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Yu-Gi-Oh! Season 6: Triskelion

Eine virtuelle sechste Staffel zu Yu-Gi-Oh! Duel Monsters
von

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Episode 227: Letter Part III – Boku no monogatari ga hajimaru (Meine Geschichte beginnt)

Enkel (Ungläubig): Ein Buch?

Großvater: Richtig. Als ich in deinem Alter war, hieß das Fernsehen noch Bücher. Und dies ist ein ganz besonderes Buch. Mein Vater hat es mir immer vorgelesen, wenn ich krank war. Und ich hab’ es deinem Vater vorgelesen. Und heute werd’ ich’s dir vorlesen.

Enkel: Kommt denn da auch Sport drin vor?

Großvater: Machst du Witze? Fechten, Kämpfen, Reiten, Folter, Rache, Riesen, Monster, Verfolgungsjagden, Gefängnisausbrüche, wahre Liebe, Wunder...

Enkel: Klingt ja mal nicht so schlecht. Also gut, ich werd’ versuchen, nicht einzuschlafen.

Großvater: Oh, vielen Dank, sehr freundlich. Dein Vertrauen ist ja äußerst beruhigend.

– The Princess Bride, 1987 –
 

~ * ~
 

In der letzten Folge von Yu-Gi-Oh! Duel Monsters...
 

Meine Sehnsucht nach meinem anderen Ich und mein Schmerz haben mich an einen düsteren Ort geführt – den Ort der Geister. Er ist von Dunkelheit erfüllt, und dort lauert auch ein böses Wesen, das sich als mô hitori no boku ausgegeben hat, um meinen Körper zu übernehmen.
 

Zuerst war ich naiv genug, um den Worten dieses Wesens zu glauben, aber dann konnte ich mich von seiner Macht befreien, auch wenn es meine ganze Kraft gekostet hat.
 

Ich habe mich entschieden. Ich will in die Welt der Lebenden zurückkehren.
 

~ * ~
 

“Battle! Guardian Eatos Yûgi ni Direct Attack!“
 

Die Wächterin spreizte ihre mächtigen Schwingen und erhob ihr leuchtendes Schwert. Nicht nur sie stand nun zwischen Yûgi und dem Steinkreis der Geister, auch seine eigenen Monster wollten ihn daran hindern, diesen Ort zu betreten. Sie alle waren nun auf Eatos’ Seite, aber nicht als Feinde, sondern als Wächter, die ihrer Pflicht nachkamen und ihn beschützten. Dies war der letzte Angriff.
 

Eine Sache gab es allerdings, die Raphael nicht bedacht hatte und das war die verdeckte Fallenkarte auf Yûgi’s Seite des Feldes. Sie war nicht verschwunden, denn es handelte sich eindeutig um seine Karte und nicht die irgendeines fremden Wesens. Im Gegenteil, er hatte sie mit seiner eigenen Kraft diesem Wesen abgetrotzt und sie konnte trotz seiner momentanen schwierigen Lage noch alles ändern. Nur eine einzige Handbewegung würde genügen, um seine Niederlage doch noch in einen Sieg zu verwandeln.
 

Yûgi lächelte. Als er seine Hand erhob und sie über die Duel-Disc gleiten ließ, war er sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
 

~ * ~
 

Opening Song, TV-Version
 

Schritt für Schritt gehst du den Weg,

So steinig er auch ist und weit,

Fällt es auch schwer wieder aufzusteh’n.

Der Sand verrinnt im Stundenglas der Zeit.
 

Dein Herz, es mag dich weiterführen,

Denn ich vertrau auf deine Kraft,

Und du wirst seine Stärke spüren,

Sie erinnert dich, dass du es schaffst.
 

Erinnerung brennt heiß,

Wie das Feuer in der dunkelsten Nacht.

Solange dein Herz den Weg noch weiß,

Spürst du meine Seele, die über dich wacht.

Du hörst mich rufen durch die Zeit,

So nah und doch so endlos weit.

Solange du mich nicht vergisst,

Solang dein Herz mich noch vermisst,

Ich werde immer bei dir sein,

Du trägst mein Bild in dir.

Darum trau dich,

Erinner’ Dich

An mich.
 

Opening Credits
 

Wie ihr wahrscheinlich schon gemerkt habt, waren einige Karten im letzten Duell, unter anderem Black Kizuna und Umarekawari no Cycle von uns erfundene Karten.
 

Karten werden in der Serie immer dann erfunden, wenn im Duell etwas ganz Bestimmtes passieren soll, es im Canon aber keine passende Karte gibt, um genau diesen Effekt zu erreichen. Wir handhaben das auch so, bemühen uns aber, soweit der Plot das zulässt, uns an die Canon-Karten und soweit möglich an ihre Originalfunktionen zu halten. Auch wenn wir hier und da ein klein wenig tricksen.^^
 


 

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Episode 227: Letter Part III – Boku no monogatari ga hajimaru

(Episode 227: Letter Teil III – Meine Geschichte beginnt)
 

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Raphael, Guardian Eatos und die geisterhaften Gestalten der anderen Monster blickten zu Yûgi hinüber dessen Hand jetzt nicht mehr über der Duell-Disc schwebte. Sie hatte sich gesenkt, aber nicht auf die verdeckte Karte in seiner Magiefallenzone. Diese Karte war noch immer unberührt und das würde sie auch bleiben.
 

Denn das Duell war zu Ende. Yûgi hatte seine Hand auf sein Deck gelegt.
 

Guardian Eatos hielt mitten im Angriff inne und schien plötzlich zu lächeln. Auch Yûgi’s eigene Monster schienen sich zu freuen. Es tat gut zu wissen, dass sie immer noch auf seiner Seite waren, dass die Verbindung zu ihnen erhalten geblieben war.
 

Eine Karte nach der anderen verschwand, als sich die Duel-Disc abschaltete und zurück in den Ruhemodus fuhr. Yûgi sammelte sein Deck zusammen und steckte es ein. Jetzt blieb ihm nur noch eins zu tun.
 

Er ging auf Raphael zu, bis sie direkt voreinander standen und verbeugte sich so tief, dass sein Haarschopf beinahe den Sand berührte. “Ich möchte mich in aller Form bei dir entschuldigen, Raphael-san. Ich habe falsch gehandelt.“
 

“Wir sind nur Menschen, Yûgi. Wir können nicht perfekt sein.“
 

Als Yûgi sich wieder aufrichtete, sah er, dass Raphael ihm die Hand entgegengestreckt hatte. Etwas verlegen ergriff er sie, er erinnerte sich wieder daran, dass Händeschütteln in Europa üblicher war, als Verbeugen. Raphael’s Händedruck war fest und sicher, offenbar schien er nicht böse auf Yûgi zu sein. “Wie ich schon sagte, Schmerz kann einen Menschen manchmal bis zum Äußersten treiben. Aber du hast das jetzt verstanden und das ist das Wichtigste. Du hast sogar auf einen Sieg verzichtet und das ist echte Größe. Ich erkenne wieder den Duellanten in dir, der damals den Pharao vor dem Siegel des Orichalcos bewahrt hat.“
 

Auf einen Sieg verzichtet? Konnte Raphael das wissen oder vermutete er es nur? Die verdeckte Fallenkarte war Magic Cylinder gewesen. Damit hätte er nicht nur den Angriff von Eatos negieren, sondern auch ihre gesamte Angriffskraft auf Raphael zurückprallen lassen können.
 

Aber Yûgi wollte keinen Sieg für eine falsche Sache. Er hatte seine Lektion gelernt.
 

Doch es gab etwas, worüber er dringend mit Raphael sprechen musste. “Hör zu, ich muss dir sagen, dass ich während dieses Duells eine Zeitlang nicht ich selbst war. Ich weiß, es klingt verrückt, aber bitte glaub’ mir, ich sage das nicht, um die Verantwortung von mir wegzuschieben, sondern um dich zu warnen.. Etwas ist in diesem Steinkreis und es ist sehr mächtig und gefährlich. Es kann die Gestalt von anderen Menschen annehmen, um jemanden zu manipulieren und es kann auch von einem Körper Besitz ergreifen. Es hat von mir Besitz ergriffen, weil es mich glauben machte, es wäre Atum.“
 

Raphael nickte. “Nein, das klingt nicht verrückt. Ich habe dieses Wesen bemerkt, als es dich kontrolliert hat. Für einen Moment glaubte ich, es wäre...“
 

Er machte eine abwehrende Handbewegung. “Nein, das ist jetzt nicht so wichtig. Wichtig ist nur, dass es auch mich einen Augenblick lang getäuscht hat. Wie hast du es geschafft, es wieder loszuwerden?“
 

Yûgi zog die Brauen zusammen und dachte angestrengt nach. “Ich weiß es nicht genau, aber ich habe gegen das Wesen angekämpft. Vielleicht war es Willenskraft, vielleicht auch der Gedanke an meine Freunde. Das Wesen wollte mir einreden, dass das Leben nur aus Schmerz besteht und ich meine Freunde verlieren werde. Aber ich hab’ versucht, nicht darauf zu hören.“
 

Raphael blickte zum Steinkreis hinüber, der jetzt wieder vollkommen ruhig war. Die Sonne schien friedlich auf das Tal hinunter und nichts deutete daraufhin, dass hier vor wenigen Minuten noch seltsame Kräfte am Werk gewesen waren. Aber Yûgi wusste genau, dass der Schein trog und er war sich sicher, dass Raphael es ebenfalls wusste.
 

Plötzlich fiel ihm wieder ein, dass Raphael während des Duells über den Steinkreis gesprochen hatte. War da nicht irgendwas mit einer Triskele aus Feuer gewesen? Er konnte sich nicht genau erinnern, er war während des Duells zu aufgewühlt gewesen, um auf Raphael’s Worte zu achten. “Du sagtest, es geschehen seltsame Dinge im Steinkreis...“
 

“Allerdings. Ich weiß leider nicht mehr als das, was ich dir schon gesagt habe, dass vor wenigen Tagen der Sand zu brennen schien und das Zeichen einer Triskele formte. Das ist ein altes keltisches Symbol. Diese Triskele war aber ein wenig verändert, ihre drei Kurven sahen ein wenig wie feurige Drachen aus. Warte, ich zeichne es dir auf.“
 

Drei Drachen? Einen Augenblick lang musste Yûgi an die drei weißen Drachen in Kaiba’s Deck denken, und im nächsten Moment an Timaeus, Critias und Helmos die legendären Beschützer von Atlantis. Ob dieses Zeichen irgendwas mit ihnen zu tun hatte? Er konnte sich das aber nicht vorstellen, denn er hatte in Bezug auf Atlantis nie ein solches Zeichen gesehen.
 

Raphael reichte Yûgi die Zeichnung. “Mehr konnte ich bisher nicht herausfinden, aber nach der Begegnung mit diesem Wesen sehe ich das alles in einem anderen Licht. Ich hoffe, dass ich mich irre, aber vielleicht werden schon sehr bald neue Gefahren auf uns zukommen.“
 

“Ich werde natürlich alles tun, um zu helfen,“ versicherte Yûgi. “Leider kann ich nicht mehr lange in Amerika bleiben, da in einer Woche die Schule wieder anfängt, aber ich werde von Japan aus versuchen, etwas über dieses Zeichen herauszufinden und dir Bescheid geben. Wenn uns eine neue Gefahr droht, dann werden wir uns ihr stellen.“
 

“Wieso bist du eigentlich in Amerika?“ wollte Raphael wissen. “Besuchst du deine Freundin, diese kleine blonde Duellantin?“
 

“Rebecca? Ja, aber hauptsächlich bin ich wegen des Turniers hier. Letztes Jahr, als wir das erste Mal in Amerika waren, hat Kaiba-kun doch Kaibaland USA, seinen zweiten Freizeitpark eröffnet und ein großes Duel Monsters Turnier, den KC Grand Prix. veranstaltet. Dieses Turnier ist jetzt zu einer regelmäßigen Veranstaltung geworden und findet immer in der ersten Januarwoche statt, weil dann in vielen Ländern Schulferien sind. Jônouchi wurde eingeladen, am Turnier teilzunehmen und wir anderen sind mitgekommen, um ihn anzufeuern.“
 

“Wurdest du denn nicht eingeladen?“ Raphael schien verwundert. “Immerhin bist du der König der Duellanten und Kaiba’s alter Rivale.“
 

“Doch, aber mir ist nicht nach einem Turnier.“ Auf die Sache mit der Rivalität ging Yûgi jetzt nicht ein, es würde zu lange dauern, das zu erklären. “Ich habe mich lediglich dazu verpflichtet, am Ende des Turniers in einem Ehrenduell gegen den Sieger anzutreten. Aber das findet außer Konkurrenz statt. Der Sieger bleibt Sieger, selbst wenn ich gewinnen sollte.“ Natürlich hoffte Yûgi insgeheim darauf, dass Jônouchi dieser Sieger sein würde.
 

Eine Weile lang herrschte Schweigen. Yûgi hob die Kartusche mit Atum’s Namen auf, die er vorhin so achtlos in den Sand geworfen hatte. Raphael mochte ihm verziehen haben und der Schwarze Magier ebenfalls, aber die Last der Schuld drückte trotzdem schwer auf seiner Seele. Er hatte für eine falsche Sache gekämpft, er hatte seine Monster schlecht behandelt und er hatte einem Freund Schmerzen zugefügt. Und er hatte die Erinnerung an den Pharao in den Schmutz gezogen, indem er durch dieses Duell sein Andenken besudelt hatte.
 

Als wäre der Schmerz um seinen Verlust nicht schlimm genug, kamen nun auch die Schuldgefühle dazu.
 

“Ich weiß, es klingt abgedroschen, aber es wird irgendwann leichter werden.“ Raphael legte eine Hand auf Yûgi’s Schulter. Offenbar war ihm nicht entgangen, dass Yûgi sich schlecht fühlte, auch wenn er es wohl eher auf Atum’s Tod zurückführte, als auf die Schuldgefühle.
 

“Es wird leichter, aber es braucht Zeit. Viel Zeit. Und wenn die Trauer kommt, dann lass sie zu. Versuche nicht, sie zu betäuben, oder wegzuschieben. Sprich mit deinen Freunden darüber, wenn es dir hilft, aber nimm dir auch Zeit, um allein zu sein, wenn du sie brauchst. Es ist vollkommen in Ordnung, dass es dir im Moment schlecht geht, auch wenn die Gesellschaft uns ständig vorspiegelt, wir müssten um jeden Preis funktionieren.“
 

Das stimmte, dieses Funktionieren war manchmal das Schlimmste. Er musste morgens aufstehen, er musste zur Schule, er musste sich um seine Freunde und seine Familie kümmern. Und trotzdem, manchmal war es auch tröstend, dass es diese Routine gab. Sie zeigte ihm, dass sein Leben noch nicht vollkommen auseinander gefallen war.
 

“Und noch was,“ fügte Raphael hinzu, “versuch deine ganz persönliche Strategie zu finden, die dir gut tut. Manche Menschen gönnen sich regelmäßig was Schönes, andere sprechen mit einem Psychologen, und wieder andere suchen sich eine bestimmte Zeit am Tag aus, in der sie an den Verstorbenen denken. Es gibt viele Möglichkeiten und sie sehen für jeden Menschen anders aus, denn jeder trauert auf andere Weise.“
 

“Dir haben deine Monster geholfen, nicht wahr?“ Yûgi erinnerte sich daran, dass Raphael darüber mit Atum gesprochen hatte. “Ganz besonders Guardian Eatos.“
 

“Ja, das stimmt. Guardian Eatos war ein Geschenk von meinen beiden Geschwistern. Sie ist für mich eine Verbindung zu meiner Familie.“
 

“Ich habe geglaubt, dass der Schwarze Magier mir vielleicht helfen könnte.“ Der Magier war für Yûgi immer die Verbindung zu Atum gewesen. “Aber im Augenblick ist das nicht so. Im Duell gegen dich hat er mich dazu verleitet, mich nur auf die Strategien von mô hitori no boku zu verlassen, anstatt meine eigenen zu entwickeln. Für mich war das ein Rückschritt, weil ich eigentlich schon meine eigenen Strategien entwickelt hatte. Außerdem habe ich ihn in einem Duell für eine falsche Sache eingesetzt.“
 

Yûgi zog die Karte aus seinem Deck und betrachtete sie. Sie war ihm unglaublich teuer und kostbar, aber im Moment fühlte es sich so an, als habe er das Recht verwirkt, den Magier zu verwenden. Er musste sich seiner erst wieder würdig erweisen, musste seinen Fehler wieder gut machen. Auch Jônouchi hatte damals für eine ganze Weile auf seinen Red Eyes Black Dragon verzichtet. Wie sagte Raphael doch vorhin? ’Wenn du jemanden liebst, lass’ ihn frei!“
 

“Ich möchte dich um etwas bitten.“ Yûgi merkte wie rau seine Stimme klang, doch er würde die Worte aussprechen und auch nicht zurücknehmen. Es fühlte sich richtig an, das zu tun. “Ich möchte dich darum bitten, dass du für eine Zeitlang meinen Schwarzen Magier für mich verwahrst. Solange, bis ich ihn wieder mit gutem Gewissen spielen kann.“
 

Raphael blickte ihn verwundert an, dies schien nicht die Antwort zu sein, die er erwartet hatte. “Bist du dir auch ganz sicher? Natürlich würde ich diese Karte wie meinen Augapfel hüten, aber ich möchte dir nicht etwas nehmen, das dich an den Pharao erinnert und dich vielleicht trösten könnte. Ich könnte Eatos niemals aus der Hand geben.“
 

“Ich weiß. Aber wie du schon sagtest, wir haben alle unterschiedliche Wege. Und dies ist meiner.“
 

Raphael nickte langsam, dann streckte er die Hand aus und nahm die Karte entgegen. “Ich werde gut auf ihn Acht geben. Du hast mein Wort.“
 

“Ich danke dir.“ Es tat weh, die Karte aus der Hand zu geben, aber dennoch fühlte es sich immer noch richtig an.
 

Raphael steckte die Karte ein, und achtete dabei sorgfältig darauf, dass sie keinen Schaden nahm. Dann zog auch er eine Karte aus seinem Deck und reichte sie Yûgi. “Es ist eigentlich nur fair, dass du ebenfalls eine Karte für mich verwahrst, denn ich möchte das Vertrauen, das du mir geschenkt hast, gern erwidern.“
 

“Elma’s Schmetterlingsdolch? Aber brauchst du sie nicht? Und ich spiele doch gar keine Guardians, also könnte ich sie auch gar nicht verwenden.“ Yûgi zweifelte nicht an Rapahael’s gutem Willen, er verstand nur nicht, warum der Anführer der drei Schwertkrieger ausgerechnet diese Karte gewählt hatte.
 

“Nein, im Moment brauche ich sie nicht.“ Raphael zwinkerte Yûgi zu. “Und du wirst merken, dass diese Karte einiges mehr kann, als nur ihre Wächterin zu rufen. Aber das wirst du selbst herausfinden müssen.“
 

Yûgi war bereit dazu. Seine eigene Strategie zu finden, das hieß auch, Karten auszuprobieren, die man noch nicht gut kannte und deren Fähigkeiten sich nicht auf den ersten Blick erschlossen. Eigentlich gehörte das sogar zu spannendsten Dingen im Leben eines Duellanten.
 

Plötzlich musste er an Jônouchi und die anderen denken, die sich sicher schon Sorgen um ihn machten. Es war an der Zeit, zu ihnen zurückzukehren. Schließlich hatte er versprochen, rechtzeitig zur Eröffnung wieder zu sein und die war schon heute Abend.
 

“Yûgi.“ Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte Raphael’s Lippen. “Auch der Pharao selbst hat sich Gedanken darüber gemacht, wie er dir helfen kann mit deinem Schmerz klar zu kommen, wenn er nicht mehr bei dir sein kann. Ich weiß nicht, woher er wusste, dass du im Dezember hier in Amerika sein würdest, aber er hat mir etwas für dich gegeben.“
 

Das Turnier. Atum hatte über das Turnier Bescheid gewusst, anders konnte Yûgi es sich nicht erklären. Dass er zum Steinkreis kommen würde, konnte Atum nicht gewusst haben, oder doch? Immerhin war auch dies ein Ort der Erinnerungen.
 

Aibô,
 

Such mich nicht unter den Geistern, denn ich bin keine einsame, verirrte Seele. Ich bin dort, wo ich hingehöre, bei meiner Familie, meinem Volk und meinen Göttern.
 

Wenn das Schicksal es will, werden wir uns irgendwann wiedersehen, aber dieser Tag kann nicht heute sein. Ich fürchte, du wirst noch ein wenig Geduld aufbringen müssen.
 

Trotzdem bin ich dir niemals fern, denn eine kleine Unpässlichkeit wie der Tod kann eine echte Freundschaft nicht zerstören.
 

Such’ mich in deinen Gedanken und Erinnerungen.
 

Bis dann,
 

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~ * ~
 

Januar
 

“Und nun begrüßen wir gemeinsam unseren amerikanischen Vize-Champion, Bandit Keith Howard!“
 

Die Zuschauermassen im kalifornischen Kaiba-Dome brachen in wilden Applaus aus, während die Metal-Band auf der Bühne enthusiastisch in die Saiten griff und das Stadion mit einem fetzigen Song erfüllte. Begleitet von einigen Typen in schwarzen Anzügen, die offenbar Manager und/oder Bodyguards darstellen sollten, marschierte Bandit Keith den Mittelgang hinunter, blickte mit wildem Gesichtsausdruck in die Menge und ließ seine Muskeln spielen.
 

“Offenbar hat er immer noch nicht kapiert, das er die zum Duellieren nicht braucht,“ kicherte Rebecca und hängte sich vertraut an Yûgi’s Arm. Sie schien ihre gestrige Niederlage gegen Jônouchi inzwischen überwunden zu haben. “Darling, hast du seinen Gesichtsausdruck gesehen, als die Sprecherin ’Vize-Champion’ sagte? Zu komisch!“
 

Sie kicherte erneut und lehnte sich dabei gegen Yûgi’s Schulter. Ihm schoss die Röte ins Gesicht und er wandte verlegen den Kopf. Er konnte sich immer noch nicht so recht daran gewöhnen, wie offen die amerikanischen Mädchen mit ihren Gefühlen umgingen.
 

Auch wenn er zugeben musste, dass es ihm ein ganz klein wenig schmeichelte.
 

“Er ist nicht der Einzige hier mit einem seltsamen Gesichtsausdruck,“ entgegnete Anzu kühl und warf Rebecca einen missbilligenden Blick zu. Hatten sich die beiden gestritten? Oder warum war sie sonst so komisch zu Rebecca?
 

“Und jetzt einen mächtigen Applaus für die japanische Prinzessin der Duelle, Mai Kujaku!“
 

Die Metal-Band verstummte und auf der anderen Seite des Stadions begann eine japanische Rockband zu spielen. Seit diesem Jahr hatte jeder Finalist des KC Grand Prix seinen eigenen Einmarsch-Song, teilweise sogar mit eigener Band. Kein Wunder, dass manche Duellanten sich inzwischen Manager zulegen mussten. Yûgi war froh, dass er zu seiner Zeit dieses ganze Tamtam nicht hatte mitmachen müssen. Schon das allein war Grund genug, nicht mehr an Turnieren teilzunehmen. Er würde lediglich sein Ehrenduell gegen den Sieger spielen, so wie letztes Jahr.
 

Mai kam nicht durch den Mittelgang herein. Sie erschien oben auf der Galerie, welche sie lächelnd und winkend entlangstolzierte, bis zu einer Hebebühne, die sie nach unten in den Ring beförderte. “Ich bin gespannt, gegen wen von beiden Jônouchi morgen im Finale antreten darf,“ überlegte Honda und lehnte sich über die Brüstung der Tribüne, damit ihm auch ja nichts entging. Jônouchi selbst sagte nichts, aber dazu hätte er auch erst mal den Mund bewegen müssen, welcher aus nicht näher bekannten Gründen weit offen stand.
 

“Also, ich tippe ja auf Mai,“ entgegnete Anzu und Rebecca stimmte ihr freudig zu: “Dann kann ich Bandit Keith wenigstens im Spiel um Platz drei fertig machen.“
 

“Ich werd’ bei dem Duell zusehen und dir die Daumen halten,“ lächelte Anzu. Ihre vorherige Feindseligkeit schien plötzlich wie weggewischt.
 

Yûgi hatte es inzwischen aufgegeben, sich über die Mädchen zu wundern. Jede gegnerische Kampfstrategie war leichter zu durchschauen als weibliche Gedankengänge
 

“Dankeschön.“ Mit ungewohnter Schüchternheit lächelte Rebecca zurück und wandte sich dann wieder an Yûgi. “Darling, wenn das Duell vorbei ist, könnte ich dich dann vielleicht kurz sprechen? Ich meinte, allein sprechen. Weißt du... ich suche schon seitdem du hier bist nach einer Gelegenheit, aber es hat sich bisher nicht ergeben und morgen nach dem Finale fliegt ihr ja wieder nach Japan zurück, also...“
 

“Natürlich.“ Sie schien wirklich etwas sehr Dringendes auf dem Herzen zu haben und etwas Privates musste es auch sein. Hoffentlich nicht zu privat, denn Yûgi hatte nicht die geringste Ahnung, was er dann tun sollte. Sich in Luft aufzulösen oder sich in einem Mauseloch zu verkriechen klang jedenfalls äußerst verlockend.
 

Umso überraschter war er, als Rebecca ihn nach dem Duell beiseite zog und ihm einen Brief in die Hand drückte. “Der andere Yûgi hat mich gebeten, dies hier für dich aufzubewahren und es dir zu geben, wenn ihr zum nächsten KC Grand Prix in die USA kommt.“
 

Nein, eigentlich gab es keinen Grund für ihn überrascht zu sein. Auch dies war schließlich ein Ort der Erinnerungen. Das amerikanische Kaibaland, das Turnier, Professor Hopkins und Rebecca, Leon und Siegfried, Großvater mit seinem kühnen Auftritt als Mask the Rock – er hätte die Liste noch endlos weiter führen können. Selbst die Bedrohung durch Siegfried’s Pläne erschien im Nachhinein wie ein spannendes Abenteuer.
 

Aibô,
 

wieder mal ist es Zeit für den KC Grand Prix. Und, hatt’ ich Recht, was das Feuerwerk und die Cheerleader angeht? Ha, ich wette sie wedeln mit blau-weißen Pompoms herum, passend zu den KC Farben. Aber noch viel wichtiger: Hat es Jônouchi ins Finale geschafft? Auf alle Fälle werd’ ich ihm ganz fest die Daumen halten. Bei dir kann ich mir nicht vorstellen, dass du am Turnier teilnimmst, aber solltest du es wider Erwarten doch tun, gilt das Daumendrücken natürlich auch für dich.
 

Eine Sache, die mich am Duellieren immer besonders begeistert hat, ist, dass es so viele Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft und Nationalität zusammen bringt. Draußen im Leben sind wir alle verschieden, aber wenn wir einander im Ring gegenüberstehen, sind wir uns gleich. Wir sind keine Japaner, Ägypter, Amerikaner, Könige oder Schüler mehr, wir sind Duellanten. Wir können uns nur auf unsere Karten und unser Geschick verlassen. Und wir starten durch!.
 

Für jeden einzelnen ist die Straße der Duellanten ein steiniger Weg, aber zusammengenommen ist es ein ganzes Netzwerk an Straßen, das uns alle miteinander verbindet. Und während wir an uns selbst arbeiten, um besser zu werden, helfen wir dadurch auch den anderen, sich zu verbessern und ihre Straße weiterzugehen.
 

Auch du gehst auf deiner Straße weiter. Und sollte ich im jenseitigen Leben irgendwelche Pompoms auftreiben, werd’ ich sie heute und bei allen deinen zukünftigen Duellen für dich wedeln. Go Yûgi! Go Yûgi! Go!
 

Bis dann,
 

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~ * ~
 

Februar
 

“Dieser Wagen muss rüber ins andere Gebäude, das sind alles Gegenstände von Pharao Ramses. Die Stele mit der Krönungszeremonie von Pharao Set kommt mit den anderen Kisten rüber in Raum zwei. Oh nein, dieses Kästchen nicht, das ist Schmuck von Königin Téana. Der muss in Raum sieben, ach warten Sie, ich nehm’ ihn selbst.“
 

Isis hatte dem Museumswärter das kleine Kästchen kaum abgenommen, als Malik und Rishid schon herangestürmt kamen, es ihr geradezu aus der Hand rissen und in einem wütenden Wortschwall auf sie einredeten. Yûgi verstand natürlich kein Wort Arabisch, also hielt er sich dezent im Hintergrund und wartete darauf, dass der Sturm vorüber zog.
 

Die Räume des Domino Museums wirkten ganz anders als sonst, aber das lag vermutlich daran, dass die neue Ägyptenausstellung noch nicht fertig ausgepackt und aufgestellt war. Damals, vor beinahe zwei Jahren hatten die Steinstatuen und Glaskästen voller Schmuck, Waffen und Gerätschaften von der 18. Dynastie der Pharaonen erzählt. Hier hatte sein anderes Ich mit Anzu die Stele entdeckt, auf welcher Atum als Pharao abgebildet war. Ein Pharao im Kampf gegen seinen Hohepriester, der später selbst den Thron bestiegen hatte. Akhenaden hatte nie erfahren, dass sein Wunsch am Ende doch noch in Erfüllung gegangen war.
 

Dieses Mal würde die Ausstellung, wenn Yûgi richtig verstanden hatte, ihre Besucher in die 19. Dynastie entführen. Pharao Set war der erste König dieser Dynastie gewesen, gefolgt von seinem Stiefsohn Ramses.
 

Leugnete Kaiba sein früheres Leben immer noch oder glaubte er inzwischen daran? Selbst wenn, es würde ihm herzlich egal sein. Die Vergangenheit hatte für ihn keinerlei Bedeutung, er lebte nur für die Gegenwart und die Zukunft. Vermutlich würde er nicht einmal einen Fuß in diese Ausstellung setzen.
 

“Entschuldige bitte, Yûgi.“ Mit einem verlegenen Lächeln kam Isis auf ihn zu. “Ich musste nur meinen werten Herrn Brüdern begreiflich machen, dass ich nicht krank bin und somit durchaus in der Lage, ein Kästchen zu tragen. Die beiden sind mit ihrer Fürsorglichkeit noch schlimmer als mein Mann.“
 

Ach richtig, Isis hatte ja geheiratet. Yûgi hatte voriges Jahr auf der Glückwunschkarte mit unterschrieben. Er wusste nicht viel über Isis’ Ehemann, nur dass dieser für die Kaiba Corporation arbeitete und dass Isis ihn vorletztes Jahr beim Battle City Turnier kennen gelernt hatte. Aber da waren so viele KC Mitarbeiter mit dunklen Anzügen und Sonnenbrillen herumgelaufen, dass Yûgi sie ohnehin nicht alle auseinander halten konnte. Mit Namen kannte er nur Isono und Fuguta und von den beiden war es keiner.
 

“Nun, natürlich gibt es einen Grund, weshalb ich dich gebeten habe, hierher zu kommen.“ Isis zog einen Briefumschlag aus ihrer Tasche. “Wir sehen uns ja alle übermorgen bei der offiziellen Eröffnung der Ausstellung, aber der Pharao hatte mich um einen Gefallen gebeten, bevor er seine letzte Reise antrat und deshalb wollte ich dich gerne allein sprechen.“ Sie überreichte Yûgi den Umschlag. “Möchtest du dich vielleicht ins Büro setzen, um ihn in Ruhe zu lesen?“
 

Aibô,
 

es gibt etwas, wofür ich mich bei dir entschuldigen möchte.
 

Du weißt, dass ich dich nie absichtlich belügen würde. Aber manchmal hab’ ich dir Dinge verschwiegen, wenn ich Angst hatte, dich mit der Wahrheit unglücklich zu machen. Und auch Verschweigen ist eine Form von Lügen.
 

Wenn du diesen Brief erhältst, ist es fast zwei Jahre her, dass Isis mit ihrer Ägyptenausstellung nach Domino-chô kam. Ich bin mit Anzu dort gewesen, an jenem Tag, als wir beide zusammen auf das Date gingen, (das Date, vor dem du dich gedrückt hast, aber darum geht es jetzt nicht). Wir haben dort zum ersten Mal die Stele gesehen, auf der ich als Pharao abgebildet bin. Zusammen mit dem Hohepriester, welcher eine solche Ähnlichkeit mit Kaiba hat, dass ein Zufall in meinen Augen ausgeschlossen ist.
 

Aber ich habe dir nichts davon erzählt und ich habe auch Anzu gebeten, zu schweigen. Mach’ ihr da bitte keinen Vorwurf draus. An diesem Tag hab’ ich zum erstenmal gespürt, woher ich komme und wo ich hingehöre. Du dagegen hast es erst sehr viel später durch Isis und Malik erfahren.
 

Verzeih mir, aber ich konnte dir nichts sagen. Der Gedanke, dass wir bald nach Ägypten gehen werden und dass ich dann von dir fort muss, ist für mich ebenso schwer zu ertragen wie für dich. Ich musste erst selbst damit klarkommen, bevor ich mit dir darüber sprechen konnte. Und ich hoffe, dass du mein Handeln irgendwie nachvollziehen kannst.
 

Entschuldige bitte, wenn dieser Brief dich in eine traurige Stimmung versetzt, aber ich musste mir das einfach von der Seele reden. Auch wenn ich falsch gehandelt habe, ich möchte, dass du weißt, dass ich dich durch mein Schweigen nicht verletzen, sondern schützen wollte.
 

Bis dann,
 

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~ * ~
 

März
 

“Eigentlich hätte er ruhig ein paar VIP-Karten lockermachen können, der olle Angeber,“ murrte Jônouchi und drängte sich an Honda und Anzu vorbei, um einen besseren Blick auf das Innere des Kinos zu erhaschen. “Schließlich ist Yûgi der König der Duellanten und ich bin immerhin Jônouchi Katsuya-sama, einer von den Battle-City-Best-Four, und der Vize-Sieger des letzten KC Grand Prix von vor zwei Monaten. Und überhaupt. Na, wenigstens haben wir Freikarten bekommen.“
 

Yûgi verzichtete darauf, Jônouchi darauf hinzuweisen, dass heute, am Eröffnungstag des neuen 3-D Kinos der Eintritt für alle Besucher frei war. Er war schon eine ganze Weile nicht mehr im Kaibaland gewesen und staunte über die ganzen Neuerungen, die sich vor ihm auftaten. Zwar war Kaibaland Domino aufgrund des mangelnden Platzes nicht ganz so groß wie sein Gegenstück in Kalifornien, aber der Park war längst über die Spielhallen und Grünanlagen hinausgewachsen. Es gab Shows und diverse Fahrgeschäfte, darunter auch ein Haunted House und eine Schwebebahn, mit der man das Gelände von oben betrachten konnte. Auch eine neue Achterbahn war in Planung, zumindest hatte Mokuba freudestrahlend davon erzählt, als er die Freunde vorhin begrüßt hatte.
 

Bis zu Eröffnungsrede und Filmvorführung war noch genügend Zeit, also bat Yûgi die anderen kurz auf seinen Platz acht zu geben, damit er für ein paar Minuten aus dem stickigen überfüllten Kino flüchten und stattdessen ein wenig Frischluft atmen konnte.
 

Nachdenklich betrachtete er die drei großen Drachenstatuen, die vor dem Eingang des Kaiba Dome standen. Dieser ganze Park war Seto’s und Mokuba’s großer Traum gewesen und es war ihnen letztendlich gelungen, ihn zu verwirklichen.
 

“Warten Sie, Sie sind doch Mutô Yûgi, der König der Duellanten! Könnte ich bitte ein Autogramm bekommen?“
 

“Ich... uhm..“ begann Yûgi verlegen, doch bevor er weiterstammeln konnte, meldete sich eine zweite Stimme zu Wort. “Jetzt lass doch den Blödsinn, Haruko. Wir sind nicht hier, um Autogramme von berühmten Duellanten einzusacken, wir sind hier um Unterschriften für unsere Petition zu sammeln!“
 

“Was für eine Petition?“ erkundigte sich Yûgi, sichtlich erleichtert über den Themenwechsel.
 

“Wir sammeln Unterschriften für ein Vuvuzela-Verbot in den Stadien. Man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr bei den ganzen Blödtröten! Wie sollen die Duellanten sich da noch auf das Duell konzentrieren? Selbst berühmte Star-Duellanten wie Insect-Haga und Dinosaur-Ryuzaki haben nur wegen dieses furchtbaren Lärms ihre letzten Turniere verloren!“
 

“Und außerdem wird dadurch die gesamte Fankultur zerstört,“ fiel das andere Mädchen eifrig ein. “Keine Gesänge mehr, keine Sprechchöre! Eine Duell-Arena soll schließlich eine Duell-Arena sein und kein Hornissennest.... ahhhh!“
 

Beide Mädchen ergriffen kreischend die Flucht, als hinter ihnen plötzlich ein lautes Tröten zu hören war. Yûgi konnte ihnen nur noch verwundert nachblicken.
 

“Ich dachte schon, die werden wir nie los.“ Ein grinsender Mokuba kam hinter den Drachenstatuen hervor, zusammen mit einer Vuvuzela in den KC Farben, welche größer war als er selbst. “Die können sammeln, soviel sie wollen, bei Nii-sama werden sie damit keinen Erfolg haben. Er sagt, ein Duellant, der sich von einem bisschen Lärm am Duellieren hindern lässt, ist kein echter Duellant! Außerdem hat er jetzt ganz andere Probleme. Wir wollen nämlich ein drittes Kaibaland in Europa bauen, aber darüber darf ich noch nicht reden, das ist streng geheim. Jetzt bin ich erst mal froh, dass ich dich gefunden habe, Yûgi.“
 

“Was gibt es denn, Mokuba-kun?“ fragte Yûgi, der sich darüber wunderte, wie plötzlich Mokuba’s Wortschwall versiegt war.
 

Mokuba schluckte. “Vor... vor einer Weile hat der andere Yûgi mich gebeten, dir etwas zu geben, wenn wir im März das neue Kino aufmachen werden...“
 

Als Yûgi den Umschlag in Mokuba’s Händen erblickte, stahl sich ein leises Lächeln auf sein Gesicht. Auch Kaibaland war ein Ort der Erinnerungen. Nicht alle davon waren glücklich, schließlich hatte hier das erste Duell zwischen Atum und Kaiba stattgefunden, als Kaiba Großvater entführt und seinen blauäugigen weißen Drachen gestohlen hatte. Auch der Verrat der Big 5 und die anschließende Odyssee in der virtuellen Welt waren ihm nur allzu gut im Gedächtnis geblieben.
 

Aber das Entscheidende war doch, dass Mokuba seinen großen Bruder wiederhatte, und dass Kaiba endlich Freunde gefunden hatte, auch wenn er nach wie vor sein Bestes gab, um diese Tatsache zu leugnen.
 

Aibô,
 

Ich hoffe, das Kino im Kaibaland ist rechtzeitig fertig geworden, dann müsste es jetzt März sein, wenn du diesen Brief erhältst.
 

Es ist gut zu wissen, dass Kaiba und Mokuba immer noch so eifrig an ihrem großen Traum arbeiten. Jeder braucht Träume, um im Leben voranzukommen, und die Schwierigkeiten zu überwinden, die auf ihn warten. Mein Traum war es immer, etwas über mich selbst und meine Vergangenheit herauszufinden und auch ich bin diesem Traum schon ein ganzes Stück näher gekommen. Wenn du diesen Brief liest, werde ich ihn erfüllt haben.
 

Was hast du für Träume, Yûgi? Und nein, damit meine ich nicht nur die Universität, die du besuchen möchtest? Träumst du davon, die Welt zu bereisen? Oder sind es kleine Dinge wie schöne Nachmittage mit deinen Freunden und deiner Familie? Jeder Traum ist wichtig. Man kann vielleicht nicht jeden einzelnen davon erfüllen, aber wer nicht aufgibt und seine Ziele nicht aus den Augen verliert, wird am Ende nicht mit leeren Händen dastehen.
 

Du schaffst das, Yûgi! (An dieser Stelle bitte wieder die Cheerleader einfügen :-) )
 

Bis dann,
 

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Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 227: Letter Part III – Boku no Monogatari hajimaru
 

Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 227: Letter Part III – Meine Geschichte beginnt
 

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April
 

Das Rauschen des Windes übertönte das Lachen und Schwatzen aufgeregter Duellanten, die sich scharenweise unten im Burghof tummelten. Klein sahen sie von hier oben aus, viel zu klein. Und doch schlug in jedem von ihnen ein tapferes Duellantenherz und alle waren sie voller Träume, Wünsche und Hoffnungen auf dieses Turnier gekommen.
 

Wie damals vor zwei Jahren, hatte Pegasus die Ansammlung von Feiertagen in der Goldenen Woche dazu benutzt, um auf seiner Insel ein Turnier zu veranstalten. Genau wie der KC Grand Prix sollte dieses Turnier jetzt regelmäßig einmal im Jahr stattfinden. Doch in Zukunft würden keine finsteren Pläne dahinterstecken. Ab jetzt war es nur noch ein ganz normales Turnier, um den besten Duellanten zu ermitteln.
 

Unter all den Duellanten befanden sich viele bekannte Gesichter. Jônouchi war natürlich da, auch Bandit Keith und Rebecca hatten die weite Reise aus America auf sich genommen, um ihre alte Rivalität zu erneuern. Insect Haga redete wichtigtuerisch auf eine Schar kleinerer Jungen ein, die ihm gebannt lauschten, Dinosaur Ryuzaki lieferte sich ein Spaßduell mit Esper Roba, Kajiki Ryota verspeiste genüsslich ein Fischsandwich, und Vivian Wong, die neben Mai und Rebecca die einzige weibliche Teilnehmerin zu sein schien, genoss die Sonne und die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde.
 

Es überraschte Yûgi nicht besonders, dass Kaiba nicht antrat. Zwar hätte er problemlos teilnehmen können, da das Turnier nicht von der KC veranstaltet wurde, und er somit keine Doppelbelastung als Organisator und Duellant zu tragen hätte. Aber offenbar hatte Kaiba ebenso wie Yûgi selbst das Interesse an Turnieren verloren. Sie hatten alles erreicht, was man als Duellanten erreichen konnte und mussten sich nichts mehr beweisen.
 

Das Einzige, was Kaiba nie geschafft hatte, war, Atum zu schlagen. Aber Atum war fort und Kaiba würde nicht mehr gegen ihn kämpfen können. Vielleicht war auch das der Grund für ihn, sich nicht mehr zu duellieren.
 

“Beautiful view, nicht wahr, Yûgi-boy?”
 

Pegasus war neben ihm an die Burgzinne getreten. Mit strahlendem Lächeln winkte er den Duellanten unten im Hof zu. Yûgi trat hastig einen Schritt zurück, er wollte nicht von allen angestarrt werden. Es war ihm unangenehm.
 

“Kein Grund schüchtern zu sein, sie freuen sich doch, wenn sie dir zuwinken können. Allerdings hoffe ich doch stark, dass sie diese fürchterlichen lauten Dinger zu Hause gelassen haben. Dieses Getröte ist reines Gift für jedes Künstlerohr.“ Pegasus verzog angewidert das Gesicht und kräuselte dabei seine lange westliche Nase.
 

“Kaiba-kun sagt, ein echter Duellant lässt sich von einem bisschen Lärm nicht beeindrucken,“ beeilte sich Yûgi zu erklären.
 

“So, sagt er das?“ Pegasus lächelte amüsiert. “War das bevor oder nachdem sich die KC die japanweiten Vuvuzela-Rechte gesichert hat und sich an den Dingern eine goldene Nase verdient? Du bist zu naiv, Yûgi-boy. Was die Leute sagen, ist nicht immer das, was sie auch denken, ganz besonders im Geschäftsleben nicht.“
 

“Wenn Sie meinen, Pegasus-san.“ Auch Yûgi sagte nicht immer alles, was er dachte und im Moment dachte er sich, dass er keine Lust auf diese Diskussion hatte. Er glaubte an das Gute in den Herzen der Menschen und diesen Glauben würde er sich auch nicht nehmen lassen.
 

“Das war japanisch für: Lass den arroganten Schnösel doch reden,“ amüsierte sich Pegasus und nun musste Yûgi doch lachen. Manchmal konnte er nur schwer daran glauben, dass dieser Pegasus von heute und der verbitterte, von Hass und Dunkelheit besessene Mann aus der Vergangenheit wirklich ein und dieselbe Person waren. Dabei verstand er nun viel besser, was der Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen in der Seele anrichten konnte.
 

“Und genau um diese Naivität beneide ich dich,“ fügte Pegasus hinzu und seine Stimme klang um einiges ernster. “Ich war verbittert und konnte meinen Verlust nicht akzeptieren. Du dagegen hast nicht den Glauben an die Menschen verloren.“
 

Nein, das nicht. Aber als Yûgi an das Duell mit Raphael zurückdachte, erinnerte er sich daran, dass an jenem Tag auch er die Dunkelheit im eigenen Herzen überwinden musste. Solange sein anderes Ich noch bei ihm gewesen war, war er selbst das Licht und der Pharao die Dunkelheit gewesen. Aber nun, seit er fort war, erschien es Yûgi, als trüge er selbst nun beide Seiten im Herzen, Licht und Schatten.
 

“Aber letztendlich ist es Ihnen gelungen, diese Dunkelheit zu überwinden,“ Yûgi wandte sich wieder an Pegasus. “Und das ist es doch, was zählt, nicht?“
 

Pegasus nickte zustimmend. “Und einen, nicht geringen Teil davon, verdanke ich dir, deinen Freunden und natürlich dem Pharao. Ich hoffe, er sitzt irgendwo dort oben mit einem guten Glas Wein bei meiner Cynthia und die beiden schauen uns dabei zu, wie wir uns durch die Irrungen und Wirrungen des Lebens kämpfen.
 

Ich weiß, dass es nicht einfach ist, Yûgi-boy. Aber dem Pharao ist es auch nicht gleichgültig, wie es dir geht. Er hat mir etwas gegeben, das ich heute an dich weiterleiten soll...“
 

Aibô,
 

erinnerst du dich an die kleine Aufgabe, die ich dir im Oktober gestellt habe? Schnapp dir einen Duellanten von der Straße und duellier’ dich mit ihm.
 

Hast du sie erfüllt? Wie hast du dich dabei gefühlt? Hast du wieder die Freunde und die Aufregung verspürt, das Kribbeln im Bauch, wenn man eine gute Strategie im Kopf und die richtigen Karten auf der Hand hat? Und die Nervosität, wenn man nicht weiß, ob man als Nächstes die richtige Karte ziehen wird?
 

Jetzt habe ich noch eine weitere Aufgabe für dich. In diesem Umschlag liegt ein Zugticket. Ich möchte, dass du nach dem Turnier in Bahn steigst und den Rest der Goldenen Woche an einem ganz besonderen Ort verbringst.
 

Bis dann,
 

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~ * ~
 

Mai
 

Es hatte aufgehört zu regnen und Yûgi schloss für einen Moment die Augen, um die frische, klare Bergluft einzuatmen. Als er sie wieder öffnete, um die Landschaft um sich herum zu betrachten. schien es ihm, als wäre die Zeit stehen geblieben.
 

Hier hatte sich wirklich nichts verändert im vergangenen Jahr. Die Reise selbst war ein wenig länger gewesen als er sie in Erinnerung hatte, da das Ticket eine günstigere Verbindung nutzte. Zuerst fuhr er mit dem Shikansen von Domino bis Sotogahama, einer der nördlichsten Städte der Hauptinsel Honshû. Von dort aus ging es mit der Kaikyô Linie durch den Seikan-Tunnel unter der Meerenge hindurch nach Hokkaidô, dann zur Hauptstadt Sapporo und schließlich mit verschiedenen Zügen weiter ins bergige Landesinnere der Insel.
 

Doch der Bummelzug für das letzte Stück der Reise war genau derselbe gewesen, den er letztes Jahr benutzt hatte und als er diesen an der Endstation verließ, sah er sich von grünen Tälern und luftigen Berghöhen umgeben. Nun stand ihm noch ein etwa einstündiger Fußmarsch zum Ryokan bevor, der traditionellen Herberge, in der sie letztes Jahr übernachtet hatten.
 

Der Ryokan lag auf halber Höhe des Nusakoro mit Blick auf das Tal. Letztes Jahr hatten Kaiba und Atum diesen Berg bestiegen, um sich hoch auf dem Gipfel zu duellieren. Es war ihr letztes Duell vor der Reise nach Ägypten gewesen und sie hatten mit Absicht diesen abgelegenen Ort gewählt, damit die Götterkarten nicht wieder für Stromausfälle und andere seltsame Phänomene sorgen konnten.
 

Hier gab es kaum Anzeichen von Zivilisation, denn der nächste größere Ort war mehrere Stunden entfernt. Als hier vor Tausenden von Jahren die Ainu, die Ureinwohner das Land besiedelten, hatte diese Gegend vermutlich kaum anders ausgesehen. Heutzutage hatten sich die Ainu größtenteils mit den Yamato-Japanern vermischt, aber viele der Ortsnamen auf Hokkaidô griffen noch auf die alte Sprache zurück.
 

Letztes Jahr hatte Kaiba den kompletten Ryokan gemietet, damit sie ungestört waren, aber dieses Jahr würden vermutlich noch andere Gäste hier ihre Ferien verbringen. Die Goldene Woche war für viele Geschäftsleute die einzige Zeit im Jahr, wo sie länger frei hatten und Urlaub mit ihren Familien machen konnten. Auch Yûgi’s eigene Familie war öfter zu dieser Zeit weggefahren, aber diesmal lohnte es sich nicht, da sein Vater sich auf einer Tagung befand.
 

Umso überraschter war Yûgi, als er alles still und dunkel vorfand. Strom gab es hier nur bedingt durch einen eigenen Generator, aber es brannten auch keine Öllampen am Eingang oder im Haus. Yûgi ging um die Herberge herum zu der kleinen Wohnung von Frau Takemiya, der Besitzerin des Ryokan und war sichtlich erleichtert, als er dort Licht brennen sah. Er hatte schon befürchtet, dass irgendwas nicht in Ordnung war.
 

Als er näher trat, konnte er hinter dem dünnen Papier der Schiebetüre die Konturen von Frau Takemiya und ihrem Ehemann erkennen, die im Flur standen. Und da war noch eine dritte Gestalt...
 

“...Sie werden schon bald erkennen, dass das die richtige Entscheidung ist.“ Die Stimme des fremden Mannes klang dunkel und sehr förmlich. “Es handelt sich schließlich um ein äußerst großzügiges Angebot.“
 

“Bitte ersparen Sie uns und sich selbst diese Floskeln.” Mit solch ausdrucksloser Stimme hatte Yûgi Frau Takemiya noch nie sprechen hören. Normalerweise war sie eine fröhliche und ausgeglichene Herbergsmutter, die stets ein offenes Ohr für die Wünsche ihrer Gäste hatte. Aber jetzt klang sie irgendwie – gebrochen. Es gab kein anderes Wort dafür.
 

“Ich habe den Kaufvertrag gleich mitgebracht,“ kam der fremde Mann ohne weitere Abschweifungen zum Punkt. “Gibt es einen Ort, wo wir ihn unterzeichnen können?“
 

“Bitte folgen Sie uns ins Wohnzimmer.“ Herr Takemiya klang nicht ganz so resigniert wie seine Frau, seiner Stimme war deutlich die unterdrückte Wut anzumerken.
 

Kaufvertrag? Yûgi durchfuhr es siedend heiß, plötzlich verstand er, worum es hier ging. Die Takemiyas wollten ihre Herberge verkaufen? Aber warum in aller Welt sollten sie das tun? Sie liebten doch ihren Beruf.
 

Strenggenommen ging es ihn natürlich nichts an, aber da war dieses unangenehme Gefühl, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Und er würde herausfinden, was. Das war jedenfalls besser, als hier zu stehen und Gespräche zu belauschen.
 

“Guten Abend, Takemiya-san,“ sagte er deutlich und ging einen weiteren Schritt auf den Eingang zu, so dass er nun im Licht stand. Nur einen Moment später wurde die Tür aufgeschoben, und überraschte Gesichter blickten ihm entgegen. “Yûgi-san,“ Takemiya erkannte ihn sofort, obwohl er erst einmal hier gewesen war. “Bitte komm doch herein, mein Junge. Ich habe versucht, dich zu erreichen, um die Buchung zu stornieren, aber deine Mutter sagte, du wärst bereits unterwegs; selbstverständlich darfst du heute hier schlafen und bekommst dein Geld rückerstattet. Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten.“
 

“Bitte, Sie müssen sich nicht entschuldigen.“ Yûgi wurde leicht rot vor Verlegenheit, als das Ehepaar sich ein ums andere Mal verbeugte. “Ich… uhm…“
 

“Sie sind Mutô Yûgi-san, der König der Duellanten?“ Als die Takemiyas beiseitetraten, um Yûgi einzulassen, konnte er den fremden Besucher zum ersten Mal sehen. Vor ihm stand ein distinguierter Mann in einem dunklen Anzug, dessen Alter schwer auszumachen war. Sein Gesicht war nahezu faltenlos, aber sein schwarzes Haar bereits ein wenig angegraut. Trotz des spärlichen Lichts hielt er seine Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen.
 

“Ich freue mich, endlich Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen, Yûgi-san, auch wenn ich natürlich bedaure, dass diese Begegnung nicht unter angenehmeren Umständen stattfindet.“ Er verbeugte sich formvollendet und als er sich wieder aufrichtete, fiel Yûgi auf, dass sein Gesicht vollkommen glattrasiert war, bis auf einen schmalen dunklen Streifen in der Mitte des Kinns.
 

“Ich bin Projekt Manager bei der Kaiba Corporation.“ Wie es üblich war, stellte er sich zuerst mit Firma und Beruf vor, bevor er seinen eigentlichen Namen nannte. “Mein Name ist Mokushi Akio Ishtar. Bitte nennen Sie mich Akio.“
 

“Ich bin Mutô Yûgi und es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Bei dem Namen Ishtar wusste er sofort, wen er vor sich hatte, aber es war äußerst verwirrend, Isis‘ Ehemann ausgerechnet hier zu begegnen. “Entschuldigen Sie bitte meine Neugier, aber ich habe zufällig einen Teil des Gesprächs mitbekommen. Sind Sie wirklich hier, um den Ryokan zu kaufen?“
 

“Nun, eigentlich möchte die Kaiba Corporation nur das Grundstück erwerben. Die Herberge wird, soweit ich weiß, abgerissen…“
 

Das konnte dieser Mann nicht ernst meinen. Diese Herberge befand sich seit Generationen in Familienbesitz und die Takahashis hatten ihr ganzes Leben hier verbracht. Und jetzt sollte das einfach alles verschwinden? Wo sollte das Ehepaar hin? Welches Interesse konnte Kaiba überhaupt an diesem abgelegenen Grundstück haben?
 

“Selbstverständlich werden die Besitzer äußerst großzügig für ihren Verlust entschädigt,“ fügte Mokushi -Ishtar hinzu. “Die Kaufsumme wird dafür sorgen, dass die Herrschaften Takemiya sich gemütlich zurücklehnen und ihren Lebensabend genießen können.“
 

“Gemütlich zurücklehnen und dabei zusehen, wie Ihre Firma unser Lebenswerk vernichtet.“ Herrn Takemiya platzte nun doch der Kragen. Seine Frau legte ihm beruhigend eine Hand auf den Oberarm. “Reg dich nicht auf Liebling, es hilft ja doch nichts. Wenn wir nicht einwilligen, stehen wir am Ende mit leeren Händen da.“
 

Das klang ja beinahe so, als hätte die Kaiba Coorperation Druck auf das Ehepaar ausgeübt. Es kann äußerst selten vor, dass Yûgi jemanden nicht mochte, aber er musste zugeben, dass Mokushi Akio Ishtar ihm immer unsympathischer wurde. Selbst wenn dieser Mann nur auf Anweisung von oben handelte. Oder vielleicht gerade weil.
 

“Natürlich müssen Sie die Entscheidung treffen, aber letztendlich kann die Kaiba Corporation Sie nicht zwingen zu gehen.“ Nachdenklich blickte Yûgi nach draußen. Als er letztes Jahr hier gewesen war, hatten die Kirschbäume in voller Blüte gestanden. Dieses Jahr, bedingt durch das ungewöhnlich milde Wetter, war die Kirschblüte schon fast wieder vorüber. “Hat nicht Ihr Urgroßvater diese Bäume gepflanzt, Takemiya-san? Das haben Sie mir doch letztes Jahr erzählt. Lohnt es sich nicht, für die Dinge zu kämpfen, die man liebt?“
 

Frau Takemiya blickte ebenfalls zu den schemenhaften Umrissen der knorrigen Bäume hinaus und Yûgi war erleichtert zu sehen, dass der gebrochene Ausdruck in ihrem Blick verschwunden war. Eine neue Entschlossenheit lag in ihren Augen. “Mokushi-san, wir haben unsere Meinung geändert. Bitte sagen Sie ihrem Chef, dass er uns nicht zwingen kann, zu verkaufen. Wenn ich Sie dann zur Tür begleiten dürfte…“
 

“Mit Verlaub, meine Dame, Kaiba Seto anzurufen und ihm zu sagen, dass er irgendetwas nicht tun kann, ist vielleicht nicht unbedingt die klügste Vorgehensweise.“ Mokushi hatte sich Frau Takemiya zugewandt, aber dennoch glaubte Yûgi zu spüren, dass der Blick unter den dunklen Gläsern der Sonnenbrille auf ihn gerichtet war. “ Aber ich hätte einen Vorschlag zu machen, wie diese schwierige Situation vielleicht zu lösen wäre. “
 

“Was meinen Sie damit?“ Yûgi bemühte sich, nicht allzu misstrauisch zu klingen, aber er wusste immer noch nicht, wie er diesen Mann einschätzen sollte. Trauen konnte man ihm jedenfalls nicht. Was hatte sich Isis nur dabei gedacht?
 

Anstelle einer Antwort zog Mokushi ein ziemlich teuer aussehendes Handy aus der Tasche. “Kaiba-sama? Ich bedaure außerordentlich, Sie stören zu müssen, aber es gibt leider unerwartete Schwierigkeiten mit dem Grundstückskauf. Ich erbitte somit Ihre Erlaubnis, so wie wir es besprochen hatten, die Angelegenheit mit anderen Mitteln zu regeln. Gut, natürlich, wie Sie wünschen, Kaiba-sama.“
 

“Was meinen Sie mit anderen Mitteln?“, knurrte Herr Takemiya misstrauisch. “Wagen Sie es ja nicht, meine Frau oder mich zu bedrohen!“ Er griff nach dem nächstbesten Gegenstand, einem alten Regenschirm und wedelte damit vor Mokushi’s Nase herum.
 

“Das war selbstverständlich nie meine Absicht.“ Mokushi Akio steckte das Handy ein und trat einen Schritt zur Seite, um nach dem Aktenkoffer zu greifen, der hinter ihm gestanden hatte. Diesem entnahm er eine Duel-Disc. “Ich fordere Sie, Mutô Yûgi-san. Es wäre mir eine große Ehre und zugleich ein Vergnügen, meine Kräfte mit dem König der Duellanten höchstpersönlich zu messen.“
 

“Nur damit ich das richtig verstehe.“ Frau Takemiya blickte zwischen Akio und Yûgi hin und her. “Sie wollen sich mit Yûgi-san duellieren, und falls er dieses Duell gewinnt, werden Sie fortgehen und uns nie wieder behelligen?“
 

“Das haben Sie durchaus richtig verstanden, verehrte Dame.“ Mit leisem Klicken fuhr die Duel-Disc in Angriffsposition.
 

“Und Kaiba Seto würde das anerkennen?“ fragte Herr Takemiya ungläubig.
 

Noch bevor Akio die Frage bejahte, wusste Yûgi bereits, dass es darauf nur eine Antwort geben konnte. Kaiba würde weder sein Wort brechen, noch den Ausgang eines Duells in Frage stellen. Und er selbst hatte diesem Duell zugestimmt, wenn auch im Unwissen darüber, gegen wen sein Mitarbeiter antreten würde.
 

Langsam wurden Yûgi einige Dinge klar. Zum einen dämmerte ihm allmählich ein Verdacht, was Kaiba für ein Problem mit dieser Herberge hatte. Dieser Ort war für ihn mit Erinnerungen verbunden mit denen er nicht mehr konfrontiert werden wollte. Und es genügte ihm nicht, einfach nicht mehr hierher zu kommen. Er wollte alles mit Stumpf und Stiel ausrotten. Genauso wie er damals jede Erinnerung an Gozaburo getilgt und sogar die Insel mit den alten Laboren und Produktionshallen der Kaiba Corporation in die Luft gesprengt hatte.
 

Damals hatte es ihn nicht interessiert, ob durch sein unüberlegtes Verhalten menschliche Existenzen zu Schaden kamen und offenbar interessierte ihn das auch heute nicht. Sonst würde er nicht ohne zu zögern das Lebenswerk dieser Menschen vernichten. Dafür konnte auch ein großzügiger Kaufpreis nicht als Entschädigung dienen.
 

Zum anderen fragte Yûgi sich, ob er Akio nicht doch falsch eingeschätzt hatte. Akio schien gar nicht wirklich daran interessiert, die Takemiyas von hier zu vertreiben. Er befand sich in der schwierigen Situation, dass er nicht gegen die Interessen seiner Firma handeln durfte, aber mit diesem Duell hatte er einen Ausweg gefunden, die Sache zu klären, ohne dass irgendjemand sein Gesicht verlor. Yûgi zweifelt nicht daran, dass Mokushi Akio ein ernst zu nehmender Gegner war, aber dennoch räumte er sich gute Chancen ein, dieses Duell zu gewinnen.
 

Yûgi wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er eine Hand auf der Schulter spürte. Erschrocken wandte er sich um und blickte in das entschlossene Gesicht von Herrn Takemiya. “Wir sind bereit, dir unsere Sache anzuvertrauen, mein Junge. Du wirst ihn schlagen.“
 

“Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, aber ich kann diesem Duell leider nicht zustimmen. Nicht in dieser Weise.“
 

Yûgi wandte sich Akio zu. “Ich fühle mich durch Ihre Herausforderung geehrt, aber ich kann sie nicht annehmen, da Sie in dieser Angelegenheit der Mittelsmann sind. Kaiba-kun ist derjenige, der dieses Grundstück haben will, also soll er auch persönlich hierher kommen und dafür kämpfen. Bitte übermitteln Sie ihm das.“
 

Akio nickte. “Ich verstehe.“ Erneut zückte er sein Handy und begann damit, Kaiba den Sachverhalt zu erklären.
 

“Kaiba-kun!“ Yûgi konnte sich kaum noch daran erinnern, wann er zum letzten Mal jemandem ins Wort gefallen war. “Kaiba-kun, ich weiß, dass du mich hören kannst. Warum willst du diesen Menschen ihr Zuhause wegnehmen? Ich kann nicht daneben stehen und dabei zusehen, wie du das Lebenswerk ganzer Generationen zerstörst, nur weil du nicht in der Lage bist, mit deinen Erinnerungen umzugehen. Du bist nicht der einzige, dessen Erinnerungen hier sind! Und wenn ein Duell diese Sache entscheiden soll, dann werd‘ ich nur gegen dich persönlich antreten. Morgen früh zu Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Nusakoro! Bevor du es wagst anderen Schmerzen zuzufügen, solltest du dich zuerst deinem eigenen Schmerz stellen!“
 

Yûgi entspannte seine Hände, die er, ohne es zu merken, zu Fäusten geballt hatte und atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen.
 

“Yûgi-san? Yûgi-san?“ Erst einige Augenblicke später merkte er, dass Frau Takemiya das Wort an ihn richtete. “Geht es dir gut?“
 

“Machen Sie sich keine Sorgen.“ Yûgi wandte den Kopf, als er ein leises Klicken und anschließendes Surren hörte. Akio hatte seine Duel-Disc abgeschaltet und war gerade dabei, sie wieder wegzupacken. “Offenbar wird mir heute leider nicht das Privileg zuteil, gegen Sie antreten zu dürfen, Yûgi-san. Ich hoffe, dass wir zu anderer Zeit dazu Gelegenheit haben werden.“
 

“Kommt Kaiba-kun etwa hierher?“ fragte Yûgi ungläubig. Würde Kaiba wirklich über seinen Schatten springen und sich seinen Erinnerungen stellen?
 

“Kaiba-sama hat mich soeben darüber informiert, dass er, ich zitiere: ‘nicht das geringste Interesse an einem solch lächerlichen und unbedeutenden Grundstück hat.‘“ Akio schwieg einen Moment während sich die Takemiyas erleichtert in die Arme fielen. “ Nun, wie es scheint, ist mein Auftrag hier erledigt und ich darf mich verabschieden. Einen schönen Abend, die Herrschaften.“
 

In der Tür wandte er sich noch einmal zu Yûgi um. “Was für ein bemerkenswerter Zufall, dass Sie ausgerechnet heute hier Ferien machen. Auf Wiedersehen, Mutô Yûgi-san.“
 

War das ein Zwinkern hinter der Sonnenbrille gewesen? Hatte Akio am Ende geplant, hier auf ihn zu treffen und somit den Takemiyas zu helfen. Aber er konnte doch nicht gewusst haben, dass Yûgi heute hier sein würde, oder doch? Gut, Yûgi hatte es natürlich seiner Familie und seinen Freunden erzählt und wenn irgendjemand von ihnen in der letzten Zeit mit Isis gesprochen hatte… aber nein, das war zu unwahrscheinlich. Sicher war das alles nur ein Zufall.
 

“Ich weiß nicht, wie wir dir danken sollen, Yûgi-san.“ Das strahlende Lächeln auf den Gesichtern der Herbergseltern war eigentlich schon Dank genug. Aber zu einer heißen Tasse Tee würde er natürlich auch nicht nein sagen.
 

“Setz dich doch für einen Moment ins Wohnzimmer, mein Mann bringt dir gleich etwas Warmes zu trinken. Ich mache währenddessen dein Zimmer fertig. Oh, bevor ich es vergesse, möchtest du das Dokument abholen, das du mir letztes Jahr zur Aufbewahrung gegeben hast?“
 

Aibô,
 

ich schreibe diese Zeilen im Steingarten hinter dem Teehaus. Wusstest du, dass dieser Garten aus genau sieben Steinen besteht, dass man aber niemals alle sieben gleichzeitig sehen kann. Egal, an welchem Ort man sich befindet, man kann nie mehr als sechs auf einmal erkennen. Das ist ein Symbol dafür, dass es immer Dinge gibt, die uns verborgen bleiben.
 

Den Kirschgarten kann ich von hier aus nicht sehen, aber der Geruch der Blüten liegt überall in der Luft. Ich blicke hoch zum Gipfel des Nusakoro, hinter dem langsam die Nachmittagssonne versinkt. Dieser Ort trägt die Erinnerung an das letzte Duell zwischen Kaiba und mir und damit auch die Erinnerung an alle anderen Duelle die wir gegeneinander ausgetragen haben. Denn jedes Duell zwischen uns war in gewisser Weise eine Fortsetzung des vorigen Kampfes.
 

Damals auf dem Duel Tower sagte ich zu Kaiba, wir wären uns ebenbürtig, aber heute wird mir klar, dass diese Aussage nicht ganz zutrifft. Als ich einige Monate später vor der Wahl stand, das Siegel von Orichalcos zu benutzen, habe ich trotz deiner Warnung die Karte eingesetzt, in der Hoffnung meine Niederlage noch abwenden zu können.
 

In meiner Überheblichkeit und Arroganz habe ich geglaubt, ich könne die finsteren Kräfte kontrollieren, die Orichalcos mit sich bringt, anstatt. mich auf meine eigene Stärke als Duellant zu verlassen. Kaiba dagegen hat in einem Duell auf den Sieg gegen mich verzichtet, als er erkannte, dass die Pyramide des Lichts ebenfalls mit finsteren Kräften arbeitet. Obwohl er immer wie besessen von dem Gedanken war, mich zu besiegen und obwohl er nur noch einen einzigen Zug von seinem Ziel entfernt war, wollte er keinen Sieg annehmen, den er nicht mit eigenen Kräften errungen hatte. Anstatt mich anzugreifen, versuchte er, die Pyramide des Lichts zu zerstören, um die dunkle Magie aus unserem Duell zu verbannen.
 

Vielleicht fragst du dich, warum ich nicht auch ihm Briefe hinterlassen habe. Aber wahrscheinlich kennst du die Antwort darauf schon, er würde sie nicht lesen. Er würde sie ungeöffnet vernichten, denn er glaubt nicht an die Gefühlsbande, die durch gemeinsame Erinnerungen entstehen. Erinnerung ist ihm zuwider, sogar mehr noch als Freundschaft oder Magie. Sein ganzes Denken ist immer nur auf die Zukunft gerichtet.
 

Und er würde niemals zulassen, dass ihm ein anderer dabei hilft, seinen Schmerz zu tragen. Dafür ist er zu stolz.
 

Ich bin froh, dass ich inzwischen erkannt habe, dass es nicht Schwäche, sondern Stärke ist, die Hilfe anderer anzunehmen. Hier in der Natur kann man richtig spüren, wie alle Kräfte ineinandergreifen. Das Wasser formt die Steine, die Steine formen das Gebirge und halten die Erde fest, damit hier Pflanzen wachsen können. Die Kirschblüten fallen zur Erde und sterben, was natürlich traurig ist, weil sie ihre Schönheit verlieren. Aber dadurch können erst die Kirschen reifen und Kirschen sind lecker. Es hat also alles seinen Sinn.
 

Die Erinnerungen an diesen Ort gehören natürlich nicht nur Kaiba und mir, sondern ebenso dir. Ich hab‘ mit Absicht so lange gewartet, bis ich dich hierher schicke, damit die Trauer über unseren Abschied nicht mehr so frisch ist. Ich denke, jetzt bist du soweit, dass du diesen Ort besuchen und diese wunderschönen Erinnerungen genießen kannst, ohne dabei traurig zu werden. Ein bisschen melancholisch vielleicht, aber nicht mehr traurig.
 

Genieß‘ die Kirschblüte, die Spaziergänge, den Tee und die heißen Quellen. Und mach einfach mal Ferien. :-)
 

Bis dann,
 

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~ * ~
 

Juni
 

Es waren Sonnenstrahlen, die ihn weckten, die Sonnenstrahlen, die durch sein Dachfenster ins Zimmer fielen und ihn an der Nase kitzelten.
 

Yûgi unterdrückte ein Niesen und blinzelte verwirrt in den neuen Morgen. Seltsam, er fühlte sich gar nicht anders als gestern. Und dabei war heute doch ein ganz besonderer Tag.
 

Wie schön, dass dieser Tag ausgerechnet auf einen Samstag fiel. Keine Schule heute, stattdessen ein gemütliches Frühstück mit der Familie, und abends Party mit seinen Freunden. Obwohl er seine Freunde nun schon eine Weile hatte, erschien es ihm immer noch wie ein kleines Wunder. Früher hatte er nur seine Spiele gehabt und nur Großvater oder Mutter, die sie mit ihm spielten. Dann war Anzu dazu gekommen und jahrelang hatte es ihm genügt, nur eine einzige Freundin zu haben.
 

Bis er irgendwann gemerkt hatte, was er vermisste. Hatte wirklich das Millennium-Puzzle seinen Wunsch nach Freunden erfüllt oder war es letztendlich er selbst gewesen, der sich den anderen als guter Freund erwiesen hatte. Er wusste es nicht und es spielte auch keine Rolle mehr. Er hatte echte Freunde – und es gab doch nichts Besseres im Leben.
 

Eigentlich war es noch zu früh, um an einem Samstag aufzustehen, aber Yûgi fühlte sich jetzt wach und wollte den Tag beginnen. Er schwang die Beine aus dem Bett und suchte Klamotten zum Anziehen zusammen. Von unten drang bereits der köstliche Duft von heißem Tee in seine Nase. Schnell warf er sich eine Hose und ein T-Shirt über, schlüpfte barfuss in die Hausschuhe und lief nach unten, zu Großvater und Mutter. Vater hatte es leider nicht geschafft, den Tag frei zu bekommen, aber er hatte Yûgi eine Glückwunschkarte geschrieben, die neben seinem Teller lag.
 

Als Yûgi nach dem Frühstück und nach einer ausgiebigen Dusche in der untersten Schublade der Kommode nach Socken wühlte, fiel ihm wieder ein, dass es jetzt eigentlich Zeit war, einer alten Tradition zu frönen. Socken-Memory. Es war eins von den vielen Spielen, die er als kleiner Junge erfunden und regelmäßig gespielt hatte. Später, als er älter wurde, spielte er es nur noch an seinen Geburtstagen um der alten Zeiten willen.
 

Kurzerhand räumte Yûgi alle Socken aus der Kommode, faltete sie auf und begann sie überall im Zimmer zu verteilen. Einige Socken waren bunt, also würde es nicht schwer sein, die passenden Paare wieder zusammenzubringen. Aber bei den schwarzen und weißen Socken würde es immer noch eine Herausforderung sein.
 

Als die Schublade vollkommen leergeräumt war, kam dort ein kleiner weißer Umschlag zum Vorschein. Yûgi zog die Stirn kraus, konnte Atum sich wirklich gemerkt haben, dass sein Geburtstag der einzige Tag war, an dem diese Schublade komplett leer war? Hastig faltete er den Umschlag auf.
 

Aibô,
 

Morgen fliegen wir nach Ägypten und ich weiß, dass ich nicht mehr hierher zurückkommen werde. Aber bis du diesen Brief liest, wird noch ein weiteres Jahr vergehen.
 

Es fällt mir schwer, meine Gedanken in Worte zu fassen, denn Worte waren zwischen uns niemals notwendig. Aber nun muss ich das tun, muss Worte finden für all die Dinge, die uns ohne Worte verbanden, als wir noch zwei Seelen in einem Körper waren.
 

Du hast mich gelehrt, dass wahre Stärke aus der Sanftmut entsteht. Du hast mich gelehrt, dass Vergebung wichtiger ist, als Vergeltung. Du hast mich so vieles gelehrt und dafür werde ich dir ewig dankbar sein. Du bist der stärkste Duellant, dem ich jemals begegnet bin und es war mir eine Ehre, dass ich die Straße der Duellanten ein Stück mit dir gemeinsam gehen durfte.
 

Aber jetzt ist es an der Zeit, dass du deinen Weg ohne mich weitergehst und deswegen ist dies auch mein letzter Brief an dich. Ich weiß, du schaffst das. Ihr schafft das, du und unsere Freunde. Denn du bist Yûgi, der einzige Yûgi auf dieser Welt.
 

Dies ist nicht die Geschichte eines Pharaos, denn jeder von uns hat seine eigene Geschichte. Eine Geschichte, die im Licht enden wird.
 

Und deine Geschichte hat gerade erst begonnen.
 

Bis dann,
 

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P.S. Alles Gute zum achtzehnten Geburtstag, Aibô.
 

“Yûgi? Hey, Yûgi!“
 

Yûgi’s Hände ließen das Blatt sinken und er wandte sich zur Zimmertür. Jônouchi lehnte am Türrahmen, ein leicht gekränkter Ausdruck auf seinem Gesicht. “Ich hab’ dich jetzt schon dreimal begrüßt, mich fünfmal über dieses Sockenchaos gewundert und dich mindestens zehnmal gefragt, was wir alles für die Party vorbereiten müssen. Aber du merkst ja nicht einmal, dass du überhaupt Besuch hast, du verplantes Geburtstagskind!“
 

“Tschuldigung, Jônouchi.“ Yûgi ging zum Schreibtisch hinüber und rückte ihn ein Stück von der Wand weg, damit er Atum’s letzten Brief zu den anderen ins Geheimfach legen konnte. Irgendwann würde er sich die Zeit nehmen und alle Briefe noch mal in Ruhe durchlesen.
 

Aber nicht heute. Entschlossen rückte er den Schreibtisch an seinen Platz zurück, wischte sich die letzten Spuren der Tränen aus den Augen und wandte sich dann Jônouchi zu. “Einkaufen gehen wir später, wenn Anzu und Honda hier sind, aber Anzu hat gemeint, wir sollen schon mal eine Liste machen, was wir alles an Essen, Getränken und Deko brauchen. Und du kannst dich erst mal gemütlich hinsetzen und mir dabei zugucken wie ich das Sockenchaos wieder aufräume und mir anschließend helfen, die Tatami-Matten im Zimmer auszubreiten. Da sitzen wir dann bequemer als auf dem Boden und heute Nacht können wir darauf schlafen.“
 

“Klar, kein Problem.“ Wie erwartet, ließ Jônouchi ein paar Sprüche über das Socken-Memory los, aber es waren gutmütige Witze und am Ende ließ er sich sogar von Yûgi’s Begeisterung anstecken und half ihm, die letzten Paare zu finden. Danach ging es ans Mattenschleppen.
 

Sie stapften zum Stapel hinüber und hoben die erste Matte an. “Was ist eigentlich mit den Mädchen?“ fragte Jônouchi misstrauisch und schubste die Matte in die Ecke. “Wo sollen die schlafen?“ Yûgi konnte ihm an der Nasenspitze ansehen, dass ihm der Gedanke nicht behagte, seine Schwester eine ganze Nacht lang mit Honda und Otogi im selben Raum zu wissen.
 

“Keine Sorge. Anzu und Shizuka schlafen nicht bei uns auf den Matten, sie kriegen natürlich das Bett. Für zwei Leute reicht der Platz und mehr Mädchen kommen nicht. Miho ist ja immer noch in Amerika und Rebecca wohnt sowieso dort. Wäre ein bisschen weit für eine Party.“
 

“Ach so.“ Weitere Matten folgten der ersten. “Und... na ja... nicht, dass mich das irgendwie interessieren würde, aber... was ist mit Mai?“
 

Yûgi schmunzelte über Jônouchi’s betont gelangweilten Gesichtsausdruck. “Wir haben leider keine E-Mail oder Postadresse von ihr, aber ich hab’ ihr eine Nachricht im KCDN geschickt. Allerdings, als ich heute morgen nachgesehen habe, war die Nachricht noch im Postausgang, also glaub’ ich nicht, dass sie sie gelesen hat.“
 

“Wie gesagt.“ Jônouchi verpasste der letzten Matte einen kräftigen Tritt. “Nicht, dass mich das auch nur im Geringsten interessieren würde...“
 

Erneut musste Yûgi grinsen, aber er zog es vor, diesen Satz unkommentiert zu lassen.
 

“So, alles an seinem Platz.“ Zufrieden blickte Jônouchi sich im Raum um. “Wie viel Zeit haben wir denn noch bis Honda und Anzu hier sind?“ wollte er unvermittelt wissen.
 

“Etwa eine halbe Stunde, warum fragst du?“ Yûgi blickte auf die Uhr, um sich zu vergewissern. “Nein, Jônouchi, das geht nicht, wir wollten doch noch den Essensplan und die Einkaufsliste für heute Abend machen...“
 

“Ach komm schon!“ Jônouchi setzte seinen Hundeblick auf. “Nur ein ganz ganz kurzes!“
 

“Na gut.“ Yûgi ließ sich erweichen. “Aber nur ein kurzes!“
 

Für eine Weile sagte keiner ein Wort, sie grinsten sich nur gegenseitig an.
 

Dann schrieen beide im selben Moment los: “Duell!“
 

Tsuzuku... (to be continued)
 

Ending Song
 

Keiner weiß genau, wie du dich fühlst.

Keiner weiß, wofür dein Herz noch schlägt.

Keiner weiß, warum du heute spielst.

Keiner weiß, was dich durchs Leben trägt.
 

Dein Herz, ist allen stets ein Zeichen,

ein strahlend goldnes Licht

Wahrheit, schaut dir in deine Seele,

und tief in dein Gesicht.
 

Deine Hand, hält alles Schöne fest,

wir greifen nach den Sternen.

So komm mit mir, es ist soweit, wir glauben an die neue Zeit

Unser Weg ist noch unendlich weit...
 

Keiner weiß genau, wie du dich fühlst.

Keiner weiß, wofür dein Herz noch schlägt.

Keiner weiß, warum du heute spielst.

Keiner weiß, was dich durchs Leben trägt.
 

Dein Blick, lässt mich tiefer schauen

als jeder Ozean

Hoffnung sagt, wir können's schaffen,

wir fangen es gemeinsam an.
 

Freundschaft weiß genau, wie du dich fühlst.

Freundschaft weiß, wofür dein Herz noch schlägt.

Freundschaft weiß, warum du heute spielst.

Freundschaft weiß, was dich durchs Leben trägt.

Freundschaft ist’s, was dich durchs Leben trägt.
 


 

Ending Credits
 

Fun Facts for Freaks: Bevor die Ägyptologen hier alle im Dreieck springen, wir wissen, dass die ägyptische Geschichte etwas anders verlaufen ist, als sie in Yu-Gi-Oh dargestellt wird. Einen Pharao Atum hat’s nie gegeben, aber sein historisches Vorbild war vermutlich Tutankhamun, der letzte “echte“ König der 18.Dynastie, der als Teenager unter mysteriösen Umständen starb. Danach kam der alte Berater Ay auf den Thron (vielleicht das Vorbild für Shimon), danach der Feldherr Horemheb und danach begann die 19.Dynastie mit Ramses I, der ebenfalls Feldherr war. Pharao Set war der Sohn von Ramses, und eigentlich erst der zweite König der 19.Dynastie, aber Takahashi hat wohl Ay, Horemheb, und Ramses mal eben in die Tonne gekippt und Set direkt auf Tutankhamun bzw. Atum folgen lassen, damit es für die Story besser passt. Künstlerische Freiheit nennt man das.
 

Auch wir haben uns die Freiheit genommen, uns nicht immer an historische Tatsachen halten. Wobei ihr aber keine Angst vor altägyptischen Pommes Frites haben müsst, ganz blöd sind wir zum Glück auch nicht.
 

Fleißigen Serienguckern wird aufgefallen sein, dass der “Ort der Erinnerung“ vom Monat Mai nicht aus der Serie stammt. Das Duell auf dem Berggipfel ist eine kleine Anspielung an meine andere Fanfic Schicksalsduellanten, die man aber nicht kennen muss, um die Zusammenhänge zu verstehen. Eigentlich kann die Szene ganz gut für sich selbst stehen.
 

In der nächsten Folge erwartet uns...
 

Oh, diese Jungs! Da sollen sie eine Party vorbereiten und was tun sie stattdessen? Sich duellieren! Gibt es denn nichts Wichtigeres als diese ewigen Karten? Eine gehörige Standpauke werden sie bekommen, wenn ich sie dabei erwische!
 

Aber was wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wissen können ist, dass sich an einem anderen Ort etwas zusammenbraut. Im Steinkreis der verlorenen Seelen führt eine Priesterin ein geheimnisvolles Ritual durch und ruft Duellanten aus längst vergangenen Zeiten zu einem seltsamen Wettstreit herbei. Mehr darüber gibt es in der nächsten Folge: Yûjô no Duel – Yûgi tai Jônouchi! (Das Duell der Freundschaft, Yûgi vs. Jônouchi)
 

Duel Standby!



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