einem solchen Leben einen Sinn abgewinnen, Lady Glutklinge?" Sylvanas schaute bei der Frage wieder auf und der forschende Blick ihrer glühendroten Augen drohte Dolette zu verzehren. Für die dunkle Ritterin war es mittlerweile klar und einfach geworden. Marialle war ihr Sinn, im Leben wie im Tode und kurz schweiften ihre Gedanken zu den winzigen Windungen im Antlitz ihrer Königin, die sie manchmal nicht zurückhalten konnte, wenn sie in der Nähe der Hohepriesterin war. Sie verlor sich kurz in dem alles verzehrendem Rot, bevor sie sich zur Ordnung rief und das unheilvolle und gebieterische Blau in ihren eigenen Augen sich dem glühenden entgegensetzte. Die Banshee nickte anerkennend und gehorchte. Sie nahm wieder auf dem Stuhl Platz.

Dolette ließ einige Zeit verstreichen, bevor sie der Meinung war, die Antwort gefunden zu haben, die sie geben wollte.

"Die Verlassenen sind ein zusammengewürfelter Haufen Leichenüberreste, da sind wir uns einig. Aber sie sind euer Volk. Sie haben auch ihre Geschichten und gemeinsam mit ihnen werden wir neue schreiben. Ihr habt euch entschieden und müsst nun damit leben, den Sinn werdet ihr in ihren fahlen Gesichtern, den grauen Augen, den verschlissenen Kleider und den abgewetzten Waffen finden. Es gibt viel zu tun für die Herrscherin von Unterstadt. Wenn ihr die Aufgabe gänzlich annehmt, werdet ihr euren Sinn finden, meine dunkle Fürstin", sagte die Todesritterin äußerst ruhig und in jedes Wort ließ sie ihre Überzeugung fließen, dass es genauso passieren würde. Zum Ende neigte sie ehrfürchtig ihr Haupt und zum ersten Mal schien Sylvanas Windläufer ihren Titel zu akzeptieren. Dolette spürte die gegensätzliche Hitze von Sylvanas Hand durch ihre eisige Schulterplatte strömen und wieder trafen sich der rote und blaue Blick. Diesmal einvernehmlich und dankbar, wie ergeben und zugehörig.

In stillem Einvernehmen erhoben sich die beiden untoten Elfen, warfen ihre Umhänge über und schritten schweigend durch die hölzernen Gänge des Zeppelins, bis sie durch die große Doppeltüre am Ende des letzten Ganges hinaus auf das Deck traten. Eine milde, salzige Brise umspielte sanft die Wellen in den unterschiedlichen Blondtönen der beiden Frauen. Um den Zeppelin türmten sich riesige graue Wolken aneinander und erschwerten die Sich nach vorne und hinauf zu den Sternen. Die Bansheekönigin schloss ihre Augen und schien auf merkwürdige Weise friedlich und geerdet. Offenbar hatten die Worte der dunklen Ritterin sie wirklich erreicht. Dolette betrachtete die dunkle Schönheit eine ganze Weile eingehend und bemerkte dabei nicht, wie eine gedrungene Gestalt leise an ihre Seite getreten war.

"Herrin, ich komme grade von der Brücke. Wir steuern direkt auf ein gewaltiges Unwetter zu. Vielleicht solltet ihr lieber wieder unter Deck gehen." Dolette fuhr zusammen und riss ihren Blick von der dunklen Fürstin los. Das zerschlissene, unterkieferlose Gesicht des Hexers sprach Bände. Sorge, wenn nicht sogar Panik lag in den sonst so ausdruckslosen grauen Augen. Seine Dämonin kam Augenblicke später an seine Seite und strahlte die Todesritterin an.

"Die Herrin und die Königin, Susannes Übung zugucken? Fein, fein!", flötete sie leicht hin und wahrte einen gebührenden Abstand zu Dolette. Noch bevor die Todesritterin etwas erwidern konnte erhellte ein gewaltiger Blitz die Szenerie und beschien die untoten Gestalten auf magisch anmutende, aber auch bedrohliche Weise. Wenige Herzschläge vergingen und ein donnerndes Dröhnen durchbrach die Stille der Nacht. Endlich regte sich die Herrscherin der Verlassenen und trat an die kleine Gruppe. Ihre roten glühenden Augen huschten wach über die Weiten an Wolken, in denen es immer wieder aufleuchtete.

"Wir sind schon mitten drin", presste die Dunkelläuferin zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ein weiterer Blitz, aus einer ganz anderen Richtung erhellte die fahlen Züge der Bansheekönigin, die immer mehr besorgt aussah. Nur drei Herzschläge vergingen und ein weiterer ohrenbetäubender Donner erschütterte die Nacht.

"Kinnab, gebt Pestrufer Marris Bescheid und warnt unsere Männer. Ich gehe zum Kapitän und werde ihm sagen, dass er umgehend den Sinkflug einleiten muss. Vielleicht sollten wir sogar notlanden. Ihr kümmert euch um Marialle?", befahl Sylvanas und wandte sich mit ihrer Frage an Dolette. Diese nickte nur entschlossen und setzte sich zusammen mit Plagg und Susanne in Bewegung zurück in die verworrenen Gänge der Wolkenkuss. Bevor sie durch die große Flügeltüre trat, drehte sie sich noch einmal um und schaute ihrer Königin nach die sich nun entschlossen durch den einsetzenden Regen und das laute Getöse des stärker werdenden Sturms schob.

Plagg rannte Richtung Bug, in den Gang der ihnen am nächsten war. Die Todesritterin warf ihrem Diener noch einen Blick zu, den er nickend erwiderte, bevor sie sich zu den groben Stufen wandte, die auf der anderen Seite des Ganges waren. Ein weiteres Donnern dröhnte durch die Holzkonstruktion der Wolkenkuss und Dolette zog ihr Tempo weiter an. Ihre langen Beine trugen sie geschwind über die vielen Treppen und durch die unübersichtlichen Gänge. Auf ihrem Weg berichtete sie jedem Verlassenen was um den Zeppelin in den Wolken tobte und dass man sich auf eine Bruchlandung gefasst machen müsse. Bis sie endlich die Tür zu ihrer Kabine erreichte. Unwirsch stieß die dunkle Elfe die klappernde Türe auf und stürzte an das Bett in dem ihre Liebste noch immer lag.

"Mari!"
 

Das Donnern war ohrenbetäubend und riss sie unsanft aus ihren Träumen. Jemand riss die Türe zu ihrer Kajüte auf und kam schnellen Schrittes an ihr Bett geeilt. Die gebieterische Stimme ihrer geliebten dunklen Elfe drang durch das Dröhnen an ihre Ohren. Für den Bruchteil eines Herzschlages befürchtete Marialle, dass sich das Wesen der Todesritterin wieder gewandelt hatte, doch als sie kurz ihre Augen öffnete, sah sie in sorgenvolle, leuchtend blaue Augen. Dolette legte eine kalte Hand sanft auf die Wange der Priesterin und augenblicklich trat der warme Goldton in das leuchtende Blau, die Sorge aber blieb. "Guten Mor..." Die dunkle Ritterin ließ sie nicht weiter sprechen.

"Keine Zeit für Erklärungen. Wir sind mitten in einem gewaltigen Sturm. Sylvanas gibt grade Befehl, dass wir notlanden, wenn nötig." Augenblicklich schalteten sich die Sinne der Hohepriesterin ein und sie nahm das Grollen ganz deutlich wahr, das die Holzplanken erschütterte, welche die Wolkenkuss zusammenhielten. In den Pausen war das beständige Aufschlagen der Regentropfen zu vernehmen die hart gegen die Außenwände des Luftschiffes prassten. Sie konzentrierte sich und konnte spüren wie gewaltig das Unwetter war, das um sie herum tobte.

"Es ist riesig und wir sind mitten drin", stieß sie hervor. Dolette schluckte hart und nickte kaum merklich.

"Komm!", befahl die Todesritterin und zog ihre Liebste mit sanfter Gewalt aus den Kissen.

"Zur Brücke." Marialle nickte nur und warf sich ihren langen, hellen Mantel über.

Kaum aus der Türe der Kabine getreten, geriet der Zeppelin stark ins Wanken und brauchte einige Momente bevor er sich wieder stabilisiert hatte. Dolette ergriff die Hand ihrer Liebsten und zog sie rasch zurück durch die verworrenen Gänge. Sie stürzten die Treppen hinauf und konnten einen Blick durch die immer wieder auffliegende Doppeltür erhaschen. Der Himmel draußen wurde in immer schnelleren Abständen von Blitzen erhellt und das darauf folgende Donnern ließ die Wolkenkuss von Mal zu Mal stärker erzittern. In Böen peitschte der Wind den Regen übers Deck. Niemand war zu sehen. Die Elfe zog sie weiter, an der Tür vorbei. Durch einen langen Gang auf die andere Seite des Schiffes.

"Das ist doch kein normales Unwetter", sprach Marialle erschrocken nach einem weiteren ohrenbetäubenden Donner.

"Ich weiß es nicht", antwortete die Todesritterin auf ihre schlichte Art. Sie erreichten die Brücke, auf der alles in heller Aufregung war. Verlassene liefen hin und her, rein und raus. Der Kapitän, ein Verlassener in dunkelroter Uniform mit dreieckigem Hut und riesigem Säbel am Hüftgürtel, brüllte Befehle. Instrumente wurden kontrolliert und Hebel und Schalter eilig umgelegt. Einzig die Bansheekönigin stand vor der großen Glasfront und schaute hinaus in das wilde Treiben. Der Anblick war angsteinflößend und die Priesterin spürte wie Panik in ihr hochkroch. Die kühle Hand die noch immer ihre hielt, riss sie aus ihrer Starre und sie ließ sich an die Seite der Dunkelläuferin ziehen.

Sie schaute sich nicht um, dennoch sprach sie die beiden Neuankömmlinge direkt an.

"Schön euch wohlauf zu sehen, Marialle. Ihr beide habt nicht zufällig einen Plan auf dem Weg hierher ausgearbeitet?" Die schwere Stimme der dunklen Waldläuferin klang kalt und kraftlos, wenn auch ein Funken Hoffnung in ihr mit schwang, eine positive Antwort auf ihre Frage zu bekommen.

"Nein, Mylady. Dieses Unwetter ist gewaltig. So etwas habe ich noch nie gesehen", erklärte Dolette. Sylvanas nickte nur abwesend und drehte sich um.

"Begleitet mich, vielleicht können wir drei etwas ausrichten, was sonst niemand kann", befahl sie und die beiden anderen Frauen tauschten einen raschen Blick, bevor sie sich ebenfalls umdrehten. Sie gingen eiligen Schrittes an dem wilden Gewusel aus Verlassenen vorbei.

"Haltet euch bereit, Kapitän Kryoflug!", rief die ehemalige Waldläufergeneralin noch während sie den großen Raum verließen. Zielstrebig eilten sie zurück durch den großen Gang hinaus an Deck. Der Wind wirbelte die dunkle Robe der Priesterin wild auf und ihre Haare, augenblicklich durchnässt, peitschten in ihr Gesicht. Dolette und Sylvanas erging es mit ihren Umhängen und langen blonden Haaren nicht besser. Das Dröhnen der Donner erschütterte die Holzkonstruktion und das Schiff ächzte unter der Last des Windes.

An der Reling blickte Sylvanas an dem riesigen Ballon vorbei unbeweglich gen Himmel. Marialle folgte ihrem Blick und was sie sah, ließ sie erstarren. Hoch oben, über der Wolkenkuss war ein runder schwarzer Kreis zu erblicken, in dem hier und da ein Stern funkelte. Um den Punkt herum kreisten die tobenden Wolken. Eine plötzliche Handbewegung von der Dunkelläuferin riss die Hohepriesterin von dem Anblick los und sie starrte in die Richtung in die die graue Hand deutete. Ein greller, purpurfarbener Blitz wehrte grade einen anderen ab. Darauf folgte ein lautes Krachen.

"Wir müssen die Blitze abwehren sonst steht der Zeppelin schneller in Flammen, als wir Dämon sagen können. Meint ihr, ihr könnt das noch? So einen Schild aufbauen, wie damals über dem Steinkrallengebirge?", fragte die Banshee hoffnungsvoll. Marialle war kurz verwirrt. Die Einnerung an den Ritt auf den Greifen, zusammen mit Jaina und den anderen, hinauf zur Höhle des Wehklagens wurde jäh verdrängt. Sylvanas hatte sich verändert und das irritierte sie. Hatte sie es geblendet von ihrer eigenen Qual vorher nicht bemerkt? Sie rief sich zur Ordnung und schaute in die fragenden und forschenden Augen ihrer Liebsten. Entschlossen nickte sie und die Miene der Todesritterin hellte sich leicht auf.

"Das werden wir jetzt sehen, meine Königin.", kam es entschlossen aus den blutleeren Lippen, die sich angriffslustig zu einem kleinen Grinsen verzogen. Sie hatte die Priesterin nicht aus ihrem goldenen Blick entlassen, während sie sprach und Marialle meinte das Licht in ihren Augen kurz aufflackern zu sehen. Ihr blondes Haar fügte sich in das Bild ein und Marialle rief sich ihr Gefühl von damals ins Bewusstsein. Sie wollte beschützen. Sie brauchten einen Schild, einen riesigen Schild. Vor ihrem geistigen Auge formte die Priesterin den goldenen Schild der sie und die ihren schon so oft schützte. Er breitete sich aus. Um ihre Geliebte um die dunkle Fürstin. Umschloss das knarrende Holz, den riesigen Ballon. Ein Blitz schlug ein. Marialle spürte die Belastung augenblicklich. Der eisige Griff um ihre Hand wurde stärker. Sie sah auf in die schimmernden Augen, aus denen nun sanfte goldene Rauchschwaden aufstiegen, die sich im hellen Blond der Haare Dolettes verloren. Der entschlossene Blick ihrer Liebsten gab ihr Kraft und sie spürte die Energie durch sich fließen. Ein stumpfes Geräusch ließ Marialle aufschauen. Sylvanas war auf ein Knie gesunken, doch warf sie noch immer einen ihrer purpurfarbenen Blitze denen die aus den Wolken schossen entgegen. Sie erwiderte den erschrockenen Blick der Priesterin matt und lächelte leicht.

"Wirklich beeindruckend, dieses Licht." Das war zu erwarten. Das heilige Licht, das zumindest von Marialle ausging war pures Gift für die ganzen Untoten an Bord der Wolkenkuss. Womöglich erging es den Verlassenen unter Deck keinen Deut besser. Zumindest Dolette schien davon unberührt. Der Zeppelin neigte seinen Bug bedrohlich gen Boden und nahm an Geschwindigkeit zu. Marialle war sich nicht sicher ob dies noch vom Kapitän ausging. Um sie herum wurden die Wolken immer schneller und schienen einen Strudel zu bilden. Nein einen Tornado. Die Hohepriesterin sandte ein Stoßgebet zum Licht. Der Wind sauste in ihren Ohren und peitschte in ihr vor Anstrengung verzerrtes Gesicht. Wie in Zeitlupe sank Sylvanas nun gänzlich auf die Holzplanken und augenblicklich spürte sie die zunehmende Belastung, der auf den goldenen Schild einschlagenden Blitze. Sie verstärkte den Druck auf die kühle Hand ihrer Liebsten und biss die Zähne zusammen. Das würde nicht mehr lange gut gehen.



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