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Die Chronicen von Draconia1

ungewollter Ruhm
von

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Gefangen

Ein Jahr war seit Lorns Tod vergangen und Kai fühlte sich in Jetstar immer noch nicht wohl. Es war ihm einfach zu wenig los. Sicher, Luk und Shiva hatten für einiges Aufsehen gesorgt, aber das war schnell vorbei gewesen.

Immer wieder zog es Kai zum Wald, spürte er Schadows erwartungsvolle Blicke auf sich.

Berichten zu folge war Draconia vor einigen Monaten wieder aufgebaut worden. Doch war dies eine so gute Idee gewesen?

Kai konnte sich des flauen Gefühls in seinem Magen nicht erwehren. Er musste einfach wissen, ob der taogische König wirklich so töricht war und den Drachen die Herrschaft über die Ruinen des einstmals als die goldene Stadt bekannten Ortes entrissen hatte. Kai musste Kiddi und Luk davon erzählen, aber würden sie seinen Worten Glauben schenken? Würden sie seine Sorge verstehen?

Er schlenderte durch die Gassen des Dorfes. Jetstar war ein ziemlich übersichtliches Dorf und dennoch fand sich Kai dort nicht allzu gut zurecht. Trotzdem war es für den Waldwolf ein Leichtes Kiddis Haus zu finden.
 

Kiddi und Luk saßen am Tisch in der kleinen, übersichtlichen Küche der Hexe und unterhielten sich.

"Er fühlt sich hier immer noch nicht zu Hause, oder?" fragte Kiddi.

"Nein, aber dich trifft daran keine Schuld." erwiderte Luk leise. "Lorn nachzujagen war sein Lebensinhalt. Jetzt wo der Lord tot ist, hat er einfach nichts mehr zu tun und sehnt sich nach Abenteuern."

"Ich weiß, aber was können wir tun? Wenn..."

"Wenn wir nichts tun, bringt er sich noch selbst in Gefahr." Er schlug mit der behandschuhten Faust auf den Tisch. "Bei Raunems blutigem Speer, Kai muss endlich akzeptieren, dass es nicht immer Schwierigkeiten gibt, die sich nur mit dem Schwert lösen lassen."

Stumm pflichtete Kiddi ihm bei.
 

Dass Kai vor der Tür stand und jedes einzelne Wort hörte, konnten die beiden ja nicht wissen.

"So denken sie also über mich." erkannte Kai leise. "Sollen sie doch. Ich werde es ihnen schon beweisen, auch wenn ich dabei drauf gehe."

Wütend drehte er sich um und ging auf seinen Lieblingsplatz auf einem kleinen Berg zu.

Dort angekommen setzte er sich unter einer mächtigen Eiche auf die Erde, lehnte sich an den Stamm des alten Baumes und starrte in den Himmel.

"Blau und keine einzige Wolke." sagte er und gähnte.

Er zog Drachenzahn aus der Scheide und starrte auf die Klinge.

Das aus dem Eckzahn eines blauen Drachen gefertigte Schwert war immer noch glatt und scharf. Der einzige Makel der Klinge waren einige Schrammen, die jedoch die Klinge nur noch schärfer zu machen schienen.

Kai zog ein Tuch hervor und begann damit das Schwert zu polieren. Schließlich schob er Drachenzahn wieder in die Scheide und starrte erneut in den Himmel.

Als er an seinen Kampf mit Lorn dachte, fasste sich Kai automatisch an den linken Arm. Dort wo Lorn Schwert getroffen hatte, zierte eine riesige Narbe seinen Arm.

Kai fasste fester zu. sein Griff wurde so stark, dass Kai sich vor Schmerz auf die Lippe biss. Dann lockerte er seine Hand wieder und lehnte sich erneut an den Baum. Er lag beinahe. Der Waldwolf schloss die Augen. Eine feuchte Schnauze stupste ihn an.

Kai öffnete die Augen und sah auf den Wolf herab.

"Na, mein alter Freund?" sagte Kai sanft und strich dem Nachtwolf über den Kopf.

Kai schloss die Augen wieder und begann leise zu summen. Irgendwann verstummte er und begann stattdessen zu schnarchen.
 

Luk schlenderte durch die Gassen des kleinen Dorfes. Er suchte Kai, weil er mit ihm reden musste.

Eher zufällig streifte sein Blick die mächtige Eiche außerhalb des Dorfes und fiel auf die auffällige Schwertscheide von Kai.

Da ist er also. dachte Luk.

Er ging direkt auf den Hügel zu. doch als er bei der Eiche angekommen war, glaubte er seinen Augen nicht.

"Jetzt liegt der hier auf dem Boden und schläft." Sein Blick fiel auf den Wolf. "Und was macht dieses Biest hier? Wusste gar nicht, dass Kai einen Hund hat."

Luk zuckte die Schultern. Er ging auf die andere Seite der Eiche und lehnte sich ebenfalls gegen den Baum und starrte in den Himmel.

Jetzt verstehe ich, warum wir Kai so oft vergeblich gesucht haben. dachte der Drachenritter. Wer kommt schon auf die Idee, ihn hier zu suchen? Schließlich weiß doch jeder wie abenteuerlustig Kai ist.

Es dauert nur wenige Augenblicke und auch Luk fielen die Augen zu, so beruhigend war die Umgebung.
 

Erst am Abend wurde Kai wieder wach. Schadow war bereits wieder verschwunden, aber der Nachtwolf kam und ging ja eh wie er wollte.

Nachdem Kai sich ausgiebig gestreckt hatte registrierte er das kaum überhörbare Schnarchen einer weiteren Person. Überrascht blickte Kai sich nach der Quelle des Geräusches um und entdeckte Luk auf der anderen Seite des Baumes.

Da könnte ich mir doch einen kleinen Scherz erlauben. dachte Kai.

Er kletterte auf den Baum, zog seinen Wasserschlauch hervor, zog den Stopfen heraus und goss Luk den Inhalt über den Kopf.

Luk schreckte auf und griff instinktiv nach seinem Dolch.

Kai konnte sich sein Gelächter nicht verkneifen.

Luk blicke nach oben-

"Du Mistkerl!" fauchte er. "Was fällt dir ein, mich so zu erschrecken?"

"Wieso?" fragte Kai heiter. "Wenigstens bist du nun wach, oder hab ich etwa Unrecht?"

"Haha! Sehr witzig. Jetzt komm erst einmal da runter!" Luk steckte seinen Dolch wieder in seinen Gürtel. "Oder ich komme hoch und hole dich!"

"Ist ja gut. Du musst nicht gleich ausfallend werden, Luk. Was willst du eigentlich hier?"

"Mit dir reden, aber es wäre mir lieber, dies von Angesicht zu Angesicht zu tun."

"Worüber?" Kai sprang ab und landete sicher auf den Füßen. "Was liegt dir auf der Seele?"

"Über dich, will ich reden. Ich und Kiddi haben, das Gefühl, dass du dich hier nicht wohl fühlst."

"Wie kommst du denn auf den Bolzen? Mir ist nur langweilig und ich spüre, dass in unserer einstigen Heimat etwas nicht mit rechten Dingen zugeht."

"Wurde die Stadt nicht vor drei Monaten wieder aufgebaut?"

"Das ist ja grade der Punkt? Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache."

"Ich weiß zwar nicht, was du da willst, aber ich bin schlau genug auf dein Gefühl zu vertrauen. Nur eins noch: Wenn deine Ahnung sich als falsch herausstellt, werde ich ungemütlich."

"Glaub mir, ich bin mir sicher. Da stimmt etwas nicht."

Luk und Kai gingen zu Kiddis Haus zurück und erzählten ihr von dem Entschluss der beiden Kriege.

"Dann geht ihr mal." sagte die Hexe. "Ich bleibe hier. Mir ist die Welt da draußen einfach zu gefährlich."

Verdutzt sahen sich Kai und Luk an, sagten aber nichts.

Am nächsten Morgen zogen sie los.

Luk trieb Shiva zum Abfliegen, aber der Drache weigerte sich. Also waren sie gezwungen auf dem Boden zu reisen. Um nicht aufzufallen durchquerten sie den Wald zu Fuß.

Kai war nervös. Mehrfach drehte er sich um.

Den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht liefen sie ununterbrochen.

Nur zum Essen und zum Schlafen rasteten sie.

Endlich nach zwei Wochen des Marsches erreichten sie ein offenes Feld, das die Stadt Draconia umgab.

Kais Nervosität ließ nun langsam nach und er konnte sich dazu durchringen, die Nacht auf dem Feld zu verbringen - ein Schachzug den sie noch bereuen sollten.
 

Mitten in der Nacht wurde Kai von merkwürdigen Geräuschen geweckt. Ohne darüber nachzudenken griff er nach Drachenzahn und weckte Luk.

"Was..." fragte Luk, doch Kai bedeutete ihm, still zu sein.

Verdutzt sah Luk seinen Gefährten an. Doch Kai starrte an Luk vorbei in die Finsternis.

Plötzlich brachen einige schwer gepanzerte Soldaten aus dem Schatten der Nacht. Zielstrebig kamen sie auf Kai und Luk zu.

Kai hob sein Schwert und begann auf die Gestalten einzuschlagen.

Verdammt, dachte er, ich kann bei dieser Dunkelheit kaum etwas sehen!

Sie packten Kai an den Armen und einer schlug ihm in den Bauch.

Luk wollte eingreifen, doch Kai hielt ihn mit einem Blick des Entsetzens gefesselt.

"Flieh, Luk!" schrie der Schwertmeister.

Luk schüttelte den Kopf.

"Nein!" rief er. "Ich lasse dich nicht im Stich, nicht schon wieder."

"Halt hier keine großen Reden Luk!" gellte Kai. "Wenn sie dich auch noch erwischen sind wir verloren!"

Luk verstand. Er stieß einen langgezogenen Pfiff aus und wartete.

Als der schwarze Drache gelandet war, sprang Luk auf seinen Rücken und Shiva sprang in die Luft.

Die Gestalten legten mit ihren Bögen an und schossen auf den sich schnell entfernenden Drachen. Doch sie verfehlten ihn. Lediglich zwei Pfeile trafen die empfindlichen Flügel.

Aus lauter Wut schlug einer der Soldaten Kai so stark in den Magen, dass er das Bewusstsein verlor.

"Kommt!" befahl er wutschnaubend. "Wir müssen zurück. Unser Auftrag ist hier erfüllt."

Die beiden, die Kais Arme umklammert hielten, schleiften ihn mit sich Richtung Norden.
 

Luk konnte Shiva nicht lange in der Luft halten. Der Drache strauchelte und schließlich stürzten sie ab. Als der Drache aufsetzte, wurde Luk von seinem Rücken geschleudert.

Der Drachenritter schlug hart mit dem Rücken gegen einen Felsen, verletzte sich jedoch nicht schwer. Er rappelte sich auf und taumelte zu Shiva hinüber.

Zu seiner Erleichterung war der Drache nicht verletzt. Endlich hatte er Zeit sich umzusehen. Er kannte den Ort. Hier war er vor einem Jahr auf Lorn getroffen.

Noch immer war der Boden an den Stellen verbrannt, wo das Blut des Drachen auf das Gras getropft war.

Luk schüttelte den Kopf. Er hatte keine Zeit, um in Erinnerungen zu schwelgen. Er hockte sich neben Shiva und versuchte den Drachen zu wecken.

Plötzlich vernahm er hinter sich ein leises Rascheln im Gebüsch, dann das Knacken eines brechenden Astes.

Luk fuhr herum, die Hand am Heft seines Schwertes.

"Wer ist dort?" rief er. "Zeigt Euch, wenn Ihr kein feiger Hund seid!"

Ein Mann von etwa Luks Größe kam aus dem Unterholz hervor. Das Gesicht des Kriegers war streng und er musterte Luk mit einer seltsamen Mischung aus Misstrauen und Freude.

"Ich grüße dich, Drachenritter." sagte der Fremde.

Jetzt erkannte Luk den Mann.

"Yakim, du?" fragte er verwirrt. "Was im Namen der Göttin machst du hier?"

"Ich?" entgegnete der Fewalli. "Was machst du hier?"

"Verdammt, Kai! Das hätte ich fast vergessen! Ich muss sofort zu Kiddi und ihr Bescheid geben."

"Wie? Was ist mit Kai?"

"Das zu erzählen, würde zu lange dauern und ich habe nicht viel Zeit. Nur so viel, Kai steckt in Schwierigkeiten."

Yakim sah erst Luk und dann seine Soldaten an, die nun nacheinander aus dem Wald traten.

Schließlich nickte er Luk zu und erklärte: "Ich werde dir helfen Kai zu befreien."

"Danke Yakim. Ich stehe in deiner Schuld. Doch was ist mit deinen Männern?"

"Sie werden nach Fewall zurückkehren."
 

König Sandro von Taog eilte durch die Korridore seines Schlosses in Richtung Kerker. Erst vor wenigen Minuten hatte man ihm mitgeteilt, dass der Junge Schwertmeister, Kai vom Nadelwald endlich in die Hände der taogischen Soldaten gefallen war. Nun also konnte Sandro dem Mann, der für den Tod von Lord Lorn verantwortlich war, gegenübertreten.

Er öffnete die Zelle, in der Kai stehend und an den Handgelenken angekettet eingesperrt worden war.

Er war voller Vorfreude darauf, den mächtigen Krieger zu sehen, über den er schon so viel gehört hatte. Doch als der König von Taog den bewusstlosen Jungen sah, konnte er kaum glauben, dass dieser Kerl ein Schwertmeister sein sollte.

Er trat vor den jungen Mann und rief: "Wacht auf!"

Kai öffnete die Augen und starrte in die braunen Augen des Königs. Wütend stellte sich der Waldwolf gegen die Ketten, merkte aber schnell, dass es keinen Sinn hatte.

"Was wollt Ihr von mir?" fragte Kai und musterte sein Gegenüber misstrauisch.

"Ihr müsst Kai vom Nadelwald sein." erkannte Sandro.

"Ja und? Wer will das wissen?"

"König Sandro von Taog."

"Und soll ich mich jetzt geschmeichelt fühlen?"

"Ihr seid wahrhaftig nicht in der Situation, um respektlos zu werden!"

"Nein? Glaubt Ihr etwa, dass ich mich vor jemandem respektvoll verhalte, der den Befehl gegeben hat, meine Heimat niederzubrennen und meinen Vater zu töten?"

"Ich glaube gar nichts. Tatsache ist, dass Ihr meinen besten Mann umgebracht habt."

"Ich habe lediglich Rache für jene genommen, die Ihr ermordet habt."

"Wenn Ihr so erpicht darauf seid, die Toten zu rächen, ist Euch doch sicherlich auch bekannt, wo sich die restlichen Überlebenden aus Draconia versteckt halten, oder?"

"Ich weiß nichts von weiteren Überlebenden."

"Nein? Davon bin ich nicht überzeugt."

"Ihr könnt machen, was Ihr wollt. Meinetwegen könnt Ihr mich sogar zu Tode foltern, denn ich kann Euch keine Informationen über etwas geben, dass mir unbekannt ist."

"Bedauerlich, dass Ihr das so seht." Sandro drehte sich zur Tür und rief seine Soldaten wieder herein. "Prügelt die Informationen aus ihm heraus."

Nach diesen Worten ging er durch die Zellentür und stürmte wutentbrannt die Korridore zu seinen Gemächern entlang.

Wie kann er es wagen, so mit mir zu reden? dachte er. Verdammt, ich bin der König und er hat mir Respekt zu zollen. Was erlaubt sich dieser Kerl? Ich bin doch wirklich nicht ein solcher Idiot, dass ich ohne Grund eine solch prächtige Stadt niederbrennen lasse. Ich hatte schon meine Gründe. Er tut ja grade so als sei ich ein Tyrann.

Er riss die Türen zu seinem Gemach auf und stürmte hinein.
 

Einer der Soldaten zog seinen Dolch und hielt ihn Kai an die Kehle.

"Antwortet! Wo sind die Flüchtlinge?" schrie er.

"Ich sagte bereits, dass ich es nicht weiß." entgegnete Kai. "Und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Euch nicht verraten."

"Falsche Antwort!"

Der Soldat fuhr mit der Klinge an Kais Körper herunter und stieß sie ihm in die Seite. Als der Taogi das Messer auf eine weitere >falsche Antwort< in der Wunde drahte, stieß Kai einen Schmerzensschrei aus.
 

Als Luk und Yakim Jetstar erreichten, drangen aus allen Ecken misstrauische Blicke zu dem Fewalli.

"Was haben die?" fragte Yakim unruhig.

"Verstehst du das denn nicht?" entgegnete Luk. "Du bist ein Soldat in voller Rüstung und das macht diese Leute nervös. Sie leben ihr Leben und wollen nichts mit Kriegern zu tun haben. Du hättest sie mal erleben sollen, als ich und Shiva hier aufgetaucht sind."

In der Dorfmitte zog der Drachenritter die Zügel seines Reittiers an, rutschte von seinem Rücken, ging auf eins der kleineren Häuser zu und hämmerte gegen die Tür.

"Kiddi, ich bin es: Luk!" schrie er. "Mach die Tür auf, es ist etwas Schreckliches passiert!"

knarrend öffnete sich die schwere Eichentür und Kiddi kam heraus. Sie musterte Luk misstrauisch.

"Was ist geschehen?" fragte sie besorgt. "Wo ist Kai?"

"Es...es geht um Kai." Luks Augen zitterten vor Entsetzen. "Er wurde gefangengenommen."

"Wie?" Kiddi packte Luk am Kragen. "Wer hat das getan? Sag es mir, Luk!"

Luk blickte an ihr vorbei. Er wagte nicht ihr in die Augen zusehen. Wie sollte er auch? Immerhin war er es gewesen, der Kai im Stich gelassen hatte.

"Luk!" rief Kiddi. "Sag es mir!"

"Er kann dir nicht sagen, was er nicht weiß." sagte Yakim, während er sich vom Rücken seines weißen Wallachs gleiten ließ. "Nach allem, was er mir erzählt hat, konnten weder er noch Kai ihre Angreifer erkennen."

"Wir müssen ihn aber befreien!" Kiddi war entschlossen, alles zu riskieren. "Ich werde nicht einfach die Hände in den Schoss legen und warten."

"Das ist mir klar. Doch wir wissen nicht wem er in die Hände gefallen ist."

Kiddi sah den Fewalli eine Weile lang ungläubig an.

"Dann finden wir es halt heraus." erklärte sie und drehte sich um.

"Nur wie?" fragte Luk so leise, dass die anderen es nicht hören konnten. "Nur wie?"

Kiddi kam wieder hervor und sagte: "Wollt ihr beide da draußen Wurzeln schlagen oder kommt ihr endlich ins Haus?"

Wortlos folgten ihr die beiden Männer ins Haus. Direkt hinter der Tür blieben sie stehen.

Behutsam schloss Kiddi die Tür hinter ihnen.

"Wie sollen wir herausfinden, wo er ist?" fragte Kiddi nach einer Weile. "Habt ihr eine Idee?"

Luk sah sie noch immer nicht an. Er starrte fortwehrend auf den Boden.

"Wir könnten den Spuren folgen." bemerkte Yakim. "Ist eigentlich ganz simpel. Wir brauchen nur die Stelle aufzusuchen, an der Luk und Kai auf die Fremden gestoßen sind und den Spuren zu folgen."

"Wenn da noch Spuren zu finden sind..." gab Luk leise zu bedenken.

"Ich bin mir sicher, dass wir noch Spuren finden." Yakim sah Luk besorgt an. "Und wenn nicht, weißt du doch sicherlich noch, in welche Richtung sie gegangen sind, oder?"

"Vielleicht, ich weiß es nicht genau."

"Lass es uns erst einmal ausprobieren, Luk." erklärte Kiddi und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Das ist immer noch besser als hier rumzusitzen."

Luk sah auf und nickte stumm.

"Dann wäre das ja geklärt." sagte Yakim.

Kiddi verschwand wieder in einem der Zimmer und kam wenig später mit einem prall gefüllten Rucksack wieder.

Luk und Yakim gingen durch die Vordertür nach draußen. Kiddi hingegen verließ ihr Haus nachdem sie die Vordertür abgeschlossen hatte durch die Hintertür, da sie zuvor noch ihre graue Stute aus dem Stall holen musste.
 

Mit vielen kleinen, stark blutenden Wunden stand Kai in seiner Zelle. Immer wieder versagten seine Beine, doch er zwang sich dazu, stehen zu bleiben, denn dies war die einzige Möglichkeit seine Handgelenke zu entlasten.

Sie waren bereits aufgeschürft von den Ketten und schmerzten wie die Hölle.

Wie so oft wurde die Tür geöffnet und wurde Kai vom einfallenden Licht geblendet.

Er zwinkerte und versuchte herauszufinden, wer dort in der Tür stand. Schließlich erkannte er die Person.

"Der König höchst persönlich." keuchte Kai höhnisch. "Soll ich mich nun davon geschmeichelt fühlen, dass Ihr hier seid, oder seid Ihr nur gekommen, um mir mitzuteilen, dass ich keinen weiteren Nutzen für Euch habe und Ihr mich aus dem Weg räumen wollt?"

"Lacht Ihr nur." erwiderte Sandro. "Ich habe Euch ein Angebot zu unterbreiten. Ein Angebot, dass Euer Geschick herausfordert."

"Und was ist, wenn ich ablehne?"

"Dann werdet Ihr in diesem Kerker verrotten. Also hört Ihr mir nun zu oder nicht?"

"Sagt schon, was wollt Ihr von mir?"

"Ganz einfach. Ich lasse Euch von hier fort, wenn Ihr meinen besten Mann in einem Kampf auf Leben und Tod besiegt."

"Bevor ich antworte, will ich noch eines wissen."

"Was?"

"Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel?"

"Nun, da Ihr selbst unter schlimmster Folter nicht sagen wollten, wo sich die Flüchtlinge verbergen, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Ihr es tatsächlich nicht wisst. Doch da ich Euch nicht einfach so gehen lassen kann - was Ihr sicher verstehen werdet - habe ich Euch die Chance gegeben, Euch freizukämpfen."

"Zu gütig."

"Macht Euch nicht über mich lustig, Waldwolf! Sagt mir stattdessen lieber, wie Eure Antwort lautet."

"Ich nehme an. Das ist immer noch besser als hier zu krepieren."

Sandro holte einen Soldaten herein und befahl ihm Kai die Ketten abzunehmen, seine Wunden zu versorgen und ihn in ein besseres Zimmer zu bringen - was ja nicht schwer war.

Nach kurzem Zögern befolgte der Soldat den Befehl.

Gestützt auf den gepanzerten Mann verließ Kai die Zelle, hinkte mehrere Treppen empor, einen Korridor entlang und schließlich in ein riesiges, großzügig ausgestattetes Zimmer.

Dort setzte der Soldat Kai auf die Bettkante und versorgte die Wunden. Dann legte er Kai behutsam aufs Bett und verließ den Raum.

Kai sah erst an die Decke, doch dann fiel ihm ein Schwert in einer weißen, goldbesetzten Scheide auf, neben dem ein kleiner Dolch in Elfenbeinscheide lag.

Dieses Zimmer ist also für mich eingeplant gewesen. dachte er. Dieser Trickser von einem König hat alles ganz genau gewusst. Er wusste, wie ich mich entscheiden würde. Wieso war ich ein solcher Tor und hab seine Absichten nicht erkannt?

Der junge Schwertmeister versuchte sich aufzusetzen, aber der hohe Blutverlust und die starke Erschöpfung waren so stark, dass Kai wieder rücklings auf sein Lager fiel.
 

Während Luk ihnen aus der Luft den Weg wies, sprachen Yakim und Kiddi über das, was sie bisher erlebt hatten.

Kiddi berichtete von dem Kampf gegen Lorn und wie Luk und Kai den Beschluss gefasst hatten abzureisen.

Yakim hingegen hatte nicht viel zu erzählen.

Nachdem sie sich im Wald getrennt hatten, waren er und seine Männer sofort wieder in sein Dorf geritten. Erst vor ein paar Tagen hatten sie es wieder verlassen, weil ihnen zu Ohren gekommen war, dass Lorn gefallen sei. Dann trafen sie auf Luk.

"Und den Rest kennst du ja." schloss Yakim seine Erzählung.



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