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Fremde Welten (#1)

Das Reich der Schatten ist gar nicht so gruselig.
von

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Blutsbande

Kapitel 11: Blutsbande
 

Yami war fix und fertig, als er zu Setos Villa zurückkehrte. Mokuba sprang regelrecht aus der Limousine, während Yami es langsamer angehen ließ. Ihm schwirrte der Kopf. Thea hatte sich wirklich Mühe mit ihm gegeben, aber er hielt es für Zeitverschwendung. Er tat sein Möglichstes und kam einfach nicht weiter. Alle beruhigten ihn, schließlich war es ja ganz klar, das er Probleme hatte, wenn er nicht wirklich Ahnung von der Englischen Sprache hatte. Dann waren Thea und Mokuba auf die glorreiche Idee gekommen, in einen englischen Kinofilm mit japanischen Untertiteln zu gehen. Yami wusste nicht, womit er mehr Schwierigkeiten hatte: gesprochenes Englisch zu verstehen oder Japanisch in der Geschwindigkeit zu lesen, in der es am unteren Bildrand eingeblendet wurde.

Seto war noch nicht von der Arbeit zurück; das war nicht überraschend. Yami sah im Bad in den Spiegel. [Ach, Yugi. Du ahnst ja gar nicht, wie sehr du mir fehlst.] Plötzlich tat es ihm weh, sein eigenes Spiegelbild anzusehen. Denn es war ja eigentlich Yugis Spiegelbild, und viel mehr als das war von ihm nicht geblieben. Außer einem kleinen Rest seines Wesens, das im Millenniumspuzzle nach dem kurzen Besuch zurückgeblieben war. [Wenn es doch nur umgekehrt wäre, Yugi... Im Reich der Schatten komme ich sicher besser klar als hier... und du kommst hier besser zurecht als dort. Wenn ich wenigstens versuchen könnte, dich zurückzuholen...]

Yami nahm eine kurze Dusche, eigentlich nur, um zu sehen, ob er nicht doch mit dem Einstellgerät umgehen konnte. Seto hatte es auf einer angenehmen Temperatur stehengelassen. Yami nutzte das aus, ehe er zu experimentieren anfing... und sich dabei ordentlich verbrühte. Genervt trocknete er sich schnellstmöglich ab und verzog sich ins Bett, ohne sich die Mühe zu machen, sich anzuziehen. Hatte eh keinen Zweck. Wenigstens konnte er sich auf Setos Rückkehr freuen.
 

Der Junge Firmeninhaber kehrte erst zwei Stunden später zurück und war sehr schlecht gelaunt. Er weckte Yami mit seinem Gefluche. "Inkompetente Idioten! Kaum ist man mal zwei Tage nicht da, geht alles schief, kann man sich denn auf niemanden verlassen? Hach, wenn man was gemacht haben will, muss man's selber machen... Als ob ich meine Zeit nicht sinnvoller verplempern könnte..."

"Seto?" Eine müde Stimme vom Bett her.

Seto hielt überrascht inne. "Yami! Oh, sorry. Ich habe mich so sehr aufgeregt, dass ich nicht bedacht habe, dass du vielleicht schon schläfst... Diese Trottel in meiner Firma..." Er trat nahe an das Bett heran und zog die Decke etwas weg, so dass er sich von Yamis Nacktheit überzeugen konnte. "Viel versprechend. Aber jetzt nicht. Ich würde nur meine schlechte Laune an dir auslassen."

"Dann sind wir schon zwei. Ich werde Yugis Schulnoten total verderben."

"So?" Seto zog sich mit ernstem Gesichtsausdruck aus. "Das kann nicht ungestraft bleiben. Ich werde dir eine Lektion erteilen, die du verstehst. Eine schmerzhafte, fürchte ich. Bereite dich darauf vor, von mir durch die Matratze gevögelt zu werden!"

"Uh, Seto, habe ich mal erwähnt, dass es mich anmacht, wenn du mir drohst?"

"Sag's noch mal."

"Ich fand es schon immer geil, wie du dich duellierst... so... leidenschaftlich! Wild, feurig! Du wirst ein anderer Mensch, wenn du dich duellierst, vom kalten Firmenleiter zum echten Kämpfer... Das ist so... erregend..."

"Offensichtlich." Seto grinste. "Aber freu dich ja nicht zu früh. Ich werde mir jetzt nehmen, was mir gehört."

Yamis fiebriger Blick verschlang ihn förmlich. "Ich habe dir nicht das Geringste entgegenzusetzen."

"Hab ich doch immer schon gesagt. Endlich siehst du es ein." Seto nahm sich, was ihm gehörte.
 

***
 

Yugi, Dark und Blacky traten vor den Eingang der Höhle, in der sich die so genannte Quelle der Reinheit befand, ein heißer See im Berg, gespeist von einer unterirdisch fließenden Quelle und aufgeheizt durch den Vulkan. Jedes Opfer musste vor der Zeremonie hier ein rituelles Bad nehmen, um seinen Körper zu reinigen. Auch die Einwohner badeten hier regelmäßig.

Talimecros hatte sich widerwillig und auf Bitten seiner Frau mit dem Vorschlag für ein Blutopfer einverstanden erklärt, aber seiner Tochter Mystic verboten, sich daran zu beteiligen. Sie hatte eingelenkt, solange wenigstens Blackys Leben dabei gerettet wurde. Yugi, Dark und Blacky trugen nun alle drei lange, weiße Gewänder ohne Ärmel, die durch Kordeln an den Hüften so gehalten wurden, dass sie nicht über den Saum stolperten. Und es gab einen Kranz aus Zweigen, Getreidehalmen und Blumen für die Haare. Blacky, für den das heiße Bad wegen seines Sonnenbrandes und der Verletzung auf seiner Brust eine mittlere Folter gewesen war, nahm den Aufzug gleichmütig hin. Dark sah aus, als wollte er jemanden erwürgen. Yugi hatte Probleme, den Kranz mit seiner Frisur in Einklang zu bringen. Bedauerlicherweise durften sie bis Sonnenaufgang nicht mehr sprechen und konnten sich nicht aufregen.

Sie wurden von dem üblichen Fackelzug begleitet. Talimecros, Arienne und die Großmutter gingen voraus, da Blacky zu ihrer Familie gehörte und sie deshalb die Verantwortlichen für das Opfer waren. Sie trugen etwas Verbandszeug, ein Messer, einen Kelch und eine Wasserschüssel mit Wasser aus der heißen Quelle, um das Messer darin auszuwaschen. Hinter ihnen schritten die drei Opfer. Yugi war ziemlich nervös, da ihn alle anstarrten. Niemand sprach, statt dessen stimmten sie wieder den Singsang an, den er schon beim letzten Mal gehört hatte. Er konzentrierte sich auf Blacky, der neben ihm ging. Dem Magier fiel das Gehen schwer, besonders bergauf. Er schwitzte schon nach kurzer Zeit vor Anstrengung, aber sein Gesicht war entschlossen. Dark war an seiner anderen Seite, bereit, ihn zu stützen.

Yugi konnte es kaum erwarten, die Sache hinter sich zu bringen. Hoffentlich verdarb er nicht alles, obwohl Mystic ihm tausendmal erklärt hatte, wie es ging. Er hatte keinen Nerv dafür, weiter um jemandes Leben zu bangen. Unter Umständen sogar um sein eigenes.

Irgendwann, nach scheinbar endlosem Weg, kamen sie oben an und bauten sich drei Meter vom Krater entfernt auf. Es war heiß und stank. Die Ordensmitglieder sangen und bildeten einen Halbkreis. Talimecros und Arienne stellten sich links und rechts von ihnen auf, um Wasser und Verbände bereitzuhalten. Sie nahmen noch jeweils eine Fackel entgegen. Die Großmutter trat auf den Krater zu und sprach ein paar Anbetungen, dann überreichte sie Yugi den Kelch und das Messer und zog sich zurück. Der Gesang veränderte sich und wurde tiefer, wie ein Lauern.

Yugi erkannte das als das Startsignal. Er ging zu Arienne und zog die Messerklinge kurz durch das Wasser. Zugleich besorgte Dark sich ein Stück Verbandsstoff von Talimecros, während Blacky wartete. Der Kelch und das Messer bestanden offenbar aus Gold, nur das beste für den Gott. Yugi blieb vor Blacky stehen, hielt den Kelch unter dessen ausgestreckte Linke und setzte das Messer am Handballen an. Es kostete ihn Überwindung, den Freund zu verletzen, aber schließlich fügte er ihm den geforderten kleinen Schnitt zu, so dass Blut in den Kelch tropfte. Er wartete, bis Dark es für genug hielt und die Wunde verband. Danach gab er Kelch und Messer an Blacky weiter und holte sich einen Verband für Dark, während Blacky das Messer im Wasser reinigte.

Sodann wurde die Prozedur mit Dark wiederholt. Auf ein kleines, kaum wahrnehmbares Nicken von ihm verband Yugi die Schnittwunde. Damit war sein aktiver Teil beendet, worüber er sehr erleichtert war. Jetzt musste er nur noch schweigen, während er sein Opfer brachte. Er biss sich auf die Lippe, als Dark das Messer über seine Hand hielt. Der Magier sah ihn fragend an. Yugi nickte seine Zustimmung. Tatsächlich war es dann auch gar nicht so schlimm. Dark hatte eine sichere Hand, und Blacky verband die verletzte Stelle fest.

Nun brachte Dark das Messer zur Wasserschüssel und ließ es dieses Mal darin liegen, da es seinen Zweck erfüllt hatte. Er stellte sich neben Yugi. Die drei drehten sich zu den Leuten um und präsentierten den Kelch und ihre verbundenen Hände. Wieder nahm der Gesang eine andere Note an, und die Melodie, wenn man sie so nennen konnte, wurde schneller, dramatischer.

Und dann brachte Dark die versammelte Menge mit einem Schlag zum Schweigen, indem er den Kelch kurz schwenkte und dann einen Schluck daraus trank. Die Stille war eisig. Dark reichte Yugi den Kelch, der nicht verstand, was los war, aber begriff, dass er es nachmachen sollte. Also trank er auch, ohne sich das geringste Zögern zu erlauben. Das Blut rann heiß durch seine Kehle, fast musste er husten. Es gelang ihm, nicht das Gesicht zu verziehen. Er reichte das Gefäß Blacky, der ebenfalls trank und dann den Kelch erneut präsentierte, um sich anschließend dem Abgrund zuzuwenden.

Talimecros hatte darauf bestanden, dass Blacky das Blut in den Krater goss. Yugi und Dark beobachteten etwas besorgt, wie er vortrat und das Artefakt weit vor sich hielt. Hinter ihnen begann zögernd wieder der Gesang. Arienne sah entsetzt aus, Talimecros vor allem wütend und entrüstet. Doch die Tat war anscheinend nicht schlimm genug, um das Ritual zu unterbrechen.

Blacky goss feierlich langsam das Blut in den Krater. Als er sich wieder umdrehte, spürten Yugi und Dark so etwas wie einen starken, plötzlichen Windstoß von hinten, der sie fast umwarf. Auch Blacky wurde davon getroffen, und in seinem geschwächten Zustand machte er einen Ausfallschritt zurück - ins Leere. Yugi und Dark sprangen auf ihn zu, als er nach hinten wegkippte. Yugi erwischte Blackys Hand, doch dabei fiel er selbst in den Abgrund. Jedoch konnte Dark ihn an der Hüfte packen. Schmerzhaft landete Yugi auf dem Bauch, mit dem halben Oberkörper frei über dem heißen Lavasee schwebend, in dem gerade der goldene Kelch und zwei Blumenkränze verglühten.

Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen, ihm wurde kurz schwarz vor Augen, doch er ließ Blacky nicht los. Der Blauhäutige packte mit der freien Hand eins von Yugis Handgelenken. Dark hielt mit einer Hand Yugi an der Schulter fest, mit der anderen griff er nach Blacky. Dieser zog sich mühsam ein wenig hoch und wagte es, mit der Linken Yugi loszulassen und nach Dark zu greifen. Da der Schwarze Magier längere Arme hatte als Yugi, gelang es recht gut. Dark zog Blacky hoch, bis dieser auch mit der Rechten Yugi loslassen und an den Rand fassen konnte; gemeinsam zogen sie ihn ganz aus der Gefahrenzone und blieben keuchend liegen.

Niemand hatte eingegriffen. Vielleicht werteten sie den Sturz als Gotteszeichen, glaubten, dass der Gott doch noch sein Opfer forderte. Aber jemand hatte Blacky absichtlich gestoßen. Yugi sah auf und begegnete dem gnadenlosen Blick der Großmutter, die mit ihrer Fackel vor dem Halbkreis der restlichen Leute stand. Im Feuerschein tanzten unheimliche Schatten über ihr Gesicht. Nur sie, die Hohepriesterin, würde so etwas wagen, erkannte Yugi. Sie wollte ihren Enkel loswerden. Sie hatte die Gelegenheit gehabt und vermutlich auch die Macht.

Dark hatte seinen Kranz verloren, aber das Ding war nicht in den Krater gefallen. Er hob ihn auf und warf ihn den anderen hinterher. Dann half er Blacky hoch, der nun wirklich gestützt werden musste, und zusammen mit Yugi traten die beiden Magier ihren Weg hinab an. Sie hatten kein Wort gesprochen, somit war das Opfer nicht ungültig. Die Großmutter trat vor drei Paar entschlossen blickenden Augen zur Seite.
 

***
 

Neo und Mava hatten ihr Gefängnis eingehend untersucht und festgestellt, dass sie sich die Finger an einer magischen Barriere verbrannten, sobald sie versuchten, durch den Tunnel zurückzuklettern oder das Gitter an der Vorderseite zu berühren. Neo gab Mava seinen Schwarzen Anhänger, aber auch so bekam der jüngere Magier das Gitter nicht kaputt. Außerhalb ihrer Zelle war nur ein wenig Raum und ein Gang, der davon wegführte. Wenigstens war es hier nicht mehr ganz so kalt. Allerdings auch nicht warm.

Also warteten sie.

In der Zelle gab es nichts, was einen Hinweis auf die Tageszeit gegeben hätte. Es konnten Stunden oder Minuten vergangen sein, als sich ihnen jemand näherte. Erst hörten sie nur die Schritte von zwei Personen auf Stein. Dann traten selbige in ihr Blickfeld: Zwei hoch gewachsene Männer in dicken Roben gegen das raue Klima. Einer hatte blassblaue Haut und schwarzes Haar, so dass sie ihn auf den ersten Blick fast für Blacky gehalten hätten. Eine gewisse Ähnlichkeit bestand tatsächlich, aber der Fremde hatte eine Boshaftigkeit im Gesicht, die Blacky nicht einmal vortäuschen konnte. Seine Augen hatten allerdings ebenfalls rote Pupillen. Der andere hatte seine Kapuze auf, aber es war zu sehen, dass er gebräunte Haut hatte und irre grinste. Er hielt sich beobachtend im Hintergrund.

"Willkommen, Neo und Maha Vailo," sprach der Blassblaue. "Ich bin Sorc, euer Gastgeber." Er zeigte in einer dramatischen Geste mit einer schwarz behandschuhten Hand auf Neo. "Neo! Du bist der Auserwählte!"

Der Blonde wich erschrocken zurück. "Wah! Wieso ich? Wozu soll ich auserwählt sein? Das muss ein Irrtum sein!"

"Stimmt, aber ich hatte irgendwie das Bedürfnis, das zu sagen," meinte Sorc, sich nachdenklich das Kinn reibend. "Aber in gewisser Weise bist auch du auserwählt, denn du wirst erleben, wie der wahre Auserwählte die Welt zum Bösen verändert! Und der Auserwählte ist: Mava, dein eigener Bruder!"

Mava zuckte lediglich mit einer Augenbraue, als er das hörte. "Du glaubst nicht wirklich, das ich das tun werde, nicht wahr? Wie sollte das auch gehen?"

"Oh, das *Wie* kannst du getrost mir überlassen. Du brauchst über nichts nachzudenken. Sieh nur, ich habe dir ein paar nette Schmuckstücke mitgebracht!" freute Sorc sich.

Der andere Mann holte ein größeres Schmuckkästchen unter seiner Robe hervor und öffnete es zur Inspektion. Darin waren diverse Halsketten, Ringe, Armbänder und andere Schmuckstücke, die in den Augen eines Magiers deutlich leuchteten. Es waren magische Artefakte.

Sorc legte ein paar davon an und seufzte zufrieden. "Das sollte mich stärker machen, als du es im Moment bist. Aber keine Sorge, ich werde sie schon bald dir übergeben. Sobald ich dir die hier angelegt habe." Er nahm zwei unscheinbare, breite Metallarmbänder aus dem Kästchen, in die ein paar Symbole eingearbeitet waren. Auf ein Zeichen von ihm sank ein Teil des Gitters in den Boden und ließ ihn durch.

Mava wich entsetzt zurück. "Nein! Bleib mir vom Leib!"

"Finger weg von meinem kleinen Bruder!" brüllte Neo wütend. Niemand hatte ihm sein Schwert weggenommen. Er zog es und stürzte sich auf den Feind.

Sorc hielt fast gelangweilt einen Finger in seine Richtung und streckte ihn mit ein wenig Magie nieder. Durch die Ausrüstung, die er trug, hatte Neo keine Chance gegen ihn. Der Blonde blieb reglos am Boden liegen.

"Was für ein hirnloser Heißsporn," kommentierte Sorc. Er ließ das Gitter wieder erscheinen, damit Mava ihm nicht entkommen konnte.

Dieser war zu seinem Bruder gestürzt und hielt ihn entsetzt in den Armen. "Neo...!"

"Keine Sorge, er ist nicht tot. Jetzt komm zu mir, Kleiner, oder wir werden das schnell ändern..."

Mava stand auf und wich zurück. Sorc hatte nicht vor, Neo zu töten. Er machte sich einfach nur einen Spaß daraus, sein Opfer ein bisschen zu ärgern. Mava wehrte sich verzweifelt gegen ihn. Er nutzte Magie, doch sie wurde einfach abgeblockt. Er wich dem anderen aus, immer wieder, doch schließlich wurde er in einer Ecke in die Enge getrieben. Sorc hatte ihn bewusst müde gemacht. Er packte Mavas Handgelenk mit einem stahlharten Griff und streifte den Jackenärmel nach oben, um ihm das erste Armband anlegen zu können.

"Nein, bitte nicht," jammerte Mava. "Ich weigere mich! Eher töte ich mich selbst!"

"Du wirst gleich anders darüber denken," versprach Sorc. Ein Verschluss klappte zu und verschwand, das Armband saß fest, als wäre es mit der Haut verwachsen. Sorc ergötzte sich an Mavas Betteln und Flehen, während er ihm gewaltsam auch das andere anlegte. Die beiden Teile zählten als eines und wirkten nur zusammen richtig. "Ich weiß, dass du stärker wirst, wenn du solche magischen Ausrüstungsgegenstände trägst. Ich werde mir diese Fähigkeit von dir zunutze machen. Leg die restlichen Sachen an. Ich lasse euch beiden gleich ein anderes Zimmer zuteilen und etwas zu essen bringen. Sei ein guter Junge."

Er ging, begleitet von seinem Verbündeten, und das Schatzkästchen blieb innerhalb der Zelle zurück. Mava kroch zu dem Kästchen und streckte die Hand danach aus. [Nein! Ich will nicht!]

[Leg die Sachen an.]

[Nein, das werde ich nicht! Das werde ich nicht!!!]

Er tat es.
 

***
 

Der Regen am Fenster weckte Yami aus einem unruhigen Schlaf. Er war fast sicher, dass Yugi in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte. Es war so etwas wie ein sechster Sinn. Aber er war dennoch nicht besorgt, also konnte es nichts Lebensbedrohliches sein. [Yugi... sei stark, Partner.] Er griff nach dem Millenniumspuzzle, als könnte es ihm Antworten liefern. Das war natürlich nicht der Fall.

Yami blickte sich nach Seto um. Dieser lag auf der anderen Seite des Bettes mit dem Rücken zu ihm. Das tat er nur, wenn Yami sich im Schlaf herumwälzte. Der Pharao lächelte ihm entschuldigend zu, auch wenn sein Geliebter es nicht sah, und schmiegte sich an seinen Rücken. Seto seufzte wohlig und schlief weiter.

Eine halbe Stunde später erwachten beide vom Wind, der den Regen gegen das Fenster warf. Draußen war ein schwerer Sturm aufgezogen. Die Regentropfen waren dick und schwer, doch sie wurden herumgewirbelt wie Federn.

Seto drehte sich zu Yami um und schloss ihn in die Arme. "Seltsam. Sie haben gar keinen Sturm angesagt..."

"Vielleicht ist das ein Zeichen..." murmelte Yami. "Im Reich der Schatten geht etwas vor... wie Shah Dee gesagt hat. Und Yugi ist mittendrin..."

"Können wir denn nicht irgendetwas tun, um zu sehen, wie es Yugi geht?"

"Er ist in Ordnung, da bin ich sicher. Aber ich würde ihm viel lieber bei diesem Problem helfen, als hier darauf zu warten, dass Shah Dee Entwarnung gibt..."

"Scheiß auf Shah Dee. Lass uns zu Yugi gehen!"

Yami lächelte schief. "So einfach ist es leider nicht, Seto. Aber ich habe eine andere Idee. Lass uns kurz zu Großvater fahren, sobald wir aufgestanden sind. Hm, komisch. Meine linke Hand schmerzt ein wenig, als hätte ich mich geschnitten, aber da ist nichts..."

Seto nahm die betreffende Hand in seine und untersuchte sie. "Das ist die verstauchte. Wir müssen sie nachher wieder verbinden."

"Hm..."
 

***
 

Yugi erwachte, weil er glaubte, Regen zu hören. Aber da, wo er sich befand, war es heiß und trocken. Selbst jetzt, in den frühen Morgenstunden, hatte sich die Luft schon wieder ordentlich erwärmt. Dann hatte er den Regen wohl geträumt. Er fragte sich, ob es im Reich der Schatten überhaupt manchmal regnete. Musste es wohl, irgendwo musste ja das Wasser herkommen.

Als Yugi sich umblickte, stellte er fest, dass er immer noch dieses eigenartige Opfergewand trug. Aus irgendeinem Grund lag Darks Kopf auf seinem Bauch, der Magier selbst rechts von ihm. Zu seiner Linken entdeckte er Blacky, der im Schlaf eine Hand auf die Brust seines kleinen Freundes gelegt hatte. Die drei lagen irgendwo mitten im Zimmer zwischen wild verteilten Laken und Decken, als hätten sie es nicht ertragen, in getrennten Betten zu schlafen. Yugi stellte fest, dass er nicht der Einzige war, der überall staubig war und Risse in seinem Kleid hatte. Durch Blackys Verbände an seinem Oberkörper und den ramponierten, dünnen Stoff des Gewandes schimmerte ein wenig Blut durch. Es sah aber trocken aus, nicht so, als würde die Wunde immer noch bluten. Sie hatte sich wahrscheinlich bei der Rettungsaktion in der vergangenen Nacht leicht geöffnet.

Yugi seufzte. [Ich lande wohl immer in Dreiecksbeziehungen...]

[Kannst du haben,] kommentierte Blacky, ohne die Augen zu öffnen. Seine Hand wanderte tiefer, blieb jedoch auf Schritthöhe liegen, ohne etwas zu tun. [Oh, Yugi, von wem hast du denn geträumt?]

[Hgh! Lass das!]

[Komm schon, man muss sich darum kümmern!]

Dark hatte sich ein wenig erhoben, machte es sich nun aber wieder neben Yugi bequem und beobachtete interessiert, was Blacky tat. Im Moment war ein einladendes Streicheln alles. Aber er schickte sich an, weiter zu gehen und Yugi von seinem Problem zu befreien. Der Junge hatte einen ganz roten Kopf.

[Entspann dich, Yugi,] schlug Dark vor. [Das muss dir nicht peinlich sein. Vor allem, weil du ja nicht einmal so unansehnlich bist. Abgesehen davon, dass du als Kind durchgehst, bist du sehr hübsch. Und nicht alles an dir ist klein...]

[In der Tat,] bestätigte Blacky, wobei er fachmännisch über den Teil von Yugis Anatomie strich, der das Wachstum eines Jungen zum Mann normal mitgemacht hatte.

Yugi hatte solche Berührungen in der kurzen Zeit, die er jetzt hier war, viel zu sehr vermisst, als dass er sich lange gewehrt hätte. Er trug keine Unterwäsche unter dem Kleid, und Blacky befriedigte ihn durch den feinen Stoff hindurch, nur mit seinen geschickten Fingern. Zweifellos hatte er ausreichend Übung. Dark grinste, als er diesen Gedanken von ihm aufschnappte. Yugi biss die Zähne zusammen, um nicht das ganze Dorf zusammen zu schreien. Doch er hielt es nicht durch und schrie doch noch unterdrückt auf.

Eine halbe Minute später, als er keuchend zwischen den beiden Magiern lag, klopfte jemand an die viel zu dünne Tür, die eigentlich nur ein Stück Leder in einem Rahmen war. "Hey, alles klar bei eich, Jungs?"

Blacky täuschte ein lautes Gähnen vor. "Ja, sicher, Mystic. Yugi hat uns gerade geweckt. Hattest du einen Alptraum, Yugi?"

"Äh... ja, ich glaube," antwortete Yugi schnell.

Dark lachte sich fast kaputt und hielt sich fest die Hand auf den Mund, um das Geräusch zu ersticken.

"Macht euch schnell fertig, wir sollten so bald wie möglich verschwinden," drängte Mystic. "Vater hat dir noch was zu sagen, Kayos."

"Oh, sie benutzt meinen Namen, dann muss es was Ernstes sein." Blacky reinigte die Szenerie von allen Spuren seiner und Yugis Tat mit einem kleinen Zauber, den er schon oft geübt hatte.

"Was ist denn mit euch?" fragte Yugi frech. "Müsst ihr euch nicht auch... erleichtern?"

"Wir würden wie die Tiere übereinander herfallen, deswegen muss im Moment die eiskalte Selbstbeherrschung eines Magiers genügen!" verkündete Dark theatralisch.

Yugi kicherte, wandte sich dann Blacky zu. "Wir sollten dich neu verbinden."

"Ich würde mir lieber was anderes anziehen," entgegnete Blacky.

"Das eine schließt das andere ja nicht aus," befand Dark schließlich. Er verließ kurz den Raum, um mit einer Waschschüssel, mehreren Tüchern und Verbänden zurückzukommen. Mystic folgte ihm auf dem Fuße mit der Kleidung, die sie bei ihrer Ankunft getragen hatten. Arienne hatte die Sachen für sie gewaschen. Die Frau erschien kurz darauf ebenfalls. Sie sah sehr deprimiert aus.

"Mutter, ist alles in Ordnung?" erkundigte Blacky sich, während er im Sitzen die Arme hob, damit Dark den alten Verband entfernen konnte.

"Ich wollte nur nach dir sehen, mein Junge. Und dir sagen, dass ich dich immer wie einen Sohn lieben werde, was auch passiert. Und dich auch, Dark."

Der Schwarze Magier hielt überrascht in seiner Tätigkeit inne. Arienne schien ihn tatsächlich als ihren Sohn zu betrachten, weil er mit Blacky zusammen war.

Blacky runzelte die Stirn. "Ich weiß doch... warum sagst du das so ernst? Stimmt etwas nicht?"

Doch sie schwieg, bis Dark den neuen Verband angelegt hatte. Dann sank sie neben ihrem Sohn in die Knie und umarmte ihn weinend. Und genauso plötzlich, wie das geschehen war, sprang sie auf und eilte hinaus.

"Mutter! Ich folge ihr besser," entschied Mystic, und weg war sie.

Blacky starrte verwirrt die Tür an. "Was war denn das jetzt? Sie tut gerade so, als würde ich hingerichtet werden oder so."

"Das kann aber nicht der Grund sein, oder?" hakte Yugi erschrocken nach.

"Das *wird* nicht der Grund sein, so wahr ich der Schwarze Magier bin," grummelte Dark.

Sie wuschen sich notdürftig, zogen sich um und erneuerten auch die Verbände an ihren Händen. Dabei fiel Yugi wieder ein, wonach er hatte fragen wollen.

"Sag mal... warum waren alle so entsetzt, als du das Blut getrunken hast, Dark?"

"Das ist ein altes Verbrüderungsritual," erklärte der Magier. "Ich glaube, bei euch schneidet man sich in die Hand und hält die Stellen aufeinander, damit sich das Blut vermischt. Das ist hier auch nicht unüblich. Aber es gibt Wesen, mit denen man nicht auf diese Art Brüderschaft schließen sollte. Man könnte sich dabei vergiften. Deshalb wird vielerorts das Trinken des Blutes bevorzugt. Allerdings kann man manchmal das Blut auch nicht trinken, also mach das nicht mit jedem."

"Den Opferkelch für so ein Ritual zu benutzen, ist durchaus denkbar, aber nicht üblich," fuhr Blacky fort. "Dadurch, sagt man, wird die Bindung noch stärker. Und wir haben mit dieser Tat verdeutlicht, dass sie es mit uns allen zu tun bekommen, wenn sie einen angreifen."

Yugi blickte nachdenklich auf seine verbundene Hand, dann fragend in die Runde.

"Wenn du möchtest, können wir es noch einmal auf deine Art machen," schlug Dark vor. "Aber du bist bereits unser Bruder."

"Ein sehr kleiner Bruder," neckte Blacky.

Yugi war gerührt. "Dann ist es gut. Lassen wir diese Wunden in Ruhe heilen."

Dark legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihm fest in die Augen. "Manche Bande müssen nicht mit Blut besiegelt werden."
 

Sie traten gemeinsam vor die Hütte, wo sich zu ihrem Erstaunen eine große Menschenmenge versammelt hatte. Auch Arienne war dabei. Sie weinte in Mystics Armen, aber die jüngere Frau schien nicht zu wissen, wieso.

Talimecros trat vor, die Großmutter neben sich. "Kayos, Sohn Ariennes. Im Namen unseres Gottes wurde entschieden, dass du heute sterben wirst."

Yugi wollte vorspringen und protestieren, doch Blacky hielt ihn zurück. [Nicht. Meinem Leben droht keine Gefahr.] Doch seine Gedankenstimme zitterte.

"Kayos, Sohn der Arienne, existiert nicht mehr. Damit ist die Familie nicht mehr für seine Taten verantwortlich. Er hat keine Pflichten und Rechte unserem Orden gegenüber mehr. Möge sich seine neue Familie von nun an mit ihm abgeben," verkündete Talimecros und drehte sich demonstrativ weg. Andere folgten dem Beispiel, und schließlich waren auch Mystic, die nun sehr blass war, und Arienne gezwungen, sich abzuwenden.

"Wie begründest du das?" fragte Blacky leise. Doch er erhielt von niemandem eine Antwort. Also verließ er das Dorf bergab, ohne sich noch einmal umzusehen. Yugi und Dark hielten ein wenig Abstand von ihm. Sie konnten nur vermuten, was in ihm vorging.
 

Am Fuß des Berges holten sie ihn ein. Er drehte sich zu ihnen um und holte einmal tief Luft. "Ich glaube, zu Hause brauche ich erst einmal einen kleinen Übungskampf, um mich abzureagieren."

Dark hob eine Augenbraue. "Ich denke, ich werde mir deinen Anhänger noch mal borgen, Yugi."

"Darf ich euch zusehen?"

"Wenn du unbedingt willst."

"Yugi, warum versuchst du nicht mal, einen Drachen zu rufen?" schlug Blacky vor.

Der Junge war überrascht. "Ich? Ja, aber... wie denn?"

"Ach, denk einfach intensiv daran, dass du dir jemanden wünschst, der dich auf seinem Rücken durch die Luft tragen kann. Irgendein Wesen wird dir schon antworten."

"Naja, ein Versuch kann nicht schaden." [Ich wünsche mir einen Drachen, der mit mir fliegt... hm, vielleicht auch etwas anderes... ein Wesen, das mich tragen kann, am besten durch die Luft... verdammt, ich muss mich mehr konzentrieren...] Yugi entschied schließlich, dass es schon ein Drache sein sollte, und konzentrierte sich darauf. Wie lange dauerte es wohl, bis man eine Antwort bekam? Oder bis man wusste, dass keine kommen würde? Er hatte es sicher schon eine Weile probiert, vielleicht ging es nicht beim ersten Mal...

[NOCH NICHT... ES IST NOCH ZU FRÜH FÜR MICH...]

Yugi schreckte aus seiner Konzentration hoch. "Etwas hat zu mir gesprochen... das war eine ganz merkwürdige Stimme... Es sagte, es sei noch zu früh..."

Blacky und Dark tauschten einen Blick aus. "Nun ja... ist dann wohl dein Effekttext," grinste Dark.

"Sehr witzig," schmollte Yugi. "Ich kann komische Stimmen hören, großartig."

"Du wirst was Großes tun," prophezeite Blacky. "Schließlich bist du der Hüter des Millenniumspuzzles und der Junge Pharao." Er zwinkerte ihm zu und sah dann zum Himmel, wo kurz darauf Schattensturm erschien.

"Wir sollten uns beeilen, auf den Übungsplatz zu kommen, Kay ist echt wütend," stellte Dark fest. "Siehst du, wie er grinst? Das bedeutet nichts Gutes beim Magier des Schwarzen Chaos."

"Okay..."

Sie kletterten alle auf Schattensturms Rücken und hielten sich gut fest... oder besser, Yugi klammerte sich an Dark, weil er nie verstanden hatte, wo man sich da genau festhalten musste. Der Drache passte sich Blackys Stimmung an und flog, dass den Reitern fast schlecht wurde. Zumindest zweien von ihnen.
 

***

Fortsetzung folgt.
 

Notiz:

Dieses Abwenden von jemandem, der aus der Gemeinschaft ausgestoßen wird, habe ich mal bei Star Treck gesehen, fand ich hier auch recht passend.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  jyorie
2013-05-31T21:27:01+00:00 31.05.2013 23:27
Hallo ^_^

die Szene mit Yami und Seto war richtig toll *ggg* tja, was es nicht alles gibt, was so einen Pharao anmachen kann :DD

Das Ritual hast du auch gut beschrieben und schön transportiert, wie sich Yugi dabei fühlt, nur das mit dem Trinken habe ich nicht verstanden, bzw. was die drei gemacht haben, das die anderen hätten einschreiten können, aber das wurde ja zum ende hin erklärt. Ob Yugi zuhause erzählt, was Blacky gemacht hat um ihn zu erleichtertn? Ob Seto und Yami das gefallen wird? … aber Yugi hat ja nix aktiv gemacht er wurde überrumpelt…

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
05.07.2013 18:08
Naja, das ist so... der Autor erklärt nicht immer alles sofort, das macht es spannender.^^
Nein, Yugi erzählt das später nicht... oder zumindest kommt das nicht in der Geschichte vor. XD
Von:  SoraNoRyu
2005-03-17T14:54:34+00:00 17.03.2005 15:54
Uff... Das verdammte Ritual ist endlich überstanden...
Wirklich fies von denen, Blacky einfach auszustoßen.

Dafür stecken jetztMava und Neo in ziemlichen Schwierigkeiten...
Man geht eben nicht einfach in Höhlen, die einem unheimlich sind!!!
Und diese Typen... Wie hieß der eine noch gleich? Scale oder so? ...Nunja, der andere, also der, der Blacky so ähnlich sieht, könnte irgendwie dessen Vater sein, oder?

Und Yami scheint jetzt endgültig davon überzeugt, dass er die Englichklausur verbockt... So gehts mir in Französisch auch immer...
Aber was Yugi betrifft sollte er sich weniger Sorgen machen. Der kommt im Schattenreich an sich ja ganz gut zurecht. Nur hat er leider immernoch ein gewisses Talent dafür, sich Schwierigkeiten einzuhandeln...

Das Kapitel hat diesmal ja reichlich lange auf sich warten lassen, woran lag das?

Hoffe das nächste kommt wieder pünktlich.
Bye,Sora
Von:  TeaGardnerChan
2005-03-17T06:46:58+00:00 17.03.2005 07:46
Wow, so ein langes Kapitel.

Echt toll. Bin total sprachlos. Mach weiter so. Hoffe da kommt noch ne ganze Menge von dir.

Liebe Grüße
Tea


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