Auswegslos
Shou - hochfliegen, fliegen
Kapitel 22 - Auswegslos
Obwohl Kagome mit dem Fuß hängen blieb, gelang es ihr beinahe im selben Augenblick ihren Sturz abzubremsen, sodass sie Glück im Unglück hatte. Der heftige Kontakt allerdings, mit dem mitgerissenen etwa faustgroßen Stein, entlockte ihr einen Schrei. Schmerz raste durch ihr Bein und die Stelle brannte wie Feuer. Außerdem riss ein scharfkantiger Brocken eine tiefe Furche in ihre Haut am Arm, die sofort blutete. Dazu noch der Schmerz ihres bereits geschädigten Rückens war zu viel. Ihr wurde es übel und dann schwarz vor Augen. Danach verlor sie glücklicherweise die Besinnung, denn hätte sie miterlebt, was als Nächstes geschah, wäre sie womöglich vor Entsetzen gestorben.
Der blasse cremeweiße Körper mit den dunklen Flecken am Kopf schob sich über die Steine zu ihr hin. Die Mutter der Schlangen züngelte mit ihrer gespaltenen Zunge über Kagome Gesichts, bevor sie ihr Maul öffnete, sie packte und dann in die Fluten eintauchte. Nur wenig später langte sie in einer Höhle an und legte die junge Frau auf rauem, feuchtem Felsgestein ab. Danach verließ sie selbst das Wasser und ringelte sich in der übergroßen unterirdischen Halle zusammen.
Zufrieden schweifte ihr Blick umher und sie unterzog der hier überall an den Wänden und Nischen gelagerten Brut, ihre Enkel, Urenkel und deren Kinder oder Kindeskinder, einer genaueren Betrachtung. Bald würde die nächste Generation schlüpfen und hinausziehen, um die Menschen zu peinigen. Sie selbst hatte die Stätte schon lange nicht mehr verlassen, da sie seit dem Ableben ihres Gefährten, nur noch die Hüterin der Nachkommen sein wollte. Sie zog die Dunkelheit vor und deswegen verblasste auch ihre einst so schöne gelbe Farbe.
Stöhnend rührte sich der Mensch und lenkte sie ab. Neugierig schaute die Mutter der Schlangen auf die Heilerin, die aber nicht erwachte. Sie fragte sich, was ein Spinnendämon wie Himitsu mit diesem vergänglichen Fleisch vorhatte.
Als hätten ihre Gedanken ihn herbeigezaubert, erschien der Lord auf der Bildfläche, untersuchte die Bewusstlose und erhob sich dann mit einem überlegenden Lächeln.
"Gute Arbeit", lobte er.
Dann nahm er Kagome auf seine Arme und ging fort, hinein in die Tiefe des Berges, um durch den Kanal hindurch zum Untergeschoss seines Wohnsitzes zu gelangen. Am Eingang des Tunnels blieb er stehen und erlaubte: "Hol dir den Hanyou! Sein Überleben ist nicht mehr von Belang, für mich."
Freudig erregt glitt die Schlange ins Wasser, tauchte durch den darunter liegenden Ausgang, um ins Freie zu gelangen. Deswegen hörte sie nicht mehr, wie Naraku lachte und prophezeite: "Schwimme ruhig in deinen Untergang. Inuyasha wird dir den Garaus machen." Denn daran hegte er nicht den geringsten Zweifel. Er hoffte nur, dass sie vorher nicht noch plauderte.
Im Stillen ging er seine weiteren Pläne durch. Die Lage der Höhle und den oberirdisch gelegenen Haupteingang, der sich in einem kleinen Seitental in der Nähe befand, wollte er einigen Dämonenjägern zu spielen, damit diese Leute sich um die Brut kümmern konnten. Die Menschen in den umliegenden Dörfern zahlten sicherlich reichlich, um die lästigen Youkai loszuwerden.
Zufrieden mit seinem bisherigen Erfolg, setzte er seinen Weg fort, öffnete eine verborgene Schleuse, damit mehr Wasser in den Kanal strömt und den Zugang zum Anwesen verbarg.
Beim Weitergehen warf er einen Blick auf die ruhende Gestalt in seinen Armen. "Endlich Kagome. Nun bist du mein."
Ihren Körper zu spüren, den zarten Geruch einzuatmen und in das blasse Antlitz zu blicken, versetzte ihn in einen Taumel aus Begierde. Noch musste er sich beherrschen, denn wesentlich wichtiger war, dafür zu sorgen, dass sie nicht starb. Das kalte Wasser, die nasse Kleidung und ihre Blessuren konnten ihren Tod bedeuten.
Der Lord eilte deshalb zum Haupthaus, brachte die Miko in einen, für sie vorbereiteten Raum, und legte sie auf dem Futon ab. Die Augen des dunkelhaarigen Dämons leuchteten auf, als er eine nasse Strähne aus dem Gesicht der Ohnmächtigen streifte. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und küsste zart die blau angelaufenen Lippen. Damit hielt er sich nicht auf, sondern entfernte die feuchten Sachen, wickelte seine zukünftige Gefährtin in dicke Decken und verband die Wunde am Arm. Da sie jedoch mehrmals aufstöhnte, besonders wenn er sie bewegte oder ihr Bein berührte, schickte er nach Daisukes Diener.
Der Falke, der Shou genannt wurde, verstand ein wenig von Heilkunst und es dauerte nicht lange, bis dieser erschien, gefolgt vom Falkenfürsten.
Lange und intensiv tastete der Diener das Knie und das Bein ab, betrachtete den Knöchel der jungen Frau. Nach einer Weile stellte er eine Vermutung an: "Herr, das Bein scheint gebrochen zu sein. Vermutlich handelt es sich um eine einfache Verletzung, sollte aber nicht bewegt werden. Ich werde es ruhigstellen."
"Kümmere dich um sie!", befahl Naraku und schritt zur Tür. Von dort sah er leicht zögerlich zurück. Den Falken gegenüber vermied er es Gefühle zu zeigen, obwohl er am liebsten Kagome nicht einen Augenblick aus den Augen gelassen hätte. Er sah die Notwendigkeit ein, trotzdem nagte da ein wenig Eifersucht an ihm. Besonders die Tatsache, jemand anderes berührte die junge Frau, gefiel ihm gar nicht.
Doch seine früheren Fehler wiederholte er nicht. Er konnte es sich nicht leisten einen ganzen Clan gegen sich aufzubringen, vor allem da die Falken sehr nützlich waren und ihm sicherlich auch in Zukunft gute Dienste leisteten.
Während dieser Gedanken wechselte er einen Blick mit Daisuke, nickte ihm leicht zu. Dem anderen Fürst vertraute er merkwürdigerweise und stellte dessen Ehre nicht infrage. Kagomes Gesundheit hatte im Moment Vorrang und seine Gefährtin befand sich nun in den besten Händen, davon war er überzeugt. Deswegen sollte er Geduld aufbringen und versuchen sich abzulenken. Immerhin hatte er noch einiges zu tun, entschuldigte sich kurzerhand bei den beiden Dämon und verließ das Gemach, überließ es aber der Wache davor, den Eingang zuzuschieben.
Daisuke sah ihm kurz hinterher und gewährte dann seinem Nestbruder Hilfe, jedoch erst, nachdem eine der menschlichen Frauen vom Personal die Kranke gereinigt und angemessen bekleidet hatte. Diese Dienerin wurde ebenso beauftragt, in den nächsten Tagen für Kagome Nahrung zuzubereiten.
Während der körperlichen Reinigung erlangte die Heilerin kurz das Bewusstsein zurück und ihr erster Gedanken galt Inuyasha. Sie fragte nach ihm, erhielt aber keine direkte Antwort.
Kapitel 23 - Spurlos verschwunden?