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Yu-Gi-Oh! Season 6: Triskelion

Eine virtuelle sechste Staffel zu Yu-Gi-Oh! Duel Monsters
von

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Episode 226: Letter Part II – Shiryô no su (Der Ort der Geister)

Warum tun die Karten in der Serie nicht das, was sie im echten Spiel tun?

Weil die Karten das tun, was nötig ist, um den Plot voranzutreiben.

– Kazuki Takahashi –

Erfinder von Yu-Gi-Oh
 

~ * ~
 

In der letzten Folge von Yu-Gi-Oh! Duel Monsters...
 

Das zeremonielle Duell ist vorbei und mein anderes Ich ist in die Unterwelt zurückgekehrt. Doch was ist das... Briefe? Er hat mir Briefe hinterlassen. Sie kommen unerwartet, von vielen verschiedenen Menschen, aber immer an Orten, die von unseren Erinnerungen erfüllt sind.
 

Trotzdem, ich vermisse dich, mô hitori no boku. Und ich glaube, dass es einen Ort gibt, an dem ich dich wiedersehen kann. Im Steinkreis, dort wo der Kontakt zu den Geistern möglich ist. Wir haben uns schon einmal dort getroffen, du und ich, damals als das Orichalcos-Siegel meine Seele geraubt hatte. Wirst du dort auf mich warten? Ich hoffe es so sehr.
 

Raphael-san, bitte versuch’ nicht, mich aufzuhalten! Ich muss dorthin!
 

~ * ~
 

“Ich aktiviere die Magiekarte Thousand Knife. Wenn ich einen Schwarzen Magier kontrolliere, kann ich diese Karte verwenden und ein Monster meines Gegners zerstören. Ich zerstöre Guardian Eatos!“
 

Tausende winziger Messer formten sich wie eine tödliche Aura um den Schwarzen Magier herum und als er sein Zepter erhob, sausten sie zischend durch die Luft auf Eatos zu. Die Wächterin stieß einen schrillen Schrei aus und erhob sich in die Lüfte, aber die schwirrenden Klingen umgaben sie wie ein Hornissenschwarm, zerfetzten ihre Flügel, begruben sie unter blitzendem Silber. Ein letztes Mal konnte Yûgi ihre Augen sehen, diese hellen klaren Falkenaugen, die sie Raphael zugewandt hatte. Aber im nächsten Moment war sie verschwunden, nur das Geräusch der Messer gellte immer noch in seinen Ohren und wurde irgendwann eins mit dem Heulen der Geister.
 

Alle Farbe war aus Raphael’s Gesicht gewichen. Durch seinen Körper lief ein Zittern, als er stumm auf die Stelle starrte, an der Eatos verschwunden war. Seine Lippen bewegten sich, aber es drang kein Laut hervor. Vielleicht ein stummes Gebet, vielleicht der Versuch einer Entschuldigung, vielleicht einfach nur die pure Verzweiflung, die kein Ventil fand.
 

Yûgi wollte etwas sagen, irgendetwas, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Was bei allen Göttern hatte er getan?
 

~ * ~
 

Opening Song, TV-Version
 

Schritt für Schritt gehst du den Weg,

So steinig er auch ist und weit,

Fällt es auch schwer wieder aufzusteh’n.

Der Sand verrinnt im Stundenglas der Zeit.
 

Dein Herz, es mag dich weiterführen,

Denn ich vertrau auf deine Kraft,

Und du wirst seine Stärke spüren,

Sie erinnert dich, dass du es schaffst.
 

Erinnerung brennt heiß,

Wie das Feuer in der dunkelsten Nacht.

Solange dein Herz den Weg noch weiß,

Spürst du meine Seele, die über dich wacht.

Du hörst mich rufen durch die Zeit,

So nah und doch so endlos weit.

Solange du mich nicht vergisst,

Solang dein Herz mich noch vermisst,

Ich werde immer bei dir sein,

Du trägst mein Bild in dir.

Darum trau dich,

Erinner’ Dich

An mich.
 

Opening Credits
 

Yamato und das Staffel-6-Team bedanken sich bei allen fleißigen Lesern. Wir freuen uns über Reviews, wir freuen uns über Quietschkommies, und wir freuen uns auch über Schwarzleser. Viel Spaß mit der nächsten Folge.
 


 

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Episode 226: Letter Part II – Shiryô no Su

(Episode 226: Letter Teil II – Der Ort der Geister)
 

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30. Dezember

Kaibaland USA

Hotel-Lobby


 

“Und dir hat Yûgi auch nicht erzählt, wohin er gefahren ist?“ Verwundert zog Anzu die Brauen zusammen und suchte in Jônouchi’s Gesicht nach irgendeinem Anzeichen, dass er vielleicht schwindelte.
 

“Nein, kein Wort.“ Entschieden schüttelte Jônouchi den Kopf und nahm einen weiteren Schluck von seiner Cola. “Er sagte nur, das er noch was erledigen muss, und dass er spätestens morgen abend zur Eröffnungszeremonie wieder hier ist.“
 

“Vielleicht möchte er jemanden besuchen,“ überlegte Honda. “Wo macht Miho noch mal ihr Austauschjahr? Chikadee?“
 

“Das heißt Chicago.“ Anzu wandte ihren Blick in Richtung Eingang, als erwarte sie, dass Yûgi jeden Moment durch die Tür käme. “Aber erstens hätte er uns dann Bescheid gesagt und zweitens wäre es doch sehr unwahrscheinlich, dass er einfach so in ein Flugzeug steigt und mal eben von Kalifornien nach Illinois fliegt.“
 

“Huh?“ fragte Jônouchi. “Ich dachte, du sagtest, sie wäre in Chicago?“
 

Anzu stieß einen tiefen Seufzer aus und bedachte die beiden Jungen mit einem hoffnungslos genervten Blick. Die jedoch zuckten nur mit den Schultern. “Was sollen wir uns hier mit Erdkunde rumstressen? Die Amerikaner sind doch auch nicht besser. Die eine Hälfte macht uns für Pearl Harbor verantwortlich und die andere Hälfte will, dass wir ihnen Kung-Fu beibringen.“
 

Anzu versuchte vergeblich, sie weiter strafend anzusehen, doch das Grinsen hatte sich schon auf ihr Gesicht geschlichen. “Ihr habt die Toyota-Fahrerin vergessen, die uns gestern gefragt hat, ob wir denn in Japan schon Autos hätten.“
 

“Ach richtig, die Toyota-Fahrerin!“ Während die beiden eifrig begannen, über den Vorfall zu diskutieren, blickte Anzu erneut zur Tür. Wo steckte Yûgi nur, und warum war er fortgegangen? Und wann würde er zurückkehren?
 

~ * ~
 

Stone Wilderness, der Ort der Geister

Selbe Zeit
 

[Yûgi LP 50 / Raphael LP 3000]
 

“Watashi no Turn – Draw!”
 

Nahezu ausdruckslos kamen die rituellen Worte über Raphael’s Lippen. Auch seine Hand fühlte sich wie taub an, als er nach der nächsten Karte griff.
 

Er wusste nicht, was ihn schlimmer traf, die Tatsache, dass er soeben seine geliebte Seelenwächterin verloren hatte, oder die Tatsache, dass Yûgi sich hoffnungslos in ein Duell für eine falsche Sache verrannt hatte. Ausgerechnet Yûgi, der von allen Duellanten denen Raphael bisher begegnet war, das reinste Herz besaß. Ausgerechnet Yûgi befand sich auf einem Weg in die Dunkelheit, weil er mit seinem Schmerz nicht umgehen konnte. Konnte man denn nur ein reines Herz besitzen, solange man nicht mit Schmerz konfrontiert wurde? Gab es keine Möglichkeit, gegen Verzweiflung und Verbitterung anzukommen?
 

Raphael wollte das nicht glauben. Der Pharao hatte ihm damals gezeigt, dass es einen anderen Weg gab, aber auch er hatte diesen Weg erst durch Yûgi, seine sanftmütigere Seite, kennen gelernt. Wären Yûgi und der Pharao nicht gewesen, hätte die Finsternis vollkommen die Kontrolle über Raphael’s Herz übernommen. Voller Abscheu dachte er an Guardian Death Scythe zurück, den abscheulichen Dämon in den sich Eatos damals verwandelt hatte. Er würde dieses Geschöpf um keinen Preis zurückholen, selbst wenn er nun die Möglichkeit dazu hatte, nachdem Eatos zerstört worden war. Doch diese Zeiten waren vorbei. Endgültig vorbei.
 

Er blickte auf sein Blatt. Elma’s Dolch war, wie sein Effekt es besagte, auf seine Hand zurückgekehrt, als Yûgi die Ausrüstungskarten zerstört hatte. Auch die blitzenden Zwillingsschwerter von Tryce, die er sich in seinem letzten Zug mit Elma’s Effekt geholt hatte, befanden sich dort. Ebenso Ceal’s Bogen, den er soeben gezogen hatte. Also fehlte nur noch...
 

“Ich benutze Elma’s Effekt, um Haja no Taiken - Baou vom Friedhof aufs Feld zurück zu holen.
 

Baou’s mächtiger Zweihänder erschien auf dem hinteren Feld, die Flamberge, die das Böse zerstörte. Im Moment konnte Raphael keine der Waffen wirklich einsetzen, da die dazugehörigen Monster sich nicht auf dem Feld befanden. Auf dem Feld standen noch Grarl, Elma, Kay’est und Backup Gardna. Lediglich Elma, die Wächterin des Windes könnte er also mit ihrem Dolch ausrüsten, aber gegen den Schwarzen Magier würden die dreihundert zusätzlichen Angriffspunkte nicht viel helfen.
 

Eine Möglichkeit würde es allerdings geben, um das Duell in diesem Zug zu gewinnen. Er konnte Guardian Grarl gegen Yûgi’s Magier in den Kampf schicken, die beiden Monster hatten den selben Angriffswert. Sie würden beide zerstört werden, aber danach war das Feld frei und er könnte mit Elma direkt angreifen.
 

Dazu musste er allerdings Grarl vorsätzlich in den Tod schicken. Und das würde er nicht tun, niemals. Damals, als die Finsternis sein Herz übermannt hatte, hatte er gedankenlos seine Monster geopfert und sie lediglich als Mittel zum Zweck gesehen, ohne Respekt vor ihrem Opfer. So etwas würde er nicht noch einmal tun.
 

Neben den Waffen für seine Monster besaß Raphael noch eine weitere Handkarte, er hatte sie in seinem vorigen Zug gemeinsam mit Eatos gezogen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er, dank des Effektes von seinem Schatz des Wächtergottes zwei Karten pro Runde ziehen können. Bei dieser Karte handelte es sich um die Magiekarte Izumi no Seirei, den Geist der Quelle.
 

Als er die Karte betrachtete, musste er unwillkürlich an Eatos denken und plötzlich wurde ihm eines bewusst. Es würde nicht ausreichen, Yûgi einfach nur zu besiegen. Er musste ihm begreiflich machen, dass der Weg, den er gewählt hatte, falsch war.
 

Und da Yûgi ihm nicht zuhörte, konnte er das nicht mit Worten tun.
 

“Zunächst einmal wechsele ich Elma von der Angriffs- in die Verteidigungsposition.“ Grarl würde im Angriff bleiben, das bot ihm besseren Schutz vor dem Magier. “Als Nächstes setzte ich meine Magiekarte Izumi no Seirei ein. Sie erlaubt mir, eine Ausrüstungskarte vom Friedhof auf die Hand zu nehmen. Und nachdem ich die meisten von ihnen aus dem Spiel entfernt habe, wähle ich natürlich die Einzige, die sich jetzt noch dort befindet: Megami no Seiken - Eatos.
 

Yûgi blickte ihn ungläubig an. “Warum holst du dir ausgerechnet diese Karte zurück? Sie wird dich doch nur an Eatos erinnern und dich traurig machen.“
 

Raphael schüttelte jedoch den Kopf. “Ja, sie wird mich an Eatos erinnern, genauso wie Eatos mich immer an meine Familie erinnern wird. Aber das muss mich nicht unglücklich machen. Es kann auch sehr tröstend sein, wenn wir uns an diejenigen erinnern, die von uns gegangen sind. Turn End.“
 

[Raphael: LP 3000/ Yûgi: LP 50]
 

“Boku no Turn – Draw!”
 

Das war doch vollkommener Unsinn, den Raphael da redete. Erinnerungen taten nur weh, nichts weiter. Yûgi wollte sich nicht erinnern, er wollte Atum zurückhaben. Er wollte der Stimme folgen, er wollte in den Steinkreis. Was nutzte ihm die Erinnerung! Er besaß auch ein Erinnerungsstück an Atum, ein einziges, bevor er die Briefe gefunden hatte. Die ägyptische Kartusche mit seinem Namen. Er hatte sie eigentlich nicht mehr tragen wollen, aber dann hatte er sie doch wieder angelegt.
 

Als Erinnerung. Als nutzlose, sinnlose, wertlose, schmerzhafte Erinnerung! Und ohne jeden weiteren Gedanken zog er die Kette über den Kopf und ließ die Kartusche zu Boden fallen.
 

Was geschah hier mit ihm? Irgendwas geschah hier mit ihm...
 

Er senkte den Blick auf die Karte, die er gezogen hatte. Gôyokuna Tsubo, der gierige Topf. Seit wann hatte er diese Karte überhaupt in seinem Deck? Egal, sie war ihm jetzt sehr nützlich, da er sonst keine Karten mehr auf der Hand hatte. “Ich aktiviere die Magiekarte Gôyokuna Tsubo. Durch ihren Effekt darf ich zwei neue Karten ziehen.“
 

Makyû no Wairo? War das wirklich seine Karte? Wieso hatte er sie dann noch nie in seinem Deck gesehen?
 

Aber die zweite, die kannte er und sie ließ sofort Wärme in sein Herz strömen. “Ich aktiviere die permanente Magiekarte Black Kizuna, der Bund mit dem Schwarzen Magier. Ich kann sie einsetzen, wenn ich Black Magician offen auf dem Feld liegen habe, und ihr Effekt besagt, dass ich die ATK des Magiers zu meinen Lebenspunkten dazu erhalte. Wird die Karte allerdings vom Feld entfernt, oder mein Magier durch Kampf zerstört, verliere ich diese 2500 Lebenspunkte wieder.”
 

“Du bindest also dein eigenes Schicksal an das des Schwarzen Magiers,” ließ sich Raphael vernehmen.
 

Yûgi nickte. “Ja, das tue ich. Ohne ihn kann ich nicht siegen, denn er ist die einzige Verbindung zu Atum, die mir noch geblieben ist. Er wird mir dabei helfen, Atum wiederzufinden.”
 

Schon wollte Yûgi den Angriffsbefehl geben, da lief plötzlich ein Schauder durch seinen Körper und er musste an das furchtbare Bild denken, als Eatos zerstört wurde. Irgendwas lief hier falsch, etwas lief hier ganz gewaltig falsch und er wusste nicht, was. “Ich setze eine Magiefallenkarte verdeckt,” brachte er mit zitternder Stimme heraus. ”Turn shuryô suru.”
 

[Raphael: LP 3000/ Yûgi: LP 2550]
 

“Watashi no Turn – Draw!”
 

‘Gerade zur rechten Zeit,’ dachte Raphael, als er die Karte anblickte, die er soeben gezogen hatte. “Ich spiele die Ausrüstungskarte Ryûsei no Yumi – Ceal. Gerufen von seinem Sternschnuppenbogen beschwöre ich Guardian Ceal [1700/1400] im Angriffsmodus aufs Feld. Mit dem Effekt von Backup Gardna kann ich Ceal mit seiner Waffe ausrüsten. Zwar sinkt seine Angriffskraft dadurch um 1000 Punkte, aber er ist in der Lage, dich direkt anzugreifen. Battle! Greif an, mein Wächter des Feuers!”
 

Wie Schiffstaue spannten sich die Muskeln unter der kobaltblauen Haut des drachenähnlichen Humanoiden, als er seinen Bogen erhob. Sein langer Hals neigte sich nach vorne, und während sein Drachenkopf wütend in Yûgi’s Richtung fauchte, setzte der Wächter zum Schuss an. Kleine Flammen züngelten aus seinem Maul hervor und tanzten über seine prächtige rote Rüstung mit den Goldbeschlägen.
 

Dann sauste sein feuriger Pfeil auch schon in Yûgi’s Richtung und traf dessen Brust. Der Junge wurde ein paar Schritte zurückgeworfen, hielt sich jedoch tapfer. Als er den Kopf hob, um in Raphael’s Richtung zu blicken, sahen seine Augen wild entschlossen aus.
 

“Yûgi, mir ist durchaus bewusst, dass deine Verbindung zum Schwarzen Magier für dich wichtig ist, aber meist du nicht, dass du dich zu sehr auf ihn verlässt? Auch meine Verbindung zu Eatos ist stark, aber nun, da ich sie verloren habe, darf ich mich nicht nur hinter meiner Trauer verkriechen, sondern muss mich auch um meine anderen Wächter kümmern, die mir ebenso lieb und teuer sind. Ein echter Duellant sollte jedes seine Monster wertschätzen, nicht nur ein einziges.”
 

“Du versuchst doch nur, mich aus dem Konzept zu bringen,” Raphael zuckte zusammen, eine solch’ unfaire Anschuldigung passte überhaupt nicht zu Yûgi.
 

“Ich fürchte, du wirst deinen Magier jetzt verlieren. Zwar tut mir das leid, aber vielleicht gelingt es dir dann, endlich klarer zu sehen. Im Moment klammerst du dich einfach nur an ihn. Was ist bloß aus dem starken Duellanten geworden, der sein anderes Ich vor dem Siegel des Orichalcos bewahrt hat? Guardian Ceal, bring’ deinen Bogen zur Explosion!”
 

Ceal’s Bogen schien plötzlich Feuer zu fangen. Flammenzungen hüllten ihn ein, rasten seine Sehne entlang. Sie formierten sich zu einem brennenden Pfeil, welcher sich auf den Schwarzen Magier richtete. “Als Wächter des Feuers besitzt Ceal eine besondere Spezialfähigkeit. Er kann seine eigene Ausrüstungskarte zerstören und zerstört dadurch zusätzlich ein Monster auf der gegnerischen Seite.”
 

“Nein, ich werde niemals zulassen, dass du meinen Magier zerstörst. Trap Card Hatsudô! Ich negiere die Zerstörung indem ich meine Fallenkarte Makyû no Wairo aktiviere. Mein Magier bleibt unverletzt!”
 

Makyû no Wairo, eine finstere Bestechung mit einem kleinen funkelnden Ball. Diese Karte war äußerst ungewöhnlich für Yûgi, sie passte eigentlich gar nicht zu ihm.
 

Oder vielleicht doch, zumindest im Moment. Auch Yûgi wurde gerade von etwas auf den falschen Weg geführt, etwas das ebenso flüchtig und tückisch war wie dieser funkelnde Ball. Ein Versprechen, das nicht eingehalten werden konnte.
 

“Als Nebeneffekt dieser Falle darf mein Gegner eine Karte ziehen.” Yûgi’s Blick ruhte nicht auf Raphael, sondern auf dem Schwarzen Magier, den er, zumindest für diesen Zug gerettet hatte. Raphael griff nach der obersten Karte seines Decks und lächelte kurz, als er seinem nächsten Wächter entgegenblickte. Im Moment brauchte er ihn nicht, da seine Monsterzonen belegt waren, aber es war trotzdem ein gutes Gefühl zu wissen, dass er da war.
 

“Turn End.“
 

[Raphael: LP 3000/ Yûgi: LP 1850]
 

“Boku no Turn – Draw!”
 

Yûgi spürte eine seltsame Kälte in sich hochkriechen, als er die Hand hob, um seine nächste Karte zu ziehen. Sein Blick fiel auf seinen Schwarzen Magier, der jetzt wieder fünf Wächtern gegenüberstand. Offensichtlich hatte Raphael den Verlust von Eatos verschmerzt, wenn er ihre Zone mit einem anderen Monster belegt hatte. Hatte er sie einfach vergessen?.
 

Du würdest mich nicht so einfach vergessen, nicht wahr?
 

Er hatte es gewusst, die ganze Zeit gewusst. Er war hier, er war ganz sicher hier. Diesmal war es keine Einbildung, er hatte ganz deutlich Atum’s Stimme gehört, oh, was sollte er tun, wenn Atum plötzlich wieder verschwand... “Nein, ich könnte dich niemals vergessen, mô hitori no boku! Wir sind doch ein Team und gehören zusammen. Bitte geh’ nicht wieder fort! Bitte komm’ zurück!“
 

Aber ich bin doch hier. Ich bin immer hier. Und jetzt, da du zu mir gekommen bist, kann ich diesen Ort endlich verlassen.
 

Hatte Atum die ganze Zeit hier auf ihn gewartet? Natürlich, wo sonst? Der Steinkreis war die einzige ihnen bekannte Möglichkeit wie Geister mit den Lebenden in Kontakt treten konnten. Er selbst hatte diese Möglichkeit ebenfalls genutzt, um mit Atum zu sprechen. Und Atum hatte Ironheart, Chris und Sunny hier getroffen. Verlorene Geister aus Atlantis...
 

“Was meinst du mit verlassen? Willst du fortgehen? Bitte, du musst bei mir bleiben!“
 

“Yûgi, mit wem sprichst du?“ fragte Raphael alarmiert. “Du darfst nicht auf die Stimmen der Geister hören, sie wollen dich nur in eine Falle locken!“
 

Klar, dass Raphael so etwas sagen würde. Aber was, wenn er sich irrte? Er ließ Yûgi ja nicht einmal die Chance, es herauszufinden.
 

Nein, ich möchte diesen Ort mit dir gemeinsam verlassen. Alles, was du dazu tun musst, ist mir deinen Geist zu öffnen Dann kann ich zu dir zurückkommen und alles wird wieder sein wie früher. Du und ich - zusammen.
 

Atum war zu ihm zurückgekehrt. Er hatte gesagt, sie würden wieder zusammen sein, genau wie früher. Natürlich besaß er als Geist keinen Körper, aber Yûgi hatte kein Problem damit, seinen eigenen wieder mit ihm zu teilen. Die ganze Zeit davor hatte es ja auch funktioniert.
 

Und als Yûgi den Kopf hob, blieb ihm fast das Herz stehen.
 

Eine verschwommene Gestalt materialisierte sich zwischen den Felsen. Sie flackerte wie ein unscharfes Fernsehbild, aber trotz der verwischten Konturen war sie unverkennbar. Weiße Leinengewänder, braune Haut, blitzender Goldschmuck, ein flatternder blauer Königsumhang...
 

Ich hab’ dich vermisst...
 

“Ich dich auch. Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr.“ Nichts wünschte Yûgi sich sehnlicher, als einfach loszustürzen, sich fallenzulassen, um wieder bei seinem Beschützer zu sein. Aber erstens standen ihm noch fünf Wächter im Weg und zweitens – etwas war seltsam an der ganzen Sache. Er durfte nicht unvorsichtig handeln, er musste sich ganz sicher sein, er...
 

“Hör zu...“
 

Nein, du musst mir nichts erklären, ich versteh’ dich. Pass auf, ich werde dir etwas erzählen, was nur wir beide wissen können, damit du dir absolut sicher sein kannst, dass ich es auch wirklich bin. Damals, als wir auf Pegasus’ Insel gegen den falschen Seto Kaiba kämpfen mussten, habe ich meine magischen Fähigkeiten verwendet, um den falschen Kaiba in die Welt der Finsternis zu verbannen. Ich habe den Mind Crush benutzt, erinnerst du dich? Ich bin nicht stolz darauf, dass ich mich zu so etwas habe hinreißen lassen, aber das war vor langer Zeit und inzwischen hab’ ich mich verändert.
 

Ja, er hatte sich verändert und ja – es war Beweis genug. Zwar waren auch Anzu und seine anderen Freunde bei dem Kampf dabei gewesen, aber sie hatten nicht wirklich verstanden, was dort vor sich gegangen war. Yûgi hatte es ja selbst kaum verstanden. Atum war der einzige, der wirklich darüber Bescheid wusste, was er damals getan hatte.
 

Jetzt kann uns nicht mehr trennen.
 

Die flackernde Gestalt verschwand und Yûgi spürte wie etwas in seinen Geist eindrang. Er wartete auf Atum’s bekannte Präsenz, aber stattdessen fühlte er nur Kälte und Dunkelheit. Er hatte einen Fehler gemacht, einen furchtbaren Fehler und jetzt...
 

“Ich beschwöre Akuma no Chie [1250/800], die Weisheit des Teufels im Angriffsmodus. Battle! Akuma no Chie vernichte Guardian Elma!
 

Ein schwarzes Gehirn materialisierte sich auf dem Feld, eine widerliche wabernde Masse. Yûgi hatte diese Karte noch nie im Duell gesehen, geschweige denn in sein Deck gepackt. Bevor er überhaupt verstand, was hier geschah, schossen lange Tentakel aus den rot-schwarzen Windungen und rissen Elma zu Boden. Sie stieß einen Schrei aus, welcher plötzlich abriss, als sie sich zu einem Haufen kleiner bunter Pixel dematerialisierte.
 

“Das ist es doch, was du wolltest, nicht wahr, Yûgi? Dass ich deine Schlachten für dich schlage und du dich wieder hinter deiner Angst verkriechen kannst, so wie früher. Sei mir dankbar, dass ich deinen Wunsch erfüllt habe!
 

Wer bist du? Du bist nicht Atum! Verschwinde aus meinem Kopf!
 

Black Magician, vernichte Guardian Ceal!
 

Nein!
 

“Turn End.”
 

~ * ~
 

Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 226: Letter Part II – Shiryô no Su
 

Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 226: Letter Part II – Der Ort der Geister
 

~ * ~
 

[Raphael: LP 2200/ Yûgi: LP 1850]
 

“Watashi no turn – Draw!”
 

Achthundert Lebenspunkte waren kein hoher Verlust, aber die Zerstörung von Elma und Ceal ließ Raphael das Herz bluten. Trotzdem war er es seinen Monstern schuldig, dass er weiterkämpfte. Er brauchte nur auf das leuchtende Schwert der Göttin blicken, welches immer noch über dem Feld schwebte und schon fühlte er, wie neuer Mut ihn durchströmte.
 

Und auch Yûgi zuliebe musste er es tun, denn irgendetwas stimmte nicht mit dem Jungen. Ein seltsames Glühen war in seine Augen getreten und tiefe Schatten lagen darunter, als hätte er nächtelang nicht geschlafen. Auch seine Stimme klang verändert und diese seltsamen Karten, die plötzlich in seinem Deck auftauchten, passten überhaupt nicht zu ihm.
 

Es musste der Einfluss der Geister sein, anders konnte Raphael es sich nicht erklären. Schon in den Zügen davor hatte ihre Präsenz gefährliche Auswirkungen auf Yûgi gehabt, aber nun war es ungleich schlimmer geworden. Hoffentlich war es nicht zu spät, Yûgi ihrer finsteren Beeinflussung zu entziehen.
 

Raphael blickte die soeben gezogene Karte an und ein kleines Lächeln huschte über sein sonst so ernstes Gesicht. Vielleicht konnte der Wächter der Finsternis Yûgi die Sinnlosigkeit seines Handelns vor Augen führen. “Yûgi, die Traurigkeit in unserem Herzen führt uns manchmal ins Dunkel. Auch unter meinen Wächtern gibt es einen, der voller Finsternis ist, er repräsentiert die Wut und den Schmerz, den ich in mir trage. Aber er ist keine grauenvolle Pervertierung wie Guardian Death Scythe, er ist einfach nur ein Teil meiner Seele und als solchen akzeptiere ich ihn.“
 

Der Zweihänder, der sich seit Raphael’s vorletztem Zug auf dem Feld befand, begann rötlich zu schimmern. “Gerufen von seiner Flamberge, die das Böse zerstört, beschwöre ich Guardian Baou [800/400]. Da ich Baou mit seiner Waffe ausrüste, erhält er 500 ATK dazu, somit steigt seine Angriffskraft auf 1300. Das ist genug, um deine teuflische Weisheit vom Feld zu verbannen, damit sie nicht länger deinen Geist vergiftet. Battle!”
 

Ein katzenhafter Dunkelelf erschien in Raphael’s Monsterzone; seine spitzen Ohren ragten aus einer Masse grünlichen Haares hervor. Das Schwert schien fast so groß wie er selbst und doch führte er es mit Präzision und Anmut.
 

“Guardian Baou mag der Dunkelheit entstammen, doch sein Schwert ist ein Schwert des Lichts, es dient dazu, das Böse zu zerstören,“ versuchte Raphael zu erklären. “Wie du siehst, Yûgi, ist es auch in Ordnung, etwa Dunkles in sich zu tragen, wenn man es mit der Kraft des Lichts unter Kontrolle hält. “Baou, zerstöre die Weisheit des Teufels mit deiner Flamberge!“
 

Weitere Tentakel schossen aus dem wabernden Gehirn hervor, doch der Elf wich ihnen geschickt aus und stieß sein Schwert in die breiige Masse, welche daraufhin sofort zerfiel. Yûgi’s Lebensanzeige kletterte um weitere 50 Punkte nach unten.
 

Er selbst jedoch rührte sich kaum und blickte gleichmütig aufs Feld hinaus. In seine Augen war eine seltsame Kälte getreten. Auf dem Feld allerdings wurde der dunkle Elf von einer Energiewolke eingehüllt und begann zu wachsen. Sein Angriffswert wurde um 500 Punkte angehoben.
 

“Da Baou ein gegnerisches Monster zerstört hat, tritt nun sein Spezialeffekt in Kraft,“ erklärte Raphael. “Für jedes zerstörte Monster gewinnt er 500 Punkte dazu. Turn End“
 

[Raphael: LP 2200/ Yûgi: LP 1800]
 

“Ore-sama no turn – Draw!“
 

Hör auf damit! Raus aus meinem Kopf, hör’ auf damit!”
 

Verzweifelt versuchte Yûgi die Kontrolle über seinen Körper zurück zu erlangen. Irgendwie musste es ihm gelingen, dieses Wesen wieder loszuwerden, es aus seinem Geist zu verbannen. Es hatte ihn in sich selbst eingesperrt. Zwar bekam er alles mit, was um ihn herum geschah und was sein Körper tat, aber er konnte sich nicht dagegen wehren.
 

Die soeben gezogene Karte verschwamm vor seinen Augen, als seine Hand unkontrolliert damit hin- und herwedelte. “Mein Sieg ist schon zum Greifen nahe, du Narr!“ Ein Lachen drang aus seiner Kehle, ein hämisches, gackerndes Lachen, das kein Ende zu nehmen schien. Es bahnte sich seinen Weg durch Stimmbänder und Lippen, stieg hoch in die Luft auf und hing unheilvoll über dem Duellplatz wie ein düsterer Nebel.
 

“Battle! Black Magician, vernichte Guardian Baou!
 

Der Magier schwang seinen mächtigen Stab und eine Energiewolke zerstörte Raphael’s Wächter der Dunkelheit. Raphael selbst wurde durch die Wucht des Angriffs einige Schritte zurückgeworfen und als Yûgi seinen traurigen Blick sah, wünschte er sich verzweifelt, er könnte hinausschreien, dass es nicht seine Schuld war. Doch letztendlich hätte das nicht gestimmt, es war seine Schuld. Er hatte dieses unglückselige Duell begonnen und er hatte zugelassen, dass dieses Wesen, was immer es war, in seinen Geist eingedrungen war.
 

Er war schwach gewesen und dieses Geschöpf hatte seine Schwäche gnadenlos ausgenützt.
 

“Ich setzte eine Magiefallenkarte verdeckt. Turn End.“
 

[Raphael: LP 1000/ Yûgi: LP 1800]
 

“Watashi no turn – Draw!”
 

‘Eatos gib’ mir Kraft,’ dachte Raphael voller Sorge. Er wusste nicht, wer diese Präsenz war, die sich dort drüben auf der anderen Seite des Feldes eingenistet hatte, aber er hatte einen Verdacht, der sich hoffentlich nicht bestätigen würde. In den drei Jahren, die er fern jeder Zivilisation auf einer Insel verbracht hatte, nur von seinen Wächtern beschützt, hatte er mehrmals die Schwelle der Realität überquert, hatte Einblicke bekommen in die anderen, dunkleren Welten, die dahinter lagen. Und es war keine Frage, dass dieses Wesen aus einer dieser Welten stammte.
 

Dieses Lachen... dieses furchtbare Lachen...
 

“Ich aktiviere Senkô no Sôken – Tryce Um das zu tun, muss ich eine Karte abwerfen.” Raphael legte Elma’s Dolch in den Friedhof. Da der Dolch dieses Mal nicht auf dem Feld zerstört worden war, kehrte er auch nicht wieder auf die Hand zurück. “Gerufen von der Macht seiner blitzenden Zwillingsschwerter...”
 

“Oh nein, mein lieber Freund.” Yûgi’s Lippen verzogen sich zu einem so breiten dreckigen Grinsen, wie Yûgi selbst es vermutlich gar nicht fertiggebracht hätte. “Dein Wächter Tryce hat fünf Sterne. Du wirst eines deiner Monster opfern müssen, um ihn zu beschwören. Los, zeig mir, wie du Blut vergießt, Mr. Ach-meine-Monster-sind mir so-teuer! Ich will sehen, wie du dein eigenes Monster in den Friedhof schickst!
 

“Du wirst nichts dergleichen sehen, Geist!” Raphael legte die soeben gezogene Karte in die Magiefallenzone seiner Duel Disc. “Magic Card Hatsudô! Die Magiekarte Guardian Delta Combination erlaubt es mir einen dritten Wächter spezial zu beschwören, falls sich zwei weitere Wächter – und natürlich seine passende Waffe – auf meinem Feld befinden. Gerufen von der Macht seiner blitzenden Zwillingsschwerter beschwöre ich Guardian Tryce [1900/1700], den Wächter des Lichts!”
 

Die beiden Schwerter begannen zu strahlen, erhoben sich und wirbelten über das Feld. Inmitten der funkelnden Lichter materialisierte sich ein junger, menschlich aussehender Krieger in leuchtend blau-gelber Rüstung. Er schwang die beiden Schwerter um sich herum und sie hinterließen leuchtende Spuren in der klaren Morgenluft.
 

“Geist? Aber ich bin doch nur der kleine Yûgi,” entgegnete das Wesen mit geheuchelter Unschuld. “Mich würdest du doch nicht angreifen, oder?”
 

Natürlich würde er das, schon allein, um dem echten Yûgi zu helfen.”Dank Guardian Delta Combination kann mein Wächter des Lichts dich sogar direkt angreifen, ohne sich zuerst um deinen Magier kümmern zu müssen. Allerdings sinkt sein Angriffswert um 500 Punkte, da er mit seinen Schwertern ausgerüstet ist. Battle! Guardian Tryce! Kougeki!
 

Die Luft flirrte, als das erste Schwert auf Yûgi hernieder sauste. Trotz des hohen Verlustes von 1400 Lebenspunkten wurde dieser kaum zurückgeworfen. “Es reicht nicht, es reicht nicht! Nana-nana-nah-nah!” Er hüpfte von einem Bein aufs andere und drehte Raphael eine lange Nase.
 

“Es reicht. Da er mit zwei Schwertern ausgerüstet ist, darf mein Wächter nämlich noch ein zweites Mal angreifen. Und dir bleiben nur noch 400 Lebenspunkte. Attacke!”
 

“Und meine verdeckte Karte.” Yûgi blieb gelassen stehen, während der Wächter nun auch das zweite Schwert hob. “Trap Card Hatsudô! Mein Drain Shield absorbiert nicht nur den Angriff deines Wächters, er gibt mir seine Angriffspunkte auch als Lebenspunkte dazu. Ich sagte dir doch, dass es nicht reichen wird.”
 

Mit einem lauten ‘Klonk’ schlug das zweite Schwert auf dem Enkräftungsschild auf. Seine Energie wurde abgesaugt und Yûgi’s Anzeige kletterte wieder nach oben. Erschöpft taumelte Tryce zurück und lehnte sich schwer atmend auf sein Knie.
 

“Es ist nicht deine Schuld, mein tapferes Monster. Ich hätte vorhersehen müssen, dass dieses gefährliche Wesen noch ein As im Ärmel hat. Turn end desu.”
 

[Raphael: LP 1000/ Yûgi: LP 1800]
 

“Ore-sama no turn – Draw!“
 

Yûgi hatte aufgehört zu schreien und überlegte fieberhaft, was er tun konnte. Ganz am Anfang ihrer Verbindung hatte er sich auch nicht dagegen wehren können, dass Atum die Kontrolle über seinen Körper übernahm, aber irgendwann hatte er gelernt, es zu kontrollieren. Dieses Wesen war nicht Atum, doch vielleicht konnte er es mit der selben geistigen Technik niederringen.
 

“Was für eine schöne Karte wir da gezogen haben,“ spottete die Stimme, die seine eigene war und auch wieder nicht.. “Und wie treffend sie doch deine momentane Situation beschreibt.“
 

Es war nicht ganz klar, ob es seine Worte an Yûgi oder an Raphael gerichtet hatte, aber es lachte jetzt nicht mehr, sondern begann hektisch zu atmen, beinahe schon ein Hecheln. Geriet es in Schwitzen? Yûgi wusste es nicht, aber er machte sich nicht die Mühe, innezuhalten, um darauf zu achten. Er konzentrierte seine ganze geballte Kraft nur auf eines, auf seine rechte Hand. Er musste seine rechte Hand bewegen...
 

“Battle! Black Magician, zerstöre Guardian Tryce!
 

Seine rechte Hand. Nein, nur sein Handgelenk. Komm schon, beweg dich!
 

Der Ausdruck in Raphael’s Augen, als er seinem verschwindenden Wächter nachsah, war kaum zu ertragen. Er musste endlich etwas dagegen tun. Er musste dieses unselige Duell beenden. Und dazu gab es nur eine Möglichkeit, er musste die Hand auf sein Deck legen...
 

“Ich lege eine Zauberfallenkarte verdeckt. Turn end.“
 

[Raphael: LP 100/ Yûgi: LP 1800]
 

“Watashi no Turn – Draw!”
 

Noch ganze hundert Lebenspunkte, inzwischen sah es wirklich nicht gut für ihn aus. Von den drei Wächtern auf seinem Feld konnte nur Grarl dem Schwarzen Magier die Stirn bieten, Kay’est und Back-up Gardna waren beide Verteidigungsmonster. War die einzige Möglichkeit dieses Duell zu gewinnen, die, seine Ideale zu verraten?
 

Grarl, der Wächter der Erde stand vor ihm, stark und unerschütterlich. Yûgi würde ihn nicht so einfach angreifen können, denn wenn er seinen Magier verlor, würde er auch die zusätzlichen 2500 Lebenspunkte verlieren, die er durch den Effekt von Black Kizuna erhalten hatte. Auch Kay’est, die Wächterin des Wassers würde er nicht angreifen können, denn diese Karte konnte nicht als Ziel eines Angriffs gewählt werden. Vermutlich würde also Back-up Gardna sein nächstes Ziel sein.
 

Eatos, Elma, Ceal, Baou, Tryce... schon fünf seiner Wächter hatte er in diesem Kampf verloren. Aber vielleicht war die Karte, die er soeben gezogen hatte, die Möglichkeit, doch noch alles zu ändern.
 

“Ich lege eine Magiefallenkarte verdeckt.“
 

Und vor ihm auf dem Feld leuchtete Eatos’ Schwert. Auch wenn sie selbst nicht hier war, so würde die Verbindung zu ihr doch immer bestehen bleiben.
 

“Turn shuryô suru.“
 

[Raphael: LP 100/ Yûgi: LP 1800]
 

“Ore-sama no turn – Draw!“
 

“Oh, sieh nur, Yûgi-boy, das ist doch tatsächlich wieder eine von deinen Karten. Wonderful, dann wollen wir sie doch gleich mal setzen.“ Sein Mund grinste und seine Hand legte den magischen Zylinder auf die Duel Disc. “Du glaubst, du könntest gegen mich ankämpfen, nicht wahr? Du glaubst, du könntest mich aus deinem Geist und Körper verbannen und wieder selbst die Kontrolle übernehmen. Aber das kannst du nicht. Und um ehrlich zu sein, willst du es auch gar nicht. Du willst nicht in dieses Leben aus Verlust und Schmerz zurück. Du hast schon den Pharao verloren und irgendwann wirst du alle verlieren, die du liebst, einem nach dem anderen.
 

Wer weiß, vielleicht ist dein Großvater der Nächste? Er ist schon alt. Oder einer von deinen Freunden hat einen Unfall? Jungs in eurem Alter sind doch immer so draufgängerisch und unvorsichtig. Willst du diesen Schmerz, den du jetzt fühlst, noch einmal fühlen? Willst du das wirklich alles noch mal durchmachen müssen?“
 

Ein Zittern lief durch Yûgi’s Geist und er spürte, wie die Kraft, die er in den letzten Minuten gesammelt hatte, wieder zerrann.
 

“Yûgi, hör nicht auf ihn!“ schrie Raphael von der anderen Seite des Feldes. “Schmerz ist ein Teil unseres Lebens. Wenn wir ihn nicht fühlen, dann gibt es auch kein Glück.“
 

“Ein Teil unseres Lebens?“ Langsam, ganz langsam hob sich sein Kopf und blickte zu Raphael hinüber. “Wie wahr, wie wahr. Schon diese wenigen Züge haben mir gezeigt, dass Schmerz mit Sicherheit ein Teil deines Lebens ist. Warum schmerzt es dich so sehr, wenn du deine Monster verlierst? Es geht gar nicht allein um die Monster, nicht wahr? Du hast Menschen verloren, die dir nahe stehen und jedes Mal, wenn eines deiner Monster stirbt, erlebst du den Verlust noch einmal? Sieh hin, Yûgi, sieh genau hin! Sieh, dass ich recht habe!“
 

Raphael zog verwirrt die Brauen zusammen. “Dartz? Aber das ist doch nicht... “
 

“Trap Card Hatsudô! Ich aktiviere die Fallenkarte Muryoku no Shômei, den Beweis der Machtlosigkeit. Wenn ich ein Monster mit mindestens Level sieben kontrolliere, und der Magier hat genau Level sieben, darf ich alle offenen gegnerischen Monster bis zu Level fünf zerstören. Stirb, Guardian Grarl! Stirb, Guardian Kay’est! Stirb, Back-up Gardna!
 

Machtlosigkeit. Hilflosigkeit. Ganz genau diese Gefühle waren es, die in diesen Moment durch Yûgi’s Herz rauschten und es erfüllten. Hilflos musste er mitansehen, wie die Monster sich eines nach dem anderen auflösten.
 

Dann war das Feld leer. Alle Wächter waren vernichtet worden, jeder einzelne von ihnen.
 

Raphael’s Gesicht war aschfahl. Yûgi wollte auf ihn zustürzen, ihn um Verzeihung bitten, irgendwas, aber er konnte sich noch immer nicht bewegen. Zu der Hilflosigkeit kam noch ein weiteres Gefühl: Schuld. Zwar hatte er diesen Schlag gegen Raphael’s Monster nicht selbst ausgeführt, aber er hatte zugelassen, dass es soweit gekommen war. Er hatte zugelassen, dass ein anderer die Kontrolle übernahm, obwohl er eigentlich stark genug hätte sein müssen, um seine eigenen Kämpfe auszufechten. Atum wäre enttäuscht von ihm gewesen, wenn er das miterlebt hätte. Sehr enttäuscht.
 

“Yûgi, ich habe, die ganze Zeit versucht, dich davor zu schützen und ich wünschte immer noch, ich hätte es dir ersparen können. Aber um mit einem Problem fertig zu werden, muss man sich ihm zuerst stellen. Trap Card Hatsudô! Ich aktiviere die Fallenkarte Shiryô no Su, das Lager der Geister.“
 

Trotz des hellen Morgenlichts um sie herum wurde es plötzlich wieder so dunkel, als wäre die Nacht erneut hereingebrochen. Nur war dies nicht die sanfte tiefblaue Dunkelheit der Nacht und auch nicht das warme beschützende Dunkel der Erde. Es war eine unnatürliche Dunkelheit, tiefschwarz und finster, von eisiger Kälte erfüllt.
 

Und Yûgi merkte schon sehr bald, dass er hier nicht allein war. Die ganze Zeit hatte er versucht, den Ort der Geister zu betreten, aber nun war dieser Ort durch Raphael’s Karte zu ihm gekommen.
 

“Mô hitori no boku...“ Einerseits wünschte er sich so sehr, seinem anderen Ich wieder zu begegnen, andererseits wollte er nicht, dass Atum sich an einem solch furchtbaren Ort befand. Aber was, wenn er tatsächlich hier war? Wenn die Reise in die Unterwelt nicht funktioniert hatte und er nicht bei den Göttern und den Seelen seiner Freunde sein durfte? Wenn er irgendwo allein in der Dunkelheit umherirrte?
 

So wie Yûgi es jetzt tat.
 

Er machte einen Schritt vorwärts, tastete vorsichtig herum. Im Moment konnte er immer noch nicht viel erkennen, aber ab und zu huschte etwas an ihn vorbei. Schatten, die ihm noch schwärzer erschienen, als die Finsternis selbst. Und er hörte Stimmen. Stimmen, die nicht mit Worten sprachen, aber leise wimmerten und schluchzten.
 

Sie alle waren erfüllt von Verzweiflung und er konnte deutlich spüren wie ihre Verzweiflung auch sein eigenes Herz durchströmte. Er schlang die Arme um seinen Körper und verbarg das Gesicht darin. Wozu denn noch weitergehen? Es hatte doch alles keinen Sinn.
 

“Wir sind auf dem Friedhof.“ Raphael’s Stimme klang so lebendig in Yûgi’s Ohren, dass es schon beinahe schmerzte. “Ich bin schon einmal hier gewesen, gemeinsam mit dem Pharao, deinem anderen Ich. Er hat mir den Schmerz vor Augen geführt, den ich durch den Verlust meiner Familie erlitten habe. Es stimmt, was der Geist gesagt hat, meine Monster sind mir zur zweiten Familie geworden und deshalb konnte ich es nicht ertragen, sie sterben zu sehen. Die einzige Möglichkeit für mich, den Schmerz zu ertragen, war an die Macht des Schicksals zu glauben und mich Dartz anzuschließen. Und es war der falsche Weg. Ich möchte nicht, dass du ebenso einen falschen Weg einschlägst.“
 

Während Raphael sprach, erschienen hinter ihm die schemenhaften Gestalten seiner Monster. Sie wirkten blass, geradezu durchsichtig und sie schienen nicht besonders glücklich zu sein, sich an einem solchen Ort zu befinden.
 

“Der Effekt meiner Fallenkarte besagt, dass ich eine beliebige Anzahl von Monstern vom Friedhof aus dem Spiel entfernen kann. Ich entferne alle meine Monster, denn ich werde nicht zulassen, dass sie noch weiter im Lager der Geister gefangen sind. Ich lasse ihre Seelen frei. So wie du die Seele des Pharao freigelassen hast.“
 

Ja, richtig, das hatte er getan. Er hatte Atum’s Seele freigelassen. Atum konnte gar nicht hier sein.
 

“Aber ist das richtig? Ist das richtig, so etwas zu tun? Ich habe die Verbindung zwischen mir und ihm für immer durchtrennt. Ich bin schuld daran, dass er nicht mehr hier ist. Und du, du durchtrennst die Verbindung zu deinen Monstern... “ Yûgi konnte es nicht verstehen.
 

Eins nach dem anderen lösten die Monster sich auf, aber zuvor konnte Yûgi noch sehen wie der traurige Ausdruck auf ihren Gesichtern verschwand. Raphael blickte ihnen noch einen Augenblick nach, dann wandte er sich wieder an Yûgi.
 

“Irgendwann ist es an der Zeit loszulassen. Wenn ich mich verzweifelt an etwas klammere, dann hindert es mich daran, mein Leben weiterzuführen. Ich trete auf der Stelle. Wenn ich aber loslassen kann, dann weiß ich , dass die Verbindung zu denen die ich liebe, dadurch nicht wirklich durchtrennt wird. Ich glaube an das Band zwischen mir und meinen Monstern. Und ich glaube an das Band zwischen mir und meiner Familie.
 

Yûgi, nun tritt der letzte Effekt meiner Fallenkarte in Kraft. Ich kann ein gegnerisches Monster zerstören, dessen Level der Anzahl der aus dem Spiel entfernten Monster entspricht. Yûgi, wenn du jemanden liebst, dann lass’ ihn frei!“
 

“Ich möchte ja daran glauben,“ schrie Yûgi zurück. “Ich möchte daran glauben, dass es ihm gut geht und dass ich ihn irgendwann wiedersehe! Aber er fehlt mir einfach so sehr!“
 

Vor ihm erschien... der Schwarze Magier.
 

Im ersten Moment lang verstand Yûgi nicht, was geschehen war, aber dann ergab es plötzlich alles einen Sinn. Black Magician war hier auf dem Friedhof, weil Raphael ihn soeben mit seiner Fallenkarte zerstört hatte. Yûgi hatte seinen Beschützer verloren.
 

Er blickte den Magier an, Atum’s Lieblingskarte und Seelenwächter. War es das, was Raphael gemeint hatte. Er klammerte sich so verzweifelt an diesen Magier, dass er keine eigene Strategie mehr entwickeln konnte. Und was für sein Deck galt, das galt auch für seine Seele.
 

Yûgi begriff, dass er nun vor einer Wahl stand. Er konnte sich hier in der Dunkelheit vergraben, konnte auf dem Friedhof bei seinem Magier bleiben. Oder er konnte zum Duell zurückkehren und weiterkämpfen.
 

Eigentlich war dies die Wahl, die er schon die ganze Zeit gehabt hatte.
 

Würde es irgendwann besser werden? Würde es irgendwann aufhören, so weh zu tun? Oder lohnte es sich überhaupt nicht, in diese Welt zurückzukehren, in der weiterer Schmerz auf ihn wartete?
 

Aber dort warteten auch seine Freunde und seine Familie auf ihn. Dort wartete das Leben.
 

“Ich möchte mich bei dir bedanken, dass du mich immer beschützt hast.“ Yûgi trat vor den Schwarzen Magier hin und verneigte sich. “Du wirst immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen. Aber jetzt muss ich meine eigene Strategie finden, verstehst du? Ich kann mich nicht immer nur an der Strategie von mô hitori no boku festklammern. Ich habe dich benutzt, anstatt dir den Respekt entgegenzubringen, den du eigentlich verdient hättest. Und das möchte ich nicht mehr.“
 

Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Magiers und er verneigte sich ebenfalls vor Yûgi. Offenbar hatte er genau verstanden, was dieser ihm sagen wollte.
 

Es war an der Zeit zurückzukehren und Yûgi wusste auch schon wie er das bewerkstelligen würde. “Turn...
 

“Du willst doch nicht etwa schon gehen, Yûgi? Dabei wolltest du doch die ganze Zeit hierher... “
 

Yûgi erstarrte. Bei allem, was in den letzten Minuten geschehen war, hatte er gar nicht mehr an das seltsame Wesen gedacht, welches versucht hatte, sich in seinem Körper einzunisten. Vermutlich war das Wesen ebenso wie Yûgi’s Geist von der Magie der Karte hierhergebracht worden. Und jetzt wollte es Yûgi nicht gehen lassen. Vielleicht wollte es selbst Yûgi’s Körper übernehmen. Oder es hatte einfach Spaß daran, andere zu quälen. Er wusste es nicht und es war ihm auch gleichgültig. Dieses Geschöpf würde ihn nicht weiter kontrollieren!
 

“Mag sein, dass ich hierher wollte, weil ich es nicht besser wusste,“ erklärte er entschieden. “Aber ich habe mich geirrt und meinen Irrtum eingesehen. Ich möchte ins Leben zurückkehren. Und genau das werde ich auch tun. Und nein – du brauchst mir nicht zu erzählen, dass dort nicht nur schöne Dinge auf mich warten. Ich weiß das und bin bereit mich ihnen zu stellen. Ich bin bereit, mich dem Leben zu stellen. Denn dort warten meine Freunde und meine Familie auf mich.“
 

“Bist du sicher?“ fragte die Stimme verschlagen. “Bist du sicher, dass sie auf dich warten? Bist du sicher, dass es nicht der andere Yûgi ist, den sie sich insgeheim zurückwünschen? Du Schwächling! Du langweiliger Versager!“
 

“Jônouchi... Honda...“ Einen Moment lang war Yûgi verwirrt, aber dann verhärtete sich sein Blick.
 

Dieses Wesen war weder Jônouchi noch Honda. Es benutzte lediglich Tricks, um seine Stimme zu verstellen. “Du nennst mich Schwächling und willst mir erzählen, dass ich mich vor dem Leben verstecke? Dabei bist du doch derjenige, der sich hinter Masken und falschen Persönlichkeiten versteckt. Komm endlich raus und zeig’ dich mir in deiner wahren Gestalt!“
 

Ein leises Lachen war die einzige Antwort, die er bekam. Es begann mit einem tiefen Dröhnen und wurde langsam heller und heller, steigerte sich schließlich bis hin zu einem mädchenhaften Kichern.
 

“Yûgi? Yûgi, bist du hier drin?“
 

Obwohl es dunkel war, obwohl er nichts als Schatten erkennen konnte, obwohl die einzige Lichtquelle eine Art phosphoreszierender Nebel zu sein schien, der sich zwischen eben diesen Schatten hin- und herwand, so gab es doch diesen einen Schatten, der aus der Finsternis herausstach. Ein schlanker, zierlicher Schatten, gerade mal einen Kopf größer als Yûgi selbst.
 

“Yûgi! Bitte, wenn du hier bist, dann sag’ was!“
 

Anzu? Nein, sie konnte es nicht sein, sie konnte überhaupt nicht hier sein. Sie war zusammen mit den anderen in Kaibaland. Dies war wieder nur ein Trick und er würde nicht noch einmal darauf hereinfallen.
 

Andererseits, wie konnte dieses Wesen wie Anzu aussehen? Von woher kannte es sie überhaupt? Und von woher kannte es Honda und Jônouchi? Konnte es einfach jeden Menschen problemlos nachäffen? Musste es ihm nicht zuvor begegnet sein oder etwas in der Richtung?
 

“Du bist nicht Anzu,“ entgegnete Yûgi. “Versuch’ gar nicht erst, mich zu verwirren.“
 

Das Mädchen trat einen Schritt näher und nun konnte er tatsächlich Anzu’s Gesicht erkennen. Ihre Haut war fahl, ihre Wangen eingefallen und es lagen tiefe Ringe unter ihren Augen. Anstatt mit ihm zu sprechen, erhob sie langsam ihre Hand und zeigte mit dem Finger auf ihn. Ein spitzer Schrei entrang sich ihrer Kehle.
 

Unwillkürlich wich Yûgi einen Schritt zurück. “Du bist nicht Anzu,“ wiederholte er mit zitternder Stimme.
 

Der Schrei brach ab. “Nein, du bist nicht Yûgi,“ flüsterte sie, und ihre Stimme klang wie das Zischen einer Schlange. “Du bist nicht der echte Yûgi. Dich wollen wir nicht. Dich will ich nicht. Du bist ein Nichts, ein unbedeutendes Nichts. Ich will den richtigen Yûgi zurück.“
 

Sie blickte ihn anklagend an: “Du hast ihn sterben lassen.“
 

“Nein, hab’ ich nicht!“ Yûgi ballte die Hand zur Faust. “Ich hab’ mir nichts vorzuwerfen! Du willst mir nur Schuldgefühle einreden, aber das wird dir auf keinen Fall gelingen.“
 

“Sei doch einfach ehrlich mit deinen Gefühlen.“ Dieser Satz klang ausnahmsweise wie etwas, das Anzu tatsächlich gesagt hätte und deshalb schmerzte er auch weitaus mehr als die falschen Anklagen zuvor. “Aber ich frage mich... wenn du dich nicht an seinem Tod schuldig fühlst, warum bist du dann hier? Kommt dir nicht manchmal der Gedanke, dass du vielleicht hier sein solltest? Fragst du dich nicht manchmal, ob der Tod nicht aus einer Laune heraus den Falschen getroffen hat? Lebst du vielleicht ein Leben, das dir überhaupt nicht zusteht?“
 

Bei jeder Frage war die Gestalt einen Schritt näher gekommen und obwohl ihre Stimme immer noch den süßen unschuldigen Tonfall imitierte, welchen Yûgi von Anzu kannte, lag unter ihren Worten eine seltsame Kälte. Oder bildete er sich das nur ein, und die Kälte war in Wirklichkeit in ihm, in seinem eigenen Herzen?
 

“Und was ist mit deinen Freunden? Fragst du dich nicht, ob sie sich nicht insgeheim den anderen Yûgi zurückwünschen? Das Mädchen, dessen Gesicht ich jetzt trage, sie hat ihn geliebt, nicht wahr? Wie kann sie jetzt in dein Gesicht blicken, ohne ihn darin zu sehen?“
 

“Wir alle haben ihn geliebt, auf die eine oder andere Weise.“ Überrascht stellte Yûgi fest, dass seine Stimme nicht mehr zitterte. “Und wir alle leiden darunter, dass er nicht mehr bei uns ist. Aber wir werden mit diesem Schmerz leben und wir werden es gemeinsam tun. Unsere Freundschaften werden daran nicht zerbrechen, im Gegenteil, das Band zwischen uns wird nur noch stärker werden. Und deine falschen Anschuldigungen werden es nicht zerreißen. Ich glaube an meine Freunde und ich glaube auch an mich selbst. Turn...“
 

“Verflucht, du bist zu stark,“ zischte die Stimme und Anzu’s Gestalt begann sich aufzulösen. “Wie kann es sein, dass jemand, der soviel durchlitten hat, immer noch ein so reines Herz besitzt? Ich kann nichts sehen in diesem ganzen verdammten Licht!“
 

“...end.“
 

[Raphael: LP 100/ Yûgi: LP 1800]
 

“Watashi no Turn – Draw!”
 

Nur langsam gewöhnten sich Yûgi’s Augen wieder an das helle Sonnenlicht. Im ersten Moment sah er das Duell-Feld noch ganz verschwommen, ein Feld welches nun ziemlich leer erschien. Alle seine beschworenen Monster befanden sich im Friedhof. Raphael’s Monster dagegen hatten das gesamte Spiel verlassen. Nur das Schwert der Göttin leuchtete immer noch in Raphael’s Magiefallenzone und der verdeckte magische Zylinder befand sich in Yûgi’s.
 

“Endlich...“
 

Raphael lächelte, als er zu Yûgi hinüber blickte. Es war wieder Yûgi, den er dort vor sich sah, der echte und einzige Yûgi ohne die Kontrolle irgendeines Geistes. Was auch immer am Ort der Geister auf ihn gewartet hatte, er hatte es besiegt. Er hatte seine alte Stärke wiedergefunden. Und nicht nur das, Raphael konnte ihm jetzt auch endlich zeigen, dass Loslassen nicht gleich Verlust bedeutete. “Mahô Card Hatsudô! Von meiner Hand aktiviere ich die Magiekarte Umarekawari no Cycle, den Zyklus der Wiedergeburt. Mit ihr kann ich ein Monster aufs Feld rufen, das im vorherigen Zug vom Friedhof aus dem Spiel entfernt wurde. Und nun, da mein Friedhof wieder frei von Monstern ist und sich das heilige Schwert auf dem Feld befindet, kann wohl kein Zweifel daran bestehen, wer dieses Monster sein wird.
 

Guardian Eatos [2500/2000] wo Kôgeki-hyôji de shôkan! “
 

Ungläubig folgten Yûgi’s Blicke den schimmernden weißen Federn, welche plötzlich vom Himmel fielen und spielerisch umherwirbelten. War dies immer noch eine Illusion der Karten? War er vielleicht gar nicht in die wirkliche Welt zurückgekehrt? Aber der Ausdruck in Raphael’s Augen war Beweis genug, er täuschte sich nicht. Auch wenn es unmöglich schien, Raphael hatte die richtige Karte gezogen und sie war zurückgekehrt. Das Band zwischen Raphael und seiner Wächterin war stärker als alles andere.
 

“Guardian Eatos... sie ist es wirklich.“
 

“Allerdings, Yûgi, und vielleicht verstehst du jetzt, warum es notwendig war, sie und auch meine anderen Monster gehen zu lassen. Wenn sich jetzt auch nur ein einziges im Friedhof befände, dann hätte ich sie jetzt nicht rufen können. Ich habe auf meine Verbindung zu ihr vertraut, selbst dann als sie nicht bei mir war. Ich wusste, dass wir niemals wirklich voneinander getrennt sein würden.“ Raphael erinnerte sich daran, dass es der Pharao gewesen war, der ihm zu dieser Erkenntnis verholfen hatte und hoffte, dass er diese Zuversicht mit Yûgi teilen konnte. “Und nun wollen wir auch deine Monster freilassen. Ich aktiviere Eatos’ Spezialeffekt und entferne die Monster in deinem Friedhof aus dem Spiel!“
 

Eatos’ heiliges Schwert erstrahlte und nacheinander schwebten die geisterhaften Gestalten der Monster auf die Wächterin zu. Die vier Gadgets kamen zuerst, zwei rote, ein gelbes und ein grünes, und selbst in ihrer durchsichtigen Form schienen sie sich mit leisen Fieptönen zu unterhalten. Die Weisheit des Teufels wäre als nächstes gekommen, aber seltsamerweise schien sie verschwunden, mitsamt allen anderen Karten, die nicht wirklich Yûgi gehört hatten. Und dann erschien...
 

“Black Magician.“
 

Yûgi hatte leise gesprochen, aber Raphael hatte dennoch gehört, wie er den Namen seines Lieblingsmonsters flüsterte. Wehmut lag in seinem Blick als der Magier sich zu Eatos gesellte, gebunden an die Kraft ihres Schwertes. Diese Kraft war mit jedem herannahenden Monster um 500 Punkte gewachsen und Eatos’ Angriffswert betrug nun ganze 5000, anstatt der ursprünglichen 2500 Punkte. Yûgi dagegen hatte nur noch 1800 Lebenspunkte übrig und kein Monster, um sich zu verteidigen.
 

“Battle! Guardian Eatos Yûgi ni Direct Attack!“
 

Die Wächterin spreizte ihre mächtigen Schwingen und erhob ihr leuchtendes Schwert. Nicht nur sie stand nun zwischen Yûgi und dem Steinkreis der Geister, auch seine eigenen Monster wollten ihn daran hindern, diesen Ort zu betreten. Sie alle waren nun auf Eatos’ Seite, aber nicht als Feinde, sondern als Wächter, die ihrer Pflicht nachkamen und ihn beschützten. Dies war der letzte Angriff.
 

Eine Sache gab es allerdings, die Raphael nicht bedacht hatte und das war die verdeckte Fallenkarte auf Yûgi’s Seite des Feldes. Sie war nicht verschwunden, denn es handelte sich eindeutig um seine Karte und nicht die irgendeines fremden Wesens. Im Gegenteil, er hatte sie mit seiner eigenen Kraft diesem Wesen abgetrotzt und sie konnte trotz seiner momentanen schwierigen Lage noch alles ändern. Nur eine einzige Handbewegung würde genügen, um seine Niederlage doch noch in einen Sieg zu verwandeln.
 

Yûgi lächelte. Als er seine Hand erhob und sie über die Duel-Disc gleiten ließ, war er sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
 

Tsuzuku... (to be continued)
 

Ending Song, TV-Version
 

Keiner weiß genau, wie du dich fühlst.

Keiner weiß, wofür dein Herz noch schlägt.

Keiner weiß, warum du heute spielst.

Keiner weiß, was dich durchs Leben trägt.
 

Dein Herz ist allen stets ein Zeichen,

ein strahlend goldnes Licht

Wahrheit schaut dir in deine Seele,

und tief in dein Gesicht.
 

Dein Blick lässt mich tiefer schauen

als jeder Ozean

Hoffnung sagt, wir können's schaffen,

wir fangen es gemeinsam an.
 

Freundschaft weiß genau, wie du dich fühlst.

Freundschaft weiß, wofür dein Herz noch schlägt.

Freundschaft weiß, warum du heute spielst.

Freundschaft weiß, was dich durchs Leben trägt.

Freundschaft ist’s, was dich durchs Leben trägt.
 


 

Ending Credits
 

Fun Facts for Freaks: . Bei Obelisk, Ra und dem amerikanischen Produzenten, der sich für eine Götterkarte hält, da haben wir es doch tatsächlich geschafft, ein knapp dreißig Seiten langes Duell zu fabrizieren. Gar so lang war es eigentlich gar nicht geplant, aber irgendwie ließ es sich auch nicht abkürzen, besonders als dann Mr. “Ich tu mal so, als wär’ ich Atum“ auftauchte. Kennt ihr das, wenn die Charas plötzlich ein Eigenleben entwickeln und machen, was sie wollen?
 

Was die Karte Shiryô no Su (Lager der Geister) angeht, die dieser Folge ihren Namen gegeben hat, so heißt sie auf deutsch Totenkopfhöhle. Sie steht symbolisch – wer hätte das gedacht? – für den Steinkreis in dem Yûgi nach Atum sucht.
 

My Hair Says: Mr. “Ich tu mal so, als wär’ ich Atum“ haben wir in dieser Folge nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal gesehen. *g*
 

In der nächsten Folge erwartet uns...
 

Es ist meine Entscheidung, die eine Niederlage in einen Sieg verwandeln wird, und letztendlich führt mich diese Entscheidung an weitere Orte der Erinnerung.
 

Kaibaland... Kaiba-kun und Mokuba-kun’s großer Traum. Duelist Kingdom... auch Pegasus-san veranstaltet wieder ein neues Turnier. Das Museum in Domino… hier stand damals die Stele, die mô hitori no boku als Pharao zeigte und Kaiba-kun als seinen Hohepriester.
 

Isis-san, wusstest du damals schon, was geschehen wird? Ihr wusstet es alle, nicht wahr? Nur ich sollte es nicht erfahren. Aber jetzt bin ich froh um jede Erinnerung, die mich mit meinem anderen Ich verbindet. Das Band zwischen uns wird niemals reißen!
 

Nächstes Mal bei Yu-Gi-Oh:
 

Episode 227: Letter Part III – Boku no monogatari ga hajimaru

(Episode 227: Letter Teil III – Meine Geschichte beginnt)
 

Duel Standby!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  TeaGardnerChan
2011-02-11T04:55:44+00:00 11.02.2011 05:55
Guten Morgen ^^

Ich habe es versprochen und das versprechen will ich nun einhalten und mir das zweite kapitel vornehmen da ich das erste sehr genial fande.

Ich wünsche allen schreibern weiterhin viel Spaß bei der FF und an diesem Projekt ^^

Wie heißt denn das Opening credit?
Der text ist richtig schön.

Finde ich auch gut dass alles so klar strukrutiert wird.

Armer Yugi.
Er versucht echt alles um yami wieder zu sehen aber dieses Duell gegen Raphael ist doch sinnlos.
genauso sinnlos wie es damals war dass Yami gegen Raphael angetreten ist und yugi dann seine seele verloren hat.
Immerhin hat Yami damals doch erst durch Raphael das siegel bekommen und wurde manipuliert XD
Wieso müssen die immer nur unsinnig duelle anfangen.

O.O
ati ist wirklich wieder da?
Oder doch nicht?
Oh wei ist das spannend....

Wäre doch auch zu schön gewesen wenn Ati wirklich wieder da wäre.
*schnief*
Armer Yugi.

Oh man bin ich erleichtert dass Yugi sich von all dem Schmerz endlich lösen konnte.
Seine Freunde hätten ihm nie die schuld an Atis gehen gegeben.

Ich bin gespannt wie es weiter gehen wird ^^
Von:  Jien
2011-02-09T22:35:17+00:00 09.02.2011 23:35
Die Geschichte gefällt mir bisher recht gut, viel Tiefe und die Verbindung zur eigentlichen Serie (sprich, Kartenduelle) bleibt erhalten.
Außerdem gibtst du dir offensichtlich mühe, die Synapsis einer Folge zu imitieren :)

Allerdings fehlt beim Titel für's nächste Kapitel ein Partikel: Das müsste "Boku no monogatari GA hajimaru" heißen *rumstreb*
^____^


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