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Kaibas Herz

Seto x Joey
von

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Im Glashaus

Warnung: Irgendwie ist dieses Kapitel total daneben ... Ansonsten: OOCness. Kitsch (?).
 

Danke an alle Kommentarschreiber!! Ihr seid die Tollsten, ehrlich ich wüsste gar nicht, was ich ohne euch machen sollte.
 


 

~ The moment I let go of it was

The moment I got more than I could handle

The moment I jumped off of it was

The moment I touched down ... ~
 

(Alanis Morissette: "Thank You")
 


 

Ein kluger Mensch hat mal gesagt: Je mehr man weiß, desto mehr Fragen hat man.

So weit ich mich erinnere, bezog sich das auf Astrophysik - aber man kann es genauso gut auf Seto Kaiba anwenden.

Ich weiß eine Menge über Kaiba. Wenn man jahrelang mit jemandem streitet, bleibt das vermutlich nicht aus. Aber je mehr ich über ihn weiß, desto mehr habe ich das Gefühl eigentlich gar nichts zu wissen ... und dass das Ende überraschender Erkenntnisse bei ihm niemals in Sicht ist. Je länger wir uns kennen, desto mehr Fragen habe ich an ihn ... und das Schlimmste ist, dass ich nicht einmal weiß, ob er die Antworten darauf kennt oder überhaupt bereit ist, sie mir zu sagen.
 

Im Augenblick muss ich mich allerdings nur mit einer Frage auseinandersetzen.
 

"Kaffee oder Tee?" fragt sie kühl.
 

"Ähm ...also ..." Das Leder quietscht ein wenig, als ich unsicher darauf hin- und herrutsche. Ich finde es seltsam, wenn andere Menschen mich bedienen. Sogar in Restaurants fühle ich mich dabei unwohl, und erst Recht, wenn es die Privatsekretärin von Seto Kaiba ist, die garantiert einen Abschluss an irgendeiner Elite-Universität gemacht hat, wo ich es mir nicht einmal leisten könnte, ein belegtes Brötchen zu essen. Außerdem trinke ich nicht einmal gerne Kaffee. "... kann ich auch eine Limo haben?"
 

Ihre schmalen Augenbrauen bewegen sich ungefähr einen Millimeter nach oben, ansonsten bleibt ihr Gesicht unbewegt. Offensichtlich verlangen hier nicht so oft Leute nach einer Limonade. "Ich denke, das lässt sich einrichten", erwidert sie gedehnt, während ihr Blick irgendwo an meinen Turnschuhen hängen bleibt. Unsicher höre ich auf, damit zu wippen.
 

"Ach ja - und bitte ... keine Diätlimo oder irgendwas, wo ,Light' draufsteht."
 

Ihr Blick spricht Bände und sagt irgendwas von wegen ,Extrawürste'. "Ich werde sehen, was wir haben."
 

Ihre Stimme ist höflich bis zur Perfektion und ihr hübsches Gesicht ist unbewegt, aber trotzdem schafft sie es grade noch so viel Geringschätzung für mich hineinzulegen, dass es mir plötzlich irgendwie peinlich ist, dass ich in meinen ausgelatschten Turnschuhen und mit zerzausten Haaren hier sitze und meine Schuluniform auch schon mehr als schäbig aussieht. Da ist immer noch das Loch im Knie, welches ich Kaibas Ferrari zu verdanken habe, und auf meiner Wange klebt ein Pflaster mit kleinen Teddybärchen. Straßenköter hat er mich mal genannt ... ist schon eine Weile her und war kein schönes Gefühl - denn sogar damals dämmerte mir schon, dass er vermutlich nicht ganz Unrecht damit hat ...

Ich weiß, dass ich nicht hierher gehöre und sie weiß es auch. Sie weiß, dass ich weiß, dass sie es weiß.

Sie macht Anstalten sich umzudrehen und auf ihren Zehnzentimeterabsätzen davon zu stöckeln. Aus reinem Widerspruchsgeist, und weil ich es hasse, so herablassend behandelt zu werden, füge ich schnell hinzu: "Machen sie ein Schirmchen rein."
 

"Ein ... Schirmchen?" Sie wendet sich um und ihre dunkelroten Lippen werden zu einem schmalen Strich.
 

Ich nicke, plötzlich sehr angetan von der Idee. "Ja, und dieses Zeug, das bei Cocktails immer am Rand ist - die ganze Früchtedeko. Und ein Strohhalm! Bitte", füge ich höflich hinzu.
 

Ihre Mundwinkel zucken nach unten und sie muss sich offenbar Mühe geben, die glatte Fassade zu behalten. "Wenn Sie das wünschen."
 

Ich sehe ihr nach, als sie verschwindet und empfinde ein klein wenig billig erkämpften Triumph dabei. Hey, vielleicht war sie ja auf einer schicken Elite-Uni. Und vermutlich haben allein ihre Schuhe mehr gekostet, als wir im Monat an Miete bezahlen. Und sie rollt ihr ,R' wirklich ganz bezaubernd.

Aber ich kriege wenigstens ein Schirmchen in meine Limonade.

Man muss sich auch mit kleinen Lichtblicken zufrieden geben.
 

Während ich warte, habe ich endlich Zeit mich umzusehen. Ich war zwar schon einmal in Kaibas Wartezimmer - aber damals war ich nass und habe gefroren und war mehr als nur ein bisschen angesäuert. Jetzt sitze ich in einem edlen, schwarzen Luxusledersessel, der breiter ist als mein Bett und garantiert so viel gekostet hat wie ein halber Ferrari - ob da noch irgendwo ein Preisschild dran klebt? -, und warte auf eine Sekretärin, die mir eine Limonade bringt. Und auf Kaiba.
 

Richtig gehört. Der Penner hat sich aus dem Staub gemacht und ist in seinem Büro verschwunden, sobald wir oben waren. Nachdem er mir befohlen hat mich hinzusetzen und nichts schmutzig zu machen. Irgendwo war da auch noch die Rede von wegen ,nicht auf den Teppich pinkeln' und ,stubenrein', aber das habe ich Großzügigerweise mal überhört.
 

Hier oben ist also die elitäre Chefetage. Im Hellen ist sie sogar noch beeindruckender als letzte Nacht - aber da hatte ich echt keinen Nerv um auf meine Umgebung zu achten. Alles ist voll mit Glas und Chrom, edlem schwarzem Holz und weißen Wänden. Die wenigen Mitarbeiter, die hier herumlaufen, sehen furchtbar beschäftigt aus und schleichen nur auf Zehenspitzen um sein Büro herum. Die meisten bleiben allerdings kurz stehen, als sie mich sehen und werfen mir seltsame Blicke zu. Hoffentlich überlegt keiner, den Sicherheitsdienst zu rufen und mich entfernen zu lassen.

Vermutlich falle ich hier auf, wie ein bunter Hund ... Aber hey - ob es ihnen passt oder nicht, ich bin ein Teil von Kaibas Leben. Es mag ein kleiner, nervtötender und überflüssiger Teil sein und er mag Kaiba nicht gefallen ... aber es ist einfach so. Genau ... es ist einfach so. Ich habe ein Recht hier zu sein, wiederhole ich in meinem Kopf.
 

"Ich habe die Limonade in Mr. Kaibas Büro bringen lassen", ertönt es unerwartet hinter mir und ich fahre zusammen. "Mit dem Strohhalm." Erstaunlich wie viel Verachtung man in ein einziges Wort legen kann ... "Er erwartet sie jetzt."
 

Ich springe auf und nicke. "Okay ... okay..." Hektisch fahre ich mir durch die Haare und versuche den Wischmopp auf meinem Kopf in irgendeine erkennbare Ordnung zu bringen, was nicht so leicht ist. Der Stunt in seinem Auto hat meine Frisur nicht unbedingt verbessert.
 

"Folgen Sie mir, bitte", befiehlt sie steif und dreht sich um, ohne auf mich zu warten.
 

Ich bin immer noch damit beschäftigt durch meine Haare zu fahren und setze mich hastig in Bewegung, um mit ihr Schritt zu halten. Sie wirft mir beim Laufen kurze, abwertende Blicke zu, so als kann sie gar nicht fassen, was für ein seltsames Subjekt ich bin. Jetzt wo ich neben ihr herlaufe, fällt mir auf, dass sie gar nicht so groß ist, wie sie eben noch gewirkt hat, sondern grade so bis an mein Kinn reicht - und dass auch nur dank der hohen Absätze.

Das ist bei meiner kleinen Schwester auch so ... oder es wäre so, wenn Serenity hohe Absätze anziehen würde.

Sofort tut es mir beinah leid, dass ich eben so ungezogen zu ihr war.
 

Es ist idiotisch, ich weiß, aber ich muss bei fast jeder Frau an meine kleine Schwester denken ... und daran, wie wütend ich werde, wenn irgendjemand unhöflich oder gemein zu ihr ist, ganz egal in welcher Situation. Langsam lasse ich die Hände sinken und schiebe sie in die Hosentaschen, komme mir plötzlich groß und ungelenkig neben ihrer schmalen, eleganten Gestalt vor.
 

"Sie können sich schon mal setzen." Sie öffnet die Tür zu seinem Büro und hält sie für mich auf. "Er wird gleich bei ihnen sein."

Ich will etwas erwidern, aber ich kriege den Mund nicht auf. Schon von draußen kann ich das riesige, bunte Cocktailglas sehen, dass auf seinem Schreibtisch steht und mehr oder weniger sprachlos bleibe ich stehen. Kann ich ahnen, dass sie es gleich so übertreiben muss?

Es ist gigantisch. Es ist ... bunt. Es hat ein neongrünes Schirmchen und einen pinkfarbenen Strohhalm, und die Früchte, die kunstvoll an die Ränder gesteckt wurden, sind so exotisch, dass ich von der Hälfte nicht einmal die Namen nennen könnte. Ein Hauch von Karibik und Sommerurlaub umweht das Glas und es wirkt absolut deplaziert und geradezu absurd in dem durch und durch technisch kühlen, funktionellen Raum.
 

"Darf ich die Tür schließen?" fragt sie kühl.
 

"Ja ... klar ... ich meine ..." hastig trete ich einen Schritt weiter in das Büro, um ihr nicht mehr im Weg zu stehen und drehe mich noch einmal zu ihr um. "Danke ...", murmele ich verlegen, "wegen dem Schirmchen und so."
 

Sekundenlang sieht sie aufrichtig überrascht aus, als ist sie es nicht gewohnt, dass sich jemals irgendwer bei ihr bedankt. Sofort räuspert sie sich hastig und schenkt mir ein winziges Lächeln, bevor sie sich umdreht.

Ich glaube, diesmal ist es ehrlich gemeint.
 

Ich schlendere langsam auf seinen Schreibtisch zu, unsicher, ob ich mich einfach setzen soll oder lieber noch ein bisschen dumm hier herumstehen. Die Entscheidung wird mir abgenommen, bevor ich sie treffen muss. Im selben Moment, als die Tür mit einem endgültigen Geräusch hinter mir geschlossen wird, öffnet sich eine kleine Seitentür hinter dem Schreibtisch.
 

Mein Kopf fliegt hoch und ich erstarre mitten in der Bewegung. Es ist Kaiba.

Er hat sich umgezogen und die blaue Schuluniform gegen seinen weißen, langen Mantel eingetauscht. Er sieht sehr professionell aus, kühl, kontrolliert und unangreifbar. Jede Spur von Emotion ist aus seinem Gesicht verschwunden, als hätte er sich grade innerlich für dieses Gespräch gewappnet. Vermutlich hat er das.

Er sieht vertraut aus und gleichzeitig sehr fremd ... so, als hätte ich ihn schon eine Weile nicht mehr genau angesehen. Irgendwas ist anders - aber ich komme nicht darauf, was es ist. Aber ich starre ihn länger an, als ich das sonst tue.

Er wirft mir einen kurzen, seltsamen Blick zu und geht in langen zielstrebigen Schritten zu seinem Schreibtisch. Seine Schritte werden langsamer, als er das gefährlich aussehende, poppig bunte Glas mitten auf seinem Schreibtisch sieht. Abrupt bleibt er stehen.
 

"Was zum Teufel. Ist. DAS?"
 

"Das ... oh ... meine Limonade." Ich greife danach und schiebe mir den Strohhalm zwischen die Lippen. Mein Mund ist trocken und Limo kommt mir plötzlich vor wie eine gute Idee.

Er betrachtet das Ganze mit Argwohn.

"So etwas haben wir hier?"
 

"Keine Ahnung - das ist deine Firma. Auch ein Schluck?" Ich halte es ihm hin.

"Nein." Er sieht das Getränk an wie ein giftiges Subjekt und runzelt die Stirn. "Ich darf dich bitten nirgendwo hinzukleckern - die Schäden könntest du nicht bezahlen."
 

Ich schiebe mir eine glasierte Kirsche in den Mund und verdrehe die Augen, aber verkneife mir ausnahmsweise jede Erwiderung.

Ich bin hier, in Kaibas Büro. Ich trinke Limonade mit Schirmchen. Seit zehn Minuten verpasse ich die Schule. Das ist vollkommen okay für mich. Wirklich.
 

Er setzt sich hin und überschlägt die Beine. Der Schreibtisch zwischen uns wirkt riesig, als wäre er mindestens zehn Meter breit und ist so hoch wie eine Mauer. Kaiba versucht aus der ganzen Angelegenheit eine Art Geschäftstermin zu machen, und ich muss kein Psychologe sein, um das zu merken. Deswegen auch das Büro und der Mantel und seine Sekretärin, und dass er mich hat warten lassen. Aber das ... Kaiba, das ist nicht geschäftlich ... das ist nicht wie ein kaputtes Fahrrad, welches du einfach bezahlen musst und alles ist gut ...

Mein Herz klopft. Zugegeben, es ist normal, dass es klopft - es wäre beunruhigend, wenn es das nicht täte. Aber normalerweise macht es dabei nicht so einen Aufstand.

Ich bin nervös und ich weiß nicht, ob ich das so gut kaschieren kann wie er.

Endlich sind wir allein. Und er ist bereit und willig. Zum äh ... Reden.
 

"Also gut." Er ist derjenige, der das unangenehme Schweigen zuerst bricht. "Dir bleiben noch exakt 19 Minuten und 37 Sekunden."
 

"Oh, komm schon!" protestiere ich beinah aus Reflex und stelle das Glas ab. "Du kannst mir doch nicht die Zeit abziehen, die wir im Aufzug gestanden haben! Oder wo du dich umgezogen hast!" Nach einer kurzen Pause füge ich unschuldig hinzu: "Ich finde es übrigens nett, dass du dich extra für mich schick machst."
 

Sein Blick spricht Bände und sagt deutlicher als tausend Worte, dass er nicht in Stimmung ist für Scherze. Nun ja, es war einen Versuch wert. "Komm zum Punkt. Was willst du?"
 

Ich nicke brav und atme tief durch. Also gut. Zum Punkt. Zu dumm, dass ich keine Ahnung habe, was der Punkt ist. "Also ... ich ... ähm ... weißt du ..." Meine Finger verknoten sich vor lauter Nervosität und ich gebe mir verzweifelt Mühe einen halbwegs vernünftigen Satz zustande zu bringen. "Es ist ...es geht ... also ..."
 

"Ja, bitte?"
 

Meine herumschweifenden Augen fallen auf das poppigbunte Limoglas. "Du hast eine nette Sekretärin", stottere ich in Ermangelung etwas besseren.
 

Er hebt eine Augenbraue. "Wer - Michalina?"

Ich nicke, ein wenig überrascht von dem fremdländisch klingenden Namen.

Ungeduldig schüttelt er den Kopf. "Sie ist nicht meine Sekretärin."
 

"Aber sie hat ..."
 

"Bist du hier, um über meine Angestellten zu sprechen?"
 

"Ähm ... ja!" Ich nicke heftig. Hastig spreche ich das Erste an, was mir in den Sinn kommt. "Was ist mit ... Mika?" Das ist nicht das, was ich fragen wollte, aber das ist immerhin auch wichtig. Zumal ich das dumpfe Gefühl habe, dass das um drei Ecken herum auch irgendwie mit uns zu tun hat ...
 

"Was soll mit ihr sein?"
 

"Das mit ihrer Persönlichkeit ... das kapiere ich nicht. Wieso kannst du sie runterfahren? Was hast du mit ihr gemacht? Und wieso?"
 

Er seufzt und seine Finger spielen mit einem Kugelschreiber. "Wir hatten eine kleine Auseinandersetzung", erwidert er knapp. "Und ich kann kein zickiges Sicherheitssystem gebrauchen."
 

Ich runzele die Stirn. "Du kannst sie doch nicht einfach abschalten, wenn ihr nicht einer Meinung seid!"
 

"Ach nein? Glaub mir - ich arbeite daran, dass bei dir auch hinzukriegen."
 

Ich würde ja lachen, aber leider befürchte ich, dass das grade kein Witz war. Zum Glück habe ich keinen Knopf, den er drücken kann, um mich abzustellen - sonst würde er vermutlich ununterbrochen darauf herumdrücken. "Über was habt ihr gestritten?" frage ich stattdessen.
 

Er sieht mich nicht an. "Sie hat mir den Zugriff zu gewissen Dateien verweigert."
 

"Dateien ...?"
 

"Geht dich nichts an, Whee-..." Er hält inne und sieht auf. Der Kugelschreiber wird mit einem scharfen Klicken zugeklickt. "Wieso zum Teufel bestehst du eigentlich darauf, dass ich dich Joey nenne?"
 

Wieso bestehen ... was soll das denn heißen? Er hat doch damit angefangen mich so zu nennen! Das weiß ich ganz genau! Es ist ja nicht so, als ob ich großen Wert darauf lege würde...

Alles, was ich weiß ist ... wenn er ,Wheeler' sagt, dann wird er wieder herablassend und gemein. Das macht er nur, wenn er merkt, dass ich ihm zu nah gekommen bin ... und er wieder diese Scheißdistanz um sich herum aufbauen möchte, die ihm so schrecklich wichtig ist. Aber das kann ich ihm natürlich nicht sagen.

"Weil das mein Name ist?" schlage ich stattdessen vor.
 

Streng sieht er mich an. ",Joey' ist ein Diminutiv."
 

"Hey, beleidige meinen Namen nicht!"
 

"Das bedeutet Verniedlichungsform." Er verdreht die Augen. "Ich finde dich aber nicht niedlich."
 

"Tust du nicht?"
 

"Sehe ich vielleicht so aus?"
 

Sekundenlang blitzt etwas von dem alten Kaiba auf ... dem Kaiba, den ich kenne und der mir auf eine Weise vertraut ist, wie nur jahrelange Intimfeinde es sein können. Aber sofort ist er wieder weg, und an seiner Stelle sitzt wieder der kühle Geschäftsmann vor mir, den ich nicht wirklich kenne ... und mit dem man nicht reden und nicht streiten kann, und von dem ich keine Antworten erhalten werde. Der will, dass ich wieder verschwinde und keine Spuren in seinem Leben hinterlasse ...

Wir schleichen wie Katzen um den heißen Brei herum. Wow, also das ist ganz neu. Normalerweise tun wir das nicht ... oder doch? Ich habe das Gefühl, dass ich ununterbrochen versuche, ihm eigentlich etwas ganz anderes zu sagen ... aber die Worte kommen einfach nicht raus. Es funktioniert nicht. Der direkte Draht zwischen meinem Mund und meinem Gehirn war ja noch nie besonders ausgeprägt ... aber jetzt im Augenblick scheint er sich grade absolut in Luft aufgelöst zu haben. Er scheint es ebenfalls zu bemerken, denn er wirft einen demonstrativen Blick auf seine Uhr. "16 Minuten."

Langsam wird das frustrierend. Ich will doch! Ehrlich, ich will ... aber ich kann nicht ...
 

"Ich korrigiere: 15 Minuten, 54 Sekunden ..."
 

"Vielen Dank, das ist wahnsinnig hilfreich!" fauche ich. "Du könntest mir ruhig etwas entgegen kommen ..."
 

"Wieso sollte ich?" Er verschränkt gleichgültig die Arme. "Du wolltest doch reden."
 

"Weil das genauso deine Angelegenheit ist, wie meine!"
 

"Was ,das'?
 

"Na das! DAS!" Hysterisch wedele ich mit den Armen und springe auf. "Du weißt genau, was ich meine! DAS!"
 

Er starrt mich an, ich starre zurück, und es dauert einen Moment, bis er antwortet. "Ach ... das." Es klingt leise und gedehnt, und seine Stimme ist vollkommen ausdruckslos.
 

"Ja, DAS!"
 

Ist das alles, was ihm dazu einfällt? Sekundenlang sagt keiner etwas. Wir starren uns einfach nur an - Herzschläge lang, und ich bin so erschrocken und atemlos, dass es mir die Kehle zuschnürt. Langsam sinke ich zurück auf den Sessel. Trotzdem ist es Kaiba, der zuerst den Blick abwendet. Ich kann sehen, wie sein Kehlkopf sich bewegt, als er schluckt.
 

"Das bringt doch nichts", sagt er kalt und steht so abrupt auf, als hält er es nicht mehr aus, länger sitzen zu bleiben. Langsam und ohne mich anzusehen, tritt er an die riesige Fensterwand seines Büros. "Dir ist schon klar, dass dein Verhalten rein rechtlich den Tatbestand des Stalkings erfüllt, oder?"
 

"Was ...?" Meine Hand, mit der ich eben noch nach der Limonade greifen wollte, hält inne und ich lasse sie wieder sinken.
 

"Mich zu verfolgen und in meine fahrende Limousine zu springen - wie würdest du das bezeichnen? Abgesehen von lächerlich ..."
 

"Ich bin ein Stalker?" wiederhole ich kleinlaut. Vielleicht sehe ich wirklich so geschockt aus, wie ich mich fühle, denn er schnaubt leise, und sekundenlang verschwindet der harte Ausdruck aus seinem Gesicht. Er wirft mir einen unlesbaren Blick zu, als versucht er, aus mir schlau zu werden.
 

"Schon gut, vergiss es." Ein paar Streifen Sonnenlicht fallen auf seine Haare und verleihen ihnen einen rötlichen Schimmer. Nur seine Augen liegen im Schatten. "Ich hatte nicht vor, dich deswegen zu verklagen. Ich denke nicht, dass Hunde dafür haftbar sind, wenn sie ihrem Herren nachlaufen ..."
 

Irgendetwas läuft hier falsch. Irgendetwas läuft hier ganz und gar nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe ... und ich kann nicht mal mit dem Finger draufdeuten und erklären, was es ist ...
 

"Kaiba ..."

Jetzt ist der Zeitpunkt, wo ich es nicht mehr aushalte noch länger still zu sitzen. Der Stuhl schabt leise, als ich ihn ruckartig zurückschiebe. Langsam erhebe ich mich und schlendere zum Fenster, meine Beine bewegen sich wie von selbst. Die Hände wie üblich in den Hosentaschen vergraben, stelle ich mich neben ihn. Mit dem Rücken zur Scheibe, denn wenn ich aus siebenundvierzig Stock nach unten sehen würde, kann ich jetzt schon garantieren, dass mir schlecht wird. Keiner von uns sagt ein Wort.

Ich kann es nicht erklären. Es ist als ob ich in seiner Gegenwart permanent Höhenangst habe. Es fasziniert mich. Es macht mir Angst. Mir wird schwindelig und ich habe das Gefühl keine Kontrolle mehr zu haben. Und doch kann ich nicht aufhören in die Tiefe zu sehen und mich zu fragen wie es wohl ist, wenn ich falle ...
 

Ich lehne den Kopf so weit zurück, dass er das Glas hinter mir berührt und ich einen Fetzen blauen, klaren Himmel über mir sehen kann. In Augenblicken wie diesen habe ich das Gefühl, wenn ich jetzt loslasse, werde ich nach oben fallen und nicht nach unten.
 

"Zwölf Minuten" sagt er nach einer halben Ewigkeit. Ich kann die Zeit ticken hören. "Was willst du eigentlich von mir ...?"
 

" ..."
 

"Eine offizielle Entschuldigung?"
 

Stumm schüttele ich den Kopf.
 

"Herrgott ... Weißt du überhaupt, was du willst?"
 

> "Was ist los mit dir, du Penner? Bist du etwa scharf darauf, dass es passiert ist?" <
 

"Ich will ..." Ich atme tief durch und sehe ihn nicht an. "Ich will nur etwas wissen."
 

Ich brauche nur eine Antwort ...eine einzige. Auch ohne hinzusehen, kann ich spüren wie er den Kopf wendet und mich ansieht. Seine Stimme klingt mehr als misstrauisch und seine blauen Augen sind durchdringend und forschend auf mein Gesicht gerichtet. "Was?"
 

Beinah muss ich lächeln. Kaiba mag es, wenn er die Antworten weiß, noch bevor er die Frage kennt ... wenn er vorbereitet ist auf das, was kommt. Aber in diesem Fall ...in diesem Fall weiß ich die Antwort nicht einmal selbst, und ich kann ihn nicht darauf vorbereiten. Ich wende den Kopf und erwidere seinen Blick.
 

"Das", sage ich und greife nach seinem Oberteil.
 

Er hat so unglaublich blaue Augen ... und sie werden weit, als ich ihn zu mir ziehe. Ich bin nett und komme ihm auf halbem Weg entgegen. Meine Arme wandern in seinen Nacken und er stolpert von meinem Schwung mitgerissen nach hinten ... fängt sich grade so mit einer Hand am Fenster ab. Er ist so überrascht, dass er nicht einmal dazu kommt, sich dagegen zu wehren, als ich meine Lippen auf seine presse.

Dieses eine Mal ... werde ich nach oben fallen ...
 

Ich habe tausend Dinge, die du wissen sollst ... und ich finde nie die richtigen Worte um sie dir zu sagen ...

Ich habe tausend Fragen an dich, du Sturkopf ... und du wirst sie nie beantworten ...

Ich will tausend verschiedene Sachen von dir ... jede Menge halbe Stunden von deiner kostbaren Zeit und dass du ab und zu mal ein Lächeln in meine Richtung wirfst ...und ich habe Angst, dass du sie mir niemals geben kannst ... oder nicht willst ...
 

Dieses Mal bin ich derjenige, der ihn aus der Fassung bringt. Er hält die Luft an und ist sekundenlang vollkommen gelähmt. Dieses Mal bemerke ich all die Dinge, die beim letzten Mal irgendwie untergegangen sind. Dass seine Lippen ganz weich sind ... und wie es sich anfühlt, als die sauber geschnittenen Spitzen seiner Nackenhaare meine Finger streifen ... und dass seine schwarzen Rollkragenpullover wirklich so dünn sind, wie sie immer aussehen, denn man kann jede Faser seines Körpers darunter spüren. Er ist verdammt warm, für jemanden, der den Ruf und das Auftreten eines Gefrierfachs hat ...
 

Sein Herz hämmert. Sein Pullover ist tatsächlich so dünn, dass ich es spüren kann. So schnell, dass ich mich frage, ob es nicht schmerzhaft ist ... und so laut, dass es jeder in dem gesamten Gebäude hören müsste. Wild und unregelmäßig ... durcheinander ...

Ich kann es spüren, und unwillkürlich fange ich an zu lächeln. Da ist sie ... eine meiner Antworten.

Nichts an seinem Herz ist so, wie Kaiba gerne wäre. Es ist ein Fremdkörper in ihm, genauso wie ich es in seinem Leben bin ... und trotzdem ist es ein Teil von ihm, den er nicht loswerden kann, so gerne er das sicher manchmal möchte.
 

Seine Hände wandern auf meinen Rücken und er packt mich an meinem T-Shirt. So schnell, dass ich es kaum mitbekomme, und ohne seinen Mund von meinem zu lösen, werde ich ruckartig herumgedreht und finde mich gegen die große Glasfront gedrückt wieder. Ein leises, überraschtes Geräusch dringt über meine Lippen.

Ich versuche etwas zu sagen, aber er verschließt meinen Mund auf höchst effektive Art und Weise. Habe ich eben nicht noch gedacht, dass es keinen Knopf gibt, mit dem Kaiba mich zum Schweigen bringen kann ...? Okay, ich habe mich geirrt.

Atmen ... wird so überbewertet.

Er küsst mich ... während seine Hände immer noch in mein T-Shirt geklammert sind und mich festhalten.
 

"Du kannst es echt nicht ab, mal der passive Part zu sein, was ...?" murmele ich atemlos, als mein Gehirn wieder bereit ist zu funktionieren.
 

"Nein", knurrt er und öffnet abrupt die Augen. Schmale, blaue Katzenaugen funkeln mich an. "Hier sind ein paar Regeln über mich, mit denen du dich anfreunden solltest, Wheeler: Ich verliere nicht, ich liege nicht unten - und ich WERDE nicht geküsst. Vor allem nicht von dir."

Was wetten wir, dass er schon mit diesem Regelwerk auf die Welt gekommen ist?
 

"Jetzt hast du die romantische Stimmung versaut", stelle ich fest, als er mich loslässt. Ich bin froh, dass sich hinter mir etwas befindet, wo ich mich dagegen lehnen kann. Ich glaube ... sonst würden meine Knie jetzt weich werden.
 

"Welche romantische Stimmung?" Er klingt unangenehm sarkastisch. "Und was zum Teufel sollte die Aktion ...?"

Ich glaube nicht, dass er wirklich wütend ist. Wenn Kaiba wütend ist, klingt das anders und man sollte sich schleunigst aus dem Staub machen. Eigentlich klingt es hauptsächlich misstrauisch ... und verwirrt. Schön, endlich gibt es mal einen Rollentausch. Normalerweise bin ich nämlich derjenige, der in seiner Gegenwart durchgehend verwirrt ist. Aber ausnahmsweise glaube ich, dass er es nicht wirklich gut durchdacht hat ... diesen Kuss zu erwidern, meine ich.
 

"Ich brauchte eine Antwort ..." Ich lehne an dem Fenster und bin immer noch damit beschäftigt ein und auszuatmen, um den Sauerstoffmangel von eben auszugleichen. "... und die habe ich jetzt."
 

Seine Augenbrauen zucken vor lauter Anspannung und ich kann sehen, wie schwer es ihm fällt, mich jetzt nicht zu packen und durchzuschütteln. Ich kann es ihm nicht mal verdenken. "Was für eine Antwort? Was für eine Frage?" Er weiß es wirklich nicht ... oder?
 

Ein seliges Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit, und ich löse mich von dem beschlagenen Glas hinter mir. Ich bin so high, dass es ein Wunder ist, dass meine Füße noch den Boden berühren. Beinah reflexartig tritt er einen Schritt zurück, während sein misstrauischer Blick abwartend auf mich fixiert bleibt.

"Du bist scharf auf mich", stelle ich versonnen fest und puste eine Wolke blonder Haare aus meiner Stirn. "Aber wer kann dir das schon verdenken - ich bin einfach ein verdammt heißes ..."
 

"Ich würde es sehr begrüßen, wenn du aufhörst mit den Hüften zu wackeln! Das sieht lächerlich aus! Außerdem weiß ich nicht, wovon du ..." Er hält schlagartig inne und seine Gesichtsmuskeln sind so angespannt, dass es beinah schmerzhaft aussieht. Seine Augen werden weit.
 

"Du findest mich toll", trällere ich und mein Grinsen wird breiter. "Du denkst, ich bin ein sexy Biest. Du willst mich ha~ben!"
 

Ich gebe zu, dass ich vielleicht grade einen winzigen Hauch an Triumph empfinde - einen verdammt großen ... winzigen Hauch.

Aber hey, ganz ehrlich - wem würde es anders gehen, wenn er auf einmal feststellt, dass ausgerechnet der Mensch, der einen jahrelang erniedrigt, gedemütigt und herumgeschubst hat, einen als dumm und minderwertig bezeichnet und auf einem herumgetrampelt ist wie kein Zweiter ... dass ausgerechnet dieser Mensch insgeheim findet, dass ich ein verdammt scharfes Teil bin? Kaiba kann sagen, was er will ... und sich so abweisend verhalten, wie er will ... sein Herz ist wie ein Lügendetektor, der ihn auffliegen lässt. Ich weiß es. Er weiß es. Und ich weiß, dass er weiß, dass ich es weiß. Scheinbar dämmerte ihm grade genau dasselbe.

Sein Gesicht erstarrt zu einer unbewegten Maske, als er plötzlich zu begreifen scheint. Nur in seinen Augen flackern in rascher Folge Unverständnis auf, plötzliche Panik und schließlich ... das pure Entsetzen.
 

Zu spät, viel zu spät dämmert mir plötzlich, dass er das vermutlich nicht so absurd und irgendwie witzig findet, wie ich. Kaiba hat es noch nie sonderlich geschätzt, wenn seine innersten Gefühle für irgendjemanden sichtbar waren, und ich schätze mal, die Tatsache, dass er mich ... äh nicht ganz uninteressant findet, ist nicht unbedingt etwas, dass er an die Wände sprühen und in der Zeitung veröffentlichen möchte.
 

Er ist inzwischen so weit zurückgewichen, dass ihm der Schreibtisch in die Quere kommt und er schwer dagegen lehnt. Sämtliche Farbe ist aus seinem Gesicht verschwunden und er ist so blass, dass ich plötzlich Angst bekomme, dass er jeden Moment vor meinen Augen zusammenbricht. Mein Triumphgefühl verpufft wie Luft aus einem Ballon.

Oh Gott ... sag mir jetzt bloß keiner, er hat das selbst nicht gewusst? Okay, in dem Fall kann ich nachvollziehen, dass diese Enthüllung ein echter Schocker für ihn ist und ihn aus den Socken haut.
 

Ich mache einen hastigen Schritt auf ihn zu. "Hey, hör zu ... so war das nicht ..."
 

"Sei still." Er atmet flach und unregelmäßig und ich habe das vage Gefühl, dass er gleich eine Panikattacke bekommt oder so etwas. Er nimmt das wirklich nicht gut auf. Sollte mich das beleidigen? Es wäre doch wohl wesentlich schlimmer, wenn ich Marik wäre, oder Dartz oder einer von den anderen Psychos, die uns in den letzten Jahren das Leben schwer gemacht haben ...
 

"Verdammt, setz dich hin!" befehle ich beunruhigt, als er sekundenlang die Augen schließt, als ob er es grade nicht ertragen kann, mich anzusehen. "Ich habe ein Problem damit, wenn du mir vor die Füße fällst, okay?"
 

"Keine Sorge. Das habe ich nicht vor." Trotz seines bissigen Tonfalls lässt er es ohne nennenswerten Widerstand zu, dass ich ihn zu seinem Schreibtischsessel schiebe und lässt sich tatsächlich hineinfallen. So langsam mache ich mir wirklich ein bisschen Sorgen.
 

"Alles wird gut, atme einfach weiter, ja?" bettele ich leicht panisch. "Tea meint, es hilft, wenn man in solchen Momenten den Kopf zwischen die Knie steckt - hast du Lust das mal zu ...? Nein? Schon gut, das war nur ein Vorschlag ..."

Wenn Blicke töten könnten, wäre ich jetzt schon auf halbem Weg über den Jordan. Mein Glück, dass er es vorzieht erneut die Augen zu schließen. Er hat zwei Finger an die Nasenwurzel gepresst und sieht aus als bekämpft er eine massive Kopfschmerzenattacke. Und äh ... ich hoffe doch, dass ist nicht meinetwegen?
 

"Hey ..." ich atme tief durch und durchforste mein Gehirn verzweifelt nach irgendwas Vernünftigem, was ich ihm sagen kann. Irgendwas, was dem ganzen wieder einen lustigen, banalen Anstrich gibt ...

In gewisser Weise bin ich vermutlich genauso unfähig meine Gefühle auszusprechen oder sie zu zeigen, wie er das ist. Manchmal hasse ich mich selbst dafür, dass ich aus allem einen großen, kosmischen Scherz machen muss. Immer scheine ich dadurch auf den Gefühlen anderer herumzutrampeln. Ich will das gar nicht ... aber ich kriege es auch nicht mehr raus aus dem System.

Das, letzte Nacht ... das war eine Ausnahmesituation. Ich habe keine Erklärung dafür, was passiert ist. Bis eben dachte ich, dass er es war ... dass nur seine Mauern unten waren. Aber jetzt wird mir plötzlich klar, dass meine es ebenfalls waren. Keine blöden Witze mehr von mir ...keine Sicherheitsschilder mehr von ihm ... alles unten, alles freigelegt. Vollkommen nackt. Ich weiß nicht, wie es passiert ist ... und vor allem weiß ich nicht, ob es jemals wieder passieren wird ...
 

Langsam lasse ich mich zurücksinken und schwinge mich auf den Rand des Schreibtischs, direkt vor ihm. Ich stütze die Arme auf die Knie, so dass ich ihn im Auge behalten kann und sehe ihm dabei zu, wie er unregelmäßig ein und ausatmet.
 

"Besser ...?" frage ich leise, als seine Atemzüge ruhiger werden.
 

"Unwesentlich", ist die knappe Antwort.
 

"Willst du was trinken? Ähm ...Limonade? Mit Schirmchen?"
 

Die Antwort besteht in einem Kopfschütteln.

Jetzt fühle ich mich mies, weil ich es nicht mal hinkriege, dass es ihm wieder besser geht. Vielleicht bin ich doch ein bisschen zu weit gegangen ... Vielleicht habe ich mit dieser Kamikazeaktion eben alles versaut ...
 

Ich wende den Kopf und sehe hinüber zu der Sonnen beschienenen Glasfront. An einer Stelle ist das Glas beschlagen und verschmiert ... dort wo sich immer noch die erhitzten Abdrücke unserer Hände befinden. Dieser Anblick hat etwas so furchtbar Unwirkliches und Intimes an sich, so dass ich unwillkürlich erröte und den Blick abwende.
 

"Ehrlich, es hätte schlimmer kommen können ...", sage ich vorsichtig und lasse die Beine ein wenig baumeln. Kaiba und ich. Ich und Kaiba, hallt es in meinem Kopf. Das klingt schon vom Grundprinzip her einfach nur ... falsch. Falsch, falsch, falsch. Aber was soll ich machen, wenn es sich einfach so verdammt richtig anfühlt? "Das ist nicht der Untergang der Welt."
 

Es dauert einen endlos langen Moment, bis er antwortet. "Für dich sicher nicht."
 

"Was soll das denn wieder heißen?"
 

Er nimmt die Hand vom Gesicht und fixiert mich scharf. Ein bisschen Farbe ist in sein Gesicht zurückgekehrt und er sieht nicht mehr länger aus, als müsste ich gleich Roland wegen Wiederbelebungsmaßnahmen um Hilfe rufen. Ich bin echt erleichtert, aber die nächsten Worte zerstören dieses Gefühl prompt wieder. "Glaub mir, du bist nicht der Erste und nicht der Einzige, der mich äußerst anziehend findet", sagt er knapp. "Willkommen im Club."
 

Meine Kinnlade klappt nach unten und ich starre ihn empört an. Dieser arrogante Saftsack! Das ist doch nicht zu glauben! "Hallo überdimensionales Ego! Und ich hatte schon angefangen mir Sorgen um dich zu machen ..."
 

"Wie rührend."

Er lehnt sich zurück, atmet tief durch und schlägt die Beine übereinander. Prompt sieht er wieder mehr wie er selbst aus und nicht mehr so, als hätte ich ihm grade den totalen Ruin seiner Firma verkündet. "Wenn du die Finanzzeitungen auch ab und zu mal lesen würdest, die du austrägst, wüsstest du, dass ich bereits zum siebten Mal in Folge zum begehrenswertesten Junggesellen des Monats gewählt worden bin." Er klingt gelangweilt, so als sei das nichts Besonderes. "Du darfst Roland auch gerne nach der Menge an Fanpost fragen, die ich jeden Tag in den Reißwolf stecke."
 

"Oh ja, ganz toll! Fanpost von Leuten, die dich vermutlich nicht mal persönlich kennen!" gebe ich zurück, ein wenig angesäuert, weil er mich mit diesen Spinnern in einen Topf wirft. Das hier ist doch wohl was ganz anderes! Das ist viel ...dramatischer! Ich verkneife mir den kleinlichen Einwand, dass ich dank ihm keine Zeitungen mehr austragen kann. Ebenso wie ich den stärker werdenden Drang unterdrücke, nach meiner Limo zu greifen und sie ihm über den Kopf zu schütten. "Darauf würde ich mir an deiner Stelle nicht allzu viel einbilden! Wenn sie dich kennen würden, wüssten sie, dass du ein Scheißkerl bist ..."
 

Zu meiner Überraschung betrachtet er mich nachdenklich, als hätte ich zur Abwechslung tatsächlich mal was Intelligentes gesagt. Trotzdem klingt seine Stimme spöttisch. "Und du weißt natürlich alles über mich ...?"
 

"Ich weiß wenigstens, dass du ein Scheißkerl bist!"
 

"Das scheint dich aber nicht davon abzuhalten ..." Er sieht mich an und lässt den Satz unvollendet in der Luft schweben, so dass er wie eine Frage klingt. Eine Frage ... nach was?

Nach ... mir?

Was mich angeht, ich kann mich nicht entscheiden, ob ich dich einfach nur hassen oder für einen verdammt sexy Bastard halten soll ... das ist auch schon alles. Ehrlich! Okay, beinah ehrlich. Vielleicht ist es das auch nicht ... aber wenn es nicht alles sein sollte, dann will ich den Rest nicht mal wissen, glaube ich.

Ich fürchte, ich mag dich ... auch wenn du ein fieser Arsch bist. Deinem Fanclub beitreten werde ich aber trotzdem nicht, und deine Finanzzeitungen darfst du auch weiterhin alleine lesen, vielen Dank.

"Na ja, wenn du kein Bastard wärst ... wärst du einfach nicht du selbst." Verlegen wuschele ich mir über den Hinterkopf und versuche Kaiba nicht anzusehen.
 

"Deine Gefühlsduseligkeit ist wie üblich geradezu erschlagend." Er hebt eine spöttische Augenbraue.
 

"Was erwartest du denn?! Denk nicht, dass mir das alles leicht fällt - nur weil es den 639 Mädchen unserer Schule und den Mitgliedern deines Fanclubs leicht fällt. Glaub mir, wenn ich die Wahl hätte, würde ich mir lieber ohne Betäubung sämtliche innere Organe mit einer rostigen Kettensäge entfernen lassen, als dich ... äh nicht für einen Arsch zu halten." Nervös verschränke ich meine Finger und wünsche mir zum ersten Mal, dass ich keine Limo hinter mir stehen hätte, sondern irgendwas Hochprozentiges. Schade, dass ich keinen Alkohol trinke - jetzt wäre die ideale Gelegenheit um damit anzufangen.

"Das war echt nicht grade ganz oben auf der Liste mit Wünschen für mein weiteres Leben, das kannst du mir glauben. Ich wollte ein Star werden und reich und berühmt ... und dich wenigstens einmal bei DuellMonsters schlagen - aber DAS wollte ich ganz bestimmt nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass du DU bist ... was ja schon schlimm genug ist ..." Ich rede mich hier noch um Kopf um Kragen.
 

"Joey ..."
 

"Ja?"
 

"Falls du versuchen solltest mir etwas Nettes zu sagen, werde ich dir den Arm brechen."
 

"Also... äh eigentlich wollte ich nur grade einen Schwank aus meiner bewegten Jugend erzählen ..."
 

"Gott steh uns bei."
 

"Blödmann." Ich verdrehe die Augen.

"Straßenköter", erwidert er gleichzeitig ... und wenn dieser Ausdruck jemals freundlich klingen sollte, dann ist das jetzt, in diesem Moment.

"Hey ...Kaiba?" sage ich leise.

Er hebt den Kopf und sieht mich an.

"Falls du eben Angst hattest, dass ich es weitererzähle ... keine Sorge, ich behalte für mich, dass du mich absolut scharf findest." Ich habe das plötzliche Bedürfnis ihm das zu versichern. Und mir zu versichern, dass immer noch er es ist, der hier in der Patsche sitzt, und nicht ich.
 

Er schnaubt und gibt ein leises, resigniertes Geräusch von sich. "Wie beruhigend ..."
 

"Ich mache mich auch nicht darüber lustig - außer ab und zu mal", füge ich nach kurzem Nachdenken hinzu. Kommt schon, das kann mir doch keiner vorhalten, oder?
 

"Dir ist schon klar, dass du absolut keine Beweise hast für diese ... absurde, an den Haaren herbeigezogene Behauptung, oder?" Scharf sieht er mich an. "Ich könnte jederzeit alles abstreiten."
 

"Nö", antworte ich freudestrahlend. "Ich habe Mittel und Wege es aus dir rauszuquetschen."
 

"Joey ..." Resigniert lehnt er den Kopf zurück. "Solltest du noch einmal in meiner Gegenwart mit dem Hintern wackeln, breche ich dir mehr als nur den Arm."
 

Dieser Wortwechsel ist so vertraut, dass es beinah schmerzt.

Hier bin ich, und da ist er ... und so weit sind wir nicht einmal voneinander entfernt. Ich sitze auf seinem Schreibtisch und lasse meine Beine baumeln. Dann und wann streifen sie seinen Mantel, welcher malerisch über die Armlehnen gegossen daliegt. Die Sonne scheint durch das riesige Fenster auf ihn und verleiht seinen kühlen, scharf geschnittenen Gesichtszügen etwas ungewohnt Jungenhaftes. Ausnahmsweise ist er derjenige, der zu mir aufsehen muss und nicht umgekehrt ... und irgendwie ist das Ganze plötzlich richtig nett und warm ... und auf beinah freundliche Art und Weise persönlich.
 

"Hey ... Kaiba ...?" frage ich aus heiterem Himmel.
 

"Hm?"
 

Ich grinse breit. "Denkst du nicht, dass wir ein kleines bisschen zusammenpassen?" Und diesmal bin ich sicher, dass das Zucken um seine Mundwinkel nicht nur eine willkürliche Gesichtszuckung ist, als er antwortet ...

"Wie Pest und Cholera."
 


 

^to be continued...^
 

Nachwort: Oh man ... das Kapitel war eine Knochenarbeit. >.< Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass es von vorne bis hinten nicht gut geworden ist, sondern einfach nur verkorkst. *seufz* Aber ich hatte einfach keinen Nerv alles nochmal umzuschreiben und ich habe nicht mal eine Ahnung, woran es liegt, dass ich es so daneben finde ... *seufz*

Ausnahmsweise war Joey für mich wirklich eine harte Nuss. Normalerweise ist er einer der am angenehmsten zu schreibende Charaktere ever, aber diesmal hat er sich mir komplett entzogen. Er wollte partout nichts über seine Gefühle preisgeben und ihn zu knacken war fast unmöglich. <.< Ich habe mir wirklich den Kopf zerbrochen, wie er und Kaiba wohl reagieren würden ... und irgendwie fand ich diesen Gedanken am naheliegendsten. Joey badet im Triumph und Kaiba ... erhält den Schock seines Lebens. *g* Also irgendwie sind die beiden, jeder auf seine Art die absoluten Weltmeister im Verdrängen. òO
 

PS: Maddle meinte grade: "Glashaus? Was soll das denn?! Jetzt wird jeder denken, du bist Fan von der Band!"

Na ja, so schwer ist das nicht, zu raten wie der Titel gemeint war ... ^.~ *Joey flausch*



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Kommentare zu diesem Kapitel (62)
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Von:  lilac
2013-08-16T18:20:13+00:00 16.08.2013 20:20
Ich weiss gar nicht was du hast ...das kapitel ist dir sehr gelungen.
Von:  berenike
2009-09-09T18:46:48+00:00 09.09.2009 20:46
Soory das ich dich wieder voll schreibe *verbeug um verzeihung bettel* aber ich finde das Kapitel GRANDIOS!! (schreibt man das so???) und gar nicht verkorst.....
und ich muss ShadowMiria zustimmen Marik ist kein Psycho, sondern ein Sadist!!!!!! (ich mag ihn^^) *schwärm* *vom Thema abweich* auf jeden Fall weiter so und lass dich weiter von uns Abo-Nehmern ud Kommi-Schreibern ermutigen!!!!!!
*hoffe zu etwas gut sei*
Ich muss teilweise immer noch wegen der Schirmchen-szene und eigentlich dem ganzen Kapitel lachen *nicht böse gemeint sei*
einfach nur GENIAL und ja mach bitte bitte bitte weiter so

MGVLGUHANK NSFeder♥♥
Von: abgemeldet
2007-07-08T12:37:10+00:00 08.07.2007 14:37
YAy *_______*
ICh hab tränen in den Augen =D
Soooo wundervooooll..... ;________;
Einfach zu toll für diese WElt ;-)
Und das mit der limonade ist auch zu witzig ;-) ^^
Von:  -Mito-
2007-06-03T18:46:34+00:00 03.06.2007 20:46
*am hyperventilieren*

Ich... liebe... diese.... Geschichte *______________*


(meine Kommis werden von Kapi zu Kapi schlauer und sinnvoller... gomen ne v.v)
Von: abgemeldet
2007-01-04T20:10:33+00:00 04.01.2007 21:10
Ich find kaiba ist wiedermal ein brüller^^
Passt wieder super und ich finde es toll, wie er reagiert. Klasse variante^^
LG
Von:  bebi
2006-12-06T12:34:55+00:00 06.12.2006 13:34
Joey war wirklich genial. Kaibo so aus der Fassung zu sehen war göttlich. Ich glaub dir echt dass es schwer war das Kapi zu schreiben, weil bei den Charakteren ist bei so einer Situation...einfach schwierig XD In so eine Situation zu kommen ist irgendwie machbar, aber wie geht es weiter. wie kommen die da wieder raus? XD Aber das hast du sehr gelungen gelöst. Ich find cool, das Kaiba irgendwie resigniert und es somit zugibt. So stur wie er ist könnte er ihn einfach rausschmeißen und gut is.XD
Von:  Chicha
2006-01-20T21:14:27+00:00 20.01.2006 22:14
deine geschichte ist super und das kapi ist auch vollgut geworden ... *g* ok es gibt manchmal tage wo ein autor seine "geschichte" schlechter macht, als sie ist... (sollte aber nicht die regel bleiben^^)
hast du wirklich super gemacht^^
hdgdl
*kiss* cheza
Von:  Azra
2005-12-30T15:03:27+00:00 30.12.2005 16:03
Oh Mann *lacht*
Brauchst du mein Kommi eigentlich noch? Na egal, schließlich will ich mich auch in die endlos lange Reihe der Leute stellen, um dir zu sagen, wie genial du bist.
Kommen wir (oder eher ich... ich sollte von mir nicht in den Mehrzahl sprechen, meinst du, das ist therapierbar?) also zu Kappi 11:
I truely love this fanfiction! I do, I do, I do!
Aber ich habe so ein schlechtes Gefühl in der Magengegend, und nein, es liegt nicht an dem vielen Weihnachtsessen ^^. Wird das mit Joey nochmal was?
Er tut mir so leid, ich fühle richtig mit ihm mit! Du machst ihn so toll und knuddelig und... Kaiba ist so ein Arsch (wenn auch ein stylischer ^^)!
Wie kann er sich so beharrlich weigern, Joey zu lieben?
Bei dem Jungen kann man doch gar nicht mehr anders!
Aber Seto ist ja auch nicht von dieser Welt.
Eine Stelle hat sich mir besonders eigeprägt, nämlich als Joey denkt, dass er sich neben der zierlichen, kleinen Frau irgendwie groß und ungelenk vorkommt.
Das war unglaublich treffend!
Manchmal bringst du Alltagssituationen, die man selbst erlebt, so genial auf den Punkt und findest Worte für Gefühle, die man selbst nicht richtig beschreiben konnte.
Ziemlich geil, Liebes!
Und Seto letzten Satz, mit Pest und Cholera... *lacht*, na ja, das ist wohl seine Art, ein Kompliment zu machen, denn irgendwie sagt er Joey damit ja doch, dass sie zusammenpassen, oder?
Oder?!
*sich das jetzt ganz fest einredet*
Das ganze Kappü war "ziemlich geil" *lol*, ich würde sagen, stilistisch eines deiner besten. Irgendwie stimmt jeder Satz (oder fast jeder ^^) und es ist einfach eine geniale, runde Sache.
Ganz großes Kino! *smile*
Na gut, ich mag mich dann mal auf den Weg zum 12ten ^^
Von:  Chudoku
2005-12-28T02:37:57+00:00 28.12.2005 03:37
Also, ich könnte dich jetzt mit Lobeshymnen zutexten wie all die anderen, aber das will ich mir und dir lieber ersparen.
Ich finde deine Story echt toll und du schreibst wundervoll, auch wenn ich anfangs überhaupt nichts damit anfangen konnte, dass alles in der ersten Person geschrieben ist... aber es passt!
Noch was: ich glaube, ich habe noch nie soooo viel Text hintereinander gelesen (weil ich das einfach nicht durchhalte), aber ich hätte mich auf gar keinen Fall davon trennen können, bevor ich nicht alles gelesen habe. *auf Uhrzeit deut* Dieses unuterbrochen-auf-den-Bildschirm-starren ist echt nichts für mich...
Nun gut... ich hoffe, dass du bald weiter schreiben wirst, und uns alle mit einem neuen, spannenden (und hoffentlich kitschigem) Kapitel erfreuen wirst.
Weiter so ^.~ Doku
Von:  Ryuka-chan
2005-12-27T14:57:04+00:00 27.12.2005 15:57
Wann gehts denn weiter??? >.<"
Sag mir bescheid!! ^o^
MfG Ryuka-chan


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