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Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3)

Prinz Soach und das Prinzip des Chaos
von

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Aus dem Weg!

Der junge Herr erwies sich als ziemlich vertrauensselig. Rote Augen mit geschlitzten Unterweltlerpupillen deuteten darauf hin, dass er wirklich Araes Sohn war. Ansonsten musste er nach der Mutter kommen, er wirkte auf den ersten Blick menschlich, vielleicht etwas blass mit rotbraunem Haar. Ungefähr so konnte auch Lilys Kind einmal aussehen. Soach wurde es schwer ums Herz, denn er würde sein Kind von der Fee niemals in den Armen halten können...

„Weinst du?“ fragte ihn der Junge und hörte auf, auf dem Bett zu hüpfen. Älter als drei Jahre war er vermutlich nicht.

Soach saß auf der Bettkante, ließ ein Bein heraushängen, während das andere auf den Laken angewinkelt war. Er setzte ein Lächeln auf. „Nicht richtig... ich musste an meine Familie zu Hause denken...“

„Warum bist du nicht bei denen?“

„Ich habe Kihnaf hergebracht. Wie heißt du denn?“

„Edin. Aber nur meine Eltern nennen mich so, alle anderen sagen Junger Herr zu mir. Und du?“

„Mein Name ist Soach. Manche Leute nennen mich Eure Majestät Prinz Soach.“

Die strahlenden Kinderaugen wurden ganz groß. „Dann bist du ein echter Prinz? Ich dachte immer, die haben schöne Kleider an und Kronen auf. Und Schwerter.“

„Ja... normalerweise schon. Aber ich bin krank und muss im Bett bleiben.“

„Ach, das ist ja blöd,“ murmelte der Kleine. „Musst du eklige Medizin nehmen?“

„Das wäre besser, aber die Flasche mit der Medizin ist kaputt gegangen. Deshalb werde ich nicht gesund. Trotzdem muss ich unbedingt noch etwas erledigen.“

„Aber doch nicht, wenn du krank bist!“ protestierte Edin. „Dafür gibt es doch Diener!“

„Du bist deinem Kindermädchen weggelaufen, oder?“ grinste Soach verschwörerisch. „Machst du das oft?“

„Wir haben Verstecken gespielt, und Benja hat mich nicht gefunden!“ sprang das Kind vergnügt darauf an. „Dafür kann ich nichts, oder?“

„Du kennst sicher die besten Verstecke in diesem Haus,“ sagte Soach anerkennend. „Gibt es auch Geheimgänge?“

„Nee, leider nicht, aber ich kann mich ganz leise umher schleichen und schnell rennen! Einmal hat Benja mich erst ganz spät am Abend gefunden!“

„Ui, wie gerissen von dir! Sag mal, kannst du dich auch draußen verstecken oder nur im Haus? Bestimmt wollen deine Eltern nicht, dass du raus gehst.“

„Das wollen sie nicht, wegen den Monstern, aber die tun mir nichts.“

Soach staunte ernsthaft, obwohl er in dem Alter auch schon einen Drachen zum Freund gehabt hatte. „Wirklich? Wie denn das? Fressen die denn keine kleinen Kinder?“

„Nein, nur Leute, die sie nicht kennen. Aber mich kennen sie. Trotzdem soll ich nicht raus.“

„Hm... zeigst du sie mir? Ich habe noch nie ein Monster gesehen. Dabei muss ein Prinz doch tolle Geschichten erzählen können von Wesen, denen er schon gegenüber gestanden hat.“

Edin begann erneut zu hopsen vor Aufregung. „Na klar, ich kann dir sogar von allen den Namen sagen!“

„Das ist ja erstaunlich! Aber sag mal, fressen die mich denn nicht? Muss ich etwas Bestimmtes machen, damit sie mir vertrauen?“ hakte Soach lauernd nach.

„Ach, das ist ganz leicht,“ versicherte der Kleine. „Tu einfach so, als hättest du gar keine Angst!“

„Wirklich?“ Soach nahm das erfreut zur Kenntnis. „Dann lass uns mal hingehen...“

Aber in diesem Moment flog die Tür auf und Lord Arae stand in der Öffnung. Er hatte sich anscheinend noch nicht umgezogen, denn sein Hosenbein war aufgeschlitzt und darunter trug er einen Verband. Seine linke Gesichtshälfte zierten einige unterschiedlich große, aber eher harmlose Schnittwunden, sogar das Horn wies leichte Beschädigungen auf.

Soachs Stimmung hellte sich auf, als er das sah. Er stand vom Bett auf und nahm Edin auf den Arm. „Ich habe mir überlegt, dass ich gehen möchte,“ teilte er dem Hausherrn mit. „Ohne Drohungen und Verfolger.“

Araes Augenbrauen zuckten. „Du wagst es, meinen Sohn als Geisel zu nehmen? Edin, was hast du hier überhaupt zu suchen?“

„Ich hab mich versteckt,“ gab der Kleine ihm wahrheitsgemäß Auskunft. „Soach wollte gerade mit mir spielen gehen.“

Fawarius trat an dem Unterweltler vorbei. „Edin, das geht jetzt nicht, Benja hat das Essen für dich fertig und deine Mutter wartet schon. Komm...“

„Kann Soach denn mitkommen?“

„Nein, er darf dieses Zimmer nicht verlassen.“ Der Magier kam näher, streckte eine Hand nach dem Kind aus.

Soach festigte seinen Griff. „Ihr werdet mich gehen lassen.“

Fawarius lächelte, doch es wirkte gezwungen. „Prinz Soach. Ihr würdet nie einem Kind etwas antun, ganz egal unter welchen Umständen. Komm, Edin. Wir können Soach später wieder besuchen, jetzt gibt es Essen.“ Er nahm den Jungen einfach selbst auf den Arm und trug ihn hinaus.

Soach hielt ihn nicht auf. Es stimmte... er hätte nie ein Kind verletzen können. Eine Schwäche, die ihn seines letzten Trumpfes beraubte. Doch er gab sich nicht geschlagen, solange er noch klar denken konnte.

„So, jetzt bist du wehrlos, und ich werde dafür sorgen, dass so etwas wie vorhin nicht mehr passiert!“ Arae formte einen Energieblitz in seiner Hand.

Soach warf ihm eins der Kissen vom Bett entgegen und das Geschoss verpuffte daran. Federn flogen herum. Er rannte zum Fenster und schnappte sich den Tisch. Dieser hatte nur einen Standfuß, was Soach sehr gelegen kam. Er packte die Tischplatte und wirbelte das Möbelstück herum, um dem Lord mit dem schweren Sockel den Schädel einzuschlagen. Nur kam es dazu nicht, denn auf einmal war Rahzihf zwischen ihm und dem Feind. Soach hatte den Krieger vorher gar nicht bemerkt. Nun gut... dann ließ sich diese Konfrontation wohl nicht vermeiden.

Rahzihf konnte den Tisch abwehren und sogar festhalten, deshalb warf Soach anschließend einen Sessel, was er etwas schwieriger fand, aber die Aussichtslosigkeit der Situation weckte alle verfügbaren Kraftreserven in ihm. Zum Glück handelte es sich nicht um schwere Qualität, deshalb wanderte der zweite direkt hinterher. Er versuchte, zur Tür zu kommen, aber Rahzif bewegte sich unglaublich schnell. Anscheinend hatte er alles abgewehrt oder war ausgewichen. Und plötzlich fand sich Soach zwischen ihm und Arae wieder. In Ermangelung von Alternativen holte er mit der Faust aus, um dem Unterweltler mit schlagkräftigen Argumenten seine Meinung zu sagen.

Doch er wurde kurz vor dem Ziel von einem stahlharten Griff an seinem Oberarm gestoppt. Soach dachte nicht lange nach, sondern versuchte statt dessen zu treten. Er konnte Arae tatsächlich fast empfindlich treffen, doch der Unterweltler verlagerte ein wenig seinen Stand, so dass der dem Tritt knapp entging.

Rahzihf packte auch Soachs anderen Arm, bog ihm mit einer professionell anmutenden Bewegung beide Hände auf den Rücken und hielt sie dort mit seiner künstlichen rechten Hand, die besser funktionierte als jede Fessel. Mit der linken hielt er einen Dolch an Soachs Kehle, und erst dann hörte die Gegenwehr auf.

„Halt ihn gut fest, Rahzihf.“ Der Lord blickte ihn mit hasserfüllten Augen an. „Prinz Soach, mein Bruder... im Prinzip wäre ich enttäuscht gewesen, wenn ich mit dir leichtes Spiel gehabt hätte, schließlich hast du es vor das Gericht des Zirkels gebracht. Jedoch nahm ich an, dass die Ausbrennung deiner Magie dich etwas entmutigt hätte.“

Soach lag eine freche Erwiderung auf der Zunge, doch auf einmal war ihm, als hätte jemand die Tür eines finsteren Verlieses für ihn geöffnet, denn sein Geist fand den seines Schlossherrn wieder. Es gab keine Zeit zu vergeuden – er sandte Crimson so viele Informationen wie möglich in Form von Erinnerungsfetzen. Dies war eine leichte Übung, denn er tat es mit Cathy auch ständig. Insofern hatte hoffentlich der Empfänger kein Problem damit.

„Hat es dir die Sprache verschlagen?“

Durch seine kurze Ablenkung hatte Soach verpasst, dass der Lord nun genau vor ihm stand und ihn verspottete. Der Unterweltler packte das Nachthemd und riss auf Brusthöhe ein Loch hinein, so dass er seine Pranke direkt auf die Haut legen konnte. Soach zuckte vor der Berührung zurück, doch hinter ihm stand Rahzihf wie ein Fels. Der Krieger nahm das Messer von seinem Hals, dafür legte er den ganzen Arm auf Schulterhöhe um ihn, so dass er ihn noch fester hielt.

[Wir kommen rein, Soach. Halt den Schaden so gut es geht in Grenzen.]

[Beeil dich, Crimson... bitte beeil dich.]

„Herr... denkt daran, was Fawarius Euch sagte. Folter könnte ihn schneller umbringen, als Euch lieb ist,“ warnte Rahzihf seine Herrn.

„Nur einmal werde ich das Risiko eingehen.“ Araes Hand entließ Energie in Form von Schmerzimpulsen, die sich von der Stelle aus in seinem Oberkörper ausbreiteten.

Soach tat ihm den Gefallen und schrie, denn so gab der Lord sich vielleicht eher zufrieden. Die Schmerzen blieben eher unbedeutend im Vergleich zur Ausbrennung, allerdings fand Soach sie schlimm genug. Undeutlich vernahm er Rahzifs Stimme, möglicherweise setzte der Krieger sich für ihn ein. Diese Situation bewies einmal mehr, wie lang eine Minute sein konnte...

Endlich ließ Arae den Arm sinken, und Soach wurde von seinen Qualen erlöst. Er fand es schwierig, sich auf den Beinen zu halten, aber Rahzihf ließ ihn nicht los.

„Sorge dafür, dass der Prinz keinen weiteren Angriff auf mich starten kann,“ befahl Arae. „Brich ihm meinetwegen die Füße, um das zu gewährleisten.“

„Herr? Ist das... eine Anordnung?“

„Ein kreativer Vorschlag. Wenn du Gewissensbisse hast, lass es sein, aber du bist dafür verantwortlich, dass er deine Freundlichkeit nicht ausnutzt.“

„Wie Ihr wünscht.“

Arae wandte sich zum Gehen, und erst, als die Tür hinter ihm zugefallen war, lockerte Rahzihf seinen Griff. Soach sackte zu Boden und blieb dort hocken, um kurz zu verschnaufen. Sein Körper fühlte sich kraftlos an – er hätte nicht aufstehen können, wenn er gewollt hätte.

„Ich räume hier ein bisschen auf und helfe Euch dann ins Bett, Prinz Soach,“ sagte der Krieger. „Man könnte glatt annehmen, dass Ihr den Lord dazu provozieren wollt, Euch zu töten.“

Wie zur Antwort erbebte die Luft wie bei einem Gewitter. Mehrstimmiges Drachengebrüll erklang, dann wiederholte sich das Phänomen. Auf dem Flur wurden schnelle Schritte laut, im Haus schrie jemand Alarm.

Rahzihf stellte dennoch in Ruhe die Möbel zurück an ihren Platz und benutzte das Kissen von dem einen Sessel, um die Federn etwas zusammenzufegen. Er wirkte auf Soach wie jemand, der eine unangenehme Aufgabe hinausschiebt. „Ich muss mich, wie es scheint, um die Verteidigung kümmern...“ Er wandte sich dem Gefangenen zu. Sein Gesicht verhärtete sich. „Dazu müsste ich Euch aber hier allein lassen. Also... bringen wir es hinter uns.“
 

***
 

Für einen Moment fühlte Crimson sich überwältigt von den Informationen, die Soach im telepathisch sendete. Seine wiedergefundene Verbundenheit mit dem Freund zwang ihn fast in die Knie, denn schonungslos prasselten dessen Erinnerungen, Gefühle und Gedanken auf ihn ein. Lediglich Blackys Eingreifen hielt ihn aufrecht. Soach flehte ihn praktisch an, sich zu beeilen.

Crimson richtete sich zu voller Größe auf. Zeitgleich bekam er mit, dass Lord Arae den ehemaligen Chaoshexer folterte. Doch er konnte sich weit genug distanzieren, um sich auf die Wut zu konzentrieren, die er jetzt brauchte.

„Aus dem Weg.“ Er hob eine Ferse und stampfte damit auf den Boden. Unter den Soldaten erschien ein Erdspalt, der gerade groß genug war, dass die drei Männer mit einem erschrockenen Aufschrei hinein stolperten. Wie auf dem Rücken liegende Käfer versuchten sie, sich zu befreien.

„Ich gebe den anderen Bescheid.“ Blacky ließ seinen Zauberstab erscheinen und von der Kristallkugel ausgehend eine rote Lichtkugel in die Luft sausen, die hinter ihm aus dem Schildbereich hinaus flog. Er blieb Crimson auf den Fersen, als dieser mit energischen Schritten das Haus ansteuerte.

Von dort trauten sich weitere bewaffnete Soldaten in ihre Richtung, aber einer rief: „Unsere Lanzen sind nutzlos gegen sie – schlagt Alarm! Lasst die Monster raus!“ Man musste ihnen anrechnen, dass sie dennoch die Stellung hielten. Einer blies in ein Signalhorn.

Als wäre das ihr Zeichen gewesen, stiegen Gandora und der Chaos-Imperatordrache über ihnen auf und feuerten auf den Schutzschild ein. Die Magie hielt vorerst noch stand, aber die Luft darunter bebte.

Crimson ließ einen Raigeki-Zauber auf die Soldaten niedergehen. Zwei wurden direkt niedergestreckt, die restlichen vier konnten mehr oder weniger ausweichen. Crimson eilte an ihnen vorbei, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. „Halten wir uns nicht hier auf,“ sagte er. „Dein Vater braucht uns, Blacky. Jemand will ihm den Fuß brechen.“

„Kann er ein Fenster einschlagen?“ fragte der Chaosmagier.

Am Eingang standen weitere Wachposten. Crimson kreuzte seine Arme vor der Brust und beschwor den Tausend-Messer-Zauber. Sein Kontakt zu Soach bestand weiterhin, so dass dieser die Frage mitbekommen hatte.

Die Krieger sprangen zur Seite, als die Klingen des Zaubers in die Eingangstür einschlugen. Es waren trotz des Namens keine tausend Stück, aber sicherlich hundert.

„Er wird es versuchen,“ antwortete Crimson schließlich, als Soach sich im Zimmer nach etwas umsah, das er benutzen konnte. „Es müsste ein Zimmer auf der Rückseite sein, wenn ich seine Erinnerungen richtig deute.“

„Ich kümmere mich darum.“ Blacky nahm die Gestalt eines Raben an. Sein Zauberstab wurde zu einem Fußring des Vogels. Wenige Flügelschläge brachten ihn über das Haus.

Crimson trat durch die Tür und hetzte einen Gang entlang, der ihm bekannt vorkam, obwohl er zum ersten Mal hier war. Er verließ sich auf den Chaosmagier und blieb in Gedanken bei dessen Vater.

Soach zog den Nachttopf unter dem Bett hervor – den einzigen Gegenstand, den er momentan erreichen konnte und der sich für den Zweck eignete. „Ist es vielleicht möglich, dass Ihr Euch kurz umdreht?“

Rahzihf verschränkte die Arme und blieb zumindest stehen. „Ihr glaubt nicht im Ernst, dass ich Euch den Rücken zuwenden würde, oder? Es sei denn, Ihr könntet mir Euer Wort geben, dass Ihr mit dem Ding keinen Unsinn vorhabt.“

„Ich hatte jedenfalls nicht vor, Euch damit eins überzubraten, aber es ist eine gute Idee.“ Soach quälte sich auf Hände und Füße, dann richtete er sich auf, unsicher wie ein kleines Kind bei seinen ersten Gehversuchen. [Mir tut alles weh... aber ich glaube, das ist noch nicht wieder das Gift...]

[Nein. Ich denke, dafür ist Araes Strafmaßnahme verantwortlich,] bestätigte Crimson. [Blacky ist unterwegs, Soach. Gib nicht auf. Du musst die Scheibe einschlagen, damit er weiß, wo du bist!]

[Aufgeben kommt in meinem Wortschatz nicht vor. Aber von hier aus kann ich das Teil nicht werfen.] Soach wankte auf das Fenster zu. „Wenn Ihr mich schon beobachten müsst, Rahzihf... dann gehe ich da drüben hin. Ihr könnt ja die Tür bewachen.“

Der Krieger hob eine Augenbraue und verlagerte das Gewicht gelassen auf ein Bein. „Fein, wenn Ihr darauf besteht...“

„Was soll ich denn machen,“ murmelte Soach. „Ihr wollt mir die Füße brechen. Oder einen. Jedenfalls werde ich dann nicht einmal mehr ohne Hilfe meine Notdurft erledigen können, und daher werde ich sterben, während ich die Hose voll habe... naja, Ihr wisst, was ich meine. Wenn ich eine anhätte.“

Diese Argumentation kam wohl bei Rahzihf an, zumindest hielt er den Gefangenen nicht auf. Als Soach nahe genug am Fenster war, nahm er den Deckel ab und schleuderte den Nachttopf so gut er konnte in die Scheibe. Das Buntglas brach vor allem an den Nahtstellen, machte dabei ordentlich Krach. Das Metallgefäß prallte klappernd von den Gitterstäben ab, die hinter dem Glas an der Hauswand befestigt waren, und fiel zurück ins Zimmer. Soach stützte sich auf einen Sessel, um auf den Füßen zu bleiben.

„Ich hätte Euch sagen können, dass alle Fenster vergittert sind, aber ich dachte, Ihr wüsstet es,“ kommentierte Rahzihf. Er näherte sich mit entschlossener Mine. „Aber jetzt ist Schluss. Kommt mit zum Bett. Das ist die letzte Gnade, die ich Euch gewähre.“

Soach fuhr herum und warf den Topfdeckel nach ihm, verfehlte jedoch um etliche Zentimeter. Dafür brachte der Schwung ihn fast zu Fall. Rahzihf packte ihn am rechten Oberarm und hielt ihn so aufrecht, doch die Geste wirkte nicht freundlich.

Crimson beschleunigte seine Schritte. Er eilte den Weg entlang, den auch Soach gegangen war, durchquerte eine Eingangshalle und mehrere Gänge. Krieger, die ihm begegneten, hetzten in die entgegengesetzte Richtung und ignorierten ihn. Vielleicht lag das auch daran, dass seine geballten Fäuste schwarzviolett leuchteten, bereit, jederzeit eine Attacke dunkler Magie loszulassen.

Er kam demnach ungehindert voran, bis sich ihm ein Magier mit einem teilweise vernarbten Gesicht entgegen stellte.

„Ich bin Fawarius, Alchemist Lord Araes,“ stellte sich der Fremde vor. „Ich nehme an, Ihr seid Crimson vom---“

„Lasst mich vorbei!“ Crimson wuchtete beide Hände nach vorn und entließ seine finsteren Energiebälle. Die Störung konnte er jetzt nicht gebrauchen, wähnte er sich doch kurz vor dem Ziel.

Leider wich Fawarius nicht aus, sondern blockierte weiterhin den Weg und schüttelte lediglich seine Ärmel, worauf ein feines, violettes Pulver heraus kam und sich in der Luft verteilte. Die Schwarze Magie Attacke verpuffte daran.

Verblüfft hob Crimson die Augenbrauen. Doch so gern er auch fragen wollte, wie das funktionierte, er musste seine Neugier auf später verschieben. „Ich habe keine Zeit für Euch!“ Damit beschwor er ein Raigeki, direkt danach noch ein paar Standardanfgriffe.

Der Alchemist wehrte alle auf die gleiche Weise ab wie beim ersten Mal. „Wenn Ihr es so eilig habt, warum verplempert Ihr dann Eure Zeit mit mir?“ neckte er ihn.

„Guter Hinweis,“ grummelte Crimson und versuchte es etwas direkter, indem er mit der Faust auf das Kinn zielte. Er sah gerade noch, dass Fawarius etwas auf den Boden warf, und brach seinen Angriff schnell ab. Bei dieser Gelegenheit fiel ihm auf, dass sich ausgerechnet in diesem Bereich kein Teppich auf dem Marmor befand, obwohl sonst alle Gänge damit ausgelegt waren. Ein kleines Fläschchen zerschellte am Boden und entließ grünlichen Dampf, der aber niemanden erwischte.

Fein, das konnte er auch. Er griff in seine Robe und holte aus einer Innentasche einen Lähmungstrank hervor, den er Fawarius vor die Füße pfefferte. Das zumindest plante er, aber der Alchemist von Lord Arae ging in die Hocke, fing die verkorkte Phiole auf und warf sie direkt zurück – zusammen mit einigen seiner eigenen.

Crimson, der schon instinktiv eine Handbewegung angefangen hatte, um seinen eigenen Trank mit Magie abzufangen, starrte entgeistert hinter den winzigen Gefäßen her, die zum größten Teil einige Meter weit hüpften und kullerten. Durch seine Unachtsamkeit wäre der Lähmungstrank fast auf den Boden gefallen, aber er fing ihn noch rechtzeitig auf und ließ ihn in seine Hand schweben. „Mir scheint, diese Phiolen sind aus Keramik und für den Zweck etwas zu stabil,“ stellte er schadenfroh fest.

Fawarius zuckte mit den Schultern. „Das ist wohl Pech. Mal sehen, womit ich Euch statt dessen beglücken kann.“ Er verstreute weitläufig den Inhalt eines faustgroßen Lederbeutels. Dabei handelte es sich um feine, weiße bis hellgelbe Krümel.

Crimson wich vor dem Zeug zurück, aber es schien keinen Effekt zu haben. „Salz? Ihr habt wohl daneben gegriffen. Gebt endlich den Weg frei!“

„Hm... das ist ja jetzt höchst ärgerlich...“ Fawarius schüttelte auch den letzten Rest aus dem Beutel, als hoffte er, darin noch etwas Besseres zu finden.

Ungeduldig griff Crimson ihn erneut an, warf den Lähmungstrank und zugleich eine Schwarze Magie Attacke. Salz knirschte unter seinen Schuhen, als er auf den Gegner losging.

Fawarius wehrte den Zauber wieder mit einer Bewegung seiner Ärmel ab, die einen violetten Schleier aus Pulver vor ihm ausbreitete. Doch den Lähmungstrank stoppte das nicht. Das Gefäß fiel ihm klirrend vor die Füße und entließ den grünen Dampf. Der Alchemist führte eine Hand zum Mund und trank etwas, so dass er unbehelligt blieb. Er rührte sich nicht vom Fleck.

„Also bitte, lieber Kollege, ich hatte doch Zeit, mich auf den Lähmungstrank vorzubereiten. Ihr hingegen geht etwas planlos an die Sache heran, wenn ich das sagen darf.“ Fawarius lächelte freundlich und steckte die Hände in den jeweils anderen Ärmel.

Crimson fühlte sich verspottet. „Es reicht jetzt. Lasst mich vorbei, ich muss zu meinem Freund, der hier festgehalten wird!“

Als er einen Schritt nach vorn machte und sich anschickte, rechts an dem anderen Magier vorbei zu gehen, breitete dieser die Arme wieder aus und hielt in jeder vier alchemistische Glasphiolen, immer eine zwischen zwei Fingern. Die Inhalte zeigten unterschiedliche Farben. Crimson konzentrierte sich auf die linke Hand, da sie ihm näher war. Eine Phiole mit leuchtend gelbem Inhalt war unverkorkt. Fawarius lächelte noch breiter und kippte die Öffnung nach unten.
 

***
 

Soach versuchte, sich aus Rahzihfs Griff zu winden, und stemmte sich mit aller Kraft dagegen, zum Bett gezogen zu werden. Er strengte sich vergeblich an. Sein geschwächter Zustand machte ihn quasi wehrlos gegen den breitschultrigen Krieger.

„Wenn Ihr Euch so sehr weigert, Euch aufs Bett zu legen, damit ich Euch die Füße brechen kann, kann ich auch alternativ mit Eurem Arm anfangen!“ drohte Rahzihf schließlich, als wohl auch ihm die Geduld ausging.

Soach hielt keuchend inne und starrte auf die Metallfinger, die zweifellos sehr fest zudrücken konnten. Dann sah er dem Mann ins Gesicht. „Das ist nicht Euer Ernst, oder? Helden tun so etwas nicht!“

Rahzihf seufzte auf seine typische traurige Art. „Ich bin kein Held, Majestät. Nur ein Söldner mit einer festen Anstellung.“

„Was ist aus dem Mann geworden, dessen Schwert die Schwachen und Hilflosen verteidigt? Der hilft, wo er kann?“

„Und der seine Pflicht tut. Sie besteht darin, meinen Herrn vor weiteren Angriffen Eurerseits zu schützen. Denn hilflos seid Ihr gewiss nicht, wenn auch derzeit etwas geschwächt. Könnt Ihr mir schwören, dass Ihr dieses Zimmer nicht verlasst, wenn ich fort bin?“

Draußen erklangen noch immer die Donnerschläge, die die Luft erzittern ließen. Soach schwieg.

„Das dachte ich mir,“ meinte Rahzihf. „Ihr werdet noch auf dem Sterbebett versuchen, Euer Wort zu halten. Wenn ich Euch die Füße breche, werdet ihr auf Knien weitermachen. Breche ich Euch die Hände, werdet Ihr mit den Zähnen nach der Kehle meines Herrn trachten. Es widerstrebt mir, beides zu machen, zumal Euch auch das nicht aufhalten würde.“

„Es ist fast erschreckend, wie gut Ihr mich einschätzen könnt, aber Ihr solltet ja wissen, wie ich zu meinen Versprechen stehe,“ bemerkte Soach. Doch er machte sich keine Illusionen. Rahzihfs Loyalität zu Lord Arae war fast so stark wie seine eigene zu Crimson.

Der Krieger änderte seine Taktik, wuchtete Soach gegen die nächste Wand und schloss die Hände um seinen Hals. „Ihr lasst mir also keine Wahl. Um den Befehl meines Herrn zu erfüllen, muss ich Euch töten, auch wenn ihm das nicht gefallen wird.“

Soach packte die Handgelenke und zerrte daran, aber er konnte sie wegen der metallenen Armschienen nicht einmal richtig umfassen geschweige denn von seinem Hals wegziehen. Treten brachte nichts – er war barfuß gegen eine Rüstung. Nicht einmal etwas sagen konnte er mehr. Diese Entwicklung traf ihn unvorbereitet, da er geglaubt hatte, auf jeden Fall durch das Gift sterben zu müssen. Konnte er sein Bewusstsein zu Crimson schicken, wenn es jetzt geschah?

„Es tut mir Leid...“ murmelte Rahzihf. Und sackte ohnmächtig zu Boden.

Während Soach ihn noch ungläubig anstarrte, ergriff ihn ein anderes Paar Hände, doch der Besitzer zog ihn in seine Arme und drückte ihn fest. „Papa.“

Vor Erleichterung gaben fast seine Knie nach. Soach erwiderte die Umarmung mit aller Kraft, die ihm noch blieb. Er kniff die Augen zu und spürte etwas Warmes auf seinen Wangen, aber zum Glück sah es niemand. Er barg das Gesicht in den langen Haaren seines Sohnes, atmete den Geruch von Lackleder, Schweiß und Chaosmagie ein.

„Du hast dir Zeit gelassen,“ brachte er schließlich hervor.

„Ich wollte eigentlich einen dramatischeren Auftritt hinlegen, aber so hat er gar nichts gemerkt.“

Kays Stimme klang belegt. Soach musste nicht nachfragen – sein Sohn sah Auren, genau wie er selbst. Im Prinzip gab es ja auch keinen Grund, ihm seinen Zustand zu verheimlichen, aber er wollte das Thema lieber vermeiden.

„Was hast du mit Rahzihf gemacht?“ fragte er, wobei er zögernd die Umarmung löste.

„Oh, ähm... das ist glaube ich Missbrauch eines Heilzaubers,“ antwortete Kay.

Soach hob die Augenbrauen. „Er ist nicht tot, oder?“

„Nein, aber er schläft tief, eigentlich ein Zauber, um Verletzte schlafen zu schicken, während sie behandelt werden. Er sollte mindestens eine Stunde wirken.“

Soach nahm dem bewusstlosen Rahzihf das Schwert und den Dolch ab und überlegte, ob er die Waffen mitnehmen sollte, entschied sich aber zumindest gegen das Schwert. Er fühlte sich nicht stark genug, es in einen Kampf zu führen, deshalb steckte er es am Kopfteil des Bettes hinter die Matratze und legte ein Kissen ordentlich davor. Dort suchte bestimmt niemand danach. Für den Dolch hingegen hatte er vielleicht Verwendung. Er nahm ihn mit.

Auf der Fensterbank entdeckte er einige Rabenfedern. Der Abstand zwischen den Gittern mochte für einen solchen Vogel ausreichen. „Gut gemacht. Lass uns den Lord suchen.“

Kay widersprach ihm nicht, obwohl er seinen Vater vielleicht lieber ins Bett gesteckt hätte. „Hier, nimm den,“ sagte er und drückte Soach seinen Zauberstab in die Hand. „In der Kugel müsste noch ein bisschen meiner Magie übrig sein.“

Was ein Chaosmagier so als ein bisschen bezeichnete...
 

***
 

Vindictus hielt sich etwas im Hintergrund, als die Behemoths aus dem Wald kamen. Ihre Schulterhöhe betrug durchschnittlich drei Meter. Trotzdem stürmte Ishzark mit seinen Männern vor und stellte sich den Bestien. Fire beteiligte sich erfreut an dem Kampf, während der Praktikant des Drachenhauchordens es nicht ganz so eilig hatte.

Der alte Heiler rechnete mit einem schnellen Ende, auch wenn die Behemoths über enorme Angriffskraft verfügten. Die Krieger standen ihnen da schließlich in nichts nach. Natürlich ließ sich so ein Ungetüm nicht mit dem ersten Hieb eines Schwertes besiegen, aber sicher doch nach mehreren geschickten Versuchen. Jedoch fiel das anscheinend schwieriger aus als gedacht. Die Krieger der Eisigen Inseln kamen direkt in Bedrängnis, und auch das Feuer des jungen Magiers half da nicht. Merkwürdig.

Und wo steckte eigentlich Ray? Vindictus sah sich ein wenig um und wurde auf Kampfgeräusche abseits des Hauptereignisses aufmerksam, als er das Haus rechts herum umrundete. Zwischen gepflegten Blumenbeeten und Obstbäumen lieferte sich der zweitälteste Prinz ein Duell mit Schwert und Magie gegen eine rothaarige Schönheit.

Vindictus bekam ganz große Augen. Sie trug eine Rüstung im Samurai-Stil, beschränkte sich aber nicht auf ihr gebogenes Katana, sondern schlug sich auch gut mit Zaubern. Schwer zu sagen, was ihr Hauptgebiet war, Waffe oder Magie. Ray jedenfalls war eigentlich Magier mit einer geschickten Klinge. Ganz offensichtlich machte er bei seinen Gegnern keinen Unterschied wegen des Geschlechts, denn gerade drängte er sie durch einige Rosenbüsche, deren Blätter und Blüten den Kämpfenden dabei um die Ohren flogen. Fast schon romantisch. Vindictus fühlte sich an seine Jugend erinnert.

Doch er entschied, dass er hier nicht gebraucht wurde, deshalb ging er lieber zurück zu Ishzarks Gruppe und den Behemoths. Hier kamen die Helden tatsächlich in Bedrängnis, sie hatten gerade mal eine der Bestien getötet. Das aber reichte Vindictus aus, um sich einzumischen.

Er murmelte schnelle Worte vor sich hin, wobei grünliche Schlieren aus seinen Fingern kamen und sich auf dem Kampfplatz ausbreiteten. Der tote Behemoth erhob sich schwerfällig, als wäre er gerade aus einem langen Schlaf erwacht. Seine Wunden hörten auf zu bluten, heilten aber nicht. Vindictus grinste. Er war etwas aus der Übung, hatte lange nicht mehr etwas so Großes wiederbelebt. Aber das machte es umso spannender.

Auf seinen Befehl hin fiel der Zombi-Behemoth über seine Artgenossen her. Mit dieser Art von Verstärkung konnten die Helden schnell einen zweiten erlegen, auf den die grünen Schlieren schon warteten. Bald verlagerte sich die Streitmacht der Bestien auf die Zombieseite, so dass die restlichen lebenden Exemplare in Schach gehalten werden konnten und sich nach einer Weile sogar in den Wald zurückzogen. Das gefiel Vindictus besser, als alle hinzuschlachten. Damit konnte er seinen necromantischen Zauber auch wieder fallen lassen. Wenn er einmal alle paar Monate Zombies beschwor, machte ihm das nichts aus, dennoch wollte er seinen Körper nicht zu sehr belasten, schließlich ging im Endeffekt alles auf Crimsons Rechnung.

Nachdem nun alle Monster besiegt waren, mussten sich die Angreifer den Soldaten stellen, die aus dem Haus kamen. Vindictus kümmerte sich um Verletzte, während jene mit den leichtesten Wunden weiterkämpften. Er hätte sich gewünscht, schneller ins Haus zu kommen, denn etwas sagte ihm, dass er auch dort gebraucht wurde.

Ishzark persönlich pausierte, um sich von ihm eine stark blutende Bisswunde provisorisch heilen zu lassen. „Ich bin unvorsichtig gewesen,“ murmelte der Krieger.

„Ihr sorgt Euch um Euren Sohn, das ist ganz natürlich,“ sagte Vindictus.

„Dennoch ist es auch unprofessionell. Ich muss meinen Leuten ein Vorbild sein, sie sollen sich auf mich verlassen können.“

„Ich bin sicher, dass Ihr noch immer gut genug kämpft, Lord Ishzark.“

Der Herrscher der Eisigen Inseln nickte bedächtig. „Es ist nur leichter, wenn es nicht um den eigenen Sohn geht.“ Er stürzte sich zurück in den Kampf, sobald Vindictus den Heilungsfortschritt der Wunde für ausreichend befand.

Der Alte konnte ihn gut verstehen. Denn er hatte selbst einen Sohn, sein einziges Kind. An Tagen wie diesem erleichterte es ihn, dass Ujat kein Krieger geworden war.

Plötzlich ließ ein lauter Knall ihn zusammenzucken, und als er sich umblickte, sah er Rauch aus dem Turm kommen. Zugleich flackerte über ihm der Anti-Drachen-Schild und brach stückweise zusammen, ebenso der Tarnschild. Die Drachen brüllten triumphierend. Manchmal zahlte rohe Gewalt sich noch aus...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jyorie
2015-09-02T06:14:34+00:00 02.09.2015 08:14
Hallo (^o^)y

Ich bin echt froh, das Soach jetzt schon fast gerettet worden ist.

Oh man, Araes wiederstand und die Arme die er da zusammengescharrt hat, ist echt nicht von schlechten Eltern. Auch sein Hofmagier hat mich überrascht, wie er und Chrimson sich ein Duell geliefert hatten und er scheinbar immer einen Schritt vorraus war. Ich fand es cool, das Vindictus auch einen Platz bei den Kämpfen einnehmen konnte und mir haben seine Gedanken gefallen, das er auf Chrimsons Lebensenergie rücksicht nimmt, klingt ein bisschen nach verzeihen, selbst wenn er auch an Chrimsons Energie gebunden ist. Ich hoffe das sie Soach bei der Vergiftung helfen können.

Liebe Grüße, Jyorie



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