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Draußen im Schnee...

Und drinnen ist es wärmer (KaixRay) Kapitel 14 ist endlich da!!!!!! ^______^
von

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Lektion I: Wie man Eis schmilzt

Draußen im Schnee...

Und drinnen ist es wärmer
 

Es war Ende November, sehr kalt, windig und grau. In den Bergen Iwate lag bis zu fünfzig Zentimeter Schnee und es schneite unaufhörlich weiter. Zwischen dem Schneegestöber, vielen kahlen Bäumen, deren Äste mit der weißen Masse überlagert waren und den hohen Gipfeln des Gebirges, standen fünf junge Männer, eingepackt in dicke Jacken, Schals, Handschuhe und Mützen. Jeder von ihnen trug eine Reisetasche und alle blickten sie mehr oder weniger begeistert auf die große Hütte, vor der sie standen. Tyson, Max und Ray mehr, Kenny und Kai weniger.

"Wow.", sagte Ray staunend. "Die Hütte ist echt nicht übel."

"Nicht übel?!", schrie Tyson. "Die ist mehr als 'nicht übel'. Die ist der Hammer!! Woah, das werden Ferien! Hey, Max.", er drehte sich zu dem Blonden um. "Lass uns schnell auspacken und dann Skifahren, ja?"

"Tyson!", zischte Kai warnend und zog einen Schlüssel aus der Jackentasche während er den Blauhaarigen wütend fixierte. "Ich erkläre es dir zum letzten Mal: Wir machen hier keinen Urlaub! Wir sind hier zum Trainieren, klar?!"

"Och, menno.", nörgelte Tyson und blies beleidigt die Backen auf. Kai ignorierte ihn und stapfte Richtung Tür, um sie öffnen. Ray folgte ihm schnell, denn ihm war kalt. Er betrachtete staunend das Innere der Hütte während Kenny ebenfalls hastig die Hütte betrat und Dizzy fest an sich presste, als ob er sich dadurch Wärme erhoffte. Max stapfte ihnen lächelnd hinterher während Tyson eingeschnappt ein paar Flüche vor sich her grummelte, doch sich schließlich den anderen anschloss.

Ray lies seine Tasche vor sich auf den Boden plumpsen und betrachtete mit glitzernden Augen das große Wohnzimmer, welches direkt vor ihm lag. Es lag zehn Zentimeter tiefer als der Eingangsbereich und war somit über eine lange Treppenstufe erreichbar. Eine breite Fensterfront lag Ray direkt gegenüber am Ende des Raumes, wodurch er die zugeschneite weite Landschaft und die nahen Gipfel sehen konnte. Schneeflocken rieselten langsam gen Boden. Links an der Wand befand sich ein grandioser, offener weißer Kamin, vor welchem ein großes schwarzes Sofa und ein Sessel standen. Einiges Bücherregale und Bilder zierten die hellen Holzwände. Ray gefiel es. Sehr sogar.

Die Küche war über eine Tür erreichbar, die rechts in der Wand des Wohnzimmers lag und der zweite Stock über eine Treppe, welche rechts in Höhe des Eingangsbereiches lag.

Ray zog sich langsam seine Mütze und den Schal ab und hängte sie auf, wobei er sich noch immer beeindruckt umschaute. Die anderen taten es ihm gleich, außer Kai.

"Jetzt hört mir mal zu.", sagte er streng. "Damit das noch mal klar ist: Das ist kein Urlaub! Ihr geht jetzt hoch und packt aus! Ihr werdet euch beeilen und nicht trödeln!" Dabei schaute er Tyson an, welcher ungläubig mit dem Finger auf sich selbst deutete. "In zehn Minuten seid ihr wieder hier! Wer zu spät kommt, wird seine gerechte Strafe erhalten!"

Kai war sehr gereizt. Ray kannte den Grund nicht, doch das war nicht ungewöhnlich. Niemand verstand Kai richtig und niemand wusste genaueres über seine Gefühle und seine Gedanken. Das Beste in so einer Situation war einfach zu gehorchen, weshalb er sich schnell seine Tasche schnappte und die Treppe hoch ging. Schritte hinter ihm ließen ihn darauf schließen, dass die anderen ihm folgten. Ein breiter Flur tat sich am Ende der Stufen vor ihm auf. Auf jeder Seite befanden sich zwei Türen und am Ende spendete ein großes Fenster helles weißes Licht. Das fünfte Zimmer und das Bad lag auf der rechten Seite, etwas versteckt wie Ray fand, hinter dem Treppenansatz. Er sah sie erst, als er mitten im Flur stand.

Willkürlich wählte er das letzte Zimmer auf der rechten Seite und betrat es. Die plappernden, lachenden Stimmen seiner Freunde im Ohr.

Das Zimmer war im Gegensatz zu dem riesigen Wohnzimmer eher klein, doch groß genug für Ray. Auch hier oben gab es ein großes Fenster gegenüber der Tür, wodurch Ray die Landschaft genießen konnte. Er liebte den Schnee, er liebte es wie alles weiß war und glitzerte, obwohl der Himmel grau und trist war, er liebte die ganze Atmosphäre, wenn er die Schneeflocken langsam an der breitem Glasscheibe vorbei rieseln sah und er liebte den Kontrast zwischen dem weiß und dem dunklem Braun, fast Schwarz der Bäume.

Er riss sich eilig von dem Anblick los, Kais Worte im Hinterkopf.

Schnell räumte er die Sachen von seiner Reisetasche in den Schrank rechts an der Wand und zog sich um. Danach ging er wieder hinunter, durchquerte das Wohnzimmer - wobei er sich ebenfalls von Anblick losreißen musste, der sich ihm bat, als er aus dem Fenster sah - und betrat die Küche. Sie war auch recht groß, besaß aber zwei normalgroße Fenster, eines gegenüber der Tür und eines links davon. Unter dem Fenster befand sich die Spüle und daneben einige Schränke, sowie der Backofen und Herd. Rechts stand ein großer Tisch mit sechs Stühlen. An einem davon saß Kai und starrte aus dem Fenster gegenüber von ihm. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos, einzig seine roten Augen zeigten ein wenig Verbissenheit. Er ignorierte Ray, schaute noch nicht einmal auf, als er die Küche betrat.

Der Schwarzhaarige war dieses Verhalten gewöhnt, weshalb er es kaum noch richtig wahrnahm.

"Hast du Hunger?", fragte er und öffnete den Kühlschrank, um den Inhalt zu überprüfen.

"Wir wollen in zwei Minuten los!", antwortete Kai patzig. "Da bleibt keine Zeit mehr zum Essen."

Zufrieden ob des gefüllten Kühlschrankes richtete sich Ray auf und schaute Kai einfach nur an, während er sich an die Ablage lehnte und die Arme neben sich abstützte.

"Es sagt doch niemand, dass wir in zwei Minuten los müssen.", sagte er ruhig. "Ich kann doch noch schnell vorher was zu Essen machen und wir fangen halt eine halbe Stunde später mit dem Training an."

Ray musste allerdings schkucken, als er auf Kais finsteren, zornigen, aber vor allem vorwurfsvollen Blick traf.

" Ich hab gesagt, dass wir in zwei Minuten los gehen!", zischte er und deutete mit dem Finger auf sich. "Und was ich sage, wird gemacht, klar?!"

"Schon gut.", seufzte Ray. "Habs ja nur gut gemeint." Er ließ sich gegenüber seines Teamchefs nieder und stützte den Kopf in die Handflächen, den Blick auf Kai gerichtet, welcher ausdruckslos zurückstarrte.

Sie verharrten einige Sekunden so.

"Ein Penny für deine Gedanken.", lächelte Ray plötzlich, woraufhin Kai die Stirn runzelte und ihn irritiert anschaute. Er gab ihm keine Antwort.

Danach schwiegen sie einen Augenblick.

"Hier oben gibt es doch keine Lawinen, oder?", fragte Ray dann völlig ohne Zusammenhang.

Kai blinzelte verwirrt und brummte.

"Glaubst du wirklich, dass ich hier hin fahren würde, wenn Lawinengefahr bestände?", fragte er patzig.

Ray lächelte daraufhin.

"Nein, war nur so ein Gedanke.", erwiderte er und hoffte, dass Kai mit seiner Aussage meinte, dass er sein Team nicht in Gefahr bringen würde. Plötzlich war Gepolter zu hören, als schnelle Schritte die Treppe herunterkamen. Stimmen drangen zu ihnen in die Küche, Max lachte. Noch bevor die anderen den Raum betreten hatten, war Kai aufgestanden und hatte prüfend auf die Uhr geschaut.

"Ich mach dich fertig, Max.", hörte Ray Tyson lachen.

"Davon träumst du!", erwiderte Max und betrat die Küche. "Ich seif dich ein, dass du wie ein Schneemann aussiehst!"

"Niemand seift hier irgendjemanden ein!", mischte sich Kai streng ein. "Außerdem seid ihr eine halbe Minute zu spät!"

"Außerdem seid ihr ein halbe Minute zu spät.", äffte Tyson ihn nach, als er im Türrahmen erschien, woraufhin er einen drohenden Blick und eine geballte Faust erhielt.

"Lasst uns keine Zeit mehr verlieren!", zischte Kai und zwängte sich zwischen Max und Tyson, und an Kenny vorbei. Ray folgte ihm seufzend.
 

~oOo~
 

"Kai!", quengelte Tyson nach drei Stunden Training. "Mir ist kalt. Können wir nicht heim gehen?"

"Nein.", widersprach Kai reflexartig, "Können wir nicht. Mach weiter."

Tyson ergab sich beleidigt und widmete sich wieder seinem Kampf mit Max. Der Schnee zwischen ihnen war mittlerweile aufgewühlt und es bildete sich immer wieder ein kleines Schneegestöber, wenn die beiden Blades aufeinander knallten oder durch die weiße Pracht rasten.

Die Gesichter aller Blader waren rot von der Kälte, die Lippen rau. Kenny stand abseits, presste Dizzy an sich und schlotterte vor Kälte, seine Beine traten unruhig auf der Stelle. Ray blickte besorgt zu ihm.

"Kai?", fragte er. "Kann Kenny nicht zurück zur Hütte? Er erfriert noch."

Kai folgte Rays Blick, schien zu überlegen, doch nickte dann leicht.

"Von mir aus.", brummte er, woraufhin er verwirrt von Ray gemustert wurde. Er hatte nicht mit einer positiven Antwort gerechnet.

"Kenny.", rief er dann, ohne Kai aus den Augen zu lassen. "Du darfst gehen."

"Was?", piepste der Braunhaarige irritiert und blinzelte.

"Du darfst zurück zur Hütte.", wiederholte Ray in Kennys Richtung gewandt und lächelte.

Kenny blickte fragend zu Kai, welcher desinteressiert zurückstarrte und dann zu Ray. Dieser lächelte noch immer und nickte.

"Endlich.", seufzte Kenny. "Meine Finger sind schon seit einer Stunde taub."

Mit diesen Worten lief er los, so schnell wie es ihm bei dem hohen Schnee möglich war.

"Hey!", protestierte Tyson laut. "Das ist unfair! Warum darf Kenny gehen und ich nicht?!"

"Weil du ein Idiot bist!", fauchte Kai. Währendessen betrachtete Ray seine Hände, versuchte sie zu Fäusten zu ballen, was ihm nicht gelang. Sie waren steif, taub und kalt.

"Das ist kein Grund!", wandte Tyson ein.

"Du gibst also zu, dass du einer bist.", grinste Kai herablassend. Ray versuchte seine Hände gerade zu strecken, was ihm ebenfalls nicht gelang.

"Das hab ich nicht gesagt.", schrie Tyson trotzig.

"Jetzt hört doch auf, euch zu streiten.", mischte Max sich ein und fing seinen Blade auf, während Tysons verlassen durch den Schnee wirbelte.

"Halt dich da raus!", zischte Kai drohend. Ray betrachtete seine Hände, dann Kai.

"Kai?", fragte er.

"Einer muss Tyson doch mal sagen, dass er ein Volltrottel ist!", brüllte Kai, ignorierte Ray, oder bemerkte ihn gar nicht.

"Kai?", fragte der Schwarzhaarige erneut. Dieses mal etwas lauter.

"Der ist doch nur zu faul zum Trainieren, die faule Ratte!", wetterte Kai weiter.

"Bin ich nicht!", widersprach Tyson. "Mir ist nur kalt und ich hab sooo einen Hunger!"

"Kai?!", rief Ray dazwischen, woraufhin dieser endlich zu ihm herumwirbelte und ihn wütend anfunkelte.

"Was?!", schrie er, woraufhin Ray zusammenzuckte. Kais Blick veränderte sich, wurde weicher, aber nur kurz.

"Können wir es für heute nicht wirklich mal beenden?", fragte Ray dann ernst,wenn auch ein wenig scheu. "Es wird bald schon dunkel, außerdem ist es wirklich kalt und wir sind heute doch erst angekommen."

"Herrgott!", brüllte Kai, sein Körper bebte vor Wut. "Du jetzt auch noch! Ihr kotzt mich alle an! Aber echt! Macht doch, was ihr wollt!!"

Er klang fast ein wenig verletzt und drehte sich um, um zu verschwinden, doch Ray war schneller und stellte sich ihm in den Weg.

"Mensch, Kai.", sagte er entschuldigend. Seine bernsteinfarbenen Augen schauten ihn ruhig an. "Es hat niemand gesagt, dass wir nicht trainieren wollen.", erklärte er. "Uns ist einfach nur kalt. Mir geht's genau wie Kenny: Ich spür meine Hände schon nicht mehr."

Um seinen Worten Nachdruck zu geben hielt er Kai seine Hand entgegen und ballte sie zur Faust, wobei ihm dies nur halb gelang. Er konnte sie nicht völlig schließen. Kais Blick folgte dieser Aktion, seine Miene entspannte sich ein wenig, dann schaute er Ray in die Augen, schien etwas zu suchen.

"Und du verarschst mich auch nicht?", fragte er misstrauisch.

"Warum sollte ich?", erwiderte er Schwarzhaarige empört, wobei er nicht verhindern konnte, dass seine Stimme ein wenig verletzt klang, dass er ein wenig verletzt war . Es tat weh, dass Kai dachte, dass er ihn anlügen würde, was etwas war, was Ray nie tun würde und noch nie getan hatte.

Kai entging Rays Unterton. Stattdessen widmete er sich seiner eigenen Hand und versuchte sie ebenso zur Faust zu ballen. Er schaffte es auch nicht und als er sich bewusst auf das Gefühl in seiner Hand konzentrierte, stellte er fest, dass dort keines mehr war.

"Ok.", brummte er schließlich gereizt. "Gehen wir."

Damit machte er sich auf den Weg und ließ drei verwirrte Blader zurück, die sich fragende Blicke zuwarfen. Als sich Max und Tyson schulterzuckend in Bewegung setzten, hastete Ray Kai hinterher, stolperte einmal in dem hohen Schnee, doch konnte sich noch fangen.

"Wir haben doch heute wirklich genug trainiert, Kai.", sagte er entschuldigend, als er zu ihm aufgeschlossen hatte. "Und selbst du musst zugeben, dass wir uns Mühe gegeben haben. Obwohl wir heute kein Mittagessen hatten."

"Hn.", war Kais einzige Antwort, woraufhin Ray leise seufzte.

Er senkte den Blick und betrachtete seine schwarzen Schneestiefel, die fast völlig im Schnee versanken. Er drang einfach nicht zu Kai durch und das beschäftigte ihn, machte ihn traurig. Sehr sogar.

Als er seine Augen wieder auf Kai richtete, bemerkte er verwirrt, dass Kai ihn von der Seite her anstarrte. Ausdruckslos.

"Ich würde dich nicht anlügen.", sagte Ray aus einem Impuls heraus. "Ich..."

Dann stolperte er.

Allein Kais guten Reflexen war es zu verdanken, dass er nicht mit dem Gesicht im Schnee landete, denn dieser packte ihn blitzschnell an der Jacke und zog ihn wieder in eine aufrechte Position. Dann ging er weiter. Wortlos.

Ray blieb wenige Sekunden lang einfach stehen und starrte Kai hinterher. Er war vollkommen durcheinander und er wusste noch nicht einmal warum...

Dann ging ein Ruck durch sein Gesicht und er hastete seinem Teamchef wieder hinterher.

"Danke.", murmelte er, als er ihn erreichte.

"Hn.", war die einzige Antwort.

Den restlichen Weg legten sie schweigend zurück, das Lachen und Herumalbern von Tyson und Max im Ohr.

Als sie die Hütte betraten, saß Kenny, in eine dicke Decke eingewickelt auf dem Sofa und starrte in den dunklen Kamin. Als er sie hörte, blickte er auf.

"Was macht ihr denn schon hier?", fragte er irritiert.

"Wir konnten Kai überzeugen, dass wir genug trainiert haben.", antwortete Ray während er seine Sachen aufhängte und seine Schuhe auszog. Kai schwieg und tat es ihm gleich.

"Kalt hier drin.", stellte Ray dann fest und rieb seine Handflächen aneinander. "Warum hast du den Kamin denn nicht angemacht?"

"Ich habs ja versucht.", antwortet Kenny verlegen, woraufhin Kai nur mit den Augen rollte.

"Also ich will ja nicht behaupten, dass ich auch nicht weiß wie man das macht.", sagte Ray gespielt gelangweilt zu Kai. "Aber...", er nickte nachdenklich. "Doch so ist es.", er lächelte. "Würdest du dann bitte?"

Kai antwortete nicht, sondern marschierte geradewegs auf den Kamin zu, und begann damit ihn anzuzünden. Ray betrachtete ihn schmunzelnd und ging dann geradewegs in die Küche, um Teewasser aufzusetzen. Ihm war kalt, sein Körper regelrecht durchgefroren, seine Gliedmaßen steif und eisig. Aber er hatte keine Gänsehaut und er zitterte nicht. Ihm war einfach nur kalt. Während er darauf wartete, dass das Wasser kochte, hörte er wie Max und Tyson die Hütte betraten. Sie waren laut und lachten viel.

Wenige Sekunden später stellte sich ein stetiges Knistern als Hintergrundgeräusch ein, als das Feuer im Kamin zu lodern begann.

Ray suchte in de Schränken nach vier Tassen und einem Tablett, was er schließlich im letzten Schrank fand, den er durchsuchte. Er hängte in jede Tasse einen Teebeutel und stellte sie auf das Tablett. Als der Kessel anfing zu pfeifen, nahm er ihn vom Herd, schaltete diesen aus und richtete den Tee an, welchen er den anderen brachte, die in Decken gewickelt vor dem weißen Kamin saßen, selbst Kai. Ein angenehm warmes Licht durchflutete den Raum und tauchte die Gesichter seiner Freunde in weiche Konturen. Je näher er dem Feuer kam, desto wärmer wurde die Luft.

"Ich hab euch Tee gemacht.", lächelte Ray und stellte das Tablett auf den Rechten der beiden Tische, die an jedem Ende des Sofas standen. Kai saß in dem Sessel rechts davon und schaute Ray erneut ausdruckslos, aber intensiv an.

"Nehmt euch.", fügte Ray hinzu, wobei er Kai verwirrt betrachtete. Ihm wurde warm.

"Ich hab so Hunger, Ray!", sagte Tyson plötzlich und versuchte traurig zu schauen. "Machst du mir was?"

Ray lächelte.

"Klar. Das hatte ich eh gerade vor."

Er verschwand wieder in die Küche, doch dort war es um einiges kälter als im Wohnzimmer, wo der Kamin brannte und Wärme spendete. Er fröstelte aufgrund dieses Temperaturunterschiedes, doch begann seufzend die Zutaten für das Abendessen herauszusuchen. Seine Finger zitterten als er versuchte eine Tüte Nudeln zu öffnen.

"Na, kalt?", fragte plötzlich eine eisige Stimme.

Ray zuckte zusammen und wirbelte herum. Kai stand im Türrahmen und starrte ihn an. Er sah wütend aus.

"Ein wenig.", antwortete Ray ehrlich, doch schluckte und versuchte seine klopfendes Herz zu beruhigen, wobei er sich wunderte, dass er sich so sehr erschreckt hatte.

"Selbst schuld.", zischte Kai und verschwand.

Ray blickte ihm ratlos hinterher, schüttelte dann den Kopf und seufzte. Seltsamerweise hatte er sich gewünscht, dass Kai noch bleiben würde, er war gerne in seiner Nähe. Er schüttelte den Gedanken ab und versuchte erneut die Tüte Nudeln zu öffnen, was ihm schließlich doch noch gelang. Er stellte sie neben den Herd und setzte Wasser auf, als er leise Schritte hörte.

Er drehte sich zur Tür, durch welche Kai gerade eintrat, die Tasse Tee in der Hand. Er fixierte Ray mit seinen roten Augen und stellte die Tasse vor ihm auf die Ablage. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging, nur kurz bevor er den Raum verließ, schaute er noch einmal hinter sich. Sein Blick war nachdenklich.

Ray starrte von der Tasse zu Kai, wieder zu der Tasse und zurück zu Kai.

"Warte.", rief er dann. "Das ist doch dein Tee. Magst du ihn nicht?"

Kai blieb stehen, doch drehte sich nicht um.

"Trink du ihn.", antwortete er trocken. "Du kannst was Warmes gebrauchen."

"Danke.", murmelte Ray, dann saß Kai auch schon wieder vor dem Kamin.

Der Schwarzhaarige blickte auf die dampfende Tasse und trank zögerlich einen Schluck, Kai zuliebe. Dann setzte er erneut Teewasser auf. Während er wartete, dass dieses oder das Nudelwasser kochte, dachte er nach. Kai benahm sich in letzter Zeit echt...seltsam. Und wenn er genauer drüber nachdacht nur ihm gegenüber und vor allem dann, wenn sie unter sich waren, wenn sie... allein waren.

In Gedanken versunken kramte er einen kleinen Topf heraus und begann damit, die Soße herzurichten. Kai verhielt sich ja fast so, als ob er sich sorgen würde...

Als ob er ihn mögen würde...

Ray lächelte und schaute aus der geöffneten Küchentür zu dem Blaugrauhaarigen, welcher wieder rechts in dem Sessel saß, sodass er sein Profil sehen konnte. Dann senkte Kai plötzlich den Blick, seine Augen wanderten nach links und fast in Zeitlupe drehte er den Kopf nach und blickte Ray an. Dieser schluckte und lächelte schüchtern. Kai starrte einfach zurück, sodass der Chinese schnell den Blick abwendete und sich dem Essen widmete. Der Teekessel begann zu pfeifen und Ray kramte schnell eine Tasse und einen Teebeutel aus dem Schrank. Sein Blick wanderte wie von alleine wieder zu Kai.

Er schaute immer noch und es schien Ray fast so, als ob er ihn beobachten würde. Nervös wandte er sich ab und goss das kochende Wasser ein. Als er den Blick wieder hob, hatte Kai seinen Blick dem Kamin zugewandt. Während er sich auf der Unterlippe herumkaute, nahm er die Tasse und betrat das Wohnzimmer.

Max und Tyson alberten mit Kenny herum und Kai ignorierte sie gekonnt, alles wie immer.

Als Ray näher kam wurde er vom seinem Teamcaptain wieder fixiert, woraufhin er unsicher lächelte und ihm dann die Tasse reichte.

Kai machte keine Anstalten sie an sich zu nehmen.

"Ich hab doch gesagt, dass du sie trinken sollst.", brummte er und wirkte fast beleidigt.

"Ja, ich weiß.", erwiderte Ray. "Sie steht ja auch noch in der Küche. Ich hab dir eine neue gemacht." Er hielt ihm Tasse etwas nachdrücklicher entgegen, woraufhin Kai sie verwundert an sich nahm. Er nickte Ray zu, was soviel wie 'Danke' bedeuten sollte.

Danach verschwand der Chinese wieder in die Küche, trank seinen bzw. Kais Tee (er musste lächeln bei diesem Gedanken), bereitete die Nudeln zu und rief die anderen in die Küche als er fertig war. Das Essen verlief ruhig, oder zumindest normal, was bedeutete, dass Tyson mit vollem Mund dumme Witze riss und Max laut darüber lachte, während Kenny und Ray sich nur ab und an in die Gespräche einklinkten und Kai schwieg.

Das einzige Ungewöhnliche war, dass Rays Blicke immer wieder ganz von alleine zu dem Russen wanderten, wo sie fast jedes mal erwidert wurden.
 

~*~*~*~*
 

So, dat wars. hoffe, es hat euch gefallen *nervös ist*

wenn dies der fall sein sollte, hinterlasst mir bitte einen kommi, dann gibt es auch schnell ein neues kapitel ^^
 

machts jut

astin =:)
 

p.s:

Kleine Vorschau auf das zweite Kapitel:

Lektion II: Warum man sich keine Sorgen machen sollte.

[...]Nach den ersten paar Sekunden, wo Ray sich fragte, was er falsch gemacht hatte und versuchte das Gefühlswirrwarr von Wut und Gekränktheit in den Griff zu bekommen, sprang er Kai eine Stufe hinterher.[...]

Lektion II: Warum man sich keine Sorgen machen sollte

Draußen im Schnee...
 

Kapitel 2:

Als es langsam dämmerte saßen die Bladebreakers alle im Wohnzimmer und spielten Karten, mir einer Ausnahme. Kai hatte sich nach dem Essen in seinem Zimmer verkrochen und war seitdem auch nicht mehr dort herausgekommen. Es war nichts Ungewöhnliches, dass sie einen Abend ohne Kai verbachten, aber je länger sie ein Team waren, desto mehr wünschte sich Ray, dass ihr Teamchef sich ihnen mehr öffnete und sich ihnen mehr anschloss.

Er ertappte sich während des Spielens auch immer wieder dabei, wie er zu der Treppe schaute. Schaute, ob Kai herunter kam, doch das Bild blieb das Gleiche: Nur Stufen. Leere Stufen, kein Kai.

"Hey.", flüsterte Tyson plötzlich verschwörerisch. "Wie wärs, wenn wir morgen alle das Training sabotieren?"

Max runzelte skeptisch die Stirn.

"Ich weiß nicht.", antwortete er unentschlossen. "Kai ist in letzter Zeit so gereizt. Das wäre bestimmt keine gute Idee."

"Aber das ist doch doof!", nörgelte Tyson. "Jetzt sind wir schon mal hier, in nem Skigebiet! Überall ist Schnee und dann haben wir kein bisschen Freizeit."

"Und wie nennst du das, was wir hier gerade haben?", fragte Ray, zog eine Karte und schaute Tyson herausfordernd an.

Tysons Mund öffnete und schloss sich ein paar mal, dann grummelte er.

"So war das gar nicht gemeint!", widersprach er. "Jetzt ist es schon fast dunkel, da kann man doch nichts mehr machen außer drinnen zu hocken. Ich will Nachmittags Freizeit!"

"Kai hat aber gesagt, dass wir zum Trainieren hier sind.", erwiderte Ray während er nachdenklich seine Karten betrachtete. "Ich glaube, damit müssen wir einfach zurecht kommen. Immerhin wussten wie das auch von Anfang an."

"Ach, vielleicht lässt sich Kai ja noch zu ein oder zwei freie Tage überreden.", lächelte Max zuversichtlich. "Immerhin durften wir heute auch schon früher gehen."

Tyson besah sich skeptisch seine Karten.

"Früher.", brummte er sarkastisch. "Schon nach drei Stunden Training. Da hatten wir ja richtig Glück..."

Ray lächelte amüsiert, doch sein Lächeln verschwand schlagartig, als sein Blick wieder von alleine zu der Treppe wanderte, denn dieses mal waren die Stufen nicht leer. Kai kam lautlos wie eine Katze dort herunter, sein Blick suchte sofort Rays, als er unten ankam. Dieser schluckte und wunderte sich über das nervöse Kribbeln in seinem Bauch. Er beobachtete verwirrt wie Kai seine Jacke, Schuhe und Schal anzog, seine Handschuhe schnappte und die Tür öffnete.

"Kai?", rief er, woraufhin dieser sich langsam umdrehte und Ray fragend musterte.

"Wo willst du denn hin?"

"Raus.", brummte er.

"Ich weiß.", erwiderte Ray stirnrunzelnd. "Aber wieso denn? Es wird schon dunkel."

"Ich denke, das geht dich nichts an.", knurrte Kai und verließ die Hütte.

"Und dann willst du den um einen freien Tag bitten!", meinte Kenny mit fast ängstlicher Stimme zu Tyson.

"Das hab ich nie gesagt!", protestierte Tyson. "Ich wollte mir den freien Tag einfach nehmen!"

"Noch schlimmer.", murmelte Kenny als Antwort.

Rays Blick war noch immer auf die Tür gerichtet, aus welcher Kai verschwunden war. Er war enttäuscht, das konnte er nicht leugnen. Enttäuscht, dass Kai nicht mit ihnen Karten spielen wollte, enttäuscht, dass Kai einfach abhaute, und enttäuscht, dass Kai ihm nicht vertraute.

Es ginge ihn nichts an... Was hatte der Russe da draußen denn vor?

Ein leiser Knall ertönte im Kamin und ging schließlich in dem anhaltenden Knistern des Feuers unter.

Ray wurde dadurch wieder zurück in die Realität geholt und seufzte. Er wendete seinen Kopf wieder seinen Karten zu, doch bizarre Gedanken begannen sich langsam in seinen Kopf zu fressen. Ganz langsam...
 

Um halb Zehn gingen sie alle ins Bett, doch die bizarren Gedanken hatten in Rays Kopf die Überhand gewonnen. Während er unruhig im Bett lag, schickten sie ihm Bilder zu. Bilder von Kai. Doch keineswegs positiv, sondern ganz im Gegenteil. Es waren schreckliche Bilder, beängstigende und sie traten in solch einer Reinform auf, dass Ray anfing zu frösteln.

Kai wie er orientierungslos durch den Wald lief. Durchgefroren, am Ende seiner Kräfte und mit blauen Lippen. Kai wie er einen Abhang hinunterfiel und am Ende mit aufgeschlagenem Kopf regungslos liegen blieb. Der Schnee getränkt von Blut Kai wie er plötzlich von Wölfen umringt war, welche ihn mit gierigen Augen fixierten, bereit ihn anzugreifen. Fast konnte Ray ihr Kläffen und Knurren hören.

Gab es hier überhaupt Wölfe?

Unwichtig.

Tatsache war, dass Ray sich Sorgen machte, schreckliche Sorgen. Es war nicht so, dass Kai tollpatschig war oder nicht in der Lage, auf sich selbst aufzupassen, aber es war dunkel, was die Chance eines Unfalls erhöhte und es war kalt, was die Auswirkungen eines Unfalls verschlimmerte. Was machte Kai überhaupt noch da draußen?

Da gab es doch nur Schnee und Dunkelheit.

Ray seufzte und drehte sich auf die rechte Seite. Er schloss die Augen, doch öffnete sie sofort wieder als er dachte ein Geräusch gehört zu haben. Er lauschte in die Stille.

Nichts.

Er begann nervös auf der Unterlippe zu kauen und begann zu grübeln, drehte sich dann kurzerhand um und sprang aus dem Bett. Leise schlich er ins Wohnzimmer. Der Kamin glimmte noch ein wenig, aber es war schon wieder recht kühl. Bei einem Blick aus dem Fenster stellte Ray erleichtert fest, dass es wenigstens nicht schneite und dass der Vollmond genügend Licht spendete. Trotzdem machte er sich Sorgen.

Auch wenn er wusste, dass das vollkommen schwachsinnig war, denn erstens ging Kai in letzter Zeit öfters spät Abends noch aus dem Haus und kehrte noch später erst wieder zurück, zweitens war er eigentlich alt genug, um auf sich selbst aufzupassen und drittens war es unwahrscheinlich, dass gerade heute etwas passierte, gerade an dem Tag, an dem Ray nicht beruhigt in seinem Bett schlafen konnte, aber nicht an allen anderen Tagen, wo er es konnte während Kai sich wer weiß wo herumtrieb.

Ray seufzte erschöpft.

Aber das hier war anders, immerhin waren sie in den Bergen. Wo sollte er da schon hin?

Das nächste Dorf war bestimmt etwas weiter weg, was bedeutete, dass Kai entweder einen langen Fußmarsch auf sich nahm oder die komplette Zeit draußen verbrachte. Beides gefiel Ray ganz und gar nicht. Denn es würde bedeuten, dass er einen langen Zeitraum in der Kälte verbringen müsste. Im Schnee.

Schnee, der kalt und rutschig war. Schnee der einen in Form einer Lawine sogar ersticken konnte.

Ray erschauderte und rief sich bewusst Kais Worte in den Sinn, dass es hier keine Lawinen gäbe. Warum ging die Phantasie auch immer in solchen Situationen mit einem durch?

Er empfand es für besser sich abzulenken und die fürchterlichen Vorstellungen abzuschütteln. Auf die Idee wieder zurück ins Bett zu gehen, kam er nicht, er dachte noch nicht einmal daran. Es war nicht nur so, dass er sich sicher war, dass er, bevor Kai nicht wieder da war heute sowieso keinen Schlaf finden würde, sondern auch, dass er auch zum Wohle Kais aufbleiben wollte, denn falls ihm wirklich etwas passiert sein sollte - was in der Tat möglich war - dann wäre es besser, wenn Ray um drei Uhr los ging, um ihn zu suchen, und nicht erst morgens um acht oder neun. Folglich nahm sich Ray vor zu warten und sich währenddessen abzulenken, indem er aufräumte.

Er schüttelte die Kissen auf dem Sofa auf, wischte die Pfützen ihrer Schneeschuhe fort, kehrte in der Küche, rückte die Stühle zurecht, wischte den Tisch ab, räumte das Kartenspiel, was sie liegen gelassen hatten ordentlich weg, putzte vor dem Kamin den Ruß fort, schüttelte erneut die Kissen auf und machte sich dann einen Tee.

Um Zwölf saß er schließlich auf dem Sofa, drehte die Tasse nervös zwischen den Händen und starrte auf die Uhr, die rechts neben dem Kamin hing. Sie tickte leise und langsam.

Tick...tack...tick...tack.

Ray seufzte, blickte ungeduldig zur Tür, dann wieder zur Uhr, wo er feststellte, dass gerade mal wenige Sekunden vergangen waren. Er trank einen großen Schluck des Tees und begann mit dem Fuß zu wippen.

Er war unruhig, eine innere Rastlosigkeit überfiel ihn von Minute zu Minute mehr und mehr und die Bilder ließen sich immer schwerer verdrängen und ignorieren. Als es zuviel wurde, knallte er die Tasse neben sich auf den Tisch, stand auf und tigerte nervös durch das Wohnzimmer, machte immer mal wieder Rast vor der großen Fensterfront und hoffte, dass er in der Ferne jemanden erkennen würde, der auf die Hütte zulief. Jemand mit weißem Schal, graublauen Haaren und auffälligen, aber unverwechselbaren blauen Streifen im Gesicht. Jemand, der Kai hieß...

Doch da war niemand und es kam auch niemand durch die Tür, die Ray immer wieder nervös und durchdringend anstarrte. Es war zum Verrücktwerden.

Zu den Sorgen kam noch, dass Ray sich seit einigen Minuten sehr intensiv fragte, warum er sich überhaupt welche machte. Klar, er mochte Kai und es war klar, dass er sich um diejenigen sorgte, die ihm etwas bedeuteten, aber er kannte Kai auch. Er war niemand, um den man sich sorgen musste. Warum also stellte sich sein Verstand so gegen ihn und handelte gegen jegliche Rationalität?

Warum war seine Angst, dass Kai etwas zustieß so groß, dass sie geradezu unlogisch war?

Ray kam zu keinem Ergebnis, doch er grübelte weiter und wartete weiter.

Grübelte und wartete und wartete und grübelte. Solange bis er schließlich auf dem Sofa einschlief.
 

~oOo~
 

Ein Geräusch ließ Ray aufschrecken. Sein erster verklärter Gedanke war, wie blöd er war, eingedöst zu sein. Doch als er Holz über Holz schaben hörte, war er sofort hellwach, und sprang vom Sofa auf. Sein Blick wanderte zur Uhr (zwei Uhr, dachte er erschrocken) und dann zur Tür, die sich langsam öffnete.

Kai kam hindurch, zu Rays Erleichterung unverletzt, er machte lediglich einen müden Eindruck. Seine Wangen und Nase waren rot und seine Lippen bläulich, aber er war gesund. (Hast du wirklich was anderes erwartet?, dachte Ray.)

Auf seinen Haaren glänzten Schneekristalle, die innerhalb von Sekunde zu schmelzen begannen. Als Kai Ray entdeckte veränderte sich seine Miene schlagartig und er starrte ihn gleichermaßen überrascht wie misstrauisch an. Der Schwarzhaarige stand etwas verloren im Wohnzimmer und starrte mit einer Mischung aus Freude und Sorge zurück..

"Du bist noch wach?", brummte Kai und schloss die Tür.

"Wo bist du gewesen?", fragte Ray besorgt und überging Kais Frage.

"Ich denke, ich habe dir schon gesagt, dass es dich nichts angeht, oder?!", antwortete Kai genervt. "Also nerv mich nicht weiter!"

Mit diesen Worten drehte er sich um und stapfte die Treppe hoch.

Ray blinzelte verwirrt und blickte ihm nach, dann senkten sich seine Augenbrauen, seine Miene verspannte sich trotzig.

"Du bist so ein Idiot!", rief er ihm mit gedämpfter Stimme hinterher und stolperte ihm nach. Am Ende der Treppe blieb er stehen und schickte Kai, welcher sich auf der Hälfte der Treppe umgedreht hatte und ihn wütend anstarrte, einen beleidigten Blick.

"Schon mal gemerkt, Mr. Teamcaptain?!", begann er mit gekränktem, aber aufgebrachtem Ton. "In deinem Titel steckt das Wörtchen 'Team' drin! Soll ich dir etwa erklären, was das bedeutet?"

Kai rollte mit den Augen und er machte kurz den Anschein, als ob er sich einfach umdrehen und gehen würde, doch er blieb, starrte angespannt an die Wand und atmete einmal laut aus. Dann wanderte sein Blick wieder zu Ray.

"Das hat nichts miteinander zu tun!", erklärte er schließlich bissig. Seine roten Augen waren durchzogen von Kälte.

"Und wie viel das miteinander zu tun hat!", widersprach Ray bitter. "Ich bleibe extra auf und warte bis du kommst und du gibst mir noch immer keine Antw..."

"Darum geht's dir also?!", unterbrach in Kai barsch und kam einen drohenden Schritt die Treppe herunter. Seine Unterarme waren verspannt angewinkelt, seine Augen dunkel.

"Heulst du mir deshalb die Ohren voll?! Weil du wach geblieben bist und der böse Kai dir noch immer nicht sagt, wo er war?!" Er rollte genervt mit den Augen. "Herrgott!! Das ist wirklich so... Weißt du was?" Er schaute Ray mit einem so durchdringenden Blick an, dass diesem die Knie weich wurden. War es der Adrenalinschub wegen des Streits?

"Auch wenn du es in deinem Wahn von Teamgeist vielleicht nicht wahrnimmst, aber es gibt Dinge, die gehen dich nichts an. Bleib also solange auf wie du willst, aber das wird garantiert nichts daran ändern!!", zischte Kai abschließend.

"Darum geht es mir gar nicht!", protestierte Ray leise und blickte ihn gekränkt an. "Ich hab mir Sorgen gemacht."

Kais Blick veränderte sich kurz, wurde überrascht, wenn nur auch nur ein wenig. Doch so schnell die Veränderung gekommen war, verschwand sie auch wieder und er schaute Ray sogar noch finsterer und wütender an, als zuvor.

"Was glaubst du eigentlich, wer ich bin, hm?", fragte er provozierend. "Denkst du, dass ich nicht in der Lage bin mal ein paar Stunden rauszugehen, ohne zu erfrieren oder in eine Schlucht zu stürzen oder mir beide Beine zu brechen?!"

Ray Augen weiteten sich irritiert und sein Mund öffnete sich, ohne dass er etwas sagte. Ihm fehlten die Worte.

"Und was glaubst du überhaupt, wer du bist?!", fragte Kai demonstrativ weiter und deutete mit dem Finger auf ihn. "Mutter Teresa, oder was? 'Ich hab mir Sorgen gemacht.'.", äffte er ihn beleidigt nach. "Schieb dir das sonst wo hin, ich kann darauf verzichten! Schließlich bin ich kein Kleinkind mehr und du bist nicht meine Mutter!" Zum Ende hin, war seine Stimme verächtlich geworden, seine Augen verletzt. Mit einem letzten vernichtenden Blick auf Ray drehte er sich um und stiefelte die Treppe hoch, wobei er auf jeder Stufe eine kleine Pfütze hinterließ.

Nach den ersten paar Sekunden, wo Ray sich fragte, was er falsch gemacht hatte und wo er versuchte das Gefühlswirrwarr von Wut und Gekränktheit in den Griff zu bekommen, sprang er Kai eine Stufe hinterher.

"Ich hab mir keine Sorgen gemacht, weil ich dich für bescheuert halte, du Blödmann.", rief er eingeschnappt, aber bemühte sich um einen entschuldigenden Ton. "Ich hab mir Sorgen gemacht, weil ich einfach Angst hatte."

Am Ende der Treppe blieb Kai stehen, seine Hand verharrte auf dem Treppengeländer, doch er drehte sich nicht um.

"Ich hatte Angst, dass dir etwas passiert ist.", fügte Ray etwas leiser hinzu und konnte plötzlich sein eigenes lautes Herz schnell schlagen hören. Seine Knie wurden wieder weich und er griff reflexartig zu dem Treppengeländer.

"Irgendwas kann immer wieder mal passieren.", sagte er dann fast flüsternd. "Hier oben ist das doch besonders gefährlich."

Kais breite Schultern hoben und senkten sich einmal als er leise seufzte, Ray konnte es hören.

"Möglich.", war Kais einziger nachdenklicher Kommentar, bevor er endgültig in seinem Zimmer verschwand.

Ray blieb noch einige Momente am Treppenansatz stehen, starrte auf die Stelle, wo Kai vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte und fragte sich, was eigentlich passiert war. Nur bei einem war er sich sicher: Er hatte definitiv irgendwas verpasst.
 

~oOo~
 

Als Ray den Morgen um Acht Uhr alleine in der Küche stand und etwas übermüdet dabei war Zwiebeln zu schälen, kam ihm die Begegnung mit Kai unreal vor, fast wie ein Traum. Auf der anderen Seite konnte er sich aber noch an alle Details erinnern. Kais finstere Augen, die Schneekristalle in seinen Haaren, die Schärfe in seiner Stimme und dieser Ton, den er bei dem letzten Wort angeschlagen hatte.

>>Möglich.<<

Seine Stimme war in diesem Moment so rau gewesen, so dunkel, aber gleichzeitig auch so warm. Ray lächelte bei diesem Gedanken, doch sein Lächeln verschwand, als er ihm das Gespräch davor einfiel, wenn man es überhaupt noch als Gespräch bezeichnen konnte, und nicht vielmehr als Streit. Es war irgendwie alles in die falsche Richtung gelaufen, ohne dass Ray kontrollieren konnte, in welche und noch immer verstand Ray nicht, was er falsch gemacht hatte, dass Kai so... einfach so zu ihm gewesen ist.

Langsam begann er die Zwiebeln klein zu schneiden, seine Stirn nachdenklich gerunzelt. War jetzt eigentlich alles in Ordnung zwischen ihnen beiden? Oder eher nicht. Von Rays Seite aus, war es das, auch wenn er noch immer wütend und gekränkt war, aber er war eher der Mensch, der versuchte Streits zu vermeiden. Er nahm lieber in Kauf, dass Kai nicht wirklich mitbekam wie er sich fühlte, anstatt ihn noch mal darauf anzusprechen und einen neuen Konflikt zu provozieren.

Aber wie stand es um Kai? War er noch sauer? Auch wenn Ray noch immer nicht ganz verstand, warum er das überhaupt gewesen ist und auch wenn Ray noch immer nicht fand, dass Kai im Recht gewesen ist, war es eine Frage, die ihn interessierte.

Der scharfe Geruch der Zwiebeln stieg ihm in die Nase und er wackelte kurz mit ihr, während er blinzelte. Seine Augen begannen zu brennen, doch Ray versuchte es zu ignorieren. Schon bald perlte aber die erste Träne seine Backe herunter und als die zweite folgte, wischte er sich reflexartig mit der freien Hand, mit der er die Zwiebeln gehalten hatte, über beide Augen... was sich als Fehler herausstellte.

Er bekam die Zwiebelflüssigkeit in die Augen, was dazu führte, dass sie höllisch anfingen zu brennen, Tränen liefen schlagartig und ununterbrochen über seine Wangen hinab und seine Sicht verschwamm. Er kniff die Augen zusammen, blinzelte, ließ hastig das Messer fallen und drehte sich Richtung Waschbecken.

"Shit!", fluchte er und wischte sich erneut über die Augen. Er schniefte, da seine Nase aufgrund der erhöhten Tränenflüssigkeit anfing zu laufen.

Als sein verschwommener Blick zur Tür fiel, stockte er kurz, denn Kai stand im Türrahmen und schaute ihn erschrocken an. Ray wunderte sich Sekundenbruchteile darüber, doch hetzte dann weiter zum Waschbecken und wusch sich erst einmal die Hände. Er schniefte und wischte sich ab und zu mit dem Handrücken über die Augen, während er hörte wie Kai langsam zum Tisch ging, einen Stuhl zurückschob und sich setzte.

"Shit!", murmelte er wieder und tastete nach einem Handtuch.

"Zwiebeln...", brummte Kai nachdenklich hinter ihm.

"Ja.", ärgerte sich Ray, verzog gequält das Gesicht und hielt das Handtuch unter den Wasserhahn. "Ich hab das Zeug in die Augen bekommen. Verdammt, das brennt!!"

Er begann sich einige Minuten mit dem nassen Handtuch über die Augen zu reiben, solange bis sie nicht mehr tränten und es besser wurde, blinzelte einige Male und legte das feuchte Tuch schließlich seufzend neben sich. Seine Augen brannten noch ein wenig, doch es war auszuhalten, weshalb er beschloss die Zwiebeln schnell fertig zu schneiden. Als er sich umdrehte, traf er auf Kais Blick und verharrte in der Bewegung. Der Russe schaute ihn reuevoll an, oder täuschte er sich? Er blinzelte erneut und plötzlich war der Ausdruck auf Kais Gesicht verschwunden.

Verwundert kratzte Ray sich im Nacken und ging zurück zum Tisch. Mit einem letzten kurzen Blick auf seinen Teamchef begann er die zweite Hälfte der Zwiebel klein zu schneiden. Leise stöhnend registrierte er wiederholt den scharfen Geruch der Zwiebel und das erneut einsetzende Brennen in seinen Augen. Er schniefte und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augenwinkeln, wobei er bedächtig darauf achtete, nicht schon wieder den scharfen Saft in die Augen zu bekommen.

"Kannst du denn dagegen nichts machen?", meldete sich plötzlich Kai zu Wort. Er hörte sich fast vorwurfsvoll an, doch als Ray aufblickte schaute er ihn nur fragend an, das Kinn in die Handfläche gestützt. Der Chinese lächelte halb. Zwei Tränen liefen sein Wangen hinab, seine Augen waren stark gerötet, genauso wie seine Nase. Er schniefte und wischte sich flüchtig über das Gesicht.

"Nein.", antwortete er. "Es gibt zwar bestimmt ein paar Tricks, doch ich kenn keinen."

"Dann lass es doch einfach.", brummte Kai und runzelte die Stirn.

"Kann man ja nicht mit ansehen.", fügte er murmelnd hinzu, woraufhin Ray ihn überrascht anschaute, doch dann lächelte und schnell weiter machte.

"Aber ich mach doch Omelette.", protestierte er sanft und schniefte wieder. "Tyson mag es doch nur mit Zwiebeln."

"Tyson.", brummte Kai nur missbilligend und wendete seinen Kopf ab.

Ray wunderte sich über Kais Verhalten, doch er wagte nicht ihn darauf anzusprechen, genauso wenig wie er es wagte ihn auf letzte Nacht anzusprechen, was etwas war über was er kurz nachgedacht hatte.

Während Ray die Zwiebeln fertig schnitt, wobei er weitere Tränen vergoss, das Omelette zubereitete und den Tisch deckte, schwiegen sie. Ab und zu dachte Ray zwar, dass Kai etwas sagen würde, da er sehr nachdenklich war und ihn hin und wieder entschlossen anschaute, doch wenn der Chinese ihn erwartungsvoll ansah, blickte Kai einfach ausdruckslos zurück, sodass Ray bald dachte, sich diesen seltsamen Blick nur einzubilden.

Kurz nachdem Ray das Essen fertig zubereitet hatte, kamen die drei anderen Bladebreakers und sie frühstückten zusammen. Was Ray allerdings wunderte war, dass Tyson recht still wirkte, sich aber immer wieder mit Max und Kenny seltsame Blicke zuwarf. Ray blickte immer wieder stirnrunzelnd zu Kai, in der Hoffnung, dass dieser das ungewöhnliche Verhalten mitbekam und erklären könnte, doch der Russe widmete sich nur seinem Essen und blickte kein einziges Mal auf. Als er mit dem Essen fertig war, verschwand er sofort.

"Seid in einer Stunde zum Training fertig.", war das Einzige, was er vor sich herbrummte.

Das war anscheinend Tysons Zeichen, denn dieser musste sich schwer das Lachen verkneifen, entschied sich schließlich für ein leichtes Grunzen und einen vorfreudigen Blick zu Max, der diesen grinsend erwiderte. Als Ray Kenny fragend anschaute, seufzte dieser nur und blickte vor sich auf den Tisch.

"Ok.", seufzte Ray schließlich misstrauisch. "Was ist los?"

Tyson lachte daraufhin leise und beugte sich mit verschwörerischem Blick über den Tisch zu Ray, welcher sich ihm neugierig entgegenlehnte.

"Der kann lang warten!", flüsterte Tyson und kicherte. "In einer Stunde sind wir schon längst weg."

Rays Augen weiteten sich leicht, seine Miene wurde skeptisch.

"Das wollt ihr doch nicht wirklich machen, oder?", fragte er und schaute in die Runde. Tyson grinste zuversichtlich und schadenfroh, Max zuckte die Schultern und nickte leicht und Kenny schwieg, schien unschlüssig und sogar etwas ängstlich.

"Ihr wollt wirklich das Training schwänzen?", fragte Ray noch mal genauer nach, nur um ganz sicher zu gehen.

"Klar!", rief Tyson. "Kommst du mit?"

Ray überlegte kurz, doch biss sich dann unschlüssig auf der Unterlippe herum. Wollte er mitkommen?

Die Frage war schnell beantwortet als ihm ein Bild in den Kopf schoss - als er sich vorstellte, dass Kai ins Wohnzimmer kam und feststellte, dass niemand da war.

Dass er allein war...

"Ich weiß nicht.", murmelte Ray schließlich und spielte mit seinen Händen. "Ich hätte da irgendwie ein schlechtes Gewissen."

"Wieso das denn?", fragte Tyson stirnrunzelnd.

"Weiß nicht.", murmelte Ray, was die volle Wahrheit war.

"Wow.", sagte Max anerkennend. "Du bist echt ein besser Mensch als ich. Noch nicht einmal ich hab da ein schlechtes Gewissen."

" Ich hab nur Angst vor Kais Reaktion.", fügte Kenny hinzu.

"Ach.", winkte Tyson ab. "Mach dir darüber mal keine Gedanken." Er wendete sich Ray zu. "Du kommst also nicht mit?", fragte er. Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf.

"Nein.", antwortete er seufzend. "Aber ich werde euch nicht abhalten zu gehen und keine Sorge, ich werde euch auch nicht verpetzten."

"Danke.", lächelte Max. "Es ist ja nicht so, dass wir Kai ärgern wollen, musst du wissen -"

"Wollen wir nicht?", fragte Tyson überrascht.

"- aber wir wollen einfach ein bisschen Freizeit. Skifahren und ein bisschen Spaß haben."

"Genau!", stimmte Tyson zu. "Kai weiß ja gar nicht, was das ist!"

Das stimmt allerdings, dachte Ray seufzend.

"So, wir müssen aber jetzt los.", sagte Tyson dann, zog den unschlüssigen Kenny auf die Beine und zwinkerte Ray zu.

"Willst du wirklich nicht mit?", fragte Max nach.

"Nein.", lächelte Ray und schüttelte den Kopf. "Aber euch viel Spaß. Ich hoffe, ihr wisst, was ihr tut."

Tysons fragendem Blick zu Urteilen wussten sie es nicht, doch sie machten sich nicht die Mühe weiter darüber nachzudenken, sondern verabschiedeten sich und verschwanden kurz darauf lautlos aus der Hütte. Ray räumte währenddessen den Tisch ab und machte den Abwasch. Nervös kaute er sich auf der Unterlippe und grübelte.

Wenn Kai erfuhr, dass die anderen fort waren, würde er ausrasten, das war sicher.

Und er würde seine Wut an dem Erstbesten auslassen, der ihm in den Weg kam. Blöd, dass Ray der einzige war, der noch da war.
 

~*~*~*~*~*~*~*~
 

So, das wars mal wieder.

ich weiß, ist nicht viel passiert, aber freut euch aufs nächste kapitel, da geht es schwer rund und kai und ray werden mal ein wenig zeit zusammen verbringen ^^

kann aber ein bisschen dauern, denn es wird wohl ein sehr langes kapitel... außer ich entscheide mich dafür, das kapitel in zwei teile zu teilen... mal sehen.

hinterlasst mir bitte ein kommi, wenns euch gefallen hat. und wenn nicht, dann auch. will ja schließlich wissen, was ich ändern muss ^^
 

bai bai

astin =:)

Lektion III : Es ist besser wie es scheint...

Ray stellte den letzten Teller in den Schrank und schloss die Tür. Mit fast ängstlichem Blick schaute er durch die geöffnete Küchentür zu der Uhr neben dem Kamin und stellte nervös fest, dass ihr Training in einer halben Stunde begann - oder beginnen sollte.

Ray zweifelte nicht daran, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, indem er dageblieben war, aber dennoch stand er dem Tag mit Skepsis und im Moment vor allem mit Angst gegenüber.

Angst davor, dass Kai ihn anschreien und demütigen würde, was etwas war, was Ray sehr schlecht vertrug. Bis zu einem gewissen Grad stand er über Demütigungen, doch Kai schaffte es meistens diesen Grad zu überschreiten und ihn wirklich zu verletzen. Auch wenn das in letzter Zeit kaum vorgefallen war, befürchtete Ray, dass es jetzt bald passieren könnte. Er wollte sich nicht so verdammt mies fühlen, weil Kai etwas Unsachliches, aber zutiefst Kränkendes zu ihm sagte und er wollte ihm gegenüber nicht laut werden, was er tun würde, wenn Kai seine Wut an ihm auslassen würde. Und das stand außer Frage.

Ray wollte einfach keinen Streit...

Er seufzte und lehnte sich an die Ablage, stützte die Hände neben sich ab und dachte nach. Dabei entdeckte er neben der Angst und der Nervosität gegenüber des wohl folgenden Wutausbruchs von Kai noch etwas anderes - eine Art Vorfreude. Die Form von Vorfreude, die seinen Magen leicht, aber nicht unangenehm verkrampfen ließ, die Form von Vorfreude, die ihn ebenfalls nervös werden ließ, weshalb sich Angst und Vorfreude unmittelbar vermischten und die Form von Vorfreude, die sich langsam in seinen Gedanken in den Vordergrund drängte und ihm ein Lächeln auf das nachdenkliche Gesicht zauberte.

Vorfreude darüber, dass er den ganzen Tag mit Kai allein sein würde.

Doch als ihm dies alles bewusst wurde, versuchte er alle Gedanken zu verdrängen, sich zu beruhigen und das nervöse, und zudem auch seltsame Kribbeln in seinem Bauch abzustellen.

Es gab keinen Grund sich jetzt so zu verhalten und zu fühlen wie er es gerade tat, stellte er fest und sagte es sich in Gedanken immer wieder vor während er sich von der Ablage abstieß und ins Wohnzimmer ging, um aus dem Fenster zu schauen. Es schneite schon wieder, doch nur leicht. Dennoch wirkte dieser Anblick von den verschneiten Gebirgen, Bäumen und Wiesen, zusammen mit dem Knistern des Kamins im Hintergrund in der Tat sehr beruhigend.

Aber dennoch musste Ray sich wirklich anstrengen, um seine Vorahnungen zu verdrängen, da sie immer wieder den Weg zu seinem Innersten fanden.

Er seufzte und beschloss erneut sich abzulenken, doch dieses mal mit einem Buch. Er griff sich willkürlich eines aus dem Regal, was nicht wirklich eine große Auswahl zu bieten hatte und setzte sich auf das Sofa.

Nach zehn Minuten hatte er fünf Seiten gelesen und keine Ahnung worum es ging. Er seufzte und legte das Buch beiseite. Mit der Hand fuhr er sich über das Gesicht und rutschte etwas tiefer. Es war ruhig im Haus, nur das stetige Knistern des Kamins war zu hören, ab uns zu gab es kleine Knalls, oder das Holz knackte, sonst allerdings nichts. Kein Geräusch drang von oben zu ihm herunter.

War das die berühmte Ruhe vor dem Sturm?

Dann plötzlich war ein Poltern zu hören, Schritte und eine Tür wurde geöffnet. Ray schluckte, rutschte noch tiefer und stöhnte leise. Sein Herz begann ein wenig schneller zu schlagen.

Das würde übel werden.

Er lauschte wie die Schritte sich der Treppe näherten und schließlich die Stufen herunter kamen, dann durch das Wohnzimmer auf ihn zu. Kurz hinter ihm stoppten sie.

"Wo sind die anderen?", fragte Kai verwundert, wenn auch ein wenig brummig. "Ich hab sie oben nicht schreien gehört."

Ray zupfte am Kragen seines Pullovers, nahm ihn dann in den Mund und begann auf ihm herum zu knabbern, sein Blick war starr auf die Flammen im Kamin gerichtet. Er wusste nicht, ob er antworten sollte oder nicht, wusste nicht, ob er Kais es selbst herausfinden lassen oder es ihm besser auf sanfte Art beichten sollte.

"Sind die noch mal kurz raus, oder was?", fragte Kai weiter, doch wartete keine Antwort ab. "Naja, egal. Hauptsache die sind pünktlich wieder hier."

Der Chinese seufzte, setzte sich wieder gerade hin und drehte sich um. Er entschied sich fürs sanfte beichten, doch er schaute den Russen währenddessen nicht an.

"Kai.", begann er zerknirscht und mit besorgtem Blick, seine Hand zupfte nervös an seinem Hosenbein. "Ich glaube nicht, dass sie pünktlich sein werden."

Als der Russe nicht antwortete, hob er zögerlich den Blick und wurde aus roten Augen warnend, aber auch fragend gemustert. Kais Miene war angespannt... lauernd.

"Was?", fragte Kai schließlich beißend.

"Sie werden nicht pünktlich...", begann Ray, doch wurde sofort von Kai unterbrochen.

"Das weiß ich!", zischte dieser. Seine Stimme war so kalt wie Eis und so scharf wie eine frisch geschliffene Klinge. "Was willst du mir damit sagen?!"

Ray erinnerte sich daran, dass er die anderen nicht verpetzen wollte, doch war jetzt in einem Dilemma, denn er wollte Kai auch nicht anlügen. Er schluckte und grübelte kurz, wobei er beobachten konnte wie Kai langsam ein und ausatmete und seine Augen sich verzogen.

"Sie sind nicht da.", sagte er schließlich und rutschte unruhig auf seinem Platz herum.

"Wo sind sie hin?", fragte Kai drohend, aber recht ruhig, was Ray fälschlicherweise in der Annahme ließ, er sei es auch.

"Weiß nicht.", murmelte er.

"Was soll das heißen?", schrie der Russe dann plötzlich. So plötzlich, dass Ray heftig zusammenzuckte und sein Herz schneller zu schlagen begann. Ein flaues Gefühl raste in Sekundenschnelle durch seinen Körper und er rutschte instinktiv ein Stück zurück. Als er Kai entsetzt aus großen bernsteinfarbenen Augen ansah, traf er auf einen finsteren Blick, der ihm aus dem vor Wut verzerrten Gesicht entgegengeschleudert wurde.

Allen guten Vorsätzen zum Trotz, konnte Ray nicht verhindern, dass er jetzt gereizt war.

"Schrei mich nicht so an!", rief er und sprang vom Sofa auf, funkelte Kai wütend an. "Ich kann auch nichts dafür, dass sie nicht zum Training kommen!"

"Lüg mich nicht an!", drohte Kai ihm und kam einen Schritt näher, das Sofa war das Einzige, was sie noch trennte. "Du wusstest doch, was sie vorhatten!"

Ray schwieg trotzig und senkte den Blick.

Kai schlug daraufhin mit der geballten Faust auf die Lehne des Sofas, dass ein dumpfer hohler Klang ertönte und stapfte dann wütend durch das Wohnzimmer. Er murmelte leise und unterdrückt russische Flüche vor sich hin und warf Ray schließlich einen bitterbösen Blick zu.

"Ihr kotzt mich alle so was von an!", brüllte er ihm ins Gesicht und stapfte dann zornig in die Küche. Ray konnte missgelaunt durch die geöffnete Tür sehen wie Kai mit einer ruckartigen, unkontrollierten Bewegung einen Stuhl nach hinten riss und sich darauf fallen ließ. Sofort danach sprang er aber wieder auf, raufte sich die Haare, tigerte durch die Küche und funkelte Ray kurz danach wieder bösartig an. Sein Atem ging schnell, sein Gesicht war verzogen.

"Was seid ihr eigentlich für ein Team?!", rief er vorwurfsvoll. "Das Training zu schwänzen...! Argh, das ist so was von...! Wie will man denn da auch nur einen Kampf gewinnen, wenn ihr so eine Loser-einstellung habt??!! Aber, glaub mir, das wird Folgen haben!!"

Rays Wut legte sich schnell, nicht nur, weil er sich daran erinnerte, dass er dies alles geahnt hatte und sich nicht hatte provozieren lassen wollen, sondern auch, weil sein schlechtes Gewissen sich wieder meldete, ihm die Schuld gab, die er hatte. Es stimmte ja, dass Ray von allem gewusst und die anderen hatte gehen lassen und es stimmte auch, dass dies unfair Kai gegenüber war.

"Kai.", begann er etwas leiser. Entschuldigend, aber sehr ernst. "Versteh die anderen doch auch mal..."

"Du schlägst dich jetzt also auch noch auf ihre Seite!", warf Kai ihm sofort vor und krallte seine Hand in den Türrahmen. "War ja klar!"

Ray versuchte den Stich in seiner Brust zu ignorieren. Es war mies von Kai, ihm zu unterstellen, er würde sich gegen ihn stellen.

"Das hab ich nicht gesagt.", protestierte er. Als er merkte, dass er ein wenig zu laut geantwortet hatte, fuhr er leiser fort. "Ich finde nur, dass du mal ein bisschen Nachsicht walten lassen könntest."

"Also findest du das in Ordnung, dass sie einfach abgehauen sind?", fragte Kai provokant, seine Augenbrauen senkten sich misstrauisch.

"Nein, ich hab nie behauptet, dass ich es okay finde.", antwortete Ray so ruhig es ihm möglich war. "Aber denk doch mal nach, du bist doch clever, da müsstest du verstehen können, dass die irgendwie revoltieren, wenn du ihn keinen einzigen freien Tag gibst."

Kai knirschte mit den Zähnen und verschränkte unzufrieden die Arme vor der Brust.

"Ich hab euch Weihnachten frei gegeben, schon vergessen?", maulte er.

"Ja!", antwortete Ray missfällig. "Nachdem wir tagelang drum gebettelt haben!"

"Ach, lass mich einfach in Ruhe!", zischte Kai, drehte sich um und ließ sich erneut auf den Stuhl fallen. Dieses mal blieb er allerdings sitzen und starrte mit gesenkten Augenbrauen vor sich auf den Boden.

"Kai.", murmelte Ray entschuldigend.

"Verpiss dich, ja?", rief Kai befehlend. "Und glaubt ja nicht, dass wir irgendwann mal wirklich Urlaub machen werden!"

Ray seufzte und kratzte sich am Nacken. Er fühlte sich unwohl, denn es war genau das eingetreten, warum er nicht hatte mitkommen wollen. Kai sah genauso aus, wie er befürchtet hatte - so allein und verloren. Ray wusste schon immer, dass der Russe nicht so eiskalt war wie er wirkte und dass die Tatsache, dass die anderen sich vor dem Training drückten und sich gegen ihn wendeten, ihren Teamchef kränkte.

Langsam ging Ray auf ihn zu und setzte sich auf den Stuhl neben ihm. Der Russe hob den Blick und warf ihm einen erbosten Blick zu, woraufhin Ray ein unsicheres Lächeln versuchte, doch kläglich scheiterte. Er wollte etwas sagen, doch wusste nicht was.

Sie schwiegen einige unangenehme, nachdenkliche Minuten, wo Ray überlegte wie er den Tag noch ins Positive wenden konnte und dabei wenigstens erleichtert feststellte, dass sich Kai allmählich entspannte. Sein Atem ging wieder langsamer, sein Gesicht entkrampfte sich und er wirkte allgemein nicht mehr so angespannt. Dann sah er Ray plötzlich misstrauisch von der Seite an und lehnte sich mit seinen Ellebogen auf die Knie.

"Warum bist du eigentlich noch hier?", fragte der Russe und er wirkte so nachdenklich, so verwirrt und irgendwie so verletzlich, dass Ray ihn wenige Sekunden lang einfach nur anstarrte, mit großen Augen und leicht geöffneten Mund.

"Ich... hatte ein schlechtes Gewissen.", murmelte er dann reuevoll und starrte auf seine Hände. Als er Kai einen abschätzenden Blick zuwarf, blinzelte dieser nur verwirrt und wendete sich schließlich ab. Den zerstreuten Blick behielt er allerdings bei.

Ray wurde warm, als er den Russen betrachtete und wandte sich ebenfalls hastig ab.

"Da das Training jetzt wohl ausfällt.", begann der Russe nachdenklich. "Kannst du ja jetzt auch gehen. Ich werde dich dann nicht bestrafen, du bist ja immerhin noch hier." Er machte eine kurze zerstreute Pause. "Also geh ihnen nach und mach dir einen schönen Tag."

Ray antwortete nicht.

"Geh schon.", befahl Kai dann, wobei er dem Chinesen skeptische Blicke zuwarf.

Ray schwieg lange und starrte Kai an, seine Stirn runzelte sich kaum merklich.

"Was machst du heute?", fragte er schließlich und überging Kais Wunsch. Er klang besorgt.

Kais Augenbrauen senkten sich noch mehr, sein Blick konnte gar nicht mehr Misstrauen vermitteln, als in diesem Moment.

"Was interessiert's dich?", antwortete er dann zweifelnd. Er wirkte erschöpft.

"Sag doch mal.", beharrte Ray und lächelte leicht, woraufhin Kai leise vor sich hin grummelte.

"Ich trainiere.", sagte er, "Immerhin besitze ich noch so was wie Ehrgeiz und Disziplin."

"Und wenn du das Training mal vernachlässigen würdest?", schlug Ray mit unschuldiger Miene vor.

"Für was?", kam sofort die Gegenfrage und Kai setzte sich wieder aufrecht hin, um den Schwarzhaarigen zu mustern.

"Weiß nicht.", antwortete dieser schulterzuckend. "Wir könnten doch zusammen... irgendwie... weiß nicht. Halt was machen." Er sah Kai abwartend an und kratzte sich verlegen an der Wange.

Der Russe lehnte sich ein wenig zur Seite, schien zu überlegen. Ray lächelte unsicher, ihm war es unangenehm so durchdringend angestarrt zu werden.

"Was schwebt dir vor?", fragte er Russe dann und Ray hatte das Gefühl, dass sein Misstrauen überhaupt nicht von seiner Miene verschwinden würde.

Er zuckte mit den Schultern.

"Kann man doch spontan entscheiden.", sagte Ray. "Also, kommst du mit? Ich mein, wenn die anderen frei machen, kannst du doch auch mal..."

Kai öffnete den Mund, doch schloss ihn wieder, schien zu zögern, sich nicht entscheiden zu können. Seine Augen wanderte unstet durch den Raum, doch dann seufzte er ergeben.

"Gut.", antwortete er mit rauer Stimme. "Aber nur heute und die anderen bekommen auf jeden Fall ihre Strafe... Falls du vorhast, mich umzustimmen!"

"Wirklich?", strahlte Ray. "Du kommst mit?"

Kai wich angesichts Rays Euphorie ein wenig zurück, doch ein leichtes, sanftes Lächeln schlich sich Sekundenlang auf sein Gesicht.

"Wollen wir gleich los?", lächelte Ray weiter, er wusste nicht warum, aber er freute sich riesig, dass er einen kompletten Tag mit Kai verbringen konnte. In Anbetracht der Tatsache, dass dieser sich auch wieder beruhigt hatte, hatte Ray auch nichts mehr zu befürchten.

"Warum nicht?", stimmte Kai zu, doch er wirkte nachdenklich und schien zu zweifeln, ob ein Tag ohne Training zu Verantworten war.

"Schön.", freute sich Ray und stand auf. "Dann mal los, oder?"
 

~oOo~
 

"Und?", fragte Ray während sie dick eingepackt mit Mützen, Schal und Schneehandschuhen durch den dichten Schnee stapften. "Wie isses bis jetzt ohne Training?"

"Auszuhalten.", antwortete Kai. Seine Wangen waren rot von dem eisigen Wind und sein Blick vor ihm auf den Wald gerichtet, der sich in zweihundert Metern vor ihnen erstreckte.

"Was wollen wir machen?", fragte Ray weiter. "Ski fahren? Schneeballschlacht? Oder ins nächste Dorf? Wir könnten auch Schlitten fahren."

Er musste leise kichern bei Gedanken, dass Kai auf einem alten Holzschlitten den Berg runtersauste während sein Gesichtsausdruck zwischen Freude und Missgunst läge.

"Weiß nicht.", murmelte Kai, woraufhin Ray aufhörte zu kichern, seufzte und vor sich auf den Schnee starrte.

Mit Kai etwas zu machen, was ihm Spaß machte, stellte sich als schwieriger heraus als er dachte. Bis jetzt war der Russe von ihrem Ausflug eher mäßig begeistert und Ray grübelte, was sie machen konnten, außer nur durch den dichten Schnee zu stapfen. Ihn persönlich störte es nicht, denn es reichte ihm, dass Kai einfach da war, dass er einfach neben ihm lief und schwieg, doch er hatte sich vorgenommen den Russen ein wenig aus sich herauszulocken und ihm etwas zu zeigen, was Spaß machte. Richtigen Spaß.

Denn er hatte für diesen Tag nur einen Wunsch.

Er wollte Kai nur einmal lachen sehen und... hören. Er wollte wissen wie es klang, wenn er mit seiner dunklen Stimme den Ton erzeugte, den nur ein befreites Lachen hervorbringen konnte.

Ray lächelte bei der Vorstellung still vor sich hin und schielte zu Kai, wo er sofort auf dessen rotbraune Augen traf, die ihn ohne jede Zurückhaltung musterten. Er schluckte und sein fröhliches Lächeln wurde allmählich etwas nervös. Er spürte wie sein Gesicht langsam heiß wurde, ebenso seine Ohren. Wie schaffte es Kai, ihn mit nur einem ausdruckslosen Blick so aus der Fassung zu bringen?

Ray war der Erste, der den Blickkontakt abbrach, doch nur für wenige Sekunden, denn sein Blick wanderte sofort wieder zurück, seine bernsteinfarbenen Augen suchten sofort wieder die rotbraunen Kais. Ray spürte wie seine Knie weich wurden und sein Herz schneller schlug, was ihn wunderte. Seine Sinne schienen allerdings so vernebelt, dass es nur beim Wundern blieb.

"Gehen wir ins Dorf.", sagte Kai, ließ Ray noch immer nicht aus den Augen.

"Dorf... Klar... Ich...", stammelte Ray nervös und vollkommen durcheinander vor sich hin. Es dauerte sehr lange bis er den Satz von Kai überhaupt verstand. Daraufhin räusperte er sich verlegen und sortierte seine Gedanken.

"Aber ich dachte, dass wir vielleicht vorher etwas anderes machen.", antwortete der Chinese schließlich und versuchte sein flammendes Gesicht zu beruhigen. Er schämte sich plötzlich, dass er so nervös war.

"Und was?", fragte Kai sofort nach. Seine Stimme verriet keine Emotion, genauso wenig wie seine Augen, die immer noch an Ray hingen.

"Weiß nicht.", antwortete der Chinese mit leicht zittriger Stimme und schluckte. Sein Hals war trocken. "Irgendwas, was Spaß macht.", schlug er vor, doch heftete seinen Blick starr vor sich auf den Schnee.

"Wer sagt denn, dass es mir keinen Spaß macht mit dir ins Dorf zu gehen?", fragte der Russe und seine Stimme klang plötzlich nicht mehr ausdruckslos, sondern irgendwie anders. Dunkler und mit einem Ton, den Ray nicht zu deuten wusste.

Was er aber allerdings wusste war, dass dieser Ton ihn erschaudern ließ. Was geschah hier mit ihm?

Er hob unsicher den Blick und traf auf Kais Erwiderung, was ihn dieses mal aber nicht wunderte, sondern 'nur' durcheinander brachte.

"Ich dachte eigentlich,", begann Ray murmelnd, "dass du ein bisschen mehr... Action brauchst, um Spaß zu... haben." Er schluckte nervös, als Kai leicht grinste.

"Ich glaube, ich weiß wohl am besten, was mir Spaß macht und was nicht.", antwortete der Russe ernst, aber mit einem Hauch eines Lächelns auf den Lippen. "Und im Moment würde ich sagen, dass es mir Spaß macht mit dir ins Dorf zu gehen."

Rays Gesicht wurde geradezu heiß, obwohl ein eisiger Wind wehte und sein Haut durch die Kälte schon taub war. Seit wann machte ihn Kai so nervös?

Und was noch viel wichtiger war: Seit wann sagte Kai solche Dinge?

"Kai..: ich...", begann Ray, doch wusste eigentlich gar nicht, was er sagen wollte. Er hatte nur das Gefühl, irgendwas sagen zu müssen. Schließlich schwieg er und blickte Kai zögerlich an. Dieser hatte seinen Blick allerdings nach vorne gerichtet, die Augen zusammengekniffen und es schien allgemein, als ob er Ray plötzlich gar nicht mehr zuhören, geschweige denn beachten würde.

"Kai?", fragte der Chinese und wollte Kais Blick folgen, als ein Ruck durch das Gesicht des Russen ging. Seine Miene verzerrte sich vor Wut und er ballte beide Hände zu Fäusten. Ehe Ray auch nur irgendwie reagieren konnte, sprintete Kai auch schon los.

"Kai?!", rief er und lief ihm zwei Schritte hinterher. Der Russe drehte sich kurz um, warf Ray einen entschlossenen Blick zu und rannte weiter, ohne sein Tempo zu verringern.

"Tyson!"", rief er. "Ich hab ihn gesehen. Warte da! Ich komme gleich zurück!"

Kurze Zeit später war er im Wald verschwunden und Ray hatte plötzlich das Gefühl, sich hinsetzen zu müssen. Er stieß zittrig den Atem aus und ließ sich in den Schnee fallen, starrte auf die Stelle, wo Kai vor kurzem im Wald verschwunden war. Unsicher kaute er auf der Unterlippe.

Es war alles so furchtbar seltsam. Weshalb verhielten sie sich beide so ungewöhnlich - so anders? Weshalb reagierte sein Körper so aufgeregt, wenn er mit Kai zusammen war? Weshalb kam er sich plötzlich in Gegenwart von Kai so klein und bescheuert vor?

Er seufzte erschöpft und ließ sich rücklings in den Schnee fallen. Die Kälte schien seinen Kopf ein wenig zu klären, seinen aufgewühlten Körper ein wenig zu beruhigen und er als er die Wolken beobachtete, die langsam über den strahlenden Himmel zogen, schaffte er es sogar an nichts zu denken.

Nach wenigen Minuten aber wurde ihm langweilig und er setzte sich auf. Mittlerweile war ihm kalt und er fröstelte ein wenig, doch er bemerkte es kaum, da seine Gedanken zurückgekehrt waren und Ray mit Unbehagen feststellen musste, dass er sich wünschte, dass Kai bald wieder käme. Es ging sogar soweit, dass er ihn fast vermisste...

Schnell schüttelte Ray den Kopf und richtete seine Mütze. Er musste sich irren.

Hastig ließ er seinen Blick schweifen und suchte etwas, womit er sich ablenken konnte, etwas, womit er verhindern konnte, dass er weiterhin nachdenken musste. Das einzige, was er fand, war Schnee, doch schon nach wenigen Sekunden kam ihm eine Idee und er nahm sich eine handvoll der weißen Masse.

Nach zehn Minuten stand Ray vor einem kleinen Schneemann, der ihm bis zur Brust ging und ihn aus leeren dunklen Steinaugen anstarrte. Sein Mund und seine Arme bestanden aus Ästen. Ray fand, dass er einen vollkommen dümmlichen Ausdruck hatte und irgendwie erbärmlich aussah. Er seufzte und schaute prüfend zum Waldrand.

Ein erschrockenes Kribbeln schoss durch seinen Körper, als er eine dunkle große Gestalt erkannte, die in diesem Moment die große Wiese betrat.

Kai.

Ray starrte einfach in seine Richtung, war unfähig sich zu bewegen und hin- und hergerissen zwischen Freude und Nervosität. Als Kai näher kam, erkannte er seinen Gesichtsausdruck und verzog sein Gesicht in schlimmer Vorahnung. Er kannte diesen Blick, diese funkelnden Augen, der grimmig verzogene Mund und die gesenkten Augenbrauen. Genauso hatte Kai auch ausgesehen als Ray ihm gesagt hatte, dass die anderen nicht zum Training kommen würden.

Seufzend begann er mit den Füßen im Schnee zu scharren und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Er hörte wie das Knirschen von Kais Schuhen im Schnee immer näher kam und schließlich stoppte. Erst dann schaute er auf, doch blickte nicht in wütende Augen, sondern nur in leicht verärgerte, weshalb Ray die Stirn runzelte. Dann schaute Kai an ihm vorbei.

"Was ist das?", brummte er, woraufhin der Chinese seinem Blick folgte und seinen ärmlichen Schneemann erkannte, der neben ihm stand.

"Oh.", machte Ray und kratzte sich verlegen im Nacken. "Das ist mein... Schneemann."

Er lachte nervös und blickte zu Kai, welcher ihn erst skeptisch und dann plötzlich leicht schmunzelnd ansah.

"Schneemann...", wiederholte der Russe, schaute zu dem Klumpen Schnee mit Stöcken und Steinen, zurück zu Ray und drehte sich nach einem langen Blick um Richtung Waldrand.

"Aha."

"Ja.", murmelte Ray und kam sich vor wie ein Kleinkind. Er wusste ja wie Kai über solche Dinge dachte. Für den Russen waren das kindische Albernheiten, die nur Zeit kosteten und einen im Leben nicht weiter brachten.

"Hast du...", begann Ray, nur um etwas zu sagen. "Hast du ihn gefunden?"

"Wen?", kam sofort die Gegenfrage, ohne dass Kai sich herumdrehte.

"Na, Tyson. Du hast doch gesagt, du hättest ihn gesehen."

"Ach so.", brummte Kai. "Nein. Also... ja. Ich hab ihn geschnappt, nur... war das nicht Tyson." Ray sah wie er die Hand zur Faust ballte. "Aber, verdammt noch mal, der sah genau aus wie die Fressmaschine! Das hätte glatt sein Zwilling sein können! Uah!" Er schüttelte sich. "Gruselige Vorstellung."

Ray lachte kurz auf.

"Oh, aber wenn er es gewesen wäre...!", knurrte Kai. "Der hätte was erleben können!"

Seufzend erkannte Ray, dass sein Teamchef sich wieder verspannte, dass die Wut wieder begann in ihm zu kochen.

"Ach, Kai, entspann dich.", bat Ray sanft. "Du wirst heute Abend noch genug Gelegenheiten haben, sie zu bestrafen. Auch wenn ich denke, dass du nicht zu hart sein solltest."

Kai warf ihm über die Schulter einen warnenden Blick zu, woraufhin Ray schnell abwehrend die Hände hob und entschuldigend lächelte.

"Ich kann aber auch verstehen, dass du sauer bist.", räumte er hastig mit fast flehendem Blick ein. "Nur...solange bis es noch nicht Abend ist, solltest du mal versuchen, den Tag zu genießen."

Kai grummelte und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Genießen bringt einem nichts.", widersprach er, woraufhin Ray seufzend den Kopf schüttelte.

"Mehr als du denkst.", sagte er lächelnd. "Man muss doch manchmal einfach Pause machen und einfach mal... nichts tun. Gerade du solltest deinem Körper ein bisschen Ruhe gönnen."

Wieder diese scharfe Blick über die Schulter hinweg, woraufhin Ray eine unschuldige Miene aufsetzte.

"Ich weiß wohl am besten, was ich meinem Körper zumuten kann und was nicht, klar?!", zischte Kai, doch hörte sich nicht wirklich böse an.

"Jaja, schon gut.", räumte Ray beschwichtigend ein und seufzte. "Ich meinte ja nur..."

Kai runzelte die Stirn und wendete sich wieder dem Waldrand zu.

"Aber weißt du...", fügte Ray leise hinzu. "Tyson hat schon irgendwie recht. Du weißt echt nicht, was Spaß ist, oder?"

Kais Kopf flog so schnell herum, dass der Chinese erschrocken zusammenfuhr und Kais Blick war so eiskalt, dass er einen Schritt zurückwich.

"Ups.", flüsterte er mehr zu sich selbst

"Du gibst Tyson also recht?!", fragte Kai bissig. "Tyson?!"

"Nicht generell.", lächelte Ray unsicher. "Aber in diesem Punkt, ja. Immerhin könntest du mal ein bisschen lockerer sein und den Tag..."

"Genießen?", unterbrach ihn Kai augenrollend.

"Äh, ja?"

"Ach, hör doch auf! Außerdem weiß ich wie man Spaß hat!", protestierte Kai während er den Kopf wieder umdrehte.

"Klar...", murmelte Ray sarkastisch.

"Ich hab viele Dinge, die mir Spaß machen!"

"Zum Beispiel?", hakte Ray provokant nach.

Einige Momente kam keine Antwort, bis Kai leise grummelte.

"Trainieren.", brummte er wenig überzeugt.

"Das macht dir Spaß?", erwiderte Ray zweifelnd.

"Ja!", sagte Kai sofort und für Rays Geschmack ein wenig zu hastig.

"Sicher.", murmelte der Chinese erneut sarkastisch. "Aber ich meine nicht die Form von Spaß."

"Spaß ist Spaß, da gibt es keinen Unterschied!", erwiderte Kai brummig.

"Sagt mit der Experte in Sachen Spaß, was?", widersprach Ray ironisch. "Aber mal im Ernst. Das, was du meinst, ist Spaß im Sinne, dass er dir gut tut, dass du dich danach und währenddessen gut fühlst und es dich beruhigt, oder?"

"Möglich.", brummte Kai misstrauisch.

"So, und das, was ich meine, ist... wenn man sich gerne daran zurück erinnert, was man getan hat... weil man so viel Spaß hatte eben." Ray machte eine kurze Pause und suchte nach Worten. "Weil man viel gelacht hat und fröhlich war. Da gibt es einen Unterschied!"

Kai schwieg während Ray seinen Rücken eindringlich und nachdenklich anstarrte. Wie erklärte man denn so was wie Spaß jemanden, der es nicht kannte? Das war genauso wie jemanden, der von Geburt an blind war zu erklären, was sehen ist. Er konnte es nicht verstehen, solange er es nicht selbst erlebt hat.

Rays Augen weiteten sich ein wenig und er lächelte nachdenklich. Ihm war gerade eine Idee gekommen...

Er überlegte kurz, zögerte und wog ab, ob dass was er vorhatte das gewünschte Ergebnis erbringen würde. Er wusste es nicht, doch entschloss sich es einfach auszuprobieren. Also bückte er sich langsam, versuchte keine Geräusche zu machen und beobachtete währenddessen aufmerksam Kais Rücken. Dieser bemerkte nichts, sondern starrte weiter Richtung Waldrand. Zögerlich, den Blick noch immer auf Kai gehaftet, nahm Ray eine Handvoll Schnee und formte ihn während er aufstand zu einer Kugel. Seine Hand zuckte von alleine und wollte werfen, doch er hielt sich vorerst zurück. Sollte er wirklich? Schließlich war das Kai, berühmt berüchtigt für seine Wutanfälle. Doch wie hieß das Sprichwort? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Rays Blick wurde entschlossen.

Scheiß drauf!, dachte er und warf..

Während die Kugel auf Kais Kopf zuraste bereute er es allerdings schon wieder. Mit einem leisen ,Platsch' landete sie in seinem Nacken und Ray konnte in Zeitlupe mitverfolgen, wie Kais Kopf nach vorne ruckte und er reflexartig seine Arme ausbreitete, um sein Gewicht zu halten. Ebenso langsam konnte er sehen wie sich Kais Kopf in seine Richtung drehte. Hatte er nicht gerade seine Sehnen knacken gehört?

Hastig setzte er seine beste Unschuldsmiene auf, schaute in die Luft und zeigte auf den Schneemann neben sich.

"Ray!", knurrte Kai wütend. "Was zum...?!"

Dann brach er ab.

Rays Miene nahm einen verwunderten Ausdruck an und schließlich wanderten seine Augen langsam nach unten. Er blickte Kai vorsichtshalber mit großen entschuldigenden Augen an, doch schon kurz danach ließ er verwirrt seinen Arm sinken und drehte den Kopf nach, denn Kai stand da, wischte sich wie automatisch den Schnee aus dem Nacken und lächelte...

Kein Schmunzeln, kein Grinsen, kein angedeutetes Lächeln, nein, ein richtiges Lächeln. Ein echtes, ein ernst gemeintes, eines was Ray glücklich machte.

Ray wusste sofort, dass er dieses Bild lange nicht vergessen würde. Es war einer dieser Momente, die sich ins Gedächtnis brannten, wo er jedes Detail würde sehen können, wenn er die Augen schloss. Ray lächelte zurück, doch er war in einer Art berauscht von diesem Anblick. So berauscht, dass er kaum mitbekam, dass Kai sich bückte. Wenige Sekunden später traf ihn etwas kaltes im Gesicht, woraufhin er sofort wieder zurück in der Realität war. Hastig wischte er sich den Schnee von seinem erhitzten Gesicht, doch als er blinzelte, hatte er sofort die nächste Kugel im Gesicht. Ein Stück fiel hinter seinem Schal durch, schmolz und lief ihm die Brust herab. Ein seltsames, kitzelndes Gefühl.

"Du wirst es nie wieder wagen, dich mit mir anzulegen.", hörte er Kai drohend sagen, doch als er aufsah und sich erneut den Schnee aus dem Gesicht wischte, schmunzelte Kai leicht. Sein Plan ging anscheinend auf.

"Das werden wir gleich sehen!", erwiderte er siegessicher und griff ebenfalls unter sich, um sich Munition zu beschaffen.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~
 

hi leute,

hoffe es hat euch gefallen. ich persönlich bin nicht zufrieden mit dem kapitel... das wort 'spaß' kommt einfach zu oft vor und eigentlich sollten die zwei nach diesem kapitel schon längst die schneeballschlacht gemacht haben, aber dann hätte dieses kapitel zu lange gedauert und ich hab ja auch an euch gedacht ^^

außerdem sind die zwei kein stück weiter, oder täusch ich mich?
 

hoffe es hat euch trotzdem gefallen.

im nächsten kapitel gibt es dann die schneeballschlacht und ein bisschen knisternde luft, aber ich kann euch jetzt schon sagen, dass es nicht so enden wird wie ihr es gerne hättet. also freut euch auf verwirrung im nächsten teil ^^
 

der arme ray wird jetzt bald ganz schön zu leiden haben, aber das werdet ihr ja dann sehen. aber, wenn ich so nachdenke, wird kai es auch nicht leicht haben...

sie werden also beide leiden... ach, bin ich fies ^^°

danke, für die vielen kommis, das baut mich echt auf und danke, dass meine story überhaupt gelesen wird ^___^

*knuffz*
 

(hoffentlich ^^°) bis zum 4. kapitel, lektion IV: wie man spaß hat

astin

=:)

Lektion IV: Wie man Spaß hat

Schneekugeln flogen durch die Luft und Rays Lachen hallte über die weite Wiese, als ihn einer davon auf der Brust traf. Er warf zurück und verfehlte Kai um ganze zwei Meter. Der nächste allerdings traf den Russen direkt am Hals.

Die kleine Schlacht, die mittlerweile schon zehn Minuten andauerte verlief recht ausgeglichen. Sie bekamen beide den ein oder anderen Schneeball ins Gesicht, an die Brust, den Rücken - eigentlich überall hin, Ray verfehlte Kai noch mehrmals, weil er so sehr lachen musste und Kai musste darüber jedes Mal grinsen.

Dann startete Ray einen Großangriff, preschte auf Kai zu und warf alle paar Sekunden einen Schneeball nach ihm, wobei fast alle ihr Ziel erreichten und tatsächlich in Kais Gesicht landeten.

"Oh, das wirst du mir büßen!", sagte Kai daraufhin mit tiefer, bedrohlicher Stimme und visierte Ray erbarmungslos an. Dieser nahm daraufhin lachend die Beine in die Hand und lief theatralisch schreiend vor ihm davon.

Nur kam er nicht weit, denn Kai hatte ihn schnell eingeholt und riss ihm mit einer geschickten Bewegung die Beine weg, sodass Ray mit dem Gesicht im Schnee landete. Sofort drehte er sich herum und starrte Kai gespielt verängstigt an.

"Bitte!", flehte er keuchend. "Gnade!"

Doch Kai stand einfach nur über ihm. Groß, bedrohlich, fies grinsend.

Dann stürzte er sich auf ihn und eine kleiner Kampf entstand, der damit endete, dass Kai auf Rays Bauch saß und ihm unermüdlich Schnee ins Gesicht schaufelte. Er rieb ihn ihn in die Haare, über die erhitzte Haut und stopfte ihn unter seinen Schal. Ray versuchte halbherzig Kai abzuwehren, doch er war zu sehr am Lachen, als dass er damit erfolgreich war.

"Na, gibst du auf?", fragte Kai grinsend und verteilte eine weitere Portion Schnee in Rays Haaren, die nur noch halb von seiner Mütze bedeckt waren. Sein Atem ging ein wenig schneller und sein Gesicht war gerötet von den Schneekugeln, die er ins Gesicht bekommen hatte, sonst merkte man ihm nichts an von ihrer kleinen Schlacht.

"Okay, okay!", rief Ray lachend und hob die Hände abwehrend vors Gesicht. "Du hast gewonnen, ich geb auf!" Er schnaufte ein wenig und rang lächelnd nach Atem. Er musste feststellen, dass es schwer war gleichzeitig zu lachen, sich zu wehren und zu atmen, während noch dazu jemand auf seinem Bauch saß.

"Tja, man sollte sich eben nicht mit mir anlegen.", kommentierte Kai dies grinsend.

Ray nickte erschöpft und ergeben, ließ seine Hände neben sich in den Schnee fallen und starrte in den Himmel während Kai langsam aufstand.

"Komm, ich helf dir hoch.", sagte der Russe unerwartet und als Ray aufblickte sah er eine Hand, die sich ihm entgegenstreckte. Kais Gesicht allerdings war ausdruckslos. Erst als Ray nicht reagierte, lächelte er leicht, fast nur angedeutet.

"Danke.", antwortete Ray irritiert und ließ sich aufhelfen. Sie hielten sich etwas zu lange an den Händen, bevor Ray hastig den Kopf abwand und den Griff löste. Halbgeschmolzener Schnee rann seinen Hals und Nacken hinab. Es war kalt, doch noch nicht einmal unangenehm, da es Ray sowieso viel zu warm war. Er schwitzte leicht unter dem dicken Pulli, der ebenso dicken Jacke, Handschuhen, Schal und Mütze.

"Puh!", seufzte er, zog seine Handschuhe aus und öffnete seine Jacke.

"Lass sie zu.", brummte Kai, weshalb er von Ray einen fragenden Blick erhielt.

"Du wirst dich sonst erkälten.", erklärte der Russe ernst. "Warte ein paar Momente, dann ist dir sowieso nicht mehr so warm."

"O...kay.", antwortete Ray immer noch verwirrt und schloss langsam seine Jacke, wobei er seine Handschuhe unter den rechten Arm klemmte. Danach entfernte er stirnrunzelnd die Schneeklumpen von seinem Schal, zog seine Mütze ab und begann sie ebenfalls von Eis und Schnee zu befreien. Er war in Gedanken, sodass er die Berührung an seinem Kopf erst recht spät bemerkte. Zerstreut blickte er auf, geradewegs in Kais Gesicht, welches sich nah vor seinem befand. Sehr nah.

Ray schluckte.

Plötzlich konnte er sein Blut in den Ohren rauschen hören, sein eigenes lautes Herz klopfen fühlen. Es dauerte einige Momente bis Ray erkannte, dass Kai an seinen Haaren zupfte.

"Was...?", murmelte er leise.

Die Miene des Russen blieb ausdruckslos, doch seine Augen wanderten von Rays Haaren zu dessen Augen bevor er ihm demonstrativ einen Schneeklumpen vors Gesicht hielt.

"Du... hast Eisklumpen im Haar.", klärte er ihn auf. Er sprach langsam und schien selbst verwirrt über Rays zerstreuten Gesichtsausdruck.

"Achso.", murmelte Ray und starrte Kai einfach nur an. Als ihm dies auffiel, blinzelte er mehrmals und senkte den Blick. Er spürte fast zu deutlich wie Kais Finger langsam den Schnee aus seinen Haaren zupften, wie er manchmal seine Kopfhaut ganz leicht berührte, sogar Kais Körperwärme war fühlbar - oder war es Rays eigene, weil ihm so heiß war?

Egal.

Was wichtig war, war dass Ray es irgendwie genoss. Er wusste schon immer, dass Körperkontakt, auch wenn er noch so leicht war, gut für die Seele war und genau das wurde ihm in diesem Moment bestätigt. Doch als er aufblickte und Kais intensiven Blick sah, schien ihm alles zuviel zu werden. Er rang leise und möglichst unauffällig nach Luft, da seine Brust sich von alleine zusammenzudrücken schien, ihm den Atem raubte.

Die Stille war ihm plötzlich unangenehm. Er hatte das Gefühl, dass Kai seine Gedanken hören konnte. Auch wenn dies völlig absurd war...

"Das war doch lustig, oder?", fragte er mit zittriger Stimme und räusperte sich schnell.

Kai schaute ihn einfach nur an. Lange.

Solange, dass Ray den Mund öffnete, um die Frage zu wiederholen, als Kai ihm zuvorkam.

"Ja.", antwortete er nachdenklich. "Irgendwie schon."

"Und es ist doch etwas anderes als Trainieren, oder?", lächelte Ray. Kai nahm in diesem Moment seine zweite Hand hinzu, um einen Schneeklumpen zu entfernen, der sich in den Haaren regelrecht verknotet hatte. Sein Arm berührte Rays Kopf.

Der Chinese vergrub seine zitternde Hände schnell in seinen Jackentaschen.

"Schon.", antwortete der Russe knapp, doch seine Stimme klang warm und nicht mehr so brummig. Dann nahm er seine Hände zurück.

"So. Alles draußen.", sagte er emotionslos.

"Danke.", lächelte Ray und war sich nur vage bewusst darüber, dass er in diesem Moment sehr schüchtern wirkte. Ihm war immer noch sehr warm und er hatte das Bedürfnis seine Jacke zu öffnen, doch er ließ es bleiben. In Gedanken gab er Kai allerdings unrecht, da Warten bei ihm noch immer nicht bewirkt hatte, dass seine Körpertemperatur sank.

"Bevor wir ins Dorf gehen, essen wir am besten noch zu Mittag.", schlug Kai vor. "Wir müssen eh an unserer Hütte vorbei, weil wir hier in der völlig falschen Richtung sind."

"Oh.", sagte Ray. "Nagut, das bietet sich dann ja an. Ich kann uns ja schnell irgendwas machen."

Damit gingen sie los. Sie schwiegen einige Momente, wo sich Ray langsam wieder beruhigte. Sein Körper kühlte sich ab und seine Hände wurden allmählich kalt, weshalb er die Handschuhe wieder anzog. Auch die Mütze setzte er wieder auf.

Ab und zu rutschte ein vergessenes Eisstückchen seinen Rücken herunter und seine Haut im Gesicht brannte wegen der Kälte, doch er war fröhlich. Kai hatte zwar noch nicht gelacht, aber gelächelt und geschmunzelt, was immerhin ein Anfang war.

Ein anderer Gedanke kam ihm und er schaute zögernd zu seinem Teamchef. Sie hatten sich eigentlich gut verstanden, also beschloss Ray es zu wagen.

"Kai?", sagte er zögerlich. "Ähm... was machst du eigentlich, wenn du abends solange noch fort bist?"

"Vergiss es, Ray.", knurrte Kai.

"Hä?"

"Ich werd es dir nicht sagen!", brummte er weiter. "Und ich hab dir schon einmal den Grund genannt: Es geht dich nichts an!"

"Ja, ich weiß.", seufzte Ray. "Dann eben nicht. Aber wenn du irgendwas hast, wenn etwas nicht stimmt, dann kannst du mir das ruhig sagen. Dann kannst du das uns allen sagen, klar?"

"Mach dich nicht lächerlich!", schnaubte Kai. "Da gibt es nichts, außerdem werde ich nicht kommen und euch heulend erzählen, was in meinem Leben alles schief gegangen ist."

"In deinem Leben ist etwas schief gegangen?", fragte Ray verwundert nach.

Kai seufzte.

"Nein, natürlich nicht.", verneinte er. "Das war nur ein Beispiel."

Rays bernsteinfarbene Augen blickten Kai daraufhin besorgt an, was dieser allerdings nicht merkte, da er den Blick auf den Schnee vor sich gerichtet hatte.

Kai hatte sich nicht sehr überzeugend angehört. Ganz und gar nicht.

Doch Ray beließ es dabei und schwieg. Er konnte Kai nicht zwingen, mit ihm zu reden, auch wenn er oftmals das Bedürfnis hatte, den Russen durchzuschütteln bis seine Zähne klapperten, ihn anzuschreien und auf ihn einzuprügeln, damit er ihm erzählte, was ihn so beschäftigte. Allein Rays Gutmütigkeit und seiner Fähigkeit sich zu beherrschen war es zu verdanken, dass dies noch nicht passiert war.

Sie kamen an einem kleinen Abhang an. Kai wollte ihn schon hinunter gehen, doch Ray bekam eine Idee und blieb stehen.

"Was hältst du von einem kleinen Wettkampf?", schlug er herausfordernd vor.

Kai verharrte in der Bewegung, drehte sich um und schaute ihn skeptisch an.

"Du willst dich also noch mal mit mir anlegen?", spöttelte er. "Du lernst auch nie aus. Aber klär mich auf. Welche Art von Wettkampf?"

Ray grinste.

"Wer zuerst unten am Abhang ankommt.", erklärte er, woraufhin Kai siegessicher grinste.

"Ich bitte dich.", sagte er. "Ich war schon immer schneller als du."

Der Chinese schüttelte den Kopf.

"Nicht Laufen. Rutschen."

"Bitte?"

"Wie Schlittenfahren, nur ohne Schlitten.", grinste Rays fröhlich. "Na?"

"So einen Kinderkram mach ich nicht mit.", schnaubte Kai und hatte plötzlich jegliche Begeisterung verloren, doch Ray ließ sich davon nicht abschrecken.

"Angst zu verlieren?", fragte er provokant. Er hörte Kai knurren.

"Ich verliere niemals!", widersprach er, auch wenn sie es beide besser wussten.

"Na, dann...", sagte Ray. "Dann kannst du mir auch zeigen, dass das stimmt. Und?"

Kai schien zu zögern, doch Ray hatte seinen Stolz angesprochen, seinen wunden Punkt und als er schließlich stumm nickte, war der Chinese wenig überrascht.

"Okay.", sagte Kai. "Wie sind die Regeln?"

"Ganz einfach.", begann Ray fröhlich. "Wir laufen beide an der selben Stelle los und hier..." Er zog eine Linie in den Schnee, direkt am Ansatz des Abhangs. "Hier, beginnt das Rutschen. Wer zuerst unten ankommt, hat gewonnen."

Kai schien zu überlegen und rieb sich die Wange.

"Was bekomm ich, wenn ich gewinne?", fragte er schließlich.

"Ruhm und Ehre?", bot Ray an und versuchte überzeugend zu lächeln. Was ihm nicht gelang.

"Wie wär's mit einem Gefallen?", schlug Kai vor, immer noch geistesabwesend.

"Okay.", stimmte der Schwarzhaarige zu und zuckte mit den Schultern. "Dann gilt das gleiche für mich."

"Gut.", grinste der Russe schließlich und stellte sich in Position. Ray folgte ihm und tat es ihm gleich.

"Fertig?", fragte er.

"Klar!", antwortete Kai.

"Auf die Plätze - Fertig - Los!"

Sie liefen beide los und Ray hatte tatsächlich wenige Sekunden lang die Führung, als er ausrutschte und mit dem Gesicht im Schnee landete. Er gab sich eine Sekunde, um sich über sich selbst zu ärgern bevor er hastig aufsprang und Kai nachhechtete, der einige Meter vor ihm war und sich in diesem Augenblick in den Schnee fallen ließ und den Abhang hinunterrutschte. Allein dieser Anblick war alles wert gewesen.

Ein Lächeln breitete sich auf Rays Gesicht aus während er sich ebenfalls bei der Markierung in den Schnee fallen ließ und Kai hinterher rutschte. Das Lächeln hatte drei Gründe.

Der Erste: Ray machte dieser kleine Wettkampf einfach Spaß.

Der Zweite: Die Ironie dieser Situation war einfach zu komisch - Kai, der einen Abhang hinunter rutschte? Auf seinem Hintern? Ray musste sich wirklich beherrschen, nicht laut zu lachen anzufangen.

Der Dritte: Kai ließ sich nie - nie - auf solch alberne Kinderreien ein und Ray hatte ihn heute schon das zweite Mal dazu gebracht, so was doch zu machen, was ihn mit Stolz und Zufriedenheit erfüllte.

Während Ray den Berg hinunterschlitterte, den kalten Schnee am Hintern und den eisigen Wind im Gesicht, war Kai am Ende des Abhangs angekommen und bremste mit seinen Händen. Der Schnee staubte neben ihm auf und er blieb mit dem Rücken zu ihm sitzen. Rays Geschwindigkeit erhöhte sich von Sekunde zu Sekunde, der Wind peitschte ihm stärker ins Gesicht, ließ seine Augen tränen, weshalb er sie zukniff.

Erst als er Kai nach Luft schnappen hörte, machte er sie wieder auf. Das letzte, was er erkannte war Kai wie er ihm über die Schulter hinweg einen erschrockenen Blick zuwarf, dann prallte er auch schon direkt auf ihn drauf. Kais Ellebogen landete genau in seinem Bauch und raubte ihm die Luft kurz bevor sie zusammen durch die Wucht des Aufpralls nach vorne geschleudert wurden und über die Wiese rollten. Es ging alles viel zu schnell, als dass einer von ihnen es hätte verhindern können und sie waren beide viel zu überrascht, als dass sie überhaupt begriffen, was los war. Vor Rays Augen drehte sich einfach alles, sein Bauch schmerzte und sein Körper war damit beschäftigt nach Luft zu schnappen, was ihm dadurch erschwert wurde, dass alle paar Sekunden ein schwerer Körper auf ihn prallte und ihm die Luft aus den Lungen drückte. Und überall Schnee. In Rays Gesicht, seinen Haaren, unter seiner Jacke, sogar an seinem Bauch.

Eine kleine Erhöhung in der Wiese stoppte ihre Rollpartie, die kürzer war, als Ray je vermuten würde. Unsanft landete Ray mit dem Rücken auf dem kleinen Hügel und ein "Uff!" entwich ihm, als Kais Körper regelrecht auf ihn aufschlug, ihm erneut die Luft raubte und dumpfe Schmerzen durch seinen Oberkörper jagte. Schwer keuchend blieben sie beide liegen und Ray musste erst einmal seine Gedanken sortieren. Es dauerte einige Momente bis er die Situation realisierte, bis er überhaupt wahrnahm, dass Kai direkt auf ihm lag. In diesem Moment spürte er plötzlich alles sehr deutlich, fast zu deutlich.

Kais Körper.

Seine Wärme, sein Gewicht, sein schneller heißer Atem direkt an seinem Ohr. Ihm wurde warm, sein Herz spielte verrückt. Ray rang zittrig nach Atem.

Dann begann Kai sich zu bewegen.

"Alles in Ordnung?", fragte er fast panisch, stützte sich mit beiden Armen neben Rays Gesicht ab und musterte ihn. Und dieser Blick, den er dabei hatte war der Auslöser dafür, dass Ray sich plötzlich fühlte als seien all seine Sinne in Watte gepackt, denn Kais Augen - Kais mysteriöse rotbraune Augen - waren noch nie so voll Emotion wie in diesem Moment. Als Ray nicht antwortete wurde Kais Miene dann sogar besorgt, was Ray vollends aus der Fassung brachte.

"Ray?", fragte Kai noch einmal und riss ihn zurück in die Realität. "Ist alles...?"

"Was?", unterbrach ihn Ray mit zittriger Stimme und verklärtem Blick. "Ich... ähm... ja. Ja, alles okay."

Dann holte er tief Luft, da er befürchtete jeden Moment zu ersticken. Warum war denn plötzlich so wenig Sauerstoff vorhanden?

"Wirklich?", hakte Kai skeptisch nach.

Ray seufzte.

"Ja.", antwortete er und bemühte sich ernst zu klingen und zu schauen. "Ja, wirklich."

Kai schwieg und musterte ihn durchdringend, schien nach einem Grund zu suchen, der seine Zweifel bestätigte, doch Ray schaffte es anscheinend irgendwie sein inneres Chaos zu verbergen, weshalb Kai schließlich nickte.

Doch er stand nicht auf. Sein Blick veränderte sich, wurde nachdenklich, wie so oft in den letzten Tagen. Dann öffnete der Russe seinen Mund und schloss ihn nach einigem Zögern wieder, wendete seinen Blick ab und sah plötzlich fast ein wenig trotzig aus.

Rays Hände verkrampften sich nervös in seiner Jacke. Was war los?

Dann wanderten Kais Augen langsam, fast quälend langsam zurück zu den bernsteinfarbenen, verwirrt geweiteten Rays. Und sie starrten sich einfach an.

Ray spürte wie der Schnee, der unter seine Klamotten gerutscht war anfing zu schmelzen und nur durch diese starke Kälte bemerkte er erst wie heiß ihm war. Es war aber auch eine verdammt seltsame Situation, in der er sich zurzeit befand. Er lag hier, mitten im Schnee und Kai direkt auf ihm drauf, mit dem Armen neben seinem Gesicht abgestützt, den Haaren, die an den Seiten hinunterhingen und den Chinesen im Gesicht kitzeln würde, würde Kai sein Gesicht ein Stück senken und diesem Blick. Halb geschlossene, fast fiebrig glänzende Augen die ihn intensiv musterten. Zusammen mit Kais gerötetem Gesicht und dem schnellen Atem von ihnen beiden...

Schneller Atem?

In der Tat, die weißen Wölkchen, die sich bildeten, wenn sie ausatmeten kamen in immer kürzeren Abständen. Bei beiden.

Rays Hände verkrampften sich noch mehr. Wenn man die Szene völlig aus dem Zusammenhang reißen würde, könnte man sie glatt missverstehen. Zumindest irgendwie. Hatte Ray sich nicht immer vorgestellt, dass man so aussah, nachdem man eine heiße Nacht, um es milde auszudrücken, hinter sich hatte? Hatte er sich nicht vorgestellt, dass Kai so aussehen würde? Zumindest ansatzweise?

Oh, Moment! Er hatte es sich natürlich nicht vorgestellt wie Kai danach aussehen würde. Oder?

...

Oder??!!

Ray konnte sich nicht erinnern und war mittlerweile mehr als nur durcheinander. Er bemerkte wie er errötete. Sein Gesicht flammte auf, wurde nicht nur warm, sondern regelrecht heiß. Er hatte das Gefühl zu verbrennen, die Haut über seinen Wangen und an seinen Ohren war so angespannt, dass er Angst hatte, sie würde reißen. Sein Herz pochte hart und laut in seiner Brust. Er spürte sein Blut an seinem Hals rauschen und an den Schläfen. Warum war er so nervös?!

Kai seinerseits schien von Rays innerem Kampf nichts mitzubekommen, schien selbst irgendwie weit weg. Seine Augen waren wässrig und fern vom Geschehen bis er plötzlich blinzelte und Ray unbarmherzig fixierte. Sein Blick war eiskalt.

Dann rappelte er sich langsam auf und streckte Ray ohne eine Wort seine Hand hin, die dieser zögerlich und mit berauschten Sinnen annahm und sich aufhelfen ließ. Während er sich innerlich zur Ruhe rief und versuchte sein Zittern und seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen, entfernte er den Schnee aus seinem Kragen und richtete seine Mütze. Eine unangenehme Stille legte sich über sie, was Rays Nervosität nicht gerade verminderte.

Er musste etwas sagen, das war ja nicht auszuhalten!

"Ist...", begann er und musste sich sofort räuspern. Seine Stimme zitterte schon wieder. "Ist bei dir denn alles okay?"

"Klar.", brummte Kai nachdenklich. "Alles bestens."

Das klang schon wieder nicht sehr überzeugend.

"Gut.", murmelte Ray und schickte Kai einen zweifelnden Blick. "Ich schuld dir jetzt wohl einen Gefallen."

"Hm?", machte Kai und schaute ihn ehrlich überrascht und fragend an, woraufhin Ray lächeln musste.

"Der Wettkampf.", erklärte er. "Du hast gewonnen. Schon vergessen?"

"Ich...", begann Kai. "Klar." Er schaute grübelnd auf den Boden. "Klar."

Ray runzelte die Stirn. Irrte er sich, oder war Kai genauso durcheinander wie er?

"Lass uns gehen!", befahl der Russe daraufhin und schweigend setzten sie sich in Bewegung. Schweigend verlief auch der restliche Weg und schweigend betraten sie die Hütte. Die Stimmung zwischen ihnen schien sich innerhalb von Sekunden verändert zu haben, doch Ray konnte nicht fest machen, in welchen Moment dies geschehen war.
 

Mittlerweile stand er grübelnd in der Küche und bereitete das Essen zu. Kai saß hinter ihm und schwieg. Jedes mal, wenn Ray sich umdrehte und einen prüfenden Blick hinter sich warf, ob Kai überhaupt noch da war, starrte er direkt in sein rotbraunen Augen, die ihn wieder völlig emotionslos und ohne jede Zurückhaltung musterten. Nach zehn Minuten allerdings hielt Ray das Schweigen nicht mehr aus und wie so oft musste er es selbst brechen.

"Hat es dir bis jetzt eigentlich gefallen?", fragte er das, was ihm als erstes in den Sinn kam.

Kurze Stille.

"Ja."

Es war nur ein Hauchen und trieb Ray eine Gänsehaut über den Rücken.

"Freut mich.", lächelte er und begann den Tisch zu decken, wobei er Kais beobachtende Blicke deutlich bemerkte. Erneut schwiegen sie.

Auch während des Essen antwortete Kai nur noch einsilbig und brummig. Ray hatte das Gefühl, dass er nicht mehr zu ihm durchdrang. Das positive Verhältnis, was vor wenigen Stunden noch zwischen ihnen geherrscht hatte, war nun völlig verschwunden.

Einfach so.

"Wollen wir dann jetzt ins Dorf?", fragte Ray hoffnungsvoll während er abräumte.

"Hn.", machte Kai, stand auf und blieb im Türrahmen stehen, mit dem Rücken zu Ray.

"Ich habs mir anders überleg.", sagte er dann emotionslos und vollkommen kühl. "Ich geh jetzt doch trainieren."

Ray öffnete den Mund, um zu protestieren oder nachzufragen, was das plötzlich sollte, vielleicht sogar, um zu fragen, ob er mitkommen dürfte, als Kai ihm das Wort abschnitt.

"Allein!", zischte er und es war nur dieses eine Wort, welches Ray ein Messer ins Herz rammte, ihn zutiefst verletzte.

"Okay.", murmelte er leise und stellte seinen Teller in die Spüle.

Dann verschwand Kai in sein Zimmer und nur wenige Minuten später fiel die Tür der Hütte ins Schloss und Ray blieb allein zurück. Schon wieder oder immer noch verwirrt und gekränkt.

Und schon wieder hatte Kai die Grenze von Demütigung überschritten, doch dieses mal wahrscheinlich ohne es richtig zu merken. Hatte Ray es nicht schon am Anfang dieses Tages geahnt, dass so etwas passieren würde?
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

so, das war das vierte kapitel ^^

so schlimm war das ende jetzt nicht, ich weiß, hab euch da ein bisschen angst gemacht, was? hehe

ich glaube aber, man merkt, dass ich es einfach schnell hinter mich bringen wollte, denn ich bin im moment nicht wirklich in stimmung für das rumgeturtel und die friede-freude-eierkuchen-stimmung...

umso mehr freu ich mich deshalb auf die nächsten kapitel ^^

hehe *fg*

ich bin mir sicher, da werdet ihr kai hassen... also im nächsten kapitel ist er schon ziemlich gemein, aber lasst euch überraschen ^___^

nur soviel: ab jetzt ist schluss mit dem netten kai und, glaubt mir, er wird noch für viel verwirrung sorgen ^^°
 

hoffe, es hat euch trotzdem gefallen, hinterlasst mir bitte kommis, wenn dem so ist... und wenn nicht, dann auch ^^

alles wie gehabt

auf jeden fall vielen, vielen dank an die lieben kommischreiber!!

ihr baut mich so sehr auf!! so wie ich mich kenne, hätte ich die geschichte schon längst wieder hingeschmissen, wenn ihr nicht währt!!

also danke *knuffz*
 

bai bai *wink*

astin =:)
 

p.s.: ich wünsch euch allen einen guten rutsch ins neue jahr!!

und nehmt euch net soviel vorsätze, dann müsst ihr auch net soviel brechen ;)

Lektion V: Wie man effizient Verletzungen zufügt

Seufzend legte sich Ray die Hand über die geschlossenen Augen. Er lag im dunklen Wohnzimmer auf der Couch und das schon seit Kai verschwunden war. Er wusste nicht wie lange schon, doch es mussten mittlerweile einige Stunden sein, denn es dämmerte schon und sein Magen knurrte seit gut einer halben Stunde. Sein Mund war trocken, doch er verspürte keine Lust dazu aufzustehen und sich etwas zu Trinken oder zu Essen zu holen.

Essen...

Er würde sowieso nichts runter bekommen, denn im Moment brauchte er nur daran zu denken und ihm wurde schon schlecht. Er mochte zwar Hunger haben, doch Appetit hatte er noch nicht einmal ansatzweise. Alles nur wegen Kai.

Nur wegen ihm lag er seit Stunden auf der Couch, fühlte sich elend, hatte keine Lust auch nur irgendetwas zu machen und musste mit diesem beklemmenden Gefühl in seiner Brust, dem Klumpen in seinem Bauch und dem Kloß in seinem Hals kämpfen. Nur wegen ihm wusste er noch nicht einmal mehr, was er die ganze Zeit über gedacht hatte, während er dort lag. Im Dunkeln. Alleine.

Seine Hand verkrampfte sich kurz in seinem Gesicht, dann ließ er sie schlaff neben der Couch herunter fallen, sodass sie den Boden berührte. Seine Augen starrten mit leerem Ausdruck an die helle Decke über ihm, ohne etwas zu sehen. Ein Gedanke dominierte in seinem Kopf, ein Bild vor seinem Inneren Auge.

Kai.

Doch es blieb bei dem Gedanken und es blieb bei dem Bild, denn Ray weigerte sich Innerlich über alles nachzudenken. Er wusste nicht warum er sich weigerte, doch vermutlich, weil es zu verletzend war. Außerdem fühlte er sich auch so fürchterlich genug, ohne dass er grübelte. Dabei wusste er noch nicht einmal genau warum er sich so fühlte. Es war schlimm genug, dass Kai plötzlich und ohne Grund so abweisend zu ihm gewesen ist, wo er sich doch so sehr darauf gefreut hatte mit dem Russen ins Dorf zu gehen, doch dass er sich deswegen so verdammt mies fühlte beschäftigte ihn fast noch mehr.

Es war doch nur Kai, nur sein Teamchef und nur, weil er mit Ray nichts machen wollte und sich seltsam benahm, war das doch noch lange kein Grund den Nachmittag auf dem Sofa zu verschwenden und Trübsal zu blasen.

Sinnlos.

Er konnte sich das sooft sagen wie er wollte, doch es änderte nichts an der Situation, an seinen Gefühlen. Es blieb dabei, dass es ihm miserabel ging und sein Verstand war nicht in der Lage sich über seine Gefühle hinweg zu setzen. War er noch nie. Bei Ray hatten die Gefühle deutlich die Oberhand und er persönlich konnte sich nicht vorstellen, dass es anders sein konnte. Menschen waren von Emotionen anhängig, ihnen unterworfen und da konnte der beste Verstand der Welt nichts daran ändern.

Kai war der einzige Mensch, den der Chinese kannte, der seine Gefühle halbwegs unter Kontrolle hatte, sie verdrängte, unterwarf und einfach nicht zuließ. Doch war auch er nicht immer erfolgreich damit.

Erneut entwich Ray ein tiefer resignierter Seufzer ehe er sich auf die Seite drehte und seinen Kopf auf den linken Arm bettete, seine rechte Hand pulte am Sofabezug. Sein Gesicht verspannte sich und er knabberte geistesabwesend auf seiner trockenen Unterlippe.

Kai. Er wollte nicht mehr an ihn denken, nicht mehr über ihn nachdenken, wollte sich nicht mehr so jämmerlich fühlen.

Er fing an sich darüber zu ärgern, dass Kai so einen Einfluss auf ihn zu haben schien, denn so wie es anmutete, brauchte der Russe sich nur abweisend zu verhalten und schon fiel Ray in ein großes schwarzes Loch bestehend aus Melancholie, Depression und Selbstmitleid. Andererseits war Ray auch nicht fähig, daran etwas zu ändern. Zumindest nicht im Moment.

Im Moment wollte er einfach nur hier liegen und gar nichts machen.

Sein Verstand hatte wirklich eindeutig verloren.

Weitere lange Minuten des Hin- und Herdrehens und des Grübelns, welches Ray sich eigentlich verboten hatte verstrichen. Weitere mutlose Seufzer wurden ausgestoßen. Weiterhin wurde sich geweigert etwas zu Essen oder zu Trinken. Weitere Gedanken, die sich nur um Kai drehten, wurden versucht zu ignorieren.

Der Raum wurde kälter, weil der Kamin schwarz, dunkel und ungenutzt verblieb und Dunkelheit breitete sich aus, da die Sonne vollends verschwand und den letzten Rest Licht mit sich nahm, doch keine Beleuchtung angeschaltet wurde.

Irgendwann mitten in diesem Szenario des tiefen Kummers, erhaschten Rays Ohren das Geräusch der sich öffnenden Tür. Erschrocken und angefüllt mir Gefühlen von Hoffnung, Freude, Unbehagen und sogar Angst sprang Ray auf und blieb mit einer Art Abwehrhaltung und aufgerissenen Augen mitten im Raum stehen, starrte auf den Eingang und kam sich irgendwie verloren vor.

Die Tür öffnete sich einen Spalt, doch verharrte vorerst in dieser Position. Leises Gemurmel und Geflüster war zu hören und Ray runzelte verwirrt die Stirn. Dann wurde zögerlich ein Kopf in die Hütte gesteckt. Ray konnte in der Dunkelheit nicht viel erkennen, doch es reichte, um den Kopf als Tysons zu identifizieren. Dieser schrie plötzlich erschrocken auf, der Kopf verschwand aus dem Türspalt und verwirrte, aufgeregte Stimmen waren zu hören.

Ray stand noch immer unschlüssig im Raum und verstand überhaupt nichts, außer dass seine Teamkameraden wohl Angst vor Kai hatten. Verständlicherweise.

Erneut schob sich ein Kopf zögerlich durch den Türspalt, dieses mal war es aber Max'. Ein Seufzen war zu hören.

"Das ist nur Ray!", sagte Max gleichermaßen erleichtert wie genervt und öffnete die Tür völlig.

"Sicher?", quiekte Tyson hinter ihm und spähte an Max' Rücken vorbei.

"Ja!", entgegnete der Blonde und schaltete das Licht ein. Ray kniff geblendet die Augen zusammen, nur um seine Teamkameraden daraufhin mit ungewöhnlich ausdruckslosem Blick anzustarren. Diese waren mittlerweile eingetreten und hatten die Tür geschlossen. Kenny stand etwas hinter Tyson und blickte sich ängstlich um, während der Blauhaarige nervös mit seinen Händen spielte. Max lächelte zappelig.

"Ähm. Hi, Ray.", sagte er und blickte kurz die Treppe hinauf. "Was machst du hier im Dunkeln?"

"Nichts.", antwortete dieser schulterzuckend und versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

"Hast du geschlafen?", fragte Tyson neugierig. "Deine Haare sind so verstrubbelt."

Ray griff sich reflexartig an den Kopf, doch als er den Mund öffnete, um zu antworten, mischte Kenny sich ein.

"Ist doch egal, ob er geschlafen hat!", sagte er fast patzig, woraufhin er drei verwirrte Blick bekam. Er räusperte sich verlegen.

"Wichtiger ist doch.", begann er leiser zu erklären und senkte seine Stimme schließlich zu einem Flüstern, gepaart mit zwei großen angsterfüllten Augen. "Ist Kai da?"

Ray biss sich auf die Unterlippe, als ihm alles wieder einfiel.

"Nein.", antwortete er trotzig. "Er ist... trainieren."

>>Alleine.<<

Wie konnte ein einzelnes Wort soviel Schaden anrichten, soviel zerstören, so viele Schmerzen bereiten...?

"Trainieren?", wiederholte Tyson und atmete erleichtert aus, riss Ray zurück in die Realität. "Meinst du er bleibt lange weg? Ich will ihm heute nicht mehr über den Weg laufen, wenn du verstehst..."

"Ich glaub schon.", murmelte Ray mit hängenden Schultern.

Max begann sich aus seiner Jacke zu schälen und musterte den Chinesen skeptisch während Kenny hastig seine Schuhe auszog.

"Ray?", fragte der Blondhaarige schließlich besorgt. "Ist alles okay bei dir? Du bist irgendwie komisch."

Ray seufzte leise und überlegte, ob er alles erzählen sollte, doch empfand es für besser zu schweigen. Was er nicht verstand, würden die anderen wohl auch nicht verstehen. Gerade als er den Mund öffnete und abwinken wollte, meldete sich Tyson zu Wort.

"Ähm...", begann er reuevoll. "Hat Kai dich etwa irgendwie bestraft oder zusammengeschissen, oder so? Wegen uns?"

"Nein.", antwortete Ray nach einigem Zögern und lächelte leicht. "Nein, er hat mich weniger angeschrieen als ich erwartet hatte."

"Tut uns leid.", murmelte Kenny daraufhin geknickt und zog langsam seine Jacke aus.

"Nein, schon gut.", widersprach Ray hastig, doch machte dann eine kurze zerstreute Pause ehe er etwas leiser fortfuhr. "Nur solltet ihr eins wissen: Kai war zwar wütend, doch ich würde sagen, dass er noch viel mehr gekränkt war. Er hat es nicht gesagt und würde es vermutlich abstreiten, doch ich habe es ihm angesehen. Er war enttäuscht und es hat ihn... ja, irgendwie verletzt." Er machte eine kurze nachdenkliche Pause. "Ich will euch keine Angst machen, aber ich denke, dass das noch viel schlimmer ist, als wenn er einfach nur wütend über eure mangelnde Disziplin gewesen wäre."

Drei Augenpaare starrten ihn daraufhin mit einer Mischung aus Unglaube, Reue und Angst an.

"Mist!", flüsterte Max.

"Das hätte ich nicht erwartet.", murmelte Tyson und biss sich auf die Unterlippe.

Ray lächelte matt. Er hatte viele Dinge, die an diesem Tag geschehen sind auch nicht erwartet. Gutes sowie Schlechtes. Er fühlte sich plötzlich sehr schwach.

"Hattet ihr wenigstens Spaß?", versuchte er das Thema zu wechseln und schaffte sogar ein Lächeln. Nur erreichte es seine Augen nicht.

"Ja, es war toll.", antwortete Max leise. Es schien ihm wirklich Leid zu tun.

Sie redeten noch eine Weile über den Tag, ohne dass Ray auch nur ansatzweise etwas von seinem eigenen erwähnte, oder Kai. Danach aßen sie eine Kleinigkeit, wobei Ray nur neben Kenny saß und seinen Teller anstarrte. Max' Nachfrage, ob alles in Ordnung sei, beantwortete er mit ja und er hätte nur keinen Hunger. Es war nicht völlig gelogen.

Sie gingen alle sehr früh ins Bett. Einerseits, weil sie wirklich müde von dem anstrengenden Tag waren und andererseits, weil sie die Begegnung mit Kai solange wie möglich hinauszögern wollten. Auch Ray.

Allerdings schaffte dieser es einfach nicht einzuschlafen. Ihm war schlecht, Gedanken quälten ihn und er fühlte sich rastlos. Er drehte sich immer wieder von einer Seite zur anderen, schüttelte sein Kissen auf, strampelte die Bettdecke von sich, nur um sie wenige Minuten später wieder über seinen zitternden Leib zu ziehen. Ihm war entweder heiß oder kalt, nie war es genau richtig. Egal wie er sich drehte, nie war es gemütlich. Es war zum Verrücktwerden.

Um Zwölf schließlich beschloss er eine Kleinigkeit zu essen. Das würde wenigsten ein bisschen fördern, dass er einschlief. Immerhin half ein knurrender Magen und ein Gefühl der Übelkeit nicht wirklich dabei.

Seufzend setzte er sich auf und stellte desinteressiert fest, dass er ein wenig zittrig war und sich schwach fühlte. Er sollte wirklich etwas Nahrung und Flüssigkeit zu sich nehmen. Langsam stand er auf und schlich leise, aber mit ungewöhnlich schwerfälligen Bewegungen hinunter in die Küche, wo er sich ein Brot schmierte und ein Glas Wasser eingoss. Das Glas trank er in einem Zug leer und füllte sich sofort ein neues auf, doch das Brot lag vorerst unberührt auf seinem Teller. Ray beschloss es mit nach oben zu nehmen. Vielleicht würde er es später schaffen, es zu essen.

Er nahm den Teller in die eine Hand, das Glas Wasser in die andere und schaltete mit dem Ellebogen das Licht aus. Gerade als er den Flur betrat, wurde die Tür geöffnet. Rays Herz rutschte ihm sprichwörtlich in die Hose, denn er wusste genau, wer jetzt gerade zurück kam. Er war hierauf nicht vorbereitet. Noch nicht einmal ansatzweise. Wie groß war denn die Wahrscheinlichkeit, dass Kai in diesem Moment zurückkam? Gerade in diesem?!

Ray begann zu zittern.

Die Tür öffnete sich völlig und das Licht wurde eingeschaltet. Danach herrschte Stille, wo sich Ray und Kai einfach nur anstarrten. Ein Windstoß blies durch die geöffnete Tür, riss Kais Schal mit sich in den Raum, ließ Ray frösteln. Dann wendete der Russe mit ausdruckslosem Gesicht den Blick ab, schloss die Tür, entledigte sich seiner Klamotten und den Schuhen und ging Richtung Treppe. Dann hielt Ray nicht mehr aus. Er musste wissen, was los war!

"Kai?", fragte er mit unglücklichem Klang in der Stimme. "Können wir mal reden? Weißt du, ich..."

"Lass mich in Ruhe!", unterbrach in Kai zischend und setzte seinen Weg fort.

"Aber, Kai...", rief Ray ihm nach, bewegte sich allerdings nicht von der Stelle. Vollkommen überfordert sah er wie Kai hinter der Wand der Treppe verschwand. Seine Stimmung wurde nicht besser, sein Zustand erst recht nicht. Mit traurigen, verwirrten Augen starrte er auf den Teller mit dem Brot in seiner Hand, mit einem Blick, der aussah, als ob er nicht wisse, was er mit dem Essen anfangen sollte.
 

~If only love could find us all

If only hearts didn't have to fall

We can't mislead to make things right

So instead we'll sleep alone tonight~
 

~oOo~
 

Den nächsten Morgen als Ray in der Küche stand und Kaffee kochte, saßen Max, Tyson und Kenny schweigend hinter ihm. Die Stimmung war angespannt und sie redeten wenig miteinander, was daran lag, dass keiner von ihnen Kai bis jetzt gesehen hatte. Die Angst war fast greifbar. Ray allerdings hatte andere Gründe für seine Schweigsamkeit. Er fühlte sich noch immer nicht besser, seelisch wie körperlich. Ihm war noch immer schlecht, obwohl er es irgendwie geschafft hatte das Brot noch hinunter zu würgen, noch dazu war er müde, da er diese Nacht nur wenig Schlaf gefunden hatte.

"Ray?", hörte er Max plötzlich hinter sich fragen. "Gibst du mir bitte mal den Orangensaft?"

Ray drehte sich kurz um, blickte zu dem Blonden und nickte, woraufhin er ein dankbares Lächeln erhielt, was aber mehr gequält als echt wirkte. Der Schwarzhaarige ging zum Kühlschrank, holte die entsprechende Packung heraus und reichte sie Max schließlich, welcher ihn allerdings skeptisch musterte. Seine blauen Augen wanderten von Rays Hand zu seinem Gesicht und wieder zurück. Dann griff er langsam und ohne Ray aus den Augen zu lassen zu der Packung.

"Du zitterst.", sagte er mit besorgtem Blick, nachdem Ray ihn fragend gemustert hatte. "Ist wirklich alles in Ordnung? Du siehst wirklich nicht..."

Max unterbrach sich plötzlich selbst, und starrte mit weit aufgerissen Augen an Ray vorbei. Als dieser sich mit einer schlimmen Vorahnung umdrehte, starrte er direkt in Kais Gesicht. Alle Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf den Russen, Stille kehrte ein und Ray hielt sogar sekundelang die Luft an. Ein flaues Gefühl lagerte sich in seinem Magen ab.

Kais Blick war voller Wut, dann blinzelte er und der Ausdruck war verschwunden. Er musterte jeden einzelnen quälend langsam mit gelangweilter Miene und setzte sich dann auf seinen Platz. Keiner wagte zu sprechen oder sich zu bewegen. Als Kai sich dann allerdings wortlos ein Brötchen griff und die anderen zu ignorieren schien, warfen sie sich fragende und vor allem ängstliche Blicke zu. Das war die Ruhe vor dem Sturm, soviel war sicher.

Das Frühstück verlief also genauso schweigsam wie dessen Vorbereitung. Ab und zu warfen sich May, Kenny und Tyson besorgte Blicke zu, doch niemand wagte, etwas zu sagen. Ray währenddessen versuchte seine Augen davon abzuhalten immer wieder zu Kai zu wandern. Erfolglos.

Lustlos biss er zweimal in sein Brötchen, doch kaute es sehr lange, ehe er es unter größter Mühe runterschluckte. Danach fühlte er sich, als ob er zwei große Teller Mittagessen gegessen hatte und legte das Brötchen beiseite, was ihm erneut einen besorgten und fragenden Blick von Max bescherte. Er schüttelte einfach nur den Kopf. Kai würdigte ihn keines Blickes.

Nachdem alle fertig waren, stand der Russe auf und war im begriff die Küche zu verlassen. Allerdings blieb er noch mal im Türrahmen stehen und sagte noch vier Worte:

"In einer Stunde. Training."

Seine Stimme war bei diesen wenigen Worten so dunkel, so rau und so gefährlich, dass Ray ein Schauer über den Rücken lief und das, obwohl er wohl am wenigstens zu befürchten hatte. Zumindest dachte er das.
 

~oOo~
 

Als Ray fast eine Stunde später die Küche betrat, sah er noch wie Kai etwas kleines Weißes in den Mund steckte und mit einem Schluck Wasser hinunter spülte. Seit wann nahm Kai denn Tabletten? Und wogegen?

Ray runzelte die Stirn und musterte den Russen besorgt.

Dann entdeckte Kai ihn, senkte den Blick, knallte das Glas auf die Spüle und verließ den Raum. Ray blieb zurück, verwirrt, traurig und nachdenklich. Er wusste nicht, was er getan hatte, dass Kai plötzlich so distanziert zu ihm war. Er wusste es wirklich nicht und es machte ihn noch einmal verrückt, da war er sich sicher.

Er beschloss nach dem Training mit Kai zu reden. So konnte es nicht weitergehen.

Allerdings sollten sich seine Pläne abrupt ändern, was er zu dem Zeitpunkt, wo sie schließlich alle draußen im Schnee standen und warteten, dass Kai etwas sagte, noch nicht wusste.

Sie standen in einer Reihe auf einer großen Wiese. Vor ihnen erstreckte sich ein langer Hügel und Kai schritt immer wieder von links nacht rechts, von rechts nach links, musterte jeden einzelnen von ihnen mit einem scharfen Blick. Wie ein Tiger in seinem Käfig, der am Liebsten angreifen würde, wenn die Gitterstäbe ihn nicht hindern würden. Dumm nur, dass Kai durch keine Gitterstäbe aufgehalten wurde. Er war frei.

Während Kenny rechts neben Ray nervös von einem Bein auf das andere trat, Kai genau im Auge behielt und nur gelegentlich einen besorgten Blick zu seinem Laptop warf, der in mehreren Handtüchern eingepackt im Schnee lag, kratzte sich Tyson links vom ihm alle paar Sekunden im Nacken und räusperte sich mehrmals. Ray selbst wusste nicht, ob er Angst haben sollte, immerhin hatte Kai ihm indirekt versprochen, dass er nichts zu befürchten hatte.

Dann blieb Kai stehen und man konnte förmlich spüren wie sich alle anspannten und verkrampften. Tyson lachte nervös auf.

"Ihr wisst, dass wir jetzt nicht sofort mit dem Training anfangen!", fing Kai zischend an und musterte jeden von ihnen mit einem verächtlichen Blick. "Und ihr wisst auch genau warum!! Denn jetzt erhaltet ihr ersteinmal eure gerechte Strafe!! Ich finde es unter alle Würde MIR,", er deutete mit aggressiver Geste auf sich selbst, "mir so in den Rücken zu fallen!! Wir sind gerade mal den dritten Tag hier und ihr habt schon das Training geschwänzt!"

Kais Augen fingen an zu glühen, seine Wut stieg sichtlich.

"Wisst ihr eigentlich wie unloyal und faul ihr seid??!!", fuhr er lauter mit eiskalter Stimme fort. "Das ist echt nicht zum Aushalten!! Ehrlich! Ihr seid so was von... Argh!!" Er atmete tief ein, seine Augen verzogen sich zu Schlitzen, ein gehässiges Grinsen schlich sich auf sein Gesicht.

"Aber dafür,", begann er bissig und mit tiefer, fast ruhiger Stimme, "dafür werdet ihr schon die gerechte Strafe erhalten und mir wird es Spaß machen, euch dabei zuzusehen!! Und glaubt mir: Hiernach werdet ihr es euch zweimal überlegen, ob ihr das Training schwänzt und euch so gegen meinen Titel als eurer Teamcaptain stellt!"

Er kam einen Schritt auf sie zu, seine Augen funkelten gefährlich und Kenny wich automatisch einen kleinen Schritt zurück.

"Ihr werdet jetzt dort hoch laufen.", zischte Kai mit einem gemeinen Grinsen auf den Lippen und deutete hinter sich den Hügel hoch.

"Und zwar so schnell ihr könnt!", fügte er beißend hinzu. "Und wenn ihr mir zu langsam seid, dann lauft ihr noch mal da hoch. Und wenn ihr mir immer noch zu langsam seid, dann noch mal. Das können wir den ganzen Tag machen, verstanden?! Und danach..." Er machte eine dramatische Pause. "Danach werden wir trainieren und ich warne euch: Wenn ihr euch dabei nicht anstrengt, gibt es großen Ärger!! Verstanden?!"

Jeder nickte, selbst Ray.

"Gut.", knurrte Kai und deutete hinter sich. "Dann fangt mal an zu laufen! Schnell!!"

Langsam setzten sich Max, Tyson und Kenny in Bewegung. Ray blieb nervös und unentschlossen stehen und sah Kai fragend an. Als dieser die Augenbrauen senkte, die Fäuste ballte und ihn fixierte, schien für Ray eine Welt zusammenzubrechen. Er ahnte, was kam.

"Du auch.", zischte der Russe und bestätigte seinen Verdacht. Dennoch tat es weh. Sehr sogar. Ray registrierte mitten in seinem Gefühlschaos aus Verwirrung, Unglauben und vor allem Verletztheit, dass die anderen am Fuß des Hügels stehen blieben und Kai irritiert anstarrten.

"Aber du hast doch gestern...", fing Ray leise und mit zittriger Stimme an, doch wurde sofort harsch unterbrochen.

"Dann hab ich meine Meinung eben geändert!!", fauchte Kai aufgebracht und deutete hinter sich den Hügel hinauf. "Und jetzt lauf!"

Ray starrte Kai fassungslos an, er spürte einen Klos im Hals und wie sich sein Magen schmerzhaft verkrampfte. Seine Augen brannten und wurden feucht. Er blinzelte schnell, denn die Genugtuung, dass er weinte, würde er Kai nicht geben.

"Kai.", meldete sich Max leise und bittend zu Wort. "Jetzt mal im Ernst. Ray war doch gar nicht mit und..."

"Ich weiß, dass er nicht mit war!", unterbrach Kai ihn zischend, ohne Ray aus den Augen zu lassen. "Aber er hat von all dem gewusst und euch nicht abgehalten! Außerdem hat er es sich ganz einfach machen wollen: Er ist da geblieben, wollte der Strafe entgehen, hat aber trotzdem einen freien Tag bekommen, nicht Ray?!"

"Du weißt, dass das nicht stimmt, Kai!", erwiderte Ray mit belegter, zittriger Stimme und musste schlucken. Der Klos in seinem Hals blieb trotzdem.

"Kai, ich finde auch, dass...", begann Max nun fast flehend, doch Kai wirbelte so schnell herum, dass Max sich selbst unterbrach du ihn entsetzt anstarrte.

"Halt den Mund!", befahl Kai bedrohlich. "Oder du läufst die nächsten drei Tage diesen Hügel hinauf!! Hast... du... kapiert?!"

Max nickte nur trotzig und schickte Ray einen mitleidigen Blick, den dieser mit einem schwachen Kopfschütteln erwiderte. Kai drehte sich wieder zu Ray und sah ihn abwartend an. Rays Verletztheit verwandelte sich zu Wut. Er hatte doch nichts getan, verdammt!!

"Fein!", keifte Ray trotzig und hatte jetzt wirklich mit den Tränen zu kämpfen. Er schluckte, blinzelte, verspannte sich.

Doch es half nichts. Eine einzelne Träne rollte seine Wange hinab, und diese eine Träne war Ausdruck all seiner Wut und Hilflosigkeit. Er wischte sie hastig fort, schniefte einmal und lief dann schnellen Schrittes an Kai vorbei. Die Anderen blickten ihn mitleidig und reuevoll an. Wenn ihr Blick über ihren Teamchef glitt, wurde er allerdings wütend.

"Ich kann verstehen, dass er uns da hoch schickt.", flüsterte Tyson zornig. "Aber du hast doch nichts..."

"Schon gut.", unterbrach ihn Ray leise. "Lasst es uns einfach schnell hinter uns bringen."

Sie starrten sich gegenseitig besorgt an, dann liefen sie langsam los.

Keiner von ihnen sprach ein Wort, denn sie wussten, dass sie es verdient hatten. Außer Ray, doch diesen Umstand konnten sie nicht ändern und mussten es akzeptieren, auch wenn es schwer war. Die einzigen Laute, die zu hören waren, war ihr lautes Keuchen, ihre knirschenden Schritte im Schnee, der Wind, der durch die Tannen fegte, und ab und an Kais wütende Befehle.

Der Schnee machte es schwer schnell zu laufen, doch Kai schrie ihnen genau das unter Androhung weiterer Strafen unerbittlich hinterher, ihre Kleidung war zu dick, sodass sie schnell nur unnötige Last darstellte, doch Kai verbot ihnen, sie abzulegen, der Wind war zu kalt, sodass ihre Lungen und ihr Hals brannten, ihre Haut sich verspannte. Nachdem sie den Hügel dreimal hoch gelaufen waren, waren sie am Ende. Als sie unten ankamen, völlig außer Atem, vor allem Kenny, der dies nicht gewohnt war und mit schmerzender Beinmuskulatur, gönnte Kai ihnen keine Pause.

"Los!", forderte er sie streng auf. "Geht jetzt trainieren! Und Kenny, ich will am Ende dieses Tages Ergebnisse sehen, damit das klar ist!"

"Klar.", keuchte Kenny mit zittrigen Knien. Er war soviel Anstrengung nicht beständig.

Schweigend stapfte Ray an Kai vorbei, weigerte sich, ihn anzusehen. Seine Waden schmerzten und er fühlte sich, als ob er keine Muskeln mehr in den Beinen besaß. Sie waren schwach und zittrig. Dazu kam, dass sein Magen knurrte, sich gleichzeitig auch immer wieder unangenehm verkrampfte und er müde war. Ihm ging es wirklich mies.

"Du nicht, Ray!", ertönte Kais Stimme plötzlich hinter ihm.

Verwundert drehte sich der Chinese um und starrte in das ausdruckslose Gesicht seines Teamcaptains.

"Du läufst noch einmal!", zischte er und funkelte Ray unbarmherzig an. Er hörte wie die anderen hinter ihm nach Luft schnappten und ehe er widersprechen konnte, meldete sich Tyson zu Wort.

"Das geht zu weit, Kai!", protestierte er wütend.

"Halt dich da raus, Blödmann!", brüllte Kai und schickte ihm über Rays Schulter hinweg einen warnenden Blick. "Oder du kannst gerne mitlaufen!"

"Kai.", mischte sich nun auch Max ein.

"Klappe, hab ich gesagt!", rief Kai, sein Körper bebte vor Wut. "Oder ich streich euch Weihnachten!"

"Das kannst du nicht machen!", empörte sich Tyson. "Du..."

"Schon gut.", unterbrach Ray ihn leise.

"Aber, Ray...", widersprach Tyson zornig.

"Nein, schon gut.", sagte der Chinese mit lauter Stimme, doch Gekränktheit und Zerstreuung waren deutlich herauszuhören. "Haltet euch daraus. Ich laufe."

Er sah Kai trotzig in die Augen. Wut dominierte seine Gedanken und Schmerzen sein Herz.

In diesem Moment hasste er Kai.

Dann drehte er sich um, stapfte mit zittrigen Beinen zum Hügel, seufzte einmal, setzte dann einen entschlossenen Blick auf und lief los. Er hatte keine andere Wahl und er machte dies nur aus Starrköpfigkeit und der Hoffnung, Kai ein schlechtes Gewissen zu machen. Auch wenn er wusste, dass dies wohl nur ein Wunschtraum bleiben würde. Kai war nicht mehr Kai, soviel stand fest. Er war schlimmer, als er je war. Kälter, aber vor allem grausamer.

Und Ray fragte sich, ob er daran Schuld war.

Während er keuchend den Hügel hoch hastete, hörte er wie Kai die Anderen aufforderte, sofort zu trainieren, wenn sie Weihnachten frei haben wollten. Danach herrschte Schweigen und Ray hörte nur noch seinen eigenen schweren Atem und den Wind, der an seiner kalten Haut vorbeirauschte. Er fühlte sich an wie Schmirgelpapier.

Mitten drin gaben Rays Beine kurz nach und er stürzte in den Schnee. Am Liebsten wäre er liegen geblieben, doch Kai rief von unten etwas hoch, was Ray aber akustisch nicht verstand. Dennoch rappelte er sich keuchend und mit schmerzenden Lungen auf und lief weiter. Er spürte überhaupt nichts mehr. Keine Wut, keine Enttäuschung, keine Verletztheit, nur noch Leere.

Irgendwann, nach schier endlos langer Zeit kam er wieder unten an, wo er sich in den Schnee fallen ließ und sich weigerte Kai anzusehen. Seine Waden schmerzten und er fühlte sich schwach.

"Steh auf!", befahl Kai aber sofort.

Ray wollte sich erst weigern, doch hatte keine Kraft und keine Lust mehr auf eine Diskussion. Es war sowieso zwecklos. Deshalb stand er langsam auf, auch wenn er das Gefühl hatte, seine Beine gäben nach, den Blick ließ er gesenkt.

"Los, geh zu den Anderen und fang an zu trainieren!", zischte Kai hinter ihm und Ray gehorchte stumm. Als er allerdings den ersten Schritt in Richtung seiner Teamkameraden tat, verkrampften sich seine Waden kurz. Nicht viel und nicht schmerzhaft, aber Ray blieb dennoch stehen und gönnte seiner überangestrengten Muskulatur eine kurze Pause.

"Geh schon!", drängte Kai ihn bissig.

Knurrend folgte Ray dem Befehl und ging los. Jeder Schritt wurde von einem schmerzhaften Ziehen in seinen Waden begleitet.

Dann brach Ray wimmernd zusammen.

"Oh, Gott.", keuchte er während er mit dem Rücken im Schnee lag und verdeckte mit seinem Arm sein schmerzvoll verzogenes Gesicht.

"Ray!", hörte er Max rufen, dann murmelten Stimmen aufgeregt durcheinander und er hörte den Schnee knirschen.

"Ah!", rief Ray und verspannte seine Hand. Er hatte Krämpfe in den Waden. Schlimme Krämpfe. Es fühlte sich an, als ob seine Muskeln so sehr angespannt waren, dass sie in wenigen Augenblicken reißen würden, oder als ob sie sich an einem Punkt schmerzhaft verknoteten und sich immer weiter in sich krümmten und verdrehten, bis es nicht mehr ging, nur um sich dann noch ein bisschen weiter zu verknoten. Schmerzen durchfluteten seine Sinne und er bekam nur unter vernebelten Gedanken mit, dass jemand ihm vorsichtig den Arm aus dem Gesicht nahm. Als er, die vor Schmerz zusammengekniffenen Augen öffnete, blickte er in Max sorgenvolles Gesicht. Tyson und Kenny standen hinter ihm.

"Max!", rief er keuchend. "Tu was! Es tut so weh! Mach was, bitte!"

"Aber, Ray... was hast du denn?", fragte Max fast panisch.

"Krämpfe!", presste Ray zwischen zusammengekniffenen Zähnen hervor, als seine Muskeln sich in einem heftigen Schub verspannten. "Oh, mein Gott! Mach was, bitte!"

"Ray, ich weiß nicht, was man da machen kann.", sagte Max hilflos und schien überfordert. Hilfesuchend blickte er zu den anderen.

Ray stöhnte qualvoll auf und bedeckte mit seiner Hand erneut seine Augen.

"Geht weg!", befahl eine dunkle Stimme hektisch. Kai.

Ray spürte wie seine Knöchel gepackt wurden und seine Füße angehoben wurden bis seine Waden waagerecht zum Boden waren. Schwer atmend nahm Ray die Hand ein wenig zur Seite und entdeckte Kai, der ihn mit ernster Miene kurz ansah. In einem neuen Intervall durchzuckten seine Waden heftige Schmerzen. Sein ganzer Körper verspannte sich.

"Mach was!", flehte er und schaute Kai bittend an. "Bitte! Hilf mir!"

Alle Wut, alle Grausamkeit und Ungerechtigkeit Kais waren plötzlich vergessen. Ray wollte nur noch, dass es aufhörte.

"Komm her, Max!", befahl Kai, doch Max blickte nur zwischen ihm und Ray hin und her.

"Mach schon!", schrie der Russe ihn daraufhin an, sodass der Blonde hastig nach vorne sprang und Kai fragend ansah.

"Nimm Rays Bein und mach mir alles nach, klar?"

Max nickte und nahm Rays rechtes Bein, danach bekam Ray nur noch halbwegs mit, was Kai Max erklärte. Er spürte nur wie seine Füße Richtung Knie gedrückt und seine Wadenmuskulatur gedehnt wurde. Doch es half nichts, die Schmerzen hörten nicht auf.

"Macht doch was!", wimmerte Ray.

"Es wird gleich besser.", erwiderte Kai. Seine Stimme war undeutbar.

Nach weiteren Momenten, in denen Kai und Max Rays Waden abwechselnd dehnten und locker ließen, war der Schmerz plötzlich vorbei. Von einem auf den anderen Moment lösten sich die Krämpfe und es blieb nur ein leicht ziehender Schmerz in jedem Bein zurück.

"Es geht wieder.", murmelte Ray erschöpft und schloss die Augen. Seine Beine wurden in den Schnee gelegt. Dann herrschte Stille. Als Ray daraufhin zögerlich seine Augen wieder öffnete, sah er dass alle ihre Blicke auf Kai gerichtet hatten. Sie waren enttäuscht und wütend. Genau wie Ray sich gerade fühlte.

Kai schien die anderen zu ignorieren und starrte Ray mit dunklen Augen an. Unlesbar wie immer, distanziert wie immer. Ray musste den Blick abwenden. Er schämte sich, vor Kai so schwach gewesen zu sein und er wollte ihm gleichzeitig alle Verachtung zukommen lassen, die dieser verdiente.

"Komm, ich helf dir hoch.", sagte Max dann, fasste Ray unter den Armen und zog ihn hoch. Ein kurzer Krampf durchzog seine rechte Wade, sodass er überrascht und gequält die Luft einzog.

"Alles klar?", fragte Max sofort.

"Klar.", lächelte Ray halb. "Geht schon."

"Am besten bringen wir dich zurück zur Hütte.", schlug der Blonde vor.

"Nein.", widersprach Kai sofort. "Er setzt sich neben hin und ruht sich kurz aus, dann ist kein Problem mehr."

"Aber...", protestierte Max besorgt.

"Kein 'aber'!", zischte Kai genervt.

Max grummelte leise und Ray blickte einfach nur zu Boden. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er wütend sein sollte oder verletzt. Oder gleichgültig.

Nein.

Das Letzte war für ihn unmöglich und seine Wut auf Kai verrauchte auch langsam, wie eine Kerze, die abbrannte bis sie leise erlosch.

Zurück blieb nur Kälte und Dunkelheit.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

ok, wer alles verwirrt ist, bitte melden.

*meld*

nein, nur ein scherz, ich weiß ja was abgeht ^__^ hehe.

mal wieder ist das kapitel länger und es ist weniger drin als ich vorgehabt hatte. ich wollte eigentlich bis zu einem punkt gehen, wo man kai nicht mehr so böse sein kann, aber das muss ich wohl in ein extra kapitel packen. das wär sonst alles zu lang geworden. mir sind auch schon wieder soviele dinge zwischendurch eingefallen, sodass das kapitel hier eben kai als den bösen darstellt. im nächsten kann man ihm aber nicht mehr böse sein, zumindest ich nicht ^___^

hm, ich sollte nicht zuviel verraten ^^°
 

zu dem lied mittendrin. das ist von 'the calling' und heißt 'if only'. ist mit mein lieblingslied. habs während dem schreiben gehört und dachte, es passt ganz gut, irgendwie ^^
 

hoffe es hat euch gefallen und ihr hinterlasst mir einen kommi ^^

bis zum nächsten kapitel, hoffe ich :D

bai bai

astin =:)

*wink*

Lektion VI: Worauf es ankommt

Die folgenden drei Tage wurden hart für Ray.

Beim Training war er das Hauptziel für Kais Demütigungen und Wutanfälle, während die Anderen, nachdem sie lange mit Kai geredet und sich entschuldigt hatten, größtenteils verschont blieben. Einmal war Ray kurz davor gewesen sich ebenfalls zu entschuldigen, bis ihm einfiel, dass er eigentlich gar nichts gemacht hatte - dass er im Recht war.

Eigentlich.

Nur war gerade das etwas, was Ray nach drei Tagen voller Erniedrigungen und nicht gerechtfertigten Beschuldigungen selbst bezweifelte. Kai erwähnte zwar mit keinem Wort mehr, dass er sauer auf ihn war, weil er sich angeblich nur vor der Strafe gedrückt, aber trotzdem einen freien Tag hatte haben wollen, doch er nannte auch keinen anderen Grund. Und einen Grund musste Kais Verhalten haben, das stand fest.

Nur welchen, war zweifelhaft. Und ob es wirklich Rays eigenes Verschulden war, erst recht.

Es war kompliziert und es machte Ray wahnsinnig. Er fühlte sich von Morgens bis Abends nur noch schrecklich, aß kaum, schlief schlecht, war ständig am Grübeln und die ständigen Streitereien mit Kai machten ihn fertig.

Ja, Streitereien...

Ray schaffte es nicht mehr seine ruhige Art aufrecht zu erhalten, denn er wollte sich keine Vorwürfe machen lassen, er konnte nicht schweigen, wenn Kai ungerecht zu ihm war und er war tief in seinem Innersten verletzt. Verletzungen der Seele führten zu schützenden Abwehrhaltungen seines Unterbewusstsein, sodass er nun den Angriff als Verteidigung wählte. Es machte es nicht besser, ganz im Gegenteil, doch Ray konnte auch nichts daran ändern. Und er wollte es vorerst auch gar nicht, denn er hatte ein Recht darauf wütend zu sein, er hatte ein Recht darauf Kai zu widersprechen, ihn anzuschreien und sich mit ihm zu streiten. Er war schließlich derjenige, dem Unrecht angetan worden war, nicht Kai! Zumindest hatte Ray ihm keines angetan. Keines, an das er sich erinnern konnte, oder das er überhaupt als solches empfunden hatte.

Und dennoch wurde er behandelt, als ob er genau dies getan hatte.

Es war zum Verzweifeln.

Kai war unerbittlich und beleidigte ihn, wann immer er die Möglichkeit dazu fand. Alles, was Ray tat war falsch, stümperhaft oder sogar nervig. Egal, ob er den Kampf gegen Tyson gewann, war es 'nur Glück', da seine Angriffe 'amateurhaft ausgeführt' waren, seine Deckung 'miserabel' war und er sein 'Bitbeast eh nicht unter Kontrolle' hatte. Egal, ob er morgens früh aufstand, um Frühstück zu machen, schmeckte es Kai nicht und er beschwerte sich lautstark darüber, dass es 'versalzen' war. Egal, ob er Max nur schnell seinen Schal auslieh, weil dieser seinen vergessen hatte, war er sofort 'faul' und 'drückte' sich vor dem Training.

So ging es Stunde um Stunde, drei Tage lang. Rays Verletztheit schwankte stetig zwischen Wut und empörter Verzweiflung, doch nichts von beidem schien Kai zu erreichen, geschweige denn zu interessieren. Ganz im Gegenteil schien dies genau das zu sein, was der Russe beabsichtigte, denn meistens legte er richtig los, wenn er erkannte, dass er Ray tief getroffen hatte. Einmal hatte Kai es sogar geschafft, ihm Tränen in die Augen zu treiben. Doch Ray hatte sie hinuntergeschluckt und war wortlos davon gestapft. Er wollte wenigstens seine Würde noch behalten, was schwierig war, wenn er vollkommen respektlos behandelt wurde.

Das Einzige, was der Chinese einigermaßen positiv(, wenn man es überhaupt so bezeichnen konnte) auffiel war, dass Kai ihn nicht körperlich attackierte, also ihm keine schweren, erschöpfenden Strafen mehr aufbrummte. Es blieb bei verbalen Attacken, was schlimm genug war.

Eine Sache allerdings war noch schlimmer.

Es gab etwas, was Ray noch mehr verletzte, was ihn noch mehr in den Wahnsinn trieb und was ihn noch wütender machte: Kais Ignoranz und Gleichgültigkeit.

Mit seinen Wutanfällen konnte er einigermaßen umgehen, doch er war nicht imstande damit fertig zu werden, wenn Kai ihn ignorierte, ihm keine Antworten gab, offensichtlich an ihm vorbei starrte oder einfach wegging. Das war nämlich schlichtweg demütigend, weil er ihm damit zeigte, dass er seine Aufmerksamkeit nicht wert war.

Neben diesen offensichtlichen Angriffen auf Rays Person, verhielt sich Kai aber auch recht... seltsam und sogar widersprüchlich. Neben der Tatsache, dass Ray Kai viermal dabei sah (erwischte?) wie er Tabletten schluckte, war da noch ein Vorfall, der sich in der zweiten Nacht nach der Angelegenheit ereignete, wo Ray von Kai den Hügel hoch gejagt worden war.

Es war circa drei Uhr morgens und Ray hatte einen sehr unruhigen Schlaf gehabt. Er träumte wirres Zeug, was er allerdings sofort vergaß, als er plötzlich und scheinbar ohne jeden Grund seine Augen öffnete. Er war verklärt, noch im Halbschlaf und war sich nur vage darüber bewusst, dass er überhaupt wach war. Sobald seine Augen geöffnet waren, wanderten sie wie von alleine durch sein Zimmer. Es war vom verschwommenen, silbrigen Licht des Mondes leicht erhellt und als Ray zu seinem Bettende blickte, schnappte er erschrocken nach Luft, als er dort eine Person stehen sah. Schwarz, groß, bedrohlich. Unbekannt.

Adrenalin schoss in sekundenschnelle durch seinen Körper, sein Herz begann hastig und aufgeregt zu schlagen und fast wie aus Reflex stieß er einen panischen Schrei aus, wollte aus dem Bett springen, um zu flüchten oder sich dem Eindringling zu stellen, doch seine Beine verfingen sich in seiner Bettdecke und er schlug mit einem lauten, schmerzhaften Schlag auf dem Fußboden auf. Während sein Verstand von Angst und Schmerzen vernebelt war, zitterte sein Körper durch den Schreck. Sekundenbruchteile später wurde die Tür aufgerissen und das Licht angeschaltet. Völlig verwirrt und schwer keuchend blickte Ray auf. Kai stand mit panischem Ausdruck in seinen Augen, aber entschlossenem Gesichtsausdruck im Türrahmen. In Angriffsposition.

"Was ist los?", fragte er scharf, doch seine Stimme verriet Besorgnis, sein Blick glitt hastig durch den Raum. Er scannte ihn regelrecht ab.

Rays Augen wanderten zum Bettende während seine Gedanken rotierten. Am Bett stand niemand. Er und Kai waren die einzigen Personen im Raum. Ray wusste sofort, dass sein verklärter Verstand ihm im Halbschlaf wohl einen Streich gespielt hatte und atmete erleichtert aus, dann fiel ihm Kai wieder ein. Er schickte ihm einen beleidigten Blick und stand langsam auf.

"Nichts.", zischte Ray. "Geh zurück in dein Zimmer."

Nachdem Kai mit einem wütendem Blick und begleitet von dem lauten Knall der Tür, die er hinter sich zuwarf verschwunden war, realisierte Ray erst, was passiert war. Kai hatte sich Sorgen gemacht... und war innerhalb von Sekunden da gewesen. Wäre wirklich jemand im Raum gewesen, hätte Ray vermutlich nichts zu befürchten gehabt. Der Gedanke war beruhigend.

Doch gleichermaßen verwirrend. Was sollte Ray davon halten, nachdem ihn Kai die letzten Tage so offensichtlich erniedrigt hatte? Max hatte sogar einmal mit mitleidigem Lächeln auf den Lippen gesagt, dass, wenn er es nicht besser wüsste, er behaupten würde, dass Kai alles dafür tun würde, dass Ray ihn hasste. Ray hatte ihm zugestimmt.

Aber warum sollte Kai das tun, wenn der Chinese ihm doch offensichtlich noch soviel wert war, dass er sich um ihn sorgte? Kais offensichtliche Sorge hatte Ray so sehr berührt, dass es irgendwie weh tat.

Diese Nacht schlief er nicht mehr viel, denn er hatte wieder angefangen zu grübeln.

Am darauffolgenden Tag hatte sich trotz des Zwischenfalls nichts geändert und nach einem weiteren Training voller Demütigung und Streits beschloss er, dass es Zeit war mit Kai zu reden. Ruhig, vernünftig, wie zwei Erwachsene eben. Ray war eigentlich noch zu wütend und zu verletzt, nicht zu sagen beleidigt, um den ersten Schritt zu machen, doch ihm blieb nichts anderes übrig. Die letzten Tage hatte er vergeblich darauf gewartet, dass Kai sich von sich aus entschuldigte oder zumindest von sich aus ein normales Gespräch mit Ray begann, wo er ihm endlich mal sagte, was ihn an ihm so sehr störte, dass er sich verhielt, als sei der Chinese ein nerviger kleiner Parasit, doch Ray hatte schnell erkannt, dass dies einfach hoffnungslos war. Er konnte lange warten, dass Kai den ersten Schritt machte und auf ihn zuging, denn das war nicht Kais Art. Er konnte/wollte/würde nicht über seinen Stolz springen und ihm alles erklären, vom entschuldigen gar nicht zu sprechen, vor allem weil sich Ray gar nicht so sicher war, ob Kai überhaupt wusste, dass er sich entschuldigen sollte .

Da der Schwarzhaarige es aber satt war nicht zu wissen, was los war und sich die Kränkungen anzuhören, da er das Gefühl hatte noch wahnsinnig zu werden, hatte er keine andere Möglichkeit als von sich aus ein zivilisiertes Gespräch zu beginnen. Während er schließlich am Abend auf dem Sofa hockte und im Kopf alles durchging, was er zu Kai sagen wollte, wartete er leicht nervös, dass dieser überhaupt die Hütte betrat, denn, wie auch die restlichen Tage, war Kai mal wieder 'raus', um seine Dinge zu tun, die Ray nichts angingen. Auch so eine Sache, die Ray nur hinnehmen konnte, ohne Genaueres darüber zu wissen.

Doch bevor er diese Sache klären konnte, musste er erst einmal seinen Verstand vor dem Durchdrehen bewahren und Kais Rechtfertigungen für sein Verhalten rausfinden.

Ungewöhnlicherweise kam Kai schon sehr früh wieder zurück, denn im Gegensatz zu den anderen Tagen, wo er erst um zwei oder sogar später zurückkam, war er an diesem Tag schon um zehn wieder da. Ray wunderte sich nur kurz darüber, fasste Mut seinen Entschluss durchzusetzen und sprach Kai an, als dieser gerade die Treppe hoch stapfte. Ohne sich seiner Schuhe oder Jacke entledigt zu haben.

Die einzige Antwort die Ray allerdings erhielt, war ein gereiztes:

"Lass mich in Frieden!"

Enttäuscht, doch kurz darauf schon wieder missgelaunt stapfte Ray in die Küche und dachte nach. Er hätte es sich eigentlich denken können, dass Kai sich auf kein Gespräch einlassen würde und er wollte so schnell auch eigentlich nicht aufgeben, doch wenn Kai nicht bereit war mit ihm zu reden, hatte es keinen Sinn, da das Gespräch sonst nur im Streit enden würde.

Eine Stunde und einem langem Kampf zwischen Verstand und Gefühl später allerdings hatte Ray seine Meinung wieder geändert. Sein Verstand hatte mal wieder verloren, sein Herz gewonnen. Er würde sich nicht so einfach abfertigen lassen und er würde nicht akzeptieren, dass die nicht gerechtfertigte Behandlung seiner Person so weiter gehen würde!

Kai hatte ihm gefälligst zuzuhören!

Mit schnellen Bewegungen und bevor er es sich anders überlegen konnte, machte sich Ray auf den Weg zu Kais Tür. Er war kribbelig und nervös, doch der Russe war ihm zu wichtig, als dass er nicht darum kämpfen würde, dass sich ihre Beziehung wieder besserte.

Vor seiner Zimmertür blieb er stehen und atmete tief ein, ehe er mit kräftigen Bewegungen anklopfte.

"Kai?", rief durch die geschlossene Tür und ärgerte sich darüber, dass seine Stimme leicht kläglich klang.

Er erhielt keine Antwort.

"Kai.", sagte er erneut, doch schon etwas ungeduldiger. Die letzten Tage über hatte sein Teamchef seinen Reizpegel sehr, sehr stark gesenkt.

Keine Antwort.

"Kai, ich weiß, dass du da drin bist und ich weiß, dass du noch wach bist und mir ist es jetzt egal, ob du mir antwortest oder nicht, denn ich komm jetzt rein!", zischte Ray daraufhin gereizt und öffnete die Tür.

Und bei dem, was er dann sah, setzte sein Herz einen entsetzten Moment lang aus.

Kai lag mitten im Zimmer reglos auf dem Boden, sein rechter Arm auf seinem Bauch, sein linker über seinem Kopf und seine Beine einfach schlaff und gestreckt. Er war blass, wenn nicht zu sagen fast schon weiß, sein Mund war leicht offen und seine geöffneten Augen, die im Kontrast zu seinem bleichen Gesicht dunkel umrandet waren, starrten matt und ausdruckslos an die Decke. Er sah aus wie ein Puppe, sein Gesicht wie eine tote Maske. Nicht lebendig. Ganz und gar nicht.

Im ersten Moment dachte Ray deshalb, Kai wäre tot und dass er, wenn er sein Gesicht berühren würde, sich kalt und steif anfühlen würde, doch dann ruckten Kais leere Augen zur Seite und fixierten Ray mit abwesenden Blick. Der Chinese zuckte erschrocken zusammen, dann rang er nach Luft, als sein Herz, angetrieben von Adrenalin und dem Schock in seiner Brust zu rasen begann. Ihm wurde schlagartig heiß.

"Kai!", keuchte er schließlich entsetzt und hastete mit weichen Knien zu dem leblosen Körper. "Oh, mein Gott! Was ist passiert?!"

Er kniete sich neben ihn und biss sich nervös auf die Unterlippe, während er ihn hastig musterte und nach Verletzungen suchte.

"Warum liegst du hier?", fragte er panisch und mit zittriger Stimme.

"Ray.", stöhnte Kai mit schwacher, fast flüsternder Stimme, aber dennoch genervtem Tonfall. "Mir geht's gut. Verschwinde." Mit sichtlicher Anstrengung wandte er den Kopf leicht ab.

"Spinnst du?!", empörte sich Ray, gleichermaßen gereizt wie überfordert. "Du siehst furchtbar aus! Sag mir sofort, was los ist!!"

Kai schwieg.

"Kai!", flehte Ray. Seine Sorge war übermächtig, so groß, dass er sie kaum bewältigen konnte.

"Sag schon!", bat er. Es war nur zittriges Flüstern. "Warum liegst du hier?"

"Ist... doch unwichtig.", antwortete Kai mit dünner Stimme und merkbarer Anstrengung.

"Nein!", widersprach Ray sofort harsch. "Ist es nicht!! Man, Kai, du machst mich so wütend!! Scheiß doch mal auf deinen Stolz und sag mir, was du hast!"

Dann plötzlich kam Ray ein Gedanke und er riss erschrocken die Augen auf.

"Du bist umgekippt, oder?", krächzte er. Sein Stimme versagte bei diesen Worten.

Kais Blick glitt kurz zu ihm, dann wandte er sich wieder hastig ab.

"Oh, mein Gott!", keuchte Ray. "Ich hab recht, oder?"

"Verschwinde, es ist alles in Ordn...", flüsterte Kai heiser, doch der Chinese unterbrach ihn.

"Hör auf!", rief er wütend, seine Stimme erhöhte sich um eine Oktave. "Hör auf das hier runterzuspielen! Du siehst echt schlimm aus und wenn du so weiter machst, dreh ich noch durch, also hör auf und sag mir endlich was passiert ist!"

Kai war wohl zu geschwächt, um zu widersprechen, denn er seufzte kurz und antwortete schließlich nur:

"Du hast recht, ich bin umgekippt, also, was willst du noch hören?"

"Ich weiß nicht!", rief Ray panisch. "Wie ist es passiert? Wie lang liegst du schon hier?"

Kai verzog das Gesicht.

"Seit... ich gekommen bin.", antwortete er krächzend und nur sehr langsam.

"Was?", keuchte Ray entsetzt. "Du liegst seit einer Stunde hier?! Aber.. w-w-as... warum hast du uns nicht gerufen?"

Kai schaute zur anderen Seite, sein Gesicht verzog sich bitter.

"Scheiße!", flüsterte Ray voll schrecklicher Erkenntnis. "Das hast du, oder?"

"Ja.", presste Kai hervor, ohne ihn anzusehen.

Rays Herz wurde plötzlich schwer, als die fürchterliche Vorstellung richtig zu ihm vordrang. Er sah es ganz genau vor sich, wie Kai eine Stunde lang auf dem Boden lag, zu schwach, um alleine wieder aufzustehen, zu stolz, um nach Hilfe zu rufen. Und als er sich dann doch überwandt und nach ihnen rief, kam keiner.

Eine Erfahrung mehr, die Kais distanzierte Art und sein Mistrauen bestärkte.

Dann erhaschte Ray plötzlich etwas anderes. Ein zittriges Einatmen und einen nervösen, gekränkten Blick. Eine weitere Erkenntnis traf Ray völlig unerwartet, aber dafür umso heftiger.

"Du denkst, ich hätte dich gehört, oder?", fragte er am Rande der Verzweiflung. "Du denkst, dass ich dich gehört habe, aber nicht gekommen bin, weil ich wütend bin, oder?"

"Du hättest allen Grund.", murmelte Kai schwach und mit belegter Stimme. "Ich... hätte es verdient."

Also wusste Kai ganz genau, was er Ray die letzten drei Tage lang angetan hatte.

"Nein.", widersprach Ray entrüstet. "Ich meine... ja, du hättest es vermutlich verdient, aber ich will dir eins sagen." Er intensivierte seinen Blick, und ballte seine Hände zu Fäusten. "Ja, ich bin wütend, aber du... du kannst mich niemals so wütend machen, dass ich dir Hilfe verweigere, wenn du sie brauchst! Verstanden?!"

Kai schaute ihn daraufhin lange an bis sein Blick leidend wurde und er sich erneut abwandte. Es brach Ray fast das Herz. Zusammen mit den letzten Tagen wurde ihm alles langsam, aber sicher zuviel.

"Mach es mir doch nicht so schwer.", murmelte Kai leise, doch Ray verstand ihn genau.

"Was?", fragte er trotzdem mehr aus Reflex nach, vor allem weil er den Sinn dieses Satzes nicht verstand.

Kai beäugte ihn aus den Augenwinkeln.

"Nichts.", flüsterte er dann.

Ray konnte nicht weiter über die Bedeutung dieser Worte nachdenken, da ihm erschütternd bewusst wurde, dass er Kai helfen musste. Hastig sah er sich um.

"Wir müssen dich ins Bett bringen.", sagte er, mit immer noch panischem Unterton und sah Kai dann besorgt an. "Kannst du aufstehen?"

"Würde ich sonst hier liegen?!", keifte Kai unter allergrößter Anstrengung. Seine Sehnen traten an seinem Hals hervor. "Was denkst du denn?!"

Als Ray ihn daraufhin erschrocken anschaute, seufzte er gereizt.

"Sorry.", flüsterte er unter zusammengepressten Zähnen.

Ray verzog enttäuscht das Gesicht, doch schwieg und schob dann vorsichtig seine Hände unter Kais Nacken und seine Kniekehlen(, wobei er erleichtert feststellte, dass er weder kalt, noch steif war) und hob ihn hoch. Kais Körper hing leblos in seinen Armen und es machte Ray fertig den Russen so schwach zu sehen. Es war einfach alles zuviel und ihm entfuhr schließlich ein heiserer, trockener Schluchzer, weshalb er sich hastig, aber fest auf die Unterlippe biss, schnell zum Bett lief und Kai vorsichtig darin ablegte. Sie mieden es sich gegenseitig anzusehen.

Ray wusste, dass er gehen und Max holen sollte, damit dieser sich um Kai kümmerte. Er wusste, dass Kai seine Pflege und Gutmütigkeit nicht verdient hatte. Und er wusste, dass er eigentlich noch wütend sein sollte.

Doch er blieb.

Denn er wusste auch, dass er Kai, wenn er so schwach aussah und war nicht böse sein konnte. Er wusste auch, dass sich Kai unter diesen Umständen wieder normaler verhielt. Und er wusste auch, dass er einfach zu gutherzig war.

"Du hast deine Schuhe noch an.", murmelte Ray schließlich. "Und deine Jacke." Er zupfte an seinem Pulloverbund. "Ich... ich zieh sie dir besser aus. Das ist bequemer."

"Okay.", brummte Kai und sah Ray stumm an. Seine Augen waren dabei so voll innerer Qual, dass der Chinese einen Klos im Hals hinunterschlucken musste. Kai verwirrte ihn immer wieder, egal was er tat, und selbst dann, wenn er nichts tat.

Dann begann er langsam und schweigend Kais Schuhe aufzuschnüren und abzustreifen. Er musste schlucken, als er sie ordentlich an das Bettende stellte, da er Kai nun die Jacke ausziehen sollte. Warum machte ihn das schon wieder so nervös...?

Er erhob sich nur langsam. Nur langsam ging er zum oberen Ende des Bettes. Und nur langsam streckte er seine Hand nach Kai aus. Während er die Jacke öffnete, vermied er Kai anzusehen und konzentrierte sich ausschließlich auf den Reißverschluss, auf das surrende Geräusch, als er ihn hinunterzog und Kais Oberkörper freilegte. Der Brustkorb des Russen hob und senkte sich plötzlich ein bisschen hastiger unter dem schwarzen, relativ engem Pullover, woraufhin Ray ihm einem fragenden Blick schenkte. Doch Kai starrte an die Decke und mied seinen Blick. Er war noch immer blass und sah einfach nur entsetzlich schwach aus.

Als Ray seinen rechten Unterarm fasste und anhob, merkte er deutlich wie Kai zusammenzuckte. Und er merkte deutlich wie er von einem rotbraunen Augenpaar gemustert wurde. Dieses seltsame Gefühl, was er die Tage verspürt hatte, bevor Kai so abweisend zu ihm wurde, kroch in ihm hoch. Dieses Kribbeln und die unbegründete Nervosität. Warum konnte es nicht immer so sein?

Nicht dass Kai krank war, versteht sich, sondern nur dieses Gefühl, diese Atmosphäre zwischen ihnen, die Ray zwar nicht deuten konnte (oder wollte), aber dafür umso mehr genoss.

Hastig zog er den Bund des Jackenärmels über Kais Hand und befreite schließlich dessen Arm, mit einigen Mühen und wenig Hilfe von Kais Seite aus, aus der Jacke. Dasselbe machte er mit dem anderen Arm. Dann seufzte er leise.

"Du kannst dich nicht nach vorne lehnen, damit ich die Jacke vom Bett nehmen kann, oder?", fragte er ohne jegliche Hoffnung.

"Nein.", ächzte Kai heiser.

Ray nickte stumm, schob dann einen Arm unter Kais Oberkörper, fasste mit der anderen Hand seine rechte Schulter und hob ihn dann sanft an. Er versuchte währenddessen die Wärme von Kais Körper, die Muskeln, die er überdeutlich unter dem dünnen Pullover spüren konnte und vor allem seine eigene verwirrende Reaktion seines Körpers darauf zu ignorieren. Es gelang ihm.

Aber nur bis zu dem Punkt, wo er mit der rechten Hand Kais Schulter losließ, um an seinem Körper vorbei nach der Jacke zu greifen, denn an diesem Punkt berührte sein Unterarm Kais Brust und er konnte es spüren. Kais Herz.

Es schlug schneller, als es normal sollte und als Ray unter diesen Umständen erwartet hätte. Hastig griff er nach der Jacke und zog sie unter Kai hervor. Nachdem er ihn langsam und vorsichtig wieder hingelegt hatte, trat er einen unsicheren Schritt zurück, presste die Jacke an seine Brust und musterte den Russen skeptisch.

Sein Herz... Was hatte das zu bedeuten?

Jetzt war Ray wirklich verwirrt, irritiert... durch und durch durcheinander.

Kai mied seinen Blick, weshalb Ray es gut sein ließ und die Jacke auf dem Tisch ablegte, der unter dem Fenster stand. Den Stuhl, der am Tisch stand nahm er sich mit und stellte ihn ans Kopfende des Bettes.

"Was soll das?", keuchte Kai. Er sah noch nie so erschöpft aus wie in diesem Moment.

"Was schon?", murmelte Ray und zuckte mit den Schultern. "Ich will nicht die ganze Zeit stehen bleiben."

Kai schickte ihm nur einen fragenden, fast verzweifelten Blick aus ungewöhnlich großen Augen, doch schwieg. Das Sprechen schien ihn zu sehr anzustrengen. Ray seufzte daraufhin leise.

"Ich hol dir besser mal ein Glas Wasser.", sagte er dann und verschwand, ehe Kai etwas erwidern konnte. Während er auf dem Weg in die Küche war, stellte er fest, dass er schon wieder die Kontrolle über die Ereignisse verloren hatte. Er hatte ja eigentlich mit Kai reden wollen, er war wirklich fest entschlossen gewesen, an diesem Abend alles zu klären und dann passierte so etwas. Es war schlimm genug, dass Kai ihn erst damit verwirrt hatte, dass er sich ihm gegenüber so... angenehm verhalten hatte, dass Ray sich selbst damit verwirrt hatte wie er auf den Russen reagiert hatte und noch immer reagierte. Schlimm genug, dass Kai ihn dann damit verwirrt hatte, dass er so abweisend war... nein, jetzt verwirrte er ihn auch noch damit, dass er krank wurde, sich plötzlich wieder ein wenig kooperativer verhielt und damit, dass sein Herz so schnell geschlagen hatte. Ray konnte es noch immer an seinem Unterarm fühlen.

Kräftig, aufgeregt, lebendig.

In der Küche goss er Kai nachdenklich etwas Wasser ein und ging langsam zurück in sein Zimmer. Er beschloss, dass er heute nicht mehr mit Kai reden würde, denn erstens fiel diesem das Sprechen sichtlich schwer und zweitens empfand es Ray irgendwie als unfair seine Situation auszunutzen.

Leise betrat er Kais Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Kai sah ihn stumm an. Seine Blässe machte Ray Angst.

"Hier.", sagte er leise und hielt dem Russen das Glas entgegen. "Ich hab Wasser mitgebracht."

In Gedanken verfluchte er sich für diesen bescheuerten Satz.

"Danke."

Es war nur ein heiseres Flüstern. Weniger zu hören, als von den Lippen abzulesen, doch es gab Ray Hoffnung. Hoffnung, dass Kai ihn wieder mit Respekt behandelte.

Er stellte das Glas auf den kleinen Nachttisch ab und half Kai sich aufrecht hinzusetzen. Während er ihn am Rücken abstützte, setzte er ihm das Glas an die Lippen und ließ ihn ein paar Schlücke trinken, dann nahm er es zurück.

"Noch mehr?", fragte er sanft und beobachtete wie Kais Gesicht sich verspannte. Der Russe nickte nur. Nachdem das Glas halb geleert worden war, legte Ray ihn wieder zurück und stellte das Zutrinken auf den Nachttisch ab. Dann setzte er sich auf den Stuhl und musterte Kai besorgt.

"Dir muss es nicht peinlich sein, dass du Hilfe brauchst.", sagte er dann vollkommen ernst. "Es ist unangenehm, ich weiß, aber das muss es nicht sein."

Kai antwortete nicht, doch sein Blick sagte, dass Ray einen Hauptpunkt getroffen hatte.

Sie schwiegen einige Momente, in denen Ray nachdenklich und mit sorgenvoller Miene auf seine Hände starrte.

"Kai?", fragte er dann leise und hob seinen Blick.

"Hm?", machte Kai nur und drehte seinen Kopf sehr langsam ein wenig zur Seite, damit er Ray besser sehen konnte.

"Hast du...", begann Ray, doch schwieg als er bemerkte, dass seine Stimme brüchig und zittrig war. Er räusperte sich. "Hast du uns verschwiegen, dass du krank bist? Richtig krank?"

Seine Stimme klang verzweifelt und zeigte all die Sorge, die Ray empfand.

"Wie kommst du darauf?", antwortete Kai schleppend.

Ray zog seine Augenbrauen zusammen und blickte ihn ängstlich an.

"Was soll die Frage?!", erwiderte er etwas zu laut, aber mit belegter Stimme. "Ich komm hier rein und du liegst hier, vollkommen blass, kannst dich nicht bewegen..." Er machte eine kurze Pause, um durchzuatmen und sich zu sammeln. "Außerdem hab ich in den letzten Tagen öfter gesehen, dass du Tabletten genommen hast. Sei ehrlich. Bist du krank? Hast du irgendeine schlimme Krankheit, die du uns verschweigst?!" Seine Stimme war zum Ende fast schrill geworden, weshalb Kai ihn vorerst nur ansah. Emotionslos.

Dann schloss er die Augen, wendete seinen Kopf ab und seufzte. Ray vergaß in diesem Moment zu atmen, da dies all seine Vermutungen zu bestätigen schien.

"Nein.", murmelte Kai dann aber und Ray sog zittrig, aber erleichtert die Luft ein. "Das waren nur Kopfschmerztabletten."

Die Erleichterung hielt nicht lange an.

"So viele?", fragte Ray verunsichert nach.

"Ja...", war die einzige Antwort.

"Ich ruf morgen einen Arzt an.", beschloss Ray. "Das ist doch nicht normal."

"Du übertreibst."

"Tu ich nicht!", empörte sich Ray mit verzweifeltem Unterton. "Du untertreibst oder würdest du sagen, dass es normal ist tagelang Kopfschmerzen zu haben?! Oder dass es normal ist, dann man einfach ohnmächtig wird und sich dann stundenlang nicht bewegen kann?! Ich jedenfalls hab davon noch nichts gehört."

Kai schwieg.

Ray bemerkte erst, dass er zitterte, als er sich ein Strähne aus dem Gesicht streifen wollte und seine Hand seine Haut nur unregelmäßig berührte. Hastig drückte er beide Hände auf seine Oberschenkel und biss sich auf die Unterlippe. Dann registrierte das leichte Beben, dass von Kais Körper ausging. Hastig sprang er auf.

"Ich bin so blöd.", murmelte er während er versuchte die Decke unter Kai hervorzuziehen. "Du musst doch frieren. Warum sagst du denn auch nichts?!"

Kai schwieg noch immer und beobachtete Ray einfach nur, was dieser mit einem unkomfortablen Gefühl hinnahm. Er deckte seinen Teamchef sorgfältig zu und setzte sich wieder auf den Stuhl.

"Du solltest in dein Zimmer gehen und schlafen, Ray.", brummte Kai plötzlich, ohne ihn anzusehen. "Es ist schon spät."

"Vergiss es!", protestierte Ray noch bevor Kai den Satz zuende gesprochen hatte. "Ich leg mich jetzt nicht in mein Bett und lass dich hier allein, wo du dich kaum bewegen kannst. Ich bleibe hier!"

Kais Augen flogen zur Seite und er funkelte Ray warnend an. Ray reagierte darauf nicht, doch im Inneren hoffte er, dass Kai nicht wieder alles kaputt machen würde. Dass er sich nicht wieder von ihm zurückziehen würde.

So makaber es auch klang, aber Ray fand es gut, dass Kai sich im Moment in so einem schlechten Zustand befand. Irgendwie. Denn einerseits hatte er ihn deswegen wieder auf irgendeine Weise akzeptiert, geduldet, sich sogar bei ihm bedankt und andererseits war dies Rays Chance sich um Kai zu kümmern, ihm zu zeigen wie viel dieser ihm bedeutete und ihm damit verständlich zu machen, dass er bereit ihm zu vergeben.

"Und wo willst du bitteschön schlafen?!", wollte Kai vermutlich zischen, doch heraus kam nur ein atemloses Keuchen.

"Ich werde nicht schlafen.", erwiderte Ray trocken und total ernst.

"Aber..."

"Nein.", unterbrach er sofort. "Ich bleibe hier sitzen und pass auf. Falls du heute Nacht irgendwas brauchst, werd ich da sein."

Kais Mund öffnete sich, doch er schloss ihn sofort wieder, seine Augenbrauen zogen sich in vollkommenen Unverständnis zusammen, seine Augen sahen einfach nur müde aus. Er schien keine Kraft zum Widersprechen zu haben, weshalb er einfach die Augen schloss, leicht nickte und ein "Danke." flüsterte.

"Kein Problem.", entgegnete Ray ebenfalls flüstern. "Schlaf jetzt ein bisschen."

Dann stand er zögerlich auf und löschte das Licht.

Nachdenklich setzte er sich wieder ans Bett und beobachtete Kai. Sein müdes, im Mondlicht noch blasseres Gesicht, sein Körper, der unter der Bettdecke noch immer stark und unzerbrechlich wirkte, doch ironischerweise in diesem Moment vollkommen schwach war und seine Brust, die sich unter leichten, gleichmäßigen Zügen hob und senkte.

Und in dieser Brust pochte sein Herz, das vor kurzem noch so schnell geschlagen hatte.

Der Anlass war wie immer unergründlich.

Wie alles was mit Kai zu tun hatte.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

so, das wars mal wieder^^

das kapitel war hart *schweiß wegwisch*

bin auch gespannt, was ihr davon haltet, da ich selbst mit dem anfang nicht recht zufrieden bin und ich das gefühl hab, nicht das übermittelt zu haben, was ich wollte... hm... naja <.<
 

zu kais verhalten... ja, er hat sich wieder um hunderachtzig grad gedreht, aber ray hat ja jetzt die möglichkeit mit ihm zu reden... obwohl ich jetzt schon sagen muss, dass es noch mindestens drei bis vier kapitel dauern wird, bis kai sein verhalten erklären wird. bis dahin müsst ihr noch leiden

muahaha

*lacht wie ein satansweib aus der hölle*

O.O

*räusper*
 

sonst, alles wie immer: hinterlasst mir bitte kommis und sagt mir eure meinung ^___^

*alle bisherigen kommischreiber durchflausch*

bis zum nächsten kapitel

astin =:)
 

p.s.: warnung: die nächsten kapitel könnten unter umständen etwas länger dauern, da ich jetzt bald voll in den abistress gerate und jetzt eigentlich schon fleißig dabei bin zu lernen, also wundert euch nicht Ö_x

Lektion VII: Dass man nicht ewig wartet...

Der Raum war dunkel, nur fahles Mondlicht strömte wie Nebelschwaden durch das Fenster und tauchte alles in ein silbriges weiches Licht. Obwohl das einzige Bett in diesem Raum in einer Ecke stand, drang genug des dämmrigen Scheins dorthin, um die Person, die dort unter einer dicken Bettdecke vergraben lag und schlief, zu beleuchten. Deutlich war die Blässe des Gesichtes zu erkennen, deutlich die Augenringe und die trockenen Lippen. Zwei besorgte bernsteinfarbene Augen beobachteten alles mit müdem Blick, aber ununterbrochener Verbissenheit.

Ray registrierte jede Veränderung von Kais Atmung, jedes Zucken seiner Gesichtsmuskulatur, jede Bewegung, jedes Murmeln, immer abschätzend, ob es eine Verschlechterung von Kais Zustand bedeuten könne. So saß er schon seit mehreren Stunden dort. Eine Decke um die Schultern geschlungen, eine Hand am Bauch, die andere die Decke umklammernd. Fast unbeweglich und immer in Alarmbereitschaft.

Während er dort saß und versuchte, das schreckliche Bild aus dem Kopf zu bekommen, was sich ihm geboten hatte, als er das Zimmer betreten und Kai so leblos vorgefunden hatte, dachte er über vieles nach und versuchte Ordnung in das Chaos in seinem Kopf zu bringen. Ein Chaos aus Emotionen, Gedanken und Erinnerungen.

Wie sooft in den letzten Tagen ging er alles, was sich zwischen ihm und Kai ereignet hatte noch einmal genau im Kopf durch. Er versuchte sich an alles zu erinnern, was Kai gesagt hatte, was er getan hatte, versuchte Kais Empfindungen zu ersinnen. Vor allem aber versuchte er all diese Dinge zu interpretieren und zu deuten, warum Kai sich in diesen Tagen schon zweimal um hundertachtzig Grad gedreht hatte. Was war mit ihm los?

Ray kam zu keinem Ergebnis. Er war eindeutig auf Kais Erklärungen angewiesen. Und das passte ihm überhaupt nicht.

Wenn die Versuche das Chaos in seinem Kopf zu ordnen aber nicht daran scheiterten, dann scheiterten sie aus anderen Gründen. Meistens wurde Ray durch etwas abgelenkt. Ein Seufzen von Kai, ein Zucken seiner Augen, manchmal auch ein leises Wimmern.

Dies führte seine Überlegungen dann stets zu dem einzigen neuen Thema.

Kais Krankheit.

Nach einem erneuten leisen, erschöpften Murmeln von Seiten des Russen, seufzte Ray leise und zog seine Augenbrauen besorgt, fast sogar ängstlich zusammen. Während er grübelnd auf seiner Unterlippe knabberte, stützte er sich langsam mit seinem rechten Ellebogen auf das Bett ab. Seinen Kopf legte er in seine Hand. Dann beobachtete er Kai lange und intensiv. Tausende von Fragen schwirrten durch seinen Kopf.

Was hatte Kai?

War es etwas ernstes?

Würde er wieder gesund werden?

Was, wenn er starb?

Was konnte Ray für ihn tun?

Was, wenn sich sein Zustand verschlechterte?

Was, wenn kein Arzt hier hoch kommen könnte, wegen Unwetter, Schneestürmen?

Keine Antworten, oder nur unbefriedigende.

Das Problem war, dass er nicht wusste, wie lange sich Kai schon schlecht gefühlt hatte, wann die ersten Anzeichen aufgetreten waren. Das erste mal, wo Ray etwas geahnt hatte, war, als Kai in der Küche die Tabletten genommen hatte, allerdings war dies kein Beweis dafür, dass es Kai erst ab diesem Tag schlecht gegangen ist. Ihr Teamchef konnte sehr stur sein und wenn er sich krank fühlte würde er es erstens nie zugegeben und zweitens würde er es bis zum letzten Augenblick herauszögern, dass er Tabletten dagegen nahm oder sich schonte.

Wieder war Ray auf Kais Erklärungen angewiesen und wieder passte es ihm überhaupt nicht, denn der Russe würde ihm diese Erklärungen nicht so einfach geben, wenn nicht zu sagen niemals.

Ray seufzte hoffnungslos und legte seinen Kopf auf seinem Oberarm ab.

Mittlerweile fragte sich der Chinese - oder hoffte sogar, dass Kais Verhalten mit seiner Krankheit zu tun hatte. Vielleicht war er wegen der Kopfschmerzen oder seines schlechten Allgemeinzustandes einfach nur gestresst und hatte deshalb seine schlechte Laune an ihm ausgelassen.

Andererseits waren Kais Attacken eher systematisch gewesen und weniger emotionale Ausbrüche, wenn Ray darüber nachdachte.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen als Kai leise seufzte, die Augenbrauen zusammenzog und den Kopf auf die andere Seite rollte. Ray blieb auf seinem Oberarm liegen und beobachtete wachsam, ob Kai nochmals eine Regung zeigte, doch der Russe blieb bewegungslos, sodass er kurz erleichtert die Augen schloss. Was sich als Fehler herausstellte, denn nur kurze Zeit später war er eingeschlafen. Seine rechte Hand sank auf die Matratze, die linke rutschte von seinem Bein und hing schließlich schlaff vor dem Bett hinunter.
 

~oOo~
 

Als er das nächste mal die Augen öffnete, war es schon hell. Direkt vor ihm erkannte er verschwommen eine hellblaue Bettdecke und blinzelte verschlafen. Seufzend fuhr er sich über das Gesicht, ehe er einen prüfenden Blick auf Kai warf.

Und auf zwei rotbraune Augen traf, die ihn ausdruckslos, aber verdächtig glänzend anstarrten. Erschrocken zog er seine Hand zurück und setzte sich hastig auf. Ein schmerzhaftes Stöhnen entwich ihm, als ein stechenden Schmerz von seinem Nacken abwärts seinen Rücken hinabwanderte. Er warf Kai einen fragenden Blick zu und rieb sich währenddessen den Nackenansatz.

"Du bist ja schon wach.", murmelte er verschlafen und musterte den Russen prüfend. Er war immer noch blass, seine Haut hatte mittlerweile sogar einen grauen Ton angenommen, seine Lippen waren immer noch trocken, seine Augen noch immer dunkel umrandet. Und er war schweißnass.

Kai brummte kurz und Ray rieb sich kurz verschlafen die Augen.

"Wie geht's dir?", fragte er mit schlimmer Vorahnung und ohne, dass er eine klare Antwort von ihm erwartete.

"Ich dachte, du wolltest nicht schlafen.", antwortete Kai mit rauer Stimme und ignorierte die Frage. Es hörte sich nicht im geringsten vorwurfsvoll an, sondern einfach neutral und irgendwie erschöpft, angestrengt.

"Kai.", sagte Ray in bittendem Ton. "Hör auf das Thema zu wechseln und antworte mir. Dir geht's noch nicht besser, oder?"

"Ich kann mich wieder bewegen.", brummte Kai fast trotzig und hob seinen Arm zur Demonstration.

"Und sonst?", hakte Ray nach. "Kopfschmerzen, oder sonst was?"

Kai schwieg vorerst und starrte an die Decke, dann bedachte er Ray mit einem Seitenblick und rang deutlich mit sich selbst.

"Nein, keine Kopfschmerzen.", sagte er schließlich zögerlich. "Aber..."

"Aber?", fragte Ray nach. Sein Stimme vibrierte leicht ängstlich.

"Ich fühl mich noch immer ein bisschen schwach.", gab Kai dann knurrend zu.

Ray nickte zustimmend.

"Ich denke, dass ist recht normal.", murmelte er und schickte Kai dann einen nachdenklichen musternden Blick.

"Du...", begann Ray schließlich und räusperte sich kurz. "Hast du Fieber?"

Kai musterte ihn durchdringend und schluckte dann deutlich sichtbar.

"Weiß nicht.", murmelte er. "Mir ist schon ein bisschen warm."

Kais schweißnassem Gesicht zu Urteilen war dies eindeutig eine Untertreibung.

"Dann lass mich mal fühlen.", sagte Ray, doch es klang mehr wie eine Bitte als wie eine Aufforderung. Zögerlich streckte er seine Hand aus und studierte Kais Mimik genau. Als kein offensichtlicher Protest erkennbar war, legte er seine Hand schließlich auf seiner Stirn ab. Sie war leicht feucht und wirklich wärmer, als sie normal sein sollte. Um sicher zugehen fasste Ray sich mit seiner anderen Hand an die eigene Stirn und verglich ihre Temperaturen. Sie unterschieden sich eindeutig: Kai hatte Fieber.

Der Russe seinerseits schloss die Augen und seufzte.

"Alles okay?", fragte Ray sofort besorgt nach.

"Ja.", murmelte Kai schwach. "Deine Hand ist kühl. Das... das tut gut." Der letzte Satz war nur noch ein Nuscheln.

Dann öffnete der Russe seine Augen hastig und sah Ray seltsamerweise nervös an. Der Chinese nahm seine Hand wieder weg und beäugte Kai skeptisch. Ein unsicheres Lächeln zuckte kurz über sein Gesicht bevor er hart schluckte und langsam aufstand.

"Ich hol dann besser mal etwas zum Kühlen für dich.", sagte Ray. "Und ich schau mal bei Kenny vorbei, der müsste den Notfallkoffer dabei haben. Da find ich bestimmt ein Fieberthermometer."

An der Tür wurde Ray allerdings noch einmal aufgehalten.

"Warte!", stöhnte Kai leise, dann hörte Ray die Decke rascheln und die Matratze knirschen. Als er sich umdrehte, saß der Russe am Bettrand, die Hände neben sich abgestützt, die Augen nur halb geöffnet.

"Kai, bleib liegen.", sagte Ray hastig und ging einige Schritte zurück zum Bett, die Hände ausgestreckt.

"Nein.", antwortete Kai sofort und senkte dann den Blick. Seine Kiefermuskulatur verspannte sich deutlich als er mit den Zähnen knirschte.

"Ich muss mal auf Toilette.", presste er schließlich hervor.

"Oh.", machte Ray erst mal nur, dann lächelte er verlegen. "Warum hast du mich nicht geweckt oder schon eher was gesagt? Dazu bin ich doch hier. Soll ich dir helfen zum Bad zu kommen?"

Kai nickte nur leicht.

"Okay.", sagte Ray etwas zu hastig und wollte Kai abstützen, um ihm aufzuhelfen, doch dieser zuckte zurück.

"Nein!", protestierte er laut, doch der Blick, den er Ray von unten schenkte war unsicher.

"Nicht.", ergänzte er leiser. "Du sollst nur aufpassen. Ich will alleine laufen."

"Achso.", antwortete Ray etwas zerstreut und trat einen Schritt zurück.

Ohne lange zu überlegen sprang Kai plötzlich hastig auf, doch wohl zu hastig, denn sofort fasste er sich an die Stirn, kniff kurz die Augen zusammen und taumelte dann zur Seite. Ray konnte gerade noch hinter ihm her hasten und schlang in dem Moment einen Arm um seinen Oberkörper, als er nach unten sackte. Durch das plötzliche Gewicht wäre er fast umgefallen, doch er konnte sich gerade noch auf den Beinen halten. Schnell schlang er Kais Arm um seinen Hals, während dieser langsam wieder anfing sich aufzurichten.

"Shit!", fluchte Kai leise und als Ray ihm ins Gesicht schaute, erkannte er sofort dessen offensichtliche Unzufriedenheit mit sich selbst.

"Geht's wieder?", fragte er sanft nach.

"Ja.", zischte Kai und versuchte sich aus Rays Griff zu befreien. "Ja!"

Ray ließ ihn nicht los, sondern packte ihn nur strenger, drückte ihn nur fester gegen sich selbst. Das Handgelenk des Armes, den er sich um den Hals gelegt hatte, hielt er in einem erbitterten Griff. Kai war zu geschwächt, um mit seinen Versuchen von Ray fortzukommen erfolgreich zu sein.

"Hör auf!", keifte Ray, holte dann tief Luft uns fuhr etwas leiser fort. "Ich lass dich nicht mehr los. Es ist außerdem deine eigene Schuld, was stehst du auch so schnell auf?! Du musst doch wissen, dass dir dann schwindlig wird."

Kai schwieg, doch hörte auf sich gegen Rays Griff zu wehren, sodass dieser los ging und Kai durch den Flur zum Bad führte. Immer wenn sein Körper gegen ihn taumelte wusste er, dass es richtig war, ihn nicht losgelassen zu haben. Was ihn aber irritierte war, dass sein eigner Körper so nervös darauf reagierte, dass er Kais feste Muskeln deutlich unter dem dünnen Pullover spüren konnte, seine Wärme fühlte und sich sogar jeder schwere Atemzug Kais deutlich in seine Seite drückte. Es war berauschend, doch das sollte es nicht sein. Vor allem nicht in dieser Situation.

Nachdem Ray ihn, innerlich aufgewühlt, wieder zurück ins Zimmer geführt hatte und ihn regelrecht gezwungen hatte etwas zu trinken, schaute er nach, ob die anderen schon wach waren. Er fand sie unten in der Küche, wo sie versuchten Frühstück zu machen. Mehr oder weniger erfolgreich. Max stand nahe des Herdes, mit einer Schüssel im Arm, in der er rührte. Hinter ihm lagen kreuz und quer verstreut und inmitten von Resten aus Mehl und Eiern einige Packungen von Zucker, Milch und Butter. Tyson stand nur wenige Schritte hinter ihm und inspizierte den Herd, auf dem eine Pfanne bereit stand, in der ein kleines weißes Stück Butter verloren in der Mitte lag. Kenny saß am Tisch und widmete sich ganz seinem Laptop, schickte den beiden anderen allerdings ab und zu zweifelnde Blicke.

"Ray, guten Morgen.", begrüßte Max ihn lächelnd während er in der Schüssel mit Teig, vermutlich für Pfannkuchen, rührte.

"Morgen.", antwortete Ray und wollte Kenny nach dem Notfallkoffer fragen, als sich Tyson einmischte.

"Hey, Ray.", sagte er verwundert, schaute ihn kurz an und versuchte dann weiter den Herd anzustellen. "Wo warst du denn heute morgen? Als noch kein Frühstück da war, wo wir aufgestanden sind, haben wir in deinem Zimmer nachgesehen, doch da warst du nicht und wir konnten dich auch sonst nirgendwo finden."

Ray seufzte nur, zog mit besorgtem Blick die Augenbrauen zusammen und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Er musste wohl einen schlimmen Endruck machen, denn plötzlich stellte Max die Schüssel hinter sich auf die Ablage und musterte ihn genau.

"Irgendwas ist doch los, oder?", sagte er skeptisch. "Du siehst aus, als ob du kaum geschlafen hast und du machst irgendwie einen besorgten Eindruck. Ist es immer noch, weil Kai dich so mies behandelt?"

Alle Augen hatten sich auf ihn gerichtet und schickten ihm neugierige fragende Blicke.

"Nein.", antwortete Ray, kniff die Augen zusammen und fuhr sich mit einer gestresster Geste über das Gesicht. "Also, eigentlich ja, das macht mich immer noch fertig, aber das ist es nicht. Nicht im Moment." Er schaute Tyson an. "Ich war nicht fort oder so.", erklärte er mit erschöpftem Blick. "Ihr habt nur nicht bei Kai im Zimmer nachgesehen. Ich war die Nacht bei ihm."

"Äh...", machte Tyson und runzelte verständnislos die Stirn. "Hä?"

Auch Max und Kenny schauten ihn fragend und verwirrt an.

"Er ist krank.", erklärte Ray sofort. "Ich glaub es ist was ernstes."

"Was?", fragte Max ungläubig und setzte sich auf den Stuhl neben ihn. "Was ist denn los? Was hat er?"

"Ich weiß es nicht.", gab Ray ehrlich zu und schaute den Blonden besorgt an. "Er ist gestern früher zurückgekommen als sonst und ich bin dann später noch einmal zu ihm, weil ich mit ihm reden und diese Sache ...", er verzog verletzt das Gesicht, "...mal klären wollte. Als ich in sein Zimmer kam, lag er auf dem Boden und konnte sich nicht bewegen."

"Was?!", rief Kenny irritiert.

"Ja.", bestätigte Ray noch einmal und starrte auf seine Hände. "Es war seltsam, er hat gesagt, er sei umgekippt und dass er seit einer Stunde dagelegen hätte. Das ist doch nicht normal, oder?!" Er schaute jeden einzelnen von ihnen mit fast verzweifelndem Blick an.

"Ich mach mir Sorgen, dass es was ernstes sein könnte.", erzählte er weiter. "Ich weiß nicht was, aber es deutet irgendwie alles daraufhin. Heute morgen hatte er Fieber und er war so schwach. Noch dazu kommt ja, dass er die letzten Tage sooft Kopfschmerzen hatte, das hört sich echt übel an."

"Allerdings.", murmelte Max nachdenklich, nachdem sie lange geschwiegen hatten.

"Oh, man.", seufzte Ray und fühlte sich plötzlich sehr schwach. Seine eigenen Worte hatten ihn erschüttert. Er schluckte einmal.

"Ihr hättet ihn sehen müssen.", sagte er mit zittriger Stimme. "Als ich ihn auf dem Boden gefunden hab. Er war so blass und seine Augen..." Er schluckte erneut. "Ich dachte erst, er sei tot."

"Hey, Ray.", sagte Max hastig und mit einem aufmunternden Lächeln, als er bemerkte, dass Ray ganz schön mitgenommen war. "Das ist er aber nicht, ja? Seit wann bist du überhaupt so pessimistisch? Es muss ja nicht zwangsläufig was Schlimmes sein. Am Besten wir rufen gleich mal einen Arzt an, der mal nach ihm sieht."

"Ja, das hatte ich eh vor.", murmelte Ray und wandte sich dann an Kenny. "Hast du den Notfallkoffer dabei? Ich wollte mal Fieber messen."

"Ja.", antwortete Kenny, immer noch ein bisschen zerstreut. "Er steht vor meinem Schrank. Ich kann ihn gleich holen."

"Danke.", antwortete Ray und lächelte halb. "Aber ich hol ihn dann selbst."

"Eins verstehe ich nicht ganz.", meldete sich schließlich Tyson zu Wort, woraufhin ihn Ray fragend ansah. "Kai hat dich die letzten Tage wie Dreck behandelt und du kümmerst dich jetzt um ihn? Das raff ich nicht! Hätte Kai mich so behandelt, könnte er froh sein, wenn ich einen von euch geholte hätte, damit er nicht die ganze Nacht auf dem Boden hätte schlafen müssen. Ehrlich..."

"Ich weiß auch nicht, warum ich das mache.", seufzte Ray. "Aber darüber kann ich mir jetzt auch keine Gedanken machen, denn im Moment ist es wichtig, dass Kai wieder gesund wird. Danach kann ich ihm immer noch in den Arsch treten."

Er versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln, doch versagte kläglich.

"Ray, wenn du willst, kümmere ich mich um ihn.", schlug Max vor und Kenny nickte zustimmend. "Ich kann verstehen, wenn du nicht..."

"Nein.", unterbrach ihn Ray nachdenklich. "Nein, ich... ich mach das schon."

"Ray.", erwiderte Tyson in einem 'Ich-bitte-dich-Ton'. "Kai hat nicht verdient, dass du dich um ihn kümmerst!"

"Ich weiß.", antwortete Ray ernst und schaute Tyson dabei fest in die Augen. "Aber... ach, ich weiß auch nicht. Kai scheint wieder ein bisschen normaler zu sein und ich hab die Hoffnung, dass er, wenn ich mich um ihn kümmere ein schlechtes Gewissen bekommt."

"Kai und schlechtes Gewissen?", schnaubte Tyson. "Ich glaub der Schuss geht ins Leere."

"Abzuwarten.", murmelte Ray und stand auf. "Kann einer von euch einen Arzt anrufen und Kai vielleicht irgendwas zu Essen machen? Ich geh dann wieder hoch und mess mal Fieber."

"Klar.", antwortete Max und erhielt ein dankbares Lächeln. "Aber falls Kai wieder ungerecht werden sollte..."

Er ließ den Satz im Raum hängen, doch Ray verstand und nickte.

Dann ging er wieder hoch zu Kai. Zwischendurch nahm er sich noch eine Schüssel mit, schnappte sich den Notfallkoffer aus Kennys Zimmer und holte sich einen Waschlappen aus dem Bad, den er in die Schüssel legte und diese mit kaltem Wasser füllte. Den Koffer in der einen Hand, die Schüssel in der anderen, öffnete er mit dem Ellebogen die Tür und stieß sie mit dem Fuß auf. Kai lag reglos in seinem Bett und starrte mit verbissenem Blick an die Decke. Blass, schweißnass, schwer atmend.

"Hey.", sagte Ray sanft und erhielt als Antwort nur ein Brummen.

Er stellte den Koffer neben den Stuhl ab, der noch vor Kais Bett stand und stellte die Schüssel vorsichtig auf dem Nachttisch ab. Besorgt registrierte er die schwere Atmung des Russen und seinen glasigen Blick. Einige Haarsträhnen klebten an seiner feuchten Stirn.

"Dir geht's schlechter, oder?", fragte er ein wenig ängstlich.

Kai sah ihn etwas verklärt an und öffnete den Mund, um zu antworten, als er sich selbst unterbrechen musste und trocken hustete.

"Ja.", krächzte er dann leise.

Hastig zog Ray den Koffer auf seinen Schoß und suchte ein Fiberthermometer heraus.

"Mund auf.", kommandierte er mit dünner Stimme und streckte Kai das Thermometer entgegen. Dieser zeigte sich ungewöhnlich kooperativ und folgte dem Befehl sofort. Ihm musste es wirklich schlecht gehen.

Ray schob ihm den Temperaturmesser vorsichtig in den Mund und stellte den Koffer zurück auf den Boden.

"Schieb es unter deine Zunge.", bat er und Kai gehorchte.

Sie schwiegen bis ein leises Piepen durch den Raum drang und Ray hastig, aber vor allem nervös zu dem Thermometer griff und die Anzeige ablas.

"39,1.", murmelte er. "Hoffentlich steigt es nicht noch mehr. Dann könnte es sein, dass du Grippe hast."

"Wie kommst du darauf?", stöhnte Kai mit schwacher Stimme.

"Der Husten.", antwortete Ray. "Hohes Fieber und Husten deuten auf Grippe hin."

"Mach dich nicht lächerlich.", brummte der Russe und schaute ihn müde an. "Es kann alles mögliche sein. Außerdem ist 39,1 nicht so hoch."

"Ja.", seufzte Ray. "Deshalb hoffe ich ja, dass es nicht weiter steigt. Grippe wäre echt übel."

Kai schwieg, aber nickte nachdenklich.

Ray griff daraufhin neben sich, holte den Waschlappen aus der Schüssel und wrang ihn leicht aus. Als er sich wieder zu Kai drehte musste er leise seufzen. Er fragte sich, warum er das hier wirklich tat. Das mit dem schlechten Gewissen war eine jämmerliche Ausrede gewesen.

Keine Antwort auf die Frage. Nichts Neues.

Bevor er Kai den feuchten kühlen Waschlappen auf die Stirn legte, strich er ihm mit langsamen Bewegungen einige Haarsträhnen aus der Stirn, was der Russe mit einem erschöpftem Blick quittierte. Dann seufzte er und schloss die Augen.

Es tat Ray weh Kai so schwach und hilflos zu sehen. Er dachte in diesem Moment sogar kurz darüber nach ihm einfach zu vergeben. Nur dadurch dass er sich die letzten Tage bewusst ins Gedächtnis rief und sich noch einmal ausdrücklich sagte, dass er immer noch verletzt war, hielt er sich selbst davon ab. Das hier war ein Ausnahmezustand. Sozusagen eine Zwischenstation zwischen ihrer nicht wirklich guten Beziehung der letzten Tage und dem Zeitpunkt, wo sie reden würden.

Ein leises Klopfen an der Tür riss Ray aus seinen Gedanken und veranlasste Kai seine Augen leicht zu öffnen.

"Ja?", rief Ray und kurze Zeit später kam Max herein, welcher in der Hand einen dampfenden Teller Suppe hielt. Als er Kai entdeckte, blieb er kurz stehen und Ray konnte ihm deutlich die besorgte Überraschung in seinen blauen Augen ansehen. Und er konnte es verstehen. Es war wirklich ungewöhnlich und vor allem erschreckend ihren Teamchef in dieser Verfassung zu sehen.

"Hey.", sagte Max leise, seinen Blick auf Kai geheftet. Dieser beachtete ihn aber nicht, doch Ray erkannte deutlich die Verspannung in seinem Körper und seinem Gesicht. Ihm war es vermutlich mehr als unangenehm so schwach zu sein, und noch mehr in diesem Zustand von anderen gesehen zu werden.

"Ich hab Suppe gemacht.", richtete Max sich dann an den Chinesen. "Ich hoffe das ist okay. Ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte."

"Nein.", erwiderte Ray sofort. "Suppe ist gut."

Mit einem letzten besorgten Blick auf Kai, nickte Max leicht, ging schließlich zu Ray und reichte ihm den Teller.

"Den Arzt hab ich auch angerufen.", sagte er dann. "Er kommt heute Mittag. So gegen eins."

"Ich brauch keinen Arzt.", knurrte Kai und erhielt darauf einen verwirrten Blick von Max und einen gereizten von Ray.

"Du spinnst doch.", zischte der Chinese. "Soll ich dir vielleicht mal nen Spiegel holen, damit du dich selbst davon überzeugen kannst wie schlimm du aussiehst?! Reicht es dir etwa nicht, dass du dich offensichtlich schon beschissen fühlst ?!"

Kai schwieg und wandte den Kopf beleidigt ab, woraufhin Ray leise seufzte.

"Danke.", sagte er dann an Max gewandt und lächelte gequält.

"Kein Problem.", lächelte dieser ehrlich zurück, auch wenn sein Blick, der noch einmal kurz über Kai glitt als dieser leise hustete, zwischen Sorge und Verwirrung schwankte.

"Wenn ihr noch was braucht, dann ruft einfach.", fügte er hinzu und verließ langsam das Zimmer als Ray ihm zunickte.

Als die Tür ins Schloss fiel, schickte er Kai einen resignierten Blick und schüttelte leicht den Kopf, stellte dann den Teller neben sich auf den Nachtschrank und nahm langsam den Waschlappen von Kais Stirn.

"Kai, willst du was essen?", fragte er und ignorierte dessen offensichtliche Empörung über den bevorstehenden Arztbesuch.

"Nein.", kam die knappe Antwort.

"Du musst aber!", beharrte Ray und musste sich stark zusammenreißen, damit er nicht laut wurde. Kais Sturheit machte ihn rasend, doch er wusste, dass er mit Wut nicht viel erreichte.

"Bitte.", fügte er leise hinzu und registrierte erleichtert, dass Kai resigniert seufzte und sich ihm schließlich wieder zuwandte.

"Wenn du meinst.", murmelte er, doch wagte nicht Ray ins Gesicht zu schauen.

Ray half ihm daraufhin sich aufzusetzen und die Suppe zu essen. Als Kai fertig war und wieder auf seinem Rücken lag, legte er ihm den Waschlappen wieder auf die Stirn.

Danach erfüllte Schweigen den Raum, wo Ray mit sich selbst rang. Der Drang mit Kai zu reden und ihn auf sein Verhalten und seine ungerechten Attacken auf ihn anzusprechen wurde immer größer, immer fordernder. Ray öffnete mehrmals den Mund, um ein Gespräch anzufangen, doch schloss ihn wieder als ihm einfiel, dass er erst mit Kai reden wollte, wenn es diesem wieder besser ging und ihm das Sprechen leichter fiel. Andererseits hielt er es bald auch nicht mehr aus. Mit der Ungewissheit, die ihn schon seit Tagen quälte war umso schwieriger umzugehen, wenn Kai ruhig und friedlich neben ihm lag und ihm somit die Möglichkeit gab alles zu klären. Ray vergaß seinen Vorsatz.

"Kai?", fragte er leise, während er auf seine Hände starrte. Er hörte das Bettzeug rascheln als Kai ihm vermutlich fragend den Kopf zugewandte.

"Hm?"

"Weißt du.", begann Ray zögerlich. "Eigentlich wollte ich ja warten bis es dir wieder besser geht, aber mittlerweile halte ich es einfach nicht mehr aus. Deshalb frag ich dich auch jetzt, auch wenn ich nicht erwarte, dass du..."

"Ray.", stöhnte Kai müde. "Du plapperst. Komm zum Punkt."

Rays Blick glitt daraufhin leicht nervös zu dem Russen, doch er wandte sich sofort wieder ab und atmete dann einmal tief ein.

"Warum...", fing er leise an und rang nervös seine Hände. "Warum hast du mich die letzten Tage so mies behandelt? Du hast mir nie Erklärungen gegeben und ich wüsste gerne, was ich getan habe oder... ach, was auch immer..."

Kai schwieg, woraufhin Ray langsam den Blick hob und ihn leicht verzweifelt anschaute, doch der Russe hatte seinen Blick nachdenklich an die Decke geheftet. Sein Blick war wie sooft vollkommen undeutbar und verschlossen, kein Anzeichen, was einem einen Hinweis darauf gegeben hätte, was er dachte.

"Ray.", presste Kai dann leise heraus. "Das ist..."

Seine Augen begannen wild von einem Punkt zum anderen zu huschen, als er nach Worten suchte.

"Kompliziert?", half Ray seufzend nach.

"Ja.", antwortete Kai knapp. "Ich kann es dir noch nicht erklären."

"Du kannst nicht, oder du willst nicht?", fragte Ray harsch nach und erhielt einen fragenden Blick aus zwei glasigen rotbraunen Augen. Er starrte gereizt zurück.

"Beides vermutlich.", seufzte Kai.

"Toll.", zischte Ray und klammerte sich mit seinen Händen an den Stuhl. "Meinst du nicht ich hab ein Recht darauf, zu wissen, was los war?! Wann wirst du es mir denn sagen?!"

Kai schwieg lange ehe er antwortete.

"Weiß nicht.", sagte er krächzend und hustete kurz. "Vielleicht nie."

"Und du denkst, dass ich das jetzt einfach so hinnehme, oder was?!", keifte Ray und sprang auf. Kais Zustand war ihm mittlerweile egal. Er wollte endlich Klarheit, nur einmal!

"Ray.", stöhnte Kai erschöpft und schloss kurz die Augen. "Können wir das nicht ein anderes mal besprechen?"

"Ein anderes mal?!", zischte Ray enttäuscht. "Wenn's nach dir geht gibt es doch kein anderes mal, oder wie soll ich deinen Kommentar von eben deuten?!"

Kai gab ihm keine Antwort mehr. Ray hatte genug. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging Richtung Tür.

"Soll ich den anderen sagen, dass sie trainieren sollen oder haben wir frei?", fragte er kalt.

Obwohl er mit dem Rücken zu Kai stand, konnte er dessen verwirrten Blick vor seinem inneren Auge sehen.

"Zwei Stunden Training, dann habt ihr frei.", antwortete der Russe langsam und schleppend.

"Okay.", erwiderte Ray dann tonlos. "Ich frag mal wer von ihnen hier bleibt und sich um dich kümmert."

Mit diesen Worten öffnete er die Tür und trat in den Flur hinaus.

"Warte!", stöhnte Kai hastig hinter ihm und Ray ballte beide Hände zu Fäusten, doch ging zurück ins Zimmer.

"Was?", schnaubte er ohne Kai anzusehen.

"Ich will...", keuchte der Russe, wurde aber durch einen erneuten Hustenanfall unterbrochen. "Ich will, dass du bleibst."

Seine Stimme war leise, fast flehend, doch Ray drehte sich zur Tür zurück.

"Ich weiß aber nicht, ob ich das will.", antwortete er kühl, trat erneut in den Flur hinaus und schloss die Tür hinter sich. Nur wenn man genau hingehörte hatte, hatte man den verletzten Unterton in Rays Stimme bemerkt.
 

~I won't be there

always waiting

Waiting for you

to let me inside

Where your fire burns~
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

wieder ein neues kapitel ^^

ich weiß, hier drin passiert nicht wirklich viel, doch ich musste irgendwie zum nächsten kapitel hinleiten und da hab ich einige situationen hieraus gebraucht ^^
 

vermutlich wird es jetzt auch so sein, dass diese story in zwei teile geteilt wird. das hier ist noch der erste, doch ich schätze mal, dass der wendepunkt vorraussuchtlich in zwei bis drei kapiteln kommt und dann kommt der zweite teil... der wird dann recht... interessant ^^°

ich lass das mal so stehen, hehe

und keine angst, ihr werdet wohl deutlich merken, wann sich alles verändert ;)
 

das lied am schluss ist schon wieder von 'the calling'... hör ich die ganze zeit über und ich wurde von vielen liedern inspiriert... wie auch bei dem kapitel hier, deshalb hab ich den teil an den schluss gesetzt ;)

leider weiß ich nicht mehr wie das lied heißt *zu faul ist, um nachzusehen*
 

hoffe, es hat euch trotzdem gefallen, auch wenn eigentlich kaum was passiert... außer, dass kai jetzt seine eigene bittere medizin schlucken muss XD

hach, im nächsten kapitel mag ich kai *abknuffz*

da ist ray der böse... ne, eigentlich auch nicht... hm, ich sollte meine klappe halten XD
 

naja...

bis zum nächsten mal (hoffentlich ;) )

*knuddelz*

astin

=:)
 

p.s.: wenn ihr wünsche habt, dürft ihr die auch äußern, ich werde dann sehen wie und ob ich sie einbringen kann ;)

Lektion VIII: You owe me an favour - Wettschulden sind Ehrenschulden

oder
 

Wenn man sich selbst nicht mehr versteht, muss man handeln.
 

Warnung:

Dieses Kapitel ist von vorne bis hinten sehr wechselhaft. Stellt euch also auf fast unerklärliche bis absurde Stimmungsschwankungen ein. Hab versucht sie einigermaßen zu erklären, doch es gibt dafür eigentlich keine richtige Erklärung, was der Kernpunkt dieses Kapitels ist. Verwirrung, Erschöpfung und die damit verbundenen stressbedingten, dafür umso ungewöhnlichen Verhaltensweisen. Wollt ich nur gesagt haben. Viel Spaß.
 

~oOo~
 

Seufzend schloss Ray die Augen, fuhr sich durch die Haare und ließ sich schließlich erschöpft hinter sich an die Tür sinken. Er war verletzt, enttäuscht, wütend, aber gleichzeitig auch wieder sehr verwirrt. Er wusste genau, dass er sich richtig verhielt, wenn er nicht nachgab und nicht blieb und er wusste auch, dass er Kai zeigen musste wie sehr ihn alles, was in den letzten Tagen passiert war und vieles, was Kai gesagt oder getan hatte, wie sehr ihn dies fertig machte.

Andererseits war es richtig schwierig nicht einfach umzukehren und Kai zu sagen, dass er doch blieb und dass es ihm egal sei, ob er jemals den Grund für Kais Verhalten rausfinden würde, solange wie er sich ihm gegenüber wieder normal verhielt.

>>Ich will, dass du bleibst.<<

Ein Schauer lief Ray über den Rücken und er konnte nicht verhindern, dass er sich über diesen Satz ein wenig freute.

Nur ein bisschen.

Und vielleicht sogar sehr.

Der Drang in ihm, die Tür hinter sich wieder zu öffnen und sich weiterhin um den Russen zu kümmern wurde immer stärker, sodass er sich hastig abstieß und langsam den Flur entlangging. Richtung Treppe. Weg von Kai.

Er tat ihm leid und er hatte ein verdammt schlechtes Gewissen, ihn so behandelt zu haben, doch demgegenüber standen immer noch Tatsachen, die dies rechtfertigten. Zum einen hatte Kai ihn tagelang genauso behandelt, sogar in schlimmeren Ausmaß und zum anderen hatte er dann verweigert den Grund zu nennen. Es war möglich, dass alles sehr kompliziert war, so wie Kai es gesagt hatte, doch Ray sah das anders und für ihn war eines innerhalb von Sekunden klargeworden: Der einzige Grund, warum alles so kompliziert war, war nicht die Sache an sich, sondern Kai.

Kai machte alles kompliziert.

Es war ihm klar geworden, als der Russe ihm gesagt hatte, dass er ihm nicht erklären 'kann', warum er sich seltsam ihm gegenüber verhalten hatte, warum er insgesamt so seltsam war. Dies war der Punkt gewesen, wo Ray begriffen hatte, dass alles, was ihn in den letzten Tagen beschäftigt hatte Kais Schuld war. Nur Kais Schuld. Und dann gab dieser sich noch nicht einmal die Mühe, alles zu rechtfertigen, zu erklären oder wenigstens sich zu entschuldigen. Nein, er wollte alles anscheinend einfach vergessen und so tun, als ob nie etwas gewesen wäre. Zumindest hatte Ray das Gefühl, dass es so war.

Es machte ihn wütend und war letztendlich der Anlass für ihn gewesen, das Zimmer zu verlassen. Hätte Kai ihm vernünftig gesagt, was los war, wäre alles viel einfacher. Vorrausgesetzt es war eine gute Erklärung.

Obwohl...

Ray bezweifelte, ob dies eine Auswirkung haben würde. Wahrscheinlich würde er Kai so oder so vergeben, er war jetzt schon fast wieder kurz davor. Es war schwierig. Das Einzige, was ihn davon abhielt, nachzugeben, war noch immer seine Wut, vor allem aber die Enttäuschung. Kai hatte ihn nicht nur ein bisschen enttäuscht, sondern in einem geradezu beängstigendem Ausmaß, vor allem im menschlichen Sinne. Nicht nur mit dem, was er die letzten Tage getan hatte, sondern damit, dass er zu feige oder zu stur war, um mit Ray darüber zu reden. Es war für den Chinesen sowieso schwer genug gewesen dieses Thema überhaupt anzusprechen, weil er befürchtet hatte, dass Kai ausrasten würde, und als er sich dann doch überwunden hatte, hatte er nicht einmal ansatzweise eine befriedigende Antwort erhalten. Sogar weniger als das.

Irgendwann war auch für ihn der Punkt angelangt, wo er einfach genug hatte.

Dieser Punkt war definitiv überschritten.

Mit grimmiger Miene stapfte er in die leere Küche, wo auf dem Tisch ein Teller mit ein paar Pfannkuchen stand. Erst in diesem Moment wurde sich Ray darüber bewusst, dass er ganz vergessen hatte, etwas zu essen und erst in diesem Moment spürte er deutlich die Leere in seinem Bauch. Er setzte schnell Teewasser auf (für Kai, auch wenn ihm nicht bewusst war, warum er sich die Mühe machte) und griff sich einen Pfannkuchen. Während er an der Ablage lehnte, langsam aß und wartete, dass das Teewasser kochte, dachte er wieder nach.

Über das selbe Thema wie die letzten Minuten. Wie die letzten Tage.

Kai.

Gerade als er den letzten Bissen des Pfannkuchens hinuntergeschluckt hatte, betrat Max die Küche und lächelte unsicher als er Ray sah.

"Hey, Ray.", sagte er. "Wie geht's Kai?"

"Keine Ahnung.", brummte Ray. "Ich glaube schlecht."

Max runzelte die Stirn.

"Was ist los?", fragte er dann irritiert.

"Nichts.", antwortete Ray bitter und nahm den Teekessel vom Herd, stellte ihn aber sofort wieder zurück, stützte sich mit den Händen auf der Ablage ab und seufzte.

"Kannst du dich vielleicht heute Nachmittag um Kai kümmern, während wir trainieren?", fragte er dann, ohne ihn anzusehen.

Irritiertes Schweigen.

"Habt ihr euch gestritten?", fragte Max schließlich zweifelnd. "Vorhin hast du doch noch gesagt, dass..."

"Ich weiß.", seufzte Ray, nahm den Teekessel erneut vom Herd, schnappte sich eine Tasse aus dem Regal und goss das heiße Wasser hinein. "Aber ich hab meine Meinung geändert."

"Also habt ihr euch gestritten.", folgerte Max seufzend, woraufhin Ray ihn kopfschütteln ansah.

"Nein, das kann man auch nicht sagen.", entgegnete er mit bekümmertem Blick und biss sich auf die Unterlippe. "Aber er hat... Ach, er hat es sich im Moment einfach bei mir verschissen!" Und das stimmte, in fast jedem Bereich. Ray hatte sich diese Nacht nur um Kai gekümmert, weil er wieder relativ normal zu ihm gewesen ist und er gedacht hatte, dass deshalb die Chancen, dass er ihm alles erklärte sehr hoch waren. Er hätte sich nie um ihn gekümmert, wenn er nicht wenigstens ein bisschen die Aussicht darauf gehabt hätte, dass es wieder normal zwischen ihnen werden würde, aber da hatte er sich wohl getäuscht. Jetzt nachdem er mit Kai gesprochen hatte war keine Chance mehr da, dass er es ihm erklärte, das hatte Kai ja selbst gesagt. Deshalb konnte er sich nicht mehr um ihn kümmern. Dazu hatte er ihn zu sehr verletzt.

Max nickte nachdenklich.

"Verständlich.", sagte er dann. "Aber kein Problem, dann kümmere ich mich um ihn. Ich mach's gerne, ehrlich. Hab ich dir ja eh angeboten."

"Danke.", erwiderte Ray ernst, lächelte fast traurig und suchte dann nach einem Teebeutel, den er schließlich auch fand und in die Tasse hängte. Max starrte ihn währenddessen stirnrunzelnd an.

"Ist der Tee für Kai?", fragte er dann.

"Ja.", murmelte Ray leise.

"Soll ich ihn ihm bringen?", bot Max an, doch Ray schüttelte den Kopf.

"Ne, ich mach das.", antwortete er nachdenklich.

"Weshalb?"

Ray seufzte.

Weil ich ihn noch einmal sehen will, dachte er.

"Weil ich sein Gesicht sehen will, wenn ich ihm sage, dass ich heute nicht bei ihm bleibe.", antwortete er stattdessen, aber genauso ehrlich.

Max lächelte unsicher, doch runzelte die Stirn.

"Das versteh ich nicht.", gab er dann zu, woraufhin Ray erneut seufzte.

"Ach, er hat mich eben gebeten bei ihm zu bleiben, als ich ihm gesagt habe, dass ich einen von euch frage, sich um ihn zu kümmern.", antwortete Ray bitter. "Ich kann das aber nicht. Und ich will sehen, ob er merkt, dass er alles selbst verschuldet hat."

"Ach so.", nickte Max nachdenklich. "Sag mir dann einfach bescheid, wann ich zu ihm gehen soll."

"Okay.", murmelte Ray. "Ich sag ihm das jetzt noch schnell, dann suche ich die Anderen und geh mit ihnen trainieren."

Er erhielt ein aufmunterndes Lächeln von Max, was er mit einem Mundwinkel erwiderte.

Ray verließ die Küche nicht einmal annähernd gesättigt und immer noch aufgewühlt, und machte sich auf in Richtung Kais Zimmer. Er zögerte kurz bevor er die Tür schließlich öffnete, den Gedanken im Hinterkopf sich nicht von Kais Zustand beeinflussen zu lassen.

Auch wie die letzten Male lag der Russe auf dem Rücken und starrte an die Decke. Die Haut in seinem Gesicht war fast genauso blass wie das Tuch, was er noch immer auf seiner Stirn liegen hatte, seine Augen noch immer glasig und dunkel umrandet, sein Mund in entschlossener Geste verzogen. Er beachtete Ray nicht, als dieser eintrat, was diesen gleichermaßen enttäuschte wie beruhigte, da es ihm sein Vorhaben zu erleichtern schien.

"Hier.", sagte er, doch musste sich plötzlich um den kalten Ton in seiner Stimme sehr bemühen. "Hier ist ein bisschen Tee."

Mit diesen Worten stellte er die Tasse auf den Nachttisch und nahm sich danach den Teller und die andere Tasse, die noch darauf standen. Kai zeigte keine Reaktion.

"Ich wollt dir das nur schnell vorbeibringen.", sagte Ray dann, doch konnte nicht verhindern, dass er leicht unsicher klang. Dabei hatte Kai gar nichts gemacht. "Ich geh jetzt schnell duschen und dann mit den Anderen trainieren. Max wird sich dann um dich kümmern."

Keine Reaktion.

"Fein.", knurrte der Chinese und krallte seine Hände regelrecht in den Teller, schnaubte dann und ging zurück zur Tür.

"Ray.", sagte Kai dann und sein Ton veranlasste Ray im Türrahmen noch einmal stehen zu bleiben. Er klang ruhig, ein wenig bittend, aber vor allem sehr warm. Ray drehte sich nicht um.

"Bleib du."

Verzweifelt kniff Ray seine Augen zu und schluckte hart. Das war unfair.

"Nein.", antwortete er dann und wunderte sich selbst wie fest seine Stimme dabei klang.

"Bitte.", murmelte Kai dann zögerlich.

Verdammt! Unter diesen Umständen konnte er Kai einfach nicht mehr böse sein, doch er musste sich zusammenreißen, denn sonst könnte Kai noch den Eindruck bekommen, dass er alles mit sich machen ließ.

"Nein.", antwortete er wieder, doch klang bei weitem nicht mehr so standhaft wie zuvor. Sein ganzer Körper hatte sich verspannt, sein Herz schlug ein wenig schneller als normal, sein Atem ging unregelmäßig und stoßweise und seine Hände klammerten sich an den Teller.

Er musste verschwinden.

Hastig trat er in den Flur hinaus, doch hörte sofort die Matratze knarren.

"Warte!", rief Kai ihn mit rauer, angestrengter Stimme. Ein Keuchen folgte und die Matratze knarrte erneut, Bettzeug raschelte und Ray blieb überfordert stehen. Kai würde ihm doch nicht hinterher laufen, oder?! Wieder ein Knarren..

Rays Augen huschten zögerlich von einem Punkt zum anderen, dann hastete er schnell zurück ins Zimmer.

"Spinnst du?!", rief er, als er sah, dass Kai dabei war aufzustehen. Das Tuch lag schon auf dem Boden, er atmetet heftig, sein Gesicht glänzte vor Schweiß und war vor Anstrengung verzogen. "Bleib liegen!"

Kai setzte sich daraufhin wieder hin und schaute ihn unter feuchten Ponysträhnen ernst an, ein Zittern ging deutlich durch seinen Körper.

"Dann bleib du hier!", keuchte er, woraufhin Ray ihn vorerst nur mit geöffnetem Mund und zusammengezogenen Augenbrauen anstarrte. Warum wollte Kai ihn plötzlich - und insbesondere unter allen Umständen - bei sich haben?!

Der Chinese schwieg und kaute sich durcheinander auf der Unterlippe herum.

"Ich hab doch noch einen Gefallen bei dir.", keuchte Kai und hustete trocken, ehe er Ray festentschlossen anschaute.

"Du weißt doch noch.", erklärte er schleppend. "Mit dem Hügel und so..."

"Ich weiß, was du meinst!", erwiderte Ray angespannt und etwas zu laut. Er wusste warum er plötzlich wieder gereizt war. Es war aus dem einfachen Grund, dass Kai es wieder schaffte, ihn zu umzustimmen, ihn zu schwächen und zu besiegen.

"Ich will ihn jetzt einlösen.", erwiderte der Russe ernst, doch seine Stimme versagte zum Ende des Satzes hin. Als er schließlich die Augen zusammenkniff und sich mit schmerzlichem Gesichtsaudruck an den Kopf fasste, musste Ray den Drang unterdrücken nachzufragen, was los war.

"Okay. Was willst du?", fragte er stattdessen, obwohl er die Antwort eigentlich schon kannte.

"Bleib hier!", keuchte Kai und schaute ihn von unten mit verzweifelndem, flehendem Blick an. Und es war so untypisch, Kai war so verletzlich in dieser Situation, dass es Ray das Herz brach.

"Warum nimmst du den Gefallen nicht bei etwas, was dir auch irgendwie was bringt.", protestierte er dennoch schwach.

"Will ich doch.", murmelte Kai kläglich und starrte vor sich auf den Boden. Er tat Ray plötzlich so unendlich leid. Er hatte nicht mehr den starken, stolzen Kai vor sich sitzen, nicht einmal ansatzweise und er bezweifelte, dass es nur an seiner Krankheit lag, dass er so verletzbar aussah.

Ray schwieg. Er fühlte sich außerstande weiterhin zu widersprechen, doch er wollte auch nicht nachgeben.

"Ich...", presste Kai dann zwischen zusammengedrückten Zähnen heraus. Seine Muskeln verspannten sich sichtbar, sein Atem ging noch ein bisschen schneller. "Ich erklär dir auch alles, nur nicht jetzt und nicht heute. Aber ein anderes mal."

"Versprichst du's?", fragte Ray ernst, aber hoffnungsvoll nach, woraufhin Kai ihn wieder anschaute. Der verletzbare Ausdruck war plötzlich völlig verschwunden, auch wenn er noch immer heftig keuchte, zitterte und schwach aussah, schaffte er es nur mit seinen Augen eine solche Stärke und Ernsthaftigkeit auszustrahlen, dass Ray nicht länger standhalten konnte. Als Kai dann auch noch vollkommen ruhig antwortete, war es ihm nicht mehr möglich, ihm böse zu sein.

"Ja, versprochen.", sagte er.

"Okay.", nickte Ray sachlich. "Leg dich jetzt wieder hin."

Dann erhaschte er ein kurzes Flimmern in Kais Augen. Nur ganz kurz, aber eindeutig.

Erleichterung und Dankbarkeit sprachen aus seinem Blick, was Ray zu einem leichten Lächeln brachte.

"Ich geh jetzt duschen.", murmelte er schließlich. "Ähm... danach komme ich dann wieder. Leg dich solange wieder hin."

Dann verschwand Ray schnell.
 

~oOo~
 

Nachdem Ray Max schnell bescheid gegeben hatte, wobei dieser mehr als nur ein bisschen verwirrt gewesen ist, stieg er in die Dusche. Während das warme Wasser über seinen Körper strömte, dachte er nach. Er ärgerte sich, nachgegeben zu haben und darüber, dass er das Mitleid, was er für Kai empfand nicht ignorieren konnte. Er wusste nicht, ob er sich freuen sollte oder nicht, da er einerseits diese Situation irgendwie fast erhofft hatte und eigentlich immer noch gerne bei Kai war, andererseits hatte stark bleiben wollen. Was ihm offensichtlich nicht gelungen ist.

Es war seltsam. Richtig seltsam.

Wie hatte Kai es geschafft ihn umzustimmen?! Ray konnte sich kaum noch erinnern, obwohl es erst vor wenigen Minuten geschehen war. Und was noch viel wichtiger war: Warum wollte Kai ihn umstimmen?

Es machte keinen Sinn. Nichts, wirklich überhaupt nichts. Es hatte fast den Anschein, als ob Kai irgendwelche kranken Machtspielchen mit ihm spielte, nur um zu beweisen, dass er Ray zu allem bringen konnte, was er wollte, dass er alles mit ihm machen konnte, dass er der Stärkere, der Klügere von ihnen war. Je länger Ray darüber nachdachte, desto mehr machte dieser Gedanke plötzlich Sinn für ihn.

Erst das offensichtliche Demonstrieren seiner Macht als Teamchef und als Person, in dem er ihn psychisch angegriffen hatte, ohne dass Ray sich richtig hatte wehren können. Dann konnte er ihn schon das zweite Mal soweit manipulieren, dass Ray seinen Ärger regelrecht vergaß, nachgab, sich unterwarf. Und er machte dies nur, um seine Macht zu zeigen, die er über Ray zu haben schien.

Alles war nur ein krankes Spiel.

Mit einer harschen, wütenden Bewegung stellte Ray das Wasser ab und starrte vor sich auf die weißen Fliesen. Seine Muskeln waren angespannt, seine Hände zu Fäusten geballt und schließlich schnaubte er gereizt und verletzt.

Sollte das etwa die Antwort sein? Dass er manipuliert und somit ausgenutzt wurde?

Ray schnaubte erneut, rang sich etwas zu kraftvoll die Haare aus, aus denen einer kompletter Wasserschwall auf die Fliesen unter seinen Füßen klatschte und beschloss mit verbissener Miene, dass er sich dies nicht gefallen lassen würde. Was Kai konnte, konnte er schon lange. Er würde ihn mit den eigenen Waffen schlagen. Mitleid hin oder her.

Jetzt war es wirklich vorbei.
 

~oOo~
 

Eine Viertel Stunde später saß Ray schließlich wieder an Kais Bett, schweigend. Seine Haare waren noch feucht, seine Augen durchzogen von einer ironischen Mischung aus Unsicherheit und Entschlossenheit und er starrte unentwegt auf seine Hände.

Er hatte mit Kai noch kein Wort gesprochen, seit er das Zimmer betreten hatte, sondern ihm nur einen kurzen beleidigten Blick zugeworfen und sich dann hingesetzt. Kai hatte von sich aus auch kein Gespräch angefangen, doch ab und zu stöhnte er schmerzvoll auf und wälzte seinen Kopf unruhig von einer Seite auf die andere.

"Ray?", krächzte er schließlich, doch Ray schwieg.

"Kannst...", begann er, doch wurde durch einen kurzen Hustenanfall unterbrochen. "Kannst du mir eine Kopfschmerztablette holen?"

"Bist du dir sicher, ob du überhaupt Kopfschmerzen hast?", fragte Ray kühl, doch mit einem provokantem Unterton und starrte weiter seine Hände an.

"Was?", stöhnte Kai verwirrt, doch fuhr etwas gereizter fort. "Natürlich hab ich Kopfschmerzen, was denkst du denn?!"

Zum Ende hin war seine Stimme gequälter geworden und leiser, sodass Ray den Kopf hob und ihn abschätzend ansah. Kai schaute ernst zurück, doch seine Augenbrauen waren in vollkommenem Unverständnis zusammengezogen, seine Mundwinkel verzogen.

"Ray.", krächzte er und kniff seine glasigen Augen zusammen.

Doch Ray blieb sitzen, auch wenn er innerlich mit sich selbst rang.

Sie schwiegen wieder einige Minuten, bis Kai sich leise räusperte.

"Ray, ich...", begann er, doch verstummte wieder und schien nach Worten zu suchen. "Ich wollte... Weißt du, die letzten Tage... Das war nicht... also, ich wollte... mich..."

Er verstummte erneut und seufzte resignierte.

"Es tut...", fing er wieder an, doch verstummte entgültig. Als Ray ihn irritiert musterte, starrte er mit erschöpftem, überfordertem Blick an die Decke. Schwitzend, blass, verletzlich.

Und in diesem Moment erkannte Ray, dass Kai keine Machtspielchen mit ihm spielte. Er hatte in diesem Punkt wohl zu voreilige Schlüsse gezogen, doch wer konnte es ihm verdenken? War es doch nur ein weiterer Beweis dafür, wie konfus er war und wie sehr ihn alles mitnahm. Er wusste einfach nicht mehr, was er denken sollte. Nicht einmal ansatzweise.

Nein, es waren keine Machtspielchen, keine, die Kai mit Absicht spielte. Es war etwas anderes. Etwas komplizierteres.

Kai wollte sich offensichtlich bei ihm entschuldigen, doch er schaffte es nicht. Und an diesem Punkt begriff Ray, dass Kai noch ein Kind war. Er mochte sich zwar in vielen Angelegenheiten erwachsener verhalten und auch in vielen Bereichen erwachsener sein, aber auf der emotionalen, auf der menschlichen Ebene, da war Kai noch ein Kind. Und er war noch am Lernen. Er musste den Umgang mit anderen Menschen, Beziehungen, Ausdruck seiner Gefühle alles erst beigebracht bekommen.

Vermutlich hatte dies wohl am meisten mit seinem merkwürdigem Verhalten der letzten Tage zu tun.

Und Ray erkannte, dass Kai ihn brauchte. Auf mehreren Ebenen.

Er seufzte, stand schließlich auf und holte Kai eine Kopfschmerztablette aus dem Badezimmer und ein Glas Wasser aus der Küche. Er half ihm, die Tablette zu schlucken und legte ihm das Tuch wieder angefeuchtet auf die Stirn. Kai beobachtete ihn währenddessen genau.

"Was ist los?", fragte Kai schließlich angespannt, woraufhin er nur einen gereizten Blick von Ray erhielt, der schnell von trotziger Verletztheit durchzogen wurde. "Du benimmst dich seltsam."

"Was mit mir los ist, fragst du?", lachte er bitter auf. "Und ich benehme mich seltsam?! Überleg mal, was du die letzten Tage alles getan hast und dann frag noch mal!"

Kai dachte darüber tatsächlich einige Momente nach, ehe er die Stirn runzelte.

"Ich weiß.", murmelte er dann. "Aber wenn du nicht willst, warum bist du dann noch hier?"

"Weil ich dir einen Gefallen schulde.", antwortete Ray mit schwacher Stimme. "Und weil ich nicht so wütend sein kann, dass ich dir Hilfe verweigere. Hab ich doch gesagt."

"Eben wolltest du aber nicht bleiben, weil du so wütend warst.", murrte Kai erschöpft.

"Aber ich wollte Max holen!", empörte sich Ray. "Ich hätte dir zwar nicht selbst geholfen, aber ich hätte dir jemanden geschickt, dem ich vertraue, wo ich weiß, dass er sich gut um dich kümmert, kapiert?!"

Er verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust und lehnte sich ein wenig zurück.

Schweigen.

"Ray?", krächzte Kai dann, ohne ihn anzusehen. "Warum kümmerst du dich um mich?"

"Hab ich doch gerade gesagt!", zischte Ray leise.

"Nein, im Ernst...", beharrte Kai mit dunkler, fast ungeduldiger Stimme. "Ich meine, der Gefallen, ich zwing dich ja zu nichts und na ja, du könntest Max theoretisch immer noch holen."

"Ich weiß...", knurrte Ray.

"Aber...", begann Kai, doch wurde sofort unterbrochen.

"Hör auf zu fragen, ja?!", zischte Ray dann gereizt. "Ich mein, was soll das? Warum fragst du mich ?! Warum denkst du, dass ich dir Antworten gebe, wenn du mir keine gibst?! Und ich würde sagen, dass ich wohl eher ein Recht darauf habe gewisse Dinge erklärt zu bekommen, findest du nicht auch?!"

Kai schwieg und starrte Ray mit ausdruckslosem Gesicht an.

"Warum wundert es mich nicht, dass du nichts darauf erwiderst...", sagte Ray bitter und mit brüchiger Stimme. Er hatte plötzlich einen riesigen Klos im Hals. Er schluckte, doch der Klos blieb. "Ich glaube, du hast echt keine Ahnung."

Kais Blick auf diese Anschuldigung war seltsam und noch immer nicht zu deuten. Dann runzelte er leicht die Stirn.

"Tu nicht so, als ob du nicht wüsstest, was ich meine!", rief Ray verletzt und merkte wie seine Augen anfingen zu brennen. Seine Stimme schwankte.

"I...i...ich meine, scheiße, Kai!", fuhr er fort, die ersten Tränen rannen seine Wangen hinab. "Mich hat in meinem ganzen Leben noch nie jemand so sehr verletzt wie du! Und das sogar ohne Grund! Oder kannst du mir einen nennen?!" Er schluchzte ungewollt einmal auf und wandte seinen Blick hastig ab, um sich mit dem Ärmel flüchtig über die Augen zu wischen. Als Kai noch immer nicht antwortete, fixierte er ihn unerbittlich mit einem enttäuschten, verletzten Blick.

"Weißt du eigentlich, wie sehr dein Verhalten weh getan hat?!", fragte er dann mit belegter, zittriger Stimme. "Weißt du das??!!"

Kai schwieg noch immer, doch sein Blick sagte eindeutig, dass er es wusste.

Ray ballte die Hände zu Fäusten, sein Körper zitterte vor Wut und Aufregung, dann sprang er auf und verließ den Raum, während er sich erneut flüchtig über die Augen wischte.

Er knallte die Tür.

Kraftlos ließ er sich an der Wand hinab sinken und vergrub sein Gesicht schließlich in seinen Händen. Er schluchzte, fühlte die Nässe seiner Tränen auf seinen Handflächen und scheiterte kläglich darin sich zu beruhigen. Er gab sich einige Minuten dem schmerzenden Gefühl in seinem Kopf und seiner Brust hin, ließ es zu die ganze Anspannung der letzten Tage hinauszulassen. Erst dann schaffte er es ganz langsam sich zu beruhigen. Ganz langsam.

Schließlich nahm er seine Hände vom Gesicht, wischte sie geistesabwesend an seiner Hose ab und atmete zittrig ein. Einen kurzen Moment lang weitete sich dieses Atemholen zu einem lautlosen Schluchzer aus, doch Ray wischte sich schnell die restlichen Tränen aus dem Gesicht und stand auf.

Vor Kais Zimmer lief er unruhig auf und ab. Er bekam die Tränen schließlich unter Kontrolle, er beruhigte sich und seine Gedanken klärten sich wieder ein wenig, waren nicht mehr so vernebelt wie vor wenigen Momenten. Ray konnte sich kaum noch erinnern, warum er wieder so überreagiert hatte.

Er ärgerte sich. Über Kai, über sich selbst, über die Welt. Er durchschaute sich selbst schon nicht mehr und erlag Stimmungsschwankungen, wie eine Frau! So konnte es nicht weitergehen! So konnte es wirklich nicht weitergehen...

Doch im Moment drehte er sich mit Kai im Kreis, denn Kai konnte ihm nicht erklären, was los war und sich auch nicht wirklich entschuldigen und Ray würde sich solange schlecht fühlen, verwirrt und wütend sein, bis Kai genau dies tat. Er musste einen Weg finden, diese Situation anders zu lösen. Doch wie konnte er alles wieder einrenken? Gab es da überhaupt eine Möglichkeit?

In der Tat, die gab es, doch sie passte Ray nicht. Ganz und gar nicht. Allerdings konnte es so wirklich nicht mehr weitergehen. Er war Ende seine Kräfte und fertig mit den Nerven, wusste nicht mehr, was er denken sollte und war sogar so weit, Kai gedanklich falsche Unterstellungen zu machen. Machtspielchen? Wie war er auf diese bescheuerte Idee gekommen?

Er wusste nicht wie er sich verhalten sollte, wie er sich fühlen sollte. Sollte er Mitleid haben? Noch immer wütend sein? Alles vergessen und so tun, als sei nichts geschehen, so wie Kai es tat? Ray wusste es nicht und hatte in den letzten Stunden so sehr hin- und hergeschwankt, dass ihm mittlerweile wirklich unmöglich war Antworten zu finden..

Er erkannte sich selbst kaum wieder und das musste er ändern. Der Klügere gab nach, also betrat er nach einigem Zögern Kais Zimmer wieder. Ohne etwas zu sagen oder Kai anzuschauen, setzte er sich wieder hin. Er fühlte sich unwohl und musste hart mit sich kämpfen seinen Stolz hinunterzuschlucken. Doch Kai kam ihm zuvor.

"Ray.", sagte er leise, seine Stimme war lang gezogen, fast bittend und reuevoll. "Ich... ich..."

"Sei still!", unterbrach Ray schließlich mit angespannter Stimme. "Lass mich zuerst." Er atmete tief ein uns sammelte seine Gedanken. "Kai, so kann es nicht weiter gehen. Wir sind ein Team und es geht einfach nicht, dass zwischen uns einfach etwas nicht stimmt. Und da du ja nicht in der Lage bist, dich zu entschuldigen..." Er klang vorwurfsvoll. Genau wie er es beabsichtigt hatte. Dann seufzte er. "... mach ich den ersten Schritt. Auch wenn ich es eigentlich gar nicht einsehe, weshalb."

Das alles war falsch. Es war völlig verkehrt, doch was sollte er machen?

Kai sah ihn verwundert und erwartungsvoll an, ehe sein Blick kurz von Reue durchzogen wurde, um dann starrsinnig wieder über sich an die Decke zu starren.

"Willst du denn, dass es wieder besser wird zwischen uns?", fragte Ray hoffnungsvoll nach und erhielt ein Nicken, unterstützt von einem festen Blick.

"Und dir tut es Leid?", fragte er vorsichtig weiter. "Die ganze Sache. Warum auch immer alles passiert ist?"

"Ja.", knurrte Kai, doch seufzte erleichtert.

"Dann...", murmelte Ray nachdenklich. "Dann will ich versuchen, dir zu vergeben. Ich vergesse nichts von dem, was geschehen ist und ich erwarte noch immer Erklärungen, doch ich werde versuchen damit klar zu kommen. Denn so wie es im Moment ist, geht es echt nicht weiter. Ich werd noch wahnsinnig." Zum Ende hin war Ray sehr leise geworden und fühlte sich immer unwohler. Er sagte dies alles weniger zu Kai, sondern mehr zu sich selbst, damit er wieder einen Anhaltspunkt hatte wie er sich zu fühlen hatte. Wenn er Kai sagte, dass er ihm vergab, musste er sich auch so verhalten. Er hatte nun wieder eine Richtung und irgendwie Klarheit.

Kai starrte ihn vorerst nur ungläubig an, blinzelte verwirrt und atmete dann tief ein.

"Danke.", murmelte er zerknirscht.

"Ich will nur, dass es wieder besser wird, zwischen uns.", erklärte Ray leise. "Aber ich sag es noch mal: glaub nicht, dass ich alles vergessen habe. Du hast versprochen, dass du es mir erklärst und ich verlass mich da drauf!"

Er schaute Kai intensiv an und dieser schaute ernst zurück.

"Okay.", sagte Kai und lächelte. Kurz und sanft. Ray fühlte sofort Erleichterung in sich aufsteigen und eine große Last von sich abfallen. Er musste sich jetzt nur noch Mühe geben, nicht mehr ganz so wütend zu sein. Schwierig, aber machbar, wenn Kai ihm half.

Die Stimmung zwischen ihnen entspannte sich langsam, aber zunehmend und es war ein wenig, als ob sie sich erst langsam wieder kennen lernen mussten. Sie redeten wenig, doch wenn, dann ohne gereizten Unterton, ohne bittere Verletztheit und ohne Stimmungsschwankungen. Ray ging es langsam wieder besser. Die Verwirrung verschwand plötzlich, genau wie die Wut und die Verletztheit. Sie waren noch da, kein Zweifel, und würden auch bleiben bis Ray Antworten erhielt, doch der Chinese konnte zumindest verdrängen, dass er so fühlte.

Er hatte beschlossen, Kai Zeit zu geben. Solange Kai sich so... anständig ihm gegenüber verhielt wie im Moment, war Ray endlich bereit zu warten. Es war gut, dass er den ersten Schritt gemacht hatte, vor allem für ihn selbst.
 

~oOo~
 

Als Ray erneut Fieber maß, stellte er allerdings besorgt fest, dass es gestiegen war. Es lag nun bei 39,7. Glücklicherweise kam, kurz nachdem die anderen die Hütte zum Trainieren verlassen hatten, der Arzt vorbei. Es war ein großgewachsener, schlaksiger Mann mittleren Alters mit leicht ergrautem Haar an den Schläfen und freundlichem, sympathischen Gesicht. Seine Stimme hatte stetig einen rauen, warmen Unterton und seine dunklen Augen, die hinter einer Fassungslosen Brille saßen, strahlten ehrliches Interesse aus. Ray mochte ihn auf Anhieb und vertraute ihm auch, was wichtig war. Er würde niemanden an Kai heran lassen, dem er nicht vertraute.

Während Dr. Himato den Russen untersuchte, durfte Ray dabei bleiben. Mit besorgtem Blick musterte er genau den Gesichtsausdruck des Arztes, wenn er Kai seine Fragen stellte und vor allem, als er ihn untersuchte. Ihm gefiel ganz und gar nicht, dass Dr. Himato die Stirn runzelte, als er Kais Herz abhorchte und noch weniger, seinen nachdenklichen, besorgten Blick, als Kai ihm davon erzählte, dass er umgekippt sei und sich danach stundenlang so schwach gefühlt hatte, dass er sich nicht hatte bewegen können. Während der ganzen Untersuchung musste Ray Kai öfter überreden zu antworten oder antwortete stattdessen. Natürlich nur, wenn er die Antwort kannte. Er fand auf der anderen Seite aber auch viel Dinge heraus, die er noch nicht gewusst hatte.

Dass Kai die letzten Wochen schlecht geschlafen hatte, dass er wenig gegessen und noch weniger getrunken hatte oder dass er neben den Kopfschmerzen seit Tagen auch von Halsschmerzen geplagt war. Auf die Frage nach 'psychischem Stress' antwortete er ebenfalls mit ja. Auf die darauffolgende Frage nach dem Grund, schwieg Kai, doch seine Augen zuckten kurz in Rays Richtung, ehe er sie mit verbissenem Blick wieder auf den Arzt richtete.

Schließlich, nach einer Viertel Stunde lehnte sich Dr. Himato mit nachdenklichem Nicken zurück und musterte Kai freundlich.

"Also.", begann er mit ruhiger Stimme. "Ihre Vermutungen, dass es sich um eine Grippe handelt, kann ich nicht bestätigen. Es ist augenscheinlich nur ein grippaler Infekt."

"Aber das Fieber...", sagte Ray zweifelnd und musterte Kai besorgt.

"Das ist nicht ungewöhnlich.", lächelte der Arzt aufmunternd. "Es ist so, dass sich ihr Freund körperlich wie seelisch in einem geschwächten Zustand befindet, was durchaus zur Verstärkung der Infektion beitragen kann. Machen Sie sich keine Sorgen. Geben Sie ihm viel zu Trinken, lassen Sie ihm viel Ruhe und lassen Sie ihn ausschwitzen. Dann wird er in ein paar Tagen wieder gesund sein. Ich werde Ihnen dennoch ein fiebersenkendes Mittel dalassen, nur für alle Fälle."

"Danke.", nickte Ray und lächelte dankbar, aber sehr schwach. Sein Blick glitt erneut über Kai, der es wortlos hinnahm, dass man über ihn redete, obwohl er im Raum war.

"Und was ist mit den Kopfschmerzen?", wandte er sich dann wieder an den Arzt.

"Das ist recht einfach zu erklären.", begann der Dr. Himato in einem sachlichen, aber komfortablem Ton. "Erstens ist da der Flüssigkeitsentzug, was die häufigste Ursache für Kopfschmerzen in der heutigen Zeit ist und zweitens wäre da noch die Krankheit an sich. Kopfschmerzen in Verbindung mit einem grippalen Effekt, vor allem in den Inkubationszeit sind keine Seltenheit. Und drittens wäre da noch der Schlafmangel und der Stress.", erklärte er formgewandt. "Ich hab vorhin seine Nackenmuskulatur abgetastet und eindeutig Verspannungen festgestellt, was zu sogenannten 'Spannungskopfschmerzen' führt. Auch keine Seltenheit in der heutigen Zeit." Er wandte sich an Kai. "So wie es aussieht haben Sie eine Mischung aus herkömmlichen Kopfschmerz und Spannungskopfschmerzen, was nichts Schlimmes ist. Sie sollten aber mehr trinken und sich völlig auskurieren. Den Stress sollten Sie auch reduzieren."

Kai verspannte nur sein Gesicht und nickte leicht. Er hasste Ärzte, das war ihm deutlich anzusehen.

"Noch eine Frage.", sagte Ray dann leise und schaute D. Himato mit besorgten Augen an. "Diese Sache... Dass Kai umgekippt ist, was hat das zu bedeuten?"

Dr. Himato schwieg einen kurzen Moment und nahm dann seine Brille ab.

"Ehrlich gesagt kann ich das nicht genau sagen.", meinte er schließlich, seine Augen nachdenklich verschleiert. "Die Ursachen für eine Ohnmacht sind vielfältig und ich müsste einige Untersuchungen durchführen, die mir hier nicht möglich sind."

"Haben Sie denn eine Vermutung?", krächzte Kai ernst.

"In der Tat, die habe ich.", antwortete der Arzt. "Es ist allerdings wirklich nur eine Vermutung, noch dazu eine, die vom bestmöglichsten Fall ausgeht. Es ist ja so, dass ihr Körper sich in einem stark dehydrierten Zustand befand und wegen des Schlafmangels und des Stresses geschwächt war, zumindest kann ich darauf aus Ihren Angaben schließen. Nun ist es so, dass eine Ohnmacht durchaus durch Flüssigkeitsmangel ausgelöst werden kann. Auch Stress und die anbahnende Krankheit könnten Einfluss genommen haben. Allerdings hat ihre Ohnmacht wohl nichts mit ihrer Krankheit an sich zu tun. Das wäre recht ungewöhnlich."

"Was wäre der schlechteste Fall?", fragte Kai und Ray erhaschte kurz ein leichtes Aufflackern von Unsicherheit in seinem Blick.

"Die schlimmsten Ursachen, die Ohnmachtsanfälle auslösen können sind auch sehr vielfältig.", erklärte der Arzt sachlich. "Wissen Sie, Ohnmacht an sich ist immer ein Anzeichen des Körpers, dass etwas nicht stimmt. Eine Warnung. Was auch der Grund ist, warum ich Ihnen raten würde, dass Sie, wenn Sie wieder gesund sind, sofort ein Krankenhaus aufsuchen und sich gründlich durchchecken lassen sollten." Er machte kurz eine nachdenkliche Pause. "Die schlimmsten Ursachen könnten, und das möchte ich noch einmal betonen, könnten unter anderem ein Tumor im Hirnbereich, Probleme des Herz-Kreislauf-Systems oder aber auch Herzprobleme sein."

"Herzprobleme?", fragte Ray mit dünner Stimme nach. "Tumor?"

"Ja, das ist zumindest möglich.", bestätigte der Arzt. "Deshalb ist es auch so wichtig, dass ihr Freund sich untersuchen lässt."

"Halten Sie das mit dem Herz für möglich bei ihm?", fragte Ray ahnungsvoll nach. Er dachte an den Gesichtsausdruck des Arztes, als er Kais Herz abgehört hatte.

Dr. Himato schickte Kai einen fragenden Blick, doch dieser nickte nachdenklich.

"In der Tat.", antwortete der Arzt schließlich und setzte seine Brille wieder auf. "Ich habe vorhin eine leichte Abnormalität im Herzrhythmus entdeckt. Ich möchte Ihnen keine Angst machen, denn solche Herzrhythmusstörungen können unter Umständen auch durch den grippalen Infekt ausgelöst worden sein. Dennoch sollten Sie sich darauf nicht verlassen. Sicherheit können Sie aber erst dann erreichen, wenn Sie sich untersuchen lassen."

"Okay.", antwortet Kai ernst. "Und was sagen Sie dazu, dass ich mich nicht bewegen konnte?"

"Das kann ich mir nun gar nicht erklären.", gab der Arzt mit besorgtem Blick zu. "Ehrlich gesagt habe ich von so etwas noch nie etwas gehört. Deshalb kann ich leider auch nicht sagen, ob es etwas Schlimmes zu befürchten lässt oder ob es eine ungewöhnliche Nachwirkung des Ohnmachtzustandes war, der aber recht harmlos ist. Wie gesagt, bei Ohnmachtsanfällen gibt es viele Ursachen und es sind noch längst nicht alle geklärt. Man forscht immer noch."

Kai nickte nur verstehend, doch Ray betrachtete ihn besorgt und schickte dem Arzt dann einen ängstlichen Blick. Dr. Himato hatte seine Aufmerksamkeit allerdings immer noch auf Kai gerichtet.

"Machen Sie sich darüber aber noch keine Sorgen.", lächelte er aufmunternd. "Wissen Sie diese ernsthaften Krankheiten sind nur zu befürchten, wenn Sie häufiger Ohnmachtsanfälle haben und da dies erst ihr Zweiter, und das in einem sehr langen Zeitraum, war, kann ich Sie, denke ich, beruhigen." Er machte erneut eine nachdenkliche Pause. "Allerdings: Die könnte auch der erste von vielen sein, wenn Sie verstehen, was ich meine. Also, lassen Sie sich untersuchen! Vorher aber kurieren Sie sich erst einmal vollkommen aus und lassen Sie diese... 'Ausflüge', die Sie die letzten Wochen nachts unternehmen. Vor allem hier oben in diesem Gebiet. Es ist erstens für ihren momentanen Gesundheitszustand verantwortlich und zweitens ist es sehr gefährlich. Denken Sie daran, was passiert wäre, wenn Sie, als Sie ohnmächtig geworden sind, nicht hier in der Hütte gewesen wären, sondern draußen." Er schickte Kai einen mahnenden Blick, doch dieser schwieg.

Ray allerdings war bei diesen Worten ganz flau im Magen geworden und er war sich sicher, dass er in diesem Moment völlig blass war.

Wenn Kai draußen bewusstlos geworden wäre...

Ray hätte ihn vor zwei Uhr nicht gesucht...

Da hätte er schon seit vier Stunden im Schnee gelegen...

Nackte Angst schoss durch seinen Körper und er krallte sich mit den Händen in den Stuhl, auf dem er saß. Er atmete mehrmals tief ein, um sich zu beruhigen, doch scheiterte kläglich. Dr. Himato verabschiedet sich gerade von Kai und bat Ray mit ihm zu kommen. Ray war zwar noch leicht panisch, wollte bei Kai bleiben und in seinem Bauch hatte sich ein Gefühl der Übelkeit abgelagert, doch er folgte mit zittrigen Knien und angstbringenden Gedanken im Kopf.

Dr. Himato redete aufbauend mit ihm und seine warme, ruhige Art beruhigte Ray auch wieder langsam, doch er machte sich noch immer schreckliche Sorgen. Das ganze Chaos, was die letzten Stunden, in seinem Kopf geherrscht hatte, hatte ihn davon abgehalten, sich über so etwas wirklich Gedanken zu machen und er hätte auch nie wirklich gedacht, dass Kai etwas Schlimmes haben könnte. Er hatte es ein paar mal befürchtet, doch es immer damit abgetan, dass er bestimmt übertreibe. Doch jetzt hatte selbst ein Arzt schlimme Krankheiten in Erwägung gezogen. Ray bekam ein schlechtes Gewissen.

Er redete noch lange mit dem Arzt, fragte ihn wie er sich am Besten um Kai kümmern konnte und über seinen jetzigen Krankheitszustand, doch erfuhr darüber nicht mehr, als er vor wenigen Minuten erfahren hatte.

Nachdem Dr. Himato sich verabschiedet hatte, kehrte Ray langsam in Kais Zimmer zurück. Als er die Tür öffnete und Kai lange musterte, kamen ihm alle Worte des Arztes wieder in den Sinn und die Angst schnürte ihm die Luft ab.

Herzprobleme?
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

noch ein kapitel...

und ich will mich entschuldigen: es ist totaler mist -_-

ich weiß auch nicht, nichts ist so wie ich es haben will... kai ist ein weichei und ray kann sich nciht entscheiden... ncihts ist so wie ich es mir vorgestellt habe...

deshalb hat das kapitel auch solange gedauert, weil ich es tausendmal bearbeitet habe und jetzt weiß ich einfach nciht mehr, was ich verändern kann, deshalb lass ich es jetzt so...
 

irgendwie hab ich aber das gefühl, dass diese schreibblockkade am stress liegt. ich hab das gefühl, dass ich mit dem ganzen lernen bis zum abi nicht fertig werde und das blockiert mich irgendwie.
 

ich verspreche, dass das nächste kapitel besser wird! wirklich... da passiert dann auch mal wieder etwas und die story kommt wieder en bissl vorwärts ^^°

ich freu mich auf das nächste kapitel schon seit ich die story begonnen habe, also lasst euch überraschen ^^
 

so, ich verkriech mich jetzt wieder in meine mathebücher und hoffe, dass das kapitel in wirklichkeit nicht so schlimm ist wie ich es sehe...
 

bis demnächst

astin

Lektion IX: Was man nicht erwartet...

Die folgenden Tage kümmerte sich Ray weiterhin um Kai. Er machte ihm Essen, sorgte dafür, dass er genug trank und beobachtete erleichtert, dass das Fieber allmählich zurückging. Von Tag zu Tag beschwerte Kai sich aber immer mehr, dass er es leid sei nur im Bett zu liegen und gar nichts zu tun. Er wollte nach draußen, trainieren, Sport machen. Ray musste alle Überredungskünste und zuweilen auch Drohungen benutzen, die er kannte, um Kai davon abzuhalten, einfach aus der Hütte zu stürmen. Ansonsten war der Russe ein recht erträglicher Patient. Er war weder übertrieben wehleidig, noch war er zu stur sich helfen zu lassen. Er war wieder normal und sogar mehr als das.

Ray hatte wirklich das Gefühl, dass Kai sich bemühte und versuchte ihm zu zeigen, dass es ihm Leid tat. Auch wenn er es nicht schaffte, sich zu entschuldigen oder etwas zu erklären war Ray dankbar dafür, das Kai nichts vergessen hatte und auch nicht mehr so tat, als wäre nie etwas passiert. Er veränderte sich langsam in diesen wenigen Tagen und Ray fing an, es sogar zu genießen, sich um ihn zu kümmern. Er war gerne bei Kai. Ihr Verhältnis war wieder besser, eindeutig. Das Kribbeln war wieder da. Und die Nervosität.

Vor allem aber wieder Vertrauen.

Dadurch begann Ray Kai wirklich zu verzeihen. Er hatte es an diesem speziellem Tag zwar gesagt gehabt, dass er Kai verzieh und auch gemeint, aber es war anfangs von seiner Seite aus schon fast gezwungen gewesen. Nicht richtig, aber ein bisschen. Nur dadurch, dass Kai sich richtig um ihn zu bemühen schien, starb die Enttäuschung, die Wut und die Verletztheit, die seit so vielen Tagen in seiner Brust saßen und nur dadurch verzieh er Kai. Und nur dadurch vertraute er ihm wieder. Er vertraute Kai, dass er sein Versprechen hielt und ihm alles erklären würde, er vertraute darauf, dass er sich ab sofort wieder mehr als ein Freund verhielt, anstatt eines rücksichtslosen Teamcaptains und er vertraute darauf, dass es ihm wirklich Leid tat. Ray hoffte zwar immer noch, dass Kai irgendwann den Mut finden würde, um sich richtig bei ihm zu entschuldigen, denn der Chinese würde die Worte gerne aus seinem Mund hören, aber er beschloss gleichzeitig auch, dass er zufrieden sein konnte mit dem, was er hatte. Damit, dass er zumindest wusste, dass es ihm Leid tat.

Ray musste sich immer wieder sagen, dass es immerhin Kai war und er wusste, dass er von ihm nicht zuviel erwarten sollte und konnte. Er war noch ein Kind. Und er war noch am Lernen.

Doch Kai schien schnell zu lernen. Das Wörtchen 'Danke' kam öfter über seine Lippen, als in den ganzen Jahren, in denen Ray ihn kannte zusammen. Und immer in den richtigen Momenten, zuweilen sogar dann, wenn Ray es gar nicht erwartete.

Eines Morgens zum Beispiel, als Ray früh wach wurde, leise in Kais Zimmer schlich und sich an sein Bett setzte, um ihn still zu beobachten - als er stundenlang seinen Atemzügen lauschte und sein entspanntes Gesicht musterte bis der Russe seine Augen öffnete und ihn mit verschlafenen Augen und verwirrtem Blick einige Sekunden betrachtete. An diesem Morgen war Kais erstes Wort einfach nur "Danke."

Ray blinzelte irritiert und lächelte verlegen.

"Wofür?", fragte er, doch erhielt als Antwort nur ein wissenden Blick und ein sanftes Lächeln.

Solche Momente hatte Ray in diesen Tagen öfter mit Kai. Entweder suchten sich ihre Blicke von ganz alleine, was meistens von Ray mit einem nervösen Lächeln quittiert wurde, oder ihre Hände berührten sich, wenn Ray Kai eine Tasse Tee reichte oder Ray blieb einfach an Kais Bett sitzen und beobachtete ihn beim Schlafen während die anderen unten in der Hütte Karten spielten und lachten.

Und all diese Momente hatten eines gemeinsam: Ray vergaß alles andere, alles Schlechte, alle quälenden Erinnerungen, alle Probleme, einfach alles. In diesen Momenten zählte für ihn nur Kai und die tiefe innere Ruhe, die zwar ab und zu durch kribbelnde Aufregung durchzogen war, doch so einnehmend und fast schon betörend war, dass Ray seit langem einfach glücklich war. Die Ironie, dass er dies empfand und sich mit Kai fast wieder völlig ausgesöhnt hatte, weil sich so etwas Schlimmes wie eine Krankheit eingemischt hatte, war greifbar und bittersüß.

Nach wenigen Tagen war Kai fast schon wieder völlig gesund, nicht mehr so fürchterlich blass und ganz und gar nicht mehr geschwächt, was man vor allem an seinen lauten Protesten erkennen konnte, wo er darauf bestand so gesund zu sein wie noch nie, nur um kurz darauf von einem leichten Hustenanfall unterbrochen zu werden. Ray allerdings ordnete ihm strikte Bettruhe an und kannte in dieser Hinsicht auch keine Gnade. Vermutlich ließ er ihn auch zwei bis drei Tage zu lang im Bett liegen, doch das hatte den einfachen Grund, dass Ray sich Sorgen machte. Wenn Kai wirklich etwas am Herzen haben sollte, dann durfte er sich auf keinen Fall überanstrengen und Ray wollte in diesem Punkt völlig sicher sein.

Er überlegte sich auch während all den Tagen, in denen er Kai pflegte wie er ihn überreden konnte ins Krankenhaus zu gehen, denn auf ein vorsichtiges Nachfragen hin hatte Kai abgewinkt und Ray klar gemacht, dass er einen Krankenhausbesuch nicht nötig hatte.

Ray war da anderer Meinung und er hatte auch schon eine Idee.

Allerdings sollte er sie vorerst nicht mehr verwirklichen können, denn etwas anderes kam dazwischen und stellte Rays Welt mal wieder auf den Kopf.
 

~oOo~
 

Es passierte am Abend des zweiten Tages als Ray Kai wieder erlaubt hatte aufzustehen und aufgehört hatte sich überfürsorglich um ihn zu kümmern. Ray saß gerade mit Max, Tyson und Kenny im Wohnzimmer vor dem prasselnden Kamin, mit einer Tasse Tee in den Händen und, zur Erleichterung aller, mit glänzenden Augen und einem Lächeln auf dem Gesicht. Sie redeten über alles mögliche und holten die letzten Tage nach, in denen sie sich kaum gesehen hatten, weil Ray nicht von Kais Seite gewichen war.

Ihr Gespräch wurde dann aber durch Schritte auf der Treppe unterbrochen. Rays Hoffnungen, dass Kai sich möglicherweise zu ihnen setzen wollte, wurden jäh zerstört als dieser die letzte Stufe betrat und in Rays Sichtfeld trat. Er trug schwere Schneestiefel, eine schwarze Mütze, seinen weißen Schal und eine dicke schwarze Jacke. In der Hand trug er Handschuhe und Ray wusste sofort, was er vorhatte.

"Kai?", fragte er skeptisch während er die Tasse neben sich stellte und langsam aufstand. "Wo willst du hin?"

Kai hielt in der Bewegung inne und der Blick, den er Ray zuwarf sagte eindeutig, dass er sich ertappt fühlte. Doch dann straffte er seine Schultern, verhärtete seine Miene und setzte seinen Weg Richtung Tür fort.

"Raus würd ich sagen.", antwortete er und griff nach der Türklinke.

Ray riss alarmiert die Augen auf, doch dann verdunkelte sich sein Blick und er hastete mit wenigen schnellen Schritten zur Tür, wo er Kais Handgelenk griff und es von der Klinke zurückzog.

"Das ist nicht dein Ernst!", sagte er ungläubig und starrte ihn, wütend über dessen Sorglosigkeit, mit gesenkten Augenbrauen an.

Kai blickte ruhig zurück und zuckte mit den Schultern.

"Doch.", antwortete er.

Ray machte zwei Schritte nach rechts und drängte sich zwischen Kai und die Tür, an welche er sich mit dem Rücken lehnte und seine Handflächen flach gegen stemmte, als ob er verhindern wollte, dass sie sich von alleine öffnete. Dann funkelte er Kai mit mahnenden, aber immer noch ungläubigen Blick an.

"Das wirst du nicht!", drohte er, doch Kai reagierte darauf nur mit einem kritischen Senken seiner Augenbrauen.

"Ray!", sagte er dann mit warnender, tiefer Stimme. "Ich glaube, ich bin alt genug, um das allein zu entscheiden. Jetzt lass mich vorbei!"

Mit diesen Worten versuchte er an Ray vorbei an die Türklinke zu greifen, doch verharrte mitten in der Bewegung als der Chinese anfing zu sprechen.

"Wenn du jetzt da raus gehst, mach ich heute Nacht kein Auge mehr zu.", flüsterte er gepresst. Er sah wie Kai langsam seine Hand zurückzog und ihn dann mit überraschtem Blick und verwundert gerunzelter Stirn anschaute.

"Was?", murmelte er schließlich.

"Kai.", sagte Ray etwas lauter und in einem bittendem Ton, doch senkte dann den Blick und fuhr leise fort. "Du weißt, was der Arzt gesagt hat. Dein Ohnmachtsanfall könnte der Erste von vielen gewesen sein und..."

"Könnte.", unterbrach Kai ihn. "Muss aber nicht, außerdem geht's mir gut."

Rays Blick flog nach oben und er schaute seinen Teamchef zweifelnd an.

"Klar.", sagte er bissig. "Nur weißt du: Darauf kann man sich bei dir nicht verlassen. Als ob du zugeben würdest, wenn er dir schlecht geht!" Er verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.

"Du gehst nicht da raus!", beschloss Ray dann.

"Und du hast mir nichts zu befehlen!", widersprach Kai sofort, doch sein Blick war unsicher, fast gebrochen. Dann versuchte er sich an Ray vorbei zu drängeln, doch dieser packte ihn entschlossen am linken Jackenärmel in Höhe seines Oberarmes.

"Kai, bitte.", sagte er leise, doch ohne ihn anzusehen. Er knabberte sich bekümmert auf der Unterlippe. "Geh nicht! Was ist, wenn du wirklich da draußen einen Schwächeanfall bekommst? Was ist wenn du da draußen umkippst?! Wer weiß, wann wir dich finden, oder ob wir dich überhaupt finden? Wann weiß ich überhaupt, dass ich raus muss, um sich zu suchen? Woher soll ich wissen, dass es dir gut geht während ich hier in der warmen Hütte sitze und du draußen im Schnee rumwanderst?"

"Ray.", seufzte Kai fast ein bisschen genervt, doch ehe er etwas hinzufügen konnte, schickte Ray ihm einen flehenden Blick, welcher den Russen offensichtlich zum Schweigen brachte.

"Bitte!", flehte er dann. "Es ist gefährlich, das hat Dr. Himato doch auch gesagt! Ich hatte solche Angst als ich dich in deinem Zimmer gefunden habe, aber ich hab nie daran gedacht, dass du auch draußen hättest liegen können! Der Gedanke macht mir noch viel mehr Angst... Kannst du... kannst du nicht das, was du auch immer da draußen machst, nicht auch hier drin machen?" Seine Hand verkrampfte sich in Kais Jackenärmel. "Bitte?"

Kais Gesicht verspannte sich. Ray konnte genau sehen wie seine Kiefermuskulatur sich bewegte als er mit den Zähnen knirschte und wie seine Augenbrauen sich senkten, seine Augen sich zu Schlitzen zusammenzogen, das Rotbraun seiner Iris sich verdunkelte. Er öffnete den Mund, hob seine Hände in einer Geste als ob er widersprechen wollte, doch dann verkrampfte sich seine rechte Hand um die Handschuhe herum zu einer Faust und er ließ beide Arme wieder hinab fallen. Sein Brustkorb hob sich in einem großen langen Atemzug, der sich zu einem resignierten Seufzer entwickelte, ehe Kai den Kopf von Ray abwandte.

"Okay.", murmelte er ergeben und rollte genervt mit den Augen. "Okay!"

Ray seufzte und lächelte erleichtert.

"Danke.", sagte er. "Damit tust du dir selbst wohl den größten Gefallen."

Kai richtete seinen Blick langsam wieder auf den Chinesen, musterte ihn von der Seite.

"Ist das so?", fragte er abschätzend und mit einem seltsamen Unterton in der Stimme.

"Also... ich... na ja.", stammelte Ray und verkrampfte seine Hand noch weiter in Kais Jackenärmel, doch bekam es kaum mit. Er wurde rot und ärgerte sich darüber. "Ich meine... ich..." Er seufzte tief, starrte an Kai vorbei und ordnete seine Gedanken schnell.

"Du hast Recht.", gab er dann zu. "Du tust mir auch einen Gefallen... Ich brauch mir keine Sorgen machen, wenn du hier bist und..." Seine andere Hand klammerte sich in seinen Pullover. "... ich brauch keine Angst zu haben, dich... ähm... zu verlieren."

Die letzten Worte waren nur noch ein Flüstern und Ray senkte verlegen den Blick. Kai schwieg. Als der Chinese daraufhin den Blick wieder hob, starrte Kai ihn mit leicht geöffnetem Mund und gerunzelter Stirn an. Er sah vollkommen überrumpelt aus.

"Jetzt tu nicht so, als ob dir das nicht klar war!", murmelte Ray und wanderte mit den Augen unschlüssig und verlegen von einem Punkt zum anderen. An seiner eigenen krampfhaft in Kais Ärmel gekrallten Hand blieb er hängen. Er blinzelte zweimal ehe er die Situation erfasste und zog sie hastig zurück.

Kai räusperte sich hörbar und streifte langsam seine Mütze vom Kopf ehe er sich mit nachdenklicher Miene durch die leicht zerzausten Haare fuhr.

"Ich geh dann mal hoch.", murmelte er mit angespannter, undurchschaubarer Stimme.

"Und du bleibst auch hier?", fragte Ray vorsichtig nach. "Du haust nicht ab, wenn ich die Tür mal nicht im Auge habe?"

"Nein.", seufzte Kai mit nachdrücklichem Unterton. "Ich geh hoch!"

Plötzlich schien er es eilig zu haben von Ray weg zu kommen. Mit einem letzten, merkwürdigerweise unsicheren Blick, verschwand er, doch Ray störte diese Tatsache wenig, denn er war einfach froh, dass Kai blieb und dass er sich keine Sorgen machen musste.

Als sein Blick durch den Raum glitt, musste er allerdings hart schlucken und bemerkte wie er rot wurde, denn Kenny, Tyson und Max musterten ihn neugierig, aber irritiert. Die hatte er ganz vergessen.

"Was ist?", fragte er und versuchte gelassen zu klingen. Ihm war es peinlich, dass die Anderen ihr eigentlich privates Gespräch mitbekommen hatten.

"Das wüsste ich auch gern.", antwortete Tyson und nickte, sich selbst bestätigend. "Ich mein, was war das denn?"

"Ich weiß nicht, was du meinst...", murmelte Ray.

"Naja...", meinte Tyson im großspurigen Ton. "Du hast grad unserem Teamcaptain widersprochen und überredet! Das passiert nicht alle Tage. War übrigens eine echt rührselige Szene, wobei ich sagen muss, dass du dich wie eine Glucke angehört hast."

Glucke?!

...

Ray spürte wie seine Ohren heiß wurden.
 

~oOo~
 

Später am Abend, nachdem er noch etliche Fragen und spöttelnde Bemerkungen über sich hatte ergehen lassen müssen, wanderten seine Gedanken immer wieder zu Kai und seine Augen immer wieder zum Treppenansatz. Er fragte sich ständig, was Kai jetzt oben in seinem Zimmer machte, was er draußen vorgehabt hatte, und ob es ihm was ausmachen würde, wenn Ray ihn mal kurz besuchte.

Würde er ihm womöglich endlich antworten, wenn er ihn noch einmal auf diese nächtlichen 'Ausflüge' ansprechen würde?

Vielleicht weil er ein schlechtes Gewissen hatte, Ray sein Verhalten nicht erklärt zu haben?

Oder würde er ihn wieder abweisen?

Es gab nur eine Möglichkeit dies herauszufinden, doch Ray zögerte noch damit zu ihm hoch zu gehen und einfach nachzufragen. Stattdessen grübelte er still.

Nachdem Max ihn aber innerhalb von fünf Minuten dreimal mit der Hand vor dem Gesicht hatte wedeln müssen, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, beschloss Ray seinem inneren Gefühl, ja, eigentlich schon Verlangen nachzugeben. Er entschuldigte sich kurz und stand auf.

"Ich will nur mal schauen, ob Kai noch lebt.", scherzte er halbherzig. "Man hört ja gar nichts mehr von dem."

Als er den rechten Fuß auf die erste Treppenstufe setzte, konnte er hinter sich noch ein sarkastisches "Ja, klar!" hören, doch ließ sich nicht beirren und stieg schnell die Stufen hinauf. Vor Kais Zimmertür blieb er kurz stehen und lauschte, doch von Innen drang kein Geräusch zu ihm. Kurz kamen die Erinnerungen an den Tag zurück, wo er Kai bewusstlos gefunden hatte, doch er verdrängte dies schnell und versuchte das aufkommende flaue Gefühl im Magen zu ignorieren. Er klopfte.

Stille.

Ray musste hart schlucken und machte den Mund auf, um nach Kai zu rufen, als dessen Stimme dumpf zu ihm drang.

"Komm rein!"

Vorsichtig öffnete Ray die Tür und trat ein. Kai stand mit verschränkten Armen vor dem großen Fenster schräg rechts gegenüber der Tür und starrte nach draußen. Ray konnte sehen, dass er ihn durch die Spiegelung der Scheibe beobachtete.

"Was willst du?", fragte Kai während der Chinese die Tür schloss.

"Was fragen.", antwortete Ray nervös, doch versuchte gelassen zu klingen.

"Das wäre?"

Ray schob seine Hände in die Hosentasche und zögerte vorerst, doch dann seufzte er.

"Warum wolltest du eben wieder raus?", fragte er schließlich.

"Weil ich seit Tagen nicht mehr draußen war.", antwortete Kai tonlos und ohne sich umzudrehen.

"Kai, ich weiß, dass da mehr hinter steckt.", antwortete Ray eindringlich. "Ich mein, wir gehen morgen ja raus, wenn wir trainieren, oder nicht?"

Kai zögerte mit seiner Antwort und Ray konnte in der Spiegelung der Scheibe sehen, dass er sein Gesicht verspannte.

"Das ist etwas anderes.", beantwortete Ray seine Frage selbst. "Hab ich recht?"

"In der Tat.", brummte Kai.

"Aber warum?", fragte Ray weiter. "Was machst du denn da draußen?"

"Bist du nur gekommen, um mich das zu fragen?", stellte Kai zischend die Gegenfrage. Er klang fast enttäuscht.

"Ich mach mir halt Sorgen.", murmelte Ray gekränkt. "Also, sagst du mir jetzt, was los ist?"

Kai schwieg lange und Ray konnte in der Spiegelung sehen, dass seine Augen geistesabwesend vor sich hin starrten, ohne etwas zu sehen. Sein Mund war zu einem dünnen Strich verzogen.

"Ich hab dir schon mehrmals gesagt, dass es dich nichts angeht.", sagte er schließlich ernst, woraufhin Ray ein wenig genervt seufzte.

"Kai.", sagte er dann langgezogen und kritisch. "Jetzt mach da drauß nicht so ein Geheimnis! Sag mir, was los ist."

Schweigen.

"Kai.", versuchte Ray es weiter. "Komm schon. Ich verstehe nicht, warum du mir nichts erzählst. Deine Geheimnistuerei macht einem richtig Angst."

"Es ist nichts Wichtiges!", antwortete Kai.

"Dann kannst du es mir auch sagen!", beharrte Ray weiter. "Dann wär ich wenigstens beruhigt."

"Nein!"

"Komm schon!"

"Nein!"

Ray seufzte und ließ sich hinter sich gegen die Tür fallen, die Hände noch immer den Hosentaschen.

"Ist es irgendwas Schlimmes?", fragte er dann weiter.

"Nein, Ray!", antwortete Kai mit gereiztem Unterton. "Lass gut sein, ja?"

"Hat es was mit mir zu tun?"

"Nein!", entgegnete Kai wieder, doch Ray bemerkte das kurze Zögern dieser Antwort nicht. "Wie kommst du auf so einen Schwachsinn?! Hör gefälligst auf!"

"Aber irgendwas beschäftigt dich doch.", murmelte Ray und beobachtete genau Kais Spiegelbild. "Irgendwas stimmt doch nicht mit dir."

"Allerdings.", murrte Kai sehr leise und kniff seine Augenbrauen zusammen.

"Was?", fragte Ray reflexartig nach, woraufhin Kai ihm einen überraschten, fragenden Blick über die Schulter hinweg zuwarf. Er hatte offensichtlich nicht gedacht, dass Ray ihn gehört hatte.

"Nichts.", sagte er dann irritiert.

Da war sie also: Die Bestätigung, dass Kai ein Problem hatte, doch er war mal wieder zu stur es zuzugeben, darüber zu reden und um Hilfe zu bitten. Oder er wollte Ray einfach nicht damit belasten. Doch gerade deshalb vermutete der Chinese, dass es umso ernster war. Er beschloss Kai zu helfen, ob dieser wollte oder nicht. Das Problem dabei war nur, dass er vorher wissen musste, was los war und er war entschlossen, genau das herauszufinden.

Ray nutzte den Blickkontakt aus, um Kai bittend anzusehen.

"Was machst du, wenn du raus gehst?", fragte er noch einmal.

"Du gibst auch nicht auf, oder?", knurrte Kai, doch mit dem Hauch eines Lächelns auf dem Gesicht. Ray lächelte leicht zurück.

"Nein.", antwortete er. "Also? Sagst du es mir?"

Kai seufzte, drehte sich um und lehnte sich gegen das Fensterbrett. Er musterte Ray lange und intensiv bevor er antwortete.

"Ich denke nach."

"Was?", quiekte Ray verwirrt und runzelte die Stirn.

Kai schwieg, doch sein Blick war ernst.

"Mehr nicht?", fragte Ray ein wenig genervt nach. "Und deswegen machst du so ein Theater?!"

"Ich mach kein Theater.", widersprach Kai ruhig.

"Hä?"

"Du bist derjenige, der Theater macht.", erklärte er mit ausdrucksloser Miene.

"Na, das ist ja echt nett!", brummte Ray und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. "Ich mach mir Sorgen und dann kommt wieder so was!"

"Du machst dir wegen jedem Scheiß Sorgen!", konterte Kai. "Das nervt ein bisschen, findest du nicht?"

"Oh, tut mir Leid!", rief Ray, zog seine Hände aus den Taschen und schmiss sie in theatralischer Geste in die Luft. "Tschuldigung! Hab ganz vergessen, dass es natürlich übertrieben ist, wenn man sich Sorgen macht, wenn jemand krank ist oder ein Problem zu haben scheint oder nachts in der Weltgeschichte rumstapft!"

Ehe Kai etwas erwidern konnte, fuhr Ray aber weiter fort.

"Aber ich hab dich durchschaut: Falls deine Provokationen mich ablenken sollen, dann muss ich dich leider enttäuschen!", zischte er gereizt. "Ich will endlich wissen, was los ist! Ich hab schon auf Erklärungen verzichtet, warum du mich wie Dreck behandelt hast, aber das hier will ich jetzt wissen!"

Kai Mund verzog sich zu einem dünnen, blassen Strich, seine Hände krallten sich in das Fensterbrett. Seine Augen waren dunkel, doch huschten nervös, fast wild hin und her, sodass er wie ein in die Ecke gedrängtes Tier wirkte. Schutzlos, ohne Fluchtmöglichkeit. Gefangen.

"Das ist nicht so einfach, Ray!", fauchte er schließlich und stieß sich vom Fensterbrett ab. Seine Hände ballte er zu Fäusten, seine Arme zitterten vor Anspannung.

"Das ist wohl deine Ausrede für alles, oder?!", keifte Ray zurück. "Es ist ja so kompliziert! Und ich bin zu doof, um es zu verstehen, oder wie?!"

"Das hab ich nie gesagt!", grollte Kai.

"Aber du verhältst dich mal wieder so!", widersprach Ray und konnte den verletzten Unterton in seiner Stimme mal wieder nicht verhindern. "Oder vertraust du mir nicht?! Ist es das?!"

"Nein!", protestierte Kai genervt. "Das ist es nicht!"

"Also!", zischte Ray triumphierend. "Was spricht dann dagegen, mir wenigstens einmal etwas Wichtiges anzuvertrauen?!"

"Ich hab doch gesagt, dass es nicht wichtig ist!", widersprach Kai genervt und mittlerweile deutlich gereizter.

"Lügner!", keifte Ray sofort. "Du würdest nicht sooft und so lange draußen sein, und vor allem deine Gesundheit gefährden, wenn es nichts Wichtiges wäre, was dich wirklich beschäftigt! Also sag mir gefälligst, was das ist!"

Kais Körper zitterte vor Anspannung und Wut, doch seine Augen flackerten unsicher.

"Du willst es also wirklich wissen?!", keifte er.

"Ja!"

Der Russe öffnete den Mund, doch schien es sich dann plötzlich anders zu überlegen und wandte sich mit angespannter Miene ab.

"Vergiss es!", antwortete er.

"Aber, Kai, ich...", begann Ray in drohendem Ton, doch wurde sofort unterbrochen.

"Lass mich in Ruhe!", zischte Kai und sah mehr denn je wie ein gehetztes Tier aus.

"Nein!", widersprach Ray unbeirrt, aber wütend. "Sag mir, was los ist!"

"Gut, du willst es also wirklich wissen?!", brüllte Kai so plötzlich, dass Ray erschrocken zusammenzuckte und kam einige bedrohliche Schritte näher, seine Augen funkelten gefährlich.

"Ja, verdammt!", erwiderte Ray sehr nachdrücklich, doch ein wenig verunsicherter und war kurz davor mit dem Fuß trotzig auf dem Boden aufzustampfen. "Was - ist - los?"

Kai öffnete erneut den Mund, doch schien es sich schon wieder anders zu überlegen und schloss ihn wieder. Dann starrte er Ray einfach nur vorwurfsvoll an. Er antwortete nicht.

Rays Blick wurde daraufhin verletzt. Er war verletzt... und verdammt wütend.

"Weißt du was, Kai?", keifte Ray gekränkt. "Dann lass es! Aber glaub mir: Ich hab echt kein Bock mehr! Echt nicht mehr!"

Er schickte Kai noch einen letzten wütenden Blick und drehte sich zur Tür. Mitten in der Bewegung, wo er zu der Klinke greifen wollte, hörte er schnelle Schritte, wurde an den Oberarmen gepackt, in einer einzigen fließenden Bewegung herumgerissen und unwirsch hinter sich an die Wand gestoßen. In dem selben Augenblick, als sein Kopf gegen den harten Putz knallte, er reflexartig die Augen zukniff und benebelt war vom Schmerz, der Wut und Überraschung, presste sich etwas Weiches, Feuchtes auf seinen Mund. Erschrocken riss er die Augen wieder auf und als er Kais Kopf verschwommen vor seinem erkannte, wusste er sofort, was los war.

Kai küsste ihn.

Doch es war kein schöner Kuss. Ganz und gar nicht. Er war grob, fordernd, besitzergreifend und irgendwie voller Hass. Kais Hände klammerten sich schmerzhaft in seine Oberarme, sein Körper presste sich so sehr gegen seinen, dass ihm kaum Luft zum Atmen blieb, seine Bartstoppeln kratzten. Kai war brutal und voller Wut. So sollte kein Kuss sein. Vor allem nicht der Erste.

Trotzdem war Ray irgendwie berauscht und zu überrascht, über die Plötzlichkeit dieser Situation, vor allem aber über die Art wie er behandelt wurde, als dass er zu mehr fähig war, als einfach nur vollkommen steif und angespannt dazustehen. Sein Augen waren geöffnet, doch sahen nichts, sein Herz schlug vor Schock so schnell, dass er sein eigenes Blut in seinen Ohren rauschen hören konnte und er fühlte rein gar nichts. Dann zog Kai sich plötzlich zurück und starrte ihn mit einem Blick an, dass es Ray heiß und kalt den Rücken hinunterlief.

Wütend, verächtlich, aber vor allem voller Verbitterung und Schmerz.

"Das ist los!", zischte Kai keuchend. "Bist du jetzt zufrieden?!"

Doch ehe Ray antworten konnte (nicht, dass er zu einer Antwort fähig gewesen wäre), schubste Kai ihn grob zur Seite und stürmte aus dem Zimmer.

Ray blieb zurück. Mit zittrigen Knien ließ er sich an der Wand hinabsinken und starrte fast wie in Trance vor sich auf den Boden. Vor seinen Augen drehte sich alles, seine Lippen brannten, seine Oberarme schmerzten und sein Herz war verwirrt.

Es hatte ihm nicht gefallen und es hatte rein gar nichts geklärt.

Ganz im Gegenteil war er jetzt wieder einmal einfach nur verwirrt. Wie hatte Kai es geschafft, so etwas Intimes und Wunderbares wie einen Kuss so distanziert sein zu lassen, so ganz ohne Gefühl...?

Zugegeben, da waren Gefühle, aber keine, die man mit einem Kuss in Verbindung bringen sollte. Hass, Wut, Rücksichtslosigkeit, Schmerz... das war nicht richtig.

Ray erinnerte sich an den ersten Tag, den sie in der Hütte verbracht hatten. An diesem Tag hatte er Kai scherzhaft einen Penny für seine Gedanken angeboten.

Jetzt war er bereit dafür Millionen zu zahlen.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

*kopf einzieh*

ja, das war kein romantischer kuss...

aber keine sorge, davon kommen noch genug ;)
 

ich bin ein bisschen nervös bei diesem kapitel, weil es sozusagen einen wendepunkt darstellt... jetzt wird nichts mehr so sein wie vorher. hoffentlich hab ichs nicht versaut *schwitz*
 

aber vielen dank allen kommischreibern!!

vor allem vom letzten kapitel T.T

ihr wisst gar nicht wie sehr mich das aufgebaut hat!! ehrlich!

nur dadurch war ich so motiviert sofort weiterzumachen und nur dadurch kam dieses kapitel so schnell... sonst hätte ich womöglich ersteinmal ein päuschen eingelegt.

also vielen, vielen dank!! *durchknuffz*

motivation konnte ich echt gebrauchen ;.;
 

ich denke, dass dieses kapitel *draufzeig* wohl ein bisschen überraschend gekommen ist. kais krankheit hab ich absichtlich nur noch kurz abgehandelt, war sie doch eher mittel zum zweck <-- hört sich irgendwie fies an.

und ich hab absichtlich sehr viel dialog und dafür weniger gedankengänge von ray eingefügt... das kommt im nächsten kapitel wieder mehr; verständlicherweise ;)
 

blablabla, ich komm zum schluss ^^

hoffe, es hat euch gefallen, bis demnächst

astin =:)
 

*kopf in mathebücher steck*

Lektion X: ... und zu was es führt.

In dieser Nacht schlief Ray ganze zwei Stunden.

Die meiste Zeit lag er wach und starrte mit offenen Augen über sich an die Decke. Er erinnerte sich nicht daran wie er in sein Zimmer gekommen ist, er erinnerte sich nicht daran wie er sich umgezogen hatte und er erinnerte sich nicht daran sich ins Bett gelegt zu haben.

Doch er erinnerte sich an alles, was vorher passiert war.

Und er konnte es bis jetzt noch immer nicht richtig fassen. Es kam ihm vor wie ein Traum, wie ein Film, den er gesehen hatte, doch nicht wie sein Leben. Wenn er an den Kuss zurückdachte, war es als ob er die Szene nur von außen beobachtete, nicht als ob er es selbst erlebt hatte. Er sah es nicht mehr aus seinen Augen, er sah nicht Kais Kopf vor sich, sondern er sah sie beide. Sich und Kai.

Doch es geschah nicht oft, dass er diese Nacht überhaupt bewusst an den Kuss dachte, denn sein Kopf war den größten Teil der Zeit einfach leer. Er dachte Momente lang an nichts, vergaß regelrecht, was passiert war und warum er sich so fühlte wie er es in diesem Moment tat und fragte sich teilweise sogar, warum er diesen Knoten im Bauch hatte. Diesen Knoten aus Angst vor dem morgigen Tag, einer aufwühlenden Erinnerung und etwas, was er nicht zu deuten vermochte. Er musste dann wirklich richtig überlegen, warum er im Bett lag und nicht schlafen konnte.

Und jedes Mal, wenn er sich erinnerte traf es ihn wie ein Eimer kaltes Wasser.

Und jedes Mal, drehte er sich dann sofort auf den Bauch und drückte sein Gesicht ins Kissen während ein lauter Seufzer von dem Polster verschluckt wurde.

Er war so aufgewühlt, wollte alles vergessen, gleichzeitig aber auch wieder nicht. Irgendwie.

Und es machte ihm Angst, es verwirrte ihn und es beschwörte ein Gefühl hinauf, dass er nicht erwartet hatte. Enttäuschung.

Er war enttäuscht von dem Kuss und das ließ ihn jedes Mal hart schlucken. Er ahnte, was dies bedeutete, doch verdrängte die Antwort die ersten Stunden, wo er wach lag vorerst, ehe sie sich völlig in seinem Kopf ausformulieren konnte.

Als er um halb Vier noch immer nicht eingeschlafen war, hatte er das Gefühl durchzudrehen, vor allem, da er wusste, dass Kai nur wenige Meter entfernt in seinem Zimmer lag und, vermutlich, auch nicht schlief. Zugegeben, er war erleichtert, dass Kai überhaupt hier in der Hütte war und nicht Draußen im Schnee herumwanderte, vor allem, da er gedacht hätte, dass er gerade in dieser Situation mehr denn je diese Zeit zum 'nachdenken' gebraucht hätte, die Kai sich offensichtlich mit seinen Ausflügen nahm. Doch da hatte Ray sich offensichtlich getäuscht, denn Kai war in der Hütte, da gab es keinen Zweifel. Ray hatte gehört wie er in sein Zimmer zurück gegangen war.

Nachdem er schon seit einigen Stunden wach in seinem Bett gelegen hatte, gefangen in seinen eigenen Gedanken und Erinnerungen, aufgewühlt und verwirrt, hatte er erst gehört wie leise Schritte, begleitet von ebenso leisem Gemurmel über den Flur gehallt sind und dann etwas später war jemand anderes die Treppe hochgestapft. Laut, voller Wut. Dann war eine Tür geknallt worden und danach hatte Stille geherrscht. Das war Kai gewesen.

Die Stille hatte angehalten. Bis zu dem Augenblick, wo Ray schließlich doch eingeschlafen ist, doch das war erst um fünf Uhr morgens.

Dazwischen allerdings lag Ray einfach wach. Er fühlte sich noch nicht einmal müde, sondern wie in Trance, fast wie betrunken. Und dann aber auch wieder vollkommen klar. Sein Verstand sagte ihm dann, dass er nachdenken sollte. Darüber wie es weitergehen sollte, darüber wie er sich nun verhalten sollte, darüber ob, wann und wie er mit Kai reden sollte. Doch er konnte nicht nachdenken und Antworten für all diese Fragen finden, denn in seinem Kopf herrschte nicht nur einfach eine große schwarze Leere, sondern er hatte noch dazu Angst. Er wusste nicht genau warum, doch sie war da und schien ihn zu lähmen. Er konnte zu Kai gehen und ihn auffordern, ihm zu sagen, warum er sich so mies verhalten hatte, er konnte zu Kai gehen und ihn auffordern ihm zu sagen, was er nachts Draußen machte, aber er konnte nicht zu Kai gehen und ihn auffordern, ihm zu sagen, was dieser Kuss zu bedeuten hatte.

Er hatte einfach Angst. Vor der Reaktion, der Antwort.

Einen Grund dafür gab es nicht. Zumindest fand Ray keinen. Oder wollte die Gründe, die er dann doch fand nicht akzeptieren.

Das Schlimmste an der Situation aber war, dass Ray keine sicheren Rückschlüsse ziehen konnte. Wenn jemand einen küsste bedeutete dies normalerweise entweder Zuneigung oder zumindest Anziehungskraft, doch als Kai ihn geküsst hatte, war da nichts von alldem gewesen. Das erschwerte die Frage nach dem Grund für Kais... 'Attacke' auf ihn und die Frage nach der 'Sache', worüber Kai nachgedacht hatte, wenn er Draußen gewesen ist, vor allem wenn sie in Verbindung mit diesem Kuss stand.

Doch so wie es aussah gab es eine Erklärung, die wenigstens ein bisschen Sinn machte, doch Ray wiederum nicht gefiel, denn es würde bedeuten, dass viele Probleme auf ihn zukommen würden. Und auf diese Probleme hatte er einfach keine Lust mehr. Er war müde von allem und wollte endlich einmal einfach wieder zufrieden sein. Leider hatte er darauf keinen Einfluss.

Vor allem, wenn seine Erklärung stimmen sollte...

Wenn Kai ihn mochte, sehr mochte, mehr als einen Freund oder Teamkameraden, aber dies am Liebsten abstellen würde. Das würde Probleme bedeuten. Eindeutig.

Je länger Ray aber über diese Erklärung nachdachte, desto mehr Sinn machte sie. Mehrere Dinge sprachen dafür und der Hauptgrund davon war der Kuss an sich. Auch wenn er brutal gewesen ist und mehr wütend, als alles andere, es war immer noch ein Kuss. Das hatte doch was zu bedeuten, oder?

Nur was genau war schwierig zu sagen, vor allem wenn man sich nicht richtig konzentrieren konnte. Was allerdings noch schwieriger zu sagen war, war wie es weitergehen sollte.

Vor allem, da Ray in dieser Nacht eines klar wurde. Etwas, was er im Grunde schon sehr lange wusste, doch sich erst in der Dunkelheit seines Zimmers eingestand:

Er hatte sich in Kai verliebt.

Er konnte den Moment nicht benennen, wo es ihm bewusst geworden ist. Irgendwann in der Nacht. Irgendwie.

Er wusste nur, dass er immer wenn er daran dachte sich nicht entscheiden konnte, was er davon halten und wie er sich fühlen sollte. In diesen Momenten hatte er jedes Mal zuerst ein verlegenes Grinsen im Gesicht, was sich aber schnell in einen verzweifelten, unsicheren Ausdruck abwandelte und er sich hastig auf die andere Seite drehte, um den Gedanken ein weiteres Mal zu verdrängen.

Es hatte ihn aber nicht wirklich überrascht es herauszufinden, denn eigentlich hatte er es schon immer gewusst. Eigentlich war es auch schon immer so gewesen, doch er hatte es immer verdrängt, nicht wahrhaben wollen und ignoriert, und letztendlich hatte er es sich nur noch eingestehen müssen. Und nach den letzten Tagen, nach diesem Kuss war es ihm einfach nicht mehr möglich das Offensichtliche zu übersehen und vor sich selbst zu verbergen.

Nicht nur, dass er enttäuscht war von dem Kuss, sondern auch die Tatsache, dass er es nicht als eklig empfunden hatte, sondern nur als zu grob und überraschend sprachen dafür, vor allem aber das Kribbeln im Bauch, wenn ihm ein Gedanke in den Kopf kam.

Kai hatte ihn geküsst.

Dieser Gedanke alleine fühlte sich so wunderbar an, so richtig, erfüllte ihn mit vollkommener Glückseligkeit. Doch sobald sich dieser Satz mit der Erinnerung verband, die unweigerlich damit zusammenhing, kam die Enttäuschung hinzu und das Verlangen, das wunderbare Gefühl, was bei ihm aufkam, wenn er daran dachte, dass Kai ihn küsste mit einer realen Erinnerung zu verbinden, die dieses Gefühl nicht zerstörte, sondern bestätigte - verstärkte.

Ray wusste nicht, was er von diesem Verlangen halten sollte, denn so einfach war es nicht.

Dazu kam, dass er einen unweigerlich einen weiteren Gedanken aufgreifen musste, den er ebenfalls über Jahre hinweg unterdrückt hatte. Die einfachen Fragen: War er schwul? Oder Bi-sexuell?

So einfach die Fragen waren, so schwer waren die Antworten. Er wusste keine konkreten zu geben und da sein Kopf sowieso voller Probleme, Gedanken, Erinnerungen und dieser schwarzen, verwirrten Leere war, einigte er sich diese Nacht, mit einem fast verzweifeltem, halbherzigen Lächeln auf den Lippen vorerst darauf, dass er Kai-sexuell war.

Es klang zumindest ganz nett.
 

~oOo~
 

Am nächsten Morgen saß Ray sehr lange unschlüssig auf seinem Bett. Er wollte nicht runter gehen und Frühstücken, denn dann würde er garantiert Kai begegnen und dafür war er nicht bereit. Er wusste zwar, dass er dem Russen irgendwann sowieso wieder sehen würde und irgendwann wieder mit ihm reden musste, doch er wollte es wenigstens so lange hinauszögern wie er konnte, denn er hatte sich noch immer nicht entschieden wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte.

Seufzend scharrte er mit dem rechten Fuß über den Fußboden. Vielleicht sollte er Kai die Entscheidung überlassen wie er sich zu verhalten hatte, denn Kai hatte vermutlich genau dasselbe Problem wie er, womöglich in noch größerem Ausmaß, denn immerhin hatte er seit langem seine Abwehr aufgegeben und Ray eine Seite gezeigt, die im gewissen Sinne schwach war. Eine Seite, die Gefühle solange unterdrückte bis sie in einem großen Knall zum Vorschein kamen und Kai ohne jede Vorwarnung völlig schutzlos überließen.

Kai würde wohl noch mehr Probleme mit dem 'Zwischenfall' des gestrigen Abends haben als er. Aber diese Tatsache machte es nicht einfacher für Ray damit umzugehen.

Als es an der Tür klopfte, fuhr er erschrocken zusammen und schaute mit geweiteten Augen vor sich auf den Boden. Ein Klumpen aus Angst und Nervosität lagerte sich in seinem Bauch ab und er begann zu schwitzen.

War das Kai? Was wenn ja? Wie sollte er sich verhalten? Sollte er einfach so tun, als ob er nicht hier war?

Das war albern, entschied er.

"Ja?", fragte Ray also, doch seine Stimme klang noch nicht einmal ansatzweise so fest wie er es sich gewünscht hätte.

Die folgenden Sekunden spielten sich in Zeitlupe ab. Die Klinke bewegte sich quälend langsam nach unten, die Tür wurde ebenso quälend langsam aufgeschoben und es dauerte eine Ewigkeit bis sich ein Kopf durch den Spalt ins Zimmer schob. Zu Rays Erleichterung hatte dieser Kopf blonde Haare, aus welchem blaue Augen ihn fragend anschauten.

"Morgen, Ray.", sagte Max. "Kann ich rein kommen? Ich muss mal mit dir reden."

"Klar.", antwortete Ray, doch runzelte fragend die Stirn. "Worum geht's?"

Max trat ein und schloss die Tür hinter sich. Dann seufzte er und lehnte sich mit dem Rücken gegen sie.

"Es geht um Kai.", sagte er schließlich.

"Was?", rief Ray erschrocken und musste hart schlucken. Sämtliches Blut wich aus seinem Kopf und er wurde kalt. Ray fühlte regelrecht wie er blass wurde.

Hatten sie es etwa mitbekommen?

Hatte Kai etwas gesagt?

"Ja.", seufzte Max und riss ihn zurück in die Realität. "Du hast ihn doch gestern das letzte Mal gesehen, bevor..."

Er beendete den Satz nicht und zu Rays Schock kam nun auch noch Besorgnis hinzu.

"Bevor was?", hakte er ahnungsvoll nach. "Ist etwas passiert?"

"Kann man so sagen.", antwortete Max zerknirscht. "Deshalb bin ich hier. Ich... Wir alle machen uns Sorgen um Kai und du hast gestern ja noch mit ihm geredet, bevor er so seltsam war. Weißt du Näheres? Weißt du, was mit ihm los ist?"

"Halt!", rief Ray überfordert, sprang auf und streckte seine Arme von sich. "Moment! Stop mal! Ganz langsam. Wovon redest du bitte? Was ist gestern denn passiert?"

Max seufzte nur nachdenklich, doch schüttelte schließlich den Kopf.

"Ich zeig's dir besser.", sagte er schließlich und lächelte zerknirscht. "Du würdest es mir wahrscheinlich sowieso nicht glauben."

"Zeigen?", fragte Ray irritiert nach, woraufhin Max nur nickte und die Tür öffnete.

"Komm mit.", forderte er ihn auf.

Ray zögerte aber vorerst noch.

"Ist Kai schon unten?", fragte er vorsichtig nach.

"Nein.", antwortete Max skeptisch und schien Rückschlüsse anhand dieser Frage zu ziehen. "Irgendwas ist doch gestern passiert, oder?"

Doch ehe Ray antworten konnte, schüttelte der Blonde auch schon seinen Kopf.

"Was frag ich das eigentlich?", sagte Max schließlich. "Nach dem, was ich gesehen hab, muss was passiert sein."

Er schickte Ray noch einen durchdringenden Blick, der ihm deutlich sagte, dass er später diesbezüglich noch ein paar Fragen an ihn hatte, was der Chinese mit unwohlem Gefühl registrierte. Doch vorerst beließ es Max dabei und forderte Ray auf, ihm zu folgen.

Während Ray dies auch tat und Max durch den Flur und das Wohnzimmer hinterherlief, fragte er sich verwirrt und besorgt, was Max denn gemeint hatte.

Er sollte nicht mehr lange warten müssen, um das zu erfahren, denn als sie an der Küchentür ankamen, deutete Max Ray mit der Hand, dass er eintreten sollte.

Ray sah ihn mit gerunzelter Stirn an und trat zögerlich ein. Die Küche war leer und Ray konnte auf den ersten Blick nichts ungewöhnliches erkennen. Er öffnete schon den Mund, um Max zu fragen, was er ihm hier zeigen wollte, als sein Blick nach rechts schweifte. Dorthin, wo der große Esstisch mitten im Raum stand. Doch es war nicht der Tisch, der bewirkte, dass er seinen Mund wieder schloss und einmal hart schlucken musste, sondern etwas an der Wand, oder eher in der Wand.

Direkt hinter dem Tisch, kaum zu übersehen, war ein großes, wenn auch nicht tiefes Loch. Der Putz war abgeplatzt und abgebröckelt, die Tapete großflächig abgeschrammt.

Ray spürte wie Max neben ihn trat, doch war nicht fähig seine Augen von diesem Loch abzuwenden.

"Das war Kai.", beantwortete Max Rays unausgesprochene Fragen. Obwohl Ray dies schon längst wusste, flog sein Kopf dennoch überrascht herum und seine Augen starrten ihn entgeistert an. Max nickte nur und zuckte ratlos mit den Schultern, woraufhin Ray seinen Kopf ganz langsam wieder zurückdrehte und er das Loch kopfschüttelnd betrachtete.

"Was ist passiert?", fragte er leise. "Wie hat er das gemacht?" Er riss erschrocken die Augen auf als ihm selbst eine Antwort dazu einfiel. "Ich hoffe mal nicht mit der Hand!"

"Nein, nein.", widersprach Max sofort. "Nicht mit der Hand, aber sieh am Besten selbst. Es liegt hinter dem Tisch."

Ray warf Max erneut einen irritierten Blick zu, doch ging dann zögerlich Richtung Tisch und spähte dahinter. Und da lag es. Kais Werkzeug.

Früher war der Haufen zersplittertes Holz wohl mal ein Stuhl gewesen, doch nun war es eben nur noch ein Haufen zersplittertes Holz. Zwei Beine waren vollkommen abgebrochen, ein weiteres war abgeknickt und hing nur an ein paar wenigen Holzsplittern. Die Vorderseite der Sitzfläche war angebrochen und Putz lag überall verstreut drum rum. Ray schluckte hart und schickte Max einen fragenden Blick, doch dieser zuckte mit den Schultern.

"Was ist passiert?", fragte Ray besorgt und hob eines der abgebrochenen Stuhlbeine auf, um es zu begutachten.

"Das ist ne längere Geschichte, glaub ich.", antwortete Max nachdenklich.

"Dann lass uns hoch gehen!", schlug Ray hastig vor. Wohl zu hastig, denn Max runzelte nur die Stirn und sah ihn skeptisch an.

Ray lächelte daraufhin zerknirscht, seufzte und ließ das Stück Holz auf den Boden fallen. Max würde nicht so reagieren, wenn er bescheid wüsste. Dann würde er verstehen, dass Ray Kai nicht ohne Grund aus dem Weg gehen wollte.

"Naja, okay.", sagte Max schließlich. "Reden wir oben."
 

~oOo~
 

Während Max sich auf sein Bett setzte, schloss Ray leise die Tür und setzte sich Max schließlich im Schneidersitz gegenüber auf den Boden.

"Also was ist passiert?", fragte Ray besorgt und runzelte seine Augenbrauen fast in ängstlicher Geste.

"Ich glaube, das kannst du mir besser erklären.", antwortete Max und sah ihn auffordernd an.

"Kannst du mir nicht erst erzählen, weshalb du überhaupt mit mir reden wolltest und was das mit dem Loch in der Wand auf sich hat?", schlug Ray dem entgegen vor und blickte Max von unten bittend an. Er war nicht bereit dafür, Max von dem Kuss zu erzählen. Er wusste nicht, ob er es später an diesem Tag noch sein würde, doch im Moment war er es eindeutig nicht.

"Okay.", seufzte Max ergeben. "Wo fang ich am Besten an?"

Er überlegte kurz und sah mit gerunzelter Stirn in die Luft.

"Ich weiß noch, dass du gestern zu ihm hoch bist.", begann er mit besorgtem Blick und sichtlich irritiert über das, was er zu erzählen hatte. "Und was auch immer dort oben geschehen ist, weißt du wohl besser. Tatsache ist, dass Kai irgendwann die Treppe runter gestürmt ist. Er sah gehetzt aus, nervös und einfach vollkommen zerstreut irgendwie. Er ist erst zur Tür, hat sie aufgerissen und sie dann wieder zugeschmissen. Wir haben ihn gefragt, was los ist, doch er hat uns nicht geantwortet. Er hat, glaub ich, gar nicht mal bemerkt, dass wir da waren." Er machte eine kurze Pause, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und runzelte schließlich die Stirn. "Danach ist er in die Küche gestürmt und hat die Tür hinter sich zugeschmissen. Und dann fing es ja erst an." Er schickte Ray einen fragenden Blick. "Hast du eigentlich gar nichts gehört?"

"Nein.", antwortete Ray irritiert. "Warum?"

Max lachte kurz auf und schüttelte fassungslos den Kopf.

"Kai hat getobt.", erzählte er schließlich weiter. "Nicht nur ein bisschen, sondern richtig! Er hat geflucht, gegen die Tür getreten und schließlich gab es ein lautes Krachen. Das hat sich dann mehrmals wiederholt. Immer und immer wieder. Wir sind natürlich sofort hin und haben nachgefragt, was los sei, doch Kai hat uns weggeschickt! Er hat uns angeschrieen und was weiß ich noch alles. Tyson war ganz schön sauer. Naja, auf jeden Fall haben wir dann heute morgen gesehen, was da so gekracht hat. Er hat den Stuhl an der Wand kaputt geschlagen. Hast du ja auch eben sehen können."

Ray starrte Max einige Momente lang einfach nur an. Er war durcheinander, denn einerseits hatte er mit so etwas gerechnet, aber andererseits war Kais Reaktion heftiger ausgefallen, als er je vermutete hätte. Zudem schien nichts richtig Sinn zu ergeben. Ray hatte eigentlich gedacht, dass Kai all seine Wut bei dem Kuss ausgelassen hatte, aber da hatte er sich anscheinend getäuscht, denn der Russe hatte wohl noch massig Wut übrig gehabt. Was Ray auch seltsam vorkam, war die Tatsache, dass Kai nicht raus gegangen ist. Ray hatte sich die Nacht schon Gedanken darüber gemacht, war aber zu keinem Ergebnis gekommen und was Max erzählt hatte, klärte leider auch nichts.

Kais Gemütszustand war jetzt allerdings mehr als klar. Zumindest teilweise.

"Hat Kai irgendwas gesagt?", fragte Ray schließlich nachdenklich. "Irgendwas?"

"Die meiste Zeit hat er auch russisch geflucht, ich hab also nichts verstanden.", antwortete Max geistesabwesend, doch nickte schließlich, als ob ihm was eingefallen war. "Das einzige, was ich verstanden habe, war kurz bevor er den Stuhl zerschlagen hat. Da hat er irgendwas gebrüllt, von wegen er sei bescheuert und er hätte alles versaut."

Ray zog überrascht beide Augenbrauen nach oben. Das hatte er nicht erwartet.

"Oh.", war deshalb vorerst sein einziger Kommentar.

Max allerdings sah ihn plötzlich fragend und erwartungsvoll an.

"Was hat er damit gemeint, Ray?", wollte er wissen. Seine Augen glänzten besorgt, aber auch neugierig. "Wie hat er was versaut? Was ist hier oben passiert, dass Kai so ausgerastet ist in der Küche?"

Ray hatte diese Fragen schon längst erwartet, aber dennoch fühlte er sich überrumpelt. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er konnte Max doch nicht die Wahrheit erzählen. Das wäre vor allem Kai gegenüber unfair, gerade weil Ray wirklich wusste, dass dieser Kuss, die ganze Sache eigentlich, dass dies Kai mehr als unangenehm war. Was Max erzählt hatte, bestätigte es nur noch.

Anlügen wollte er Max aber auch nicht, weshalb er erst einmal schwieg und den Kopf schüttelte.

"Ray.", seufzte Max. "Komm schon. Was ist los? Habt ihr euch gestritten?"

"Nein.", antwortete Ray abwägend. "Das nicht."

Er atmete einmal tief ein und ließ die Luft in einem langem nachdenklichen Atemzug wieder hinaus.

"Ich kann es dir nicht erzählen, Max.", sagte er schließlich. "Ich würde wirklich gerne. A...aber ich kann nicht. Es geht nicht."

"So schlimm?", hakte Max sanft nach, doch Ray schüttelte den Kopf.

"Das nicht.", seufzte er. "Schlimm ist das falsche Wort."

"Was wäre das richtige Wort?"

Ray zuckte mit den Schultern.

"Weiß nicht.", murmelte er ratlos. "Vermutlich eher verwirrend."

Max nickte verstehend.

"Weißt du, Ray.", sagte er schließlich nachdenklich. "Ich zwing dich nicht, mir was zu erzählen. Das wär das letzte, was ich tun würde. Aber ich würde halt einfach gerne wisse, ob wie einen Grund haben sollten uns Sorgen zu machen, oder ob Kai gestern wirklich einfach nur überreagiert hat."

"Wenn ich das wüsste.", stöhnte Ray und fuhr sich mit der Hand erschöpft über die Stirn. "Ich weiß im Moment gar nichts mehr. Ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen, ich bin fertig und ich hab selbst keine Ahnung, was überhaupt los ist."

"Ray, ich versteh kein Wort.", gab Max irritiert zu.

"Ich weiß.", seufzte Ray und malte mit dem Finger Zeichen auf den Teppichboden. "Soviel kann ich dir sagen, Max: Gestern... Naja, gestern hat Kai das erste mal einen... wie soll ich's nennen? Einen Gefühlsausbruch gehabt, sag ich mal. Und das scheint ihn zu ärgern."

Es war die mildeste Form den Vorfall von gestern Nacht zu beschreiben.

Max gab sich mit dieser Erklärung natürlich nicht zufrieden, aber auf weiteres Nachfragen seinerseits reagierte Ray mit Themawechsel und dem Versprechen, es ihm ein andermal zu erzählen. Solange solle sich Max nicht allzu viele Sorgen machen.

Max musste sich mit diesen Antworten vorerst zufrieden geben, auch wenn Ray ihm deutlich ansah, dass dies ihm schwer fiel. Kai musste mit seinem Verhalten vom gestrigen Abend einen sehr prägenden Eindruck hinterlassen haben, was Ray verstehen konnte. Voll und ganz.

Etwas später gingen sie zusammen in die Küche, auch wenn Ray am liebsten den ganzen Tag in seinem Zimmer verbracht hätte und, auch wenn es feige gewesen wäre, sich vor den Problemen hätte drücken wollen.

Doch es kam anders und schließlich fand er sich doch in der Küche wieder, mit klopfendem Herz und ein wenig nervös, denn Kai saß zusammen mit Kenny und Tyson am Tisch. Als Ray eintrat sah er noch nicht einmal auf. Ray schluckte kurz, versuchte das Gefühl der Enttäuschung, dass sich unweigerlich in ihm ausbreitete zu ignorieren und nickte Tyson und Kenny zur Begrüßung zu. Sie saßen mit dem Rücken zu ihm, doch hatten sich umgedreht und schickten Max eindeutig fragende Blicke, nachdem sie Ray still zurückgegrüßt hatten.

Rays Blick allerdings heftete sich auf Kai und ein seltsames Gefühl legte sich in seine Brust.

Bedauern.

Nur was genau er bedauerte wusste er nicht. Womöglich dass er den Kontakt zu Kai irgendwie verloren hatte. Sie würden in nächster Zeit wohl nicht mehr so unverkrampft miteinander umgehen können wie sie es einst mal getan hatten.

"Hey, Kai.", sagte Ray schließlich leise. Er klang fast entschuldigend, was daran lag, dass er auch irgendwie das Gefühl hatte, sich entschuldigen zu müssen.

Kai hob daraufhin den Kopf und sah Ray an. Er war überrascht, das konnte man ihm deutlich ansehen und er fühlte sich unwohl, war sauer auf sich selbst, was man ihm auch deutlich ansehen konnte. Alles zeigte sich in seinen Augen und Ray lächelte daraufhin traurig.

Kai wandte den Blick ab und damit endete ihr Kontakt an diesem Morgen.

Am Nachmittag sah es nicht anders aus. Kai sprach kaum mit Ray und Ray kaum mit Kai. Kai war gereizter als sonst, was vor allem Tyson stark zu spüren bekam und die Stimmung an sich, unter ihnen allen, war sehr angespannt und unbehaglich.
 

~oOo~
 

Die nächsten vier Tage ignorierten sich Beide so gut es ging. Von Rays Seite aus war es noch nicht einmal absichtlich, doch jedes Mal, wenn er den Russen sah, musste er an den Kuss denken und an seine eigenen Gefühle für Kai. Es war seltsam. Seit er sich klar eingestanden hatte, dass er in Kai verliebt war (es fühlte sich noch immer unrealistisch an, dies in dieser Form zu denken) war er plötzlich so nervös und bekam in Gegenwart von ihm überhaupt nichts mehr hin. Mit den Versuchen seine Gefühle geheim zu halten, sich nichts anmerken zu lassen und weiterzumachen wie bisher scheiterte er mehr als offensichtlich. Es war nicht nur so, dass er Kai plötzlich ohne es zu wollen aus dem Weg ging, sondern auch, dass er sich von Tag zu Tag mehr zu blamieren schien. Fast jeden Abend dieser vier Tage lag er im Bett und schlug sich mit der Hand peinlich berührt gegen die Stirn, wenn er daran dachte wie er sich verhalten oder was er gesagt hatte. Meistens waren dies wirklich blamable Dinge gewesen.

Es war nicht selten, dass Ray anfing zu stottern, wenn Kai ihn unerwartet etwas fragte oder komplett irrsinnige, wenn nicht sogar unnütze Antworten oder Kommentare gab. Auch schien sich die Zahl der Missgeschicke auf mysteriöse Weise zu erhöhen, sobald der Russe in seiner Nähe war. Ray hatte sich allein zweimal verbrannt, war einmal die Treppe hinunter gestürzt und hatte eine Tasse fallen lassen. Einen weiteren Teller hatte er nur wegen seiner guten Reflexe davor bewahren können, dass er zertrümmert auf dem Küchenfußboden endete.

Und alles nur weil Kai anwesend war. Er machte noch nicht einmal etwas. Er war nur da.

Ray war hin- und hergerissen, denn einerseits wollte er Kai nicht aus dem Weg gehen und sich ihm gegenüber normal verhalten, wenn nicht sogar ihm zeigen, was er empfand, doch andererseits wollte er sich weitere Blamagen ersparen, seine Gefühle geheim halten und sich damit selbst vor Enttäuschung bewahren. Kai hatte ihn zwar geküsst und es hatte - musste - eine Bedeutung haben, doch auf der anderen Seite ging Kai ihm ebenfalls aus dem Weg und diese Wut, die Kai während des Kusses zum Ausdruck gebracht hatte erweckte nicht den Anschein, als ob er bereit war es mit Ray zumindest zu versuchen.

Obwohl Ray mit seinen Gedanken sehr oft fern der Realität und sein Verstand so benebelt war, dass er sich fühlte als sei er betrunken, sobald Kai in der Nähe war, beobachtete er den Russen genau. Er sah jedes Mal, wenn Kai zu ihm rübersah und ertappt den Kopf abwandte, sobald er erkannte, dass Ray ihn ebenfalls ansah. Er sah diesen undefinierbaren Ausdruck in Kais Augen, die Nachdenklichkeit und manchmal auch den Schmerz.

Doch Kais Ausdruck veränderte sich langsam. Wurde nach zwei Tagen manchmal ungläubig, wenn er Ray ansah und dann sofort grüblerisch. Ray hatte plötzlich den Eindruck, dass Kai beobachtete und wartete. Wie ein lauerndes Tier, was den richtigen Moment abwartete, um zuzuschlagen. Nur was hatte Kai vor? Auf was wartete er?

Ray wusste es mal wieder nicht. Kai war undurchschaubar und seine Handlungen so uneinschätzbar wie Ray es noch nie erlebt hatte. Er tat in letzter Zeit sowieso nicht mehr das, was Ray erwartete. Nicht nur seine Sinneswandel, nicht nur der Kuss, sondern auch die Tatsache, dass er plötzlich abends nicht mehr raus ging. Stattdessen schloss er sich in seinem Zimmer ein und kam bis zum nächsten Morgen nicht mehr raus. Nicht, dass Ray etwas dagegen hatte, denn immerhin wusste er Kai an einem sicheren Ort, aber dennoch grübelte der Chinese deswegen. Blieb Kai etwa in der Hütte, weil er ihn drum gebeten hatte?

Weil er Ray keine Sorgen bereiten wollte?

Oder hatte es mal wieder völlig andere Gründe? Dass er erkannt hatte, dass er seine Gesundheit gefährdete oder einfach keine Lust mehr hatte raus zu gehen?

Erneut Fragen, die Ray nicht beantworten konnte. Es wurde langsam zur Gewohnheit, was aber kein Grund war sich daran zu gewöhnen, denn das schaffte Ray nicht. Er wollte wissen was los war. Das lag in seiner Natur.

Vor allem nach dem Training am vierten Tag, denn zum Ende hin sah Kai ihn wieder an. Nachdenklich, irritiert und fast zweifelnd.

Aber plötzlich ging ein Ruck durch sein Gesicht und innerhalb von Sekunden verschwand der Ausdruck und wurde durch einen neuen ersetzt. Plötzlich hatten Kais Augen einen fast leidenden Ausdruck, wahrscheinlich ohne dass er es bemerkte. Ray konnte in diese Moment nicht mehr als verwirrt zurückzustarren.

Dann wandte Kai sich ab und der Moment war vorbei. Dieser Ausdruck allerdings brannte sich Ray regelrecht ins Gedächtnis. Er hatte das Gefühl, es für ewig zu sehen, wenn er seine Augen schloss.
 

~oOo~
 

An diesem Abend gingen sie alle früh ins Bett, doch Ray konnte wie auch die letzten Tage nicht einschlafen. Er war zu aufgewühlt und zuviel ging ihm im Kopf herum. Als er Hunger bekam, beschloss er aufzustehen und sich eine Kleinigkeit zu holen. Während er leise durch den Flur und die Treppe hinab schlich, fragte er sich wie es mit ihm und Kai weitergehen sollte. Sie konnten sich doch nicht ewig so ignorieren. Nicht nur, dass Ray dies auf kurz oder lang nicht aushalten würde, sondern auch weil dann die unausgesprochenen Dinge zwischen ihnen auf ewig unausgesprochen bleiben würden. Sie würden nie klären, was zwischen ihnen stand, bis es in Vergessenheit geraten würde.

Doch Ray fühlte sich außerstande den ersten Schritt zu machen. Er hatte solche Angst verletzt zu werden. Jetzt, wo er wusste wie es um sein Herz stand, war er sich sicher, dass es andere auch bemerken könnten, dass Kai es bemerkte und dass er ihn verletzte. Ray konnte verstehen, warum Kai seine Gefühle oftmals unterdrückte.

Er konnte es plötzlich so sehr verstehen.

Gefühle machten einen verletzbar und das war immer etwas, wovor Menschen Angst hatten. Auch Ray.

Er konnte den ersten Schritt nicht machen. Und er war überzeugt, dass Kai es auch nicht konnte. Wo sollte das alles nur hinführen?

Das Wohnzimmer war dunkel, ebenso die Küche. Der Halbmond versteckte sich hinter dicken Wolken, sodass so gut wie kein Licht durch die Fenster schien. Ray tastete sich mehr voran, als dass er sah wohin er lief. An der Tür der Küche angekommen, fühlte er nach dem Lichtschalter und schaltete das Licht ein als er ihn fand. Als sich der Raum erhellte, wurde er kurz geblendet, doch er konnte dennoch sehen, dass jemand am Tisch saß. Er war nicht darauf vorbereitet in der dunklen Küche jemanden zu begegnen, weshalb er sich so sehr erschreckte, dass er zurückzuckte und gegen den Türrahmen knallte. Sein Herz hämmerte hart und aufgeregt in seiner Brust und der Schock ließ ihn schneller atmen. Erst nach einigen Sekunden erkannte er erst, wer dort am Tisch saß und dies führte nicht dazu, dass sein Herz sich beruhigte. Ein freudiges, aufgeregtes Kribbeln schoss durch seinen Körper, gemischt mit dem beklemmendem Gefühl der Angst.

Kai starrte ihn mit gerunzelter Stirn an.

Ray ließ sich gegen den Türrahmen fallen, fasste sich an die Brust und atmete tief ein.

"Verdammt!", sagte er mit zittriger Stimme, aber erleichtertem Lächeln auf dem Gesicht. "Du hast mich ganz schön erschreckt."

"War nicht beabsichtigt.", brummte Kai tonlos und starrte auf die Tasse, die er zwischen seinen Händen hin und her drehte.

Stille kehrte ein und während Ray versuchte sich zu beruhigen, wurden ihm zwei Dinge bewusst.

Das Erste: Es war das erste Mal seit dem Kuss, dass sie alleine waren und es machte Ray ein wenig nervös.

Das Zweite und viel Wichtigere: Kai sah besorgniserregend aus. Ray konnte dies nicht an bestimmten Dingen festmachen, sondern es war die Situation, der Moment, die diesen Eindruck erweckten. Es war die Tatsache, dass Kai in der dunklen Küche gesessen hatte. Alleine, mit diesem leerem Ausdruck in seinen Augen und dieser erschöpften Körperhaltung. Und es war die Art wie seine Hände sich zeitweise an die Tasse klammerten, als ob er unter etwas leiden würde. Ob es physische Schmerzen waren, vermochte Ray nicht zu urteilen.

Vor allem, wenn er an den Blick dachte, den Kai ihm während des Trainings geschickt hatte.

Dann nahm der Russe plötzlich einen Schluck aus der Tasse und sofort war alles vergessen. Rays Aufmerksamkeit wurde nur noch auf die dunkle Flüssigkeit gelenkt, die Kai offensichtlich trank.

"Ist das Kaffee?", fragte er kritisch, woraufhin Kai ihn irritiert anschaute. Dann blickte er in die Tasse und zuckte mit den Schultern.

"Hoff ich doch mal stark.", brummte er und nahm erneut einen Schluck.

Ray seufzte daraufhin fast genervt.

"Das solltest du nicht trinken.", sagte er vorwurfsvoll. "Kaffee dehydriert den Körper und du weißt, was der Arzt gesagt hat. Du sollst viel trinken."

Er starrte mit gerümpfter Nase in die Tasse hinein.

"Und deinen Körper nicht entwässern!", fügte er schließlich mahnend hinzu.

Kai zog seine Augenbrauen irritiert zusammen und sah Ray lange an.

"Ich hab in letzter Zeit viel getrunken.", widersprach er halbherzig. "Außerdem geht es mit gut. Ich hatte kaum Kopfschmerzen."

"Kaum?", fragte Ray alarmiert nach. "Also hattest du?"

Kai rutschte auf den Stuhl hin und her und blickte vor ich auf den Tisch. Er schwieg, was für Ray auch eine Antwort war.

"Wie oft?", fragte Ray vorsichtig nach.

"Zweimal, okay?!", knurrte Kai und rollte genervt mit den Augen. Diese Art von Fragen waren ihm mal wieder mehr als unangenehm.

"Siehst du, dann solltest du keinen Kaffee trinken!", folgerte Ray mit besorgtem Blick und ging zum Küchenschrank, um sich ein Glas herauszusuchen. Hunger hatte er plötzlich keinen mehr. Während er mit dem Rücken zu Kai stand, redete er weiter.

"Außerdem kannst du dann heute Nacht bestimmt nicht schlafen.", sagte er tadelnd und nahm ein Glas vom Brett. "Und das ist auch nicht gut, denn der Arzt hat doch auch gesagt, dass Schlafmangel -"

"Ich kann so oder so nicht schlafen.", unterbrach ihn Kai. Seine Stimme war leise, nur ein Murmeln, aber durchzogen von Wut, Bitterkeit und Schmerz.

Ray verharrte mitten in der Bewegung. Ein flaues Gefühl lagerte sich in seinem Bauch ab, sein Kopf war auf einen Schlag einfach leer, nur noch gefüllt von Kais Satz, der dort leise nachhallte und seine Brust war wie zugeschnürt durch die Wirkung von dem Klang, den Kais Stimme angenommen hatte.

Zuerst wanderten Rays Augen langsam zur Seite, dann drehte sich sein Kopf zögerlich und nachdenklich nach und erst danach wandte er sich mit seinem Oberkörper halb herum, um Kai anzusehen, doch dieser starrte auf den Kaffee.

"Kai, ich...", begann Ray bekümmert, wusste eigentlich gar nicht, was er sagen wollte, doch bekam auch keine Chance es selbst herauszufinden, da er unterbrochen wurde.

"Hui, findet hier ne geheime Versammlung statt, von der ich nichts weiß?", scherzte eine bekannte Stimme und Rays Kopf drehte sich erschrocken zur anderen Seite, wo Tyson im Türrahmen stand und sie beide erwatungsvoll und gutgelaunt ansah. Danach ging alles sehr schnell.

Ray sah eine Bewegung aus dem Augenwinkel und nur wenige Sekunden später rauschte Kai an Tyson vorbei, welcher ihm irritiert hinterher starrte.

"Kai.", rief Ray ihm verwirrt hinterher und machte einen Schritt Richtung Tür. Im selben Moment, hörte er aber auch schon Schritte auf der Treppe und seufzte resigniert.

"Hab ich was Falsches gesagt?", fragte Tyson verwirrt und deutete in die Richtung, in die Kai verschwunden war.

"Nein.", seufzte Ray, stellte das Glas auf den Tisch und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

"Nein, hast du nicht.", stöhnte er erschöpft auf und legte seine Stirn auf dem kühlen Holz ab während seine Arme kraftlos vor der Tischkante hinabhingen.
 

~oOo~
 

Später in der Nacht stand Ray im dunklen Wohnzimmer vor der großen Fensterfront, die Stirn gegen die kalte Scheibe gelehnt. Seine Gedanken rotierten. Mal wieder.

Er fragte sich, ob Kai sich auch so beschissen und einsam gefühlt hatte, als er in der dunklen Küche gesessen hatte. Und ob er auch keine Lust mehr hatte. So wie Ray.

Dieser war alles langsam, aber sicher einfach leid.

Warum war alles so kompliziert? Warum konnte es nicht einfach mal einfach sein? Warum schwirrten immer soviel unbeantwortete Fragen in seinem Kopf herum?

Und warum benahmen Kai und er sich so vollkommen bescheuert?

Ray stöhnte gequält auf, presste seinen Kopf noch fester gegen die Scheibe und schloss die Augen. In seinem Kopf herrschte Chaos, in seinem Herz herrschte Chaos, selbst in seinem Bauch herrschte Chaos und das schon seitdem er dort stand. Ein drückendes, kribbelndes Gefühl hatte sich in seinem Magen breit gemacht. Flau, hintergründig und ununterbrochen. In Schüben wurde es mal stärker, mal schwächer, doch es verschwand nicht mehr.

Ray stand noch nicht lange dort, das Gefühl war noch nicht lang vorhanden, aber lange genug, um ihn zweifeln zu lassen, ob er diese Nacht überhaupt noch Schlaf bekommen würde. Wo wir auch schon bei dem Grund wären, warum er überhaupt dort stand.

Er konnte nicht einschlafen.

Während er in seinem Bett gelegen hatte, hatte er sich ständig gefragt, ob Kai denn schon schlief und was genau er mit seiner Aussage gemeint hatte. So wie es den Anschein hatte, war es ihm sowieso mehr rausgerutscht, als dass er wirklich vorgehabt hatte, Ray dies zu erzählen.

Ray seufzte erneut und kniff seine Augen in verzweifelter Geste noch fester zusammen. Er wollte vergessen. Er wollte alles in seinem Kopf speichern, dass es nicht mehr verloren ging. Er wollte sofort zu Kai hochgehen und sich aussprechen. Er wollte nie wieder mit Kai reden.

Vor allem aber wusste er nicht, was er wollte.

"Argh!", stöhnte er gereizt und krallte die Hände in verzweifelter Geste in seine Haare. So konnte alles nicht mehr weitergehen. Es ging nicht. Einer von ihnen musste handeln oder Ray würde wirklich wahnsinnig werden. Oh, wie oft er dies in letzten Wochen schon gedacht hatte.

"Hey.", wisperte eine Stimme plötzlich direkt neben seinem Ohr. Heißer Atem strich über seine Haut und Ray riss erschrocken seine Augen auf, als der Schock ihm sprichwörtlich durch Mark und Bein fuhr. Während er zusammenzuckte und seine Hände förmlich aus seinen Haaren hinausriss, schien sein Herz in seinem Brustkorb zu explodieren, so schnell und hart fing es an zuschlagen. Rays Körper zuckte automatisch zurück und prallte hart gegen ein Hindernis. Innerhalb von Sekunden hatte der Chinese die Situation begriffen. Was das Hindernis war und wer direkt hinter ihm stand, war niemand anderes als Kai.

Während sein Herz sich nicht entscheiden konnte, ob es sich beruhigen oder deshalb genauso aufgeregt weiterklopfen sollte, wurde sich Ray bewusst wie nah Kai hinter ihm stand. Er berührte mit dem Rücken seine Brust, spürte seine Wärme und sogar jeden seiner Atemzüge. Ein Schauer jagte ihm über den Rücken, er hatte das Gefühl zu wenig Sauerstoff zu bekommen und seine Hände fingen an zu zittern und waren innerhalb weniger Sekunden klamm, weshalb er sie hastig vor seiner Brust verschränkte.

Er war so sehr in Gedanken gewesen, dass er gar nichts gehört hatte.

"Kai.", hauchte er mit dünner zittriger Stimme. "Du hast mich schon wieder erschreckt."

Sogar mehr als das letzte Mal, was seine innere Aufgewühltheit und das Adrenalin, welches durch seine Adern schoss bewies.

"Keine Absicht.", antwortete Kai ausdruckslos. Sein Atem wehte erneut über Rays Ohr und er kam sich mehr denn je vor wie in einem Traum. War er womöglich doch eingeschlafen?

Er hatte plötzlich das Bedürfnis Kai anzusehen und sich von seiner Echtheit zu überzeugen.

Zögerlich drehte er den Kopf ein wenig nach rechts und als sein Oberkörper sich leicht mitdrehte, war sofort Kais Körper im Weg, weshalb seine Schulter sich gegen das Schlüsselbein des Russen presste. Doch dies registrierte Ray kaum. Seine Aufmerksamkeit war auf Kais Gesicht gelenkt. Es war nah. Und so ernst. Kais Muskeln waren angespannt. Und seine Augen funkelten, obwohl es so dunkel war, dass Ray nur Umrisse erkannte.

Unbewusst leckte Ray sich über die Lippen. Er war nervös und wie gelähmt.

Der Anblick war so atemberaubend, der Moment unreal. Er fühlte sich plötzlich schwach, aufgeregt, glücklich. Alles zur selben Zeit. Seine Gefühle waren so überwältigend, dass er sie kaum ertragen konnte. Sein ganzer Körper kribbelte, sein Kopf war heiß, sein Herz hämmerte noch immer wie wild in seiner Brust, seine Beine waren kraftlos, seine Kehle trocken und sein Magen verkrampfte sich so stark, dass es schmerzte.

Dann trat Kai einige Schritte zurück und der Moment war vorüber.

Ray drehte sich sofort um und ließ sich möglichst unauffällig, und mit zittrigen Knien gegen die Scheibe sinken. Kai stand nur wenige Schritte von ihm entfernt, doch die Dunkelheit hatte begonnen ihn zu verschlucken, sodass Ray sich anstrengen musste, um sein Gesicht genau zu lesen.

"Was willst du?", fragte er schließlich mit schwacher Stimme und versuchte unbemerkt tief Luft zu holen. Er musste sich beruhigen.

Kai senkte den Kopf und sah ihn von unten fragend an.

"Kann ich dich was fragen?", wollte er schließlich wissen.

"Klar.", antwortete Ray. Im selben Moment schossen ihm Tausende von Möglichkeiten durch den Kopf, was genau das war, was Kai jetzt fragen würde. Seltsamerweise waren alle Möglichkeiten entweder kitschig oder unrealistisch. Oder verletzend.

"Erinnerst du dich an den einen Tag, als wir ins Dorf gehen wollten?", fragte Kai dann ernst und mit solch einer Ruhe, dass es Ray umso nervöser machte. Diese Frage war eine Möglichkeit, die er nicht Erwägung gezogen hatte.

"Ja, das war der Tag kurz bevor du...", begann Ray vorwurfsvoll, mit trockener Kehle und verletztem Unterton, doch fühlte sich nicht imstande den Satz zu beenden. Kai schien zu verstehen, worauf der Chinese hinauswollte, doch zeigte keine Reaktion. Vermutlich hatte er mit solch einer Antwort gerechnet.

Er starrte Ray einfach nur an. Mit diesen funkelnden Augen, die aus dem dunklen Gesicht so sehr hinausstachen.

Ray schluckte trocken. Er hätte alles für ein Glas Wasser getan oder dafür, dass sein Blut nicht mehr so laut in seinen Ohren rauschen würde, dass sein Herz nicht mehr so schnell schlug und dass seine Beine nicht mehr so taub und schwach wären.

"Ich würde das gerne nachholen.", sagte Kai schließlich mit ruhiger Stimme und tiefem rauen Ton.

"Was?", rief Ray reflexartig aus und brauchte die Unterstützung der Scheibe in seinem Rücken mehr denn je.

"Ich würde den Anderen morgen frei geben,", erklärte Kai ernst, doch seine Stimme war merkbar angespannter, sein Körper ebenso, "und wir könnten... zusammen ins Dorf... Wenn du das willst."

Dann räusperte er sich und wandte den Blick ab, zeigte das erste Mal in dieser Situation, dass er nicht so ruhig war, wie er wirkte.

Ray wusste nicht wie er sich fühlen sollte. Ein Lächeln legte sich wie von alleine auf sein Gesicht, aber gleichzeitig war er auch sehr skeptisch.

"Ich...", stammelte er und biss sich auf die Unterlippe. "Weißt du, ich... Ähm... Klar."

Sein Mund sprach von alleine.

Kai hob daraufhin den Blick und schien zu versuchen in Rays Gesicht zu lesen. Es hatte den Anschein, dass er sehr lange brauchte, um Rays Worte zu verstehen, denn plötzlich straffte er seine Haltung ein wenig und seine Augen nahmen einen Ausdruck an, den Ray wirklich noch nie bei ihm gesehen hatte und auch nie dachte, dass er ihn jemals sehen würde: fassungslose Freude.

Ein Mundwinkel von Kai zuckte kurz und dann lächelte er eines seiner seltenen zerbrechlichen Lächeln. Sanft, fast schüchtern und ehrlich dankbar. Es erhellte sein Gesicht, verlieh ihm diesen ungewohnten sanften Ausdruck und war etwas, was Ray bei Kai gerne öfter sehen würde.

Und wie alles Schöne war es viel zu schnell vorbei.

Kais Gesicht nahm nach einem viel zu kurzem Augenblick wieder den üblichen undurchdringbaren Ausdruck an und er wandte sich zum Gehen.

"Morgen Nachmittag?", fragte er schließlich noch während er mit dem Rücken zu Ray stand.

"Klar.", flüsterte Ray. Zu mehr war er nicht mehr imstande.

"Okay.", antwortete Kai. Seine Stimme klang seltsam und Ray war sich nicht sicher, doch er hörte sich fast atemlos an. Als ob Kai die Situation selbst noch verarbeiten musste.

Er schickte Ray noch einen letzten Blick über seine Schulter hinweg und ging dann wieder hoch.

Ray schaute ihm mit klopfendem Herz nach.

Hatten sie jetzt so was wie ein Date?
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Haben sie ein Date? Ich weiß nicht.

Was würdet ihr sagen ;)
 

Puh, das Kapitel hat lange gedauert. Sorrü

Ich hätte es heute eigentlich schon früher zum Freischalter geschickt, aber ich sag mal... ich war gestern noch feiern und habs übertrieben und mir gings echt mies und deshalb konnte ich das Kapitel erst heute Abend fertig stellen.
 

So, hoffe euch gefällts und macht euch schon mal in den nächsten Kapiteln gefasst auf Romantik und Flirten und alles, was dazu gehört ^___^
 

Wuah, aber ich muss jetzt ins Bett. Schreib morgen ne Klausur, für die ich noch nichts gelernt hab und muss das morgen früh nachholen. °___°
 

Und noch was: über 120 Kommis???!!!

O.O

Ihr seid sowas von bekloppt... Ich dachte, ich krieg nene Kollar, als es immer mehr wurden. Nicht, dass mich das stören würde XD

Aber ich wollte mich dafür noch bedanken. Also danke!!

*alle durchflausch*
 

Wünsch euch noch nen wunderschönen Tag und hoffe, dass ihr keine Alkoholekszesse durchlebt habt ;)

Haltet euch fern von dem Teufelszeug, Kinners...
 

Das wars aber jetzt auch wirklich.

also bai bai

astin =:)
 

*sich verpiss*

Lektion XI: Die richtigen Worte zu finden

Ganz zu Anfang: Es tut mir leid!!!

Ich weiß, dass das Kapitel hier sehr, seeeeeehr lang gedauert hat.

Sorry dafür!!

Wünsche euch jetzt aber viel Spaß und hoffe, ihr habt die letzten Kapitel nicht schon vergessen *drop*
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Liebe kann einen niederschmettern oder zu Dingen befähigen, die unmöglich erscheinen. Ray hatte bis jetzt nur die erste Variante zu spüren bekommen, auch wenn er in den Momenten, wo er sich wegen Kai schlecht - geradezu miserabel - gefühlt hatte, dies nie mit Liebe oder Liebeskummer in Verbindung gebracht hatte.

Doch dies war alles sowieso nicht mehr wichtig, denn Ray war gerade dabei die zweite Variante kennen zulernen.

Während er alleine in der Küche am schon lange gedeckten Frühstückstisch saß, stellte er erstaunt fest wie schnell man manche Dinge vergaß, wenn etwas Gutes passierte. Wie schnell er vergaß, was Kai ihm angetan hatte, nur weil sie an diesem Tag zusammen ins Dorf gehen wollten. Er war sich darüber bewusst, dass er plötzlich keinen Gedanken mehr daran verschwendete, Kai darauf anzusprechen, warum er Ray tagelang wie Dreck behandelt hatte, doch es interessierte ihn nicht.

Sein Kopf war das erste mal, seit zu langer Zeit, nicht voller Probleme oder schmerzlichen Erinnerungen und das wollte er einfach mal genießen. Außerdem waren seine Gedanken mit anderen Dingen so sehr angefüllt, dass für Probleme im Grunde gar kein Platz mehr war und der Rest seines Körpers befand sich in einem geradezu schwebeartigem Zustand, der es ihm unmöglich machte, sich auch nur irgendwie schlecht zu fühlen. Er fand es zwar seltsam sich so leicht zu fühlen, obwohl er ganz normal auf dem Stuhl saß. Möglicherweise war es aber auch der Schlafmangel, was Ray allerdings bezweifelte, denn er war kein bisschen müde. Noch nicht einmal ansatzweise.

Dazu war sein Körper aber auch viel zu angespannt, sein Magen viel zu nervös, er selbst viel zu aufgeregt. Nervosität, Freude und Aufregung war das einzige, was er noch spürte. Es war ein belebender Cocktail, vor allem da diese Mischung seines Gemütszustandes sich so sehr von der anderen Mischung unterschied, die ihn die letzten Tage so gequält hatte. Diese Mischung aus Verwirrung, Verletztheit und Melancholie.

Rays Augen wanderten über den Tisch, der mit Essen überfüllt war. Es war alles da: Toastbrot, Brötchen, normales Brot, Vollkornbrot, Marmelade, alle möglichen Sorten Wurst, Käse, Honig, Kaffee, Tee, Orangensanft. Er hatte sogar extra Croissants, Pfannkuchen und Rührei gemacht. Warum er sich solch eine Mühe gemacht hatte, wusste er selbst nicht. Nachdem er nur kurz geschlafen hatte und dann aufgewacht war, nicht imstande wieder einzuschlafen, hatte er sich einfach spontan entschieden Frühstück zu machen, obwohl er selbst eigentlich gar keinen Hunger gehabt hatte und noch immer nicht hatte. Wenigsten würde Tyson sich freuen.

"Morgen, Ray.", sagte jemand mit besorgtem Unterton in der Stimme. Noch ehe Ray den Blick hob, um nachzusehen, wer die Küche betreten hatte, hatte er die Stimme als Max' identifiziert. Als er ihn schließlich anschaute, lächelte dieser fragend und öffnete den Mund, um vermutlich nachzufragen wie es Ray ging, doch dieser kam ihm zuvor.

"Morgen, Max.", strahlte er und deutete auf den Stuhl gegenüber von sich. "Setz dich doch. Ich hab Frühstück gemacht."

Max runzelte die Stirn und sah Ray mit geöffnetem Mund skeptisch an. Das Unverständnis war ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. Doch als Ray weiterhin einfach lächelte, erwiderte Max es erleichtert, wenn auch noch ein wenig irritiert.

"Wow.", sagte er und fand innerhalb weniger Sekunden zu seiner fröhlichen Art zurück. "Du hast aber gute Laune. So hab ich dich ja schon lang nicht mehr erlebt. Hab ich irgendwas verpasst?"

"Nichts wichtiges.", winkte Ray ab und deutete erneut auf das Essen und den Stuhl. "Reservier dir lieber schon mal was zu Essen, bevor Tyson kommt."

"Was ist mit mir?", fragte Tyson während er gerade in die Küche geschlurft kam. Seine Stimme klang verschlafen und er sah allgemein noch sehr müde aus. Seine Haare standen ihm wild vom Kopf ab, sein Augen waren noch geschwollen und nur halb geöffnet und er gähnte laut und ausgiebig.

"Nichts.", antwortete Ray sofort grinsend. "Willst du was essen? Ich hab Frühstück gemacht. Ganz viel."

Sofort war Tyson hellwach. Sein Gesicht hellte sich auf und seine Augen schweiften glänzend über den gedeckten Tisch.

"Woah!", rief er begeistert. "Hast du Geburtstag? Hat irgendwer Geburtstag? Hab ich was verpasst?!"

Ray grinste als Antwort nur, während Max sich kopfschütteln, aber lächelnd, setzte und Tyson zu dem Stuhl daneben regelrecht stürmte und sich mit einem kurzem Sprung darauf fallen ließ. Sofort griff er nach einem Brötchen, doch Max hielt ihm am Handgelenk fest.

"Warte doch bis die anderen kommen.", mahnte er, doch musste über Tysons Ungeduldigkeit lachen.

"Aber Maaax.", quengelte Tyson und setzte seinen besten Dackelblick auf, der von dem Blonden allerdings gekonnt ignoriert wurde. Ray lächelte daraufhin nur still vor sich hin und schaute ungeduldig zur Tür. Die wichtigste Person fehlte noch und er hatte sich noch nie so sehr darauf gefreut, Kai zu sehen wie in diesem Augenblick. Er sollte auch nicht mehr lange warten müssen, denn nur wenige Minuten, und neugierige Fragen seitens Max und Tyson über seine ausgewechselte Stimmung, später, kam Kai durch die Tür, dicht gefolgt von Kenny. Doch Ray beachtete Kenny nicht, er beachtete auch Max und Tyson nicht mehr. Ab diesem Moment beschränkte sich seine Sicht - seine Welt - nur noch auf Kai. Alles um den Russen herum verschwamm zu farbigen Flecken.

Rays Hormone spielten verrückt, jagten Endorphine durch seine Adern. Sein Bauch kribbelte, ihm wurde heiß und sein Herz reagiert mit schnellem Schlagen auf Kais Auftauchen. Er starrte den Russen einfach nur an, gefangen von seiner Erscheinung, seinen Bewegungen.

Kai richtete seine Augen sofort auf Ray und als sich ihre Blicke trafen, konnte Ray nicht anders als zu lächeln. Kai lächelte nicht zurück, doch seine Augen gaben ihm Antwort genug, denn sie strahlten den Chinesen regelrecht an. Zwei funkelnde rotbraune Kristalle in einem Meer aus Eis.

Der Moment dauerte nur Sekunden, doch kam Ray gleichzeitig viel länger und viel kürzer vor. Er war so berauscht, fühlte plötzlich eine solche Zufriedenheit, dass er kaum mitbekam, dass Kai sich neben ihn setzte. Als er dies realisierte wurde er nervös. Und fing an zu zittern.

"Ray!", rief plötzlich Kenny rechts neben ihm, woraufhin Ray ihm erschrocken den Kopf zuwandte und ihn fragend ansah. Seine zittrigen Hände legte er schnell auf der Tischplatte ab und versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

"Man, was bist du heute komisch drauf.", murmelte Kenny verwirrt. "Seit wann starrst du denn in der Gegend rum und träumst mit offenen Augen?"

Ray wurde rot. Er spürte wie seine Ohren heiß wurden und seine Wangen brannten. Er hoffte, dass die anderen - dass Kai! - nichts mitbekommen hatte.

"Sorry.", nuschelte Ray verlegen. "Was gibt's?"

"Ich wollte nur die Butter."

"Butter?", fragte Ray irritiert nach. Er hing mit seinen Gedanken eindeutig hinterher und starrte Kenny nur mit großen Augen an, als sich etwas Weißes in sein Gesichtsfeld schob.

"Butter!", klärte ihn eine tiefe Stimme von links trocken auf, die ihm sofort einen Schauer über den Rücken jagte. "Bekanntlich aus Milch hergestellt und man kann es essen. Die meisten Menschen benutzen sie beim Frühstück, um..."

"Ich weiß, was Butter ist!", murmelte Ray verlegen und riss sie Kai förmlich aus der Hand, um sie Kenny zu reichen, der sich irritiert bei ihm bedankte. Danach starrte Ray Sekundenlang nur vor sich auf seinen leeren Teller und verfluchte sich selbst für seine Dummheit und dafür, dass Kai es mitbekommen hatte.

Kai.

Zögerlich riskierte Ray einen Seitenblick auf den Russen und erstarrte leicht, als er genau in dessen Augen blickte. Ray musste schlucken und wollte den Blick schnell wieder abwenden, als sich Kais Miene veränderte und sich ein wissendes Lächeln auf sein Gesicht legte. Nur leicht, nur kurz, aber eindeutig wissend!

Nur was , zum Henker, wusste er?!

Vor allem Kai. Er war doch am wenigsten von ihnen imstande, Emotionen, Gefühle, Gedanken aus Gesichtern oder Handlungen von Menschen zu lesen. Oder?

Und wenn er es doch konnte, war da die Frage, was er woraus gelesen hat. Ray wandte seufzend den Blick ab, denn er hatte sowieso keine Möglichkeit, dies herauszufinden.

"Willst du nichts essen?", fragte Max, woraufhin Ray verwundert aufsah.

"Was?", fragte er.

"Ich hab gefragt, ob du nichts essen willst.", wiederholte Max mit einem verwirrtem Lächeln auf den Lippen.

"Oh.", sagte Ray verstehend und blickte auf seinen leeren Teller. "Ich weiß nicht. Ich glaub, ich hab keinen Hunger."

Max runzelte die Stirn.

"Alles okay?", fragte er nach, doch Ray nickte nur schnell und lächelte.

"Alles bestens.", antwortete er, doch fügte in Gedanken schnell dran: 'Ich bin nur zu aufgeregt, um auch nur einen Bissen runterzukriegen.'

Während des Frühstücks aß er aber dann doch schließlich eine Kleinigkeit. Auch sein Herz beruhigte sich und er hörte auf zu zittern, nur das Kribbeln im Bauch blieb, was aber sozusagen Kais Schuld war, denn er schickte Ray das komplette Frühstück über immer wieder Seitenblicke, manchmal sogar gepaart mit einem kleinen, sanften Lächeln. Seine Miene war ansonsten einfach nur seltsam und undeutbar.

Am Ende des Frühstücks sagte Kai schließlich einen Satz, der Ray noch einmal bestätigte, dass er die Szene, die diese Nacht passiert ist, nicht nur geträumt hatte.

"Ihr habt heute frei.", sagte Kai kühl und trank einen Schluck Kaffee.

Die fassungslose Stille, die danach herrschte war fast greifbar. Ein lautes Klirren schallte durch die Küche als Tysons Messer auf die harten Fliesen des Fußbodens fiel und echote in Rays Kopf nach während er Kai, schon wieder lächelnd, ansah. Ein kurzer Seitenblick auf die anderen bestätigte ihm seine Vermutung, dass sie nicht denselben zufriedenen Gesichtsausdruck hatten wie er selbst. Noch nicht, vermutlich.

Vorerst starrten sie Kai entgeistert an. Tyson mit offenem Mund, Kenny mit gerunzelter Stirn und Max mit einem ungläubigen Lächeln. Max war auch der erste von ihnen, der sich wieder fing.

"Frei?", fragte er verwirrt. "Aber warum..."

Der Rest des Satzes wurde von Tysons Hand gedämpft, die sich fast panisch bei ihm auf den Mund presste.

"Max, ist doch egal warum.", flüsterte aus dem Mundwinkel während er Kai entschuldigend anlächelte. "Sag am besten gar nichts, sonst überlegt er es sich noch anders."

"Bist du krank, Kai?", fragte Kenny schließlich skeptisch, doch erhielt als Antwort nur eine angehobene Augenbraue von Kai und einen fast verzweifelten Blick von Tyson. Als Kai seinen Kopf von Kenny wieder abwandte, schweifte sein Blick kurz über Ray und dieser eine Blick sagte soviel. Dass ihr Treffen sicher war, dass Kai bereit war, seine Versprechen zu halten, dass Ray ihm wichtig war...

Dann trank Kai, äußerlich sehr ruhig, einen weiteren Schluck Kaffee.

Und damit war es beschlossen. Kenny, Max und Tyson hatten frei und Kai und Ray würden ins Dorf gehen, zumindest hoffte Ray das.
 

~oOo~
 

Gegen Mittag fand sich Ray, zusammen mit Max und Tyson in der Küche wieder. Sie saßen am Tisch und freuten sich über ihren freien Tag. Vor allem Tyson.

"Das ist toll!", strahlte er. "Ich weiß zwar nicht, wieso wir das verdient haben, aber das ist mir auch egal."

"Hey, Ray.", wandte sich Max an den Chinesen. "Wir wollen gleich Skifahren. Kommst du mit?"

Rays Augen weiteten sich ganz leicht. Er war verwirrt, wusste eigentlich gar nicht warum. Seine Gedanken rotierten.

"Von wollen kann gar nicht die Rede sein.", mischte Kenny sich ein, der soeben die Küche betreten hatte.

"Ach, quatsch.", widersprach Tyson. "Skifahren macht Spaß."

"Hast du denn vergessen, was letztes Mal war?!", seufzte Kenny und schüttelte den Kopf.

"Ach!", winkte Tyson ab. "Dieses mal hat Kai uns doch offiziell frei gegeben. Wir werden also keinen Berg hochgejagt."

"Das meinte ich gar nicht.", murmelte Kenny und setzte sich mit an den Tisch. "Ich meinte, dass ich mir fast alle Knochen gebrochen hab."

"Das ist normal.", lächelte Max aufmunternd. "Also dass man hinfällt. Nicht das mit dem Knochenbrechen." Er lachte kurz auf. "Außerdem bist du doch schon viel besser geworden."

"Ja ja.", seufzte Kenny, doch lächelte. Er würde wohl mitkommen.

"Hey, wir sind vom Thema abgeschweift.", mischte sich Tyson wieder ein und wandte sich an Ray. "Kommst du jetzt mit?"

"Ich... ähm... oh.", stammelte Ray und wurde rot. "Also... ich... eher nicht."

"Was?", rief Tyson enttäuscht. "Wieso denn nicht? Das ist lustig! Kenny, sag doch auch mal was!"

"Was?", rief Kenny verwirrt.

"Tyson.", sagte Ray entschuldigend und zog die Aufmerksamkeit des Blauhaarigen wieder auf sich. "Ich hab schon... was anderes vor."

"Und was, wenn ich fragen darf?", empörte Tyson sich. "Und du fragst uns noch nicht einmal, ob wir mitwollen?!"

"Naja, ich...", begann Ray und suchte nach den richtigen Worten. "Also..."

Das hier war einfach nur peinlich.

"Sag schon, Ray.", lachte Max. "Was fängst du mit deinem freien Nachmittag an?"

"Ich...", begann Ray mit hochrotem Kopf. "Nun ja, ich... na ja... Kai und ich wollen ins Dorf."

"Uarghs.", machte Tyson nur. "Da will ich eh nicht mit. Kann ja nur langweilig werden."

Ray ließ dies alles unkommentiert stehen, denn er hatte Angst sich zu verplappern.

"Mit Kai?", fragte Max interessiert nach. "Habt ihr euch wieder vertragen?"

"Vertragen?", wiederholte Ray irritiert. "Wir haben und doch nie gestritten. Also nicht richtig."

"Du weißt, was ich meine.", antwortete Max fröhlich. "Also habt ihr euch wieder... ähm..."

"Ja.", lächelte Ray nachdenklich. "Wir kommen wieder miteinander klar, denke ich."

"Das freut mich.", strahlte Max.

"Wovon redet ihr bitte?", fragte Tyson verwirrt, doch Max winkte nur lächelnd ab.

Kurze Zeit später verließen Kenny, Max und Tyson die Küche und schließlich auch die Hütte. Ab diesem Zeitpunkt war Ray nur noch ein einziges Nervenbündel.
 

~oOo~
 

Es war jetzt genau fünfzehn Minuten her seit Kai in die Küche gekommen war und Ray mit ausdrucksloser Miene, aber seltsamen Blick gefragt hatte, ob sie los wollten. Jetzt standen sie in einer Seilbahn und gondelten langsam ins Tal hinab. Tannen und Schneemassen rauschten gemächlich unter ihnen vorüber, doch weder dies, noch die anderen Menschen, die sich mit in der Kabine befanden und sich unterhielten, interessierten Ray, denn etwas anderes hatte seine vollkommen Aufmerksamkeit und ließ ihn seine Umgebung völlig vergessen: Kai.

Und sein Körper, der so eng bei ihm war, dass er ihn fast berührte.

Hinter dem Schwarzhaarigen befand sich die kühle Glasscheibe, rechts neben ihm eine ältere Frau und links ein Ehepaar mit ihrem Sohn. Vor ihm Kai. Er war also eingekreist, allerdings war dies nicht unbedingt ein Umstand, den Ray als unangenehm bezeichnen würde. Eher als aufwühlend.

Nervös klammerte er seine rechte Hand an die Metallstange, die nur knapp neben Kais Schulter von Boden bis zur Decke reichte und versuchte sich zu beruhigen, versuchte seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Erfolglos. Natürlich. Wie konnte es auch anders sein? Kai machte ihn wahnsinnig, seine Nähe war kaum auszuhalten, aber gleichzeitig auch so berauschend, so notwenig. Doch das Schönste an diesem Moment war, dass Kai freiwillig so nah bei ihm stand. Die Kabine war nicht besonders voll und wenn Kai gewollt hätte, hätte er gut einen Meter Abstand zwischen sie bringen können, doch anscheinend wollte er nicht, denn er hatte sich, sobald die Türen der Seilbahn geschlossen waren, so dicht zu Ray gestellt wie er jetzt stand. Ohne dass er gedrängelt wurde, ohne dass er sonst in irgendeiner Form dazu angeleitet wurde. Freiwillig.

Und genau das war der Grund dafür, dass Rays Magen sich vor Freude, Aufregung, aber vor allem Hoffnung in ständigen leichten Schüben verkrampfte und sein ganzer Körper kribbelte.

Fröhlich schaute Ray auf.

"Kai?", sagte er lächelnd, woraufhin Kais Blick sofort in seine Richtung huschte.

"Ja?"

"Wo gehen wir gleich hin?", fragte er neugierig und schaute den Russen mit großen Augen an, doch Kai reagierte seltsam. Seine Augen weiteten sich ganz leicht, sein Blick wanderte Richtung Boden und dann runzelte er kaum merklich die Stirn.

"Naja, worauf hast du denn Lust?", fragte er schließlich fast ein wenig irritiert.

"Oh, ich weiß nicht.", antwortete Ray schulterzuckend. "Ich war bis jetzt ja nur zum Einkaufen im Dorf. Ich kenn mich da jetzt nicht so aus. Weißt du, was man da so machen kann?"

"Nein.", war die knappe Antwort. Dann trat Kai einen Schritt zurück, drehte sich halb herum und starrte aus dem Fenster. Ray runzelte die Stirn, betrachtete Kai verwirrt und seufzte leise. Schließlich blickte er auf seinen Fuß, mit dem er anfing, über den Boden zu scharren und dachte ein wenig nach. Er war enttäuscht, dass Kai wieder von ihm abgerückt war und fragte sich, was er falsch gemacht hatte. Er hoffte, dass Kai nicht wieder alles verderben würde, indem er sich verschloss oder unfair wurde.

Er hoffte es wirklich.

Die Seilbahn kam in der Talstation an und sie stiegen zusammen aus. Kai ging zielstrebig durch die kleine Halle zum Ausgang. Ray folgte ihm und konnte nicht anders, als seinen Teamchef zu beobachten, zu mustern, zu bewundern. Er trug einen schwarzen Mantel, eine helle Hose und seinen langen weißen Schal. Ray fand, dass er noch nie so gut ausgesehen hatte wie an diesem Tag.

Auf dem Bürgersteig blieb Kai stehen und drehte sich zu Ray um. Als sich ihre Augen trafen, als Kai ihn so erwatungsvoll ansah, wäre Ray am Liebsten stehen geblieben, um den Moment länger hinaus zu zögern, doch entschied sich dagegen und ging weiter bis er neben dem Russen zum Stehen kam. ANsonsten wäre es wohl ein wenig seltsam rüber gekommen.

"Dann schauen wir uns mal um.", meinte Kai, wandte seinen Kopf auch sofort ab und sah suchend die Straße hinunter. Ray allerdings kam der Aufforderung nicht nach, sondern betrachtete seinen Teamcaptain genauer, denn etwas war seltsam. Schon wieder. Er konnte es nicht genau definieren, doch etwas stimmte nicht. Etwas in Kais Stimme, in der Art wie er sich plötzlich bewegte oder wie sein Gesichtausdruck sich veränderte erregte Rays Misstrauen, doch er wusste nicht genau warum. Es war einfach ein Gefühl, welches nicht greifbar war, aber ihn ein wenig nachdenklich stimmte.

"Komm mit.", riss ihn Kai dann aber aus den Gedanken. Er klang wieder normal und er sah wieder normal aus, also tat Ray seine Beobachtungen als Irrtum ab und lächelte, während er neben Kai herlief.

"Wo gehen wir hin?", fragte er. "Weißt du was?"

"Wie wär's, wenn wir ein Eis essen gehen und dann bereden, was wir machen.", schlug Kai vor und sah Ray fragend an. Seltsamerweise wirkte er angespannt und irgendwie nervös. Ray erkannte es an der Weise wie er seine Hand in seinem Mantel verkrampfte und wie seine Kiefermuskulatur sich ständig anspannte.

Allerdings war dies nicht das, was Ray vor wenigen Sekunden zu denken gegeben hatte, doch es stand zumindest damit in Zusammenhang. Hingegen dem 'etwas', was Ray nicht zu deuten vermochte, beruhigte ihn Kais Nervosität und in gewisser Weise fand er es sogar süß.

"Klar, warum nicht?", strahlte Ray und bemerkte wie Kais Gesicht sich sofort entspannte.

"Gut.", antwortete Kai und lächelte sogar kurz. "Ich glaube, die Straße runter ist ein Café."

Sie liefen einige Meter schweigend, bis Ray Kai von der Seite ansah und einfach lächeln musste. Er war fröhlich, dabei waren sie erst seit wenigen Minuten unterwegs. Kai bemerkte irgendwann, dass er angestarrt wurde und sah Ray irritiert an.

"Was ist?", fragte er und richtete irritiert seinen Schal.

"Nichts.", murmelte Ray, noch immer lächelnd und wandte den Blick ab.

Am Café angekommen, öffnete Kai für Ray die Tür, für was dieser sich mit einem Lächeln bedankte und eintrat. Es war ein kleines Café mit hellen Wänden und rustikaler Dekorierung, die Tische waren alle besetzt, doch Kai und Ray hatten Glück, da zwei ältere Frauen gerade dabei waren ihre Mäntel anzuziehen und somit ein Tisch frei wurde. Kai steuerte direkt darauf zu und setzte sich auf die Sitzbank, die an der Wand stand, wo er seinen Mantel von den Schultern gleiten und ihn einfach hinter seinem Rücken liegen ließ. Ray setzte sich ihm gegenüber und hängte seinen Mantel ordentlich über die Stuhllehne. Er lächelte Kai nervös an, doch dieser starrte einfach zurück, ohne jede Reaktion.

Nur seine Augen hatten einen gewissen Glanz, der schon fast fiebrig war und zeigten, dass Ray Kais vollkommenes Interesse hatten. Mit diesem Blick war es um Ray geschehen. Würde der Tag hier enden, wäre es nicht schlimm gewesen. Doch lieber war es Ray immer noch, dass dies nicht geschah, was auch vorerst nicht passieren sollte.

Da die Stille zwischen ihnen Ray nervös machte, wollte er gerade den Mund öffnen, um irgendwas banales zu sagen, als eine Kellnerin an ihren Tisch kam und die zwei Tassen abräumte, die die beiden älteren Frauen stehen gelassen hatten.

Ray lächelte sie dankbar an und sah Kai danach wieder an. Dieser sah zurück und griff nach der Karte, die auf dem Tisch lag.

"Lass uns was aussuchen.", sagte er im Plauderton und schlug die erste Seite auf. Da nur eine Karte auf dem Tisch lag, stützte Ray seinen Kopf auf beide Hände ab und versuchte sie kopfüber zu lesen.

"Setz dich doch einfach neben mich.", murmelte Kai, ohne den Blick von der Karte zu nehmen. "Das wäre doch unkomplizierter."

"Neben dich.", wiederholte Ray mit dünner Stimme. "Ja, klar."

Während er aufstand, musste er das dringende Bedürfnis unterdrücken, sich selbst zu ohrfeigen. Seiner Meinung nach, verhielt er sich wie ein Idiot. Sich innerlich Mut zusprechend und seinen Körper beschimpfend, er solle sich endlich beruhigen, ließ er sich neben Kai auf die Bank nieder und sah angestrengt in die Karte. Allerdings war er nicht fähig sie zu lesen, denn er sah die Buchstaben zwar, doch war nicht mehr in der Lage die Worte zu verstehen, denn Kais Nähe raubte ihm mal wieder den letzten Rest Konzentration.

"Du kannst ruhig näher rücken.", brummte Kai plötzlich neben ihm. Es war kein genervtes Brummen, sondern eher ein unbehagliches, als ob er sich zu diesem Satz hatte überwinden müssen. So oder so jagte es Ray einen Schauer über den Rücken. Als er aufsah, starrte Kai fast verbissen in die Karte, was den Chinesen zum Lächeln brachte und ihm ein wenig die Angst nahm (, von welcher Ray eigentlich nicht genau wusste, warum er sie überhaupt hatte). Dass Kai so angespannt war zeigte Ray nämlich, dass sie beide wohl dasselbe Problem hatten.

Der Schwarzhaarige beschloss Kai entgegenzukommen, in zweierlei Hinsicht und rückte ein Stück näher, so nah, dass sich ihre Schultern berührten. Schließlich schob er auch sein Bein ein wenig zur Seite, sodass sich auch ihre Knie berührten. Kai war warm, fast sogar unnatürlich heiß und Rays Herz reagierte mit aufgeregtem Schlagen auf die Berührungen zwischen ihnen, obwohl er sie selbst ausgelöst hatte.

"So besser?", fragte er in fast anzüglichen Ton, versuchte seine Aufregung zu verstecken und sah absichtlich mit gelangweiltem Gesichtsausdruck in die Karte. Aus den Augenwinkel nahm er allerdings genau war, dass Kai aufsah. Der Russe sah ihn lange an, schien ihn genau zu mustern und schließlich schaute Ray auch wieder auf. Er wollte eigentlich einen fragenden Blick aufsetzen, so als ob er nicht wüsste, was Kai hatte, doch das war ihm nicht mehr möglich als er in die rotbraunen Augen des Russen sah, denn dessen Blick war so ungläubig, so zweifelnd, mustern, vor allem aber zerstreut.

Mit einem Mal war Rays Mut verschwunden und er brachte nur wieder ein nervöses, fast schüchternes Lächeln zustande und starrte wieder in die Karte.

"Ray, ich...", begann Kai mit seltsam atemloser Stimme, doch wurde durch die Kellnerin unterbrochen.

"Haben Sie schon gewählt?", fragte sie im freundlichen, aber eindeutig aufgesetzten Tonfall.

Ray hob seinen Kopf und wollte freundlich ablehnen, doch noch ehe er die Chance hatte, den Mund überhaupt zu öffnen, wies Kai die Kellnerin zurecht.

"Sehen wir so aus, als ob wir gewählt hätten?!", stellte er zischend die genervte Gegenfrage, woraufhin Ray ihn erstaunt von der Seite musterte. Er kannte Kai jetzt schon sehr lange, doch seine Stimmungswechsel überraschten ihn jedes Mal von neuem.

Sein Blick allerdings nicht, denn der war eiskalt und allein der Kellnerin gewidmet, die sie gestört hatte. Diese lächelte entschuldigend.

"Dann komm ich wohl später wieder.", murmelte sie und verschwand.

"Du wolltest was sagen?", wandte Ray sich wieder an Kai, doch dieser schien über die Frage recht überrascht.

"Was?", fragte er verwirrt. "Oh, ja, ich ... äh... wollte sagen: Ich... nehme einen Kaffee, und du?"

Ray blinzelte zerstreut, doch konnte sich plötzlich nicht davon abhalten leise aufzulachen. Er wusste, dass das nicht das war, was Kai hatte sagen wollen.

"Das hättest du aber der Kellnerin sagen sollen, nicht mir.", lächelte er und bewirkte, dass Kai erst verwirrt blinzelte und dann knurrend und leise fluchend in die Karte starrte. Ray beobachtete ihn noch kurz schmunzelnd, es war schließlich recht selten Kai unkonzentriert und nervös zu erleben, doch begann schließlich doch sich endlich etwas auszusuchen während sich ihre Schultern, und mittlerweile auch ihre Oberschenkel, noch immer berührten.

Als die Kellnerin das nächste Mal zu ihrem Tisch kam, wandte sie sich nur noch an Ray, was den Anschein erweckte, dass sie ein wenig beleidigt war, dass Kai sie so unfreundlich abgefertigt hatte. Ray bestellte also für sie beide und war danach aber unschlüssig, ob er neben Kai sitzen bleiben oder wieder auf seinen Platz zurückgehen sollte. Ersteres wäre ihm natürlich lieber.

Dennoch entschied er sich dagegen.

Immerhin konnte er Kais Gesicht besser sehen, wenn er ihm gegenübersaß.

"Ich setz mich dann mal wieder zurück.", murmelte Ray so leise, dass er flüsterte und stand auf. Als er sich wieder auf seinen Stuhl setzte und Kai musterte, fand er, dass dieser fast ein wenig trotzig aussah.

"Kai.", sagte Ray deshalb lächelnd. "Ich find's schön, dass wir hier sind."

Kai sah ihn daraufhin erst einmal nur mit leicht geöffnetem Mund und vor Überraschung geweiteten Augen an, doch dann zuckten seine Mundwinkel und er lächelte zurück. Während er den Blick nicht von Ray nahm, holte er Luft, öffnete den Mund, um zu antworten, doch schloss ihn wieder. Schließlich sah er wieder fort.

Ray war einerseits enttäuscht keine Antwort bekommen zu haben, doch andererseits wusste er auch, dass Kai sich mit solchen Dingen sehr schwer tat. Er seufzte leise.

Kurze Zeit später brachte die Kellnerin ihnen ihre Bestellung. Ray einen Schokoladeneisbecher und Kai einen Kaffee (,den Ray nur unter Protest bestellt hatte).

"Willst du wirklich kein Eis?", fragte Ray während er mit glänzenden Augen den riesigen Eisbecher betrachtete.

"Nein.", antwortete Kai sofort. "Ess ich nicht so gern."

Ray nahm seinen Löffel und wollte gerade anfangen zu essen, als ihm etwas einfiel.

"Warum sind wir dann hier, wenn du kein Eis magst?", fragte er nachdenklich. "Wir hätten auch..."

"Schon gut.", winkte Kai ab. "Ich hab meinen Kaffee, das reicht mir. Außerdem bist du h... Außerdem magst du Eis."

Kais kleiner Versprecher verursachte ein unbeschreibliches Gefühl der Zufriedenheit in Ray und bewirkte, dass er errötete. Seine Wangen brannten und kribbelten.

Hastig sah er fort, begann zu essen und konzentrierte sich nur noch auf sein Eis, allerdings nur solange bis er wieder das Bedürfnis hatte Kai anzusehen und den Blick wieder hob. Der Russe hatte den Kopf in die rechte Hand gestützt und schaute zurück, doch Ray wurde das Gefühl nicht los, dass er die ganze Zeit über wohl beobachtet wurde.

"Schmeckt's?", fragte Kai ruhig.

"Ja, ist lecker.", lächelte Ray und hielt Kai einen Löffel Eis mit Sahne entgegen. "Mal probieren?"

"Oh, ich ... nein.", antwortete Kai irritiert, doch wenig überzeugend.

"Och, komm schon.", versuchte Ray es deshalb weiter und setzte seinen besten Dackelblick auf. "Ist echt lecker."

"Okay, überredet.", resignierte Kai, doch lächelte leicht.

"Mund auf.", befahl Ray daraufhin und freute sich riesig, dass die Stimmung zwischen ihnen lockerer wurde und seine Nervosität auch langsam weniger wurde.

Kai rollte zwar mit Augen, doch gehorchte und öffnete den Mund. Ray starrte auf die geöffneten Lippen und vergaß für einen Moment, was er eigentlich vorgehabt hatte, ehe er sich erinnerte und Kai mit dem Eis fütterte. Er konnte währenddessen nichts anderes, als auf Kais Mund zu starren, war wie hypnotisiert und musste schließlich schlucken. Selbst wenn Kai nur so etwas Banales tat wie Eis essen, war dies irgendwie einfach nur verdammt sexy.

"Ja, eigentlich ganz lecker.", gab Kai zu und riss Ray aus seinen Gedanken, welcher kurz daraufhin heftigst errötete.

"Sag ich doch.", murmelte er verlegen und aß hastig sein Eis weiter.

Doch nur solange bis ein Geräusch zu ihm drang, dass eindeutig von Kai kam, was Ray aber nie mit ihm in Verbindung gebracht hätte, denn dieses Geräusch war ein leises Auflachen. Irritiert blickte Ray auf und musste feststellen, dass er sich nicht geirrt hatte. Kai saß wirklich vor ihm, den Mund halb hinter der rechten Hand, auf der er noch immer seinen Kopf abstützte, verborgen und lachte. Nur leise und überwiegend an dem Beben seines Oberkörpers zu erkennen, doch er lachte.

Nur worüber...?

"Was ist?", fragte Ray verwirrt und voller Neugierde, was Kai zum Lachen brachte, da dies ja immerhin etwas war, was er schon immer hatte sehen wollen. Und jetzt endlich sah er es und es war faszinierend, weshalb Ray, noch bevor Kai antworten konnte, hinzufügte:

"Du solltest öfter lachen. Das steht dir."

Allerdings bewirkte dies, zu Rays Bedauern, dass Kai aufhörte zu lachen und ihn überrascht ansah. Doch nur wenige Sekunden später, zuckten Kais Mundwinkel wieder und er fing erneut an. Jetzt wollte Ray wirklich wissen, was ihn zum Lachen brachte!

"Was ist?", fragte er erneut und sah vorsichtshalber an sich runter.

"Du solltest dich mal sehen.", grinste Kai und versuchte seinen Mund hinter seiner Hand zu verbergen. Seine Stimme klang heller als sonst, fröhlicher und Ray war deswegen kurze Zeit so zufrieden, dass er erst recht spät Kais Worte registrierte.

"Moment.", drohte er daraufhin gespielt empört. ""Du lachst über mich?! Du lachst mich aus?!"

Kai hatte dafür nur ein Schulterzucken und ein Grinsen, was Ray mit einem Lächeln erwiderte.

"Wenn ich schon so bescheuert aussehe, dass du mal lachst, dann hilf mir wenigstens, das wieder in Ordnung zu bringen.", schmollte er danach gespielt und sah Kai erwatungsvoll an. "Also? Was ist?"

Kai nickte nur, lehnte sich nach vorne, streckte seine rechte Hand aus und fuhr mit dem Daumen über Rays Wange, Nase und Stirn. Rays Herz erstarrte bei diesen Berührungen, nur um danach mit heftigen, schnellen Schlägen weiterzuschlagen. Was dem Chinesen dann voll und ganz den Verstand raubte, war Kais intensiver Blick. Der Moment war magisch und Ray kam nicht umhin enttäuscht zu sein, als Kai seine Hand wieder zurückzog.

"Du hattest überall... Eis... im Gesicht.", erklärte er murmelnd, doch wirkte irgendwie verwirrt und starrte nachdenklich auf seine Hand.

"Oh.", machte Ray nur und schluckte. "Danke."

Sein Herz klopfte noch immer hart in seiner Brust und schließlich lachte er einmal nervös auf.

"Naja, muss wohl ziemlich bescheuert ausgesehen haben.", grinste er verlegen.

"Nein, nur irgendwie...", begann Kai, doch schüttelte dann den Kopf und sah zur Seite. "Schon gut, vergiss es."

"Nein, sag!", forderte Ray ihn aufgeregt auf. "Nur irgendwie...?"

Kais Augen wanderten zurück zu Ray und musterten ihn kritisch. Schließlich seufzte der Russe.

"Halt irgendwie...", nuschelte er und räusperte sich. "... süß."

Er räusperte sich erneut und sah zur Seite. Rays Kopf währenddessen fühlte sich an wie vierzig Grad Fieber, sein Blut rauschte in seinen Ohren wie nach zwei Stunden Sport und seine Hände schwitzten wie im Sommer mit Handschuhen. Hastig wischte er sie an der Hose ab.

"D... danke.", stotterte er überrascht und betrachtete Kai genauer. Er schien peinlich berührt und wenn Ray sich nicht irrte, war er sogar ein wenig rot im Gesicht.

Kurz herrschte eine unangenehme Stille zwischen ihnen, bis Ray einmal schluckte und das erste sagte, was ihm einfiel.

"Und? Was machen wir hiernach?", fragte er und strengte sich an normal zu klingen.

Kai sah wieder auf und musterte ihn lange.

"Weiß nicht.", murrte er schließlich, weshalb Ray die Stirn runzelte.

"Nicht schlimm.", antwortete er, noch immer irritiert über Kais Ton. "Wir können uns ja gleich einfach noch mal umsehen."

Kai brummte als Antwort nur einmal kurz auf, was Ray gleichermaßen nervte wie Sorgen bereitete. Ab diesem Zeitpunkt machte Kai das, was Ray befürchtet hatte: Er verschloss sich wieder, was sich in kurzen brummigen Antworten und mürrischem Gesichtsausdruck äußerte.

Zum Ende hin war Ray nicht mehr nur enttäuscht darüber, sondern vor allem gereizt, was dazu führte, dass er ebenso patzige Antworten gab wie Kai. Die Situation schien festgefahren und das war frustrierend.

Schließlich deutete Kai der Kellnerin an, dass sie zahlen wollten, worüber Ray fast froh war. Aber nur fast, denn auch wenn Kai so seltsam war, war Ray zufrieden überhaupt irgendwo mit ihm zu sitzen. Ob brummig oder nicht.

"Zusammen oder getrennt?", fragte die Kellnerin, während sie die Quittung studierte und sich mit dem Kugelschreiber an die Wange tippte.

"Zusammen.", antwortete Kai wie selbstverständlich und reichte der Kellnerin das Geld, ehe Ray etwas sagen konnte. Dieser starrte Kai verwundert an, seufzte dann und schenkte ihm schließlich ein dankbares Lächeln, was Kai zwar registrierte, doch nicht erwiderte.

Der Russe war echt nicht zu verstehen.

Die Kellnerin bedankte sich, wünschte ihnen noch einen schönen Tag und verschwand zu einem anderen Tisch.

"Danke, Kai.", murmelte Ray irritiert. "Das hättest du nicht..."

"Schon gut.", unterbrach Kai ihn. Er wirkte nachdenklich und erneut kam in Ray das Gefühl hoch, dass etwas nicht stimmte.

"Kai?", fragte er deshalb skeptisch. "Ist alles in Ordnung?"

Der Russe betrachtete ihn daraufhin zweifelnd, doch nickte.

"Komm, lass uns gehen.", murmelte er schließlich, stand auf und zog sich seinen Mantel an. Ray tat es ihm seufzend gleich.

Nachdem sie das warme Café verlassen hatten und zurück in der Kälte waren, standen sie einige Sekunden unschlüssig auf der Straße bis Kai willkürlich einfach nach rechts ging. Ray folgte ihm nachdenklich und nicht wenig missgelaunt. Es ärgerte ihn, dass Kai den Tag wieder kaputt machte.

Sie schwiegen und Rays Ärger verwandelte sich in Bedauern. Womöglich waren sie einfach nicht dazu imstande, miteinander auszukommen. Zumindest nicht in dem Maß, dass sich eine Beziehung entwickeln könnte. Bei diesem Gedanken stockte Ray allerdings kurz.

Beziehung.

Wollte er eigentlich eine? Mit Kai? Ging das überhaupt gut?

War er dann nicht auch offiziell... schwul?

Ray warf Kai einen zweifelnden, fast überforderten Seitenblick zu und seufzte laut, ohne, dass er es mitbekam.

Kais Kopf wandte sich ihm zu und er sah ihn fragend an, doch als er Rays Blick erkannte, veränderte sich sein Miene, wurde erneut verärgert. Beleidigt wandte Ray den Blick ab und sah nach vorne. Er entdeckte einen Beybladeshop und beschloss sich abzulenken.

Er lief ein wenig schneller, blieb vor dem riesigen Schaufenster stehen und betrachtete die vielen verschiedenen Beyblades, Starter, Ringe und sogar Taschen.

"Können wir da mal rein gehen?", fragte Ray, wobei er sich um einen neutralen Ton bemühen musste. Kais Getue ging ihm so was von auf die Nerven.

"Ich würde ja zustimmen, aber der Laden hat zu.", antwortete Kai, der einige Schritte weitergelaufen war und deutete auf die Ladentür, wo ein großes Schild mit der Aufschrift 'Vom 17.12 bis 19.12 geschlossen' hing. Rays Blick flog kurz über das Schild, doch sofort wieder zurück zu Kai. Dessen Augen waren so leer, so nachdenklich, seine Stimme hatte geklungen, als sei Kai in seinen Gedanken ganz weit entfernt.

"Schade.", murmelte Ray, hin- und hergerissen zwischen Ärger und Verwirrung. "Ich muss nämlich noch ein Geschenk für Tyson kaufen. Für Weihnachten."

Kai gab keine Antwort, sondern starrte die Straße hinunter.

"Fein!", flüsterte Ray und stapfte frustriert an Kai vorbei.

"Ray, warte!", rief ihm der Russe dann aber hinterher, woraufhin Ray schnelle Schritte im Schnee hörte. Danach wurde er am Oberarm gepackt, herum gerissen und ehe er wusste, was geschah, fanden sich seine Hände auf Kais Brust und sein Kopf an seiner Schulter wieder, während Kais Arme sich um seinen Rücken geschlungen hatten und ihn fest an seinen Körper pressten. Ray war mehr als nur ein wenig überrascht, seine Gedanken rotierten und als er die Situation registrierte, schien sein Herz in seiner Brust zu explodieren. Kais Wärme, seine Nähe war fast zuviel für Ray zu bewältigen. Seine Knie fühlten sich an wie aus Gummi und lägen seine Hände nicht auf Kais Brust, war Ray sich sicher, dass sie zittern, geradezu beben, würden.

Er hörte wie Kai einmal lang ein- und wieder ausatmete.

"Ray?"

"Hm?", quiekte Ray als Antwort und selbst dieser kurze Laut hörte sich zittrig an.

"Es tut mir Leid."
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

so, das wars, hier schließt das nächste kapitel direkt an ^^
 

hoffe, es hat euch gefallen.

im nächsten kapitel wird kai nicht mehr so komisch sein. versprochen ;)

könnt ja auch mal rätseln, was er so hat und für was er sich jetzt genau entschuldigt. eigentlich was ganz banales. hehe.
 

nochmal sorry, dass das kapitel so lange gedauert hat und ehrlich gesag bin ich auch gar nicht zufrieden damit, aber ich muss wohl einfach wieder rein kommen ins schreiben. *drop*
 

naja, bei denen ist ja jetzt auch bald weihnachten. bin noch am überlegen, ob ichs mit reinnehme oder nicht.

aber ich glaub eher nicht. das würde zu kitschig werden, glaub ich *drop*
 

man, man, man, eigentlich war das hierin dem kapitel alles gar nicht so geplant. noch nicht einmal das 'date' war geplant. das war allein kais idee.

genauso sein seltsames verhalten... nie macht der, was ich will. tz.

selbst das nächste kapitel war nicht geplant, aber naja. *drop*
 

wuah, ich seh grad, dass ich seit zehn minuten weg sein sollte, aber das kapitel wollte ich heute unbedingt noch zum freischalter schicken!

okay, wollt zwar noch soviel sagen, aber muss jetzt weg.
 

*alle durchflausch*

ihr seid die besten!
 

machts gut

bai bai

astin =:)

Lektion XII: Surreale Realität...

So Leute, das neue Kapitel!

Schmeißt ein wenig romantische Musik ein und dann viel Spaß beim Lesen ;)
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Er hörte wie Kai einmal lang ein- und wieder ausatmete.

"Ray?"

"Hm?", quiekte Ray als Antwort und selbst dieser kurze Laut hörte sich zittrig an.

"Es tut mir Leid."

Seine Stimme war ernst, todernst und irgendwie verzweifelt, sein Körper angespannt und steif.

Das war zuviel. Diese unvorhergesehene Umarmung allein war Grund genug, um Ray vollkommen wahnsinnig zu machen, aber jetzt auch noch eine Entschuldigung... In dieser Tonlage...

Es fühlte sich unecht an, geradezu unrealistisch und reichte vollkommen, um Ray völlig aus der Bahn zu werfen, um seine Gedanken komplett durcheinander zu bringen. Er konnte sich nicht konzentrieren und war den Reaktionen seines Körpers vollkommen unterworfen. Seinem schnellen Herzschlag, seinen verwirrten Gedankengängen.

Dann endlich, nach viel zu langer Zeit, drangen Kais Worte richtig zu dem Chinesen durch. Auch deren Inhalt. Und deren Bedeutung. Die Wirkung war überwältigend und kaum zu beschreiben. Ray hätte nie gedacht, dass ein einfacher Satz soviel Emotionen in ihm auslösen konnte, doch Kai belehrte ihn eines besseren. Er zeigte Ray, dass vier einfache, ehrliche Worte so erleichternd und aufwühlend zugleich sein konnten, dass es ihm fast die Tränen in die Augen trieb. Gleichzeitig aber auch so viele Fragen aufwarf, dass es ihn nahezu verrückt machte, sie nicht alle behalten und stellen zu können.

"Ray?", fragte Kai plötzlich. Er klang ein wenig verunsichert und verwirrt. Er wartete wohl auf eine Reaktion.

Der Chinese zuckte leicht zusammen, als er so leise angesprochen wurde, doch fing sich schnell wieder, versuchte sich zu beruhigen.

"Was tut dir leid?", fragte er leise. Es war das Erste und Wichtigste, was im eingefallen war.

"Alles.", kam die knappe Antwort und dieser kurze Laut war so voller Reue, dass es Ray im tiefsten Inneren so sehr berührte, dass er für einen Moment die Augen schließen musste, um seine überwältigenden Gefühle in den Griff zu bekommen. Kai war unglaublich, in jeder Hinsicht. Es gab wohl kein Gefühl, was er nicht in der intensivsten Weise, die möglich war in Ray ausgelöst hatte. Von tiefstem Schmerz bis unglaublicher Freude war alles dabei gewesen.

"Was...?", setzte Ray mit dünner Stimme an, um zu fragen, was Kai genau meinte, als dieser schon anfing zu erklären.

"Dass ich dich den Berg hochgejagt habe, bis du Krämpfe hattest.", begann er mit gequälter, leiser und aufrichtig reuevoller Stimme. Jedes Wort presste er regelrecht aus sich raus, sein Hass auf sich selbst war unverkennbar. "Dass ich dich danach so scheiße behandelt hab. Dass ich dich gekü..." Er stockte und fuhr etwas verwirrter fort. "Dass ich dir den Aufenthalt auf der Hütte versaut habe. Und dass ich..." Er stockte erneut, atmete leise und tief ein und verfiel in einen verärgerten Flüsterton. "...dass ich dir den Tag versaut hab."

Ray hatte zugehört, mit schnell pochendem Herz und heißen Wangen. Er hatte Kai schon vergeben, ohne dass er sich entschuldigt hatte und jetzt, wo er es doch tat...

"Danke.", flüsterte Ray mit belegter Stimme, drückte sich ein wenig näher an Kai und krallte seine Hände in dessen Mantel. Seine Stirn legte er auf seinem Schlüsselbein ab, seine Augen presste er zusammen und dann atmete er tief ein.

"Danke.", sagte er erneut, etwas lauter, doch es war noch immer nur ein dünner Laut.

Kai erschauderte. Ray spürte es ganz genau. Ganz plötzlich war ein Schauer durch den starken Körper vor ihm gefahren und hatte ihn erzittern lassen. Es raubte Ray für einen kurzen Moment den Atem.

"Ich... was... wofür?", fragte Kai schließlich, merklich verwirrt und ungewöhnlich emotional.

"Dafür, dass du dich endlich entschuldigst.", erklärte Ray atemlos, noch immer schutzlos seinen Empfindungen ausgeliefert. "Dass du es endlich gesagt hast. Das bedeutet mir sehr viel."

"Wirklich?", fragte Kai überrascht.

"Ja, verdammt!", antwortete Ray leise, aber mit Nachdruck. "Du weißt, dass dein Verhalten - dass du – mir verdammt weh getan hast."

Kai schwieg, doch seine Antwort gab er anders, nämlich indem er seine Arme noch enger um Ray schlang, ihn noch fester an sich presste. Es war keine normale Umarmung. Sie war besitzergreifend, voller Schuldgefühlen und es wirkte als wollte Kai ihn beschützen.

Vor ihm.

Nichtsdestotrotz war dieser Moment einfach wunderbar, diese Geste bedeutungsvoller, als jedes Wort, was Kai hätte sagen können und gerade weil Kai ihn so fest hielt und ihn nicht mehr los lassen zu wollen schien, fühlte Ray sich wohl und sicher. Seit langem wieder.

Ein Gedanke allerdings ließ den Chinesen noch immer nicht los, auch nicht in diesem Moment. Er nagte an ihm und verhinderte, dass er sich vollkommen fallen ließ und die schlechten Erinnerungen ein für alle mal vergessen konnte.

Kais Gründe.

"Kai?", fragte Ray deshalb leise und öffnete nachdenklich seine Augen. "Ich bin froh, dass du dich entschuldigt hast und ich will dir auch verzeihen, aber... Aber ich frage mich schon die ganze Zeit, warum du das alles getan hast. Warum hast du dich mir gegenüber wie ein Vollidiot aufgeführt? Warum bist du nachts immer raus gegangen? Warum warst du so seltsam? Was war – was ist – los mit dir?"

Kai schwieg lange. Lange horchte Ray nur seinen Atemzügen, die ungleichmäßig und fast hektisch an seinem Ohr vorbei wehten, ehe der Russe antwortete.

"Ray.", begann er mit gequältem Unterton in der Stimme. "Nicht jetzt, nicht heute. Ich kann es dir noch nicht erklären. Ich..."

Seine Stimme driftete ab und schließlich schwieg er. Ray war enttäuscht, das war nicht zu leugnen, doch er hatte keine Zeit sich diesem Gefühl zu ergeben, denn er wurde auf etwas anderes aufmerksam und stutzte.

Auf der anderen Straßenseite, wenige Meter entfernt, standen zwei ältere Damen und... sie glotzten. Sie schauten nicht nur in ihre Richtung, nein, sie starrten sie regelrecht an, mit neugierigen Blicken, hektischem Tuscheln und sogar empörten Gesten.

"Kai?", murmelte Ray unwohl. "Wir werden angestarrt. Vielleicht..."

Er begann sich ein wenig von Kai fortzudrücken, doch dessen Arme schlangen sich nur noch fester um Ray, ließen ihn nicht gehen.

"Ist doch egal.", brummte Kai. "Kennst du die etwa?!"

"Nein.", antwortete Ray nachdenklich, doch blickte fast nervös zu den beiden Frauen. Er wusste nicht, warum genau es ihm so unangenehm war, beobachtet und womöglich sogar verurteilt zu werden, schließlich taten sie nichts verbotenes. Es war ja nur eine Umarmung. Eine freundschaftliche...

"Aber vielleicht kennen die uns .", meinte Ray schließlich zweifelnd und schickte den beiden Frauen einen verärgerten Blick. Dann drückte er Kai erneut zurück. Dieses mal ließ er es geschehen, doch als Ray versuchte ihm ins Gesicht zu sehen, starrte er demonstrativ zur Seite, trat einen Schritt zurück und löste den Kontakt zwischen ihnen beiden vollends. Ray seufzte leise.

Ihm war plötzlich kalt.

Er versuchte die Frauen und ihre unverschämten Blicke aus seinem Kopf zu verbannen und sich an ihr Gespräch zu erinnern, versuchte sich auf das zu konzentrieren, was er noch sagen wollte. Da war nämlich noch etwas wichtiges.

"Kai, eins wollt ich dir auch noch sagen.", sagte Ray deshalb ernst, wenn auch fast ein wenig vorwurfsvoll. Er sah Kai dabei unverwandt an, doch dieser mied noch immer seinen Blick. Er wirkte nachdenklich und beleidigt und sah erst auf, als Ray nicht weitersprach.

"Dann schieß los.", murrte er, woraufhin Ray wieder seufzen musste.

"Weißt du, dass du dich dafür entschuldigt hast, mich so mies behandelt zu haben, war nötig.", erklärte Ray, noch immer mit vorwurfsvollen Unterton in der Stimme. "Doch entschuldige dich nicht für diesen Tag!"

Kai runzelte die Stirn, doch schwieg überrascht.

"Ich weiß nicht wie du auf die schwachsinnige Idee kommst.", sprach Ray weiter. "Aber du hast mir den Tag nicht versaut. Ganz im Gegenteil. Ich fand's toll bis jetzt. Könntest nur ein bisschen dein grummeliges Verhalten ablegen, aber damit komm ich auch schon zurecht."

Er seufzte erneut und fuhr sich durch die Haare.

"Wie kommst du überhaupt da drauf?", fragte er irritiert.

Kai grummelte etwas Unverständliches vor sich hin, was er auf Rays Nachfragen noch einmal lauter wiederholte.

"Es war langweilig.", brummte er unzufrieden, schickte Ray einen genervten Blick, der sich mehr gegen sich selbst richtete als gegen den Chinesen und sah schließlich zur Seite.

Ray runzelte zuerst die Stirn und zog dann zweifelnd eine Augenbraue nach oben.

"Fandest du?", fragte er irritiert nach.

"Ich?", schreckte Kai verwirrt auf. "Nein, aber ich dachte, dass du..."

Er beendete den Satz nicht, doch Ray verstand und schüttelte den Kopf.

"Hab ich das gesagt?", fragte er lächelnd.

"Nein, aber..."

"Aber?", hakte Ray nach.

"Ich... hab gehört was er gesagt hat.", erklärte Kai stockend und widerwillig. Seine Augenbrauen zogen sich verärgert zusammen. "Tyson. Das, was er in der Küche gesagt hat. Dass ein Tag mit mir... langweilig wäre."

"Seit wann hörst du auf das, was Tyson sagt?", fragte Ray verwirrt, wenn auch leicht amüsiert.

"Seit ich... Seit wir...", begann Kai gehetzt und fuhr sich zerstreut durchs Haar. "Ach, verdammt! Hier geht's doch gar nicht um Tyson!"

Dann richtete er sein Blick wieder auf Ray. Fest, entschlossen, bereit.

"Ray, eigentlich wollte ich....", sagte er, doch stockte. "Ich dachte... Ich wollte dir... ach verdammt...!"

Fluchend wandte er den Blick wieder ab, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte gereizt auf den Boden.

"Schon okay.", antwortete Ray perplex, aber sanft, denn er hatte es begriffen.

Kais seltsames Benehmen - dass er so angespannt und unkonzentriert war -, was dieses ungute Gefühl in Ray ausgelöst hatte, war größtenteils darauf zurückzuführen, dass der Russe sich unter Druck gesetzt hatte. Er wollte, dass Ray einen schönen Tag hatte, dass er sich nicht langweilte, er wollte ihm etwas bieten und dachte, dass er es nicht schaffte.

Dabei brauchte Ray nicht mehr als seine bloße Anwesenheit.

Mehr nicht.

Gerade wollte er Kai auch genau das sagen, als dieser ihm zuvor kam.

"Ich...", begann er, unterbrach sich jedoch selbst und starrte mit fast erschrockenem Ausdruck an Ray vorbei. Ehe dieser sich umdrehen und nachsehen konnte, was Kais Aufmerksamkeit erregt hatte, wurde er am Oberarm gepackt, herumgewirbelt und hinter Kai hergezogen.

"Komm mit.", befahl er.

Vollkommen überrascht ließ Ray sich hinterher ziehen, fing sich aber schnell wieder und versuchte von alleine mit Kai Schritt zu halten.

"Was ist los?", fragte er verständnislos. "Wo gehen wir hin?"

Kai sah kurz zu ihm rüber und grinste.

"Überraschung."

"Überraschung?", wiederholte Ray murmelnd, doch fing sogleich an zu lächeln.

"Toll!", strahlte er und sah Kai freudig an. "Ich mag Überraschungen!"

Der Russe schenkte Ray als Antwort nur ein sanftes Lächeln, doch schwieg. Er schien lockerer und erleichtert.

Sie liefen einige Meter in gemütlichem Schweigen, wo Ray feststellte, dass seine Nervosität, je länger er mit Kai unterwegs war (und solange er ihn nicht mit unerwarteten Umarmungen überraschte), stetig weniger wurde, was dem Chinesen nur recht sein konnte. Er hatte sowieso nie richtig verstanden, warum er, seit er wusste, was er für Kai empfand, so nervös war. Vorher war er es ja auch nie gewesen. Zumindest nicht in dem Maße und in der Form. Es gab keinen Zweifel daran, dass Kais Gegenwart ihn schon immer ein wenig verunsichert hatte, aber er hatte es immer verbergen können. Erst seit sie hier auf der Hütte waren, war ihm das plötzlich nicht mehr möglich, vor allem nicht, nachdem er Grund für die Nervosität herausgefunden hatte.

Auch jetzt, in diesem Moment, ging diese Nervosität zwar zurück, aber es war noch genug da, um Rays Körper in einen rastlosen, verwirrten Zustand zu versetzen. Er mahnte sich gedanklich zur Ruhe.

Schließlich war das nur Kai, der neben ihm herlief. Schließlich war er nur sein Teamchef. Schließlich kannten sie sich relativ gut. Schließlich war er ja nur in ihn verliebt...

Erst als Kai stehen blieb, wurde Ray aus seinen Gedanken gerissen. Waren sie etwa schon da? Neugierig blickte er sich um, doch entdeckte auf den ersten Blick nichts besonderes. Ein paar kleine Läden und eine Straße, die zwischen Zweien von ihnen verlief.

Verwundert runzelte er die Stirn.

"Warum bleiben wir stehen?", fragte er an Kai gewandt, der sich genauso ratlos umsah wie er selbst.

"Ich muss mich nur gerade mal orientieren.", murmelte der Russe als Antwort und deutete Ray kurz darauf an, ihm zu folgen. Sie bogen in die kleine Straße ein. Sie war schmal, kurz und am Ende befanden sich dichte, dunkle Büsche.

"Verlassen wir das Dorf?", fragte Ray irritiert.

"Nein.", antwortete Kai ruhig. "Warte ab."

Schweigend gingen sie weiter.

Neugierig betrachtete Ray die Umgebung, sah aber nur einen kleinen Weg, der parallel zu den Büschen verlief. Erst als sie die kleine Straße verließen und den Feldweg betraten, sah Ray links von ihnen etwas, was seine Augen zum Leuchten brachte.

"Ein See!", rief er erfreut aus und lugte durch eine Lücke zwischen dem dichten Gestrüpp. Der See war riesig und mit Pulverschnee bedeckt, der in der Sonne funkelte. Kinder, Pärchen und Gruppen von Jugendlichen zogen auf Schlittschuhen ihre Kreise darüber.

"Komm mit!", ertönte Kais Stimme hinter ihm und kurze Zeit später wurde er wieder am Arm gepackt und hinter dem Russen hergezogen.

Ray runzelte ungläubig die Stirn und starrte Kai nachdenklich an.

"Wir gehen doch wohl nicht Schlittschuhlaufen, oder?", fragte er skeptisch, woraufhin Kai ihn irritiert betrachtete.

"Nur wenn du magst.", antwortete er knapp.

"Wie?!", rief Ray überrascht aus. "Was...?! Also... ich... natürlich mag ich! Ich hätte nur nicht gedacht, dass du mit mir..."

Er ließ den Satz unbeendet in der Luft hängen, doch blieb dann stehen, zog Kai am Ärmel, sodass dieser ebenfalls stehen blieb und sich mit fragendem Blick zu ihm umdrehte.

"Ganz kurz!", forderte Ray ungläubig. "Nur damit ich richtig verstehe. Du...", er deutete auf Kai, "... willst Schlittschuhlaufen?"

Kai nickte schulterzuckend.

"Findest du das nicht doof und kindisch und... unnütz?", fragte Ray noch immer skeptisch.

"Doch.", antwortete Kai erneut schulterzuckend, doch packte Ray danach wieder am Arm und zog ihn mit sich. "Aber jetzt komm endlich."

"Moment!", rief Ray irritiert, der alles, was hier geschah erst einmal verstehen musste. "Aber wenn du das doch nicht magst, warum...?"

"Halt die Klappe.", unterbrach Kai ihn brummend, doch es klang weder böse noch genervt, sondern einfach überfordert. "Komm einfach und lass den Rest mein Sorge sein."

Ray war noch immer zu verwirrt und freute sich zu sehr auf das Schlittschuhlaufen, um Kai böse zu sein, weshalb er zerstreut schwieg und sich weiter mitziehen ließ.

Die Büsche wurden immer weniger, bis sie schließlich völlig verschwanden und den Blick auf den See frei gaben.

"Klasse!", flüsterte Ray begeistert und konnte seinen Blick gar nicht mehr von den vielen Menschen abwenden, die kreuz und quer über das Eis huschten.

"Da hinten kann man Schlittschuhe ausleihen.", meinte Kai. Ray wandte ihm seinen Blick wieder zu und schaute interessierte in die Richtung, in der er deutete. Einige Meter von ihnen entfernt stand eine kleine Hütte, die zum See hin oberhalb eines Tresens geöffnet war. Ein großes Schild, was an der Seite befestigt war, schrieb in großen schwarzen Lettern 'Schlittschuhverleih'.

"Woher wusstest du hiervon?", fragte Ray erstaunt und sah wieder auf den See hinaus.

"Hab ein Schild im Dorf gesehen.", antwortete Kai und schritt Richtung der Hütte.

Er lieh dort für sie beide jeweils ein Paar Schlittschuhe aus, bezahlte sie (trotz Rays Proteste), und hinterlegte ebenfalls den Pfand. Auf einer Bank, die unter der Überdachung der Hütte stand, zogen sie die Schuhe an.

"Du musst das nicht für mich bezahlen.", murmelte Ray verlegen.

"Halt die Klappe, ich mach was ich will.", antwortete Kai ausdruckslos, worüber Ray tatsächlich lächeln musste. Er wusste, dass er es nicht ernst meinte.

Ihre Schuhe gaben sie an der Hütte ab, ehe sie das Eis betraten. Die ersten Schritte fühlte Ray sich noch ein wenig unsicher. Er war seit Jahren kein Schlittschuh mehr gelaufen, doch Kai ging es anscheinend genauso, auch wenn er sich größte Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen. Obwohl Ray bezweifelte, ob Kai überhaupt jemals in seinem Leben schon einmal mit Schlittschuhen auf dem Eis gestanden hatte. Wenn dies der Fall war, (was sehr wahrscheinlich war), lernte Kai schnell, was Ray bewundernd, wenn auch nicht ganz neidlos anerkennen musste.

Während er Kais immer fließender werdende Bewegungen betrachtete, kam er nicht umhin dran zu denken, dass er als Kind hart hatte üben müssen, um nicht pausenlos bestätigt zu bekommen, dass gefrorenes Wasser sehr hart sein konnte. Und Kai... konnte es mal wieder einfach. Erschreckend, aber auch bemerkenswert.

Allerdings stand Ray Kai in nichts nach und nachdem er sich eingefahren hatte, traute er sich immer mehr. Fuhr schneller, mit weiten Bewegungen und einem glücklichen Lächeln im Gesicht. Kai fuhr mit ausdrucksloser Miene und fast gleichgültigem Blick, der aber pausenlos auf Ray ruhte, was diesen gleichermaßen freute wie nervös machte.

Sie fuhren noch nicht lange, seit einigen Minuten erst, als Ray sich zu Kai umdrehte, um ihn bestätigen zu lassen, dass Schlittschuhfahren Spaß machte, doch unterbrochen wurde, ehe er den ersten Laut hervorbringen konnte.

"Vorsicht!", rief Kai, mehr aus Reflex, als aus Überraschung und war mit einem schnellen Schritt bei dem Chinesen. Alarmiert flog Rays Kopf herum, erkannte auch sofort die vermeintliche Gefahr in Form eines Kindes mit roter Bommelmütze, welches seinen Weg in frecher Rücksichtslosigkeit kreuzte. Reflexartig sprang Ray nach hinten, um eine Kollision zu vermeiden und verlor das Gleichgewicht. Ehe er aber auch nur ansatzweise fallen konnte, legte sich ein Arm unterstützend auf seinen Rücken und hielt ihn, während eine Hand ihn an der rechten Schulter stützte. Ohne es zu merken, krallte der Schwarzhaarige seine Hand in Kais Mantelärmel, um sich selbst zusätzlich zu stabilisieren.

"Danke.", murmelte Ray verlegen lächelnd und blickte zur Seite, direkt in Kais Gesicht. Dessen Augen schauten in verwirrter Sorge zurück.

"Alles okay?", fragte Kai, woraufhin Ray nur knapp nickte. Zu mehr war er in diesem Moment nicht imstande.

Kais überraschende Nähe überwältigte ihn mal wieder und versetzte seinen Körper in ein Gefühl der Leichtigkeit, dass ihn glauben ließ, in jedem Moment vom Eis abzuheben. Ein Kribbeln rauschte, von seinem Bauch ausgehend, durch seinen Körper, hinterließ ein taubes Gefühl in seinen Beinen und beschleunigte seinen Herzschlag. Während er Kai geistesabwesend anstarrte, vergaß er alles. Seine Umgebung, die anderen Menschen, sogar sich selbst in gewisser Weise. Er war gefangen durch Kais rotbraune Augen, die direkt, wenn auch ein wenig verwirrt, in die seinen blickten, war gefesselt von seiner Erscheinung, seinem Gesicht, den Berührungen.

Gott, er war so nah.

Und dann hatte Ray plötzlich diesen Gedanken.

...

Er wollte Kai küssen.

Erschrocken über sich selbst wandte er den Blick verlegen ab und löste sich hastig von dem Russen. Das ging nicht. Er sollte solche Gedanken nicht in der Öffentlichkeit haben.

Womöglich sollte er solche Gedanken überhaupt nicht haben, denn Ray war sich noch immer nicht sicher wie Kai zu ihm stand. Es fing ja schon da an, dass er noch nicht einmal wusste, ob sie gerade ein Date hatten oder einfach einen normalen Nachmittag miteinander verbrachten, schließlich hatten sie das nie geklärt. Dass Kai ihn geküsst hatte musste auch nicht zwangsläufig das Offensichtliste bedeuten, man wusste ja nie.

Ray hatte schon öfter kurz darüber nachgedacht, ob dieser Nachmittag von Kai auch einfach nur ein Gutmachung war, für alles, was er getan hatte. Oder ein Nachmittag, wo er Ray zeigen wollte, dass der Kuss nichts zu bedeuten hatte und sie einfach befreundet sein konnten. Oder ein Nachmittag, um Rays Vertrauen wieder zu erlangen. Schließlich musste nichts, von dem, was Kai tat oder sagte, das bedeuten, was Ray sich erhoffte.

"Ray? Alles okay?", fragte Kai erneut während er schnell zu Ray aufschloss. Sein offensichtlicher Versuch, seine Unsicherheit zu verbergen scheiterte kläglich.

"Was? Ja, klar, alles bestens.", lächelte Ray und versuchte die Zweifel zu unterdrücken, was ihm nur teilweise gelang.

"Gut.", antwortete Kai nickend, doch warf ihm einen irritierten Blick zu.
 

~oOo~
 

Die Zeit verging rasch und wenn es nach Ray ging zu rasch. Es wurde langsam kühler während die Sonne immer weiter gen Horizont wanderte und ihre Schatten in die Länge streckte. Die Masse von Menschen auf dem Eis wurde stetig weniger, doch weder Kai noch Ray gaben dem jeweils Anderen einen Hinweis darauf auch gehen zu wollen.

Sie fuhren weiter ihre Bahnen. Immer nah beieinander, manchmal auch so nah, dass sich ihre Hände oder Schultern flüchtig berührten, was Ray noch besser gefallen hätte, wenn nicht ihre Mäntel und Handschuhe im Weg gewesen wären. Nur ein Beispiel dafür, dass dieser Nachmittag schön und schlimm zugleich war.

Schön war es einfach, weil sie zusammen waren, gut miteinander auskamen und etwas Aufregendes zwischen ihnen in der Luft lag. Und schlimm war es, weil Ray plötzlich immer öfter von einer Sehnsucht, einem Verlangen regelrecht überfallen wurde. Der Gedanke Kai zu küssen, ihn öfter und intensiver in seiner Nähe zu haben haftete sich an ihn und preschte in den unmöglichsten Momenten, immer wenn Ray sich am allerwenigsten unter Kontrolle hatte, vor, um ihn verwirrt und verlegen zurückzulassen. Es war schwierig sich in dieser Hinsicht unter Kontrolle zu haben und verlangte alle Beherrschung, die Ray aufbringen konnte.

Er sollte von diesem Problem aber früher befreit werden wie ihm lieb war, denn ihr Ausflug sollte schneller zu Ende gehen wie er erwartet hatte.

Es passierte als Kai für sie beide etwas zu Essen holen wollte. Während Ray dem Russen fast sehnsüchtig hinterher blickte, wartete und grübelte wie er sich weiter verhalten sollte (Sollte er in die Offensive gehen oder einfach abwarten?), bemerkte er nicht, was sich ihm hinter seinem Rücken näherte. Plötzlich sah er nur etwas kleines Schwarzes knapp neben seinem Schlittschuh über das Eis rutschen und danach ging alles sehr schnell. Er hörte zwei Stimmen und ehe er die Sätze, die sie riefen, verstehen konnte, geschweige denn sich herum drehen konnte, wurde sein rechtes Bein und seine linke Schulter gestoßen. Er war zu überrascht, um zu reagieren, die Stöße zu fest und ruckartig, um sie abfangen zu können, sodass er das Gleichgewicht verlor und längs auf das Eis aufschlug.

Doch er fiel unglücklich. Die gesamte Wucht seines Sturzes wurde von seinem rechten Handgelenk aufgefangen, wo sofort ein stechender Schmerz durchjagte, der Ray gleichzeitig hellwach und benebelt sein ließ. Der restliche Schmerz in seinen Knien und dem linken Ellebogen bemerkte er dadurch kaum.

Sein pochendes Handgelenk so wenig wie möglich bewegend, drehte er sich, noch immer vollkommen überrumpelt, um, setzte sich hin und starrte nach vorne, wo sich zwei Jugendliche, mit Eishockeyschlägern bewaffnet, um einen Puck stritten. Die hatten ihn wohl umgerannt. Wegen denen hat er womöglich ein gebrochenes Handgelenk, auf jeden Fall aber Schmerzen...

Ray wurde wütend.

"Ihr blöden Penner!", schrie er ihnen aufgebracht hinterher. "Passt gefälligst auf, wo ihr hinfahrt!!"

Die beiden stockten kurz, doch nur der Größere von ihnen schaute sich kurz zu Ray um, grinste dann aber nur und begann von neuem zu versuchen, dem Kleineren den Puck zu stehlen, wobei sie sich immer weiter von Ray entfernten. Die Gleichgültigkeit und Frechheit der Jungen schürte die Wut des Chinesen nur noch mehr und er wollte ansetzen, um ihnen noch etwas hinterher zu brüllen, als er eine Bewegung ein Stück hinter den beiden Jugendlichen ausmachte. Es war Kai.

Alarmiert durch Rays wütendes Rufen, war er blitzschnell stehen geblieben und herumgewirbelt. Er blickte erst mit beunruhigter Miene zu Ray, doch schien die Situation sehr schnell zu verstehen, denn fast augenblicklich verfinsterte sich sein Blick.

Die beiden Jugendlichen rangen noch immer um den Puck, beschimpften sich freundschaftlich, wenn auch sehr ruppig, achteten noch immer nicht auf die Menschen, mit denen sie die Fläche auf dem Eis teilten und steuerten dabei direkt auf Kai zu, doch wichen ihm rechtzeitig noch leicht aus. Als sie mit ihm allerdings auf gleicher Höhe waren, machte dieser mit fast gleichgültiger und alltäglich wirkender Bewegung eine Schritt zur Seite, rammte den Größeren von beiden, welcher wiederum gegen den Kleineren stieß, sodass sie beide zu Boden gingen und hart auf dem Eis aufschlugen. Nachdem sie sich lautstark über ihre Schmerzen beschwert hatten, funkelte der Größere von ihnen Kai wütend an.

"Geht's noch?!", brauste er so laut auf, dass selbst Ray ihn sehr genau verstehen konnte, obwohl er einige Meter entfernt noch immer auf dem Eis saß. "Das war doch Absicht!! Willst du Ärger, oder was?!"

Ray beobachtete die Situation genau. Dankbarkeit, Bewunderung und Genugtuung vermischten sich.

Kai blickte mit ausdrucksloser Miene auf die beiden Jugendlichen herab, die ihn vorwurfsvoll anstarrten. Dann veränderte sich sein Blick, verfinsterte sich und wurde eiskalt. Die Intensität und Erbarmungslosigkeit darin hatte Ray schon oft genug gesehen und war froh in diesem Moment nicht der Adressat zu sein.

"Weiß nicht!", zischte Kai bedrohlich als Antwort. "Willst du ?!"

Der Mut des Jugendlichen schien dahin zu schmelzen wie Butter in der Sonne, denn sein Blick flackerte und wurde unsicher. Schließlich schwieg er und sah trotzig zur Seite.

"Besser für dich!", sagte Kai mit gefährlich schneidendem Unterton in der Stimme und schickte ihnen einen letzten abfälligen Blick. "Und passt das nächste Mal auf, wen ihr umfahrt! Vollidioten!"

Während Kai sich umdrehte und zurück zu Ray fuhr, stand dieser langsam auf, wobei er aufpasste, nur das linke Handgelenk zu belasten.

"Alles in Ordnung?", fragte Kai brummig, doch mit besorgtem Unterton in der Stimme. Er betrachtete Ray genau.

"Jaja, alles bestens.", winkte dieser mit der linken Hand ab, während er die rechte steif vor seinem Bauch hielt. Dann lächelte er dankbar. "Und danke."

"Was ist mit deiner Hand?", fragte Kai skeptisch, deutete auf eben diese und ignorierte Rays letzten Satz.

Ray ärgerte sich innerlich. Kai entging so etwas aber auch nie.

"Meine Hand?", fragte der Chinese und schaute überrascht, wenn auch gespielt unwissend, auf seine rechte Hand. "Och, das ist nichts weiter. Mach dir keine Ge..."

Er unterbrach sich selbst mit einem lauten empörten Schmerzensschrei, als Kai ihm ohne Vorwarnung auf die Hand schlug und ein stechenden Schmerz durch seinen Unterarm jagte, der ihm die Tränen in die Augen trieb.

"Spinnst du?!", presste Ray entrüstet zwischen seinen Zähnen hervor und zog sein pochendes Handgelenk dicht an seine Brust. Der Schmerz zog sich bis in seinen Ellebogen hoch.

"Nichts weiter, was?", entgegnete Kai trocken, doch schickte ihm einen vorwurfsvollen Blick. Dann wurden seine Gesichtszüge weicher und er streckte Ray seine Hand entgegen.

"Lass mal sehen.", seufzte er.

"Vergiss es!", erwiderte Ray trotzig und bedachte Kai mit einem misstrauischem Blick. "Damit du mir noch mal weh tust, oder was?!"

"Tut mir Leid, okay?", sagte Kai versöhnlich, kam ein bisschen näher und griff vorsichtig nach Rays Hand, was dieser geschehen ließ. Allerdings war er bereit, seine Hand jederzeit zurückzuziehen, falls ihm weh getan werden sollte.

Sein Misstrauen verflog aber schnell wieder, als er sah und spürte wie vorsichtig Kai war. Ganz langsam und sachte zog er ihm den Handschuh ab und steckte ihn beiläufig in seine Jackentasche, damit er beide Hände frei hatte. Mit fast professionellen Gesten tastete er sein Handgelenk ab und besah es sich genau.

Ray allerdings war sein Handgelenk plötzlich egal.

Er betrachtete Kais Gesicht, war wie schon sooft an diesem Tag gefangen von diesem Anblick und so fasziniert, dass er alles andere vergaß. Er spürte nebensächlich Kais raue Baumwollhandschuhe auf seiner kalten Haut wie sie sein schmerzendes Handgelenk behutsam abtasteten, nur hintergründig wünschte er sich, dass der Stoff nicht zwischen ihren Händen liegen würde, doch vordergründig war er damit beschäftigt Kais Gesichtszüge nachzufahren, seinen konzentrierten Ausdruck aufzusaugen und abzuspeichern, und die Farbe seiner Augen, die im tiefstehenden Sonnelicht hell leuchteten, einfach nur zu genießen.

"Wir müssen wohl ins Krankenhaus.", stellte Kai sachlich fest, was Ray aufschrecken ließ. Hastig zog er seine Hand zurück und starrte den Russen bekümmert und gehetzt zugleich an.

"Nein, das ist nicht so schlimm, ehrlich.", sagte er übereilt.

Kai runzelte die Stirn.

"Soll ich dich noch mal schlagen?", fragte er sarkastisch, woraufhin er einen verärgerten, missfälligen Blick bekam.

"Danke.", antwortete Ray ebenso sarkastisch. "Aber nein, danke."

"Jetzt mal im ernst!", sagte Kai schließlich ruhig, aber nachdrücklich. "Dein Handgelenk ist vielleicht angebrochen und mindestens verstaucht oder geprellt! Das muss untersucht werden."

Rays Blick wurde unsicher, nachdenklich und schließlich seufzte er. Er sah Kai bittend an.

"Aber ich will nicht, dass dieser Tag im Krankenhaus endet!", sagte er leise.

Als Kai 'Krankenhaus' erwähnt hatte, waren ihm sofort Bilder in den Kopf geschossen. Wie sie stundenlang in einem vollgestopften Warteraum warten mussten. Kreischende Kinder, genervte Eltern, unfreundlich Sitznachbarn. Nein, so wollte er den Tag wirklich nicht enden lassen.

Kai riss überrascht die Augen auf, hob dann die Augenbrauen. Mit so einer Antwort hatte er offensichtlich nicht gerechnet, was vermutlich auch der Grund war, warum er schwieg und Ray einfach nur ansah.

"Ich geh morgen!", versuchte dieser in flehendem Tonfall. "Versprochen."

Kai schwieg weiterhin, was Ray nur wieder nervös machte.

Es schien viel zu lange zu dauern, bis der Russe schließlich seufzte und nickte.

"Okay.", brummte er. "Ist gut! Dann gehst du morgen aber auch. Und wenn ich mitkommen muss!"

Dagegen hatte Ray nun wirklich nichts einzuwenden.

"Dann lass und jetzt heim gehen.", sagte der Russe und gab Ray seinen Handschuh zurück, welchen dieser mit fragendem Blick annahm.

"Wieso denn jetzt schon?"

Ray klang enttäuscht, was daran lag, dass er es auch war.

"Überleg mal: Wenn du hier noch mal hinfällst, ist dein Handgelenk garantiert gebrochen.", erklärte Kai ernst und mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Das kann ich nicht verantworten. Und ehe du nicht wenigstens einen Verband da rum hast, werd ich mich eh nicht mehr entspannen können."

Ray wurde rot und wandte hastig den Blick ab.

Merkte Kai überhaupt, was er sagte? Wie unheimlich na ja, süß das war? Vermutlich nicht, denn Kai würde unter normalen Umständen alles dafür tun, um nicht süß zu sein, zu wirken oder auszusehen.

"Okay.", sagte Ray leise, ohne dass er es wirklich wollte oder bemerkte. "Gehen wir zurück."
 

~oOo~
 

Eine Stunde später saß Ray auf der Couch in ihrer Hütte und starrte in den brennenden Kamin, betrachtete gedankenverloren wie die Flammen miteinander tanzten, wie die Farben flackerten, lauschte dem Knacken des Holzes. Draußen dämmerte es mittlerweile und schon bald würde es dunkel sein, was bedeutete, dass Max, Tyson und Kenny wohl jeden Augeblick von ihrem Skiausflug zurückkommen würden. Dann wären sie nicht mehr allein. Er und Kai.

Dann wäre seine Chance verpasst.

Ray runzelte die Stirn. Welche Chance eigentlich?

Alles zu klären?

Sinnlos. Kai hatte ihm schon deutlich gemacht, dass heute nichts mehr geklärt wurde.

Seinem Verlangen nachzugeben?

Wohl eher, doch bei Ray siegte Angst und Unsicherheit noch immer über die Begierde.

Seufzend zog er seine Knie an und schlang seine Arme um sie.

Er wunderte sich über sich selbst, schließlich war er doch sonst auch nicht so... feige oder hatte Probleme mit seinen Gefühlen zurecht zu kommen.

Allerdings war dies hier anders.

Völlig anders...

Mit solch einer Situation hatte er sich noch nie konfrontiert gesehen und das an sich war das größte Problem. Er war noch nie verliebt gewesen, er hatte noch nie eine Beziehung geführt und er wusste noch immer nicht, ob er damit klar kam, dass Kai ein Mann war. Genau wie er.

Obwohl er dies als das geringste Problem betrachtete.

Wichtiger waren die anderen Aspekte, denn sie machten Ray so unfähig zu handeln. Er hatte keine Ahnung wie das alles ablief. Er hatte ja noch nicht einmal jemanden geküsst. Wenn man mal von Kais Attacke auf ihn absah, was eigentlich nie ein richtiger Kuss gewesen war, denn nach Rays Definition dafür gehörte nicht dazu, dass er nur stocksteif an einer Wand stand und alles über sich ergehen ließ.

Er fühlte sich hilflos und armselig.

Er konnte es sich natürlich einfach machen, denn er konnte alles Kai überlassen und wenn es nicht klappen sollte, war es demzufolge dann die Schuld des Russen. War doch ganz einfach.

In Gedanken schüttelte Ray den Kopf und legte sein Kinn auf seinen Knien ab.

Das wäre dämlich.

Zumal Kai ja noch weniger Erfahrung mit zwischenmenschlichen Beziehungen hatte wie er selbst und weil er ja noch immer nicht wusste wie der Russe wirklich zu ihm stand. Ein Teufelskreis.

Es war zum Verzweifeln.

Doch eins wusste Ray genau: Er kam keinen Schritt weiter, wenn er hier unten und Kai oben in seinem Zimmer saß. Also beschloss er hoch zu gehen und nach Kai zu sehen.

Vorher starrte er aber noch einmal mit bekümmertem Lächeln auf den Verband, der feste und großzügig um sein rechtes Handgelenk gewickelt war. Wenn er die Augen schloss, konnte er noch immer Kais warme Hände spüren wie sie sanft über sein Haut strichen.

"Oh, man!", seufzte Ray und schlug sich mit der linken Hand flach gegen die Stirn. Er fühlte sich komisch und es war ihm peinlich, so bescheuerte Gedanken zu haben.

Ehe er aber weiter darüber nachdenken konnte und ehe er sein Vorhaben verwirklichen konnte, zu Kai zu gehen, hörte er leise, langsame Schritte auf der Treppe. Erschrocken ließ er seine Füße zurück auf den Boden sinken und sah mit klopfendem Herzen zu der Treppe, wo Kai gerade am Treppenansatz auftauchte. Er blieb kurz stehen.

"Hey.", sagte Kai.

"Hey.", lächelte Ray und versuchte sich entspannt hinzusetzen, doch egal was er tat, er fühlte sich nicht entspannt.

"Wie geht's deinem Handgelenk?", fragte Kai und kam zu der Couch, wo er sich neben Ray setzte und ihn erwartungsvoll ansah.

"Ganz gut.", antwortete Ray, betrachtete seine Hand und nickte noch mal bestätigend. Er zitterte schon wieder leicht, was ihn tierisch ärgerte.

Sie schwiegen einen Moment, wo der Chinese möglichst unauffällig tief einatmete, um die Hitze, die sich unaufhörlich, von seinem Gesicht ausgehend, in seinem Körper ausbreitete, unter Kontrolle zu bekommen. Dass sein Körper aber auch immer so heftig reagieren musste, wenn Kai bei ihm war!

"Hat...", begann Kai mit angespannter Miene. "Hat es dir denn... gefallen?"

"Ja.", antwortete Ray ehrlich. "Sehr sogar."

"Du fandest es nicht...", fragte Kai weiter. "... langweilig?"

Ray sah ihn lange musternd an, fragte sich warum der Russe so etwas wissen wollte und warum er dabei so unsicher klang , aber so ernst aussah .

"Nein.", lächelte er schließlich ehrlich. "Wirklich nicht."

Kais Mundwinkel zuckten kurz nach oben, doch zu einem Lächeln weitete sich diese Bewegung nicht aus, was Ray schade fand. Er liebte es, wenn Kai lächelte.

Das machte ihn menschlicher. Und noch attraktiver.

Kai drehte plötzlich seinen Oberkörper mehr in Rays Richtung, legte seinen rechten Arm auf der Rückenlehne des Sofas ab und legte seinen Kopf auf sein Handgelenk. Sein rechtes Bein legte er angewinkelt auf die Sitzfläche und schob sein Knöchel unter sein anderes Bein. In dieser Position verharrte er und betrachtete Ray mit intensiven Blick. Dieser musste schlucken.

Kai wirkte so entspannt, so locker, das war fast gruselig.

Dem entgegen war Ray mal wieder das reinste Nervenbündel.

Er schluckte, wandte sich dem Kamin zu und ignorierte sein schnell pochendes Herz und das Verlangen, Kai zu umarmen, um ihn einfach bei sich zu spüren. Gedankenverloren strich er sich ein Haarsträhne aus dem Gesicht und fragte sich, was er tun sollte. Zwecklos.

Sobald Kai kam, schien sein Konzentration zu flüchten.

Er warf dem Russen einen flüchtigen Seitenblick zu. Er sah mit unlesbarer Miene zurück, seine Augen strahlten. Verlegen wandte Ray den Blick wieder ab.

Das Polster des Sofas knarrte leise und kurze Zeit später spürte Ray wie es sich dicht neben seinem linken Oberschenkel senkte. Sofort verkrampfte sich der Chinese leicht. Aus seinem Augenwinkel, sah er langsame Bewegung. Er wagte es nicht, seinen Kopf zu drehen, sondern verharrte und wartete angespannt ab.

"Ray.", flüsterte Kai dann plötzlich, so dicht an seinem Ohr, dass dieser die Wärme seines Atems spüren konnte. Ray erschauderte. Gänsehaut tanzte über seine Unterarme und sein Magen verkrampfte sich nervös.

"Du machst mich wahnsinnig.", sprach Kai leise weiter. Jedes Wort war nur ein Hauch, neue Schauer jagten durch Rays Körper. Was passierte hier? Was hatte Kai vor?

Stille.

Nichts geschah, die Zeit schien stillzustehen. Einzig das Knistern im Kamin und Kais schwere Atemzüge bewiesen das Gegenteil. Ansonsten war es lautlos. Zu lautlos. Keine Bewegung, keine Geräusche, noch nicht einmal seine eigenen Gedanken waren zu hören.

Mit jeder verstreichenden Sekunde, wurde der Chinese nervöser. Sein Herzschlag beschleunigte sich soweit bis er dachte, seine Brust müsse platzen, seine Hände begannen zu schwitzen, seine Atmung wurde hektischer. Er war wohl noch nie so aufgeregt wie in diesem Moment.

Dann kam Kai noch näher, presste seinen Oberkörper an seinen Oberarm und Ray war sich nun fast sicher, dass er träumte.

Doch er hoffte das Gegenteil

"Es geht einfach nicht mehr.", flüsterte Kai, nun mit verzweifeltem Unterton. Ray konnte die Vibration, die durch seine Stimme in seiner Brust erzeugt wurden, deutlich an seinem Oberarm spüren. Die Worte schienen über den Kontakt ihrer Körper direkt auf ihn überzufließen, nur um kribbelnd sein Rückrat hinunterzujagen. Ray konnte nur mit Mühe unterdrücken, dass er erschauderte.

Sein Gedanken rotierten und er war unfähig, etwas zu erwidern und selbst wenn, die Worte wären ihm nur eine Sekunde später im Halse stecken geblieben. Nämlich in der Sekunde, wo Kai ihn aufs Ohr küsste.

Als er die warmen, weichen Lippen spürte, erschrak er zuerst zutiefst, was sich in noch schnellerem Rhythmus der Schläge seines Herzens und einer verkrampften Körperhaltung äußerte, doch er hatte kaum Zeit sich zu beruhigen, geschweige denn zu begreifen, was hier geschah, denn erneut spürte er Kais Lippen. Erst auf seiner Wange, dann auf seinem Halsansatz und danach wieder auf der Wange. Es waren nur federleichte Berührungen, doch jede einzelne hinterließ Wärme und Kribbeln.

Währenddessen beugte Kai sich über ihn, stützte sich auf der Armlehne der Couch ab und schob sein linkes Knie zwischen Rays Oberschenkel, kletterte somit halb über ihn. Eine Hand schob sich in Rays Haar, drückte seinen Kopf sanft ein wenig in die Richtung des Russen.

"Stoß mich weg.", flüsterte er gegen Rays Wange. Bei jedem Wort berührten seine Lippen seine Haut, was Ray unfähig machte, sich zu bewegen. Er fühlte sich wie gelähmt, alles schien sich zu drehen. Die Luft schien stickig und spannungsgeladen.

Doch Ray tat nicht, was von ihm verlangt wurde, sondern schüttelte nur stumm den Kopf, woraufhin Kai sich ein wenig zurückzog, um ihn anzusehen. Sein Blick war musternd, seltsam glasig und abwesend, aber dennoch sehr intensiv. Vor allem aber eindeutig leidend.

Rays Herz pochte laut in seinen Ohren.

"Mach weiter.", flüsterte er zittrig und sah Kai ernst an, welcher zuerst verklärt, dann fast gequält zurückstarrte. Schließlich aber lehnte er sich wieder nach vorne. Ganz langsam.

Ray konnte die Hitze spüren, die sein Körper ausstrahlte, bemerkte dadurch nur wieder wie heiß ihm selbst war und wusste noch immer nicht genau wie ihm geschah.

Kai küsste Rays Mundwinkel, verweilte einen Augenblick, doch zog sich wieder ein Stück zurück. Diese Wärme... Ray wollte mehr.

Ihre Lippen waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Hätte einer von ihnen gesprochen, hätten sie sich berührt, doch sie schwiegen und sahen sich an. Lange. Intensiv.

Dann hielt Ray es nicht mehr aus. Das Verlangen war wieder da. Stärker denn je, fordernder denn je, nicht mehr zurückzudrängen und schließlich streckte sich sein Kopf wie von alleine ein Stück nach vorne. Während er die Augen schloss und zittrig einatmete, war sein Kopf plötzlich vollkommen leer. Nichts zählte mehr, nichts war mehr von Bedeutung.

Nur noch Kai.

Und seine Lippen, die sich in diesem Moment auf die seinen legten. Rays Nervosität war mit einem mal verschwunden, nur sein Herzklopfen und das Kribbeln im Bauch blieb. Ansonsten fühlte er nur noch Vollkommenheit.

Oh, und was war dieser Kuss anders als der Letzte. Es war nur ein Hauch von einer Berührung ihrer Lippen, fast schüchtern. Kai war so sanft und so unsagbar vorsichtig, seine Lippen bewegten sich so zärtlich. Als ob er Angst hatte Ray weh zu tun oder ihn zu verschrecken. Seine Hand in Rays Haar lag dort nur locker, ließ ihm die Freiheit, sich zurückzuziehen. Doch Ray dachte keinen einzigen Moment daran, dies zu tun. Zu schön fühlte es sich an, zu beruhigend, zu richtig .

Zu oft hatte er an diesem Tag daran gedacht, genau dies zu tun, was sie hier taten...

Es war wie er es sich vorgestellt und erhofft hatte, und noch viel besser. Kais Lippen, sein Atem, seine Haare, die ihn an der Stirn kitzelten, es war zu gut. Selbst seine Bartstoppeln störten ihn dieses mal nicht, bemerkte er sie eigentlich kaum. Sein Sinne waren vernebelt.

Wie von selbst hoben sich seine Hände und legten sich bei Kai auf die Oberarme. Er spürte genau wie der Russe kurz zusammenzuckte und innehielt, nur um kurz danach näher zu rücken und seinen anderen Arm auf Rays Hüfte zu legen. Die Hitze im Körper des Chinesen stieg weiter an, auch wenn er nicht gedacht hätte, dass dies noch möglich war.

Dann rückte Kai noch näher, wurde fordernder, leidenschaftlicher und intensivierte den Kuss, wobei er trotzdem noch so vorsichtig blieb. Seine Arme schlang er um Rays Rücken, was dieser mit derselben Geste beantwortete.

Und dann plötzlich stahl sich Kais Zunge ohne Vorwarnung in seinen Mund. Im ersten Moment war Ray einfach nur überrascht. Es war warm und feucht und ungewohnt, doch... es gefiel ihm. Sehr sogar.

Er erwiderte sofort.

Ray wusste nicht wie lange sie so auf dem Sofa saßen und sich küssten. Zeit war kein messbarer Faktor mehr. Zeit war überhaupt kein Faktor mehr. Es fühlte sich an wie Minuten und gleichzeitig wie Stunden. Sehr lang und sehr kurz. Wie Ebbe und Flut.

Aber in jedem Fall einfach wunderbar, befreiend und zu schön, um wahr zu sein. Kais Wärme, sein Körper, seine Muskeln, die Ray unter seinem Pullover spüren konnte, wenn er sich leicht bewegte, seine Zunge... Zu gut.

Vor allem nach all dem Stress in den letzten Tagen, nach all den emotionalen Tiefs. Nach all den Problemen, der Unsicherheit, nach all dem heimlichen Sehnen... Ray wollte nicht, dass es je endete.

Doch sein Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Irgendwann nämlich waren draußen Stimmen zu hören.

Verwirrt blinzelnd und mehr instinktiv, als bewusst, drückte Ray Kai ein Stück fort.

"Kai.", flüsterte er heiser und verlegen. "Du solltest besser von mir runter."

"Warum?", murmelte Kai verklärt und legte seine Lippen sofort wieder auf Rays. Kurz verlor sich der Chinese wieder in dieser Berührung, in den Gefühlen, die sie auslöste, doch besann sich eines besseren und drückte Kai schweren Herzens von sich fort.

"Kai, bitte.", flehte er, auch wenn er sich selbst nicht sehr überzeugt anhörte. "Sie würden es nicht verstehen."

Er verstand es ja selbst nicht.

"Mir egal.", murmelte Kai nur wieder und lehnte sich erneut nach vorne, doch dieses mal drehte Ray, wenn auch ungern, den Kopf zur Seite und schob Kai weiter fort. Der Russe ergab sich schließlich und ließ sich mit einem genervten Seufzer und folgendem Brummen neben ihn auf das Sofa fallen. Hastig fuhr Ray erst sich durch die Haare und über den Mund, nur um danach seufzend Kais Haare schnell zu richten.

Nur einen kurzen Moment später ging die Tür auf.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

so ihr erster richtiger kuss... *räusper*

ich hoffe, ihr seid nicht enttäuscht, denn ich selbst weiß nicht genau, was ich von dem halten soll, was ich da zusammengeschrieben hab.

bin mal gespannt, was ihr dazu zu sagen habt *nervös ist*
 

naja, wenigstens sind se jetzt mal nen schritt weiter ^___^

einige von euch haben bestimmt schon nicht mehr dran geglaubt *lach*
 

und im nächsten kapitel wird jetzt wirklich mal geklärt, warum kai sich so suablöd verhalten hat ;)

wird auch langsam mal zeit... *drop*

und keine sorge, es geht fast genauso weiter wie es in diesem kapitel aufgehört hat ;)
 

und wenn ich grad am labern bin:

diese story geht wohl nicht mehr so lang. ich weiß nicht genau, wie viele kapitel genau noch kommen werden, aber es werden nicht mehr so viele. drei bis vier, denk ich.

aber ich habe schon eine fortsetzung geplant und würde gerne wissen, was ihr davon haltet. ich bin schlecht in zusammenfassungen, aber grob würde es so aussehen, dass kai und ray getrennt wären, aber nur körperlich, wenn ihr versteht. es gäbe entführung, erpressung, viele tränen... vermutlich auch action. und viel dramatik ;)
 

so, das wars jetzt wirklich ^^°

trau mich kaum, das kapitel abzuschicken *zitter*

aber ich machs jetzt!

also schönen tag noch

bai bai

astin =:)
 

p.s.: vielen dank an all die lieben kommischreiber!!

ihr baut mich so sehr auf *alle durchknuddel*

ohne euch, hätte ich die story vermutlich schon längst abgebrochen ^__^°

Lektion XIII: Nicht sprechen!

Mit ernstem nachdenklichen Blick starrte Ray über sich an die Decke. Er war wütend, er war enttäuscht, er war frustriert.

Mit einem verärgertem Grummeln drehte er sich auf die Seite, zog die Bettdecke dicht bis unter sein Kinn und blickte die helle Wand an. Es war falsch, es war alles so verdammt falsch!

Irgendwie war ihm alles entglitten seit Max, Tyson und Kenny aufgetaucht waren. Nichts ist mehr so verlaufen wie er es sich nach dem Kuss gewünscht, wie er es erwartet hatte, alles hatte sich seiner Kontrolle entzogen, die Ereignisse hatten sich verselbstständigt und nun lag er in seinem Bett und fühlte sich... seltsam. Und einsam.

Er sehnte sich nach Kai, wusste aber nicht, ob er einfach zu ihm gehen sollte, schließlich lag er auch schon im Bett. Wie sie alle.

Alle. Max, Tyson, Kenny.

Wie er sie in diesem Moment hasste. Sie hatten ihm alles verdorben, ohne dass sie es bemerkt oder beabsichtigt hatten. Ray war klar, dass es unfair war, ihnen die Schuld für etwas zu geben, von dem sie keine Ahnung hatten, aber dennoch tat er es. Es tat gut, es half ihm nicht daran zu denken, was gewesen wäre, wenn sie nicht aufgetaucht wären und ihren Kuss unterbrochen hätten oder was gewesen wäre, wenn sie nicht verhindert hätten, dass Ray mit Kai auch nur ein weiteres Wort hatte wechseln können.

Der Chinese seufzte und grummelte zur gleichen Zeit.

Es war alles so schief gelaufen.

Ehe Ray wusste wie ihm geschah, hatte er sich in seinem Bett wiedergefunden. Alleine. Ohne Kai. Ohne ein weiteres Wort. Ohne einen weiteren Kuss, ohne eine weitere Berührung.

Verärgert stöhnte Ray auf und biss einmal in sein Kissen, um seinen Frust abzulassen. Er wusste nicht, was er tun sollte, wusste nicht ob und wie er seine Sehnsucht stillen konnte.

Es war noch nie so schrecklich gewesen zu wissen, dass Kai nur wenige Meter von ihm entfernt lag. Auch alleine. Ob er auch nicht schlafen konnte?

Ray zweifelte, ob er nicht einfach aufstehen und zu ihm gehen sollte und fragte sich gleichzeitig, warum er es nicht einfach tat. Was war dabei? Sie hatten sich immerhin geküsst und nur weil es danach zwischen ihnen verlaufen war, hieß das ja noch lange nicht, dass alles verloren war.

Bekümmert kaute Ray auf seiner Unterlippe und versuchte sich daran zu erinnern, wieso eigentlich alles so in die falsche Richtung verlaufen ist. Er konnte sich vage dran erinnern, dass Max was damit zu tun hatte und dass er zu verwirrt, zu verklärt gewesen ist, um bewusst hätte handeln zu können. Er hatte sich treiben lassen.

Doch die Strömung hatte ihn von Kai fortgerissen.

Ray runzelte die Stirn und ging die Situation noch einmal Stück für Stück durch.
 

~oOo~
 

Kai und er saßen auf dem Sofa und küssten sich (es war wundervoll das denken zu können, sich daran erinnern zu können), als Max, Tyson und Kenny zurückkamen. Ray war enttäuscht, hatte aber auch Angst und wies Kai deshalb zurück. Die Situation hatte ihn überfordert, überforderte ihn noch immer, waren so viele Fragen doch noch ungeklärt.

Die Anderen bemerkten nichts, nur Max starrte sie einen kurzen Moment verwirrt an, vermutlich wegen Kais beleidigtem Gesichtsausdruck. Danach verschwand Ray auf Tysons Drängen hin mit in die Küche, wurde von ihm fast mitgezerrt und ständig angebettelt, etwas zu Essen für ihn zu machen. Mit den Gedanken fernab der Gegenwart, erfüllte Ray diesen Wunsch und nickte bei den Erzählungen der Anderen an den passenden Stellen, ohne auch nur ein Wort mitzubekommen.

Kai lehnte währenddessen am Türrahmen und beobachtete ihn. Alle paar Minuten schickte Ray ihm ein verlegenes Lächeln und einen entschuldigenden Blick, was Kais ausdruckslose Miene aber nicht veränderte.

Und dann stand Max plötzlich neben ihm. Fragte ihn besorgt, was mit seiner Hand los sei und fing sofort an, sie abzutasten. Das war der Moment, in dem Kai zurück ins Wohnzimmer ging und aus der Fensterfront starrte.

Ehe Ray auch nur realisieren konnte, was geschah, stimmte er Max verwirrt zu mitzugehen, damit dieser ihm eine Salbe auf die verletzte Hand machen konnte, was Kai beim Verarzten seiner Hand versäumt hatte. Während Ray mit Max im Bad war und sich die Hand eincremen und neu verbinden ließ, verschwand Kai wohl in seinem Zimmer, denn als sie wieder runtergingen, saßen Tyson und Kenny allein vor dem Kamin auf dem Boden und spielten Karten. Ray ließ sich irgendwie dazu überreden mitzuspielen, auch wenn seine Gedanken noch nicht einmal ansatzweise in der Realität waren. Er versuchte zu diesem Zeitpunkt noch immer, alles zu verarbeiten.

Dann gingen sie ins Bett. Es war schon spät und Ray wusste nicht, ob er bei Kai anklopfen und ihm Gute Nacht wünschen sollte. Schließlich ließ er es.

Was irgendwie Max' Schuld war, denn während Ray unschlüssig auf Kais Tür starrte, schob Max ihn lächelnd, aber bestimmt in sein Zimmer und wies ihn an zu schlafen, da er sich 'verdammt seltsam' benehmen und 'so müde' aussehen würde.

Und dann stand Ray in seinem Zimmer. Alleine. Unschlüssig. Zerstreut.

Das bisschen Mut, was er gehabt hatte, hatte sich wie ein verängstigtes Tier verkrochen und in einer Ecke zusammengerollt. Die Hoffnungen, die er an diesen Abend gehabt hatte, hatten sich zerschlagen. Er hatte sich den ganzen Abend so benommen gefühlt, fühlte sich noch immer benommen und bekam eigentlich kaum mit, als er sich ins Bett legte.
 

~oOo~
 

Doch irgendwann verging die Benommenheit.

Und die Wut kam.
 

~oOo~
 

Allerdings war diese mittlerweile von tiefster, schmerzlicher Frustration abgelöst worden, oder hatte sich zumindest damit vermischt.

Ray seufzte, drehte sich auf den Rücken und legte sich den rechten Unterarm über die Augen.

Er sollte sich freuen, dass Kai und er sich geküsst hatten, doch er tat es nicht. Zumindest nicht nur, denn er hatte Angst, dass nun alles komplizierter werden würde, als es schon längst war. Er wäre beruhigter, wenn sie sich den Abend noch mal geküsst hätten oder zumindest mal miteinander geredet hätten.

Noch nicht einmal viel. Nur ein bisschen.

Nur ein 'Gute Nacht' oder so. Das hätte ihm gereicht. Vermutlich würde es ihm dann nicht so schwer fallen einzuschlafen und ganz sicher würde ihn diese Ungewissheit und die damit verbundene Angst nicht so sehr plagen.

"Scheiße!", fluchte Ray leise und ließ seinen Arm neben sich auf die Bettdecke plumpsen.

Und dann auch noch diese verfluchte Sehnsucht!

Die würde ihn garantiert noch wahnsinnig machen. Kai war so nah, nur wenige Meter entfernt und doch schien er so fern. Ray wollte so gerne zu ihm, wollte einfach nur bei ihm sitzen und ihn beobachten.

Oder berühren. Ihn küssen.

Ein Lächeln schlich sich auf Rays Gesicht, als er sich an ihren Kuss zurückerinnerte. Es war schön gewesen, einfach unbeschreiblich schön...

Kais Lippen, seine Wärme. Er konnte es noch immer spüren.

"Verflucht!", flüsterte Ray resigniert, schlug die Decke beiseite und stand auf. Während er unentschlossen im Zimmer stand und auf seine Tür starrte, breitete sich in seinem Körper eine aufgeregt kribbelnde Wärme aus, seine Wangen waren heiß und prickelten. Obwohl er noch gar nicht genau wusste, was er vorhatte, war er sich sicher, dass es kein Zurück mehr gab, das spürte er. Sein Körper trieb ihn, seine Seele schrie nach Kai, sein Verstand hatte sich seinen Gefühlen unterworfen. Mal wieder.

Und ehe er sich versah, hatte er seine Tür leise geöffnet und stand vor Kais. Er wusste noch immer nicht, was er wollte. Nur sehen, ob er wach ist, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Oder ihn einfach nur sehen.

Mit klopfendem Herzen legte Ray seine Hand auf die Türklinke, doch er drückte sie nicht herunter. Noch nicht. Noch zögerte er und biss sich unsicher auf die Unterlippe. Doch in seinem Inneren war etwas, was Ray drängte - in Kais Richtung drängte- was verhinderte, dass er seine Hand zurückzog und ihn schließlich dazu brachte, die Klinke langsam hinunterzudrücken und die Tür leise aufzuschieben. Der Chinese blieb im Türrahmen stehen und blickte in das Zimmer. Es war dunkel, der Mond spendete nur spärliches Licht und Kais Bett lag fast gänzlich vom Licht verborgen in der Ecke links von Ray. Leise trat der Chinese einen Schritt vor und betrachtete Kai kurz. Soweit er sehen konnte, lag er mit dem Rücken zu ihm. Er atmete gleichmäßig, was Ray vermuten ließ, dass er wohl schon schlief. Er war enttäuscht, aber fühlte sich auch irgendwie erleichtert. Er wusste ja gar nicht, was er hätte sagen wollen, wenn Kai wach gewesen wäre.

Leise ging er noch einen Schritt vor. Er wollte so gerne Kais Gesicht gesehen.

Doch dann schüttelte er leicht, aber bestimmt den Kopf, drehte sich um und schlich zurück zur Tür. Auch wenn seine Sehnsucht noch nicht einmal ansatzweise gestillt war. Ganz im Gegenteil.

Er stand mitten im Türrahmen, als er das Bettzeug rascheln hören konnte. Er erstarrte mitten in der Bewegung und schluckte. Sein Herz setzte erschrocken einen Schlag aus, um in einem unnatürlich schnellen Rhythmus wieder zu schlagen zu beginnen.

"Ray?", fragte Kai hinter ihm ungläubig und verwirrt.

Ray zögerte kurz, doch drehte sich dann langsam in Kais Richtung. Er lächelte schief.

Kai saß halb aufrecht in seinem Bett, stützte sich mit dem rechten Arm ab und fuhr sich mit der anderen Hand mit einer hektischen Bewegung durch die Haare. Er sah sehr wach aus, kein bisschen schlaftrunken, sondern nur verwirrt, was Ray zweifeln ließ, ob er nicht zu schnell geurteilt hatte, als er gedacht hatte, Kai hätte geschlafen.

"Was machst du hier?", fragte der Russe. Seine Stimme klang heiser und stockend.

Gute Frage. Was machte er eigentlich hier...?

"Ich weiß nicht.", murmelte Ray schulterzuckend, aber ehrlich und wischte seine feuchten Hände möglichst unauffällig an seinen Shorts ab, die er zum Schlafen trug. Er war nervös.

Als er bemerkte wie bescheuert seine Antwort klang, versteifte er sich und suchte eilig nach irgendeiner Erklärung für seinen nächtlichen Besuch.

"Das heißt... also... ich....", stammelte er verlegen. "Ich wollte dir... 'Gute Nacht' sagen. Genau! Also:... Gute Nacht. Ich geh dann wieder."

Hastig drehte er sich wieder herum und wollte schnellstmöglichst aus dem Zimmer stürmen, um seinen heißen und garantiert hochroten Kopf in seinem Kopfkissen zu vergraben. Was hatte er sich bei dieser bescheuerten Aktion eigentlich gedacht?!

"Willst du wirklich gehen?", fragte Kai leise, mit undeutbarer dunkler Stimme und hielt Ray auf ehe er auch nur einen Schritt in den Flur treten konnte. Diese Tonlage jagte ihm einen heißkalten Schauer über den Rücken.

Und die Frage verunsicherte ihn.

"Ich weiß nicht.", murmelte Ray wieder ratlos, mit hängenden Schultern und zog die Augenbrauen in überforderter Geste zusammen. "Ich weiß es nicht..."

Das Schlimme daran war, dass er die Wahrheit sagte.

Kai antwortete nicht, also drehte Ray sich zögerlich um. Als er in das spärlich beleuchtete Gesicht des Russen blickte, sah er etwas, was er bei Kai noch nie gesehen hatte und was ihn gleichermaßen verwirrte wie berührte. Verzweifelte Unsicherheit.

Fast sogar Angst.

Ray blinzelte irritiert. Angst...

Davor, dass Ray ging...?

"Nein.", fügte der Chinese einem Impuls folgend seiner Antwort leise hinzu. "Nein, ich glaub nicht, dass ich gehen will."

Er klang atemlos, was ihn nicht wunderte. Seine Kehle war trocken und wie zugeschnürt. Er schien keine Luft zu bekommen vor Aufregung und Nervosität. Und Kai war plötzlich wieder die Ruhe selbst.

Der Russe schwieg und sein Gesichtsausdruck veränderte sich wieder ins Ausdruckslose. Er beobachtete Ray lange und schließlich senkte er den Blick, rutschte ein Stück zur Wand und schlug die Decke vor sich beiseite, entblößte so ein Stück des hellen Spannbetttuchs, welches über die Matratze gespannt war. Dann sah er Ray ruhig an.

Dieser starrte verwirrt zurück und schluckte, als er erkannte, was Kai von ihm wollte.

Er sollte sich zu ihm legen.

Eine Stimme in ihm schrie Nichts lieber als das!, aber dennoch zögerte er. Er wusste, dass dies der eine Schritt war, der alles verändern würde, doch er wusste nicht, ob er für solch eine Art der Veränderung bereit war. Er wusste nicht, ob dies zu Problemen führen würde, die er nicht fähig war zu bewältigen.

Ehe er diesen Zweifeln aber weiter folgen konnte, zwang er sich sie abzuwerfen. Was kümmerte ihn die Zukunft, was kümmerten ihn diese Zweifel, was kümmerte ihn auch nur irgendetwas, wenn Kai nur wenige Schritte entfernt lag und ihm das Beste anbot, was Ray sich überhaupt vorstellen konnte? Er hatte sich vieles erträumt, als er Kais Zimmer betreten hatte, alle möglichen Variationen wie Kai reagieren konnte, doch dies hier übertraf bei weitem alle Hoffnungen.

Also ignorierte er die Zweifel, ignorierte seine weichen Beine, ignorierte sein freudig schlagendes Herz, was viel zu laut in seine Ohren klang, was viel zu hart in seiner Brust schlug und schloss die Zimmertür. Als er seinen Blick wieder auf Kai richtete, schoss unwillkürlich ein heftiges Kribbeln durch seinen Magen. Das Heftigste, was er je erlebt hatte.

Doch es war egal.

Ray musste lächeln, als er langsam in Kais Richtung ging, es war ein verlegenes Lächeln. Schon wieder fühlte alles sich so unecht an. Und gleichzeitig so unglaublich gut, so unglaublich richtig. Der Russe öffnete nur leicht den Mund, doch schwieg und schloss ihn wieder. Seine Miene blieb emotionslos. Nur seine Augen zeigten seine Aufregung. Sie funkelten, glänzten fast fiebrig und blieben unverwandt auf Ray gerichtet.

Dieser blieb unsicher stehen als er bei Kais Bett ankam. Er blickte nervös aus die leere Stelle der Matratze. Seine Sehnsucht hatte ihn zum Gehen gezwungen, sein Verlangen hatte die Zweifel vertrieben, seine Begierde hatte ihm Hoffnung geschenkt, doch jetzt drängte sich Angst in den Vordergrund. Ließ ihn zittrig und hektisch atmen, ließ seinen Mund trocken werden. Er schluckte und blickte zu Kai.

Und als er in dessen Augen sah, das plötzliche Gemisch aus Nervosität und vollkommener Ruhe erkannte, ließ die Angst langsam nach. Kai hatte die unglaubliche Gabe sein eigenes inneres Chaos auf ihn zu übertragen, ihn gleichzeitig aufzuwühlen und zu beruhigen. Es war ein seltsames Gefühl, weil sein Körper für Momente komplett gegensätzlich reagierte. Seine Atmung verlangsamte sich, wurde gleichmäßiger, doch sein Herz schlug härter und bedeutend schneller. Seine Hände hörten auf zu zittern, doch seine Beine wurden durch ein taubes Kribbeln durchflutet, was sie kraftlos machte. Seine Wangen kühlten sich ab, doch das Kribbeln im Bauch rotierte noch immer.

Seufzend ließ Ray sich auf dem Bett nieder. Das Knarren der Federn unter ihm kam ihm viel zu laut vor, genau wie sein eigener Herzschlag.

Dann legte er sich langsam und zögerlich hin, zog seine Beine auf das warme Bett und fühlte sich gleichermaßen wohl wie aufgeregt. Er hatte eine vage Vorstellung davon, was passieren würde, oder zumindest hoffte er, dass das, was er sich vorstellte passieren würde und das machte ihn nervös. Aus mehreren Gründen.

Wenn sie sich wieder küssen würden, hatte er zum einen Angst, was falsch zu machen. Er wusste, dass das albern war, aber er konnte es nicht ändern. Diese Angst blieb. Sie war hartnäckig und nicht zu vertreiben. Zum anderen freute er sich aber so sehr darauf – er sehnte sich so sehr nach Kais Lippen, der Wärme - , dass es ihn einfach überforderte.

Ein Arm schob sich in sein Blickfeld und legte die Decke über ihn. Sein Herz beschleunigte erneut, dieses mal so stark, dass es ihm sprichwörtlich bis zum Hals schlug. Jedes Pochen dröhnte in seinem Kopf, hallte in seinen Ohren wieder, schickte ein schmerzhaften Stich durch seine verletzte Hand und als er vor sich auf die Decke blickt, bebte diese im gleichen Rhythmus seiner Herzschläge. Leicht, in kurzen Abständen, fast zittrig.

Nur Sekunden später, hörte Ray die Matratze knarren, spürte wie Kai näher rückte, doch ehe er den Kopf wenden und ihn ansehen konnte, wurde seine linke Schulter sanft, aber bestimmt nach oben gedrückt. Ray verstand nicht genau, was Kai von ihm wollte.

"Dreh dich auf die Seite.", flüsterte der Russe mit rauer Stimme. Verwirrt und verklärt folgte Ray der Bitte. Fast augenblicklich drängte Kai sich näher an seinen Rücken und schlang seinen Arm um seinen Bauch. Jedes mal, wenn er ausatmete wehte sein Atem über Rays Nacken und hinterließ dort ein fast schmerzhaftes, aber sehr angenehmes Kribbeln, welches sich schnell in seinem ganzen Körper ausbreitete.

Das war jetzt wirklich ein Traum! Musste einer sein...

Ray schloss die Augen und rückte ein Stück zurück, was Kai mit festerem Druck seines Armes beantwortete. Er war so nah, sein Körper so dicht an seinen geschmiegt, seine Wärme gelangte direkt zu Rays Haut, nur ihre T-Shirts trennten sie noch. Er konnte alles spüren, jeden Atemzug, jede Bewegung, einfach alles. Es war traumhaft, einfach unbeschreiblich schön. Diese unausgesprochene Vertrautheit, dieses Einverständnis.

Wie er so hier lag, wie Kai hinter ihm lag. Es war alles, als ob es so sein müsste, als ob es plötzlich selbstverständlich war. Als ob dort ihre vorbestimmten Plätze waren. Nebeneineinader.

Ohne es richtig mitzubekommen, legte er seine linke Hand auf die von Kai, die auf seinem Bauch ruhte. Sie war rau und warm. Kais Atem wehte für einen kurzen Moment etwas stockend über seinen Nacken und er konnte spüren wie er tief einatmete, meinte sogar sich einzubilden, dass er an seinen Haaren roch.

Wenn das hier nur ein Traum war...

Nein, das ging nicht! Das durfte nicht sein!

Dafür war es zu intensiv. Auch wenn es sich im selben Moment so unreal anfühlte.

"Kai?", fragte Ray leise. Seine Stimme bebte leicht vor Aufregung.

"Hn.", brummte Kai und lehnte seinen Kopf gegen den Nacken des Chinesen. Seine Harre kitzelten ihn leicht, ersetzten die warmen Atemzüge des Russen.

"Ich...", begann Ray flüsternd, doch wurde sofort unterbrochen.

"Nicht.", flüsterte Kai ebenso leise. "Nicht sprechen. Lass uns einfach schlafen."

Er klang in der Tat sehr erschöpft. Eigentlich klang er sogar genauso wie Ray sich fühlte.

Dem Chinesen gefiel die Vorstellung, einfach nur nebeneinander zu liegen und die Nähe des Anderen zu genießen. Er hatte zwar gehofft, sie würden sich noch küssen, aber unter diesen Umständen war er noch nicht einmal enttäuscht, wenn sie es nicht taten. Also versuchte er sich zu entspannen, was ihm teilweise sogar gelang.

Aber nur bis zu dem Punkt, wo Kai seinen Kopf wieder hob, denn ab diesem Moment konnte er wieder seinen Atem spüren. Warm und kitzelnd.

Unter diesen Umständen war es ihm unmöglich einzuschlafen. Das wusste er, ohne es wirklich versucht zu haben. Ganz zu schweigen von Kais Körper, der gegen ihn gepresst war und ihm den Verstand raubte.

Langsam öffnete er die Augen.

"Kai?", flüsterte er mit belegter Stimme. Er räusperte sich leise.

"Sh.", entgegnete Kai ebenso leise. "Schlaf einfach."

Ray seufzte. Schlafen.

Er würde ja gerne, aber sein Körper war so wach, so erfüllt von diesem warmen Rauschen, das durch seine Adern schoss, so alarmiert durch Kais Nähe. Ihre Körper berührten sich längs, ihre nackten Beine lagen übereinander, das war einfach zu viel. So nah war er Kai noch nie gekommen. Noch nicht einmal ansatzweise.

"Glaubst du wirklich, dass ich jetzt noch schlafen kann?", murmelte er verlegen, aber mit einem halben Lächeln auf den Lippen.

"Ich weiß nicht.", antwortete Kai fast hauchend. Seine Stimme war so rau, so dunkel. Fast schon lasziv. "Kannst du?"

Ray erschauderte.

"Natürlich nicht.", wisperte er atemlos, strich gedankenverloren über Kais Hand.

"Warum?", fragte der Russe gedämpft weiter. Er schien näher zu rücken.

Ray überlegte kurz, ob er Kai die Wahrheit erzählen sollte und entschied sich dafür. Alles oder nichts.

"Weil...", begann er seufzend, doch wurde sofort von Kai unterbrochen, der den Satz für ihn beendete.

"Weil ich dich nervös mache?", sagte er leise und kurz darauf spürte er wie Kai ihm in den Nacken blies. Seine Härrchen stellten sich auf und ein Schauer jagte sein Rückrat herunter.

"Woher...", begann Ray mit zitternder Stimme, doch besann sich eines besseren und formulierte den Satz anders. "Wie kommst du darauf?"

"Weil... es mir so mit dir geht.", flüsterte Kai gegen seinen Nacken.

Ray brauchte mal wieder sehr lange, sich von seinen körperlichen Reaktionen auf Kai fortzureißen und sich dem Inhalt seiner Antwort zu widmen. Entsprechend lange dauerte es mal wieder bis er verstand, was Kai gesagt hatte.

Er stockte und blinzelte verwirrt.

Sein Herz hatte sich beruhigt, doch nun fing es wieder an schneller zu schlagen. Das Kribbeln in seinem Bauch hatte nachgelassen, doch nun fing wieder heftiger an und schickte Stromstöße durch seinen Körper.

Er musste Kai ins Gesicht sehen, musste sich überzeugen, dass er wirklich das gesagt hatte, was der Chinese verstanden hatte. Also drehte er sich langsam und zögerlich um.

Seine linke Schulter schob sich gegen Kais Schlüsselbein ehe der Russe ein Stück zurück rutschte und seinen Griff lockerte, damit Ray sich vollends herumdrehen konnte.

Immer noch verwirrt schaute er Kai fragend an. Der Arm des Russen lag nun auf seinem Rücken, Rays Hände zwischen ihnen beiden in Höhe seines Brustkorbs.

"Wirklich?", fragte Ray mit dünner Stimme und sah Kai fragend an. Er war sich bewusst, dass seine Augen vermutlich einen flehenden Ausdruck hatten, doch das konnte und wollte er nicht ändern. Denn gedanklich flehte er Kai an, die richtige Antwort zu geben. Es ihm noch einmal zu bestätigen.

Doch Kai sah ihn einfach nur an und schwieg. Erneut mit diesem ruhigen Ausdruck, doch Unsicherheit hatte sich in seinen Blick geschlichen. Er antwortete nicht, was Ray aber nicht verwunderte. Kai war noch nie ein Mann vieler Worte gewesen. Er ließ Taten sprechen. Genau wie in diesem Moment.

Er zog seinen Arm von Rays Rücken, fasste vorsichtig Rays rechtes Handgelenk und führte dessen Hand, nach kurzem nachdenklichem Zögern zu seiner Brust. Verwirrt, aber auch neugierig folgte der Schwarzhaarige mit seinen Augen dieser Tat und ließ es schließlich zu, dass seine Hand auf die linke Seite von Kais Brustkorb gelegt wurde. Trotz Verband fühlte er den weichen Stoff des T-Shirts, Kais warme Hand, die noch auf seiner lag, die Hitze, die sein Körper ausstrahlte und... sein Herz.

Ray hatte eigentlich ansetzen wollen, um Kai zu fragen, was er vorhatte, doch nun verstand er. Jetzt, wo er es deutlich fühlte.

Kais Herz schlug hart und sehr schnell gegen seine Hand, fast schon aufgeregt. Genau wie Rays eigenes Herz im selben Moment. Mit gerunzelter Stirn starrte der Chinese auf ihre beiden Hände und dann wieder in Kais Gesicht. Wie schaffte er es, so verdammt ruhig auszusehen, wenn sein Herz in seiner Brust fast zu explodieren schien?

Und dass Kais Herz überhaupt so schnell schlug...

"Wegen mir?", fiepte Ray irritiert und sah ungläubig zurück auf ihre beiden Hände.

"Also wegen mir bestimmt nicht.", murmelte Kai trocken.

Ray blinzelte irritiert, doch zog dann seine Hand zurück und lachte leise. Es tat gut, vor allem wenn er daran dachte wie lange er schon nicht mehr gelacht hatte. Zudem entspannte es die Situation ein wenig. Doch nicht für lange.

Kai hatte ihn stumm angesehen, mit fast verständnislosem Blick, der sich aber schnell in puren Ernst verwandelte.

"Ich mag es, wenn du lachst.", sagte er leise, aber geduldig.

Ray verstummte sofort und sah Kai verständnislos an. Dann lächelte er verlegen und wandte den Blick ab.

"Und ich mag es, wenn du mich so ansiehst, wie eben gerade.", fügte Kai flüsternd hinzu. Seine Hand schob sich wieder auf Rays Rücken und seine Finger begannen fast gedankenverloren auf der Stelle sanfte Kreise zu ziehen. Das war irgendwie zuviel.

Kais Worte waren wohl das Schönste, was jemals jemand zu Ray gesagt hatte und seine Berührungen riefen Reaktionen in seinem Körper hervor, dass Ray fast schon schwindlig wurde. Dabei war es noch nicht einmal viel. Nur leichte, sanfte Berührungen und einfache Worte. Und doch war es unbeschreiblich.

"Kai...", begann Ray, doch driftete sofort wieder ab. Anstelle einer Antwort, rückte er ein Stück näher, fast schon aus Reflex. Er musste das einfach tun. Es war wie ein Zwang, wie als ob er von Kais Nähe abhängig war, als ob er ohne ihn nicht überlebensfähig war. Er wurde fast magnetisch von ihm angezogen.

"Und ich mag es, wie du meinen Namen aussprichst.", flüsterte Kai, was Ray erneut irritiert aufsehen ließ. Und obwohl das Licht nur sehr schwach war und obwohl Kai sich wohl die größtmöglichste Mühe gab, es zu verbergen, konnte Ray es nun deutlich sehen. Wieder in Kais Augen, aber auch in der Weise wie er atmete.

Anhand der tiefen, langsamen Atemzüge, die zittrig wieder ausgestoßen wurden und anhand Kais unsicherem Blick, erkannte Ray, dass der Russe für diese wenigen Sätze wohl all seine Überwindungskraft benötigt hatte. Von seinen Versuchen ruhig zu wirken ganz zu schweigen.

Dafür schenkte Ray ihm das strahlendste Lächeln, was er wohl jemals hervorgebracht hatte. Ohne sich anstrengen zu müssen.

Erwidern konnte er allerdings nichts. Ihm fehlten die Worte.

Dafür rückte er aber noch ein wenig näher, so nah, dass sich ihre Gesichter fast berührten, so nah, dass seine Hände den weichen Stoff von Kais Shirt spüren konnten. Kais Hand auf seinem Rücken stockte kurz, doch dann begann er langsam Rays Wirbelsäule hinauf zu fahren. Es kitzelte ein wenig, doch trieb seine Körperwärme stetig in die Höhe. Kai sah ihn währenddessen unverwandt an, ohne den Blick auch nur einmal abzuwenden. Und wie jedes Mal, wenn der Russe ihn ansah, mit diesem speziellen intensiven Blick, schien Ray förmlich dahinzuschmelzen. Auch in diesem Moment.

Er lächelte zaghaft während Kais Hand seinen Rücken wieder federleicht hinunterfuhr. Kai erwiderte das Lächeln flüchtig, auch wenn man das leichte Anheben seiner Mundwinkel eigentlich kaum als Lächeln bezeichnen konnte. Dennoch reagierte Rays Bauch unmissverständlich mit dem bekannten Kribbeln.

Dies war der selbe Moment, wo Kais Hand sein Shirt ein wenig nach oben schob und sich auf seinen nackten Rücken legte. Ray schluckte und schloss die Augen. Seine Haut prickelte warm. Dort, wo Kais Hand lag. Es tat gut Kais Haut auf seiner zu fühlen. Ohne Stoff dazwischen. Wie lange hatte er sich danach gesehnt.

Während Ray weiterhin fasziniert war von den Reaktionen, die eine einfache Berührung von Kai bei ihm auslöste, begann der Russe erneut seine Wirbelsäule auf und ab zu fahren.

Und ab da war es wirklich zuviel.

Während Rays Hände sich automatisch und fast verzweifelt in Kais Shirt krallten, öffnete er langsam die Augen und traf sofort auf Kais Blick. Ohne lange zu überlegen und ohne, dass er sich richtig darüber im Klaren war, lehnte Ray sich nach vorne und küsste Kai zaghaft auf den Mundwinkel. Als dieser noch nicht einmal in seinen Bewegungen innehielt, sah Rays dies als Bestätigung weiterzumachen und begann Kais Kinn und Wange mit langsamen sinnlichen Küssen zu bedecken. Ab und zu strich er mit seiner Zungenspitze leicht über seine Haut. Sie schmeckte ein wenig salzig.

Kais Hand fuhr noch immer über seinen Rücken und als Ray sich erneut zu seinem Gesicht lehnte, drehte Kai seinen Kopf so, dass Rays Lippen auf seine trafen.

Ray war längst nicht so nervös wie bei ihrem ersten Kuss, aber spürte sofort wieder diese Ruhe, die ihn einzuhüllen und in warme Decken aus berauschenden Gefühlen zu wickeln schien. Erneut war Ray überrascht davon wie sehr er sich danach sehnte Kais Lippen zu spüren, ihn zu schmecken, wie sehr er es brauchte, wie sehr es ihm alles gefehlt hatte.

Auch wenn er wohl früher nie so richtig gewusst hatte, was genau es war, was ihm gefehlt hatte.

Während Kais Hand noch immer über seinen Rücken strich, presste er Ray näher an sich, nur um seine Hand wenige Sekunden später zurückzuziehen, Rays rechte Schulter hinunterzudrücken und sich langsam auf ihn zu rollen. Er lag halb auf ihn, sein Gewicht war aber keinesfalls unangenehm. Ganz im Gegenteil.

Seine Wärme war herrlich, seine Nähe nötig.

Kais eine Hand begann mit langsamen Bewegungen sich wieder unter Rays Shirt zu stehlen, strich über seinen Bauch, seine Taille, gleichzeitig krallte er seine andere Hand fast besitzergreifend in seine Haare. Dann zog er sich zurück und blickte ihn fast verwirrt an, seine Hand verharrte auf Rays Bauch.

"Was machen wir eigentlich hier?", flüsterte er mit einem verzweifeltem Lächeln auf dem Gesicht und strich Ray eine Haarsträhne aus der Stirn.

Mit dieser Frage und diesem Gesichtsausdruck verkörperte er all das, was in Ray schon seit Tagen vorging. Ratlose Verzweiflung.

"Ich weiß nicht.", flüsterte er zurück, lehnte sich aber sofort ein Stück nach oben, um einfach dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. Doch Kai drehte den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn. Plötzlich schien er zu zweifeln.

Er begann sich von Ray runterzurollen, doch dieser hielt ihn am Ärmel seines T-Shirts fest.

"Nicht.", flüsterte er mit belegter Stimme. Sie zitterte gequält. "Bitte nicht..."

Kai durfte ihm das nicht antun. Das würde Ray nicht verkraften, er hielt dieses ewige hin und her einfach nicht mehr aus. Und überhaupt, was sollte das alles?! Warum reagierte er jetzt wieder so... so abweisend?

Es brach Ray das Herz. Der Chinese wusste, dass er wohl genauso Schuld war an ihrer schwierigen Situation wie Kai, dass er genauso daran Schuld war, dass sie sich immer wieder annäherten, nur um sich danach wieder voneinander zu entfernen, doch er war mittlerweile an dem Punkt angelangt einzusehen, dass es so nicht weitergehen konnte. Er musste handeln.

Doch er wusste nicht wie.

Wusste er schon seit langem nicht mehr. Das Schwierige war ja, dass er jetzt, wo er sich fast für eine Richtung entschieden hatte, Kai sich plötzlich für eine anderen Richtung entschied. Das durfte doch so nicht weitergehen...!

Da Ray aber mittlerweile gemerkt hatte, dass es am einfachsten war, sich einfach von seinen Instinkten leiten zu lassen, seine Gedanken, Zweifel und Ängste mal nicht zu beachten, umfasste er Kais Nacken und zog ihn mit verzweifelt abhängigem Blick zu sich hinunter, um seine Lippen auf die seinigen zu legen. Kai wehrte sich zuerst halbherzig, doch ließ es schließlich geschehen. Sein Körper legte sich wieder auf Rays, doch er schien angespannt.

"Ich weiß wie du dich im Moment fühlst.", flüsterte der Chinese in Kais Mund. Ihren Zungen berührten sich. "Mir geht's genauso."

Er konnte Kai ja verstehen. Etwas zu tun, wobei man sich so unglaublich glücklich und geborgen fühlte und gleichzeitig darüber zu zweifeln, ob es richtig war und wozu es führen könnte, war frustrierend und belastend. Mehr als das. Es war sogar entsetzlich quälend.

Kai löste sich von ihm und sah ihn lange an. Mit den Fingern seiner rechten Hand fuhr er sanft über Rays Wange. Er schien nachzudenken und der Schwarzhaarige gab ihn alle Zeit, die er benötigte. Schließlich schloss Kai mit einem unzufriedenen Grummeln die Augen, senkte seinen Kopf küsste Ray sanft auf den Halsansatz.

"Ich weiß nicht, was ich will.", brummte er gegen seine Haut, hinterließ ein taubes Gefühl an der Stelle. "Ich weiß gar nichts mehr."

Der Chinese kannte dieses Gefühl nur zu gut, doch ehe er etwas erwidern konnte, biss Kai ihm zärtlich in den Hals.

Überrascht schnappte Ray nach Luft, nur um sie in einem zittrigen Keuchen wieder entflüchten zu lassen, als ein heißer Schauer durch seinen Körper jagte und sich direkt in seinem Unterleib sammelte. Ihm wurde heiß. Und sein Körper reagierte eindeutig.

Zu Eindeutig für Rays Geschmack.

"Woah!", stieß er überfordert hervor und drückte Kai überstürzt von sich fort. Peinlich berührt sowie nervös rückte er von ihm fort Richtung Wand, wo er sitzend hastig versuchte auf andere Gedanken zu kommen und zu verhindern, dass die Hitze in seinem Unterleib sich zu einer Erektion erweitern konnte. Er wagte es nicht, Kai anzusehen.

"Was ist?", fragte dieser irritiert, mit einem leicht gereizten Unterton in der Stimme.

"Nichts... ich...", begann Ray mit hoher Stimme und heißem Gesicht, doch beendete seinen Satz nicht.

"Nichts also.", zischte Kai. Unter dem gereizten Ton verbarg sich Enttäuschung und Verletztheit. Verwundert wandte Ray den Kopf, doch Kai weigerte sich, ihn anzusehen. Er lag mittlerweile auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und starrte verbissenen an die Decke. Ray verstand sofort. Nach dem kurzen Gespräch, was sie vor wenigen Sekunden geführt hatten, musste Kai das jetzt falsch verstehen.

"Nein, nein!", rief Ray kopfschüttelnd und hastig aus. "Versteh das nicht falsch. Es ist nur so, dass..." Er räusperte sich verlegen und fuhr mit leiser, verlegener Stimme fort. "Wenn wir weitermachen... geschieht... geschieht wohl ein Unglück..."

Kais Augen wanderten langsam nach links und sahen Ray skeptisch an.

"Tz, Unglück...", brummte er. "Was soll das bitte für ein 'Unglück' sein?"

Musste er es ihm wirklich so schwer machen? Das einzigst Gute an Kais Fragerei war die Tatsache, dass sich Rays Problem von selbst zu beheben schien. Er war zu beschämt, um sich weiterhin erregt zu fühlen – um weiterhin erregt zu sein. Er antwortete nicht, woraufhin ihn Kai zu beobachten schien. Langsam, von oben bis unten. An Rays rechter Hand, die fast verzweifelt die Decke über seinen Schritt hielt, blieb er schließlich hängen.

"Oh.", machte er plötzlich erkennend, was Ray erröten ließ. Zögerlich riskierte er einen Blick auf Kai, welcher ihn mit fast verwirrter Erleichterung musterte. Sie starrten sich einige Momente lang an. Die Stille war drückend und unangenehm, doch schließlich zog Kai einfach seinen linken Arm hinter seinem Kopf hervor und streckte ihn ein wenig von sich. Er bot Ray an, sich wieder zu ihm zu legen, ohne auf das Thema näher einzugehen, wofür ihm der Chinese unendlich dankbar war. Die Sache war ihm unangenehm genug.

Als er sich sicher war, sich genug 'beruhigt' zu haben, rutschte er langsam zu dem Russen, der ihn mittlerweile mit einem geduldigen, wartenden Blick musterte und legte sich zögerlich zu ihm. Seinen Kopf bettete er auf seiner linken Schulter, seine Hand auf Kais rechter. Fast augenblicklich spürte er wie Kais Arm sich um seine Taille schlang und schloss die Augen.

"Vielleicht sollten wir jetzt wirklich schlafen.", murmelte Kai erschöpft und ohne jegliches Anzeichen von Amüsement in seiner Stimme, was Ray beruhigte.

"Ja.", stimmte er hastig zu, während er versuchte seine Hüfte soweit wie möglich von Kais Körper fernzuhalten. Nur für alle Fälle. "Gute Nacht."

"Hn.", war Kais einzige Antwort.

Zumindest dachte Ray das. Doch dann spürte er wie Kai sich seicht bewegte und kurz darauf wurde seine Kinn ein wenig nach oben gedrückt. Warme, feuchte Lippen legten sich noch einmal auf die seinen, verharrten dort kurz und zogen sich zurück. Ray musste lächeln und seufzte wohlig.

Er fühlte sich gut.

Wie schnell alles andere mal wieder vergessen war.

Gedankenverloren strich er mit schläfrigen Bewegungen über Kais Brust, ehe er eine Stelle fand, die wie für seine Hand gemacht zu sein schien und reglos verharrte. Wenige Sekunden später legte sich Kais Hand auf seine.

Eingehüllt in der Wärme, die der Körper des Russen ausstrahlte, durchflutet mit einer inneren Ruhe, die er sonst nur vom Meditieren kannte und mit dem schnellen, aber stetig langsamer werdenden, kräftigen Schlägen von Kais Herz an seinem Ohr, schlief er schließlich doch noch ein. Im Hinterkopf hatte er den erfreulichen Gedanken, den nächsten Tag nicht alleine aufwachen zu müssen.
 

~I have you breathing down my neck

I don't know what you could possibly expect under this condition so

I'll wait for the ambulance to come

Pick us up off the floor

What did you possibly expect under this condition~
 

~oOo~
 

Ray war wach, bevor er die Augen öffnete. Zumindest so wach wie man sein konnte, wenn man gerade langsam aus einem Traum in die Realität driftete, doch er sah sich sofort mit gemischten Gefühlen konfrontiert. Sein Unterbewusstsein registrierte nämlich Dinge, die er in diesem Zustand noch nicht wahrnahm, aber in gewisser Weise spürte und darauf reagierte. Während ein Teil seines schläfrigen Verstandes ihm weismachen wollte, dass er wohl noch nie so gut wie diese Nacht geschlafen hatte und dass er und Kai sich vor wenigen Stunden mehrmals geküsst hatten, er sich somit berechtigterweise sprichwörtlich auf Wolke sieben befinden durfte, war der andere Teil seines Verstandes, vor allem aber sein Körper enttäuscht.

Denn es war kalt und er war allein.

Das wusste er, schon bevor er schlaftrunken mit seinem linken Arm suchend über die Matratze fuhr und nur Leere vorfand. Hintergründig registrierte er ein leichtes Ziehen und ein warmes Pochen in seinem rechten Handgelenk, doch ignorierte es vorerst. Er öffnete träge sein linkes Auge und spähte ins Zimmer, um sich zu vergewissern. Tatsächlich. Es war niemand da.

Weder im Bett, noch im Raum.

Seufzend drehte Ray sich auf den Rücken und öffnete auch sein anderes Auge. Er fand es schade, alleine aufzuwachen, denn es war ein Umstand, an den er gewöhnt war. Es war weder etwas Besonderes, noch etwas Schönes. Vor allem nicht, wenn man beim Einschlafen fest davon überzeugt war, das erste Mal im Leben nicht allein aufzuwachen.

Aber es gab drei Gründe, warum dieser Umstand Ray zwar enttäuschte und seine Stimmung ein wenig drückte, aber ihn nicht vollkommen deprimiert und einsam zurückließ. Der erste Grund, war der Offensichtlichste:

Ray war eindeutig nicht in seinem Zimmer, dafür aber genauso eindeutig in Kais.

Womit der zweite Grund zusammenhing, denn wenn er in Kais Bett lag, hieß das, dass er folglich letzte Nacht – den letzten Tag – nicht nur geträumt hatte. Nein, es war real. Sie hatten sich wirklich geküsst. Mehrmals. Sie waren zusammen eingeschlafen. Aneinander geschmiegt.

Und es war schön gewesen. Nahezu fantastisch gut.

Der dritte Grund aber war es schließlich, der Rays Gefühle zum Überschwellen brachte und ihn daran hinderte, sich deprimiert zu fühlen, weil er alleine aufgewacht war, denn der dritte Grund war, dass der Chinese die Hoffnung hegte, Kai könnte genau dasselbe für ihn empfinden wie er für den Russen. Und dass sie vielleicht wirklich eine Chance hatten. Niemand, vor allem nicht Kai, küsste ihn so, sagte solche Dinge, reagierte mit diesem schnellen Herzschlag auf ihn, ohne nicht wenigstens ein bisschen für ihn zu empfinden.

Dieser Gedanke war berauschend wundervoll.

Ray schäumte vor Glück fast über und um seinen aufgestauten Gefühlen Platz zu machen, setzte er sich auf, schnappte sich das nächstgelegene Kissen und vergrub sein grinsendes Gesicht darin, während er es fest drückte, es nahezu zerquetschte. Das war alles zu gut, um wahr zu sein!

Nachdem er sich wieder ein wenig beruhigt hatte, legte er das Kissen schnell beiseite, da ihm bewusst wurde, dass Kai jeden Moment in das Zimmer platzen könnte. Ihn dabei zu erwischen wie er mit dem Kissen kuschelte, war nicht unbedingt der beste Start in den Tag.

Alleine der Gedanke daran, ließ Ray sachte erröten.

Mit einer fahrigen Bewegung, fuhr er sich durch die Haare und wusste nicht genau, was er mit sich anfangen sollte, denn obwohl er gerade mal für wenige Minuten wach war, strotzte er nur so vor Energie. Er fühlte sich wach, für alles bereit, so gut wie noch nie.

Doch er wusste absolut nicht wie er seine aufgestaute Energie herauslassen konnte. Auf jeden Fall nicht durchs Herumsitzen. Er musste irgendwas machen und wenn es nur duschen war, doch im selben Moment, wo er seine Beine über die Bettkante schwang und aufstehen wollte, öffnete sich die Tür und Kai betrat den Raum. Ray verharrte mitten in der Bewegung und ließ sich schließlich zurück auf die Matratze sinken. Aufgeregtes Kribbeln, was seine Quelle in seinem Bauch fand, schoss durch seinen Körper, sein Herz schlug heftig. Mittlerweile hatte er sich fast daran gewöhnt so zu reagieren, wenn Kai auftauchte. Aber nur fast.

Der Energieüberschuss war noch längst nicht verschwunden, mit Kais Auftauchen eher schlimmer geworden, doch Ray fühlte sich nicht in der Lage aufzustehen, um dem Problem entgegenzuwirken. Zum Einen fühlten sich seine Beine dazu einfach zu taub und schwach an, zum Anderen war er zufrieden damit, Kai einfach nur glücklich anzustrahlen.

Der Russe erwiderte den Blick mal wieder ausdruckslos, doch seit letzter Nacht, konnte Ray nicht nur erahnen, dass das nicht ausdrücklich bedeuten musste, dass Kai vollkommene Gleichgültigkeit empfand, sondern er wusste es. Er hatte schließlich gefühlt wie schnell Kais Herz schlagen konnte, selbst wenn er ihn mit diesem emotionslosen Blick anstarrte. Rein theoretisch konnte es dem Russen genauso gehen wie ihm selbst.

Der Unterschied bestand darin, dass Kai es besser zu verbergen wusste.

"Morgen.", strahlte Ray, woraufhin Kai sich zu einem sanften Lächeln hinreißen ließ. Er sah noch leicht verschlafen aus, hatte einen Abdruck des Kissens auf seiner Wange, leicht geschwollene Augen und verstrubbelte Haare, doch das gefiel Ray. Es war wieder etwas, was Kai menschlicher machte.

"Wie geht's deinem Handgelenk?", fragte der Russe und deutete auf Rays rechte Hand, die er auf seinem Oberschenkel liegen hatte. Ray folgte seiner Geste und starrte auf den Verband, der um seine Handgelenk gewickelt war. Erst jetzt fiel ihm richtig auf wie sehr die Bandage drückte, wie sehr alles pochte und spannte. Er versuchte es zu bewegen, doch das jagte einen stechenden, wenn auch ertragbaren Schmerz durch sein Handgelenk.

"Tut weh.", gab er schließlich ehrlich zu. "Der Verband drückt."

Kai nickte verstehend.

"Ich mach dir einen Neuen.", erwiderte er und verschwand kurz aus dem Raum, um ihn mit einer Salbe in der Hand wieder zu betreten. Er setzte sich rechts neben Ray und begann die Mullbinde abzuwickeln. Ray betrachtete ihn dabei mit verwirrt gerunzelter Stirn. Sein glückliches Lächeln begann zu verblassen bis es schließlich völlig verschwand.

Irgendwas stimmte nicht.

So hatte er es sich nicht vorgestellt. Er wusste zwar auch nicht genau wie sonst, aber auf jeden Fall nicht... so. Hätte Kai ihm nicht einen Guten-Morgen-Kuss geben müssen? Ihm zumindest Guten Morgen wünschen müssen?

Aber auf der anderen Seite: Was musste Kai überhaupt?

Sie hatten sich gestern geküsst, das verpflichtete noch niemand auch nur zu irgendwas. Es war nicht so, dass Ray gedacht hatte, dass sie jetzt zusammen wären und sich fortan auch so verhalten würden, aber...

Ray seufzte lautlos. Er durfte sich nichts vormachen. Er hatte es gedacht. Irgendwie.

Er begann sich über sich selbst zu ärgern. Er war so naiv!

Sein Handgelenk war mittlerweile von der Bandage befreit. Kai betrachtete es genau, mit vorsichtigen Berührungen. Es war geschwollen, hatte rote Abdrücke von dem Verband und auf der Oberseite zog sich ein riesiger bläulich-violett verfärbter Bluterguss bis auf seinen Handrücken.

"Das sieht nicht gut aus.", murmelte Kai, ließ seine Hand los und begann die Salbe aufzuschrauben. "Kannst du es denn bewegen?"

Immer noch verwirrt über den Beginn des Tages, über seine eigenen Gedanken und über Kais Nähe, von der er nicht wusste, was er von ihr halten sollte, versuchte Ray zu ignorieren, dass das Glücksgefühl Zweifeln wich und dass er sich plötzlich gar nicht mehr so überschwänglich und voller Energie fühlte und bewegte sein Handgelenk leicht. Jetzt, wo es nicht mehr durch die Bandage gestützt war, konnte er es etwas weiter abknicken, aber nur unwesentlich. Der Schmerz war zum Einen um einiges heftiger wie mit Verband und zum Anderen war das Gelenk einfach zu geschwollen, um es richtig bewegen zu können.

"Nein, es tut weh und ist zu geschwollen.", murmelte er, starrte unter sich auf den Boden und begann wieder zu grübeln. Sein Herz schlug noch immer hart und hüpfend in seiner Brust, doch er versuchte es zu ignorieren.

Kais Hände verteilten sanft und professionell die Salbe auf seiner Haut. Dann begann er seine Hand wieder großzügig zu verbinden. Nach wenigen Sekunden, wanderte Rays Blick wie von alleine in sein konzentriertes Gesicht. Er betrachtete Kai genau, fuhr seine Gesichtszüge nach, registrierte die leichte Stirnfalte und fragte sich, was schon wieder los war.

Warum küsste er ihn nicht? Was hatte das zu bedeuten?

Und was war dann zwischen ihnen los? Wie sollte es mit ihnen weitergehen, wenn sie jetzt nicht zusammen waren? Sie konnten doch nicht einfach so weitermachen wie bisher...

Und sich in irgendeinem Zwischenstadium zu befinden, passte Ray auch nicht.

"Ich glaube nicht, dass es gebrochen ist.", murmelte Kai plötzlich, doch riss Ray nicht wirklich aus den Gedanken. Nur hintergründig nahm er das Gesprochene wahr. Der Inhalt des Satzes drang nicht richtig zu ihm durch.

Ihm fiel etwas auf.

Warum eigentlich erwartete er von Kai, dass er ihn küsste? Warum sollte der Russe die Initiative ergreifen? Schließlich bestand die Möglichkeit, dass er genauso unsicher und verwirrt war wie Ray.

"Ich glaube, wenn es gebrochen wäre, sähe es noch schlimmer aus.", murmelte Kai weiter, woraufhin Ray abwesend einen zustimmenden Laut von sich gab.

Vielleicht hatte Kai auch Angst und Zweifel. Er hatte ihn schließlich letzte Nacht gesehen. Er hatte es doch eigentlich genau gesehen, in seinen Augen. Es war sogar sehr wahrscheinlich, dass Kai genauso wenig wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte wie er selbst.

Und plötzlich begriff Ray noch etwas anderes. Etwas Banales, aber Wichtiges.

Jetzt, wo er nachdachte, hatte Kai eigentlich immer die Initiative ergriffen. Zumindest wenn es irgendwie ernst wurde. Er hatte schließlich ihr 'Date' arrangiert, er hatte ihn geküsst, er hatte ihn dazu verleitet sich zu ihm zu legen, er hatte den Arm um ihn gelegt, er hatte begonnen ihn zu streicheln. Es war immer Kai gewesen.

Ray runzelte noch weiter die Stirn, seine Magen kribbelte nervös, auch wenn er noch nicht wusste, warum. Er betrachtete Kai wieder genauer. Seine Augen, die fast immer so distanziert wirkten, doch es meistens gar nicht waren, seine Nase, seine Wangeknochen, seine Lippen...

Rays Gedanken kamen ihm wieder in den Sinn. Sollte er vielleicht einfach...?

Er wollte es, doch er konnte nicht. Er hatte Angst. Vor was, wusste er noch nicht einmal genau.

Dann begann Kai wieder zu sprechen.

"Wir gehen sofort nach dem Frühstück zum Arzt.", brummte er, während er den Verband mit einer Klemme befestigte. Seinen Lippen bewegten sich nur leicht beim Reden, die Worte schienen dunkel aus seiner Kehle zu kommen. Ray blinzelte irritiert und fuhr sich mit der Zunge, ohne es richtig zu bemerken, nervös über die eigenen Lippen.

Ehe er auch nur weiter darüber nachdenken konnte, ob er es riskieren sollte diese Lippen mit den eigenen zu berühren, schwappte dieses Verlangen wie eine riesige Welle über ihn und ertrank ihn in Anziehungskraft und Willenlosigkeit.

Gerade als Kai seine Hand losließ und seinen Blick wieder hob, lehnte Ray sich nach vorne und küsste ihn schüchtern. Ehe Kai erwidern konnte, zog er sich allerdings wieder zurück.

Nun war es wohl eindeutig.

Er war Kai verfallen.

Wenn er jetzt schon nicht mehr fähig war sein Verlangen und seinen Körper zu kontrollieren...

Ein wenig peinlich berührt und mit hart klopfendem Herzen blickte er vor sich auf den Boden. Er konnte Kais verwirrten Blick förmlich auf sich spüren, konnte seine rotierenden Gedanken fast hören und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Er wusste nicht was, entschied sich dann aber, dass irgendwas, egal was vollkommen richtig war. Allerdings war er nur noch zu einem überraschten kehligen Laut fähig, als sein Gesicht mit zwei Händen gefasst und nach rechts gedreht wurde. Augenblicklich sah er sich dann in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelt.

Kai hatte wohl nur auf ein Zeichen gewartet.
 

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zu allererst: sorry, dass es so lange gedauert hat, aber ich hatte wirklich gute gründe. ich weiß nicht, ob ihr es in meinem weblog gelesen habt, aber wenn nicht, die kurzversion:

ein freund von mir wurde angefahren. das hat mich ziemlich fertig gemacht, weil es so aussah, als ob er nicht durchkommt. da hat ich nun wirklich kein lust weiter zu schreiben. mittlerweile geht es ihm aber wieder besser, er kommt wahrscheinlich sogar nächste woche wieder aus dem krankenhaus.
 

tja, und als mich dieses thema nicht mehr so fertig gemacht hat, kam wieder das abi.

aaaber *gg*

ihr dürft mir gratulieren, denn ich hab letzten freitag meine letzte prüfung gehabt und bin jetzt fertig!! freizeit, freiheit! man, das ist toll *rumspring*

*räusper* zurück zum thema:
 

ich bin bei diesem kapitel wieder sehr nervös, weil ich mich selbst mit dem anfang nicht richtig anfreunden kann, aber ich wusste nicht wie ich es anders hätte lösen können *drop*

wollte halt irgendwie die benommenheit rüberbringen, da waren details nicht so ein geignetes mittel °_°

hoffe, es gefällt euch trotzdem ^^
 

oh, man, da fällt mir auch grad noch ein: ich sollte den jungs nicht soviel nachmachen. erst trink ich zu wenig, hab tagelang kopfschmerzen und kipp dann in der dusche fast um und dann musste ich einen großteil des kapitel mit verbundener hand tippen (was total bescheuert aussah), weil ich zu doof war ne treppe runterzugehen und mir beim fallen den mittelfinger verstaucht hab. war total geschwollen... *drop*

immer noch nicht ganz heil ^^°
 

zum nächsten kapitel: ich hab schon einen großteil geschrieben, aber stellt euch mal darauf ein, dass kai sehr viel spricht. eigentlich wollte ich ihn in diesem kapitel schon alles erklären lasen, aber das kapitel ist so ja schon lang genug *drop*
 

achso, noch eins, dann bin ich auch still ^^°

das lied mittendrin ist von jack's mannequin und heißt dark blue. hat so schön gepasst und verkörpert auch so schön ihre verkorkste beziehung zueinander.

aber das kommt auch noch einmal genau im nächsten kapitel ^__^
 

so, das wars dann wirklich, ich werd mal das schöne wetter genießen und mich übers abi freuen *jubel*

wunderschönen tag noch

bai bai

astin =:)

Lektion XIV: Sprich erst, wenn es drauf ankommt...

Bevor es losgeht: Es tut mir echt Leid, dass es so so lange gedauert hat, bis ich dieses Kapitel hochgeladen hab. Es hatte mehr oder weniger Gründe, die ich jetzt aber nicht weiter aufführen werde. Wen's interesiert, soll meinen Weblog durchsehen. ^^ Den einzigen Grund, den ich nennen werde, ist folgender: Das Kapitel war... schwer. Die Version, die ihr hier lesen werdet, ist die vierte. Naja, ihr könnt euch bestimmt vorstellen, dass es kaum noch Spaß macht, wenn man ein Kapitel zum dritten Mal schreibt und es einem noch immer nicht gefällt. Deshalb die Pause. Ich brauchte Abstand zum Kapitel.

Zu guter Letzt: Ich hoffe, ihr habt immernoch Spaß an der Story und nicht allzu viele Probleme wieder rein zu finden. *euch alle durchknuffz*
 

Lektion XIV: Sprich erst, wenn es drauf ankommt...

Eine Hand im Nacken.

Eine andere Hand an seiner Hüfte.

Fremde und doch nicht so fremde Lippen auf den Seinigen.

Wärme.

Und alles gehörte zu Kai. Konnte es etwas Besseres geben?

Für Ray war die Antwort eindeutig: Nein, konnte es nicht.

Zu Rays Missbehagen musste er dies alles aber früher entbehren als ihm lieb war, denn Kais leidenschaftliche Antwort auf den schüchternen Annäherungsversuch des Chinesen wurde von einem dumpfen Aufschlag im Flur unterbrochen. Während ein schmerzvolles Aufstöhnen folgte, löste Kai sich verwirrt von Ray und sah zur Tür.

Das Öffnen einer der anderen Türen auf dem Flur war zu Hören.

"Tyson!", hörte man gedämpft durch das Holz Max' Stimme rufen, der sich zu bemühen schien, ein Lachen zu unterdrücken, was ihm aber nur mäßig gelang. "Bist du über deine eigene Hose gestolpert?"

Ray sah ebenfalls zur Tür und musste leise lachen. Die Hand in seinem Nacken verschwand, doch wurde kurze Zeit später auf seinem Knie abgelegt, was Ray zum Lächeln brachte. Als er den Kopf wieder Kai zuwandte, musterte dieser ihn und lächelte sanft zurück. Dieses Mal war es ein echtes Lächeln, ein Sichtbares.

"Komm, ich helf' dir hoch.", ertönte wieder Max' gedämpfte Stimme. Tyson murmelte etwas Unverständliches als Antwort. Schritte entfernten sich.

Kai sah ihn noch immer ohne jegliche Zurückhaltung an, doch dieser Blick machte Ray mittlerweile nicht mehr so nervös wie noch vor wenigen Wochen. Sein Bauch kribbelte und ihm wurde intervallartig heiß, doch er war nicht mehr so verunsichert wegen Kai. Was ihn in diesem Moment verunsicherte, war etwas anders.

Die Situation.

Er wusste nicht wie er reagieren, was er sagen, wie es weitergehen sollte. Vor allem zwischen ihnen.

"Wie soll es mit uns weitergehen?", sprach er seine Zweifel schließlich aus. Seine Stimme war nur ein wenig lauter als ein Flüstern, ein fast bekümmertes Lächeln lag auf seinen Lippen. Kai schwieg lange und schien zu überlegen, ehe er sich langsam nach vorne lehnte und seine Lippen auf die von Ray legte. Der Chinese schloss gerade die Augen, um diese Berührung vollkommen genießen zu können, als Kai sich aber wieder ein Stück zurückzog.

"Ich finde so wie es im Moment ist, ist es doch ganz gut, oder?", antwortete Kai leise und mit einem so sanften Ton wie ihn Ray bei ihm noch nie gehört hatte. Verwirrt blinzelnd öffnete er die Augen wieder und betrachtete den Mann vor sich genau. Er traf auf einen abwartenden Blick aus Kais unergründlichen rotbraunen Augen, der Russe schien zu versuchen Rays Gesichtszüge zu lesen.

Hatte Kai ihm gerade eine Beziehung angeboten? Wenn Ray jetzt zustimmte, waren sie dann zusammen?

Der Chinese musste einmal hart schlucken.

Doch ehe er sich gründlich darüber Gedanken machen konnte, breitete sich ein freudiges Prickeln in seinem Körper aus, vernebelte seine Sinne, seinen Verstand und ließ nichts weiter zu als ein strahlendes Lächeln und ein zustimmendes Schulterzucken.

"Da hast du Recht.", antwortete er leise, aber mit einem zufriedenem Lächeln auf den vom Küssen geschwollenen Lippen. "Aber wir..."

"Ja?", fragte Kai skeptisch nach, doch lächelte leicht. Seine Augen glänzten strahlend. So hatte Ray ihn noch nie gesehen. Er sah... glücklich aus.

Einem Impuls folgend nahm er Kais Hand von seinem Knie in beide Hände. Fast gedankenverloren strich er über den fremden, warmen Handrücken.

"Wir...", begann er nachdenklich, aber hoffnungsvoll lächelnd. "Du... meinst das ernst? Dir... ist es... ernst? Du... willst mit mir..." Er räusperte sich nervös. "... zusammen sein?"

Er hatte es gehofft, es sich eingeredet zu wissen, doch geglaubt hatte er es nie.

Er räusperte sich erneut verlegen und wartete auf die Antwort.

Kai schwieg lange und sah ihn emotionslos an, sein Gesicht plötzlich wieder eine kalte Maske. Sein Blick war starr und allgemein sah es aus, als ob Kai gerade erst alles realisierte. Rays Lächeln verschwand, von einem Moment auf den anderen wurde sein Kopf kalt. Eisige Angst zerschlug seine Hoffnung und ließ ihn wieder zweifeln. Dass Kai keine Antwort gab war schrecklich.

"Doch, ja.", antwortete Kai schließlich doch. Tonlos. Es überzeugte Ray noch nicht einmal ansatzweise. Verwirrt runzelte er die Stirn.

"Das... hat lange gedauert.", brachte er schließlich mit belegter Stimme heraus. Eine Stimme, die sich nicht nach seiner anhörte, sondern seltsam fremd klang.

Kai nickte sofort verstehend und lächelte ein entschuldigendes Lächeln, was seine Augen nicht erreichte. Jetzt sah er wieder aus wie Ray ihn kannte. Melancholisch, fast traurig. Der Ausdruck gefiel dem Chinesen nicht.

Nicht ein bisschen.

"Also heißt dein 'ja' doch eher 'nein', hab ich recht?", seufzte Ray und wandte enttäuscht den Blick ab. Kai war ihm noch immer ein Rätsel. Aber eigentlich war das von Anfang an genau die Eigenschaft gewesen, die Ray an Kai fasziniert hatte und noch immer faszinierte. Leider half ihm das in solchen Momenten keinen Schritt weiter.

Kais linke Hand entfernte sich von seiner Hüfte und er fuhr sich mit ihr kopfschüttelnd durch seine wirren Haare.

"Nein, mein 'ja' heißt immer 'ja'.", entgegnete er ernst und mit zusammengezogenen Augenbrauen.

"Aber... was ist es dann?", fragte Ray, dessen Verstand nun komplett durcheinander gebracht war. "Gestern Nacht ja auch. Da hast du dich plötzlich ja auch... zurückgezogen. Und jetzt wirkst du so... als ob du das alles gar nicht willst."

"Du verstehst das falsch.", presste Kai heraus, zog seine Hand aus Rays sanften Griff und starrte vor sich auf den Boden, beide Hände auf sein Gesicht gedrückt. Jetzt machte Ray sich Sorgen.

"Es ist kompliziert.", murmelte Kai während er mit seinen Händen durch seine Haare strich.

"Dann erklär es mir.", bat Ray, betrachtete den Russen fast ängstlich. Dieser schüttelte aber sofort den Kopf.

"Da müsste ich weit ausholen.", antwortete er unbehaglich. "Das würde zu lange dauern. Außerdem will ich nicht drüber reden."

"Aber ich will dich endlich verstehen.", murmelte Ray und rückte ein Stück näher, legte zögerlich seine verletzte rechte Hand auf Kais Schulter. "Jetzt, gestern Abend... Warum schwankst du so? Warum gibst du mir das Gefühl, dass du eigentlich gar nicht weißt, was du sagst?"

Kai schwieg.

Dann nahm er seine Hände aus seinen Haaren, legte seine Unterarme auf seine Oberschenkel ab und starrte vor sich auf den Boden.

"Weil es so ist.", brummte er tonlos und lachte kurz auf. Es war ein freudloses Lachen. "Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich sage, was ich tue... Und gestern Abend... Da hab ich mich nur gefragt wie ich es soweit hab kommen lassen können."

Wie er es soweit hatte kommen lassen können...?

Das... tat weh.

"Verstehe.", entgegnete Ray mit gereiztem Unterton, wohinter sich aber eindeutig seine Verletztheit verbarg. Er nahm seine Hand von Kais Schulter und rückte ein Stück zur Seite, doch eine Hand umfasste blitzschnell seine Taille und hinderte ihn dran, noch mehr Abstand zwischen sie zu bringen. Kai rückte das Stück wieder auf, das Ray von ihm fortgerückt war.

"Nicht.", sagte er – bat er, ohne Ray anzusehen. "Ich hab gesagt, dass es kompliziert ist."

"Für mich wirkt es aber fast eindeutig.", entgegnete der Chinese leise. "Ich dachte, du wärst dir sicher."

Das dachte er wirklich. Kai hatte sich den gestrigen Tag so selbstverständlich verhalten und ihm noch vor wenigen Minuten indirekt eine Beziehung angeboten, wenn Ray sich nicht irrte. Er hatte dabei glücklich ausgesehen. Und jetzt, nur Momente später, war nichts mehr davon vorhanden. Nur noch Zweifel. Wenn Ray es nicht besser wüsste, würde er denken, Kai habe eine multiple Persönlichkeit.

"Du bist es doch auch nicht.", brummte Kai unzufrieden, mit erschöpftem Unterton in der Stimme. "Zumindest hast du das gestern noch gesagt."

Seufzend lehnte Ray sich an Kais Schulter.

"Mag sein, aber das heißt nicht, dass es mir nicht trotzdem ernst sein kann.", murmelte er resigniert. "Ich bin nicht sicher, weil ich... Angst habe. Weil alles so neu ist, so ungewohnt und überraschend..."

Kai schwieg.

"Mir kann es doch auch trotzdem ernst sein.", antwortete er schließlich so leise, dass Ray Mühe hatte ihn zu verstehen.

"Hast du etwa auch einfach nur Angst?"

"Nein.", erwiderte Kai nachdenklich.

"Was dann?", fragte Ray weiter, wunderte sich selbst darüber wie verzweifelt, wie verwirrt seine Stimme klang. "Ich muss das wissen. Ich kann nicht mit dir..." Er schwieg lange. "...zusammen sein,", brachte er schließlich zögerlich heraus, war dies schließlich das Wort, welches Kai so verunsichert hatte, "solange du weiterhin so seltsam bist. Das schaff ich nicht. Nicht zu wissen, was los ist. Nicht zu wissen, warum du dich annäherst, nur um mich dann plötzlich fortzustoßen, ist zuviel. Vertrauen ist wichtig. Für mich."

Kai schwieg erneut.

Schließlich nahm er seine Hand von Rays Taille und stand auf. Am Fenster blieb er mit dem Rücken zu ihm stehen. Der Schwarzhaarige fröstelte, Gänsehaut jagte über seine Unterarme und seinen Rücken hinab. Wie hatte sich die Situation nur wieder so in die falsche Richtung bewegt?

Von Kais Angebot, mit ihm zusammen zu sein, hin zu der Frage, ob ihnen dies überhaupt möglich war. Und es war irgendwie Rays Schuld. Er hätte still sein sollen. Seine Fragerei hatte Kai total verunsichert und womöglich überlegte der Russe sich alles noch einmal anders.

Doch andererseits: Ray brauchte Klarheit.

Nur einmal.

Er hatte zu lange mit Ungewissheit und Verunsicherung Kais Stimmungsschwankungen gegenüber auskommen müssen. Es machte ihn fertig.

Bedrückt sah er zu Kai, der noch immer schweigend vor dem Fenster stand und hinaus starrte.

"Kai?", fragte Ray unsicher.

"Wir werden wohl nie genau wissen wie es soweit kommen konnte, nicht?", murmelte der Russe leise, mit einem unzufriedenem Unterton.

Schon wieder dieser verletzende Satz. Kai wusste wohl nicht wie weh es Ray tat, wenn er das sagte.

"Das klingt, als ob du etwas bereust, was noch gar nicht begonnen hat.", erwiderte der Chinese bekümmert, sein Ton war angespannt, sein Körper ebenso.

"Vielleicht ist es so."

Nur ein Flüstern, doch unmissverständlich.

"Was?!", rief Ray irritiert aus. Seine Stimme schwankte, war ein Gemisch aus Verwirrung, Zorn und Erschöpfung. Das machte alles doch langsam keinen Sinn mehr.

"Hör mir zu, Ray.", sagte Kai in der Tonlage eines Unbeteiligten. "Ich hab Schwierigkeiten mit der Situation, schon seit... es begann."

"Wie meinst du das?", fragte Ray sofort mit schwacher Stimme nach, sein Blick gesenkt.

"Du wolltest doch immer wissen, warum ich raus gegangen bin, die letzten Wochen.", antwortete Kai leise. Langsam bröckelte seine, wohl hart aufgebaute, Selbstbeherrschung, seine Stimme bebte leicht, zeigte endlich wieder Emotionen.

"Ja.", antwortete Ray irritiert und überfordert mit der Situation. Kai hatte jetzt wohl doch vor, ihm alles zu erklären. Also wieder ein Stimmungsumschwung.

"Ich werde es dir erzählen.", sagte er schließlich ruhig, ein undeutbarer dunkler Unterton in seiner Stimme. "Weil du es bist. Und nur weil du es bist."

Er machte eine nachdenkliche Pause, schien zu überlegen wie er am Besten beginnen sollte. Als er anfing zu sprechen, klang seine Stimme angespannt, er presste jedes Wort regelrecht aus sich heraus. Ihn kosteten die folgenden Sätze all sein Überwindungskraft.

"Immer wenn ich raus gegangen bin,", sagte er leise, "musste ich nachdenken. Über... na ja, mich und... dich. Ich hatte gemerkt, dass ich mich... dass mein Körper auf dich... reagierte. Ich habe es nicht verstanden. Irgendwas hatte sich verändert, ich wusste nicht, wieso und wie ich damit umgehen sollte. Ich hab... die Kontrolle über meinen Körper verloren, über mein Verhalten."

Ray wusste genau, was Kai meinte. Er hatte doch fast genau dasselbe durchgemacht.

"Ich hab in all den Nächten versucht einen Grund zu finden und eine Lösung.", erzählte er mit gequältem verwirrtem Unterton langsam und zögerlich weiter. "Doch ich kam zu keinem Ergebnis. Das hat mich fast wahnsinnig gemacht. Und dann hab ich die Kontrolle vollkommen eingebüßt. An dem Tag, wo die Anderen das Training geschwänzt haben... Da hab ich gemerkt, dass... irgendetwas zwischen uns nicht stimmt. Alles verlief in die falsche Richtung und es ging irgendwie zu weit. Ich... konnte mich dir nicht mehr entziehen. Im Gegenteil. Diese... Dinge in meinem Kopf in Bezug auf dich wurden nur noch stärker."

Er machte erneut eine lange nachdenkliche Pause, in welcher Ray auffiel, dass der Russe noch nie soviel an einem Stück gesprochen hatte. Und vor allem noch nie so indirekt, ohne den Kern der Sache anzusprechen. Er redete drum herum, doch das war nicht schlimm, denn Ray verstand trotzdem. Außerdem kostete es Kai schon genug Mühe überhaupt über alles zu sprechen, da durfte und musste es sogar egal sein wie er es tat.

Seltsamerweise schien Kai soweit weg, dass Ray fast das Gefühl hatte, er wisse nicht mehr, dass der Chinese überhaupt noch im Zimmer war.

"An diesem Tag.", sprach Kai in diesem Moment mit angespannter und belegter Stimme weiter. "An diesem Tag hab ich es verstanden. Ansatzweise. Und... ich bin in Panik geraten."

Er atmete tief ein, um die Luft in einem verärgertem Grummeln wieder entweichen zu lassen.

"Nur deshalb hab ich dich...", presste er zwischen zusammengebissenen Zähne heraus, sein Körper bebte leicht. "Nur deshalb hab ich dich... hab ich dich..."

Er verstummte.

Ray konnte seinen schweren Atem hören.

Der Chinese seufzte leise.

"Bestraft.", beendete er für Kai flüsternd den Satz. Sprach das aus, was der Russe vor lauter Reue nicht fähig war auszusprechen.

"Genau."

Ein zutiefst bitterer Laut.

"Ich hab gedacht,", fuhr Kai sehr leise und sehr nachdenklich fort, "dass ich, wenn ich dich nicht mehr an mich ranlasse, wenn ich dich von mir stoße... dass alles aufhören würde. Wenn ich mir eingeredet habe, dich zu hassen, wurde es aber nicht besser. Im Gegenteil. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, Schuldgefühle. Hatte ich noch nie." Er seufzte leise. "Meine Hoffnungen, dass du dich von mir abwendest, weil du mich wegen meines Verhaltens hassen würdest, haben sich aber auch nicht erfüllt. Du... hast mich nicht mit dem Hass behandelt, den ich verdient hatte. Du... bist immer wieder gekommen. Anfangs schien es so, als ob es klappt, ja. Wo wir uns ständig gestritten haben, aber dann... Du... hast dich immer noch so... so verhalten. Genauso wie du es immer getan hast und genauso, dass es diese 'Dinge' in mir ausgelöst hat. Und als ich krank wurde warst du noch immer da. Mehr als jemals. Und das obwohl du eigentlich wusstest, dass ich nicht verdient hatte, dass du dich um mich kümmerst. Du hast es mir schwer gemacht, dich zu hassen - mir einzureden, dich zu hassen. Du... hast es mir schwer gemacht alles zu verleugnen ... Und du hast es mir unmöglich gemacht, dich weiterhin so unfair zu behandeln. Das... hattest du nie verdient."

Der letzte Satz war nicht mehr als nur ein Flüstern, vielleicht sogar nur ein Zischen. Mittlerweile schwankte Kai in seiner Sprechweise zwischen verwirrt, nachdenklich und wütend. Er ballte seine Hände während er sprach immer wieder zu Fäusten. Sein Körper bebte jetzt regelrecht, doch er schien es nicht zu bemerken. Doch Ray schon. Er sah es genau und zu sagen, dass es ihn überraschte, wäre untertrieben.

Es war nicht so, dass Ray nicht verstand, dass dies alles Kai so sehr verwirrte, dass es für ihn schwierig war, darüber zu sprechen, doch er hätte nie gedacht, dass er dabei wirklich so emotional reagierte.

"Ich weiß auch nicht genau.", murmelte Kai weiter, seine Stimme nur ein dunkles unzufriedenes Grollen. "Irgendwie ist mir seitdem alles entglitten. Ich weiß noch, dass ich versucht habe, alles zu akzeptieren, in der Hoffnung mit der Zeit meine Kontrolle zurück zu gewinnen, doch dann wurde alles dadurch noch komplizierter. Ich hab wirklich versucht, mich dir gegenüber normal zu verhalten, aber dann kam dieser eine Abend." Er stockte und schien offensichtlich mit sich selbst zu ringen, ob er weiterreden sollte – ob er weiterreden konnte. Er entschied sich schließlich dafür. Seine Stimme wurde leise, dumpf und klang in Rays Ohren seltsam fremd. "Als du mich diesen einen Abend so aufdringlich gefragt hast, warum ich rausgegangen bin und alles... du hast mich bedrängt, fast sogar genervt und dann war plötzlich alles leer. Ich hatte keine Lust mehr auf das alles. Auf die ganze verzwickte Situation. Ich war wütend und frustriert und dann ist halt alles aus mir herausgebrochen. Naja, was dann passiert ist, weißt du ja. Du warst ja... dabei."

Ray wusste ganz genau wovon Kai sprach. Er redete schon wieder drum rum, aber es war eindeutig, dass er ihren ersten 'Kuss' meinte, der sich für Ray aber mehr wie eine Attacke angefühlt hatte.

Kai schwieg und Ray war sich plötzlich nicht sicher, ob er womöglich eine Reaktion erwartete oder einfach nur nachdachte. Mangels einer geeigneten Antwort schwieg der Chinese aber einfach.

Es vergingen einige Sekunden, bevor Kai langsam den Kopf drehte und Ray einen zerknirschten Blick über die Schulter zuwarf. Es war das erste Mal, dass er ihn ansah seit er angefangen hatte zu reden und er kam Ray plötzlich sehr müde vor. Er lächelte dem Russen schüchtern, aber aufmuntern zu, was dieser aber mal wieder nicht erwiderte. Stattdessen drehte er sich wieder in Richtung Fenster und seufzte tief.

"Nachdem...", begann er, doch hielt inne und dachte kurz nach. "Danach, nach diesem Desaster war ich so wütend. Auf mich und nur auf mich!... Ich hab gar nicht richtig mitbekommen, dass ich den Stuhl zerschlagen hab." Wieder machte er eine kurze Pause, dann fuhr er mit einer Tonlage in der Stimme fort, die Schauer über Rays Rücken jagte und ihm Gänsehaut auf den Unterarmen bescherte. Er klang erschöpft, aber vor allem so untypisch mutlos.

"Ich dachte, ich hätte alles verdorben. Mit... uns." Er lachte trocken auf. Es war ein freudloses Lachen. "Dabei war es ja eigentlich das, was ich wollte. Ich wollte doch alles verderben, ich wollte doch eigentlich nie, dass es soweit kommt... wie es gekommen ist."

Rays Fäuste ballten sich ungewollt, als Verletztheit sich in ihm ausbreitete. In seinem Bauch zog ich ein Knoten schmerzhaft zusammen, doch er schwieg.

"Und trotzdem wollte ich es nicht verderben. Das war kompliziert und erschreckend. Und so verdammt frustrierend...!" Sein Körper erzitterte, Ray konnte genau sehen wie sie breiten Schultern bebten. "Ich wollte... das alles. Und ich wollte es nicht. Diese Gedanken in meinem Kopf waren richtig, aber... auch falsch. Ich wusste nicht mehr, was ich wollte. Ich wusste gar nichts mehr. Aber du hast mir die Entscheidung fast abgenommen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass du mich... eklig findest und... ich weiß auch nicht. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, was ich gedacht habe. Du hast mich verwirrt, denn du hast dich nicht über mich lustig gemacht, hast dich nicht abgewandt, hast dir sogar Sorgen gemacht." Seine Stimme wurde ein wenig heller und es klang so, als ob er plötzlich leicht lächelte, doch das verging schnell, denn als er fortfuhr, klang er wieder verbittert und verwirrt. "Und dann kam mir die bescheuerte Hoffnung, wir könnten einfach normal weitermachen. Könnten Freunde... bleiben."

"Freunde?", fragte Ray leise und nachdenklich. "Du hast mich als Freund angesehen? Ich dachte immer, dass du uns alle nur als... na ja, Teamkameraden ansiehst."

"Anfangs ja.", seufzte Kai tief. "Aber später nicht mehr. Irgendwie. Auch wenn ich es nie zugegeben hätte. Jedenfalls, hat das mit der Freundschaft auch nicht geklappt. Gestern..." Er lachte wieder freudlos auf. "Ich weiß gar nicht wie es dazu kam. Zu allem. Dass wir ins Dorf gegangen sind, dass wir uns ge... geküsst haben. Die Erinnerungen sind irgendwie verschwommen, ich kam mir wie in Trance vor die letzten Tage. Ich hatte keine Kontrolle über mich. Ich hab sie verloren... Nein." Er schüttelte leicht den Kopf. "Das stimmt nicht ganz. Ich hab sie... abgegeben. Aber dann vollkommen... Gestern Abend hab ich das aber erst bewusst gemerkt und hab mich da das erste mal wirklich gefragt wie es soweit kommen konnte. Dass wir da lagen und... na ja, du weißt schon. Ich mein, ich hab so sehr verhindern wollen, dass das geschieht, aber gleichzeitig hab ich es ja selbst drauf angelegt und ich hab es... gebraucht. Ich hatte es mir erhofft."

Er klang unglücklich. Ray verstand nicht genau. Wenn Kai es doch gebraucht hatte, warum war er denn jetzt nicht glücklich? Warum sträubte er sich denn noch immer gegen alles?

"Findest du das denn alles so... schrecklich?", fragte Ray seufzend.

"Wie kommst du darauf?", stellte Kai nach kurzem Zögern die Gegenfrage.

"Das alles klingt für mich so.", murmelte Ray als Antwort. "Ich weiß noch immer nicht, ob ich dich ganz verstehe."

Kai brummte zustimmend, es klang nachdenklich und erneut so zutiefst erschöpft. Ray fühlte sich plötzlich schrecklich dumm und lästig. Da gab Kai sich Mühe und versuchte ihm alles zu erklären und er war zu dämlich es zu verstehen.

"Nein, Ray, weißt du, ich will das alles schon.", sprach Kai dann aber weiter, leider klangen seine Worte nur halb so überzeugend wie deren Inhalt. "Es ist nur... Hier oben,", er deutete mit der rechten Hand auf seinen Kopf, "hier oben sagt mir etwas, dass es falsch ist. Hier allerdings sagt mit etwas, dass es richtig ist." Seine Hand fuhr sachte zu seinem Herz. "Das macht mich wahnsinnig. Einerseits so... andererseits so. Das ist einfach furchtbar ermüdend."

Ray hatte plötzlich das Bedürfnis aufzustehen und zu ihm zu gehen, ihn zu berühren und einfach ein wenig für ihn da zu sein, aber er blieb sitzen, denn er hatte das Gefühl, dass Kai für sich sein musste, um darüber sprechen zu können, sonst wäre er nicht anfangs aufgestanden, um zum Fenster zu gehen, sondern sitzen geblieben.

Langsam verstand Ray aber, was Kai meinte und warum alles so kompliziert war, denn Kai war kein Mensch, der auf sein Herz, sein Bauchgefühl oder allgemein auf seine Gefühle hörte. Kai arbeitete mit dem Verstand und es hatte immer gut funktioniert, nur auf seinen Kopf zu hören. Die letzten Tage allerdings hatte er sich gegen seinen Verstand gestellt und er war es einfach nicht gewohnt, auf sein Herz zu hören, vor allem, wenn ihm sein Kopf sagte, es sei falsch.

"Ich weiß, glaub ich, was du meinst.", sagte Ray deshalb und versuchte wenigstens aufmunternde Worte zu geben.

"Nein, glaub ich nicht, Ray.", erwiderte Kai bitter. "Weißt du, ich will es ja versuchen. Mit dir zusammen zu sein. Ich will es wirklich, aber ich weiß nicht, ob ich es kann. Und das ist das Problem. Ray, du weißt wahrscheinlich gar nicht, worauf du dich eingelassen hast... einlässt, einlassen würdest... Ach, verdammt!"

Er schwieg frustriert.

"Ich weiß mehr als du glaubst.", antwortete Ray sanft lächelnd.

"Weißt du nicht.", wisperte Kai aber und drehte sich dann halb um, um dem überraschten Chinesen einen fragenden Blick zu schenken. "Du kennst meine Vergangenheit, oder?"

"Ja, teilweise.", nickte Ray verwundert. "Aber warum...?"

"Genau, teilweise.", unterbrach Kai ihn während er sich wieder umdrehte. "Ich hab noch nie jemandem richtig davon erzählt." Seine Stimme war leise und nachdenklich. "Ich... Du weißt, dass ich in der Abtei aufgewachsen bin. Ich..." Er schüttelte den Kopf und stützte sich auf der Fensterbank ab. "Ich kann dir nicht alles erzählen. Aber ein paar Dinge solltest du wissen."

Danach schwieg er. Mehrere Minuten lang. Solange, dass Ray schon dachte, er rede gar nicht mehr weiter, doch dann richtete er sich gerade auf, verschränkte die Arme vor der Brust und begann zu sprechen.

"Wir hatten drei Regeln.", sagte er und Ray kam nicht umhin die übliche Kälte in seiner Stimme zu registrieren. Dennoch konnte Kai seine Emotionen nicht völlig verbergen, schien ihn jedes Wort Überwindung zu kosten, ihm Mühe zu machen. "Die erste Regel: Gewinnen ist alles, verlieren ist nichts. Die Zweite Regel: Um zu Gewinnen ist vollkommene Kontrolle notwendig. Und die dritte Regel: Um vollkommene Kontrolle zu erlangen, müssen alle Schwächen beseitigt werden."

Er betete diese drei Regeln herunter, ohne zu zögern. Als ob er sie schon tausendmal so aufgesagt hatte, was vermutlich der Realität entsprach.

"Diese Regeln wurden mir dort immer und immer wieder regelrecht eingeprügelt. Ich sollte gewinnen. Immer und immer wieder. Gewinnen, gewinnen, gewinnen. Wer verlor, war bei uns nichts wert. Das haben die Verlierer auch oft genug zu spüren bekommen."

Je mehr er sprach, desto kälter wurde seine Stimme, desto distanzierter hörte er sich an. Er sprach, als ob ihn das alles nicht betraf, als ob er von einem anderen erzählte. So emotional er noch vor wenigen Minuten gewesen war, so gleichgültig schien er jetzt.

"Ich war zum Glück nie ein Verlierer, was aber größtenteils an dem Training lag, was ich absolviert habe, denn wie Regel zwei besagt, gehört zum Gewinnen Disziplin und vollkommene Körperkontrolle. Das hab ich früh gelernt, hab mich dran gewöhnt, hab's perfektioniert." Noch immer diese Kälte in seiner Stimme, sie ließ Ray frösteln. Doch langsam, aber sicher mischte sich Bitterkeit hinzu.

"Aber das Wichtigste war Regel Nummer drei: Keine Schwächen zeigen. Wer gewinnen will, darf seinem Gegner keine Angriffsfläche zeigen. Am Besten gar keine besitzen. Ich hab das sehr ernst genommen." Er wurde leiser, nachdenklicher. "Oder eher: Mir wurde beigebracht, es sehr ernst zu nehmen. Deshalb lernte ich alles zu kontrollieren. Meinen Körper, meine Fähigkeiten, meine Umgebung, meine... Gefühle." Das letzte Wort sprach er aus, als ob er sich davor ekelte.

"Es war nicht so, dass ich nichts mehr empfand, ich lernte nur, es zu verbergen." Eine nachdenkliche Pause folgte. "Nein, das stimmt nicht ganz. Ich habe verlernt, manches zu empfinden. Angst, Unsicherheit... Freude. Doch das war gut, denn das alles waren Schwächen. Schwächen, die sowieso zu beseitigen waren. Systematisch vernichtete ich alles, was auch nur ansatzweise schwach sein konnte. Die Empfindungen, die ich nicht abstellen konnte, lernte ich eben zu verbergen, alle anderen, verlernte ich schlichtweg. So konnte ich keine Schwächen zeigen, weil ich keine mehr hatte. Und dann hatte ich die Kontrolle. Und ich gewann. Immer und immer wieder. Es schien alles richtig, es war alles so wie es sein musste. Alles ging automatisch. Und um zu garantieren, dass das so blieb, durfte ich niemandem vertrauen, durfte ich niemanden an mich ranlassen. So konnte niemand eine unentdeckte Schwäche finden oder mich dazu veranlassen, welche zu entwickeln."

Er schwieg kurz.

"Außerdem", fuhr er dann gepresst fort. „war die Distanz gut, denn wer sich nicht genug distanziert, macht sich abhängig. Abhängigkeit bedeutet Schwäche. Schwäche bedeutet Niederlage und Niederlagen sind nicht zu akzeptieren. Zudem... war es verletzend."

"Verletzend?", murmelte Ray mit gebrochener Stimme, ohne sich richtig darüber bewusst zu sein.

"Wer andere an sich ran lässt, fängt an zu vertrauen.", erklärte Kai leise, aber eiskalt. "Und wer vertraut wird früher oder später enttäuscht."

Ray wollte widersprechen, doch überlegte es sich anders.

"Glaubst du das immer noch?", fragte er stattdessen, seine gesunde Hand in der Bettdecke verkrampft.

Kai schwieg lange bis er antwortete.

"Weiß nicht.", sagte er schließlich seufzend. "Diese Dinge, die mir in der Abtei eingehämmert wurden, haben mein Leben... haben mich bestimmt und sie sind immer noch hier drin." Er deutete wieder auf seinen Kopf. "Aber auch noch hier." Langsam fuhr seine Hand wieder zu seinem Herzen. Eine Geste, die Ray dieses zweite Mal auf seltsame Weise tief berührte. "Deshalb bin ich auch so verwirrt. Deshalb weiß ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht, was ich tun soll. Ironischerweise...", er knirschte mit den Zähnen, "hab ich mit meinem ganzen Gequatsche wohl mehr Schwächen verraten wie noch nie."

Er senkte den Kopf, verschränkte die Arme fester vor seinem Körper und schwieg nun endgültig. Zögerlich stand Ray auf. Er wusste nicht, was er sagen sollte, was er tun sollte, aber einfach nur da sitzen bleiben, konnte er nicht. Langsam ging er zu dem Russen und stellte sich neben ihn. Sehr dicht, aber nicht so dicht, dass sie sich berührten. Er starrte aus dem Fenster, genau wie Kai.

Es hatte wieder angefangen zu schneien. Vom wolkenverhangenen Himmel segelten dicke Flocken gen Boden, legten sich auf die Tannen und kahlen Äste umherstehender Bäume. Ray beobachtete die Szenerie während er über Kais Worte nachdachte. Plötzlich machte alles mehr Sinn für ihn, plötzlich tat ihm der Russe nur unendlich Leid, auch wenn Ray genau wusste, dass Kai Mitleid noch mehr hasste wie die Kontrolle über sich zu verlieren. Aber der Chinese konnte es nicht ändern. Er empfand Mitleid und er war mal wieder erschüttert über Kais Vergangenheit. Er hatte einiges gewusst und sich einiges vorgestellt, aber der Gedanke daran, dass die Abtei mit ihren seltsamen Regeln Kai sogar die Fähigkeit genommen hatte, mit einer alltäglichen Sache wie Empfindungen und Anziehungskraft für einen anderen Menschen klar zu kommen und sich darüber zu freuen, war einfach nur traurig. Niemand sollte sich solche Vorwürfe machen, nur weil er begann, jemanden zu mögen oder jemandem zu vertrauen. Niemand sollte sich selbst so quälen, nur weil er seinen Instinkten gefolgt war. Niemand sollte sich wegen seiner Schwächen schämen müssen. Aber vor allem sollte niemand es überhaupt erst als Schwäche ansehen, jemanden an sich heran zu lassen.

Leider wusste Ray nicht wie er Kai mit diesen Dingen helfen sollte. Er konnte nicht zulassen, dass Kai sich jedes Mal, wenn sie körperlichen Kontakt hatten oder über Vertrauliches sprachen, danach schlecht fühlte, zweifelte und sich zurückzog, aber wie sollte er das verhindern? Wie sollte er gegen solch tiefsitzende Probleme vorgehen? Er wollte Kai nicht verschrecken.

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Kai sein Gewicht verlagerte, sodass sich ihre Schultern berührten und diese kleine Geste reichte aus, um ein Kribbeln durch Rays Körper zu jagen und ihn ein wenig zu entspannen. Vielleicht brauchte er sich gar nicht so viele Gedanken machen. Kai war stark und möglicherweise in der Lage die Anstöße selbst zu geben.

"Weißt du denn jetzt eigentlich, ob wir es ernsthaft versuchen sollen?", fragte Ray zögerlich, mit einem zerknirschtem Lächeln auf den Lippen, aber der Hoffnung, dass die Antwort positiv ausfallen würde. Kai hatte ihm soviel über sich erzählt, obwohl er es eigentlich hasste über seine Gefühle zu reden oder über seine Vergangenheit. Und er hatte es nur für Ray getan, das war doch ein gutes Zeichen, oder?

"Nein.", seufzte Kai säuerlich und gab eine Antwort, die der Chinese nicht erwartet hatte - sondern gefürchtet.

Enttäuschung schwappte über Ray, setzte sich kalt in seinem Kopf ab und schoss durch seinen Körper, ließ ein taubes, schmerzhaftes Gefühl in seiner Brust zurück. Er wollte was sagen, doch wusste nicht was, also schwieg er und starrte vor sich auf die Fensterbank. Er spürte, dass Kai sich ihm zuwandte, doch er brachte sich nicht dazu, den Russen anzusehen. Er wollte nicht sehen, mit welchem Blick er angesehen wurde und er wusste, dass er Kais Anblick im Moment nicht ertragen würde.

"Ray, ich muss nachdenken.", sagte Kai schließlich kühl, was den Chinesen leicht zusammenzucken ließ. Er nickte stumm.

Kai hatte ihn nicht vollkommen abgewiesen und all das, was er ihm erzählt hatte, bewies ja eigentlich nur, dass er etwas für Ray empfand - wie viel er wirklich für Ray empfand. Warum aber fühlte es sich wie eine Abweisung an und warum tat es Ray so weh?

"Dann...", begann Ray leise. "Dann geh ich wohl besser. Ich denke, ich muss sowieso Frühstück machen."

"Ray, gib mir ein wenig Zeit.", erwiderte Kai, immer noch recht kühl, aber ein wenig versöhnlicher und als Ray einen Seitenblick wagte, sah er nicht die kalte Maske, die er erwartet hatte, sondern ein Gesicht, dessen Augen voll mit Verwirrung waren, voll mit Kummer und Schmerz.

"Mir bleibt ja nichts anderes übrig.", antwortete er halbherzig lächelnd. Er wollte Kai eigentlich keine Zeit mehr geben. Wenn er ehrlich war, hatte er sogar Angst, davor. So große Angst, dass es ihm den Hals abschnürte. Kai war ein schwieriger Mensch und er wurde von seinem Kopf geleitet. Wenn er sich jetzt Zeit nahm, um über alles noch einmal gründlich nachzudenken, würde er nicht auf seine Gefühle hören.

Ray wollte nicht, dass er nachdachte, abwog und schließlich zu der Entscheidung kam, dass es mit ihnen niemals klappen würde, dass er sich weiterhin nicht in der Lage fühlte, jemandem zu vertrauen und lieber wieder so leben würde wie er es getan hatte, bevor die ganze Sache zwischen ihnen angefangen hatte, anstatt zu kämpfen und sich zu verändern.

Kai schien zu merken, dass der Chinese Angst bekam, dass er erwartet hatte, dass alles so schön und einfach sein konnte wie die letzte Nacht, denn er versuchte erneut, sich Ray gegenüber zu rechtfertigen, sich zu erklären.

"Es ist zuviel.", sagte er, mit einer Stimme, die dieses mal völlig frei von Kälte war, dafür aber durchzogen von Schwermütigkeit und einer Tonlage, die man fast als entschuldigend bezeichnen konnte. "Ich hab noch nie in so kurzer Zeit soviel... ähm... soviel ge...fühlt. Irgendwie ging alles zu schnell."

"Ist okay.", lächelte Ray, dieses mal ehrlich. Er hatte nicht erwarten können, dass plötzlich alles einfach sein würde... trotzdem hatte er es erwartet. Jetzt musste er damit klar kommen, dass er enttäuscht wurde. Kai konnte und durfte er keinen Vorwurf machen. Seine Vergangenheit war nicht seine Schuld und die Auswirkungen auf ihn und die Gegenwart erst recht nicht.

Aber die Angst war auch noch da. Und sie war schlimmer. Die Enttäuschung war erträglich, schließlich hieß sie nur, das er nicht das bekommen hatte, war er wollte - eine einfach, glückliche Beziehung mit Kai – aber sie ließ ihm Raum, um sich dies weiterhin in der Zukunft zu erhoffen. Die Angst allerdings raubte ihm diese Hoffnungen, denn sie flüsterte Ray ständig zu, dass Kai beim Nachdenken zu dem Schluss gelangen würde, es nicht zu versuchen. Das wollte Ray nicht zulassen.

Und da kam ihm eine Idee.

"Kai?", fragte er leise und nachdenklich, während er sich ihm zuwandte.

"Ja?", fragte dieser verwirrt zurück.

Ray schluckte kurz und leckte sich über die Lippen. Er legte eine Hand auf Kais verschränkte Arme. Er spürte die starken Muskeln unter der warmen Haut. Er sah Kai direkt in die Augen und es verstärkte sein Vorhaben nur. Er wollte alles dafür tun, dass der Mann, der vor ihm stand, wirklich Sein werden würde.

"Tust du mir einen Gefallen?", fragte Ray sanft und setzte einen bittenden Blick auf, seine verletzte Hand legte sich sachte auf Kais Brust.

"Wenn ich kann.", antwortete Kai skeptisch, nachdem sein Blick verwirrt über Rays Hände geglitten war.

"Wenn du nachdenkst.", begann Ray wispernd, aber sehr ernst. "Würde ich dich bitten, das hier im Hinterkopf zu behalten."

Mit diesen Worten fuhr seine verletzte Hand in Kais Nacken und er lehnte sich langsam vor. Er sah Kai direkt in die Augen, solange bis sie zu einem farbigen Klecks verschwammen. Dann schloss er seine und überwand die letzten Zentimeter zwischen ihren Lippen. Es war ein sinnlicher Kuss. Langsam, voller Sehnsucht und mit der Aufgabe, Lust auf mehr zu machen.

Kai erwiderte sofort, löste seine Arme, um sie kurze Zeit später um Rays Rücken zu schlingen und ihn an sich zu pressen. Ihre Zungespitzen trafen sich, umkreisten sich langsam, zogen sich zurück, wiederholten die Bewegungen. So sehr Ray diese Wärme und die Berührungen genoss, so sehr er die Leidenschaft in sich aufwallen fühlte, so sehr wollte er, dass dieser Kuss anders sein sollte. Er sollte seine Gefühle für Kai ausdrücken, nicht einfach nur Lust und Begierde.

Nur deshalb, vertiefte er den Kuss nicht zu sehr. Nur deshalb, beließ er es dabei, seine Lippen langsam zu bewegen, fast schon quälend langsam. Nur deshalb berührten sich ihren Zungen nur zaghaft und fast schüchtern und nur deshalb beendete Ray den Kuss schweren Herzens früher wie er es normalerweise getan hätte, sodass er noch nicht einmal zwei Minuten gedauert hatte.

"Und?", fragte er flüsternd. "Tust du mir den Gefallen?"

"Klar.", antwortete Kai, ein wenig verklärt, beugte sich nach vorne und wollte Ray noch einen Kuss stehlen, doch dieser löste sich aus der Umarmung und trat einen Schritt zurück. Seine Hand ließ er dabei von Kais Nacken, langsam über seinen Hals und seine Brust gleiten, ehe er noch einen Schritt zurück ging, den Blick fest auf Kai geheftet, der ihn verwirrt und fast enttäuscht ansah.

"Ich geh dann besser mal.", sagte Ray leise, drehte sich dabei um, doch sah Kai währenddessen solange wie möglich an. Er hatte Kai zeigen wollen, was er haben konnte und sich selbst auch. Er wollte eigentlich ihnen beiden noch mal klar machen, warum es sich lohnte, ein wenig zu kämpfen.

Kurz bevor er die Tür erreichte, hörte er wie Kai sich räusperte.

"Ray, lass es uns... langsam angehen.", sagte er dann ernst, mit versöhnlicher Stimme. Anscheinend hatte er das Gefühl, Ray nach diesem Kuss etwas geben zu müssen, eine Art kleines Versprechen, dass sein Nachdenken positiv für sie beide ausfallen würde.

Ray wusste nicht, ob er Kai anfangs nur falsch verstanden hatte, als er dachte, dass er darüber nachdenken wollte, ob sie versuchen sollten zusammen zu sein oder ob der Russe sich umentschieden hatte, nun darüber nachzudenken, wie sie zusammen sein konnten, aber so oder so, war es ihm egal.

Ray lächelte still, als ein warmes Hochgefühl durch ihn durchströmte.

"Okay.", sagte er schließlich nickend und schickte Kai ein Lächeln über die Schulter hinweg. Der Russe lehnte sich mit verschränkten Armen hinter sich an die Wand, seufzte und lächelte sanft zurück. Es war ein unheimlich süßes Lächeln, was ihn in Rays Augen einfach nur anbetungswürdig aussehen ließ. Es machte es ihm schwierig wirklich zu gehen, aber er war sich sicher, dass es für Kai im Moment genauso schwierig war, die Zeit, die er hatte haben wollen, zu nutzen und sie nicht doch lieber zu verschieben.

Aber Ray ging schließlich und schloss die Tür hinter sich. Es war besser so, stellte er sofort fest, als er alleine im Flur stand. Er brauchte eigentlich auch Zeit zum Nachdenken. Er hatte schließlich sehr viel über Kai erfahren und auch über sich selbst. Über seine eigenen Empfindungen.

Er war sich jetzt sicher. Er wollte mit Kai zusammen sein. Um jeden Preis.
 

~Come and lay right on my bed, sit and drink some wine

I'll try not to make you cry

And if you'd get inside my head, then you'd understand

Then you'd understand me

Why I've felt so alone, why i kept myself from love

And you became my favorite drug

So let me take you right now and swallow you down,

I need you inside~
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

ich hoffe, das warten hat sich für euch gelohnt. nochmal sorry, dass ich mir so lange zeit gelassen habe und dann nichts besseres zustande bringe. *drop*

wie ich ewähnt habe, ist es die vierte version von diesem kapitel, aber eigentlich gefällt sie mir auch noch nicht. das problem bei dem kapitel ist, dass kai soviel redet. er musste halt alles erklären, aber es ist schwierig ihn damit nicht zu ooc zu machen. naja, hab mein bestes gegeben. ^^°
 

ich weiß auch gar nicht, ob das alles verständlich ist, ob ihr nach solanger zeit ünberhaupt wisst, worüber er quasselt. *drop*

üerhaupt sind die zwei ganz schön verwirrt und zwar so verwirrt, dass selbst ich manchmal zwischendurch schon gar nicht mehr wusste, was sie denn wollen... O.o
 

naja, das lied am schluss ist mal wieder von the calling und heißt unstoppable. für alle, die es nicht kennen, hier ein link, der hoffentlich funktioniert. da könnt ihr dann mal reinhören, wenn ihr wollt.

http://www.youtube.com/watch?v=T3PY0YiZHxo
 

ich denke, da es jetzt wieder schneller gehen wird. ich hoffe es zumindest, denn das kapitel war echt der horror... kann nur noch besser werden.
 

zu guter letzt: vielen dank an alle, die mir immer kommentare hinterlassen haben, denn einzig die tatsache, dass ich soviele nette kommentare hatte, hat mich dazu bewegt wirklich weiter zu machen und nicht doch einfach die flinte ins korn zu werfen wie ich es zwischendrin wirklich vorhatte. ich mag euch alle, ihr verschönert mir jedesmal den tag! ^____^
 

astin =:)

*wink*
 

p.s.: man, ich hab wirklich schiss, das kapitel abzuschicken, aber bevor ich es ncoh fünf mal überarbeite und immer schlimmer mache... *nervös ist*

*sich dazu durchring, den knopf zu drücken*



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Von:  monroe2
2011-10-26T15:24:11+00:00 26.10.2011 17:24
Ich habe deine FF jetzt erst gelesen und finde sie einfach nur fesselnt. Ich hab mit meinen Gedanken sehr gespannt alles verfolgt unmd konnte gar nicht aufhören zu lesen. Ich finde das du die Story gut ausgebaut hast und auch das die Annährung zwischen Kai und Rai sich so langsam hingezogen hat. Das ist für mich realistisch und gut nachvollziehbar. Die Spannung finde ich sehr gut, das fesselt richtig und vor allem der zweite Kuss auf dem Sofa war für mich einfach nur prickelnd. Und erst das jetzige Kapitel, das ist einfach nur Traufhaft schön umgesetzt. Die Mühe die du dir gegeben hast hat sich auf alle Fälle gelohnt und du solltest dich wirklich nicht so unter Druck setzen. Das ist TOOL was du schreibst und für mich ist deine Story auf jeden Fall eine meiner Liebsten. Jetzt fehlt in der Geschichte nur noch die Entscheidung und das was die anderen davon halten, vielleicht ist sogar noch ein Lemon drin oder zumindest angedeutet.Ansonsten könntest du auch noch ein Bruch machen wenn K+R es Tyson und Co wissen lassen. Und dann deine Fortsetzung auf ein paar Jahre später auslegen. Wäre nur ein Vorschlag von mir.
Ich bin nur Traurig das es nicht mehr weiter geht, aber kann natürlich verstehen, wenn du kein Interesse, Lust und Laune mehr hast bzw. weis ich gar nicht ob du überhaupt noch in dem Genre tätig bist. Aber wer weis... Vieleicht hast du ja mal Lust weiter zu schreiben und dein Projekt zu einem Ende zu bringen. Ich würde mich Voll freuen!!!

liebe Grüße und viel Erfolg für das was du tust *^-^*smile*^-^*

Von:  MiyaKamiya
2009-10-01T19:35:42+00:00 01.10.2009 21:35
Die FF ist einfach wundervoll...:D

Es kommt selten vor, dass ich so gefesselt werde^^

Ich finde es wahnsinnig beeindruckend, wie du es geschafft hast, die Gefühle der beiden so gut zu beschreiben. Ich konnte mich richtig gut in Rei hineinversetzten. ;)

Und nun bin ich gespannt wie es weitergeht (hoffentlich)
lg
und weiter so
Yuki
Von:  jack-pictures
2009-08-11T18:24:28+00:00 11.08.2009 20:24
Wow!
Was für Emotionen!
Da überkommt's einen ja fast ^^b
Von:  Minouett
2008-03-13T20:41:10+00:00 13.03.2008 21:41
Ehm ja XD Das Datum lass ich jetz mal außer Acht *rüber lins*...
Das war jetz so ziemlich die gefühlvollste KaRe FF, die ich bisher zu Gesicht bekommen habe :3 (auch wenn das nicht gerade wenig waren *grin*)
Kais Argumente waren zwischendurch schon etwas verwirrend, aber ich empfinde das eigentlich nur als >realistischer< um ehrlich zu sein, denn das hat deutlich gemacht, dass es ihn viel Überwindung kostet und er selbst nicht so Recht weiß, was er will oder wie er damit umgehen soll *smile*
Dein Stil ist toll, echt, Hut ab XD Nicht zu extrem detailliert, aber auch nicht zu gehetzt, also ein gutes Tempo, wo man gut mitkommt =)
Und vor allem hats mir der Aufbau der FF angetan XD Die Charas reagieren nicht, wie man es vorhersieht (oder wie mans sich erhofft /D") und das macht es spannend und man kann gut mitfühlen. Auch die Charas hast du überaus gut getroffen, muss ich sagen oO Es gibt ja Leute, die dazu neigen in KaRe FFs Tyson und Max als extreme >Störfaktoren< darzustellen, aber du hast es zum Glück nachvollziehbar dargestellt >_<" Das wäre dann noch eine Sache, die mir aufgefallen ist; die kamen in den letzten Kapiteln recht wenig zum Zuge, weils die Situation wohl nicht hergab...aber mir persönlich würds gefallen, wenn sie auch wieder schön am Geschehen teilhaben würden x3 (Ist aber nicht lebensnotwendig *hust*)
Nja, das wars dann mal mim Monsterkommi XD
Hoffe du schreibst irgendwann (möglichst bald) nochmal weiter...lohnt sich doch (für uns XD)
lg
Min <3
Von: abgemeldet
2008-01-09T22:46:44+00:00 09.01.2008 23:46
würde mich freuen wenn du die story irgentwann fortführst
Von:  Amaretto
2007-09-10T23:30:50+00:00 11.09.2007 01:30
Hi du!
Ich will dich wirklich nicht nerven, dass du bei deiner Fanfic weiterschreiben sollst. Dies ist einfach nicht meine Art und wäre auch sehr aufdringlich.
Wollte dir nur schreiben, dass ich mich über eine Fortsetzung sicherlich freuen würde, da dein Stil zu schreiben, besonders bezüglich der Realität und Nachvollziehbarkeit, hier bei Mexx etwas Besonderes ist.
Ich kann verstehen, wenn du dich nicht mehr mit deinem Geschriebenen indentifizieren kannst oder andere Sachen in deinem Leben momentan wichtiger sind. Jedoch musst du auch verstehen, dass fast ein Jahr eine ziemlich lange Zeit zur Pause ist.
Naja, falls du dich doch entschließt einmal weiter zu schreiben, dann freue ich mich natürlich ^^ und werde dir dann auch das eine oder andere Kommi hinterlassen, was mir bis jetzt leider nur schlecht möglich war!
LG, Amaretto
Von:  knoedelchen
2007-07-25T05:12:06+00:00 25.07.2007 07:12
*______* *sabber* ups~ XDDv
ich mag deine ff wirklich sehr und bin eigentlich nur zufälligdarüber gestolptert ;3 ich würde mich sehr über eine ens freuen, wenn es mal weiter geht *wild nick* X3~
lg knoedelchen
Von:  Pfefferminze
2007-06-21T14:31:30+00:00 21.06.2007 16:31
Ich bin überwältigt.
Im groben ist das alles was ich mit meinem vllt. folgendem Gepänkel ausdrücken will, also kannst du zur Not auch direkt biszum Ende springen ^.^
Es war fast schon durchschaubar was Kai abgezogen hat, wenn mich aber vor allem Rei meistens überrascht hat mit seinem Handeln.
Gerade was im letzten Kapitel passiert ist, hätte glatt als Zusammnfassung für alle anderen Kapitel gelten können... flashc ausgedrückt... das Hin und zurück was im letzten Kapitel so deutlich wird, beschreibt die Situationen in allen Kapiteln.
ENDE->Ich bin einfach nur mal wieder total von einer Geschichte überwältigt und hoffe doch mal, dass es auch noch weitergehen wird...?
Nja, ich setz es uf die Favoliste und seh dann ja wenn es weitergeht ^.~
Ming
Von: abgemeldet
2007-05-12T12:00:48+00:00 12.05.2007 14:00
Ich liebe diese ff :D
Du kannst die Gefühle und alles so gut rüberbringen ! *beneiden tu*
Ich habe gestern bis 2 Uhr vorm Pc gesessen und gelesen ^^
und dann heute morgen sofort weiter gelesen xD
Ich bin süchtig ^^
Alsoo schreib bitte schnell weiter,
sonst überlebe ich das nicht ! xD

Mfg Tox
Von:  Sanbantai-Taicho
2007-05-01T09:17:18+00:00 01.05.2007 11:17
*fähnchen rayXkai wedel*
du hast sou toll geschrieben ich konnt mich gar nicht mehr davon losreisen hach *schmacht*
bitte
bitte schreib schnell weiter
*dackelblick*
achja krieg ich bitte ne ens wenns weitergeht wär dir echt dankbar.
ui *2. Fähnchen raus hol und wedel*
ich liebe das paring kai und ray^^


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