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Digimon Alpha Generation

Sieben Jahre nach Tamers
von  Alaiya

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Episode 10: Ein Tag am Meer

Hi!
Hat nun doch etwas gedauert mit dem Kapitel, aber nun ist es da. Zwar ohne Kampf, aber treibt die Handlung doch etwas voran :P
Wie ihr seht, gibt es in der Charaübersicht jetzt endlich komplett Computercolorierte Bilder :) Und wenn ihr auf die Illustrationen schaut, gibt es auch noch eine Illustration von Kayako. Solche Illustrationen werden jetzt nach und nach zu allen Charakteren kommen, auch wenn ich erst einmal üben muss, dass ich Dracomon zeichnen kann <.< Allerdings: Als erstes kommt ein Cover! :3

Genug des Gelabers - Viel Spaß bei Episode 10.


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Episode 10: Ein Tag am Meer

„Wie geht’s deiner Hand?“ Shuichons Stimme ließ Denrei zusammenzucken, als er – es war bereits früher Abend – gegen die Wand der Hütte im Shijuku Central Park gelehnt saß, das dösende Dracomon zu seinen Füßen.
„Erschreck mich nicht so“, murmelte er, wobei er sie jedoch nicht einmal ansah.
Coronamon hingegen kam dem Mädchen schon entgegen gerannt, da es die Tüte in ihrer Hand erblickt hatte. „Hast du etwas zu Essen für uns dabei?“, fragte es erwartungsvoll.
„Hmm?“, machte Shuichon.
Nun sprang Lopmon, das die letzte Nacht bei ihr zuhause verbracht hatte, von ihrem Kopf und landete vor Coronamon auf dem Boden. „Du bist ganz schön gefräßig, weißt du das?“
„Von wegen“, erwiderte das löwenmähnige Digimon daraufhin. „Ich habe heute noch gar nichts gegessen! Überhaupt nichts.“ Es machte eine beleidigte Miene. „Der hat schon wieder nur für seinen Minidino was mitgenommen.“ Damit zeigte er beleidigt auf Denrei.
„Ich kann euch halt nicht mit durchfüttern“, erwiderte er. „Dafür reicht mein Taschengeld nicht, okay?“
Dies kommentierte Shuichon nur mit einem Seufzen, das von einem Schulterzucken gefolgt wurde. Dann stellte sie die Tüte auf den Boden, wo Coronamon und Lunamon, das sich bisher zurück gehalten hatte, sich auch schon darüber hermachten.
„Wie geht es deinem Arm?“, fragte sie nun und setzte sich neben Denrei, der nur mit den Schultern zuckte.
Noch immer zierte ein gelblicher Gips seinen rechten Arm vom Gelenk bis zu den Fingern. „Der Gips juckt, es tut weh, aber was soll’s“, murmelte er desinteressiert.
„Was ist los mit dir?“, fragte sie daraufhin.
„Was sollte los sein?“, erwiderte er.
„Du bist so abweisend“, antwortete sie. „Gegenüber mir, den anderen und den Digimon.“
Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. „Ach ja?“
„Seit der Sache vor zwei Wochen…“ Damit meinte sie jenen Tag, an dem das Mädchen, über dessen Identität sie immer noch nichts herausgefunden hatten, dafür gesorgt hatte, dass aus dem Stadtpark ein Urwald wurde. Der Tag, an dem es Denrei die Hand gebrochen hatte. „Du bist so anders, als ich dich kenne.“
„Als du mich kennst?“, fragte er und machte ein verächtliches Geräusch. „Du kennst mich doch nicht.“
„Denrei“, begann sie, doch er stand auf.
„Ich gehe nach Hause. Mein Vater macht mir schon genug Probleme.“ Mit diesen Worten bückte er sich und streichelte Dracomon zwischen den Hörnern.
„Was ist?“, murmelte es und blinzelte.
„Ich gehe nach Hause.“
„Schon?“, jammerte es.
„Ja, tut mir leid“, erwiderte er und wandte sich zum gehen. Doch er war keine fünf Schritte gegangen, als Shuichon ebenfalls aufstand. „Warte doch mal“, rief sie.
„Hmm?“, machte er nur.
„Ich hatte vorhin mit meinem Bruder, Ryou und Yamaki gesprochen“, sagte sie. „Ryou hatte vorgeschlagen, das wir am Wochenende etwas zusammen unternehmen. Wir wollen mit den Digimon nach Choshi an den Strand fahren.“
„Strand?“ Das noch immer fressende Coronamon horchte auf.
„Ans Meer?“, fragte nun auch seine Schwester.
Das Mädchen nickte. „Genau“, antwortete sie. „Und ich wollte dich fragen, ob du nicht mitkommen willst. Für Dracomon wäre es sicher auch eine nette Abwechselung.“
„Als ob mein Vater das erlauben würde“, murmelte er nur. „Vergiss es.“
Seufzend trat sie hinter ihn. „Denrei, wenn es wirklich nur um deinen Vater geht, lass es Yamakis Sorge sein. Er denkt sich was aus.“
„Das wird nicht funktionieren.“
„Denrei“, murmelte sie.
Er schulterte seine Schultasche. „Ich gehe jetzt.“ Damit ging er schon die Treppe auf den eigentlichen Parkweg hinab, während Shuichon mit verschränkten Armen bei den Digimon stehen blieb.
„Du wirst schon noch sehen…“, meinte Shuichon nur und streckte ihm die Zunge raus – auch wenn er das nicht mehr sah.
 
Sein Vater stand in der Küche und telefonierte, als Denrei nach Hause kam, legte aber auf, noch während der Junge seine Schuhe in der Diele auszog und in die Filzpantoffeln schlüpfte, um schnellstmöglich in sein Zimmer zu gelangen.
„Du fährst über das Wochenende weg?“, fragte sein Vater, grade als er sich an der Küche vorbei schleichen wollte.
„Hä?“ Viel mehr brachte er nicht hervor.
„Eine Lehrerin von der Abendschule hat bei mir angerufen, dass ihr über das Wochenende in ein Lerncamp fahrt“, erwiderte sein Vater mit leicht warnendem Ton. „Wolltest du mir das verschweigen?“
„Aber…“, setzte Denrei an, da ihm schwante, was dahinter steckte.
„Ist am Wochenende wieder irgendein Turnier von deinen Kinderspielen?“
Der Junge zuckte mit den Schultern.
„Deine Lehrerin – Yamaki-san? – sagte, dass du mit einem Minibus am Samstag in der Früh abgeholt wirst, also sei morgen früh zuhause“, antwortete Doktor Yuki. „Deine Noten müssen besser werden, das weißt du.“
Erneut zuckte Denrei mit den Schultern. „Wie du meinst…“ Damit ging er an seinem Vater vorbei. „Ich bin in meinem Zimmer.“
„Mach deine Hausaufgaben.“
„Ja ja“, murmelte er genervt und öffnete die Zimmertür, nur um sie einen Moment später, als er den Raum betreten hatte, hinter sich zuzuschlagen. Also hatte Shuichon ihn eigentlich nicht einmal fragen wollen. Was wusste sie denn schon? Wenn sein Vater herausfand, dass sie nicht zum Lernen wegfuhren und Reika nicht seine Lehrerin war, würde er es sein, der den Ärger bekam. Aber das Mädchen würde das wohl nicht verstehen oder es war ihr egal. Sie konnte ihn ohnehin nicht verstehen…
 
Der Freitag verging, ohne das Shuichon im Park auftauchte, und ehe sich Denrei versah war es Samstagmorgen. Um genau zu sein war es Samstagmorgen um halb acht, als er – noch im Halbschlaf – über seiner Schüssel Cornflakes saß und einmal wieder seinen Vater verfluchte, der ihn vor einer Dreiviertelstunde aufgeweckt hatte.
Reikas Lächeln war perfekt. Nicht zu vertraut, aber durchaus respektvoll freundlich. Auch wenn Denrei, der sie vor zwei Wochen das erste und einzige Mal gesehen hatte, sie nicht wirklich kannte, verdrehte er die Augen.
„Sie sind Yamaki-sensei?“, fragte sein Vater.
„Sehr wohl“, erwiderte sie freundlich und mit weiterhin unerschütterlichem Lächeln.
„Wann kommen Sie wieder?“
„Der Bus wird ihren Sohn morgen Abend wieder hier absetzen“, antwortete sie. „Ist er abfahrbereit. Die anderen Schüler warten unten im Bus.“
„Was unterrichten sie eigentlich?“, erkundigte sich nun der Mann, während er seinem Sohn deutete, dass dieser seine Sachen aus seinem Zimmer holen sollte.
Wenn Reika jetzt falsch antwortete, würde er Ärger bekommen – das war Denrei klar, während er im Flur stehen blieb und auf die Antwort wartete, um im Notfall rechtzeitig die Flucht ergreifen zu können, doch die Stimme von Yamakis Frau blieb freundlich.
„Mathematik“, antwortete sie.
„Was ist mit Chiyase-sensei?“ Das war der Name Denreis eigentlicher Mathematiknachhilfelehrerin.
„Sie ist die eigentliche Lehrerin, der Nachhilfeklasse“, erwiderte Reika korrekt. „Aber sie ist im Moment krank und ich bin ihre Vertretung.“ Eine glatte Lüge, wenngleich Frau Chiyase am Mittwoch tatsächlich Vertreten worden war und Denrei sich hatte mit einem Großväterchen, das seine Pensionierung verpasst hatte, herumschlagen dürfen, der nicht einsah, dass der Junge mit der gebrochenen Hand nicht schreiben konnte.
„Beeil dich, Denrei“, erklang nun die mahnende Stimme seines Vaters. „Ich muss auch gleich zur Arbeit…“, setzte er grummelnd hinterher.
Was hatte er so für eine Wahl? Er nahm sich seinen gepackten Rucksack, indem natürlich keine Hefte zu finden waren, und schulterte ihn, während er noch nach seinen Karten griff und so zur Wohnungstür zurückging.
„Passen sie gut auf ihn auf“, meinte Herr Yuki.
„Worauf sie sich verlassen können“, antwortete Reika und legte ihre Hand auf Denreis Rücken, um ihn den die Appartements verbindenden Balkon entlang zur Treppe zu schieben. „Bis morgen“, rief sie noch, als sie die Treppe erreichten.
Denrei verabschiedete sich nicht.
Tatsächlich wartete an der Seite des Hauses vor dem Eingang zur Tiefgarage, ein Minibus, der allerdings jetzt schon hoffnungslos überfüllt war. Yamaki saß am Steuer, während der Platz neben ihm frei war, jedoch auf dem dritten Beifahrersitz den das Fahrzeug hatte, saß Jenrya. Auf der mittleren Reihe quetschten sich Ruki, Ryo und ein Kind, das Denrei noch nicht gesehen hatte, während auf den hinteren Sitzen Lopmon, Coronamon, Lunamon, Dracomon und Shuichon saßen. Terriermon saß auf Jenryas Kopflehne, doch von Renamon und Monodramon war nichts zu sehen.
„Steig ein“, meinte Reika und schob die hintere Wagentür auf.
„Wie soll ich da noch reinpassen?“, fragte Denrei gereizt.
„Jetzt komm schon!“, rief Shuichon grinsend und hielt ihm die Hand entgegen. Auf diese Hilfe verzichtete er jedoch und kletterte so in den Wagen, wo er sich zu seinem Leitwesen neben sie setzen musste.
Als auch Reika auf dem Beifahrersitz saß, drehte sich Yamaki nach hinten. „Können wir losfahren?“
„Jaaaaa~ Fahren!“, schrie das Kind neben Ruki, ehe irgendjemand anderes antworten konnte.
Das ältere Mädchen strich ihr durch das Haar. „Sei nicht so laut“, meinte sie, bekam dafür aber nur die Zunge heraus gestreckt.
 
Die Fahrt dauerte lange. Sehr lange. Jedenfalls kam es Denrei so vor, während er sich nicht sicher war, wer nerviger war. Shuichon, die die ganze Zeit versuchte, ein Gespräch mit ihm anzufangen, und dabei scheinbar nicht verstand, dass er wütend auf sie war, Namiko, das kleine Mädchen, bei dem es sich um die Tochter von Yamaki und Reika handelte, und sich so verhielt, wie es fünfjährige taten, oder Coronamon und Lunamon, die immer wieder Streitereien anfingen.
„Was ist ein Meer?“, fragte Dracomon, nachdem Yamaki verkündet hatte, dass sie bald da wären.
„Ein Meer?“, harkte Denrei nach und holte Luft, weil er nicht wirklich wusste, wie er es dem Digimon erklären sollte, als Lunamon schon begeistert anfing zu erzählen: „Ein Meer, dass ist ganz viel Wasser, so wie ein riesiger See! Du siehst das andere Ufer gar nicht. Einfach toll!“, schwärmte es.
„Aber kommt nicht auf die Ideen, mich auch nur in die Nähe des Wassers zu bringen“, schmollte Coronamon. „Ich bleibe am Strand und vor allem in der Sonne!“
„Macht Meer Spaß?“, fragte Dracomon weiter.
Namiko, die sich schon sicher das dritte Mal auf der Fahrt von ihrem Anschnallgurt befreit hatte, stand auf den Sitz und sah über die Lehne zu dem Digimon. „Natürlich macht Meer Spaß! Meer ist toll!“
Seinen Blick wieder aus dem Fenster schweifen lassend seufzte Denrei. Mit diesem chaotischen Haufen sollte er also das Wochenende verbringen? Bisher hatte man ihn nicht einmal aufgeklärt, wo sie die Nacht verbringen würden.
Mittlerweile fuhr der Wagen eine Klippe entlang, so dass auf der rechten Seite das Meer zu erkennen war, was die allgemeine Stimmung zu heben schien. Schließlich sah Denrei ein, dass es kein Sinn hatte.
„Wo übernachten wir eigentlich?“, fragte er.
Reika zuckte daraufhin mit den Schultern. „In einer Jugendherberge.“
„Und die Digimon?“
„Wir bleiben im Auto“, erwiderte Terriermon. „Ich meine, Lopmon und ich könnten als Plüschtiere auch mit in die Herberge, aber Moumantai. Wir sind ja keine Kameradenschweine.“
Daraufhin zog der Junge eine Augenbraue hoch. Die Digimon würden ohnehin auffallen, egal ob sie mit in die Herberge kamen oder nicht. Digimon am Stand…? Das konnte wirklich heiter werden.
 
„Nimm das“, rief Lunamon. „Und das!“ Dabei spritzte es Dracomon unaufhörlich mit Wasser voll, während dieses immer weiter zurück wich.
„Haha, lass das, Lunamon“, lachte es. „Na warte, Aquaschlag!“ Damit fuhr es herum und warf mit seinem Schwanz eine ganze Welle auf, die über Lunamon schwabbte und dieses kichernd im seichten Wasser zurück ließ.
„Was du kannst, kann ich schon lange“, meinte das Dinodigimon daraufhin triumphierend.
Da kamen Lopmon und Terriermon angeschwebt und landeten neben ihnen, wobei Terriermon auf dem Kopf des anderen stand. „Na, da passt mal auf“, meinte es fröhlich, als die beiden begannen sich synchron um die eigene Achse zu drehen. „Riesenwassertornado!“ In einer hohen Fontäne stieg das Wasser um sie herum auf und wirbelte durch die Luft, wobei es sich gleichmäßig über die anderen spielenden Digimon und den Strand verteilte.
„Passt doch auf!“, protestierte Coronamon, als es unter den Sonnenschirm flüchtete, unter dem Denrei saß und auf das Meer hinaus starrte.
„Hab dich nicht so, Coronamon“, rief Shuichon, die im Badeanzug und mit einem Wasserball in der Hand ebenfalls im Meer stand, wo sie bis einen Moment zuvor mit Namiko, Ruki, Jenrya und Ryou gespielt hatte, ehe auch sie durch die beiden Digimon eine Dusche umsonst bekamen.
„Ha, jetzt hole ich mir den Ball!“ Damit startete Namiko nun einen Angriff auf das chinesische Mädchen, das jedoch schnell genug schaltete und den Ball in die Luft hob.
„Ach ja?“
Da hob Ryou das Kind hoch, so dass sie den Ball zu fassen bekam, ihn der Älteren jedoch nur aus der Hand schlagen konnte. „Ja“, meinte er grinsend.
„Ich hab ihn! Ich hab ihn!“ Monodramon hastete zu dem Ball, schob ihn aber mit den Wellen, die es dabei erzeugte, immer weiter in Richtung des tieferen Wassers.
Nun winkte das Kind zum Strand hinüber. „Mama, Papa, kommt doch auch rein!“
Daraufhin richtete sich Reika, die es sich zuvor auf einem klappbaren Liegestuhl bequem gemacht und sich gesonnt hatte, auf. „In Ordnung, warte einen Moment, Schatz!“, rief sie zurück.
„Muss das sein?“, murmelte Yamaki und sah zu ihr auf, da er selbst auf einem Badelaken im Sand saß.
Seine Frau zwinkerte ihm zu. „Ja, muss es.“ Und kurz darauf waren Denrei, Coronamon und Renamon die einzigen, die am Strand verblieben waren.
Der Junge legte die Arme um die angezogenen Beine und sah zu den anderen. Wieso hatte er überhaupt mitkommen sollen? Es war doch klar, dass er mit dem Gips nicht ins Wasser konnte und nun saß er am Strand, zusammen mit zwei wenig gesprächigen Digimon, während sich die anderen alle um eine kleine Nervensäge von einem Kind kümmerten. Tolles Wochenende, und wenn er Pech hatte würde er trotzdem riesigen Ärger bekommen.
„Was hast du, Den?“, erklang auf einmal eine Stimme neben ihm, die ihn aufsehen ließ.
Dracomon ließ sich in den groben Sand neben seinem Tamer fallen und rieb seine Schnauze an dessen Schulter.
„Was sollte ich haben?“, erwiderte er und drehte sich, um die Drachennase zu streicheln.
„Du siehst unglücklich aus“, meinte das Digimon besorgt. „Wieso spielst du nicht mit uns?“
Denrei seufzte und hielt ihm den Gips hin. „Der muss dran bleiben“, sagte er. „Und darf nicht nass werden.“
Obwohl Dracomon sich mittlerweile an den Gips gewöhnt hatte, schnupperte es daran. „Das Ding ist komisch.“ Es sah dem Jungen ins Gesicht. „Bleibt das jetzt für immer dran?“
„Nein“, antwortete der Junge. „Nur noch ein oder zwei Wochen.“
„Können wir dann wieder zusammen spielen?“, fragte Dracomon.
„Ja, wahrscheinlich…“ Erneut seufzte Denrei. Er wollte von hier weg… Wieso konnte er nicht in die digitale Welt gehen – zusammen mit Dracomon? Zum sicherlich hundertsten oder sogar tausendsten Mal, seit das Digimon bei ihm aufgetaucht war, fragte er sich, wie es dort wohl war. Eine andere Welt… Weit weg von seinem Vater und der Schule. Weit weg von seinen Problemen… Viel weiter als Choshi von Tokyo entfernt war.
 
Der sommerliche Tag verging und es wurde Abend. Draußen war es schwül geworden und einige dickere Wolken hatten sich am Himmel breit gemacht, während die Gruppe der Tamer und ihrer Erwachsenen Begleiter im Speisesaal zu Abend aßen. Namiko schaufelte sich ihre Schüssel schon zu dritten Mal voll, verteilte dabei aber die Reiskörner mangels genügenden Geschicks, gleichmäßig über den Tisch.
„Sei ein wenig vorsichtiger“, mahnte Ruki, da die kleine darauf bestanden hatte, neben ihr zu sitzen. „Soll ich dir etwas auffüllen.“
Einen Schmollmund ziehend schüttelte das Kind den Kopf. „Ich kann das allein, Ruki-chan.“
„Du kannst dich ganz allein bekleckern“, meinte das ältere Mädchen daraufhin und sammelte einige der Reiskörner mit einer Servierte auf.
„Das ist gemein“, merkte Ryou neben ihr an.
„Was?“
„Sie darf dich Ruki-chan nennen und ich nicht“, erwiderte er grinsend. „Ruki-chan.“
Daraufhin streckte sie ihm die Zunge heraus „Idiot“, was Reika, die ihr gegenüber saß mit „Zeig’s ihm!“ kommentierte.
Währenddessen starrte Denrei am anderen Ende des Tisches auf seinen bisher so gut wie gar nicht angerührten Teller. Innerlich schmollte er noch immer, dass er zu diesem Ausflug gezwungen worden war und ihm bisher immer noch verheimlicht wurde, woher die anderen sich kannten. Schließlich schob er den Teller von sich weg und stand auf.
„Wo willst du hin?“, fragte Jenrya neben ihm und sah auf.
„Ein wenig an die frische Luft“, meinte Denrei, ehe er sich daran machte, den Raum zu verlassen.
Vor der Herberge holte er tief Luft und sah sich um. Hier draußen war niemand zu sehen. So ging er zum Parkplatz, von dem man auch zur Klippe und damit zum Meer sehen konnte, allerdings nur, um zum Minibus zu gehen.
„Dracomon?“, fragte er, da sich das Digimon auf der hintersten Sitzreihe hingelegt hatte und zu schlafen schien.
Auch die anderen Digimon im Minibus sahen ihn fragend an.
„Was machst du hier, Den-kun?“, fragte Terriermon und zog sich auf die Rückenlehne des Beifahrersitzes.
„Ich will nur ein wenig spazieren gehen“, murmelte er.
„Denrei?“ Sein Partner blinzelte verschlafen.
„Kommst du?“, fragte er.
„Raus?“, erwiderte das Digimon verwirrt.
„Ja, ich will mir ein wenig die Beine vertreten“, antwortete der Junge. „Magst du mitkommen?“
Auf einmal war Dracomon hellwach und richtete sich auf. „Au ja“, rief es und stürmte aus dem Fahrzeug, wobei der Reptilienschwanz beständig hin und her wippte.
„Wie ein Hund“, murmelte Coronamon, das zuvor neben Dracomon gesessen hatte, doch bevor es sich weiter dazu äußern konnte, schob Denrei die Seitentür des Busses zu und wandte sich ab.
Die Herberge lag etwas abseits der eigentlichen Stadt und am Felsigen Teil des Strandes. Jedoch gab es neben der Klippe einen Trampelpfad hinab zum Meer, den der Junge und sein Digimon nun benutzten.
„Sag mal, Dracomon“, begann er, während er ein Stück hinab schlitterte und schließlich auf einem Felsen zu stehen kam. „Würdest du mich in die Digiwelt begleiten?“
„Willst du jetzt dorthin gehen?“, fragte das Digimon, ehe es ausrutschte und neben Denrei mit der Schnauzte voran auf dem grauen Stein landete.
„Nein, ich weiß ja nicht wie.“ Er sah zu Dracomon hinab und lächelte. Dann machte er einen großen Schritt auf den nächsten Felsen hinüber. „Ich meine, wenn wir einen Weg finden und ich gehen würde, würdest du mich begleiten?“
„Natürlich“, versicherte der kleine Drache daraufhin. „Wir sind doch Freunde.“ Erneut wedelte der Schwanz hin und her, während Dracomon sich aufrichtete und zu Denrei hinüber sprang. „Außerdem bist du mein Tamer.“
Das ließ den Jungen nur mit den Schultern zucken und weitergehen.
Da hallte ein Schrei über das felsige Ufer. „DENREEEEEEEEIIIIIII~ Ah! Mist.“ Auf dem Hosenboden kam Shuichon den Pfad hinuntergerutscht, verlor, als sie wieder aufstehen wollte, das Gleichgewicht und landete mit einem Bein im Wasser unter den Felsen. „Verdammt“, fluchte sie, als sie das Bein wieder hervor zog.
Lopmon, das mit ausgebreiteten Ohren über sie hinweg flog, kicherte und nahm, als sie endlich wieder auf den Beinen war, auf ihrem Kopf Platz.
„Was machst du hier?“, fragte der Junge und sah sie misstrauisch an.
„Ich habe dich gesucht, verdammt“, antwortete sie und war mit ein paar Sprüngen bei ihm. „Du Idiot.“
 
„Hattest du nicht gesagt, dass du nicht mehr rauchst?“, meinte Reika, als sie zu ihrem Mann, der auf der hölzernen Terrasse vorm Speisesaal der Herberge saß, hinausging, woraufhin er sie ansah und die Zigarette aus dem Mund nahm.
„Ich rauche ja auch nicht“, erwiderte er, womit er nicht Unrecht hatte, da die Zigarette nicht angezündet war. „Aber so kann ich besser nachdenken.“
Sie setzte sich auf einen Stuhl neben ihn. „Worüber denkst du nach?“
Er zuckte nur mit den Schultern und drehte die Zigarette zwischen den Fingerspitzen hin und her.
„Die Sache mit dem Park und dem Mädchen?“
„Wenn wieder so etwas passiert, wie mit D-Reaper oder den Parasimon?“, erwiderte Yamaki.
„Wir werden sehen“, murmelte sie nur.
Dann senkte sich Schweigen über sie.
„Wo ist Namiko?“, fragte Yamaki schließlich.
Reika lächelte ihn an. „Sie wollte unbedingt mit Ruki duschen gehen.“ Etwas kichernd stand sie auf. „Manchmal könnte ich glatt eifersüchtig werden.“
„Sei doch froh“, erwiderte er und stand ebenfalls auf. „So haben wir wenigstens ab und zu ein wenig Zeit für uns.“ Damit küsste er sie auf die Stirn.
 
„Denrei“, meinte Shuichon mittlerweile genervt, während sie dem Jungen hinterher lief ohne von ihm beachtet zu werden. „Denrei.“
„Warum antwortest du ihr nicht?“, fragte Dracomon verwirrt.
„Weil er sauer auf mich ist und ich wüsste gerne wieso“, erwiderte das Mädchen und zog nun ihrerseits einen Schmollmund. „Da nimmt man dich mit und denkt, du würdest dich freuen oder so und was ist? Du sitzt die ganze Zeit da und spielst eine beleidigte Leberwurst.“
Er fuhr zu ihr herum. „Ja, und? Ich wollte ja auch nicht mit! Hast du überhaupt eine Ahnung, was ich für einen Ärger bekomme, wenn mein Vater herausfindet, dass ihr ihn angelogen habt?“
„Du machst dir zu viele Sorgen“, erwiderte sie. „Moumantai, wie Terriermon sagen würde. So schlimm wird es ja wohl nicht sein.“
„Was weißt du schon?“, hauchte er und wandte sich wieder ab. „Du kennst ihn nicht. Du kennst mich nicht. Du weißt doch gar nichts!“ Während er sprach, wurde seine Stimme immer lauter, bis er fast schrie. „Du hast doch deine perfekte Familie. Du kennst deine Eltern beide und du hast Geschwister, die dir helfen, und deine Eltern leben auch zusammen und… Ach, du verstehst einfach nicht.“ Seinen Schritt beschleunigend ging er weiter und wischte sich durchs Gesicht. In Gegenwart eines Mädchens zu weinen, wäre einfach nur furchtbar peinlich.
„Denrei“, murmelte sie.
„Jetzt stell dich nicht so an“, erwiderte Lopmon und schwebte zu dem Jungen hinüber. „Du bist ganz schön kindisch.“ Damit setzte es sich auf seinen Kopf und schielte von oben in seine Augen.
„Was weißt du schon“, murmelte er und rannte nun.
Shuichon setzte ihm nach. „Denrei!“, rief sie. „Denrei, jetzt warte doch mal.“ Zu seiner Überraschung war sie schneller als er, denn sie hatte ihn innerhalb von kurzer Zeit eingeholt und griff nach seiner linken Hand, da die rechte ja eingegipst war. „Idiot!“ Damit gab sie ihm eine Ohrfeige.
„Was soll das?“, fauchte er sie an.
„Jetzt hör mir einmal zu“, erwiderte sie nun scheinbar selbst wütend. „Es mag ja sein, dass ich dich wegen dem Wochenende nicht gefragt habe, aber ich dachte, es würde dir Spaß machen etwas mit uns und vor allem mit den Digimon zu machen. Wieso bist du eigentlich auf sie sauer? Wieso strafst du die anderen, wenn du auf mich sauer bist? Wieso die Digimon? Coronamon und Lunamon können doch nichts dafür. Wir dachten auch, es würde dich freuen, wenn du mal von deinem Vater wegkommst. Ich weiß nicht, was zwischen euch ist, aber du leidest darunter und sprichst mit niemanden darüber.“
Schweigend wich er ihrem Blick aus und strich sich mit den Fingerspitzen, die aus dem Gips rauslugten, über die gerötete Wange.
„Denrei?“, fragte das ein Stück hinter ihm stehende Dracomon und stupste sein Bein mit dem Kopf an.
Schließlich sah er das Mädchen, den Kopf noch immer gesenkt, aus den Augenwinkeln an. „Wieso soll ich mit euch reden, ihr habt mir auch nichts erzählt… Wie lange sind die Digimon bei euch? Woher kennt ihr euch schon alle?“
Sie sah ihn überrascht an. „Ich dachte das wäre klar“, murmelte sie, als eine Stimme, vielmehr ein Lachen, hinter Denrei ihn zusammenzucken ließ.
„Was war das?“, fragte er und sah sich um.
Erneut erklang das Lachen, hoch und klar, wie das Lachen eines Kindes, und ließ ihn mit den Augen die Umgebung absuchen, ehe sein Blick schließlich an einem leuchtenden Punkt am Himmel hängen blieb. Da flog irgendwas…
Der Himmel war von der mittlerweile fast gänzlich untergegangenen Sonne rot verfärbt, aber das Licht hatte einen gelblichen Schimmer. Es war auch kein Flugzeug, dafür hatte es nicht die Form, war zu klein und flog zu tief – vielleicht vierzig Meter über ihnen. Was es auch war, es hatte einen ovalförmigen, sehr rundlichen Körper, der kaum einen unterschied zwischen Leib und Kopf erkennen ließ und die Arme – oder waren es Flügel? – waren so lang wie das Wesen in sich. Erneut erklang die Stimme des Wesens.
„Ein Digignom“, murmelte Shuichon, als es erneut lachte und dann an Höhe gewann.
Denreis Augen blieben an dem Wesen hängen, auch als es nur noch ein entfernt leuchtender Punkt zwischen den Wolken war. „Ein Digignom?“
„Ich habe schon lange keinen mehr gesehen“, flüsterte Lopmon auf seinem Kopf fasziniert.
 
Es war ihm vom ersten Moment klar, dass es ein Traum war und doch war da dieses Gefühl, gleichzeitig verzaubernd und erschreckend. Das Gefühl, dass er schon immer mit Digimon in Verbindung gebracht hatte, das Gefühl, was er hatte, als Dracomon vor ihm erschien oder als es das erste Mal digitierte.
Sich umsehend wurde ihm klar, dass er in Tokyo war, um genauer zu sein in Akihabara. Aber diese Sicht der Dinge – er war auf einmal klein, ein Kind, wie ihm klar wurde, als er auf seine Hände sah, die eine Karte fest umklammert hielt. Er hob die Hand und sah auf die Karte.
„Pajiramon?“, murmelte er, als ein Knall am Ende der Straße hörte. Das Zerbersten von Glas. Da stand es tatsächlich, real, Pajiramon und saugte CDs wie Bonbons in seinen Mund.
Nun sah er sich genauer um. Hier lagen einige Menschen ohnmächtig am Boden – wieso? – nur in der Mitte der Straße, direkt unter einer Überführung ein Stück von ihm entfernt, der er zwischen zwei Autos stand, waren drei Kinder, die noch auf den beiden Beinen standen. Ein Mädchen und zwei Jungen. Aber was war das? Auf einmal erschien ein weiteres Wesen, ein Digimon, hinter ihnen. Renamon! Nun sah sich das Mädchen um, zum anderen Ende der Straße. Auch da war ein Digimon zu sehen. Vajiramon.
Erneut sah er zu den Kindern, von denen nun das Mädchen und einer der Jungen etwas in der Hand hielten.
„Card Slash!“, riefen beide gleichzeitig, benutzten aber unterschiedliche Karten.
„Thors Hammer!“
„High Speed Plug-In B!“
Außer Renamon war noch ein Digimon bei den Kindern, wie er nun sah. Es war ein Terriermon in dessen Ärmchen nun ein Hammer, fast doppelt so groß wie es selbst erschien. Sowohl es als auch Renamon griffen die beiden größeren und wesentlich stärkeren Digimon an, hatten aber keine Chance.
Das arme Terriermon wurde von Pajiramon aufgehoben und fast zerquetscht, ehe das Pefect es wegschleuderte und eine Attacke hinterher schickte. Im nächsten Moment war Terriermon von gleißendem Licht umgeben.
Das war das letzte, was Denrei sah, ehe es um ihn herum dunkel wurde.
„Was…“, murmelte er, als er schluckte. Da waren Hände, die sich um seinen Hals legten und zudrückten. Man wollte ihn erwürgen!
Verzweifelt griffen die eigenen Hände, immer noch die eines zehnjährigen, um die des mutmaßlichen Mörders, versuchten sich zu befreien. Dabei war die eine Hand so dürr, hart und knochig. Die Hand eines Skeletts!
„Du dummer Junge“, höhnte eine Stimme. „Du wirst es nie verstehen, was? Digimon sind kein Spielzeug!“ Damit hoben ihn die Hände mühelos hoch und schleuderten ihn in die Dunkelheit.
 

Mit einem Schrei schreckte Denrei aus dem Schlaf hoch. Er war wieder in der Jungendherberge. Das war er schon die ganze Zeit. Stimmt, er erinnerte sich. Ein Traum, das hatte er doch gewusst. „Nur ein Traum“, murmelte er, um sich selbst zu beruhigen. Aber was waren das für Hände?
„Was ist, Denrei?“, hörte er die verschlafene Stimme Jenryas neben sich, während Ryou, auf der anderen Seite des Raumes scheinbar seelenruhig weiterschlief.
„Nichts“, erwiderte Denrei. „Nur ein Traum.“ Fast automatisch tastete seine Hand nach dem Digivice neben seinem Kopfkissen, da es ihn beruhigte das kleine Gerät zu fühlen.
„Schlaf weiter“, murmelte daraufhin der chinesische Junge und drehte sich wieder um.
„Nein, warte.“ Der andere hob das Digivice hoch und sah dann durchs Halbdunkle zu dem Schatten, der Jenrya war. „Vor sieben Jahre in Akihabara. Ihr wart da, oder? Digimon… Ihr habt damals schon gegen Digimon gekämpft, richtig?“
Er hörte, wie sich Jenrya aufrichtete. „Ja“, murmelte er immer noch schlaftrunken. „Wie kommst du jetzt darauf?“
Denrei sah auf das Digivice. „Es ist mir grade eingefallen“, hauchte er. Damals war er auch in Akihabara gewesen und hatte sie kämpfen gesehen. Langsam erinnerte er sich wieder. Der Schrei Pajiramons, der alle hatte ohnmächtig werden lassen und der Kampf. Aber nur bis zu der Stelle, als Terriermon digitierte. Das Mädchen dort, war Ruki gewesen. Doch wer war der andere Junge? Er hatte kein Digimon bei sich gehabt. War er trotzdem ein Tamer?
„Dann schlaf jetzt weiter“, meinte Jenrya, nachdem er einen Moment geschwiegen hatte, und legte sich auch schon wieder hin.
Denrei fasste sich an den Kopf. Wie hatte er das alles vergessen können?


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Anmerkungen:
*Choshi: Choshi ist eine mittelgroße Stadt an der Ostküste Honshus und ungefähr 100km von Tokyo entfernt. Die Stadt hat einen großen Strand und relativ berühmte Klippen (und nen Leuchtturm)... Die Jugendherberge ist allerdings frei von mir erfunden.
*Shoji, Hirokazu und Kenta: Die sind in Tokyo zurück geblieben, weil selbst ein Minibus mit so vielen Leuten und Digimon, wie es jetzt waren, schon maßlos überfüllt ist. Und keiner von den anderen hat einen Führerschein...
*Namiko: Namiko ist die fünfjährige Tochter von Yamaki und Reika. Ruki babysittet sie, weswegen sie Ruki als eine Art coole große Schwester ansieht. (Der Charakter ist allerdings frei von mir erfunden ^.~)
*Akihabara: Das Viertel von Tokyo für alle Otakus. Mangaläden reihen sich an Gamesshops. Es gibt sogar Mangakaffees. Die Traumsequenz lehnt sich übrigens an Episode 17 von Digimon Tamers an.

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen.



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