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Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3)

Prinz Soach und das Prinzip des Chaos
von

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Besuch

„Solltest du dich nicht noch etwas ausruhen? Du kannst noch nicht lange geschlafen haben.“ Crimson trat neben Soach an die niedrige Brüstung der Dachplattform. Von hier ging es tief nach unten. Aber er hielt es für unwahrscheinlich, dass der Prinz deswegen mitten in der Nacht hier war. Für einen Selbstmord hätte er sich vermutlich anders gekleidet als in Nachthemd und Morgenmantel.

„Ich wollte nur... etwas frische Luft schnappen,“ antwortete Soach. „Ich konnte nicht mehr in diesem Krankenbett liegen. Aber keine Sorge... vor dem Morgengrauen gehe ich wieder hin, niemand wird etwas merken. Außer Lily vielleicht, sie sieht alle paar Minuten nach, ob es mir gut geht. Es ist... schwierig.“ Er seufzte tief und schlenderte ein Stück am Rand entlang. Scheinbar unbewusst rieb er sich die Handgelenke. „Die Schmerzen haben nachgelassen. Rein körperlich geht es mir wohl wieder ganz gut. Ich fühle mich auch besser. Aber nun... tut es erst richtig weh.“ Soach schloss die Augen, schlang die Arme um sich und erbebte sichtbar.

Crimson war unschlüssig, was er unternehmen konnte. Im Prinzip gab es da nichts. Also schwieg er einfach und hörte dem anderen zu, da dieser offenbar in der Stimmung war zu reden.

„Es ist gut, dass Lily gerade jetzt schwanger ist,“ begann Soach, als er sich wieder besser unter Kontrolle hatte. „So habe ich etwas, worauf ich mich freuen kann... etwas, das mir hilft, stark zu bleiben. Für meine Familie, besonders für meine Kinder, werde ich immer stark sein. Wie ein Fels, der sie vor dem Sturm schützt.“

„Ich kenne dich nicht anders,“ bemerkte Crimson. „Aber mute dir nicht zu viel zu. Auch ein Felsen verwittert, wenn er ständig dem Sturm ausgesetzt ist.“

„Dieser Felsen fällt noch lange nicht. Meine Eltern haben mich so erzogen, dass ich standhaft bleibe. Von mir als dem Ältesten wird erwartet, dass ich meinen Geschwistern ein Vorbild und ein sicherer Hafen bin. Ein Prinz der Eisigen Inseln jammert nicht.“ Ein tiefer Atemzug, wie um sich zu sammeln. „Und doch ist jammern genau das, wonach mir zumute ist. Du weißt es – dir kann ich nichts vormachen. Das ist irgendwie... beruhigend. Zu wissen, dass es einen Menschen gibt, der mich völlig durchschaut. Da muss ich mich nicht verstellen.“

„Nun... wenn du jammern willst, tu dir keinen Zwang an,“ erbot Crimson sich.

Soach lächelte, aber es erreichte nicht seine Augen. „So weit bin ich noch nicht. Vielleicht in ein paar Tagen.“

„Ich werde da sein.“

„Ja. Danke.“ Soach ging an Crimson vorbei in das Gebäude und kehrte in sein Krankenbett zurück. Er tat es nicht auf direktem Wege. Crimson verfolgte seine Schritte und konnte beobachten, dass der Prinz oft stehen blieb, um aus einem Fenster zu schauen, eine Wanddekoration zu betrachten oder die für die meisten Leute unsichtbaren Runen an der Wand zu berühren. Er wirkte wie jemand, der sich von seinem Zuhause verabschiedete.
 

***
 

Seine Großmutter Cosmea kam früher am nächsten Morgen, als Crimson erwartete. Vielleicht hatte sie sich nicht so lange aufhalten lassen, wie Shiro das geplant hatte. Andererseits frühstückten manche Magier auch schon fast noch in der Nacht.

Großvater Sage und der Magier Thaumator begleiteten die alte Dame. Sobald die Gruppe das Schlossgelände betrat, konnte Crimson eine Anspannung in der Luft spüren, die beinahe greifbar war. Er brauchte einige Minuten, um zu erkennen, was es bedeutete, obgleich ihm klar war, dass Soach zweifellos etwas damit zu tun hatte. Dieser fürchtete die Frau buchstäblich wie ein gebranntes Kind das Feuer. Gleiches galt für ihren Kollegen.

Crimson empfing die Besucher am Haupttor, wo sich eine einzelne, normale Tür neben dem eigentlichen, großen Tor öffnen ließ. Letzteres war verschlossen. „Großmutter, Großvater! Wie nett, dass ihr mich besucht. Und Ihr seid... Thaumator, nehme ich an.“

Der Magier aus dem Zirkel des Bösen neigte grüßend das Haupt. „Freut mich, Euch kennen zu lernen, Direktor Crimson. Wir wurden uns ja leider noch nicht vorgestellt.“

Er war blauhäutig und jünger als Cosmea, was vielleicht Mitte fünfzig bedeutete. Sein Kleidungsstil bestand aus einer förmlichen, weinroten Robe mit goldbestickten Säumen und einem passendem Hut. Das schwarze Haar trug er kurz. Anders als bei der Ausbrennung konnte Crimson ihn nun genauer betrachten, denn zu jenem Zeitpunkt hatte er nicht weiter auf ihn geachtet. Er fand, dass der Mann harte Gesichtszüge besaß. Die dunklen Augen ließen kaum eine Emotion erkennen und er trug eine sehr sachliche Mine zur Schau. Aber vielleicht, dachte Crimson, bin ich auch vorbelastet und schätze ihn falsch ein. Vielleicht versucht er nur, seinem Posten als Zirkelmagier gerecht zu werden. Trotzdem...

Cosmea trug ihre Haare als Dutt unter einer bunten Kopfbedeckung. Sie mochte das Extravagante, deshalb war auch ihre Magierrobe mehrfarbig und erinnerte an ihre Spielkarte. Während ihr Partner stets Ruhe ausstrahlte, ging von ihr immer ein Gefühl der Energie aus, in der Hinsicht, dass man sich mit ihr besser nicht anlegte.

„Habt ihr schon gefrühstückt?“ fragte Crimson, um irgendetwas Höfliches zu sagen.

„Nein, wir sind vor dem Frühstück abgereist, obwohl Kuro uns angeboten hat zu bleiben,“ entgegnete Sage. „Aber wir würden uns gerne mit dir unterhalten, und was eignet sich besser dafür als ein Essen?“

„Ja... gehen wir doch in mein Büro,“ schlug Crimson vor.

Die drei schienen nichts dagegen zu haben. Einige Sekunden verstrichen.

„Willst du nicht vor gehen?“ forderte Cosmea ihn schließlich auf.

Crimson stellte fest, dass er sich nicht von der Stelle gerührt hatte und somit auch sonst niemand. Er blockierte den Eingang. „Ja... sicher.“ Er wandte sich um und ermöglichte es ihnen damit, die Schwelle zu überschreiten.

Als Cosmea und Thaumator eintraten, hatte Crimson das Gefühl, dass das Schloss sie nur um seinetwillen gewähren ließ. Ein Schimmern huschte über den Boden, wo für einen kurzen Moment die Symbole des Seelenzaubers aufleuchteten. Der Effekt war so deutlich, dass auch die Gäste es spürten. Sie blickten sich alarmiert um, suchten wachsam nach einer Bedrohung.

„Dies ist wirklich ein interessantes Schloss,“ befand Thaumator. „Eines, das anscheinend seine Gefühle nicht unter Kontrolle hat. Stimmt es, dass es nachträglich beseelt wurde... mit der Seele des Rehabilitanden?“

„Ja, das ist korrekt,“ gab Crimson Auskunft. Er führte die Gruppe zu seinem Büro, wo Shiro zu ihnen stieß.

„Hallo, Eltern. Seid gegrüßt, Thaumator,“ sagte er. „Ich dachte, ihr kommt später.“

„Man könnte glatt an eine Verschwörung glauben,“ merkte Sage an.

„Da hast du Recht,“ gab Shiro zu Crimsons Überraschung unumwunden zu.

Der Schlossherr öffnete die Tür. Sie klemmte schlimmer als am Vortag, als ob die Scharniere sich geneigt hatten, so dass das Holz auf dem Boden schleifte. Er musste sich mit Kraft dagegen stemmen und ließ sie dann offen, damit die Küchenhilfen das Frühstück für fünf Personen bringen konnten.

Crimson überließ seinen Gästen die Polstermöbel in der Sitzecke und holte für seinen Vater und sich selbst einen Stuhl vom Schreibtisch.

Eins der rothaarigen Mädchen kam kurz darauf mit einem großen Tablett, auf dem sich außer Geschirr und Besteck aber nur eine Schüssel mit warmem Getreidebrei und eine Kanne Tee befand. „Es tut mir Leid, wir haben nicht mit Besuch gerechnet,“ sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.

„Das macht doch nichts, ich esse morgens eh nicht viel,“ meinte Shiro und nahm ihr freundlich das Tablett ab. „Wenn der Brei gut ist, gibt es doch nichts einzuwenden.“

„Was ist das für ein Tee?“ erkundigte Cosmea sich naserümpfend.

„Strandlotus,“ stellte Crimson anhand des gewöhnungsbedürftigen Geruches fest. „Eine Spezialität des Lotusschlosses.“ Das Getränk weckte unangenehme Erinnerungen und schmeckte scheußlich, aber er verzog keine Mine, als er einen Schluck nahm. „Etwas heiß ist er noch.“

„Der Honig zum Süßen ist leider alle,“ lächelte das Mädchen, scheinbar peinlich berührt. „Wir haben vergessen, welchen anzufordern.“

Obwohl das Szenario kein gutes Licht auf die Organisation in seinem Schloss warf, amüsierte Crimson sich. Neugierig beobachtete er die Gesichter seiner Gäste und vermutete, dass sie sich inzwischen wünschten, im Kristallschloss gefrühstückt zu haben.

„Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund für euren Besuch?“ wandte er sich schließlich an seine Großeltern. „Und dafür, dass ihr einen Zirkelmagier mitbringt?“

„Stell dich nicht dumm, Junge“ mahnte Cosmea. „Du weißt, dass Thaumator nicht irgendein Magier ist. Wir wollen sicherstellen, dass es mit dem Rehabilitanden Sorc keine Komplikationen gibt. Manchmal können gesundheitliche Schäden auftreten, und das wollen wir ja nicht.“

„Ich werde meinen Heiler herbitten. Er wird euch über Sorcs beziehungsweise Soachs Gesundheitszustand Auskunft geben können.“ Ein Teil von Crimson hoffte, dass sie ihn herausforderten.

„Wir werden uns lieber persönlich davon überzeugen,“ tat Thaumator ihm den Gefallen.

„Das werdet Ihr nicht,“ widersprach Crimson. „Vindictus ist wahrscheinlich schon unterwegs, da ihn mein Schlossherz inzwischen wohl verständigt hat.“

Natürlich hätte es eine diplomatischere Formulierung gegeben, aber er bevorzugte die direkte Ansage. Mit Befriedigung nahm Crimson zur Kenntnis, dass sich Schweigen breit machte. Sein Vater hob eine Augenbraue. Der Schlossherr schenkte sich Tee nach und tat so, als fiele ihm nichts auf.

„Direktor Crimson... sicher wollt Ihr mit uns zusammenarbeiten, schließlich hat bis jetzt alles gut geklappt,“ begann Thaumator.

Cosmea war etwas energischer. „Stell dich nicht so an, wir wollen ihn doch nur kurz besuchen und überprüfen, ob alles in Ordnung ist!“

„Dafür wird das Wort meines Heilers wohl reichen,“ beharrte Crimson.

„Crimson, also wirklich!“ Cosmea sprang von ihrem Sessel auf.

Sie war eine beeindruckende Persönlichkeit. Als kleines Kind hatte Crimson sie einschüchternd gefunden, und erst recht, seit er besser wusste, was Magie alles vermochte und zu was sie deswegen fähig war. Dadurch hatte er sich in ihrer Gegenwart aber auch immer beschützt und sicher gefühlt. Sie konnte die beste aller Großmütter sein, liebevoll und herzlich, doch wenn sie sich so verhielt wie jetzt... Crimson spürte, wie er innerlich wankte, doch er rief sich Soachs Schreie bei der Ausbrennung in Erinnerung und konnte sie dadurch als eine Fremde betrachten, eine Zirkelmagierin von vielen. Seine geliebte Großmutter wäre nie in der Lage, einem fühlenden Wesen wehzutun. Die Zirkelmagierin schon.

Er stand ebenfalls auf und bot ihr die Stirn. „Setz dich, Großmutter. Rede mit meinem Heiler.“

Niemand mischte sich ein, während die beiden es unter sich ausmachten. Crimson glaubte, alle müssten sein Herz pochen hören.

Nach scheinbar endlosen Minuten lenkte Cosmea ein. „Na schön. Ich rede mit dem Mann, aber wenn mir seine Aussage nicht ausreicht, werde ich persönlich den Gesundheitszustand des Rehabilitanden überprüfen.“

„Einverstanden,“ kam Crimson ihr entgegen. Vindictus würde sie schon überzeugen. Fürs erste atmete Crimson auf. Er hatte eine erste Schlacht gewonnen.
 

„Was denkst du, wo du hingehst?“

Soach fühlte sich ertappt. Er war gerade dabei gewesen, etwas zum Anziehen aus dem Bestand herauszusuchen, den er sich in der Nacht aus seinem Zimmer geholt hatte. „Ich, ähm... will in Crimsons Büro gehen, um mich den Zirkelmagiern zu stellen, ehe sie herkommen.“

„Papperlapapp. Nirgends gehst du hin. Catherine hat mich dorthin bestellt, damit ich die alte Cosmea und ihren Kollegen davon überzeuge, dass sie dich in Ruhe lassen.“

„Ich weiß, aber...“

„Nichts aber. Leg dich wieder hin.“ Vindictus ergriff seinen Arm und drückte ihn mit sanfter Gewalt zurück auf das Bett. „Das mag gegen deine prinzliche Ehre gehen, aber sei vernünftig. Du bist dazu nicht bereit. Du legst doch immer so großen Wert auf einen starken Eindruck. Was wäre wohl, wenn du ihnen gegenüber die Selbstbeherrschung verlierst? Geh das Risiko nicht ein. Sie werden nicht herkommen.“

Soach musste sich eingestehen, dass es ihm auch lieber war, die Konfrontation zu vermeiden. Und er wollte auf keinen Fall hier von den Besuchern aus dem Zirkel erwischt werden und sich deshalb am liebsten irgendwo verstecken. Das Gefühl war ihm gänzlich neu und gefiel ihm nicht. Eigentlich pflegte er sich stets seinen Ängsten zu stellen, aber Vindictus hatte Recht. Es konnte passieren, dass er sich blamierte, wenn er hinging.

„Ihr jungen Leute,“ murmelte Vindictus vor sich hin. „Es fällt euch so schwer, euren Stolz zu überwinden, selbst wenn er euch in Gefahr bringt.“ Er schlenderte zur Tür und begab sich zum Büro des Direktors.

Soach verfolgte ihn mit Hilfe des Schlossherzes und sah dann auch zu, wie der untersetzte alte Magier den Anwesenden sachlich erklärte, dass der Rehabilitand keiner weiteren Untersuchung durch die beiden Ausbrenner bedurfte. „Ich kann ebenfalls Magie ausbrennen und habe in meiner Eigenschaft als Schlossheiler bereits sichergestellt, dass Soach keinen gesundheitlichen Schaden zurückbehalten hat. Jedoch habe ich zur Vorsicht verfügt, dass er sich ausruht und mindestens drei Tage zur Beobachtung auf der Krankenstation bleibt,“ beendete er seine Erläuterungen.

Thaumator blickte zwischen ihm und Crimson hin und her. „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir aus irgendeinem Grund von dem Rehabilitanden ferngehalten werden sollen.“

Vindictus lächelte erhaben. „Natürlich. Unser Direktor hier möchte seinem Freund die Begegnung mit Euch ersparen, schließlich... war das letzte Mal nicht gerade angenehm.“

Cosmea schüttelte seufzend den Kopf. „Warum sagst du das denn nicht gleich, Junge?“

„Ich dachte, dass meine persönlichen Beweggründe für den Zirkel des Bösen nicht relevant sind,“ sagte Crimson. „Deshalb wollte ich mich lieber anders durchsetzen.“

„Nun... das ist lobenswert. Ich darf dir verraten, dass ich mich freiwillig für die Ausbrennung gemeldet habe, weil ich wusste, dass es um einen Freund von dir geht. Natürlich konnte ich ihm nicht ersparen, was geschehen musste, aber ich wollte irgendetwas für dich tun...“

„Sentimentaler Quatsch, wenn du mich fragst,“ wandte Thaumator ein. „Cosmea, wir müssen irgendetwas in unseren Bericht schreiben, damit die Akten in Ordnung sind. Sollen wir sagen, dass wir unsere Pflicht nicht getan haben, weil ein Heiler uns gesagt hat, dass er sich schon darum gekümmert hat?“

„Warum nicht?“ erwiderte sie. „Vindictus ist vielen Magiern bekannt. Seine Meinung wird anerkannt werden.“

Der Jüngere schien noch etwas einwenden zu wollen, beugte sich dann aber der erfahreneren Magierin. „Wie du meinst, Cosmea.“

„Ich freue mich, dass wir uns einigen konnten,“ lächelte Crimson in die Runde. „Noch Tee?“

Das lehnten alle höflich ab, und die Dreiergruppe verabschiedete sich dann auch. „Wir müssen dem Zirkel schnellstmöglich Bericht erstatten,“ sagte Cosmea. „Heute oder morgen wird wohl auch darüber beraten werden, wo wir den Rehabilitanden hinschicken. Ich hörte, dass du ihn behalten willst.“

„Ja doch,“ bestätigte Crimson. „Kannst du dich ein wenig für mich einsetzen?“

„Ich werde sehen, was ich tun kann,“ versprach seine Großmutter.

Crimson begleitete seine Besucher zur Tür, und auch Shiro ging mit, um seine Eltern zu verabschieden. Soach war erleichtert, als er sah, wie sie sich entfernten.

Shiro wandte sich seinem Sohn zu. „Also wirklich. Getreidebrei und Heiltee?“

„Naja...“ Crimson grinste. „Ich hatte damit nichts zu tun, aber vielleicht das Schlossherz.“

„Vermutlich. Ist es wohl in Ordnung, wenn ich Soach jetzt besuchen gehe?“

„Ich denke schon.“

Soach protestierte nicht, und wahrscheinlich hatte er auch schon unbewusst sein Einverständnis gesendet. Und so kam es, dass Shiro wenig später bei ihm auftauchte. Da es sich um Crimsons Vater handelte und dieser ihn immer fair behandelt hatte, fand Soach es relativ unproblematisch, dass er ihn im Bett empfangen musste. Wenigstens trug er ein vernünftiges Nachthemd und hatte genug Kissen, um halb zu sitzen. Insgesamt fühlte er sich einigermaßen präsentabel. Davon abgesehen... wenn er keine Besucher erlaubte, wirkte das auch seltsam.

„Hallo, Soach.“ Shiro schloss die Tür hinter sich und trat näher. Er setzte sich auf Vindictus' Stuhl und ließ seinen Blick über den Patienten schweifen. „Wie mir zu Ohren kam, hast du das, was dir am wichtigsten war, für ein Versprechen geopfert. Ich weiß nicht, ob ich das gekonnt hätte,“ eröffnete er das Gespräch.

„Die Geschichte hat sich herumgesprochen?“ hakte Soach nach. „Ach... sicherlich hat Cathy es Turmalinda erzählt.“

„Es scheint, dass ein Schlossherz mit einer leidenden Seele sich manchmal aussprechen muss, wo vielleicht etwas mehr Diskretion angebracht wäre,“ räumte Shiro ein. „Andererseits hilft uns das, deine Handlungen zu verstehen. Für meinen Sohn ist das alles sehr schwer. Er ist der wichtigste Mensch in meinem Leben, deshalb möchte ich ihm helfen.“

„Na dann hast du doch die Antwort,“ stellte Soach fest. „Ja, du hättest es gekonnt. Für deinen Sohn. So wie ich: Ich ehrte ein Versprechen an jemanden, der meinen Sohn gerettet hat, somit war es indirekt für meinen Sohn.“

Shiro bekam einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Ja, so ist es wohl. Weißt du... damals, als Crimsons Magie gebannt war, da wünschte ich, an seiner Stelle zu sein, um es ihm zu ersparen. Vielleicht sind alle Eltern so. Es wäre jedenfalls wünschenswert.

Dein Opfer hat weitreichende Folgen, ich hoffe, das ist dir klar. Das Schlossherz leidet mit dir, weil es deine Seele besitzt. Der Schlossherr leidet darunter, dass er dir nicht helfen kann, und auch das merkt das Schlossherz. Die Situation schwappt auf das Kristallschloss über, weil ich mir Sorgen um meinen Sohn mache. Kuro hingegen sorgt sich um Dark, weil dieser auf seinen Geliebten verzichten muss, der hier bei dir ist. Daher ist Dark ein wenig mürrisch. Unsere Schlossherzen bekommen außer unserer auch noch Catherines Stimmung mit, wenn sie mit ihm in Kontakt stehen. Und da Dark sich meistens im Kristallschloss aufhält, solange seine neue Burg noch nicht bewohnbar ist, hat auch er Anteil an der Misere. Das wiederum färbt auf Draconiel ab, der das natürlich nie zugeben würde. Jetzt stell dir eine Drachenseele vor, die schlechte Laune hat...“

„Ach herrje... aber was willst du erwarten, wenn das Chaos involviert ist.“ Soach gelang ein ehrliches Lächeln. „Solch eine Verbundenheit, wie die drei Schlösser sie haben, bringt auch Nachteile mit sich. Jetzt wird sich zeigen, wer an dieser Stelle die nötige Kraft aufbringen kann. Aber ich fürchte, ich bin nicht derjenige.“

„Setz dich nicht selbst unter Druck, Soach. Überlass es Kuro und mir. Wir werden unseren Söhnen den Rücken stärken. Und dir.“

Soach hob überrascht die Augenbrauen. „Mir?“

„Du brauchst es am meisten, oder nicht?“

„Also... nein, ich... uh...“

Shiro lachte freundlich. „Stolze Männer nehmen ja so ungern Hilfe an.“

Dem konnte Soach nicht widersprechen, zumal er einen solchen Spruch heute schon einmal gehört hatte. „Nun gut. Bleibst du noch länger, Shiro?“

„Einige Tage schon... solange Kuro beim Kristallschloss ist.“

„Muss immer einer von euch dort sein?“

„Nicht unbedingt, aber die Schlossherzen werden unleidlich, wenn nicht wenigstens ein Schlossherr anwesend ist. Besonders zur Zeit.“

Soach blickte auf seine Hände, die sich in die Bettdecke krallten. Er ließ den Stoff los. „Es tut mir Leid, so viel Ärger zu verursachen, aber ich hatte nicht so recht Gelegenheit, es mir vorher zu überlegen.“

„Wir werden damit fertig, mach dir keine Sorgen,“ versicherte Shiro. „Wenn ich dir sonst irgendwie helfen kann, lass es mich wissen.“

Soach nickte einfach, denn er befand, dass es nicht der rechte Moment war, um niemandem zur Last fallen zu wollen. Wenn er dies überstehen wollte, brauchte er Hilfe. „Ich möchte die Bibliothek des Kristallschlosses sichten, sobald ich wieder dazu in der Lage bin,“ sagte er schließlich. „Alles, was einen Hinweis enthalten könnte, wie ich mit meiner Situation umgehen könnte.“

„Selbstverständlich,“ stimmte Shiro zu.

Soach hatte das Gefühl, dass der Lichtmagier sein Vorhaben für sinnlos hielt, dies aber verschwieg. Möglicherweise war es wirklich sinnlos. Aber er musste es einfach versuchen. Solange er hoffen konnte, in den Büchern etwas zu finden, blieb die Verzweiflung auf Distanz.
 

Crimson trieb sich am Strand herum, als Eria ihn abfing.

„Ich habe dich gesucht,“ begann sie. „Aber... vielleicht ist es gerade ungünstig...“

„Lass nur,“ erwiderte er. „Du weißt doch, dass du mich immer stören kannst.“

„Also... ich wollte Soach besuchen, aber ich frage mich, wie ich ein Gespräch mit ihm beginnen soll. Fire hat ihm wohl schon erzählt, dass ich... wir... ähm...“ Sie räusperte sich. „Wir bekommen ein Kind. Oder besser... ich. Das wollte ich dir sagen, ehe du es durch Cathy oder irgendwen anders erfährst.“

Crimson blieb stehen und starrte sie an, irgendwie nicht überrascht und doch überrascht. Er hatte es nicht gewusst, aber die Information schien schon latent in seinem Gedächtnis zu existieren. Vielleicht, weil Soach es bereits wusste. „Du meinst... von Fire? Du bekommst... Soachs Enkelkind?“ Er grinste, das war irgendwie amüsant.

„Eigentlich habe ich nicht mit dieser Reaktion gerechnet, aber ich bin froh, dass du es witzig findest,“ murmelte Eria.

Crimson zog sie in seine Arme und drückte sie an sich. „Hast du gedacht, ich bin sauer? Ach, es ist doch... mal zur Abwechslung eine gute Nachricht. Wusstest du, dass auch Lily schwanger ist?“

„Oh... ja, das hat mir Fire vor kurzem erzählt... gestern oder so. Ich hab ihn kaum gesehen, seit Soach wieder hier ist, er hängt die ganze Zeit in der Bib rum. Die Homies sind schon ganz verunsichert deswegen.“

„Fire ist in der Bibliothek und vernachlässigt dafür seine Kumpels? Sehr seltsam.“

Beide mussten kichern, was die bedrückte Stimmung ein wenig auflockerte.

Soweit Crimson wusste, vermied Eria noch immer Soachs Gesellschaft, und er ging ihr nach Möglichkeit aus dem Weg, um Schwierigkeiten zu vermeiden. Vor fast einem Jahr hatte Eria Soach das Leben gerettet, als er auf dem Schlachtfeld verletzt worden war. Das bedeutete aber nicht, dass sie ihn seitdem mochte.

„Ich wollte mich bald mit Soach aussprechen,“ sagte sie, schon wieder ernst. „Schließlich wird er sein Enkelkind ja mal sehen wollen. Aber nun... ich habe das Gefühl, ich wäre daran schuld, dass er... also... weil ich ihm damals gewünscht habe, dass er zumindest das Programm der Stufe vier kriegt. Ich habe mir immer vorgestellt, dass es die gerechte Strafe für ihn wäre und dass ich mich besser fühlen würde, wenn es so wäre...“

„Du musst dir jetzt gewiss keine Vorwürfe machen,“ versicherte Crimson ihr eilig. „Hast du deine Meinung nicht ohnehin längst geändert?“

„Vielleicht nicht... vielleicht wollte ich es immer noch... tief drinnen...“ Sie sprach leise und blickte beschämt zu Boden. „Aber wir alle spüren ein bisschen davon, wie schlimm das ist. Veiler und Elfuria haben erzählt, was du ihnen berichtet hast. Und Fire hat mir erzählt, warum Soach das auf sich genommen hat. Für den Mann, der Fires Leben gerettet hat, als er noch nicht einmal geboren war. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das ist, jemandem dermaßen dankbar zu sein und seinen Sohn so zu lieben, dass man bedingungslos dazu bereit ist, solch ein Opfer zu bringen. Ich glaube... ich glaube, ich kann mir keinen besseren Großvater für mein Baby wünschen.“

„Dann ist doch alles in Ordnung, oder?“ hakte Crimson nach. Anscheinend hatte sie ihre Meinung über Soach grundlegend überdacht.

Sie fuhr sich nervös mit den Händen durchs Haar und erinnerte ihn damit an Lily. „Aber ich weiß nicht, wie ich mich jetzt ihm gegenüber verhalten soll, nachdem ich ihm so etwas Schlimmes gewünscht habe. Eigentlich wollte ich ihn bitten, uns mit dem Baby zu helfen, weil er doch schon mehrere großgezogen hat... das kann er wahrscheinlich zur Zeit nicht gebrauchen.“

„Doch, Eria, ganz im Gegenteil. Ich kann mir vorstellen, dass es genau das ist, was er braucht: Einen Sinn im Leben. Die Kinder dürften ihn gut beschäftigen. Und ich glaube, er wird sich freuen, wenn du ihn in deinem Leben haben willst.“

„Naja... ich kriege sein Enkelkind, da kann ich ihn kaum ausschließen,“ murmelte das Mädchen. „Schon Fire zuliebe. Aber trotzdem wäre es mir lieber, Fire wäre nicht sein Sohn.“

„Du wirst bemerken, was für ein guter Freund er sein kann,“ meinte Crimson zuversichtlich.

„Ich werde mich bemühen,“ versprach sie ihm mit einem Lächeln. „Kannst du feststellen, ob er Zeit hat, Besuch von mir zu bekommen?“

„Shiro ist bei ihm, aber geh ruhig.“

„Kommst du mit? Er kann mir zwar jetzt nichts mehr tun, aber... nun ja. Als moralische Unterstützung.“

Da Crimson seine Aufgaben als ihr Lehrmeister ernst nahm, begleitete er sie natürlich. Er fand es verständlich, dass sie sich davor scheute, mit Soach allein zu sein. Zu viel war zwischen ihnen vorgefallen, was leider nie geklärt worden war.
 

Als sie auf die Krankenstation zu schritten, trafen sie Fire. Er trug einen Stapel aus Büchern, der sehr schwer aussah und ihm fast die Sicht nahm.

„Eria, da biste ja. Ey tut mir voll Leid, dassich so zu tun hab,“ keuchte er.

„Schon gut... das verstehe ich doch,“ entgegnete sie in zärtlichem Tonfall. „Soll ich dir etwas abnehmen? Oder lass das doch schweben!“

„Du darfst nix schwer schleppm in deim Zustand, weißte doch. Und ich hab ne Schwebeschwäche.“

„Bitte was?“ Crimson musste lachen. „Gehören Schwebezauber nicht zu den Dingen, die jeder zuerst lernt? Neben Stillezaubern, Reinigungszaubern und Leuchtfunken?“

Fire zuckte mit den Schultern, so gut es ihm möglich war. „Bin schlecht mit Luftmagie. Aba Lord der Flammen.“

Crimson nahm ihm die oberen drei Bände ab, das ließ für den Jüngeren immer noch sechs. Eria nahm sich das obere davon – es handelte sich um ein ziemlich kleines.

„Sieht schlecht aus in de Bib,“ meinte Fire. „Nix über Ausbrennung. Nix Richtiges. Nur mal Kapitel da, Anmerkung hier. Vadder wird nix damit anfang könn.“

Eria erreichte die Tür als Erste und legte die Hand auf die Klinke. So blieb sie stehen. „Ich hätte ihn... einmal fast umgebracht,“ murmelte sie.

Crimson klemmte sich seine Bücher unter den Arm und tätschelte mit der freien Hand ihre Schulter. „Keine Sorge deswegen. Er hat mir einmal verraten, dass du das nicht geschafft hättest.“

„Echt ma, Prinz von Eisige Inseln wird nich von Schülerin umgebracht. Machste jetzt auf odda was?“ Fire fasste das unterste Buch seines Stapels fester, da seine Hand abzurutschen drohte.

„Ich gehe vor, wenn du willst,“ schlug Crimson vor. „Dann kannst du so tun, als wärst du mit Fire gekommen.“ Er schob sich an dem Mädchen vorbei und dabei die Tür auf.

Oder zumindest versuchte er das. Sie klemmte.

[Moment noch, Crimson. Ich muss zumindest meine Frisur in Ordnung bringen,] teilte Soach ihm mit.

Dieses Mal achtete der Schlossherr darauf, dass er nicht laut redete. [Also wirklich, Fire und ich haben dich schon in schlechterem Zustand gesehen, und vor meinem Vater machst du auch nicht so einen Aufwand.]

[Du wirst es bald verstehen...]

Eria sah ihn abwartend an, hatte offenbar nichts gegen ihres Lehrers Vorschlag und wartete darauf, dass er hinein ging. Crimson tat so, als hätte er abgewartet, ob sie Einwände hatte. „Gut, dann kann es ja losgehen.“ Die Tür ließ sich nun wieder öffnen. Zwar konnte Soach nicht zaubern, aber um das Schloss zu beeinflussen, war das auch nicht nötig.

Shiro befand sich noch im Zimmer und machte den Stuhl frei, als Eria und Fire an das Bett traten und ihn mit gebührender Höflichkeit grüßten. Crimson nahm an, dass sein Vater Soach mit seinen Haaren geholfen hatte, denn dessen geflochtener Zopf sah viel zu ordentlich aus, als dass jemand, der sich sonst nie die Haare zusammenband, das so gut hingekriegt haben könnte. Er dachte da nur an Blacky, der sich manchmal so einen Zopf machte, der dann aber wie gewollt und nicht gekonnt aussah.

„Hab ein paar Bücher mitgebracht, aba de Bib hat nix Tolles zum Thema,“ sagte Fire. Er packte seinen Stapel an das Fußende. „Kannste dir ja mal angucken, vielleicht isses besser als gedacht, aba ich glaub wir müssn woandas suchen.“

„Ich schaue sie mir einfach mal durch,“ entgegnete Soach, als sprächen sie über Schularbeiten. „Hast du die ordentlich ausgeliehen, Fire?“

Der Rothaarige verdrehte die Augen. „Sicha.“

Crimson legte die Bücher, die er getragen hatte, zu den anderen, während Eria sich noch an ihrem festhielt wie an einem Schutzschild. Er beobachtete, wie Soach das Mädchen ansprach.

„Herzlichen Glückwunsch, Eria. Lass es mich wissen, wenn ich euch irgendwie helfen kann... falls du das willst.“

Sie antwortete nicht sofort, sondern starrte auf einen Punkt weiter unten in der Luft, also beschloss Fire wohl, ihr aus der Verlegenheit zu helfen. „Klar, hab ihr schon gesacht, was für ein kompetenter Kinderhüter de bist, Vadder. Nich, Eri?“

„Ähm... sicher,“ murmelte sie, blickte zögernd auf und lächelte Soach an. Es war nur ein sehr schmales Lächeln, aber immerhin.

„Ihr seid die Ersten, die mich zum Großvater machen,“ plauderte der Ältere. „Dabei dachte ich ja, dass Ruin schneller sein würde, aber sie hat wohl doch andere Interessen im Moment.“

„Die wollt'doch noch nie Kinder, wie kommste darauf?“ lachte Fire. „Naja ich hab auch nich gedacht, dasses so kommt.“ Er grinste und legte einen Arm um Erias Schultern, um sie an sich zu ziehen. „Der Kleene wird mit dem eigenen Onkel spieln könn.“

„Woher willst du wissen, dass es beides Jungs werden?“ stieg die Wassermagierín erstmals in das Gespräch ein. „Die Wahrscheinlichkeit ist doch eher gering.“

„Es könnten Zwillinge dabei sein,“ warf Soach ein.

„Ich weiß ja nicht einmal, wie man ein einzelnes Baby versorgt, geschweige denn mehrere!“ rief Eria mit übertriebenem Entsetzen.

„Wir können uns abwechselnd um die Kleinen kümmern,“ bot Soach an.

Crimson beobachtete völlig erstaunt, wie der Prinz der Eisigen Inseln die Stimmung langsam auflockerte. Er verzog sich aus der Szene, denn er fühlte sich komisch... etwas lief völlig verkehrt.

Als er an der Seite stand und sich die Schläfen rieb, gesellte sich Shiro zu ihm. „So würde ich es auch machen... die jungen Leute nicht beunruhigen,“ bemerkte er. „Umso weniger gefällt es mir, dass du in dieser schwierigen Lage bist. Wenn du Hilfe brauchst – du hast mich.“ Er zog sich vorerst zurück.

Crimson blieb noch und beobachtete misstrauisch weiter.

Vindictus tauchte aus dem hinteren Bereich auf. „Ah, Jungchen. Hast du kurz Zeit?“

„Sicher, was gibt es?“

„Ich möchte zeitweise eine weitere Heilerin einstellen,“ begann der Alte ohne Umschweife. „Lily ist schwanger, sie wird nicht ewig weiter arbeiten können. Außerdem kann sie sich nicht selbst medizinisch betreuen, und ich bin Necromant, ich habe keine Ahnung von Schwangerschaften. Aber ich kenne eine erfahrene Heilerin in annähernd meinem Alter, die sich mit dem Thema auskennt. Sie wird sicher gerne herkommen, wenn ich sie darum bitte.“

„Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Tu das ruhig,“ stimmte Crimson zu.

Vindictus nickte. „Ich werde eine der Schülerinnen als Botin hinschicken.“

„Warum ausgerechnet eine Schülerin? Was ist zum Beispiel mit Veiler?“

„Wirst du ja dann sehen.“

Crimson ließ es dabei bewenden. Aus dem Augenwinkel verfolgte er, wie Fire und Eria mit Soach über etwas lachten und sich dann verabschiedeten.

„Ich mache mich dann mal auf die Suche nach einer geeigneten Kandidatin,“ teilte Vindictus ihm mit. „Du kümmere dich um deinen Stellvertreter.“

„Was? Wieso...“ Als Crimson sich zum Bett umdrehte, sortierte Soach gerade sachlich die Bücher. Er machte einen sehr konzentrierten Eindruck, geradezu angespannt. Crimson ging zu ihm.

„Es hat mit Eria besser geklappt, als ich dachte,“ murmelte Soach, ohne von den Seiten aufzusehen, die er gerade durchsah. „Hast du ihr geraten, zu mir zu kommen?“

„Naja, ich habe sie ermutigt, aber sie wollte von sich aus mit dir reden.“

„Jetzt hat sie ja auch keinen Grund mehr, sich vor mir zu fürchten. Ich bin gespannt, ob Fire den Bund mit ihr schließen möchte. Oder sie mit ihm.“

„Du hast nie eine deiner Frauen dauerhaft an dich gebunden, oder?“ vergewisserte Crimson sich.

Soach schüttelte den Kopf. „Es waren aber auch meistens Frauen, die darauf keinen Wert legten. Fires Mutter zum Beispiel, Fuega. Sie gehört zu einem Hexenzirkel. Männer werden dort nur bedingt geduldet. Eine Tochter hätte sie vielleicht bei sich behalten, da sind sie den Amazonen ähnlich.“ Er legte das Buch neben sich, als er die gesuchte Seite fand, und schlug das nächste auf. „Hm, hier scheinen überall nur kleine Beiträge drin zu sein. Erwähnungen, Thesen... Fire hatte Recht, nichts besonders Hilfreiches. Aber wer hat schon Lektüre zu dem Thema im Regal stehen...“

Crimsons Blick fiel auf ein Buch mit deutlichen Gebrauchsspuren, das Soach noch nicht durchgesehen hatte: Kapall und Meras. Magiesysteme im Vergleich. Das erinnerte ihn an die Zeit, als sie Merasfresser im Schloss gehabt hatten. Meras, die Katze, hielt sich im Moment nicht bei Soach auf, vermutlich lief sie Blacky hinterher. Gab es wohl auch Kapallfresser?

„Hm, hier ist wieder eine Erwähnung, aber auch ein Verweis auf ein anderes Buch. Das haben wir aber nicht da...“ Soach suchte nach einem Platz für das momentan aufgeschlagene Buch, aber neben ihm und auf seinen Beinen war schon alles voll. Er legte es neben sich in die Luft.

Crimson sprang zurück, als das schwere Werk ihm mit einem dumpfen Knall fast auf die Füße fiel. Soach indessen starrte mit großen Augen auf seine Hand, die das Buch losgelassen hatte und noch in der Luft verweilte. Er sog hörbar den Atem ein.

Die Mauern bebten, dass es hinten in den Regalen nur so klirrte. Crimson kam sich vor, als hätte ihn jemand aus einem schützenden Raum in den Regen geschubst, als plötzlich Soachs Emotionen heftig auf ihn einstürmten.

„Du hast dich für deinen Sohn und Eria verstellt...“ begriff er endlich. Kein Wunder, dass ihm die Szene so falsch vorgekommen war.

„Sie ist schwanger, Aufregung schadet ihr. Soll sie nur denken, es wäre alles in Ordnung.“ Soach ließ endlich seine Hand sinken, lehnte sich in die Kissen zurück und schloss die Augen. „Ich habe es fast selbst geglaubt.“ Er versuchte offensichtlich, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, aber die Erschütterungen ließen nur langsam nach.

Crimson hob das Buch auf. Der Titel lautete Magie bannen und auslöschen: Artefakte, Siegel und Rituale. Er legte es auf den Nachttisch und zog sich einen Stuhl heran, um einfach durch seine Gegenwart Trost zu spenden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  jyorie
2015-05-16T05:51:02+00:00 16.05.2015 07:51
Hey ٩(^ᴗ^)۶

Soach hat sehr gut geschauspielert, das es ihm nicht so leicht fällt ist klar, aber dann hinterher, als Chrimson bei ihm war und alles erschüttert wurde, das war heftig. Bei der Szene als Soach das Buch in die Luft gelegt hat, dachte ich schon es bleibt schweben, weil Soach das ja schon früher immer so selbstverständlich getan hat und das es dann jetzt auch unterbewust geht, bei so etwas alltäglichem für ihn kann man sich gut vorstellen, wie weh es tut, wenn man erinnert wird, was fehlt. War die Erschütterung wirklich nur weil Soach mit dem Schloss verbunden ist, oder gibt es da noch einen Rest „Energie“ die Soach hat und momentan nur noch nicht nutzen kann – vielleicht ist ja doch noch was vorhanden weil bei der Ausbrennung ja nicht alles von Soach anwesend war *immer noch hofft*

Ich bin gespannt wie es weiter geht und ob sie etwas finden. Was mir auch in dem Kapitel gefallen hat, war die Erklärung, was alles Soachs Leiden mit sich zieht und wie weit die umliegenden Bekannten und Schlösser davon in mitleidenschaft gezogen werden, eine weitreichende Überlegung.

¸.•´¸.•´¨) ¸.•*¨)-:¦:- Viele Grüße,
…(¸.•´ (¸.•´ .•´ ¸¸.•¨¯-:¦:-…-:¦-, Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
17.05.2015 21:59
Hallo,

dieser letzte Abschnitt muss ja einen tiefen Eindruck hinterlassen haben, weil du auf das meiste andere gar nicht eingehst. XD
Aber gut, ich habe ja mein Ziel erreicht... zu zeigen, dass es die kleinen Sachen des Alltags sind, die Probleme machen. Denn es gibt wohl kaum einen Magier, der die Magie so zu seiner Bequemlichkeit im Alltag nutzt wie Soach.
Das Beben des Schlosses ist allein darauf zurückzuführen, dass Cathy mit der seelischen Belastung nicht klarkommt, denn das kennt er nicht. Seelische Probleme haben oft irgendwelche körperlichen Auswirkungen. Und es ist schön dramatisch in einer Geschichte wie dieser. :P
Die Tatsache, dass Soachs Seele nicht in seinem Körper wohnt und daher quasi etwas von ihm nicht anwesend war, macht keinen Unterschied. Aber achte auf die Buchtitel. Oft erwähne ich sowas mit Absicht... Manchmal ist es ein Hinweis, manchmal einfach ein dramaturgisches Mittel (in dieser Reihenfolge ;D). Mehr sage ich dazu jetzt aber nicht.

Dubilein ist gerade eingeschlafen, wahrscheinlich verschwinde ich dann auch gleich.
Gute Nacht!
PM
Antwort von:  jyorie
18.05.2015 08:52
Hey,

sorry, ich war unter Zeitdruck beim Schreiben, war das verlängerte Wochenende allein mit meinen Geschwistern und wir wollten gleich, weg... Stimmt, ja, der Letzte Teil war für mich so die Aussage des Kapitels, wie Chrimson sagt, er hat allen was vorgespielt, und so mit dem Absatz, bei dem man dann hinter die Fassade blickt, war ja dann irgendwie der Rest einfach nur gespielt und nicht echt - ja, irgendwie hat das dann den meisten Eindruck gemacht, weil der teil echt war ;-)

Ah, meinst du das Buch mit Meras und Kapal? - hm wäre auch ne Möglichkeit, wenn das so einfach geht mit dem Umstellen des "Magie-Treibstoffs", ja der Buchtitel war mir beim lesen auch aufgefallen^^°

LG
Jyorie :)
Antwort von:  Purple_Moon
21.05.2015 21:55
Wenn das einfach wäre, würde es ja jeder machen. :P
Es gibt in FW2 ein paar Infos dazu. Natürlich in einem anderen Zusammenhang.


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