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Abraxas

Die Sehnsucht in mir
von

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Prolog

Abraxas
 

Wassertropfen perlten vom kalten Stein der Wand. Wenn sie zu Boden fielen erklang ein dumpfes Geräusch, welches unheilvoll in der kleinen dunklen Steinzelle nachhalte.

Auf Dauer musste einen diese Laute wahnsinnig machen. Aber was war schon der Wahnsinn, wenn man den Verstand eh nicht mehr verlieren konnte?

Doch nur noch ein Wort. Wie viele Monde waren vergangen, seit er in diesem dunklem Kellerloch eingesperrt wurden war? Abraxas wusste es nicht. Das fahle Licht, welches durch das winzige Loch in der Decke fiel reichte bei weitem nicht aus um einen Unterschied zwischen etwas düsterem Tag oder auch einer besonders hellen Mondnacht festzustellen.

Ihn sollte es nicht stören. Seine Augen glühten auch jetzt noch rot in der Dunkelheit der Zelle. Es war kein Zufall, dass dieses Loch, welches nicht mehr das Recht hatte sich Fenster zu nennen so klein war. Sein Feind wusste wer er war und vor allem zu was er fähig war. Er würde ihn kein zweites Mal unterschätzen. Abraxas seufzte. Seine eigenen Stimme war das einzige was er in den letzten Tagen hier unten gehört hatte und wahrscheinlich würde es auch das Letzte sein. Darüber machte sich der Blauhaarige schon lange keine Illusionen mehr. Hier würde niemand mehr herunterkommen um ihn zu foltern oder gar um sein Geheimnis herauszupressen. Nicht mehr... die Gefahr, dass er floh war viel zu groß. Mit jedem Tag, den er hier verbrachte wurde er eine größere Gefahr. Niemand würde es sich mehr wagen ihm zu nahe zu treten. Der Durst war zu groß.

Unheimliche Schattenspiele jagten über das Gemäuer der Zelle. Ihm jagten sie keine Angst ein. Er war die Angst und der Wahnsinn zugleich. Er war ein Gott und zugleich auch der Teufel persönlich. Er war der Erste gewesen, zumindestens der Erste derer, die jetzt noch auf Erden wandelten.

Langsam begann sich Abraxas zu erinnern, auch damals war er in einem solchen Raum gewesen. Die Nacht vor der alles begann. Wahrscheinlich waren es seine überreizten Sinne, die ihm diesen Streich spielten, aber plötzlich sah er alles wieder genau vor sich.

Das dunkle Zimmer, die Mauern, die Eisenbeschlagene Tür und das Fenster, welches ungleich größer im Vergleich zu dem hier vorliegenden war.

Dieses Fenster, welches ihm im Alter von 24 Jahren zum ersten Mal hatte zweifeln lassen.

Der Tag seiner Weihe...

Die Weihe

Der junge Mann mit den blauschimmernden Haaren stand aufgerichtet am Fenster seines Gefängnisses. Die braunen Augen wanderten über die Szene, die sich unter seinem Fenster abspielte. Sie waren wieder fündig geworden.

Unter lautem Gejohle hetzten die eigentlich unscheinbar wirkenden Männer in Schwarz, Frauen, Kinder und vereinzelt auch Männer über den Hof. Keiner der Gefangen würde die nächsten Tage überleben. Abraxas erschauderte als er darüber nachdachte. Wie viele waren für diese Rasse bereits gestorben? Und wie viele würden es noch sein?

Hastig schüttelte er den Kopf. Was scherte es ihn? Solche Gedanken durfte er nicht mal ansatzweise denken. Er war hierher gebracht wurden um sich zu reinigen. Von allem was überflüssig war. Von Gefühlen, Erinnerungen und vor allem den leidigen Gelüsten der Menschen. Seine Menschlichkeit sollte er ablegen, die brauchte er nicht mehr, als vollkommenes Wesen. Sie würde ihn nur behindern. Aber noch war er ein Mensch, einer von ihnen, die dort unten auf dem Hof so erbärmlich schrieen. Ein Mensch mit all seinen Schwächen. Und eine der größten Lasten des Menschen war die Angst. All die Jahre hatte es ihn nicht gestört, was mit den Menschen geschah, die hier gefangen wurden. Ihr Tod und vor allem ihre Qual vor dem Unausweichlichem interessierten und vor allem berührten ihn nicht.

Aber jetzt...

Bald in wenigen Stunden würden diese Männer in Schwarz wirklich seine Brüder sein. Er war im richtigen Alter und Abraxas war stark genug, das Ritual, ohne zum willenlosen Goul zu mutieren, zu überstehen. Aber war der Wille den das einzig Wichtige? Was war mit diesem Funken, der da angeblich tief in einem drin brannte. Dieses brennenden Etwas, was sich ihm jetzt in aller Deutlichkeit offenbarte. Seine Seele. Was war mit ihr? Brauchte er sie denn nicht mehr um weiter zu existieren?

Die Frage beantwortete sich von selbst. Zum Existieren... nein da brauchte man keine Seele. Und zum Leben? Zum Leben vielleicht, aber das hätte sich ja sowieso erledigt wenn er geweiht wurde.

Ein markerschütternder Schrei drang an sein Ohr. Die schrille Stimme einer Frau hallte darin wider. Er wollte es nicht mehr hören, es sollte aufhören!

Gequält schlug Abraxas die Hände über den Ohren zusammen. Aber der Schrei brach nicht ab. Im Gegenteil er verstärkte sich noch. Es tat weh. Und irgendwann bemerkte Abraxas, dass es nicht mehr die Frau vom Hof gewesen war, die schrie. Ihm selbst waren die Laute über die Lippen gekommen. Zitternd sank er zu Boden.

Der junge Mann hatte Angst, schreckliche Angst. Abraxas wusste jetzt wofür dieser Raum da gewesen war. Ein letzte Prüfung. Er würde sie nicht bestehen. Schreckliche Zweifel hatten sich bereits in sein Herz geschlichen.

Es war nicht so, dass er um diese Menschen trauerte. Sie interessierten ihn noch immer nicht. Der Tod... Was war das schon? Sein ständiger Begleiter, nicht mehr. Aber wollte er wirklich so werden wie sie? Diese Wesen da unten? Er hatte sie noch nie Lachen gesehen mit Ausnahme wenn sie ihre Opfer quälten. Freude? Das war doch nur Ausdrucks ihres Wahnsinns. Diese Wesen empfanden keine echte Freude mehr. Barmherzigkeit, Mitleid. Wie oft war es vorgekommen, dass sie einen der Ihrigen einfach liegen ließen, ohne die Gnade seinem Leben wenigstens ein schnelles Ende zu bereiten? Wie oft war einer nicht zurückgekehrt ohne das die anderen auch nur ansatzweise wussten was geschehen war? Nein so etwas interessierte sie nicht. Und wie war es mit der Liebe? Die Frauen gaben nur allzu bereitwillig ihren Körper her um ihre eigene unerfüllte Lust zu befriedigen. Aber bei diesem fast animalischen Prozess konnte man doch nicht mehr von Liebe sprechen. Nackte Körper, die sich aneinander rieben. Jeder mit jedem. Frauen mit Frauen, Männer mit Männern, mit Kindern oder auch Tieren. Nein das war keine Liebe.

All die Jahre war Abraxas noch nicht einmal der Gedanken gekommen, dass dieses Leben der falsche Weg sein könnte. Bei ihm war es ja nicht so gewesen. Sein Leben war bis dahin behütete gewesen. Abgeschirmt von den Grausamkeiten hatte er in Frieden sein Leben dahin gefristet unter den wenigen anderen menschlichen Anwärtern. Sicher es war ihm aufgefallen, dass ab und zu mal einer verschwand und meist nicht wieder auftauchte. Aber was scherte es denn ihn? Ihm ging es gut. Und die Macht, welche ihm von Anfang an in Aussicht gestellt wurde, lies jeden Zweifel bereits im Keim ersticken.
 

Aber jetzt hier in diesem kleinen Zimmer. So kurz vor dem, auf das er alle Jahre lang hingearbeitet hatte, da kamen ihm Zweifel. Und die Angst verstärkte sie.

Zitternd hatte er sich an die Wand gelehnt und war mit dem Rücken langsam hinab gerutscht. Sein schwarze Kleidung schlief über den kalten Stein und verursachte ein kratzendes Geräusch. Haltesuchend fuhr Abraxas Hand durch die blauen Haare. Was sollte er nur tun?

So wie diese Wesen wollte er nicht werden. Aber ihre Macht, die wollte er... immer noch. Aber ob er bereit war sich selbst dafür aufzugeben, das wusste er nicht mehr.

Ein Geräusch von der Tür her lies den jungen Mann aufhorchen. Hastig richtete er sich wieder auf, als er bemerkte, dass die Tür tatsächlich geöffnet wurde. Als er der nun eintretenden Gestalt gewahr wurde verbeugte er sich schnell voller Ehrfurcht.

"Es ist gut, Abraxas. Sieh mich an, mein Schüler."

Zögernd hob Abraxas den Kopf. Sein Lehrmeister sah aus wie immer. Die dünne vom Alter gezeichnete Gestalt war in einen langen schwarzen (wie hätte es auch anders sein können?) Mantel gehüllt und betrachtete ihn aus den rot schimmernden Augen prüfend. Abraxas fühlte sich unter diesen Blicken jedes Mal aufs neue unwohl. Ihm war es immer so als würde jeder Funken seiner Seele durchspäht und ergründet werden. Bald würde da nichts mehr sein, was man ergründen konnte.

Der von einem langem weißen Bart gerahmte Mund verzog sich spöttisch, beim Anblick der verschüchterten Gestalt vor ihm.

"Du hast Angst, mein Schüler. Du zweifelst."

"Nein Herr. Ich habe keine Angst. Ich..."

Der Weißhaarige unterbrach ihn barsch. Seine Stimme klang drohend, befehlend, nicht mehr wohlwollend fragend wie noch zuvor.

"Oh doch! Du hast Angst. Ich sehe es. Deine Augen. Sie vermögen es nicht den meinigen Stand zu halten. Suchend irren sie im Zimmer umher einen Punkt zu finden, an denen sie sich festkrallen können, dessen Anblick sie aufsaugen können. Hauptsache sie werden nicht gezwungen in das meinige Anlitz zu schauen. Ist es nicht so? Du hast Angst, vor dem was ich bin und vor dem was du bald sein wirst. Du zweifelst!"

Abraxas schluckte. Fast schien es als wolle er zu einer Antwort ansetzten, als er nach wie es schien ewiger Zeit endlich den Mund öffnete. Aber heraus kam kein Wort. Er war nicht fähig zu widersprechen, sich zu verteidigen. Schliesslich stimmte ja alles was sein Meister gesagt hatte. Er zweifelte. Beklommen nickte er endlich.

Das Schweigen, welches sich nun im Raum auszubreiten begann hätte nicht bedrohlicher sein können als alles andere, was sein Meister im Stande war zu tun. Abraxas hatte den Blick gen Boden gelenkt. Er wagte es nicht mehr aufzusehen.

Wahrscheinlich erschreckte ihn das was sein Meister tat deswegen um so mehr. Der alte Mann war nach vorne geeilt und hatte den Blauhaarigen in seine Arme geschlossen. Abraxas war wie erstarrt. Lange, lange Zeit hatte ihn niemand mehr in den Arm genommen und nun gerade von dieser Person, von der er es am allerletzen auf der ganzen weiten Welt erwartete hätte. Im seinen Kopf begannen sich die Gedanken zu überschlagen. War das nur ein letzter Gruß vor seinem Ende? Was sollte diese plötzliche Geste der Zärtlichkeit?

"Herr, was..."

"Nicht Herr, Abraxas. Mein Name ist Meantoris. Jetzt, da du in den nächsten Stunden wirklich zu meinem Sohn werden wirst geziemt es sich nicht mehr, dass du mich mit Herr ansprichst."

Abraxas Herz begann schneller zu schlagen. Hieß das...

"Ich spüre deine aufkommenden Freude. Dein Herz es spielt eine fröhliche Melodie. Babum-Babum. Was ist nun? Wollen wir gehen? Ich kann es nicht mehr abwarten meinen wahren Sohn in die Arme zu schließen."

Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, ergriff Meantoris Abraxas an der Hand. Niemand hätte dem Greis eine solche Kraft, die Abraxas nun zu spüren bekam zugetraut. Erbarmungslos zerrte ihn der Alte über den Gang. Die liebevollen Worte hatten den jungen Mann in tiefstes Grauen versetzt. Apathisch liess er sich hinter seinem Herrn herziehen. Vater, Sohn? Diese Worte waren es nicht, die ihm einen solchen Schrecken einjagten. Es war ein anderes Wort gewesen. Wahrer Sohn. Das war es gewesen. Abraxas verstand, so wie er jetzt war, war er für seinen Vater nicht gut genug. Er war nur ein unbedeutender, machtloser Mensch. Nicht mehr... aber auch nicht weniger. Abraxas' Blick stählte sich während die beiden den langen dunklen Gang zum Zeremoniesaal entlang schritten.

Ja für diesen Mann wollte er einer der ihren werden. für ihn, wenn auch für niemanden sonst.

Schliesslich war es Meantoris gewesen, der den kleinen Jungen Abraxas aus dem Sumpf der Verzweiflung geholt hatte. Damals, als seine Eltern hinterhältigst ermordet worden waren.

Meantoris hatte seinem Leben einen neuen Sinn gegeben. Für ihn würde er es tun.
 

Meantoris hatte das Ende des langen Ganges erreicht und blieb nun vor der riesigen mit okkulten Zeichen verzierten Flügeltür stehen und deutete Abraxas an, weiter zu gehen. Wieder begann die angst in Abraxas' Wellen zu schlagen, aber er unterdrückte sie gewaltsam. Er würde nicht mehr zweifeln.

Im Raum waren bereits alles versammelt. Die dunklen Gestalten, nicht vergleichbar mit denen, welche sich auf dem Hof herum trieben, überwachten jeden seiner Schritte aufs Peinlichste genau. Alle Fenster im Raum waren mit schweren Brokatvorhängen verhüllt. Tausende Kerzen warfen statt dessen ihr zuckendes Licht umher. Abraxas erschien in diesem Moment alles mehr als unwirklich. Wie ein Schlafwandler tastete er sich auf den unscheinbar wirkenden Stuhl in der Mitte zu. Der Stuhl war ein simpler Holzstuhl in einer sehr merkwürdigen Farbe. Übelkeit stieg in dem jungen Mann auf, als er bemerkte, dass es sich dabei wohl um die Farbe geronnenen Blutes handeln musste und nicht nur die Farbe...

Alles in ihm rebellierte dagegen sich auf diesen vom Teufel persönlich verfluchten Stuhl zu setzten. Aber er hatte schon lange keine Wahl mehr. Meantoris stand bereits wieder hinter ihm und drückte mit nun nicht gerade mehr sanfter Gewalt nach unten.

Abraxas' Gesicht hatte jegliche Farbe verloren. Alle Blicke ruhten auf ihm und er konnte sich belügen wie er wollte, wohlwollend waren diese nicht. Die Gesichter der Anwesenden waren verzerrt zu gierigen, blutlüsternden Fratzen. Ihre roten Augen glühten unheilvoll und schienen ihn verschlingen zu wollen. Hilfesuchend wandte Abraxas' seinen Kopf hin und her und blieb letzendlich am Gesicht seines Meisters hängen. Aber auch dort fand er keinen Verständnis mehr. Meantoris' Gesicht unterschied sich nicht im entferntesten von dem seiner Brüder und Schwestern. Das bemerkte Abraxas spätestens in dem Moment als sich die spitzen Zähne des Vampirs in seine Halsschlagader gruben.

Rasend vor Angst riss er die Arme nach oben um das Wesen der Finsternis von sich zu treiben. Aber umso mehr er sich sträubte um so tiefer gruben sich die blanken Zähnen in seine warme Haut hinein. Hatte er wirklich geglaubt, dass er das gewollt hatte?

Plötzlich fühlte er seinen Kopf zurückgedrückte und eine warme Flüssigkeit floß in seinen Mund. Meantoris hatte ihm die nackte Handfläche auf den Mund gedrückt, vorher musste er sie sich selbst verletzt haben. Abraxas konnte die warme Flüssigkeit in seinem Mund erst nicht zuordnen, dann aber musste er mit entsetzten feststellen, dass es sich wohl um Blut handelte.

Prustend versuchte er die widerwärtigen Flüssigkeit aus seinem Mund zu spucken.

*Trink du NARR!*

Abraxas' Augen weiteten sich. Niemand hatte diese Worte gesagt und trotzdem hatte er sie deutlicher als alles je zuvor vernommen. Seine Sinne verliessen ihn mehr und mehr. Immer undeutlicher konnte er erkennen was um ihn herum geschah. Nur noch der rasende sog an seinem Hals war existent. Das nächste was Abraxas sah war ein riesenhaftes schwarzes Chaos auf dass er sich mit unglaublicher Geschwindigkeit zubewegte. Er? Nein nicht er... er war niemand mehr, er war etwas. Hastig drehte er sich herum, um zu sehen woher er kam. Da war nichts als ein blutroter Wirbel aus Abertausenden schäumenden Blasen und noch etwas anderes. Er selbst... nein etwas viel Dunkleres und Älteres. Das Böse seiner Seele... dann war er? Und schliesslich verstand Abraxas, spätestens in dem Moment als kurz vor der Vereinigung seiner Seele mit dem Bewusstsein Meantoris' alle Erinnerungen seines Meister offen gelegt wurden. Und das, was er da sah...

Ein gellender Schrei entfuhr Abraxas, als er das Blut seines Meisters hinunterschluckte diesen aber gleichzeitig weit von sich stiess. Zwei weitere Vampire sprangen heran und wollten ihn fassen, als er sich hastig aufrichtete. Seine Sinne rasten und die Wunde an seinem Hals blutete immer noch. Abraxas bekam nicht mehr mit, wie er langsam zu Boden sank und dort vornüber kippte. Unmenschlicher Hass brannte in ihm, Verachtung und Abscheu und das war das wichtigste, Trauer.

Dann wurde es dunkel.

Aufbruch

Der Vollmond stand senkrecht über dem Burghof während Abraxas rote Augen den Himmel nach irgendeiner Bewegung absuchten. Aber es schien tatsächlich keine einzige Seele mehr außerhalb des Gemäuers zu sein. Seelen... Seelen sowieso nicht. Da war er der einzige hier, der die seine noch besass.

Entschlossen gab er sich endlich einen Ruck und trat auf das Burgtor zu. Das helle Mondlicht brannte in seinen empfindlichen Augen. Kein Wunder, dass sich keiner seiner Brüder und Schwestern auf den Hof wagte. Das tat sich kein Vampir mit gesundem Verstand an.

Aber dass es nicht der Verstand war, welcher Abraxas leitete, hatte der junge Dämon in den letzten Tagen bereits mehr als einmal feststellen müssen.

Abraxas wusste nicht wie lange er nach der Zeremonie gelitten hatte. War es ihm zwar gelungen während des Rituals seine Seele zu behalten, so war sie ihm dann doch danach fast entrissen wurden. Die Transformation war unmenschlich grausam gewesen. Tagelang hatte er sich in Fieberträumen hin und her gewälzt, zwischen immer währenden Schmerzen un totaler Apathie. Und dann irgendwann war es vorbei gewesen. Abraxas hatte zum ersten Mal seine roten Augen aufgeschlagen und sofort erkannt, dass sich alles um ihn herum verändert hatte. Nicht der Ort hatte sich verändert, aber seine Wahrnehmung. Er hörte viel besser und spürte andere um ihn bereits, bevor er sie nur gesehen hatte. In der Dunkelheit sah Abraxas, als wäre es hellichter Tag, dafür brannte das eigentliche Licht wie Feuer auf seiner Haut und in den Augen. Man hatte ihm erklärt, dass sich dieser Umstand mit der Zeit geben würde, aber bis dahin sollte er doch lieber das Sonnenlicht meiden. Der Vampir hatte nicht vergessen, welchem Blick man ihm dabei zugeworfen hatte. Eine unbestimmbare Angst hatte sich auf der Burg verbreitet. Abraxas hatte einige Zeit gebraucht bis er begriffen hatte, dass diese Angst von ihm verbreitet wurde. Die anderen wichen ihm aus. Sie konnten es nicht vor ihm verbergen, schließlich war er einer der ihren...

Nur doch so anders.

Seit dem Ritual hatte Abraxas Meantoris nur noch ein einziges Mal gesehen. Es war eine seltsame Stimmung gewesen, die zwischen den Beiden gelegen hatte. Keiner hatte zu sprechen gewagt. Es war ein stilles Kräftemessen gewesen und Abraxas hatte nicht das Gefühl als Sieger daraus hervor gegangen zu sein. Aber der Hass in ihm brannte, stark wie zuvor. Er würde Meantoris kein zweites Mal so nahe an sich heran kommen lassen.

Während Abraxas langsam auf die Stallungen zuschritt grübelte er darüber nach, was es gewesen war. Was hatte er gesehen, als Meantoris seine Seele verschlingen wollte?

Betrübt schüttelte der junge Vampir den Kopf. Er wusste es nicht mehr, doch spürte er, dass es wichtig gewesen war. Aber trotzdem erschien es ihm fast so als wolle sein Innerstes selbst die Erinnerung vor ihm verbergen.

Was sollte es. Wichtig war nur sein Vorhaben. Er musste hier weg. Keinen Tag länger mehr würde er es auf dieser Burg aushalten. Er wusste nicht was der Grund für den Hass war, der in seiner Brust brannte, aber er wusste, dass er da war und das war ein gutes Zeichen. Kein seelenloses Wesen wäre so in der Lage gewesen zu hassen. Auch das war ein menschliches Laster. Aber Abraxas nahm es gerne in Kauf.

Als er den Stall betrat verstummten auf einmal die sonst so tiertypischen Geräusche, die sonst eigentlich in jeden Stall gehörten. Kein Heurascheln, keine scharrende Hufe auf dem steinigem Boden, keine ausgestoßene Luft aus den Nüstern der Tiere. Es war nahezu totenstill. Aber davon lies sich Abraxas nicht beirren. Er hatte bereits vorher gewusst, wie Tiere mit ihren ungemein schärferen Sinnen auf Untote wie ihn reagierten. Sie spürten WAS er war. Zielsicher steuerte Abraxas auf eine der hinteren Boxen zu. Vorbei an den prächtigen Tieren, der hohen Vampire. Nein so weit war er noch nicht, dass er es wagen würde eines dieser Tiere zu stehlen, noch nicht. Schließlich entschied er sich für ein schönes braunes Pferd. Eines der wenigen Tiere hier, die eine andere Farbe als die der Nacht trugen. Sein Verlust würde für die Herrschaften auf der Burg nicht ganz so tragisch sein und sie würden vielleicht davon absehen ihn zu verfolgen. Vielleicht...

Abraxas war kein geübter Reiter, genauso wenig hatte er viel Erfahrung darin, wie man ein Pferd richtig aufzäumte. Der Umstand, dass das Pferd schnaubend zurückwich, als er es berührte, machte die ganze Sache zudem nicht leichter.

"Shhh... ganz ruhig. Ich tu dir doch nichts."

Das schien das Tier allerdings ganz anders zu sehen. Angstvoll hatte es sich nun schon so weit wie es nur irgend möglich war in seine Box zurückgezogen und den Vampir dabei kein einziges Mal aus den Augen gelassen. Wie zum Teufel machten das denn nur die Anderen? Resignierend trat Abraxas wieder auf das verängstigte Tier zu, das Geschirr wohlweislich hinter dem Rücken versteckend. Wie es ihm letzendlich gelungen war dem Pferd das Zaumzeug anzulegen wusste er nicht mehr. Es hatte wohl einige Zeit in Anspruch genommen und ihm einige schmerzhafte Bisse eingebracht. Zufrieden betrachtete Abraxas sein Werk. Die Satteldecke lag auf dem Rücken des Pferdes, das Zaumzeug saß richtig, fehlte noch der Sattel und er konnte endlich verschwinden. Bei weitem nicht mehr so vorsichtig und umsichtig wie noch zum Anfang, drehte sich der Blauhaarige zu Tür der Box und mit dem Rücken zu dem Braunen, um nach dem Sattel zugreifen. Das vor Angst sowieso schon bebende Tier schien nun endlich seinen Moment kommen gesehen zu haben und preschte ohne weitere Vorwarnung nach vorne, an Abraxas vorbei hinaus in die Freiheit.

So weit kam es nicht.

Ohne, dass er es selbst wirklich bestimmte drehte sich der Vampir herum und griff in einer einzigen fliessenden Bewegung nach den vorbeifliegenden Zügeln des Pferdes. Die Bewegungen des Tieres kamen ihm so unglaublich langsam vor.

In der nächsten Sekunde wurde der Braune durch die Wucht der zurückgezogenen Zügel zu Boden gerissen. Es krachte laut als der mächtige Pferdekörper auf dem Stallboden aufschlug. Entsetzt liess Abraxas das Zaumzeug los und starrte auf das Tier hinab, das sich noch zu wundern schien, wie es denn überhaupt da hinunter gekommen war. War er... das gewesen?
 

Ein halbe Stunde später betrat Abraxas mit dem nun fertig gesatteltem Pferd den Hof. Es hatte keine weiteren Komplikationen gegeben. Der Vampir schien dem lebenden Wesen sehr eindrucksvoll bewiesen zu haben wer der Stärkere war. Sein Blick wanderte noch einmal zum dunklen Gemäuer der Burg hinauf. Viele Jahre, war dieser Ort seine Heimat gewesen. Er konnte die anderen Vampire hinter den Mauern spüren. Ja er sah förmlich, wie alle ihre blutunterlaufenen roten Augen auf ihn gerichtete hatten und darauf warteten, dass er endlich verschwand. Er war kein Mensch mehr, aber er war auch niemand von ihnen. Mit Mühe wand er den Kopf, nach einer kleinen Ewigkeit wie es schien, ab und schwang sich in einer mühelosen Bewegung auf das Pferd hinauf. Die Gesetze der Erdanziehungskraft schienen für Wesen der Nacht ausser Kraft gesetzt wurden zu sein oder zumindest hatten sie an Einfluss verloren. Das Tor der Vampirburg war weit geöffnet. Das machte es ihm einfacher zu verschwinden. Warum sollte es auch geschlossen sein? Kein menschliches Wesen wagte sich freiwillig hierher mit Ausnahme ein paar Heldenmütiger, die ihren Mut teuer bezahlen mussten. Genug der unnützen Gedanken. Er musste weg hier, wie sehr sein Herz auch an diesem Ort hing, das war nicht mehr sein Zuhause.

Brutal stieß Abraxas dem Pferd die Hacken in die Flanken und lies es wild nach vorne preschen. Die klappernden Hufe auf dem Steinboden klirren schmerzhaft in den Ohren, aber Abraxas trieb sein Pferd eher noch mehr an als es zu verlangsamen, um das böse Gelächter der Anderen in seinem Kopf zu übertönen. Die Nacht war noch lang und bis zum Morgengrauen wollte er so viele Meilen wie nur irgend möglich zwischen sich und dieses alte Monument gebracht haben. Die Jagd hatte begonnen.
 

Mit der Zeit begann sich der Untergrund über den die schlanken Pferdebeine flogen zu verändern. Von der einstigen Steinwüste war fast nichts mehr geblieben. Überall war der Boden mit sattem, kniehohen Gras bedeckt. Vereinzelt standen dünne Bäume auf der Ebene herum. Auch wenn diese Gegend ansprechender aussah, als die woher Abraxas kam, wusste er doch, dass er sich hier nicht sicher fühlen durfte. Die weite Grasebene bot keine einzige Möglichkeit sich zu verstecken und so war er für auch noch weit entfernte, mögliche Verfolger gut zu sehen. Hier konnte er nicht ruhen. Auch begann bereits die Sonne langsam über die noch weit entfernten Berggipfel des Drachengebirges zu klettern. Noch erreichten ihn die Strahlen nicht, aber in spätestens einer Stunde würde die gesamte Savanne in Licht getaucht sein. Abraxas wusste, dass die Sonne ihn nicht umbringen würde. Das waren Geschichten der Menschen, welche sich an die vage Hoffnung klammerten am hellichten Tag vor den Geschöpfen der Nacht in Sicherheit zu sein. Tatsächlich kam es wohl eher selten vor, dass Vampire ein Dorf am Tag angriffen. Mochte das Sonnenlicht es nicht vermögen sie zu töten, doch ein Unwohlsein blieb immer. Bei einem aber noch so jungen Vampir wie Abraxas würden die Sonnenstrahlen grausame Schmerzen verursachen. Er war noch nicht so weit.

Abraxas war sich im Klaren darüber, dass er schleunigst irgendwo Unterschlupf finden musste, wenn er sich nicht unter Qualen winden wollte.

In der Ferne konnte Abraxas ein kleines Wäldchen entdecken. Aber es war noch weit entfernt und sein Tier war erschöpft. Auch ihm lag die vergangene Nacht schwer in den Knochen.

Man hatte ihm erzählt, dass Vampire kaum ermüdeteten und Tage laufen konnten ohne erschöpft zu sein. Auf ihn traf das wohl noch nicht zu.

Tatsächlich spürte er jeden Knochen in seinem Körper, sogar an Stellen, bei denen er noch nicht einmal geahnt hatte, dass dort überhaupt so etwas vorhanden war.

Während Abraxas nun so dastand und grübelte was er tun sollte, stieg die Sonne immer weiter gen Himmel. Die Hälfte der Savanne war bereits in Licht getaucht und es konnte sich nur noch um Minuten handeln bis die Sonnenstrahlen auch den Vampir erreicht hatten.

Das gab den Ausschlag. Hastig ohne noch weitere Gedanken daran zu verschwenden ob er es schaffen konnte, liess er sein Pferd nach vorne stürzen. Das hier war keine Frage mehr ob es möglich war zu schaffen. Es MUSSTE einfach möglich sein.

Vielleicht hätte er es ja sogar noch geschafft, wenn das Pferd sein Tempo durchgehalten hätte. Aber der Vampir hatte dem Tier über Nacht einfach schon zu viel zugemutet. Mit Entsetzten musste Abraxas feststellen, dass der Braune immer langsamer wurde, so sehr er ihn auch antrieb. Das Tier konnte einfach nicht mehr und die Sonne stieg unaufhörlich höher. Schließlich war der Punkt erreicht, an dem es einfach nicht mehr weiter ging. Das Pferd machte noch einen letzten Satz nach vorne, begann dann aber zu straucheln. Vielleicht hätte es sich noch fangen können, wenn der Vampir auf seinem Rücken ihm nicht gnadenlos die Sporen in den Bauch getrieben hätten. So aber kam es letztendlich vollends aus dem Schritt und stürzte beim nächsten Straucheln zu Boden. Abraxas schleuderte es kopfüber aus dem Sattel. Insektenschwärme wirbelten nach oben, wo er landete und sich mehrmals überschlug. Noch aus der Drehung heraus, sprang der Vampir wieder auf die Beine und stürzte nach vorne. Er musste das Pferd nicht sehen um zu wissen, dass es immer noch auf dem Boden lag und sich wahrscheinlich eine Zeitlang nicht mehr rühren würde.

Und die Sonne stieg weiter.

Jetzt war es die Kraft seiner eigenen Beine, die ihn nach vorne trug. Erstaunt bemerkte er noch wie schnell er war, dann wurde sein Verstand urplötzlich in einem wogenden Strom voller Gier und Lebenswille hinfort gespült. Die Augen des Vampirs sprühten rote Funken, während er, in einer mörderischen Geschwindigkeit, weiter auf den Wald zu hetzte. Einzig der Instinkt des Vampirs und der damit verbundene animalische Lebenswille hatten ihn gerettet.

Äste brachen unter krachenden Geräuschen auseinander als er den Wald erreichte. Für einen kurzen Moment sah Abraxas einzelne Staubteilchen und zersplitterte Holzstücke vor seinen Augen durch die Luft schweben. Wieder schien die Zeit auf unheilvolle Weise langsamer zu fliessen. Sofort aber war sie wieder im normalen Fluss und er stürzte polternd in das Unterholz das Wäldchens. Keuchend und nach Atem ringend richtete sich der Vampir langsam wieder auf. Keine Sekunde zu früh, hatte er das Wäldchen erreicht. Überall hatte die Sonne ihre sengenden Strahlen verbreitet.

Dass der Wald sein gesamtes Gesicht zerkratzt hatte, bemerkte er nicht. Das dünne Blutrinnsal unter seinem linkem Auge, welches nun langsam über seine Wange hinab zum Kragen floss. Auch das bekam er nicht mit.

Was war das eben gewesen, das die Kontrolle über ihn gewonnen hatte? All seine Gedanken, sein Selbst waren für einen Moment verdrängt wurden und in ihm drin war nichts mehr gewesen, ausser einer unglaublich alten und bösen Gier. Gier nach allem was da draußen lebte. Wenn ihn in diesem Moment irgend jemand zu nahe gekommen wäre, hätte er ihn in Stücke gerissen. Daran zweifelte Abraxas keinen Moment. War das... der Vampir in ihm gewesen? Immer noch heftig atmend, schloss Abraxas die Augen, versuchte sich zu beruhigen und horchte in sich hinein. Ja, da war es immer noch. Dieser schwarze Klumpen tief in ihm drin. Eine wabernde Masse voll böser Gedanken und unersättlichem Durst. Immer wieder zischten seine schwarzen Ausläufe nach oben, um einen Weg in sein Bewusstsein hinein zu finden. Aber der helle Funken hielt dieses schwarze Ding davon ab, weiter nach oben zu kommen. Der Stern brannte tief in ihm drin.

Als Abraxas die Augen wieder öffnete, fiel ihm sofort der dunkle, schwarze Fleck am Himmel auf. Noch war er weit weg. Aber er bewegte sich näher und er war schnell. Bisher konnte Abraxas nicht sagen ob es sich nur um einen Schwarm schwarzer Vögel handelte, oder ob es etwas anders war. Vielleicht eine Horde geifernder Fledermäuse? Wer wusste das schon. Abraxas jedenfalls wollte nicht am Waldrand stehen bleiben um heraus zu finden, was da angeflogen kam. So einfach würde er es seinen Häschern nicht machen. Sein untotes Leben wollte er so teuer verkaufen, wie es nur möglich war. Ruhig drehte er sich um und begann so schnell es im Untergehölz der Bäume eben möglich war, tiefer in den Wald einzudringen.

Das Pferd war eine Gefahr. Es war weithin sichtbar, aber vielleicht war es ja auch tot, von den Strapazen gestorben, die er ihm zugemutet hatte. Wenn das der Fall war konnte er Glück haben, den das hohe Gras würde den Pferdekörper vielleicht verdecken.

Vielleicht...

So jung

Die Sonne schien schon hoch am Himmel zu stehen, während Jungvampir Abraxas immer noch durch das dichte Untergehölz der Bäume stolperte. Das anfängliche Wäldchen hatte sich als ausgewachsener Wald entpuppt und langsam musste er es sich wohl oder übel eingestehen. Wenn man in einer völlig fremden Gegend nicht mehr wusste woher man gekommen war und auch nicht mehr wo man hin wollte, hatte man sich in der Regel verlaufen. Da halfen einem auch höchstentwickelte Vampirsinne kein Stück.

Resignierend blieb der Blauhaarige schließlich stehen. Auf seiner Haut hatten sich vereinzelt rote Flecken gebildet, welche höllisch brannten und wohl vom Sonnenlicht stammten, das doch ab und zu durch die lichter werdenden Baumkronen hindurch stieß.

Langsam wurde es Abraxas immer deutlicher vor Augen geführt. Aus der anfänglichen Vermutung wurde zunehmend brennende Gewissheit. Es stand nicht gut um ihn.

Es waren nicht nur die vielen kleinen aber um so schmerzhafteren Verletzungen, die er sich während seiner Waldwanderung zugezogen hatte. Es war auch nicht die Müdigkeit, die ihm mehr und mehr zu schaffen machte. Nein es war etwas viel tiefer sitzendes.

Zum ersten Mal seit der Verwandlung begann sich der Durst in ihm zu melden. Und mit ihm zugleich wurde der Vampir in ihm immer stärker. Dieses uralte böse Etwas, voller Gier und ungebändigter Wut getrieben.

Hastig begann Abraxas sich wieder in Bewegung zu setzten. Er durfte nicht warten, bis dieser wilde Instinkt die Kontrolle über ihn übernahm. Wer wusste schon ob es ihm möglich war dieses "Ding" in ihm auch wieder zurück zu drängen?

Sein bis vor kurzem noch orientierungsloses Umherirren hatte sich nun in eine gezielte Suche verwandelt. Niemand hatte es ihm beigebracht, aber Abraxas wusste ganz von alleine wie er sich zu verhalten hatte und ohne, dass er es selbst wirklich bewusst wahrnahm wurden seine Schritte zwar immer schneller aber auch gleichermassen immer leiser. Bald war kaum noch ein Laut zu hören. Kein Blatt bewegte sich und kein Rascheln war zu hören.

Abraxas' spitze Ohren hatten sich aufgestellt und durchforschten die Umgebung nach jedem auch noch so winzigen Geräusch. Die roten Augen hatten sich geklärt und leuchteten gierig in den Wald hinein. Nichts würde ihrem messerscharfen Blick entgehen. Der Vampir war auf der Jagd.

Dummerweise nur erfolglos.

Wie bereits die Pferde im Stall, schienen auch sämtliche Waldtiere mitbekommen zu haben, dass sich der Vampir näherte und hatten sich instinktiv aus dem Staub gemacht. So war es im Wald nahezu totenstill. Still genug, dass er das kaum wahrnehmbare Geräusch dann doch noch hörte. Es war ein Wispern, wie wenn sich mehrere Leute leise unterhielten, tappende Schritte und das Knacken kleiner Zweige, die zerbrachen. Menschen.

Es mussten Menschen sein. Kein anderes Wesen verhielt sich so laut, war so arrogant, dass es sich einbildetet das höchste aller Geschöpfe zu sein. Nur so jemand konnte es wagen derart hemmungslos durch den Wald zu stapfen und die Ruhe der Natur zu stören.

Der Wind stand günstig, so dass einige Gerüche zu ihm herüber geweht wurden. Genüsslich sog der Vampir mit in den Nacken gelegten Kopf den Duft ein. Den Duft von warmen Fleisch, von Schweiß, der auf der nackten, verlockenden Haut glänzte. Und das Blut.

Blut mit seiner kräftigen roten Farbe und dem süßlichen Duft. Oh und der Geschmack... der Geschmack. Wie musste es erst sein, wenn man die Zähne in die pulsierende Halsschlagader einer lieblichen Jungfrau schlug? Ihr den köstlichen Lebenssaft raubte. Wenn sich das Blut immer schleimiger und zähflüssiger durch die Adern quälte, der Körper erschlaffte und der rote Saft schließlich ganz zum Erstarren käme. Was musste das für ein Gefühl sein?

Würgend riss Abraxas seine rechte Hand nach oben und hielt sie sich vor den Mund. Einige Zeit verging bis der Brechreiz endlich nachließ. Genug Zeit um Abraxas die Situation erfassen zu lassen. Eben, da war er wieder da gewesen, der Vampir in ihm. Blutdurstig und mordlüstern. Der Instinkt hatte sein Selbst verdrängt, einfach so, ohne dass es Abraxas selbst wirklich mitbekommen hatte. Einfach so. Und er hatte nichts machen können. Sein Verstand raste während sein Herz immer schneller zu schlagen begann.

Er war ein Vampir. Er brauchte Blut um zu überleben. Das war ganz natürlich. Das allerdings zu wissen und tatsächlich jemanden anzufallen, waren zweierlei Dinge.

Jetzt wo wieder der wahre Abraxas die Oberhand hatte war die Vorstellung tatsächlich auf irgendeine Person loszugehen und ihr Blut zu trinken abschreckend wie eh und je. Wieder machte sich ein leichtes Brechgefühl in seinem Magen bemerkbar. Was war er nur für ein lausiger Vampir? Ein echter Dämon würde sich totlachen über ihn. Na wenigstens etwas.

Für einen Moment verharrte Abraxas noch an Ort und Stelle, dann drehte er sich um. In die Richtung aus der er die Geräusche vernommen hatten. Über das Wie machte er sich im Moment erst mal keine Gedanken, dass würde sich schon an Ort und Stelle finden. Nun musste er nur erst einmal die Stelle erreichen.

Seine Augen begannen wieder langsam aufzuleuchten, während der Vampir sich in Bewegung setzte. Es würde sich schon alles finden.
 

Noch musste Abraxas einige Zeit lang laufen , bis er die Verursacher der Geräusche endlich fand. Zwar hatten ihn seine Sinne getäuscht, was die Entfernung der Menschen anbelangte, doch ließen sie ihn nicht im Stich, wenn es nur darum ging auf ihrer Fährte zu bleiben. Bald war es nur noch seine Nase, die den ausgehungerten Vampir voran trieb.

Aber die Nähe der scheinbar so sicheren Beute machten den jungen Mann auch unvorsichtiger, so bemerkte er nicht, dass er sich je weiter er den Menschen folgte immer mehr dem Rand des Waldes näherte und mit ihm zusammen gleichermassen der verhassten Sonne. Schon jetzt war das Blättergewirr der Bäume immer lichter geworden und die Brandstellen auf seinen nackten Armen hatten sich um ein vielfaches vermehrt. Das alles bemerkte er nicht mehr. Wieder hatte der Instinkt in ihm die Oberhand gewonnen. Der Geruch der nun schon sehr nahen Menschen machte ihn rasend. Abraxas beschleunigte seine Schritte sogar noch um schneller bei seinen Opfern zu sein. Er wollte sie zerreißen, zerfetzten, ihre Eingeweide über den satten Waldboden verstreuen und er wollte ihr warmes köstliches Blut trinken.

"Und du bist dir sicher, dass hier tatsächlich einer ist?", erklang plötzlich eine tiefe Männerstimme, die Abraxas veranlasste sich hastig hinter dem nächsten Gebüsch zu verstecken. Zaghaft hob er den Kopf über das üppige Gestrüpp der Blätter hinweg, jederzeit bereit wieder im Dickicht zu verschwinden. Wie er feststellen musste, hatte er tatsächlich keinen Schritt zu wenig gemacht. Wäre er noch weitergegangen, wie er es vorgehabt hatte, wäre er augenblicklich in die Gruppe von Männer, die vor ihm auf der kleinen Lichtung standen hineingerannt.

Blitzschnell begann Abraxas die Gegebenheiten zu überprüfen. Es waren vier Männer unterschiedlichen Alters. Drei von ihnen, schienen einfache Bauern zu sein, denn ihre Kleidung war ärmlich und schlicht. Auch trug einer von ihnen noch nicht einmal Schuhe. Der vierte aber war anders und er war es der Abraxas zögern ließ. Der Vampir in ihm war zwar immer noch dafür sich sofort auf die Übermacht zu stürzen. Zerreißen... zerfetzten!

Aber der rational denkende Teil in Abraxas behielt diesmal die Oberhand. Erst wollte er wissen, wer diese Leute waren und vor allem was es mit dem Vierten auf sich hatte.

Dieser schien der gewesen zu sein, dem man eben die Frage gestellt hatte, denn er drehte sich zu einem der Bauern um und nickte.

"Ich bin mir sicher. Hast du die Tiere vorhin nicht gesehen? Ich kenne nur wenige Wesen, die in der Lage sind die Geschöpfe des Waldes so in Panik zu versetzten. Selbst wenn es kein Vampir ist, geht hier im Wald auf jeden Fall etwas um, was nicht dorthin gehört."

Abraxas Sinne begannen den vierten Mann nun langsam abzutasten. Dabei beschränkte er sich nicht nur auf seine Augen sondern nutze auch tiefere Empfindungen, die ihm einfach sein Gefühl übermittelte. Äußerlich schien es sich bei diesem Mann wohl um einen Krieger der höheren Sparte zu handeln. Seine Rüstung machte den Anschein sehr schwer zu sein, aber sie war reich mit goldenen Zeichen verziert, die Abraxas an alte Runen erinnerten. War es vielleicht ein Magier? Der Vampir wusste es nicht. Einem solchem Meister der magischen Strömungen war er noch nicht begegnet. Aber hieß es nicht, dass Hexenmeister in der Regel sehr, sehr alt und sehr dünn waren? Mit langen Gewändern und hohen spitzen Hütten?

Dieser Mann zählte aber keinesfalls mehr als fünfzig Sommer. Auch hing sein Gewand nicht bis zum Boden hinab. Eine Rüstung tat das nun mal nicht. Dünn konnte man den Mann beim besten Willen nun auch nicht bezeichnen. Schlank ja, aber sehr muskelbeladen. Wenigstens hatte der Fremde einen Bart, der war aber weder weiß noch sonderlich lang. Aber wo war der Hut? Statt ihm reckten sich nur ein paar schwarzbraune, krause Haare in die Höhe. Irgendwie schien es sich bei diesem Menschen wohl doch um keinen Magier zu handeln. Aber was wusste er schon? Schließlich hieß es ja auch, Vampire würden sich in Fledermäuse verwandeln, hätten nachtschwarze Haare und wären im Besitz übermenschlicher Kräfte. Von alledem hatte Abraxas aber noch nicht viel gemerkt. Bis jetzt hatte ihm die Verwandlung genaugenommen eigentlich nur Nachteile statt Vorteile gebracht. Nichts der Erzählungen schien sich zu bewahrheiten. "Und was war mit dem Pferd im Stall?", fragte tief in ihm drin eine leise, böse klingende Stimme. Abraxas schüttelte den Kopf. Nichts war da gewesen. Das Pferd war in seiner Panik falsch aufgetreten und deswegen zu Boden gestürzt. So etwas passierte eben. Das hatte nichts mit ihm zu tun.

Während Abraxas in seinem Versteck noch weiter grübelte setzten die vier auf der Lichtung ihre Unterhaltung fort. Keiner von ihnen schien die Gefahr in der sie sich ja augenscheinlich befanden sonderlich ernst zu nehmen. Warum auch? Ein Vampir gegen vier ausgewachsene Männer, von denen einer sogar mit einem mächtigen Breitschwert und einem Langbogen bewaffnet war. Nein das war kein ausgeglichenes Kräfteverhältnis.

"Und was sollen wir jetzt machen? Wenn hier tatsächlich irgend so ein Biest herumläuft müssen wir es fangen und töten.", schnarrte einer der Bauern wütend. Ihn schien es langsam zu stören, dass die Gruppe nur zeittotschlagend in der Gegend herumstand.

"Beruhige dich, Theowulf. Der Vampir wird uns nicht entkommen. Ich bin mir sicher, dass er auf dem Weg hierher ist.", wandte sich der Krieger an den Bauern namens Theowulf. Seine Stimme hatte einen wohligen, warmen Klang und doch schwang eine Strenge in ihr, die jeglichen Widerspruch von vornherein niederwarf.

Einer der Bauern hob entsetzt das Gesicht, als er das hörte. "Der Vampir ist hierher- hierher- unterwegs? Was tun wir dann noch an diesem Ort? Er ist auf dem Weg - hierher? Wirklich? Bist du dir ganz sicher?", keuchte er angstvoll.

"Sehr sicher. Die Tiere, die wir fliehen sahen, liefen in genau entgegengesetzter Richtung zu der unsrigen und noch sind sie nicht zurückgekehrt. Oder siehst du hier irgendetwas?"

"Nein", antwortete der Bauer eingeschüchtert, hob dann aber erneut an: "nur dann..."

Grob wurde er von dem Krieger unterbrochen:" Nur was? Solange hier kein Tier zu sehen ist, ist der Vampir immer noch in der Nähe! Deswegen sind wir doch hier! Oder nicht? Komm durchgrab den Boden! Such ob du auch nur einen Wurm findest! Einen winzigen Käfer nur! Zeige mir einen und wir können hier verschwinden, aber solltest du keinen finden weiche ich hier nicht eine Elle!"

Mit bösem Gesicht griff der Krieger nach unten und riss ein paar Farne mit Wurzeln und Erde aus dem Boden und hielt sie dem Bauern auffordernd hin. "Hier nimm! Such an anderen Stellen. Such! Finde mir einen Käfer!"

Langsam nahm die Stimme des Krieger einen immer ärgerlicheren Ton an. Er schien sich wirklich zu tiefst zu entrüsten.

"Ihr wart es die mich riefen! Ihr habt das Pferd mit dem Zeichen des Vampirlords Meantoris gefunden und aus Angst habt ihr mich aus meinen Studien gerissen um den vermeintlichen Vampir zu jagen! Und nun sind wir da Kurz davor ihn zu fassen und ihr... ihr... Ach!"

Resignierend winkte der Krieger ab. "Was habe ich auch erwartet?"

"Aber Herr. Wäre es denn nicht klüger dem Vampir wenigstens im Licht der Sonne gegenüber zu treten?"

Der Krieger schien den jungen Bauern mit seinen Augen fast aufspießen zu wollen. Wenn Blicke hätten töten können... Ruhig hob er einen Arm und drehte sich einmal ganz im Kreis herum. "Wir stehen hier auf einer Lichtung. Wisst ihr warum man solche Waldstückchen so nennt? Weil da viel Licht durch die Blätter hindurch dringt, vielleicht? Das sollte genügen!"

Betreten schauten die Bauern nach unten. Einer schien seine Hosen auf einmal unglaublich interessant zu finden, während der zweite mit den Füßen unruhig auf dem Boden herum scharrte. Keiner der drei wagte es, seinem Herrn in die Augen zu sehen.

Das konnte doch nicht wahr sein

Wütend drehte sich der Krieger auf seinem Absatz herum und stapfte in Richtung Waldausgang davon, während man ihn immer wieder Verwünschungen und Beschimpfungen ausrufen hörte. Erleichtert folgten ihm die drei Bauern in eiligen Schritten.

Abraxas hatte die ganze Zeit ruhig hinter seinem Busch gehockt und dem Gespräch gelauscht. Sie suchten ihn. Man hatte das Pferd gefunden. Nun hatte er nicht mehr nur Häscher der eigenen Familie, nein auch die anderen hatten ihre Jagd auf ihn eröffnet. Trotz allem hatte sich an seiner Situation nichts verändert. Der Durst war noch da.

Alles in ihm drin, schrie danach sich umzudrehen und in die entgegengesetzte Richtung der vier Männer davon zu laufen. Aber er konnte nicht. Wann würde sich ihm schon die nächste Möglichkeit auf frisches Blut bieten? Er musste ihnen folgen, wenn er nicht jämmerlich verdursten wollte. So begann er leise die Verfolgung.

Am Waldrand angekommen nahm Abraxas wieder Deckung hinter einem größeren Strauch. Die kleine Heldentruppe stand nun komplett im Sonnenlicht. Die drei Bauern unterhielten sich wieder lachend miteinander. Jetzt da sie den gefürchteten Wald verlassen hatten schien ihr Mut zurückgekehrt zu sein. Der Krieger aber stand mit verstimmten Gesicht etwas abseits der anderen. Er hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt und stierte wütend geradeaus. Abraxas war enttäuscht. Jetzt da sie im Sonnenlicht standen konnte er nichts mehr tun. Keine zwei Schritte würde er sich auf den Beinen halten können, denn schon hier im Halbdämmern des Waldrandes spürte er die brennenden Strahlen der himmlischen Feuerscheibe.

Wohl oder übel würde er sich zurück ziehen müssen um irgendwo anders sein Glück zu versuchen. Plötzlich allerdings erhob der Schwertträger wieder sein Wort.

"Und wie lange wollen wir hier jetzt stehen? Kein Vampir wird hier ins Helle kommen!"

Die Bauern begannen unruhige Blicke untereinander zu wechseln. Wollte ihr Herr sie etwa schon wieder in den düsteren Wald führen? Das aber hatte der Krieger nicht vor.

"Ich schlage vor wir warten hier noch, bis auch mein Schüler wieder zu uns stößt. Dann werden er und ich wieder in den Wald gehen. Ihr könnt ja unseren Rückzuck für den Ernstfall sichern!"sagte er sarkastisch.

Von den Bauern kam nur ein zustimmendes Nicken.

Abraxas war hinter seinem Busch indessen der Schreck in die Knochen gefahren. Schüler? Ein fünfte Person? Wo sollte die sein. Hastig begannen seine Sinne die Umgebung abzutasten. Hatte er wirklich so dumm sein können? Nur weil er die Gruppe belauscht hatte, hatte er seine Deckung vollkommen vernachlässigt. Dann hatte er ihn gefunden, aber wenn das stimmte dann...

Im nächsten Moment spürte Abraxas auch schon einen harten Schlag direkt hinten ins Genick. Irgendwie schien der Schlag auf einen Nervenpunkt abgezielt zu haben, denn dem Vampir wurde schwarz vor Augen und er brach stöhnend zusammen.

Der junge Mann hinter Abraxas hatte sich fast lautlos an ihn herangeschlichen und dann entschlossen zugeschlagen. "Meister! Ich glaube ich habe ihn!", rief er nun zu den anderen draußen am Waldrand. Abraxas hatte nicht vollends das Bewusstsein verloren, war aber auch nicht im Stande sich zu rühren. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er den hochgewachsenen jungen Mann, der ihn eben niedergestreckt hatte. Dieser schien sich gar nicht mehr sonderlich für ihn zu interessieren, sondern sah wartend zu seinem Meister, was dieser ihm nun für Anweisungen geben würde.

Der Krieger hatte sich etwas in die Richtung der beiden bewegt. "Was soll das heißen du glaubst?", fragte er mit ernstem Ton.

Der junge Mann stockte für einen Moment. Dieser Ton war nicht gut. Der nächste Wutanfall seines Meisters konnte schon wieder direkt bevor stehen. "Ich meine... Ich. Ich weiß nicht recht ob es ein Vampir ist. Es könnte auch ein Mensch sein... ", stotterte er so vor sich hin. Dann aber richtete er den Blick auf und strahlte seinen Meister an. "Aber ich habe ihn erst einmal niedergeschlagen!"

Sein Meister verdrehte die Augen und seufzte. "Sind denn hier nur Toren um mich?", murmelte er leise nur für sich hörbar. Laut aber für alle verständlich sprach er: "Es ist gut Ensyis. Bring ihn hier raus ins Licht der Sonne dann werden wir schon sehen!"

Abraxas erschrak zutiefst als er diese Worte hörte. In die Sonne? In die Sonne? Konnten sie ihn nicht gleich töten? Mussten sie ihn erst noch diesen Qualen aussetzten? Der Vampir schien mit seinem Leben abgeschlossen zu haben. Trotzdem versuchte er immer noch sich zu wehren als Ensyis ihn grob in die Höhe zerrte und auf den Waldrand zustieß. Erfolglos.

Zwar wirkte der junge Mann nicht allzu stark, aber der Eindruck täuschte immens. Geschwächt wie er war, konnte der Vampir ihm rein gar nichts entgegen setzten. Hilflos musste er mit ansehen wie die verhasste Waldgrenze immer näher rückte. Schon jetzt brannte die Sonne gnadenlos. Aber dort draußen auf dem vollkommen freiem Feld. Panisch versuchte Abraxas noch einmal sich aus dem stählernen Griff Ensyis' zu befreien. Nein es hatte keinen Sinn.

Mit jedem Schritt, den Abraxas voran stolperte - gestoßen wurde, verstärkte sich das Brennen auf seiner Haut, aber auch schon an den Stellen, die eigentlich der Stoff seiner Kleidung schützte. Dort war das Brennen zwar noch nicht so stark aber auch bereits spürbar. Es tat so weh. Überall hatte sich seine Haut stark gerötet. Es schien als wäre der Vampir am ganzen Leib verbrannt worden. Abraxas wollte nicht schreien, wollte nicht seine Schwäche zeigen. Er schrie auch nicht, aber der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen.

Jetzt war die Waldgrenze erreicht. Wie sie ihn ansahen, diese Menschen. Was hatte er ihnen getan, dass sie ihm solche Qualen bereiteten? Abraxas wollte nicht mehr, keinen Schritt weiter gehen nur noch zurück in den Wald. Da wo es kühl und vor allem dunkel war. Das helle Licht brannte in seinen Augen, die Tränen verschleierten sein Gesicht noch zunehmend. Und doch trieb ihn Ensyis gnadenlos weiter auf seinen Meister zu. Die Bauern hatten einen respektvollen Abstand zu den Dreien eingenommen. Jeder sah, dass der Vampir keine Gefahr mehr war, aber sicher war sicher. Der Blick des Kriegers war eiskalt als Abraxas ihm zum ersten Mal ins Gesicht sehen konnte. Abraxas kannte diesen Blick voller Verachtung und Grausamkeit bereits. Von seinem Meister Meantoris, einem Vampir. Plötzlich hörte Abraxas einen sirrenden Laut, die Luft wurde zerschnitten. Erst konnte er den Laut nicht zuordnen, da seine Sicht wieder getrübt war, dann aber fanden seinen Augen ganz von alleine den Weg zum kalten Stahl des Messers, welches der Krieger gezogen hatte.

So sollte es also enden. Keine sieben Tage nach der Verwandlung wurde ihm bereits die Kehle durchschnitten oder das Herz durchbohrt. Vielleicht wollte er ihn ja auch in Stücke hacken und dem Krähen zum Fraß vorwerfen, wenn sie es denn annehmen würden. Auf jeden Fall würde es blutig werden. Ergeben schloss Abraxas die Augen. Er wollte sich seinem Schicksal fügen, dann würden wenigstens die Schmerzen verschwinden. Aber der ersehnte Gnadenstoß kam nicht. Vielmehr vermehrte sich die grausame Pein in ihm plötzlich um ein vielfaches und er fühlte sich zu Boden gestoßen. Der Schrei der über seine Lippen fuhr schien keinem Wesen dieser Welt mehr anzugehören so ungeheuerlich war die Qual, die ihm zugefügt wurde. Warum durfte er nicht sterben?

Fast gelangweilt warf der Krieger den Stofffetzen, der ehemals Abraxas' Oberbekleidung gewesen war zu Boden und steckte gemächlich das Messer wieder zurück in den Gürtel.

Mit mildem Interessen begann er um das wimmernde Stück Elend am Boden herumzuwandern. Ein leichtes Erstaunen war in seinem Gesicht zu erkennen. "So jung...", hörte man ihn leise murmeln.

Abraxas hörte diese Worte, aber er konnte sie in keinen konkreten Zusammenhang mehr stellen. Zitternd und weinend vor lauter Elend versuchte er wenigstens das Gesicht vor den sengenden Strahlen zu schützen. Vergebens. Das Licht schien durch seine Handballen hindurch zu dringen. Und der nackte Oberkörper war vollkommen schutzlos allem ausgesetzt was vom Himmel kam. Warum konnte er nicht wenigstens in Ohnmacht fallen? Kannte die Natur denn überhaupt kein Erbarmen? Plötzlich fühlte Abraxas sich am Hinterkopf gepackt und so leicht zur Seite gesetzt. Stirnrunzelnd hatte sich der Krieger neben ihn gehockt und schien irgendetwas zu untersuchen. Die anderen standen ratlos in der Gegend herum und warteten ab, was er tun würde.

Echter Unglaube stand nun im Gesicht des Kriegers. "Es ist ein Vampir, das steht außer Frage. Aber... Ensyis komm her!"

Sofort eilte der Angesprochenen zu seinem Meister hinüber und kniete sich neben ihn. Abraxas ließ alles widerstandslos über sich ergehen. Was sollte er schon tun? Jeder Entschluss zu irgendeiner Tätigkeit war aus seinem Kopf gerissen wurden. Dort oben existierte nur noch der Schmerz.

"Ensyis, was siehst du hier?", fragte der Alte plötzlich.

"Ähm... das Ohr dieses Vampirs, Herr?", fragte Ensyis etwas verwirrt. Was sollte diese Frage?

"Und, fällt dir nichts weiter auf?"

Jetzt war Ensyis vollständig verwirrt "Herr das ist ein ganz normales Ohr", meinte er kopfschüttelnd.

"Eben!"

"Eben? Was meint ihr, Meister?"

"Vampire haben spitze Ohren. Diese hier sind aber noch vollkommen normal. Es sind nur die ersten Ansätze zu erkennen. Hier schau!"

Der Krieger zog eines von Abraxas Ohren etwas näher zu sich heran um seinen Schüler den besagten Huckel zu zeigen. Dieser sah ihn zwar, schien aber noch nicht zu verstehen worauf sein Meister nun hinaus wollte. Der aber ließ sich in seiner geschäftigen Art überhaupt nicht unterbrechen, sondern drehte Abraxas Kopf noch etwas weiter zu sich, so dass dieser nun gezwungen war mit seinen empfindlichen Augen direkt in die Sonne zu sehen. Stöhnend versuchte Abraxas das Gesicht wieder wegzudrehen oder wenigstens die Augen zu schließen. Aber auch das wurde ihm nicht vergönnt. Der Krieger war einfach schneller und hielt nun sein linkes Auge geöffnet. "Schau Ensyis. Die Pupillen sind rot. Aber ihre Bestandteilchen haben sich noch nicht vollständig neu gefärbt. Als Mensch hatte dieser Vampir einmal braune Augen." Endlich ließ der Mann Abraxas Schädel los und gestattete ihm so wenigstens wieder das Gesicht zu verbergen. Immer noch liefen Tränen seinen Wangen hinab. Aber das Wimmern war zu einem gelegentlichen Schluchzen geworden. Der Krieger richtete sich auf und sah noch einmal nachdenklich auf den am Boden liegenden Blauhaarigen. Ensyis folgte hastig seinem Beispiel. "Und diese unnatürliche Sonnenallergie. Sie ist viel zu stark. Ensyis?"

"Ja Herr?"

"Weißt du, was ich denke? Du weißt doch, dass Vampire ihre neue Generation gezielt aussuchen. Potentielle junge Kinder werden gefangen und seelisch auf die Transformation vorbereitet, damit sie sich nicht verlieren und zum Goul mutieren. Dann werden sie in der Regel noch eine Weile ausgebildet bis sich ihre Probleme, wie zum Beispiel die mit der Sonne gelegt haben und sie zum vollwertigen Vampir geworden sind."

Noch einmal sah der Krieger auf den jungen Vampir am Boden hinab. Sein letzter Gedankengang schien ihm etwas Überwindung zu kosten. Aber auch Ensyis hatte nun endlich verstanden. "Er ist jung... wahnsinnig jung.", flüsterte er leise.

"Und was heißt das nun im Genauen?", begann plötzlich einer der Bauern zu meckern.

"Wir nehmen ihn mit!", antwortete Ensyis im vollen Ernst.

"Wie bitte? Ihr wollt WAS?"

"Ihr habt uns schon verstanden. So etwas darf man nicht einfach sterben lassen. Solch ein Geschenk muss man nutzen und wir wären Narren wenn wir es nicht täten!"

Am Boden begann der Vampir wieder stärker zu zittern. Er hatte nicht alles verstanden, was eben gesagt wurde eigentlich gar nichts. Nur... nicht sterben lassen. Nein, nein! Wollten sie ihn hier liegen lassen, bis die schreckliche Sonne ihn vollkommen ausgetrocknet und verbrannt hatte? NEIN das konnten sie doch nicht tun. So grausam konnten sie nicht sein! Er hatte ihnen doch nichts getan! "Noch nicht!", flüsterte in ihm wieder die kleine, böse Stimme. Noch nicht... ja noch nicht, aber er würde wohl auch keine Gelegenheit mehr dazu bekommen.

Ensyis hatte sich unterdessen wieder zu Abraxas hinunter gekniet. Sein Meister debattierte immer noch mit dem Bauerngesindel was nun mit dem Vampir geschehen sollte. Nur wusste er bereits jetzt wer gewinnen würde. Ruhig ohne Eile streckte Ensyis die Hand aus und suchte einen bestimmten Nervenknoten an Abraxas' Hals. Als er ihn gefunden hatte drückte er fest zu.

Endlich wurde es dunkel...

Die Jäger

Das erste was Abraxas spürte, als sich seine Sinne langsam wieder zu klären begannen, war der stechenden Schmerz in seinem linken Arm. Er fühlte sich an, als wäre er seit Ewigkeiten nicht mehr bewegt wurden und als der Vampir endlich die Augen öffnete und versuchte aufzuspringen, verstand er auch warum.

Der Vampir befand sich in einem kleinen abgedunkelten Raum. Vor dem einzigen Fenster hing ein schwarzer Vorhang, wofür Abraxas sehr dankbar war. Noch immer lag ein leichter Rotschimmer auf seiner Haut, auch wenn sie zunehmend in ihre alte Blässe zurückkehrte. Ansonsten war das Zimmer eher karg eingerichtet. Es gab einen kleinen Schrank, der aber leer zu sein schien einen winzigen Schemel, welcher jedoch außerhalb von Abraxas Reichweite stand und eine harte Holzpritsche, auf der Abraxas wohl bis eben geschlafen hatte. Das zumindest erklärte seine Rückenschmerzen, nicht aber das Problem mit seinem linkem Arm. Das ließ sich aber auch recht einfach klären. Angewidert starrte Abraxas das kleine unscheinbare Ding an, welches ihn kompromisslos an die Steinmauer kettete. Geschickt gemacht, dass musste man dem Hersteller schon lassen. In die Mauer war ein einfacher Metallring durch den sich eine weitere Eisenkette zog, deren Länge man beliebig verändern konnte, so man denn den Schlüssel zum Schloss besass, was am Beispiel Abraxas wohl eher nicht der Fall war. Die Kette mündete in einem weiteren Metallring und dieser schloss sich -wie konnte es auch anders sein - genau um Abraxas' linkes Handgelenk. Das alleine hätte ja schon gereicht um ein vernünftiges Sitzen geschweige den Liegen zu einem Gewaltakt zu machen. Gemeinerweise war der Zentralring aber in einer solchen Höhe angebracht, dass sitzen mit herabhängendem Arm absolut unmöglich war. Jetzt da er auf dem Boden stand, war ihm das nur möglich in dem er seinen Arm waagerecht zum Erdboden ausgestreckt hielt. Wollte er den Arm einfach mal nach unten hängen lassen, hätte er sich schon auf die in die Wand eingebrachte Pritsche stellen müssen. Das einzige auffällige im Raum waren lange und tiefe Kratzspuren, die gewaltige Krallen in den Stein geschlagen haben mussten. Der Vampir erschauderte. Er schien nicht der erste zu sein, der hier festgehalten wurde und er wollte gar nicht wissen was vor ihm diesen Raum bewohnt hatte.

Nachdem sich Abraxas eine ersten Überblick über seine Situation verschafft hatte, kamen auch schon alle möglichen Gedanken zurück. Wo zum Teufel war er hier eigentlich? Das Letzte woran er sich erinnern konnte war, dass er auf einem sonnengeflutetem Feld fast verbrannt wurden war und diese Männer um ihn herum doch vorgehabt hatten ihn wie jeden anderen räudigen Vampir umzubringen. Warum aber lebte er dann noch?

Hinter ihm knarrte plötzlich die Tür und Abraxas drehte sich hastig in die Richtung aus der das Geräusch kam. Sein Handgelenk knackte böse, wegen der schnellen Bewegung und Abraxas kniff eines seiner Augen zusammen, als der Schmerz ihn durchzuckte. Schnell aber blinzelte er wieder um die eintretende Gestalt zu betrachten. Es war der junge Mann, den er bereits im Wald kennen gelernt hatte. Der, der ihm das alles hier erst eingebrockt hatte!

Irgendetwas von Abraxas Gefühlen in diesem Moment musste wohl in seinem Gesicht gestanden haben, denn Ensyis konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, während er nach dem Schemel griff und sich außerhalb der Reichweite Abraxas' hinsetzte.

"Ich sehe schon. Du scheinst dich an mich zu erinnern!",begann er feixend. Seine Augen ruhten mit mildem Spott auf Abraxas. Der schürzte die Lippen. Er würde kein Wort sagen... da konnte sich der Kerl verbiegen wie er wollte.

"Mein Name ist Ensyis. Ich bin ein Dämonenjäger in Ausbildung. Also überlege es dir zweimal ob du mich anfallen willst oder lieber doch nicht. Und dein Name ist?"

Abraxas drehte den Kopf weg. Seinen Namen würde er nicht verraten.

Ensyis wirkte etwas enttäuscht, ließ sich davon aber auch nicht aus der Fassung bringen. "In Ordnung. Dann werde ich dich... Fluffy nennen? Fluffy... ja das könnte mir gefallen! Nicht Fluffy?" Wütend drehte Abraxas seinen Kopf wieder zu Ensyis hin. "Abraxas!", fauchte er ihn an. Dieser lächelte nur. "Das war jetzt das erste Wort, was du gesagt hast, Abraxas. Es wird doch."

Plötzlich hörten die beiden wieder die Tür knarren. Hastig sprang Ensyis von seinem Platz auf, um den Schemel für seinen Meister frei zu machen. In Abraxas begann sich alles zu verkrampfen, während der Krieger eintrat. Dieser trug jetzt nur noch normale Kleidung wie Ensyis auch, die Rüstung hatte er abgelegt. Trotzdem wirkte er für den jungen Vampir furchteinflößend wie eh und je. Mit einem unbestimmbaren Blick musterte der Krieger erst Ensyis, der sich recht unwohl in seiner Haut zu fühlen schien, wand sich dann aber Abraxas zu. Der Vampir konnte förmlich sehen, wie es hinter der Stirn des Mannes arbeitet nur war er sich nicht schlüssig darüber ob diese Arbeit für ihn nun positive oder doch eher negative Auswirkungen haben würde. Schließlich nickte der Mann, als hätte er für sich selbst etwas vereinbart. "Mein Name ist Dylan und ich bin ab heute dein neuer Herr. Du gehörst mir!", begann Dylan seine Rede und Abraxas hatte schon genug gehört.

Er gehörte ihm? Wütend schüttelte Abraxas den Kopf. Er war nicht von der Burg verschwunden und hatte sich von Meantoris losgesagt um sich nun einem anderen unterzuordnen. Rot glühten die Augen auf und blickten Dylan hasserfüllt an.

"Oho, ich sehe schon wie dir gefällt, was dir hier nun dargelegt wurde, kleiner Vampir. Aber bedenke dein Leben liegt in meiner Hand. Es hängt ganz von meiner Stimmung ab wie lange es noch andauern wird." In Dylans Stimme lag ein gehässiger Klang, der Abraxas Zorn aber eher noch anstachelte anstatt ihn zu bändigen. Von so einem Menschen würde er sich nicht beugen lassen. "Ein Leben in Gefangenschaft? Nein danke. Darauf kann ich verzichten. Töte mich ruhig wenn dir danach ist, mir soll es recht sein!",antwortet der Vampir arrogant. Während er sprach lies Abraxas Dylan keinen Moment aus den Augen. Ensyis hatte er schon fast vergessen. Dylan seufzte und sah einen kurzen Augenblick nach unten und dann wieder zu Abraxas. "Junge, du kennst den Unterschied zwischen Leben und Leben noch nicht wie mir scheint. Ensyis, das Fenster."

Fenster? Wieso Fenster? Abraxas Augen weideten sich als er Ensyis dabei beobachtete, wie dieser gemächlich zum Fenster schlenderte und dort den dunklen Vorhang beiseite zog. Sofort hatten sich die Sonnenstrahlen im ganzen Raum verbreitet, es war taghell.

Abraxas kreischte auf, während er sich hastig versuchte vor dem sengenden Licht in Sicherheit zubringen. Aber wieder hielt ihn der Metallring gnadenlos an der Wand gefesselt genau im Einstrahlungsbiet der Sonne. Zitternd presste er sich an die Wand, soweit wie es nur ging von der Sonne weg, aber es war gleich. Sie war überall. Schlagartig war seine gesamte Haut wieder rot angelaufen. Die Verbrennungen schienen diesmal sogar schlimmer zu sein, als noch beim letzten Mal. Wahrscheinlich weil er von der ersten Bekanntschaft mit der Sonne noch vollkommen erschöpft war.

Dylan näherte sich langsam dem zitternden Vampir, der sich auf der Holzpritsche zusammen gekauert hatte. "Schau doch wie du JETZT ausschaust, Vampir. Das ist erbärmlich, weißt du das? Tränen... hat dir niemand beigebracht, dass Tränen ein Privileg der Menschen sind? Ein Ding wie du hat kein Anrecht auf solch ein Geschenk!",schnarrte der Dämonenjäger und packte dann Abraxas am Hinterkopf. Brutal zerrte er ihn an den blauen Haaren herum, dass der Vampir ihm ins Gesicht sehen musste und in das Licht der Sonne. Sein Gesicht war tränenverschleiert, von der Qual gekennzeichnet, die er durch litt aber da war auch noch etwas anderes. Tiefster Hass, begann sich in Abraxas zu materialisieren. Seine dunkle Seite schien ihm zuzuflüstern. "Ich hab es dir ja gesagt, jetzt siehst du was du davon hast. Komm zerreiße, zerfetzte ihn! Mach diesem elendigen Wurm ein Ende!" Und diesmal gab Abraxas der Stimme in ihm Recht.

"Ich werde dich töten!", würgte er hasserfüllt hervor, bevor ihn der Schmerz wieder zusammenzucken ließ.

"Oh ja, das würdest du tun",antworte Dylan vollkommen gleichgültig. "Sobald sich dir die Gelegenheit bieten würde und du vor allem kräftemäßig dazu in der Lage bist, würdest du mich ohne mit der Wimper zu zucken umbringen. Keine Tränen würdest du mir nachweinen, vielmehr würdest du über den alten Narren lachen, der es wagen konnte dich so zu unterschätzen. Und du wirst mein Blut mit deinen Zähnen und Krallen aufsaugen und mein Fleisch wirst du auf dem Feld verteilen, dass die wilden Tieren sich darüber hermachen können. Das denkst du doch, nicht wahr? Ich kenne dich und deinesgleichen gut. Und in deiner ganzen kranken Perversion hast du eines vergessen.",lachte Dylan dunkel. "Bevor es soweit kommt werde ich genau das mit DIR machen, also zähl schon mal deine Tage, kleiner Vampir."

Dylan hatte sich immer mehr über Abraxas gebeugt, der zunehmend nach unten gerutscht war, so weit es die Kette eben zuließ. Fast sanft berührte der Krieger Abraxas unter dem rechten Auge und drückte dann ohne Verwarnung fest zu. Abraxas stöhnte auf. Seine Haut war im Moment extrem empfindlich er wollte auf keinem Fall berührt werden. "Wie du mich anschaust. Deine Augen sie strahlen nur so vor lodernden Hass, ja du willst mich wirklich töten. Ich werde dich lehren mich so anzusehen!"

Brutal knallte er Abraxas Hinterkopf nun an die Steinmauer. Der blaue Haarschopf begann sich rot zu färben. Als nächstes zog Dylan wieder den Dolch, welchen Abraxas bei ihm schon einmal gesehen hatte. Nachdenklich drehte er ihn in seiner Hand hin und her. "Was denkst du? Soll ich sie dir herausschneiden? Deine schönen rotbraun getünchten Augen. Ich werde sie ihn Formalin einlegen und jeden Tag betrachten können. Und du wirst blind, von den Strahlen der Sonne gepeinigt darauf warten müssen, dass dich endlich jemand von deinen immer währenden Qualen erlöst. Na wie wäre das kleiner Vampir?"

Fassungslos starrte Abraxas den glänzenden Stahl der Waffe an. Kaltes Entsetzten begann nach seinem Herzen zu greifen. Dieser Mann meinte es tot ernst. Hinter dem Krieger lehnte Ensyis aufs äußerste konzentriert an der Wand. Seiner Meinung nach ging das alles hier schon viel zu weit, aber er hatte kein Recht einzuschreiten. Der Vampir hatte es ganz alleine in der Hand, was mit ihm geschehen würde. Das schien auch Abraxas einzusehen. Ergeben senkte er schließlich die Augen, was Dylan den Anlass gab, Ensyis die Fenster schließen zu lassen und sich von Abraxas zu entfernen.

"Dein Glück, dass du noch so jung bist. Jeder andere Vampir hätte sich spätestens jetzt auf meinen Hals gestürzt und hätte damit sein Todsurteil unterschrieben. Belassen wir es für heute dabei!" Dylan steckte den Dolch wieder in den Gürtel und drehte sich dann von Abraxas weg um das Zimmer zu verlassen. Im Vorbeigehen raunte er Ensyis noch zu, dass dieser sich um den Vampir kümmern sollte, dann verschwand er endlich hinter der Tür.

Zögernd trat Ensyis einen Schritt auf den jungen Vampir zu, der teilnahmslos nach vorne starrte. Jeder andere Vampir - er war nicht wie die anderen - er war ein Versager auf der ganzen Linie.

Ensyis stand nun unmittelbar in der Nähe Abraxas und betrachtete ihn nachdenklich. Die roten Brandstellen auf der Haut begannen bereits wieder zu verblassen, auch der Blutfluss von Hinterkopf Abraxas' begann bereits allmählich nachzulassen. Abraxas spürte schon kaum noch etwas. Wenigstens das funktionierte bei ihm wie bei jedem anderen Vampir. Derartige Verletzungen waren auf Dauer keine ernsthafte Bedrohung. Das wusste Ensyis eigentlich auch, trotzdem wies er Abraxas an, ihn seinen Hinterkopf untersuchen zu lassen. Der Vampir bedachte den jungen Mann mit einem langen nachdenklichem Blick. Zum ersten Mal nahm er den blonden Jüngling überhaupt richtig war. Er war schön. Die Frauen standen an seinem Haus sicher Schlange um in seine Gunst zu gelangen. Die blonden Haare wellten sich in sanften Locken, die leicht auf die schmalen Schultern des Mannes fielen. Um den schmalen, wohlgeformten Mund herum hatten sich kleine Fältchen gebildet, die wohl vom häufigem Lachen kamen. Abraxas war sich ziemlich sicher, dass er so etwas nicht besass. Und die Augen... Die Augen waren von einem solch markantem Grün, dass sie alles zu durchdringen schienen. Es war das erste Mal, dass jemand Abraxas ansah, ohne dass in desjenigen Augen Abscheu oder Verachtung lagen. Auch war es keine Gleichgültigkeit. Vielmehr lag in diesen Augen so etwas wie mildes Mitleid und kaum verhohlene Neugier und irgendetwas war darin, dass Vertrauen ausstrahlte. Wahrscheinlich waren es diese Augen, die Abraxas schließlich den Kopf senken ließen, so dass Ensyis problemlos an die Verletzung heran konnte. Rasch überprüften die flinken Finger das Ausmaß der Verletzungen. Ensyis nickte und ließ Abraxas dann für einen kurzen Moment alleine um anschließend sofort wieder mit etwas Verbandsmaterial und auch einigen anderen Dingen zurück zukehren. Verstohlen betrachtete Abraxas eine mitgebrachte Nadel, durch die Ensyis begonnen hatte einen Faden aufzufädeln. "Die Wunde am Hinterkopf sollte genäht werden, ich zweifle zwar auch nicht daran, dass es auch ohne verheilt aber so bist in ein paar Stunden das Problem schon wieder los. Also lass mich machen!"

Abraxas hätte am liebsten laut aufgeschrieen, als sich Ensyis an der Verletzung zu schaffen machte. Die Nadelstiche taten weh. Immer wieder spürte Abraxas wie der Faden durch die Haut seines Hinterkopfs hindurch gezogen wurde. Stich um Stich. Zustechen, ziehen, zustechen, ziehen und zum Schluss verknoten. Dann war es auch schon vorbei bevor der Vampir wirklich rasend werden konnte. Hastig hatte sich Ensyis wieder von ihm entfernt. Er schien sich des Spiels mit dem Feuer bewusst zu sein in welches er sich gewagt hatte. Abraxas Augen glühten während er sich wieder dem jungen Mann zuwandte. Langsam begann sich das Zimmer um ihn herum zu drehen. Immer noch hatte er kein Blut zu sich genommen, noch kein einziges Mal, seit er zum Vampir geweiht wurden war. Das konnte nicht gut sein. Wenn er doch nur aufstehen hätte können, wenn er beide Arme zur Verfügung gehabt hätte. Er hätte es wohl darauf ankommen lassen wer der Stärkere von Beiden war. Ensyis oder er.

Soweit kam es aber nicht. Ensyis kam den durstigen Vampir zuvor, in dem er ihm einen Krug in die freie rechte hand drückte. Verwirrt betrachtete Abraxas die dunkle, rote Flüssigkeit, die sich darin befand. Sie roch so verlockend. Der Vampir in ihm hätte es nicht sehen müssen um zu wissen worum es sich handelte. Trotzdem machte Abraxas immer noch keine Anstalten zu trinken. Seine andere Hälfte hätte ihm dafür am liebsten ein paar saftige Ohrfeigen verpasst. Schließlich stellte Abraxas den Krug sogar weg. Ensyis schien es nicht fassen können.

"Hey! Was soll das?", schimpfte er:"Das ist gesundes Schweineblut! Ist dir das etwa nicht gut genug, verwöhntes Ding? Glaubst du etwa du bekommst hier Menschenblut, wenn du nur lange genug ausharrst?" Fassungslos schüttelte Ensyis den Kopf. "Es bringt dir überhaupt nichts hier wählerisch zu sein! Nimm gefälligst was du kriegst!"

Wütend wirbelte Abraxas seinen kopf zu Ensyis herum. Die roten Augen schienen ihn fressen zu wollen. "Narr! Könntest du einfach so Blut trinken?" Irritiert schüttelte Ensyis den Kopf. "Nein, natürlich nicht. Ich glaube ich würde mich übergeben, wenn ich gezwungen wäre Blut zu trinken. Aber ich bin ja auch kein Vampir!"

Abraxas lachte höhnisch, während sich seine Augen immer stärker zu glühen begannen. "Ach? Und nur weil ich einer bin muss es mir also leichter fallen? Schön wärs !", wütend drehte er den Kopf von Ensyis weg. Was erwartete er auch? Etwa Verständnis?

Ensyis schien nun endlich begriffen zu haben. Stirnrunzelnd griff er wieder nach dem Schemel und zog ihn unter seine Beine. "Wie alt bist du?", fragte er.

"Vierundzwanzig", knurrte Abraxas böse zurück.

"Das meine ich nicht. Wie alt bist du als Vampir? Wann hast du deine Weihe empfangen?", fragte Ensyis geduldig. Er ließ sich von diesem störrischem Wesen weder verunsichern noch aus der Ruhe bringen. Ruhig begegnete er Abraxas' Blick als dieser wieder den Kopf hob und ihn ansah. Es verging einige Zeit bis Abraxas endlich antwortete. Ensyis Frage hatte schlechte Erinnerungen geweckt. "Das ist keine Woche her", antwortete er leise. "Und warum, hast du die deine Gruppe verlassen? Das ist doch nicht üblich in dem Alter!" Jetzt hatte sich Ensyis zu weit nach vorne getraut. Er erkannte es sofort an Abraxas Blick. Der Vampir würde nicht mehr antworten. "In Ordnung. Hör zu. Ich nehme mal an, dein Arm dreht mittlerweile fast durch vor Schmerz. Deine Augen verraten mir, dass ich wohl Recht haben muss. Ich würde die kette lockern, damit du den Arm runter nehmen kannst, aber vorher musst du leider das Blut trinken. Sonst ist mir das zu gefährlich dir mehr Bewegungsfreiheit zu geben."

Resignierend wanderten Abraxas Augen wieder zu den Blutgefäß. Früher oder später musste er es ja sowieso trinken... und wenn er so gleich diese lästige Halterung loswerden würde? Es kostete ihm allerhand Überwindung noch einmal nach dem Krug zu greifen und erst recht, diesen dann auch an seine Lippen zu setzten. Abraxas Hände zitterten leicht, das gab sich aber schlagartig, als der erste Tropfen des köstlichen Getränks seinen Mund berührte. Der Vampir in ihm bäumte sich auf und drängte Abraxas Verstand mühelos in die hinterste Ecke seines Geistes zurück. Gierig sog er jeden einzelnen Tropfen in sich auf und ließ nicht den kleinsten Rest zurück. Ein mörderischer Glanz hatte sich in seine Augen geschlichen, während er nun Ensyis anstarrte. Durst... er hatte immer noch Durst und er wollte nicht nur so widerliches Schweineblut. Nein er wollte das Blut eines Menschen. Und es war so nah... Abraxas sah die pulsierende Halsschlagader Ensyis'. Er schien Angst vor ihm zu haben, ein entsetzter Ausdruck lag in seinem Gesicht. Abraxas machte einen Schritt nach vorne, während Ensyis gleichermassen einen Schritt zurücksetzte. Und noch ein schritt, er kam dem Menschen immer näher. Oh wie sein herz schlug. Die feinen Ohren hörten es bis hierher. Es war eine himmlische Melodie der angst. Ba-bumm. Ba-bumm. Und immer schneller und schneller. Dann konnte der Vampir plötzlich nicht mehr weiter. Knurrend wand er den Kopf zurück um sehen wo das Problem lag. Immer noch hielt ihn der Metallring an die wandgefesselt. Das sollte sich gleich ändern. Böse grinsend bewegte der Vampir ruckartig den linken Arm und brach so den Metallring mühelos aus der Wand heraus. Zwar war die Kette immer noch an seinem Handgelenk, aber die war ja nun lang genug. Ensyis keuchte erschrocken auf. Das konnte doch nicht wahr sein. Dieser Blick mit dem er angestarrt wurde. Voller gier und Mordlust, das war doch nicht derselbe Abraxas mit dem er sich eben noch unterhalten hatte. Nein er war es nicht. Der Echte war tief in die Ebenen seines Geistes verdrängt wurden, jetzt regierte der Instinkt und der würde sich jeden Moment auf den jungen Mann stürzen. Wie eine Raubkatze schlich Abraxas immer näher auf Ensyis zu. Der war es nun, der sich immer mehr gegen die Wand drücken musste. Der Vampir stand genau zwischen ihm und der Tür. Die Tür... die Tür öffnete sich! Sein Meister musste die Geräusche aus dem Nebenzimmer gehört haben! Irgendwo musste der Vampir wohl etwas in Ensyis Augen gelesen haben, möglicherweise einfach eine Reflektion des Geschehens. Ohne überhaupt Nachzudenken wirbelte der Vampir herum drehte sich zu dem eintretenden Hin und schleuderte den arm nach vorne. Zielsicher würden seine Krallen ihren Weg zum Herzen des Jägers finden. Sie würden es aus seiner Brust herausreißen und ihn zwingen sein eigen Fleisch zu essen bevor es ihm vergönnt wurden wäre zu sterben.

Bei jedem anderen hätte es wohl auch funktioniert, so schnell, wie sich der Vampir bewegte. Aber Dylan reagierte ungleich schneller. Geistesgegenwärtig griff er sofort nach den hervorschnellenden Arm und nutzte den eigenen Schwung des Vampirs um ihn zu Boden zu werfen. Ein hässliches Knacken durchdrang den Raum, als Abraxas Arm brach. Aber er fand nicht einmal Zeit zu schreien, da fegte ihn ein Tritt Dylans schon quer durch den Raum. Wo nahm dieser Mensch nur diese Kraft her? Es knackte laut, als Abraxas mit dem Rücken gegen die Wand des Zimmers knallte. Vor seinen Augen tanzten rote Funken und er schmeckte Blut, aber diesmal sein eigenes. Schon war Dylan wieder über dem Vampir. Er hatte ein Messer gezückt und schien diesmal war machen zu wollen, was er dem Vampir bereits bei ihrem ersten Zusammentreffen angedroht hatte. Bevor er das Messer aber herabsenken konnte um sein grausiges werk zu beginnen wurde Dylans Arm von Ensyis festgehalten. Dieser schüttelte den Kopf: "Herr, das ist nicht notwendig. Er ist doch wieder er selbst.",meinte er beherrscht um seinen Meister zu beruhigen. Erst als sich Ensyis sicher sein konnte, dass Dylan sich nicht wieder auf den am Boden liegenden Vampir stürzen würde, ließ er los. Abraxas hatte sich auch leicht wieder aufgerichtet und hielt sich nun wimmernd den gebrochenen Arm. Nein das war nicht mehr das blutrünstige Monster von eben. In diesen Augen lag nur noch Angst.

Ensyis

"Zum Teufel halt doch jetzt bitte endlich mal still!", herrschte Ensyis Abraxas laut an. Um die Nerven des jungen Mannes schien es zum heutigen Tage nicht allzu gut zu stehen. Genauso wenig war der Vampir sonderlich ausgeglichen. Ihm schien es eine fast abgöttische Freude zu machen, Ensyis hoffnungslose Versuche seinen rechten Arm zu untersuchen zu vereiteln. "Glaub es mir doch endlich! Das ist alles wieder in Ordnung. Du brauchst nicht mehr an mir rumhantieren!" Frustriert schüttelte Ensyis den Kopf. "Ein dreifacher Bruch, mehrere Quetschungen und daraus resultierende Schwellungen. Du kannst mir nicht erzählen, dass das alles nach zwei Wochen nur, schon wieder in Ordnung sein soll!"

Abraxas senkte den Kopf und sah Ensyis, der vor ihm hockte, nun so genau ernst ins Gesicht. Seine Augen hatten sich in den vergangen zwei Wochen fast gänzlich umgefärbt, von dem ursprünglichem Braun, welches schon fast ins Gelb gegangen war, war fast gar nichts mehr zu sehen. Auch waren seine Ohren zunehmend spitzer geworden. Bald schon würde er sich äußerlich von keinem anderen Vampir mehr unterscheiden. "Doch! Nach zwei Wochen sind solche Verletzungen schon wieder verschwunden. Genauso wie die vielen Schrammen, blauen Flecke und offenen Wunden, die mir Dylan zugefügt hat. Das ist alles wieder weg! Ich sehe aus wie am ersten Tag! Bereit wieder aufs Neue durch irgendeine grausame Art maletriert zu werden. Schade, dass das mit der Sonne nicht mehr so gut funktioniert!" Wütend riss der Vampir seinen Arm zurück. Er hatte es satt hier zu bleiben. Eingesperrt in diesem engem Zimmer, wo ihm die Decke bereits auf den Kopf fiel. Der Umstand, dass er sich im Raum wenigstens frei bewegen konnte beruhigte ihn schon lange nicht mehr. Ha! Das wäre auch nicht möglich gewesen wenn er nicht selbst die Verankerung, die seine Kette hielt unreparabel aus der Wand gerissen hätte. Aber was brachte es ihm schon, das enge Zimmer in zwei langen Schritten durchmessen zu könne, bzw. in dreieinhalb wenn er kleinere Schritte machte. In der Breite hatte er gerade so eine Arm-Spanweite. Ja das hatte er alles ausgemessen. Schließlich hatte er ja genug Zeit gehabt und eine andere Beschäftigung gab es hier nur selten. Anfangs hatte es wenigstens noch ein paar Probleme bei der täglichen Blutzufuhr gegeben -so im Nachhinein eigentlich eine erfreuliche Abwechslung vom tristen Dahinvegetieren - aber auch die hatten sich gelegt. Das Ungetüm in ihm schien in dieselbe frustrierte Resignation gefallen zu sein, wie Abraxas selbst.

Einzig Dylan war es gewesen, der Abraxas ab und zu aus seinem stumpfsinnigen Sein gerissen hatten, auch wenn dessen Besuche niemals auch nur annähernd erfreulichen Ursprungs waren. Ensyis hatte ihm erzählt, dass Dylan unter Fachkreisen des Jägerzirkels auch der Leichenfledderer genannt wurde. Der Vampir hatte mittlerweile eine ziemlich genaue Vorstellung davon warum dem so war. Anscheinend schien der Jäger nämlich keinen Unterschied zwischen Toten und Untoten zu machen und das hatte für Abraxas schwerwiegende Folgen gehabt. Im Nachhinein war es eigentlich fast ein Wunder, dass Dylan dem Vampir nicht einen irreparablen Schaden, wie zum Beispiel eine abgetrennte Hand oder ein ausgestochenes Auge zugefügt hatte, sondern es "nur" dabei belassen hatte ihm den Bauch aufzuschlitzen, ihn halb verbluten zu lassen oder auch verschiedenste Tinkturen zur Dämonenbekämpfung am "lebenden" Objekt auszuprobieren. Die durchstoßenen Handflächen, an denen geprüft werden sollte wie lange Abraxas' Regenerationskräfte brauchten um solche Verletzungen auch unter Säureeinfluss zu heilen, waren da noch eher die kleineren Übel gewesen. Sicher hätte ihn Dylan irgendwann sogar umgebracht wenn nicht jedesmal Ensyis gewesen wäre. Der junge Mann verstand es immer wieder seinen Meister von größeren Gräueltaten abzuhalten und Abraxas aus seinen Depressionen zu reißen. Irgendwie war er sogar zu so etwas wie Abraxas Freund geworden, auch wenn der Vampir beim besten Willen nicht verstand, wie so eine warmherzige Seele ausgerechnet den Beruf eines Dämonenjägers gewählt hatte.

Auch jetzt war es wieder Ensyis der den jungen Vampir aus seinen Gedanken riss. Er schien Abraxas schon mehrmals versucht zu haben anzusprechen aber der hatte einfach nicht reagiert. "Meine Güte. Du bist heute echt vollkommen neben der Spur. Hat dir Dylan irgend ein Nervengift verpasst von dem ich nichts weiß? Langsam kommt es mir so vor." Überrascht hob Abraxas den Kopf und sah Ensyis verständnislos an. "Wie? Was hast du gesagt?" Der Dämonenjäger in Ausbildung verdrehte die Augen und seufzte. Lächelnd schüttelte er den Kopf. "Lassen wir es für heute. Ich werde später noch mal wieder kommen, wenn du dann wieder in der Lage bist, meinen Worten zu folgen." Der Vampir verfolgte ein bisschen enttäuscht wie Ensyis sich wieder aufrichtete und ruhig auf die Tür zu ging, dann aber konnte er sich eine bissige Antwort doch nicht verkneifen:"Klar! Komm ruhig wieder vorbei. Ich werde ja nicht weg sein. Ich hab hier so ein schönes Zimmer." Ensyis blieb stehen und zögerte einen Moment bevor er sich wieder zu Abraxas drehte. Als er nun wieder sprach merkte man es ihm schon leicht an, wie schwer es dem Jäger fallen musste sich zu beherrschen, denn es schwang ein gereizter Unterton in seiner Stimme mit: "Ich kann es leider nicht ändern, Abraxas."

"Natürlich. Und wenn du es könntest würdest du sicher liebend gerne mit mir tauschen, nicht wahr? Du bist doch so eine gute Seele, Ensyis", lachte Abraxas höhnisch. Ihm war es egal wie unfair er sich im Moment Ensyis gegenüber verhielt. Was interessierte es den Vampir ob er den Jäger verletzte? Schließlich war es ja nun nicht gerade so, dass er hier mit Samthandschuhen angefasst wurde.

Ensyis Mund war zu einem schmalen Strich geworden, als er sich wortlos wieder von dem Vampir wegdrehte. Seine Augen waren eiskalt als er das Zimmer verlies und die Tür, wie immer sorgfältig hinter sich verschloss. Dann entfernte er sich hastig vom Zimmer Abraxas' und ging in das Alchemielabor seines Meisters. Dylan schien ihn bereits erwartet zu haben. "Nun Ensyis? Hast du deine tägliche Sitzung mit dem Vampir beendet? Weißt du, es beunruhigt mich etwas, dass du so viel Zeit mit ihm verbringst." "Er heißt Abraxas", gab Ensyis giftig zur Auskunft. Was bildete sich dieser kleine Vampir eigentlich ein? Wenn er nicht gewesen wäre, wäre dieses Geschöpf der Nacht schon lange nicht mehr am Leben. Dylan hätte ihn in seinem Tatendrang versehentlich vernichtet und hätte es vielleicht noch nicht einmal mitbekommen. Erst wenn es zu spät gewesen wäre.

Das Reagenzglas klirrte laut, als sich seine Bruchstücke auf dem bereits öfter angesengten Arbeitsboden des Labors verteilten und die grünen Spritzer, der eben noch darin enthaltenen Flüssigkeit, kleine Löcher in den Boden ätzten. "Ensyis! Pass doch auf!", herrschte ihn Dylan an, während der junge Mann hastig versuchte die Bescherung zu beseitigen. Doch seine Mühen waren vergeblich. Die Säure brannte auch Löcher in das Tuch, mit dem er versuchte den Schaden zu bereinigen. "Hast du denn gar nichts bei mir gelernt?", polterte Dylan los, als er bemerkte wie dämlich sich sein Schüler anstellte und bevor es Ensyis überhaupt richtig registrierte fühlte er sich schon am Schlafittchen gepackt und kurzerhand aus dem Labor hinaus bugsiert. "Geh, wasch dir die Hände und bring erst mal Ordnung in deine Gedanken! So unkonzentriert kann ich dich nicht gebrauchen", blaffte Dylan Ensyis an und schlug ihm dann die Tür vor der Nase zu. Ensyis stand nun vor der verschlossenen Tür und konnte es nicht fassen. Während er sich fast wie ein Schlafwandler in Richtung Wasserbecken aufmachte, welches außerhalb des kleinen Blockhauses stand ging er in Gedanken nochmal die Situation durch. Abraxas Beleidigungen schienen ihn mehr mitgenommen zu haben, als er anfangs vermutet hatte. Dass Abraxas, das was er gesagt hatte eigentlich nicht wirklich ernst gemeint hatte, wusste Ensyis. So gut kannte er den Vampir nun doch schon. Aber warum nagte seine Worte dann so an seinem Stolz?

Resignierend fand Ensyis letzendlich die Antwort, während er seine Hände in den Wassertrog hielt. Kleine Spritzer der Säure waren auch auf seiner Haut gelandet und hatten dort schmerzhafte rote Flecken verursacht. Was war das eigentlich für ein Zeug? Nicht, dass es am Ende noch mit Wasser reagierte und Ensyis alles noch viel schlimmer machte. Nicht einmal das wusste er, so unkonzentriert war er bei der Arbeit gewesen. Der sanfte Schmerz in seinen Handflächen war es aber letztendlich, der Ensyis die Antwort finden ließ. Es war nicht die Tatsache, dass es Abraxas darauf angelegt hatte ihn zu verletzen. Nein es lag daran, dass der Vampir recht gehabt hatte. Um keinen Preis der Welt hätte er mit ihm tauschen wollen. Selbst all das ertragen müssen, was Abraxas auszustehen hatte. Niemals. Aber auch sonst tat er in Wirklichkeit gar nichts um dem Vampir zu helfen. Das war ja auch richtig so. Er war ein Jäger, der sich auf Dämonen spezialisiert hatte und der Vampir war nun einmal ein Dämon. Ensyis war immer davon ausgegangen, dass er grundsätzlich auf der Seite der Guten stand und alles was sich Dämon schimpfte von Geburt an schlecht und verdorben war. Dieses Weltbild hatte Abraxas aber gründlich auf den Kopf gestellt. Dieses Wesen war kein Vampir im herkömmlichen Sinne. Sicher auch in ihm war dieses dunkle, böse Etwas, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte alles was auf Erden lebte zu verschlingen und zu zerstören, aber das war ja nicht alles was diesen Vampir ausmachte. Um ehrlich zu sein, war es ja sogar der kleinste Teil der Persönlichkeit Abraxas'. Da war noch so viel anderes an ihm. So viel Leid und Schmerz. Viel zu viel, als dass es ein Wesen alleine überhaupt fassen konnte ohne verrückt zu werden. Ensyis konnte sich noch gut an einen Satz erinnern, den Abraxas irgendwann vor lauter Verzweiflung hervor gewürgt hatte. Das war das Experiment mit den glühenden Nägeln gewesen. Abraxas hatte Dyland heulend vor lauter Schmerz angefleht doch endlich aufzuhören, aber Dylan hatte ihm nur einen Vortrag darüber gehalten wie unverschämt er sich doch verhielt, dass er es wagte zu weinen und vor allem Dylan um Gnade zu bitten. Er solle sich doch gefälligst wie ein echter Dämon verhalten und den Schmerz in dem sonst so vernichtenden Stolz dieser Rasse ertragen. Dylans Ausführungen waren noch weiter gegangen während er Abraxas Nagel um Nagel in den zerschundenen Körper hineintrieb. Irgendwann hatte der Vampir nur noch apathisch in seinem Zimmer gelegen und stumpf vor sich hingestarrt, als Dylan sein grausames Spiel endlich beendet hatte und Ensyis sich um ihn kümmern durfte. Abraxas war schon mehr tot als lebendig gewesen als er Ensyis damals vollkommen verwirrt und verständnislos einen Satz hin gestammelt hatte, der sich seitdem fest in den Geist Ensyis' gebrannt hatte.

"Ich bin doch auch einmal ein Mensch gewesen."

Dieser eine Satz wollte seitdem nicht mehr aus seinem Kopf heraus. Wie recht Abraxas doch hatte. Bei einem Menschen hätte es sich Dylan niemals gewagt derartige Ungeheuerlichkeiten zu vollbringen. Aber rechtfertigte es seine Rasse, dass man mit dem Vampir machen konnte was man wollte? Und warum sollten ihm von einem Tag auf dem anderen alle menschlichen Eigenschaften aberkannt werden? Gab es nicht auch gute wie böse Menschen? Vielleicht gab es ja auch böse und gute Dämonen. Vielleicht war Abraxas ja auch der einzige, aber definitiv war er! Ruhig erhob sich Ensyis wieder und starrte in Richtung des Hauseinganges. Er wollte es wissen. Er wollte wissen warum Abraxas so anders war. Vielleicht lag es ja wirklich nur an seiner Jugend, aber vielleicht war es auch etwas vollkommen anderes, was noch niemand vermutet hatte. Egal welche Ursache, das Verhalten Abraxas hatte. Ensyis wollte es in jedem Fall wissen. Doch wie sollte es ihm gelingen? Niemals würde Abraxas sein Geheimnis verraten, schon gar nicht jetzt wo er von Tag zu Tag unruhiger und aggressiver wurde. Verübeln konnte es ihm niemand. Dieses enge Zimmer musste einem auf Dauer auf den Geist schlagen, das war ja nur natürlich. Und wenn er ihn...

Nachdenklich sah Ensyis zu dem kleinen Waldstück hinüber, das an die Blockhütte angrenzte. Die beiden Jäger wohnten etwas außerhalb des kleinen Dörfchens, welches sich zu seinen Füßen in einem kleinen Tal befand. Von den Bauern würde also gar niemand mitbekommen, wenn der Vampir sich auch einmal außerhalb des Hauses aufhielt. Hastig drehte sich Ensyis um und stürzte wieder in die Alchemistenküche seines Meister. Er musste mit ihm reden.

Keine halbe Stunde später war Ensyis auch schon wieder in Abraxas Zimmer und grinste den Vampir breit an. Der schien das strahlende Gesicht nicht unbedingt als etwas Gutes zu deuten und rutschte sogleich etwas weiter auf seiner Pritsche nach hinten. Bevor er aber überhaupt richtig verstand was passierte hatte ihm Ensyis auch schon die Kette abgenommen und nach oben gezogen. Verunsichert rieb sich Abraxas das nun befreite Handgelenk und starrte Ensyis verwundert an. "Was soll das?",fragte er verwundert.

Ensyis antwortete ihm, als wäre das was er eben getan hätte das normalste auf dieser Welt:"Wir gehen Fischen fangen und ich glaube nicht, dass diese Kette da sonderlich hilfreich wäre. Habe ich recht?" Abraxas Blick mit dem er Ensyis bedachte war äußerst perplex als er langsam die zwei seines Erachtens nach merkwürdigesten Wörter, die Ensyis gesagt hatte langsam wieder holte. "Fische? Fangen?"

"Klar! Wenn du natürlich nicht mit willst. Kein Problem dann mache ich die Kette wieder dran und gehe eben alleine",sagte Ensyis schulterzuckend und griff schon wieder nach Abarxas Handgelenk. Der aber riss ruckartig seine Arme nach oben und versuchte Ensyis zu stoppen. "Halt warte, Ich..." "Ja?" "Ich möchte schon mit", sagte er leise und senkte den Kopf. Ensyis lächelte. "Na dann komm. Aber ich warne dich. Ich bin vorbereitet wenn du es wagen solltest mich anzugreifen oder zu fliehen. Lass es lieber.", meinte Ensyis ernst und öffnete dann die Tür. Dylan hatte Ensyis' Vorschlag tatsächlich zugestimmt. Der junge Mann war selbst überrascht gewesen wie wenig Überzeugungsarbeit er doch hatte leisten müssen. Waren seine und Dylans Meinung über Abraxas am Ende gar nicht so verschieden? Allerdings hatte es der Jäger es nicht unterlassen können seinem Schüler noch ein kleines magisches Artefakt in die Hand gedrückt, damit dieser den Vampir notfalls außer Gefecht setzten konnte. Ensyis hoffte inständig, dass er nicht gezwungen werde würde dieses Ding tatsächlich zu benutzen. Zielsicher steuerte Ensyis eines der anderen Zimmer im Haus an. Abraxas folgte ihm zögernd. Es war das erste Mal seit zwei Wochen, dass es er etwas anderes sah, als das kleine enge Zimmer in dem er eingesperrt war. Auch wenn man es ihm äußerlich nicht ansah, strahlte der Vampir innerlich vor Freude. Endlich konnte er mal wieder raus. Abraxas entwich ein erschrockener lau, als er von Ensyis auf einmal ein Hemd an den Kopf geworfen bekam. "Zieh das an! Du bist zwar nicht mehr so empfindlich auf Sonnenstrahlen, aber es wäre glaube ich doch besser wenn du nicht gerade mit nacktem Oberkörper ins Helle gehst." Nachdenklich zog sich Abraxas das Hemd vom Kopf, sah es kurz an und zog es sich dann über. "Schaut gut aus. Habe ich doch gewusst, dass wir etwa die selben Größen haben."

"Mhmm",antwortete Abraxas wortkarg. Irgendwie wusste er noch nicht wirklich was er von der neuen Situation nun halten sollte und gab sich deswegen wie gewohnt eher schüchtern. Neugierig sah er sich nun in dem neuen Zimmer um. Es war kaum größer als das seine, aber wesentlich vielfältiger eingerichtet. Obwohl eingerichtet eher das falsche Wort war. Es wirkte vielmehr so als hätte der Bewohner dieses Zimmers im laufe der Zeit allerhand Kram angesammelt und wahllos im Zimmer verteilt. Da wo eben Platz war. Der Vampir konnte sich gut vorstellen, dass es in letzter Zeit wohl etwas komplizierter geworden war noch irgendwo Platz zu finden. Da hingen seltsame Waffen an den Wänden, neben fremdländisch anmutenden Fächern und Tüchern. Eine kleine Steinfigur, welche sich auf dem mit Plänen, Zettel Büchern und ähnliche zugestellten Tisch befand, zog Abraxas Aufmerksamkeit fast magisch auf sich. Dabei war an dem Abbild der jungen Frau mit dem bis zum Boden reichenden Haar noch nicht einmal etwas besonderes. Die zierliche Figur hatte die Augen zu Boden gesenkt und kniete vor einem imaginären Gegenüber. Ihr Körper war in wallenden Stoffe gehüllt und unteren ihre Augen waren dunkle Striche angedeutet als weinte sie blutige Tränen. Wer auch immer diese Figur geschaffen hatte musste ein wahrer Künstler gewesen sein, aber...

"Faszinierend, nicht wahr?" Ensyis war leise an den Vampir herangetreten ohne, dass es der Vampir wahrgenommen hatte. "Das ist Lilith. Sie gilt als Mutter aller Dämonen und erste Hexe der Menschheit. Kein Wunder, war sie doch die erste Frau Adams. Wusstest du das? Die erste Frau, aus dem gleichen Stoff geschaffen wie er selbst und so nicht bereit sich ihm zu unterwerfen. Man bezeichnet sie auch als Königin der Nacht." Das was Ensyis ihm erzählte war für den Vampir nicht neu. Er hatte ihren Namen nicht gewusst und doch kannte er sie, wusste wer sie war und er wusste, dass... "Es ist falsch!" "Wie? Was meinst du?", fragte Ensyis verwundert. Er konnte sich keinen Reim auf Abraxas Worte machen. "Es ist falsch... ihr Abbild. Sie hätte nie - Nie hätte sie sich so unterwürfig gezeigt. Vor wem auch immer. Ihre Augen. Sie hätte sie nicht so niedergeschlagen und Tränen? Um wen sollte diese Frau weinen? Nein. Ihre Augen waren immer voller Stolz und Hohn. Und Verachtung für die, die sie nicht verstanden und akzeptierten." Abraxas schüttelte den Kopf. Diese Figur zeigte ihre Gestalt aber nicht das Wesen ihrer Seele. Das war nicht Lilith. Es war nicht einmal eine schlechte Kopie. Es war nur eine Steinfigur eines romantischen Künstlers. "Woher willst du das wissen?", fragte Ensyis alarmiert. Konnte es sein, dass Abraxas Dinge wusste, von denen die beiden Jäger bis jetzt noch nicht einmal etwas geahnt hatten? "Woher weißt du das?", wiederholte er nun noch einmal etwas heftiger. Verwundert drehte sich Abraxas wieder zu Ensyis und zuckte mit den Schultern. Er verstand die plötzliche Aufregung nicht. "Ich weiß es eben. Das sieht man doch..." Ensyis kniff die Augen zusammen und fixierte Abraxas noch einen Moment lang, dann ließ er von ihm ab. Der Vampir schien wirklich nichts weiter zu wissen. "Komm gehen wir. Ich sehe im Dunkeln leider nicht so gut wie du und dann dürfte es uns schwer fallen noch ein paar Fische zu erwischen."

Seele

In der Regel erreichte man das kleine Waldstück hinter dem Blockhaus in weniger als einer Viertelstunde. Der flache See im Mittelpunkt der dicht aneinander gereihten Bäume lag höchsten zehn Minuten vom Waldeingang entfernt. Trotzdem brauchten die beiden Männer ungleich länger um die glitzernde Wasserfläche endlich zu erreichen. Abraxas trödelte wo er nur konnte und Ensyis lies ihn gewähren. Sie hatten es nicht eilig. Der Jäger trug einen Eimer in der Hand in den er später die gefangen Fische für Dylans und sein Abendbrot tun wollte. Abraxas strahlte schon die ganze Zeit wie ein kleines Kind, wie er das vermisst hatte, das grün der Bäume. Das Rascheln der Blätter wenn der Wind durch sie hindurch streifte. Auch die Sonne hatte ihre feurige Gefahr verloren. Sicher es brannte immer noch, aber nicht mehr in dem Maße, wie noch ganz am Anfang. Das Licht lies sich aushalten auch wenn es ein unangenehmes Gefühl blieb.

Endlich standen die beiden auf der kleinen Lichtung in deren Mitte sich ein wunderschöner Kristallsee erstreckte. Die Wasseroberfläche funkelte als wäre sie aus flüssigem Metall. Sicher tanzten Elfen des Nachts über die glitzerende Oberfläche und sangen ihr freudiges Lied der Natur. Ensyis schien von dem wunderschönen Naturstück, dass sich ihnen hier bot bei weitem nicht so begeistert zu sein wie der Vampir. Kein Wunder, war er doch schon oft zuvor an diesem Ort gewesen. Gewohnheitsmäßig krempelte er sich die Hose nach oben und zog Schuhe und Strümpfe aus, dann watete er auch schon in das Wasser hinein und zerbrach so das Spiegelbild, welches Abraxas eben noch betrachtete hatte. Das war nur gut so.

Der Vampir schien von seinem eigenem Spiegelbild nicht allzu angetan zu sein. Zwar waren alle äußerlichen Verletzungen verheilt so waren die letzten Wochen doch nicht spurlos an ihm vorüber gezogen. Die Augen waren tief in ihre Höhlen gefallen und dunkle Augenringe hatte sich gebildet. Vom einstigen Glanz der blauen Haare war nichts mehr geblieben, sie hingen nur noch stumpf hinab und schienen sich sogar weigern zu wollen doch wenigstens etwas im leichten Wind des Waldes zu wehen. Selbst für einen Vampir war Abraxas unnatürlich blass, einzig die Lippen waren roter denn je.

Und dann war sie wieder da. Diese kleine böse Stimme in ihm drin, die ihm immer wieder zuflüsterte. So lange war sie verschwunden gewesen, aber jetzt... "Siehst du nun was sie mit dir angestellt haben? Du siehst fast schon aus wie ein..." Erschrocken schüttelte Abraxas den Kopf. Die Stimme in ihm sollte es nicht aussprechen. Das was er selbst schon so lange wusste, seit Dylan seine perversen Experimente begonnen hatte. Nein er würde sich nicht verlieren. Er war ein Vampir! Wenigstens das durfte ihm keiner nehmen. Ensyis hatte verwundert den Kopf gehoben, als Abraxas sich auf einmal begonnen hatte sich so eigenartig zu verhalten. "Was ist los?" Verängstigt hob Abraxas den Kopf und sah Ensyis genau in die Augen. "Nichts!" Viel zu schnell und zu hastig um echt zu wirken. Selbst wenn Ensyis diese Antwort überhört hätte, reichte schon ein einziger Blick auf den Vampir um zu zeigen das etwas nicht stimmte. Abraxas stand ganz unnatürlich gespannt am Rande des Sees und starrte angstvoll auf die sich langsam wieder klärende Wasseroberfläche. Es schien beinahe so als fürchtete er sich vor dem was er da sah. Skeptisch neigte Ensyis den Kopf und watete dann wieder auf das Ufer und Abraxas zu. Seine Bewegungen warfen wellen und ließen Abraxas' Spiegelbild wieder verschwimmen. Endlich konnte der Vampir seinen Blick davon abwenden und wich hastig zurück. Ensyis hatte nun endlich das Ufer erreicht und sich neben Abraxas gestellt. Beruhigend legte er ihm eine Hand auf die Schulter. "Abraxas, was ist denn los?", fragte er besorgt. Erschrocken wand Abraxas den Kopf zu Ensyis und dann wieder zu der spiegelnden Wasserfläche auf der sich langsam wieder das sein Abbild zeigte. Hastig schüttelte er den Kopf. "Ich will nicht...", flüsterte er. "Was willst du nicht?", fragte Ensyis nun schon etwas drängender. Abraxas Verhalten besorgte ihn wirklich außerordentlich. Abraxas Blick hatte sich verschlossen. Die Augen zitterten leicht und Ensyis riss der Geduldsfaden. Grob packte er den Vampir bei den Schultern und zwang Abraxas ihm ins Gesicht zu sehen. Erschrocken riss der Vampir in einer Abwehrreaktion die Hände nach oben und versuchte sich loszureißen, aber Ensyis hielt ihn unerbittlich fest. Wieder einmal bewies die schlanke Gestalt, dass sein Äußeres nicht unbedingt zu seinen Fähigkeiten passen musste. Trotzdem lockerte er etwas den Griff und sah Abraxas ruhig in die Augen. "Abraxas... Sag mir was los ist. Ich will dir helfen, verstehst du nicht? Aber das geht nicht, wenn du nicht mit mir sprichst." Die Bewegung kam zu schnell, als dass sie Ensyis hätte voraussehen können, schon sah er wie sich Abraxas nun auf ihn stürzen würde, jetzt da er wehrlos am Boden lag. Aber nichts dergleichen geschah. Abraxas hatte sich nur ein Stück von Ensyis entfernt und hockte nun unruhig auf dem Boden. Ruhig um ihn nicht zu erschrecken stand Ensyis auf, ließ ihm diesmal aber etwas Abstand. Seine Stimme war fast flehend, als er noch einmal seine Frage wiederholte. Und endlich reagierte der Vampir. Müde hob Abraxas den Kopf und sah Ensyis an. Seine Augen hatten jeden Glanz verloren nur noch ein dumpfer Schmerz lag darin. "Ich werde zum Goul", flüsterte er betrübt. Und jetzt endlich verstand der Jäger. Langsam näherte er sich Abraxas und hockte sich schließlich neben den schon wieder geradeaus starrenden Vampir. "Nein... das wird nicht passieren", begann er vorsichtig. "Ach wird es nicht? Was weißt du denn schon?!", fuhr Abraxas ihn heftig an. Was wusste der Jäger schon von dem was er fühlte? Diese Leere, die sich klammheimlich in seinem Herzen ausgebreitet hatte. Dieses stumpfe Sein. Abraxas stand kurz davor ihn zu verlieren, seinen eigenen Willen und mit ihm den Verstand. Was war das eigentlich? Ein Goul? Seelenlose und Willenlose Vampire, die ohne Sinn und Verstand dahinvegetierten und nur noch von ihrer Gier getrieben wurden. Wo war der Unterschied zu dem was er jetzt war oder zu den anderen Vampiren? Sie wussten wenigstens noch was sie wollten. Vampire waren von ihrem Instinkt getrieben... aber trotzdem waren sie immer noch bessere Tiere. Sie hatten Verstand, waren listig und durchtrieben und böse. Aber ein Goul? Der hatte gar keine Persönlichkeit mehr. Er war nur noch ein Untoter, der getrieben von einem inneren Zwang dazu verdammt war auf ewig auf Erden zu wandeln, immer wieder aufzuerstehen und niemals Erlösung von all seinen Qualen erlangen konnte. Nein zu so etwas wollte er nicht werden. Eher würde er sich vorher das Leben nehmen. Ensyis hatte auf die letzte Frage nicht geantwortet, er hatte es vorgezogen einfach nur ruhig den Vampir zu beobachten. Abraxas schien für sich selbst etwas ausmachen zu müssen. Dabei wollte er ihn nicht stören. Plötzlich schien er zu einem Entschluss gekommen zu sein, denn die roten Augen klärten sich wieder und glänzten wieder in ihrer stolzen Pracht. "Geht's wieder?", fragte Ensyis vorsichtig und weckte damit sofort Abraxas Zorn. "Geht's wieder?", wiederholte der Vampir langsam. "Spinnst du? Hier geht gar nichts! Ich werde zum Goul und ihr seid Schuld daran! Weil ihr meinen Willen, mein selbst vollkommen unterdrückt und auslöscht!", fuhr er Ensyis plötzlich heftig an und sprang auf die Beine. Ensyis hatte sich genauso schnell aufgerichtet und befand sich nun wieder in der selben Augenhöhe mit Abraxas. "Wo ist dein Problem?" ,fragte er genervt. Abraxas' Stimmungswandel schlugen ihm langsam schwer auf den Geist.

"Mein Problem? Wo mein Problem ist, willst du wissen? Ich sag es dir!" Abraxas Tonfall hatte sich wesentlich erhöht. Nun schwang bereits ein hysterischer Unterton mit in seiner Stimme. Dieser Kerl vor ihm regte ihn dermaßen auf, das passte auf keine Kuhhaut. " Du bist mein Problem! Dylan ist mein Problem! Dieses verfluchte enge Zimmer ist mein Problem! Das alles hier!" Abraxas hatte die Arme weit ausgestreckt. Ein gehetzter Ausdruck lag in seinen Augen. Sie schienen Ensyis herausfordernd anzufunkeln. "Ach und noch etwas? Nun tu mal nicht so!",lachte Ensyis höhnisch.

Das war es gewesen. Abraxas wurde für einen Moment schwarz vor Augen und im nächsten Augenblick hatte er auch schon zugeschlagen. Ensyis hatte es durch die Wucht des Schlages zu Boden geworfen. Der Vampir blinzelte erschrocken. Er hatte Ensyis geschlagen. Zum Teufel! Was würde jetzt wieder kommen? Wie würde er nun bestraft werden? Keinen Moment zweifelte er daran, dass sich der Jäger sofort rächen würde und ihm wieder beweisen würde, wer der Stärkere der Beiden war. Ensyis war doch nicht besser als Dylan. Aber nichts dergleichen geschah. Der junge Jäger rappelte sich stöhnend wieder vom Boden auf und hielt sich die langsam rot werdende Wange. Der Schlag hatte gesessen. "Ach? Und du willst keinen eigenen Willen mehr haben?",fragte er spöttisch. "Klar dann habe ich dir eben wohl gesagt, mir deine Faust ins Gesicht zu donnern?" Schalk blitze in den Augen des jungen Jägers, während er sich die Wange rieb. Dass der Vampir so zuschlagen konnte, hätte er nie erwartet. Gott sei Dank schien Abraxas selbst nicht zu wissen wozu er fähig war. Der junge Vampir wechselte nämlich nur von einem Bein auf das andere hin und her, während seine Hände unruhig zuckten. Er hatte Angst vor der Strafe, die ihn für seinen Ungehorsam erwarten würde. Noch immer aber machte Ensyis keinerlei Anstalten irgendetwas in der Art zu tun. Ja er machte sogar einen Schritt nach vorne und legte Abraxas eine Hand auf die Schulter. "Mal ganz ehrlich. Wer so zuschlagen kann, der sollte sich keine Sorgen darüber machen, dass er gerade auf dem besten Wege ist sich selbst zu verlieren. Wer sich noch so provozieren lässt, hat noch einen ganzen Batzen Persönlichkeit in sich!", grinste Ensyis breit. Verwirrt sah Abraxas auf und streifte schließlich die Hand von seiner Schulter. Dann als er endlich zu verstehen begann was Ensyis gesagt hatte, begann er sogar leicht zu lächeln. "Na also es geht doch. Du kannst ja sogar lachen!", grinste Ensyis noch breiter und stauchte den Vampir dann freundschaftlich in die Seite. Abraxas wollte schon zu einer Antwort ansetzten, als seine spitzen Ohren plötzlich einen feinen Laut vernahmen. Forschend verengte er die Augen zu Schlitzen und fixierte den Waldrand am anderen Ufer des flachen Sees. "Da kommt jemand", flüsterte er. Da! Er konnte sie spüren. Die warmen Bilder der Personen, die dort scheinbar trällernden durch den Wald spazierten. Er konnte sie sehen, nicht ihre Gestalten sondern ihre Wärme, die sie durch die Bäume hindurch ausstrahlten. "Zwei... nein drei Personen. Frauen denke ich."

Ensyis war blass geworden, als er Abraxas das sagen hörte. Unruhig drehte er sich zu der Stelle um, nach der Abraxas hingedeutet hatte. Ja da war tatsächlich ein dunkler Schatten, der sich langsam auf den See zubewegte. "Verflucht! Man darf dich hier nicht sehen!" Hastig packte er den Vampir an der Schulter und schubste ihn grob in Richtung des Waldes. Verwirrt stolperte der Vampir nach vorne, blieb schließlich an einer Baumwurzel hängen und stürzte mit einem leisen Aufschrei in das Gehölz des Waldes. Schon wollte er sich aufrichten und lauthals schimpfen, als er von Ensyis nicht nur wieder nach unten gedrückt sondern ihm auch der Mund zugehalten wurde. "Pschhhht!"

"Waf if denn lof?", nuschelte Abraxas und bekam als Antwort einen Schlag mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. "Sei ruhig! Verdammt nochmal!",zischte Ensyis böse. "Wenn man uns hier erwischt ist es erst um dich und später auch um mich geschehen! Dann kommen wir in Teufels Küche!" "Ich denke du hattest Dylans Erlaubnis?!", flüsterte Abraxas leise zurück. "Dylan, Dylan! Wer ist denn schon Dylan? Was interessiert der uns! Unser Problem sind diese tumpen Bauerntölpel aus dem Dorf! Die sind genauso schlimm wie leibhaftige Dämonen und dementsprechend auf uns Jäger zu sprechen. Was denkst du was los war, nur weil wir dich mitgenommen haben?",flüsterte Ensyis hektisch zurück. Wenn man ihn hier mit dem Vampir erwischte. Er wollte es sich nicht einmal ausmalen.

Abraxas schaute Ensyis nur verwundert an. Er verstand zwar langsam wovor sich Ensyis fürchtete aber nicht direkt warum. "Wieso?" "Wieso was?",brummte ihn Ensyis genervt an. Seine Augen fixierte das andere Ufer. Die Gestalten hatten es fast erreicht und mussten sich nun bald am Waldesrand zeigen. "Wieso mögen sie euch nicht? Ich meine ihr beschützt sie doch, oder etwa nicht?" Ensyis schüttelte den Kopf und sah Abraxas plötzlich ernst an. "Natürlich. Natürlich beschützen wir sie vor dir und deinesgleichen und den anderen Kreaturen der Unterwelt in ihrer Vielzahl." Ein leicht trauriger Ausdruck hatte sich in die grünen Augen Ensyis' geschlichen, der sich aber schnell verhärtete und abstumpfte während er leise weitersprach. "Aber die Menschen sind dumm. Sie fürchten was sie nicht kennen und was sie nicht verstehen. Die Dämonen fallen über sie her und zerreißen, zerfetzten sie und sie können sich nicht wehren. Und dann kommt jemand aus ihrer Mitte, zerreißt den Dämon in der gleichen Manier wie er es den ihnen angetan hatte. Wäre dieser Mensch in ihren Augen, dann nicht viel erschreckender als der augenscheinliche Dämon? Würden sie ihn nicht auch nur für ein dunkles Wesen in Menschengestalt halten? Aber was bringt es, es ihnen erklären zu wollen. Wer wir sind und wie es uns möglich ist die Schattenwelt zu bekämpfen. Sie würden es doch nicht verstehen und die vielen Jahre, die nötig währen um wenigsten einen von ihnen zur Erkenntnis zu bringen, würden die Dauer eines normalen Menschenlebens bei weitem übersteigen." Abraxas hatte dem Jäger aufmerksam zugehört unterbrach ihn aber schließlich und nickte zum anderen Seeufer hinüber. Ensyis folgte seinem Blick und nahm nun zum ersten Mal die drei Personen wahr. Und wie er sie wahrnahm. Ihm stockte förmlich der Atem. Abraxas lies der Anblick der drei jungen Damen, die eben begannen sich zu entkleiden um wohl im klaren Wasser des Sees ein Bad zu nehmen, eher kalt. Er war ein Vampir, zwar einer mit Seele aber aus der Zeit war er dann doch schon raus, dass er sich von derartigen nackten Tatsachen noch komplett aus der Spur werfen ließ. Ensyis hingegen schien noch voll in der Blüte dieses Alters zu stehen. Wie leicht wäre es doch gewesen, jetzt zu verschwinden, denn der junge Jäger hing mit seinen Augen, wie festgeklebt an den sanften Rundungen der drei hübschen Frauen. "Ach, wohl doch nicht nur tumpe Bauerntölpel da unten im Dorf, was?",grinste Abraxas spöttisch. "Die kleine dralle Blonde scheint es dir ja besonders angetan zu haben." "Was?" Nur mit Mühe schaffte es Ensyis seinen Blick abzuwenden und wieder zu dem Vampir hinüberzusehen. Ein leichter Rotschimmer lag auf seinen Wangen. Abraxas konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Das wurde ja immer besser. "Hihi. Du kennst sie, was? Das blonde Mädchen!" Der Vampir lachte gehässig. "Ah... ich hatte recht! Dein Herz schlägt schneller. Bist du in sie verliebt?" Fassungslos starrte Ensyis den Blauhaarigen vor sich an. Am liebsten hätte er sich auf ihn gestürzt und ihm die Frechheit aus dem Leib geprügelt. Aber das ging ja nicht. Mit einem anzüglichen Lächeln im Gesicht sah der Vampir wieder zu den Dreien hinüber. "Hübsch ist sie ja. Das muss man dir lassen. Du hast Geschmack." "Hör endlich auf!", sagte Ensyis böse. Es schien ihm Mühe zu machen sich noch zu beherrschen. Seine Geduld hing an einem dünnen Faden, den der leiseste Ton zum Zerspringen bringen konnte. Und Abraxas schien einzusehen, dass es wohl langsam reichte. Ruhig hockte er sich etwas bequemer hin und begann dann an einigen Grashalmen herum zu zupfen. "Was machst du den jetzt?", fragte Ensyis entgeistert. Der Kerl machte ihn wahnsinnig! "Ich suche mir eine Beschäftigung. Du scheinst ja noch ein bisschen hier bleiben zu wollen."antwortet Abraxas unschuldig. Das Grinsen, welches sich aber von einem Ohr zum anderen zog gab sehr genau Auskunft darüber, was er wirklich dachte. "Tsss." Etwas empört positionierte sich der Jäger auch etwas bequemer im Gras. "Starr sie nicht ständig an!", ermahnte er den Vampir noch bevor er wieder vom Anblick der nackten blonden Schönheit verzaubert wurde.

Abraxas lächelte nur in sich hinein und setzte seine Graszerpflückenrei fort.

Es dauerte wohl etwa eine Stunde bis Ensyis wieder ansprechbar war, denn die Damen ließen sich bei ihrer Planscherei natürlich Zeit und auch danach ließen sie es sich nicht nehmen, noch etwas im duftenden Gras des Waldes zu sitzen und sich kichernd überallerhand Dinge zu unterhalten. Weiberkram. Ensyis konnte es nicht verstehen. Aber der Wind stand günstig, so bereitete es Abraxas' feinen Ohren keinerlei Schwierigkeiten, den kichernden Mädchen bei ihrer Tratscherei - und darum handelte es sich auch ausnahmslos - zuzuhören. Ja, er war sogar regelrecht gezwungen ihren Gesprächen zu lauschen, da sie in der Stille des Waldes so laut sprachen, dass er es unmöglich überhören konnte. Und dieses schrille Kichern. Keine Vampirdame und auch keine der Anwärterinnen hätte jemals so einen widerlichen Ton von sich gegeben. Ein bisschen vermisste er sie. Die Frauen in ihren langen schwarzen Gewändern und den tiefen wohlig klingenden Stimmen und den feuerroten Lippen. Was sollte es. Auf diese hohen Vampirdamen hätte er eh nie einen Anspruch gehabt. Die wenigen Frauen waren alleine Meantoris vorbehalten gewesen, genauso wie alle Anwärterinnen. Genauso wie Rachel.

Neben ihm ließ sich Ensyis plötzlich seufzend ins Grass fallen. Die kichernden Geräusche der Mädchen waren verstummt und als Abraxas einen Blick zum Ufer warf bemerkte er, dass sie verschwunden waren. "Ist sie nicht wunderschön?",seufzte Ensyis wieder, mehr für sich selbst als für den Vampir, der neben ihm sass und ihn genervt anstarrte. "Naja... es gibt bessere",murrte Abraxas als Antwort. Rachel zum Beispiel. Aber davon ließ sich der junge Jäger überhaupt nicht beirren. Schmachtend hielt er die Arme nach oben, den Wipfeln der Bäume entgegen. "Ach Abraxas, wie soll ich es dir nur verständlich machen?"

"In dem du den Mund hältst. Ich verstehe das schon gut genug!",knurrte der Vampir. Ensyis schien für den Moment in seiner eigenen Welt zu schweben, dummerweise hockte der Vampir immer noch im Wald herum und begann sich zu langweilen. "Wenn ich... wenn ich ein Vampir wäre, wie du. Ich würde ihren Leib umfangen und meine Zähne in ihren zarten Hals schlagen..." Abraxas ließ Ensyis nicht weitersprechen sondern setzte selbst die Reihe fort "...und ihr warmes süßes Blut mit deinen Zähnen aufsaugen. Und mit ihrem köstlichen Lebenssaft wirst du ihr etwas viel wichtigeres nehmen und während der Funke bereits in dir glüht und ihre Seele dir auf immer gehören wird, beißt du dir in die Zunge und beendest dein tödliches Spiel mit einem Kuss der Ewigkeit. Auf dass dir auch ihr Körper für immer für deine innersten Gelüste zusteht",vollendete Abraxas ruhig seinen Vortrag. Ensyis nickte zufrieden darüber, dass ihn Abraxas verstehen zu schien. "Ja bist du von Sinnen?", schrie Abraxas den Jäger, welcher erschrocken zurückwich, aufspringend wütend an. "Was glaubst du Narr denn? Ich denke du liebst dieses Mädchen! Warum willst du ihr so etwas antun?" Ensyis schüttelte verwirrt den Kopf. Er war langsam aufgestanden und verfolgte mit seinen Augen, wie der Vampir unruhig hin und her lief. "Aber das tut ihr Vampire doch, oder etwa nicht?",fragte er schließlich zögernd. Abraxas Augen glühten gefährlich, als er sich ruckartig zu Ensyis umdrehte. "Ja die Vampire! Die Vampire, die tun das zweifelsohne. Aber ich doch nicht!" Verzweifelt fuhr sich Abraxas durch die blauen Haare, sein Blick schweifte unruhig hin und her bis er sich letztendlich in Ensyis Gesicht festklammerte. Schmerz und Enttäuschung klang in seiner Stimme mit, während er leise sprach. "Und ich dachte, du hättest verstanden, dass ich anders bin",flüstere er und drehte sich dann von Ensyis weg. Drei Schritte nach vorne. "Bleib stehen!"

Der Vampir blieb zitternd stehen. Wie hatte er sich nur so täuschen können? Es tat so weh. Warum machte es ihm so viel aus, dass Ensyis ihn eben auch nur für ein blutsaugendes Monster hielt? Das tat doch jeder. Da kam es auf einen mehr oder weniger doch nicht mehr an! Ganz einfach. Er hatte wohl jetzt auch den letzten verloren, den er für einen Freund gehalten hatte. "Warum?", kam es leise von hinter ihm. Abraxas reagierte nicht.

"Warum bist du so anders? Ich weiß, dass du es bist! Aber ich weiß nicht warum, vielleicht verstehe ich es dann ja besser." Langsam drehte sich der Vampir wieder um. "Warum sollte ich es dir sagen?", fragte der Vampir abwertend. Die Betonung lag vor allem auf dem Wörtchen dir. "Warum nicht?",zuckte Ensyis mit den Schultern. "Damit du dann gleich zu Dylan rennst und er sich wieder irgendetwas Krankes ausdenken kann, was er mit dieser neuen Information so an mir anstellen könnte? Nein danke!", lachte Abraxas finster.

"Er wird es nicht erfahren. Du kannst mir vertrauen!" "DIR? Du bist ein Jäger ich bin ein Vampir! Vertrauen?! Weißt du was ein Oxymoron ist? Das sind zwei sich gegensätzlich ausschließende Begriffe! In diesem Fall drei! Das ist ein Widerspruch schlechthin. Wie soll ich dir vertrauen können?" Abraxas war kopfschüttelnd vor Ensyis zurückgewichen. Das konnte doch nicht wahr sein. Was glaubte dieser dumme Mensch, denn nur?

"Aber du würdest mir doch gerne vertrauen, nicht wahr?", fragte Ensyis ruhig. "Was habe ich bis jetzt getan, dass du einen Grund hättest es nicht zu tun? Ich gebe dir mein Wort Abraxas. Ich werde Dylan keinen Ton davon sagen, was du mir anvertrauen willst."

"Das Wort eines Jägers? Was ist das schon wert?" "So viel wie das deine. Wie viel ist dein Wort wert, Abraxas?" Der Vampir schwieg und sah zu Boden. Der Untergrund schien vor seinen Augen zu verschwimmen. Ein Tränenschleier hatte sich über sein Gesicht gelegt. Schluchzend sank er langsam zu Boden, die Arme ins Gras gestützt um sich festzuhalten. Ja er wollte ihm so gerne vertrauen. Aber das ging doch nicht. Am Ende würde es ihm doch nur noch mehr Schmerz bringen. Ensyis war zögernd an ihn herangetreten. Für einen Moment schnarrte wieder die Stimme seines Meister durch seinen Kopf. Der Stolz der Dämonen. Ihr Unvermögen menschliche Emotionen zu zeigen. Wenn das nicht menschlich war, was dann? Ruhig kniete er sich vor Abraxas hin. "Du kannst mir vertrauen!",flüsterte er leise, aber deutlich hörbar für den Vampir. Gequält sah Abraxas auf. Die schimmernden roten Augen, spiegelten sich in den grünen Ruhe ausstrahlenden Ensyis'. Sie schienen dem Vampir zuzurufen im wieder. Vertrau mir! Vertrau mir! Und warum sollte er nicht? Was hatte er schon zu verlieren? Bis auf das eigene Leben doch nichts mehr. Aber er konnte viel gewinnen, vielleicht einen Freund.

"Ich habe eine Seele."
 

Der Weg zurück war schweigend von statten gegangen. Keiner der beiden hatte ein Wort gesprochen. Ensyis schien die Neuigkeiten erst verarbeiten zu müssen und Abraxas schien sowieso auf einer ganz anderen Bewusstseinsebene gelandet zu sein. Mit ihm war im Moment nicht viel anzufangen. Wieder im Zimmer, befestigte Ensyis die Kette wieder an Abraxas' Handgelenk. Ein leises Entschuldigung wich über seinem Lippen, aber der Vampir schien es gar nicht wahrzunehmen. Widerstands- und Kommentarlos ließ er alles über sich ergehen. Als Ensyis endlich den Raum verlassen hatte atmete er als erstes tief durch. Die bedrückenden Stimmung während des ganzen Rückweges hatte ihm schwer zu schaffen gemacht. Eine Seele. Die eigene. Das war einfach unglaublich und so gut wie unmöglich. Aber es musste stimmen.

"Na hast du dich von dem Vampir verabschiedet?", erklang plötzlich eine dunkle Stimme, die Ensyis erschrocken zusammen zu ließ. Sein Herz klopfte während er sich seinem Meister zu wand. "Wo sind denn die Fische, Ensyis? Wolltet ihr nicht zum See?" Fische? Ensyis verstand die Frage seines Meisters für den ersten Moment nicht. Sein Blick machte das wohl auch zu deutlich. Dann aber kam das böse Erwachen. Natürlich, er wollte ja eigentlich für das Abendessen Fische fangen. Bei dem was er alles erfahren hatte, hatte er sogar vergessen den Eimer wieder mitzubringen. Der stand immer noch einsam und verlassen am Rande des Sees. Ensyis hätte sich selbst ohrfeigen können. Wie dumm war er gewesen? Jetzt war eindeutig klar, dass sie am See andere Dinge getan hatten, als die glitzernden Lebewesen des Wassers zu fangen. Ein böses Lächeln hatte sich in Dylans Gesicht verbreitete. Das bedeutete nie etwas Gutes und Ensyis jagte es kalte Schauer über den Rücken. "Ich hoffe ihr beiden hatte Spaß heute Nachmittag. Und ich frage noch einmal hast du dich verabschiedet? Wenn nicht kann es passieren, dass du keine Gelegenheit mehr dazu finden wirst." Ensyis verstand nicht recht. Verwundert schaute er seinen Lehrmeister an. "Wieso keine Gelegenheit mehr?"

"Weil der Vampir morgen sterben wird", antwortete Dylan ausdruckslos.

Vorbei

"Sterben? Wieso sterben?", fragte Ensyis fassungslos. Warum jetzt auf einmal? Von einem Tag auf den anderen? Dylan hatte sich von Ensyis weggedreht und hantierte mit irgendetwas in den Regalen herum. Er sprach als würde es sich bei Abraxas Todesurteil um eine Lappalie handeln, wie wenn man eine winzige Fliege zerquetschte. Nur ein totes Insekt mehr. Es gab ja noch genug. "Unten im Dorf hat es in der letzten Zeit vermehrt Vampirangriffe gegeben. Bis jetzt sind es sechs Tote und die Spuren sind mehr als deutlich. Ich konnte das Biest nicht erwischen und nun verlangen die Bauern, dass wir unseren Vampir herausgeben."

"Aber Abraxas war es nicht! Das wisst ihr genauso gut wie ich! Wir hatten ihn doch die ganze Zeit unter Kontrolle!",rief Ensyis hektisch. Das konnte doch nicht wahr sein?! Warum sollte er für etwas mit dem Leben bezahlen, was er nicht getan hatte? Dylan drehte sich wieder zu Ensyis und sah seinem Schüler kalt in die Augen. "Na und? Wir machen uns nur verdächtig wenn wir ihn schützen. Warum sollen wir ihn nicht herausgeben?" "Aber er war es nicht! Außerdem habt ihr doch selbst gesagt, dass er wichtig für unsere Forschungen ist! Warum sollten wir ihn opfern?" Ensyis gestikulierte mittlerweile wild mit seinem Armen in der Luft herum um seine Worte noch zu unterstützen. "Tss. Ein junger Vampir ist wertvoll für unsere Forschungen. Dein Abraxas unterscheidet sich aber kaum noch von irgendeinem anderen. Wir brauchen ihn nicht mehr." "Aber..." "KEIN Aber mehr, Ensyis! Der Vampir wird morgen den Dorfleuten übergeben. Sollen sie mit ihm machen was sie wollen!", unterbrach Dylan seinen Schüler schroff. Seine Stimme machte klar, dass er keinen Widerspruch mehr dulden würde. Das war die erste Lektion, die Ensyis hatte lernen müssen. Der Wille seines Meisters war Gesetz und er hatte keine Recht zu widersprechen. Vielleicht war es besser, denn Ensyis war kurz davor gewesen Abraxas Geheimnis preiszugeben. So schnell war man also daran eben gewonnenes Vertrauen wieder zu verlieren. Gedemütigt senkte er schließlich den Kopf und würgte ein leises "Jawohl" hervor, dann drehte er sich herum und wollte in sein Zimmer gehen. "Denk nicht mal daran ihm helfen zu wollen, Ensyis",schnarrte es kalt hinter ihm. Ensyis drehte sich nicht um als er antwortete:"Natürlich nicht." Dann verschwand er in seinem Zimmer.

Die Zeit bis die Sonne endlich vollständig untergangen war, schien diesmal nahezu ewig zu dauern, dann aber zögerte Ensyis keinen Moment mehr und schwang sich aus dem Fenster seines Zimmers. Leise schlich er um das Haus herum, vorbei am immer noch hell erleuchteten Labor seines Meisters zum Zimmer Abraxas'. Der Jäger verharrte noch einen kurzen Moment um sich zu besinnen, um sich darüber im Klaren zu werden ob er das wirklich tun wollte. Ja er wollte. Ruhig hob er die Arme und machte sich am Rahmen des Fensters zu schaffen. Fenster von außen zu öffnen ohne auch nur einen Laut zu machen war mit das erste gewesen, was ihm Dylan beigebracht hatte. Jetzt zahlte es sich aus, dass der junge Mann immer solch ein gelehrsamer Schüler gewesen war.

Abraxas schien ihn im Zimmer schon erwartet zu haben, zumindest sah er nicht mehr allzu überrascht aus, als Ensyis geschmeidig wie eine Katze durch das kleine Fenster schlüpfte. Natürlich nicht. Der Vampir hatte ihn sicher schon von weiten gespürt. Abraxas Gesichtsausdruck veränderte sich aber schlagartig zu purer Verblüffung als Ensyis zielstrebig auf ihn zuschritt und ohne ein Wort zu sagen, die Ketten löste. Verwundert schaute der Vampir erst auf das freie Handgelenk, dann wieder zu Ensyis. "Los komm!", flüsterte Ensyis leise. "Du musst gehen!"

"Gehen?" Abraxas verstand noch immer nicht. Er hatte von dem Gespräch zwischen Dylan und Ensyis nichts mitbekommen. "Du musst fliehen, sonst wird dich Dylan morgen umbringen lassen. Und das will ich nicht. Nicht nachdem ich jetzt weiß, was mit dir los ist. Komm schon!" Der Jäger wartete keine Reaktion des Vampirs mehr ab, sondern zog ihn selbst grob in die Höhe. Auch auf die Gefahr hin, dass der vielleicht ein verdächtiges Geräusch von sich gab. Als die beiden endlich wieder draußen vor dem Fenster standen, deutete Ensyis zum Wald hin. "Du kennst den Weg zum See. Dort gehst du lang und immer in der selben Richtung. Und immer weiter. Du musst zum Drachengebirge. Dort beginnt das Reich der Dämonen. Ab da bist du sicher. Die echten Dämonen sind zwar auch nicht sonderlich gut auf Vampire zu sprechen, aber sie werden dir nichts tun. Meide menschliche Wohngebiete und auch die Burgen der Vampirlords. Aber das muss ich dir wohl nicht sagen, oder?" Abraxas schüttelte den Kopf und wand sich dann zum Wald hin, um zu verschwinden. Nach drei Schritten drehte er sich aber noch einmal zu dem jungen Jäger um. "Wirst du keinen Ärger bekommen?" "Nicht so viel wie du, wenn du dich erwischen lässt! Und jetzt hau endlich hab!", zischte ihm Enyis zu. Abraxas lächelte leicht im Licht des aufgehenden Mondes. "Danke",flüsterte er und drehte sich um und verschwand fast augenblicklich im Dunkel der Nacht. Zumindest Verstecken konnte er sich gut.

Ensyis sah ihm noch einen Moment lang hinterher bevor er sich umdrehte um wieder auf sein Zimmer zu gehen. "Viel Glück, Abraxas"

Im Labor seines Meister war mittlerweile das flackernden Kerzenlicht gelöscht wurden, er schien zu Bett gegangen zu sein. Nur gut so. Jede weitere Minute verschaffte Abraxas einen größeren Vorsprung. Ruhig kletterte er wieder in sein Zimmer hinein und wollte sich erschöpft ins Bett legen, aber da sass schon jemand. Ensyis Herzschlag setzte für einen Moment aus. Das Blut schien ihm in den Adern zu gefrieren. "Ich hätte dich wirklich nicht für so dumm gehalten. Ensyis", murmelte Dylan finster während er aufstand und Ensyis dann ohne Vorwarnung seine Faust in den Magen rammte. Keuchend beugte sich Ensyis vornüber und wäre wohl zu Boden gestürzt wenn ihn Dylan nicht festgehalten hätte. Seine Knie fühlten sich an als wären sie Pudding, denn es fiel ihm mit einem Mal unglaublich schwer sich auf den Beinen zu halten. "Ach Ensyis, Ensyis. Habe ich dir denn gar nichts beigebracht? Was hast du dir denn nur dabei gedacht?" Dylans Stimme hatte nun einen schon fast väterlichen Klang, aber Ensyis wusste, dass er sich davon nicht täuschen lassen durfte. Dylan war ein Teufel in Menschengestalt. Da machte es keinen Unterschied ob man selbst Dämon oder Mensch war. Störrisch presste der junge Mann die Lippen aufeinander. Er würde nichts sagen, da konnte sich der Jäger verbiegen wie er wollte. "Ach Ensyis. Was wird denn das jetzt? Das hast du dir wohl von deinem kleinen Vampirfreund abgeschaut, was? Ja der hat auch immer so geschaut mit seinen funklenden roten Augen. Na Ensyis willst du mich nun auch töten, wie der Vampir?" "Vielleicht?",presste Ensyis zornig heraus. Langsam kehrten seine Kräfte zurück und er entfernte sich wankend von seinem Meister. "Vielleicht? Das ist keine Antwort Ensyis. Ich habe dir beigebracht stets mit ja oder nein zu antworten. Also was nun? Deine Antwort zählt!" Ensyis schwieg beharrlich. "Du sagst nichts? Nun dann denke ich mir meinen Teil." Blitzschnell war er an Ensyis heran und schlug wieder nach ihm aus. Ensyis sah die Attacke kommen und versuchte sie zu blocken, aber er war noch viel zu langsam. Dylan war ihm viele Jahre Erfahrung und Stärke voraus, so traf der Handkantenschlag genau und lies Ensyis hustend wieder zu Boden gehen. Röchelnd stemmte er die Händen gegen die kalten Holzleisten des Häuschen und kämpfte dagegen an die Besinnung zu verlieren. Dylan spazierte unterdessen gemächlich um Ensyis herum. "Ach Ensyis. Hast du denn alles vergessen? Weißt du nicht mehr, was damals mit deiner Familie geschah? Und hast du deinen Schwur vergessen alles was sich Vampir schimpft gnadenlos zu verfolgen und zu vernichten? Warum willst du ihn beschützten?" "Weil er anders ist als die normalen Vampire. Außerdem hat er mit dem Vorfall von damals nichts zu tun. Ich kann nicht jedes dunkle Geschöpf für mein Unglück verantwortlich machen!",antwortete Ensyis trotzig. "Vor siebzehn Jahren hast du das anders gesehen",entgegnete Dylan kalt. "Ich war jung!",versuchte sich Ensyis nun schon fast verzweifelt zu verteidigen. "Das bist du jetzt noch immer. Sonst wärst du nie zu so einem Narrenstück in der Lage gewesen! Vielleicht solltest du erst einmal darüber nachdenken was du getan hast." Brutal trat Dylan zu und fegte den jungen Jäger durch den Raum. Der prallte von der Wand ab und blieb stöhnend am Boden liegen. Irgendetwas in ihm hatte laut geknackt, wahrscheinlich waren einige Rippen gebrochen. Wenn er Abraxas nur Zeit verschaffte, sollte ihm das Recht sein. Ensyis Blickfeld war stark eingeschränkt, so sah er nur wie sich ihm Dylans Füße langsam näherten. Dann spürte er wie sein Meister ihn am Hals berührte. Es wurde dunkel. "Ich denke du brauchst einige Zeit zum Nachdenken!",sagte Dylan und hob den bewusstlosen Ensyis vom Boden auf und legte ihn auf sein Bett. "Ich werde mich derweil wohl um deinen kleinen Freund kümmern müssen."
 

Am nächsten Morgen war es Vogelgesang, der Ensyis weckte. Sein Kopf fühlte sich an als hätte er die letzte Nacht durchgezecht und es viel ihm schwer zu atmen. Was war denn nur passiert? Irgendwie konnte er sich an nichts mehr erinnern. Er war mit Abraxas am See gewesen. Und dann? Ja dann war er ins Bett gegangen. Ensyis seufzte. Wenn er mit derartigen Kopfschmerzen schon am frühen Morgen aufwachte befand er sich wahrscheinlich auf dem bestem Wege krank zu werden. Na das fehlte jetzt noch. Müde schlenderte der junge Mann in die Küche und begann erst mal eine paar Kaffebohnen in die Mühle hineinzuschütten. Wo war denn nur Dylan? Der stand doch in der Regel sonst immer vor ihm auf? Ensyis zuckte mit den Schultern. Mit einer lässigen Handbewegung griff er in einem Topf, der oben auf einem Regal stand und warf das bisschen Pulver, was er sich gegriffen hatte auf die Feuerstelle. Es knallte leise dann begannen bereits dünnen Flammen nach oben zu schlagen. Ensyis machte sich nun daran Holz nach zu legen und zu pusten, damit die kleinen Flammen größer wurden. Bald schon flackerte es hell auf der Feuerstelle der Küche und Ensyis stellte eine Topf mit Wasser darauf. Anstatt aber zu warten bis das Wasser kochte beschloss Ensyis doch lieber Abraxas einen Besuch abzustatten. Vielleicht wollte der ja auch einen Kaffee? Der Jäger hatte durchaus schon davon gehört, dass es auch Vampire gab, die zu dem Blut, das sie benötigten auch herkömmliche Nahrung zu sich nahmen. Jedem das seine. Als Ensyis aber die Tür zum Zimmer des Vampirs aufstieß und diesen begrüßen wollte erlebte er allerdings eine Überraschung. Der Raum war leer?!

Noch bevor Ensyis aber wirklich beginnen konnte sich zu wundern, hörte er es hinter sich knarren. Dylan war zurückgekehrt und unter seinen Arm geklemmt hing ein ziemlich übel zugerichteter Abraxas. Der Vampir blutete aus zahlreichen kleinen Wunden und seine Kleidung war zerfetzt. Stöhnend blieb Abraxas liegen, als ihn Dylan zu Boden stieß. Erschrocken lief Ensyis auf die Beiden und hockte sich neben Abraxas. Fassungslos starrte er seinen Meister an. "Was ist denn passiert?"

"Er wollte fliehen",entgegnet Dylan schulterzuckend. "Ich konnte ihn gerade noch im Wald finden, aber das Schlimmste leider nicht mehr verhindern." Alarmiert hob Ensyis den Kopf. "Das Schlimmste?" Dylan nickte betrübt. "Ja, die kleine Blonde aus dem Dorf. Wie heißt sie gleich, Na... Na.." Ensyis war kreidebleich geworden. "Natalia?" Dylan schnipste triumphierend mit dem Finger "Genau die! Ich kam leider zu spät um sie noch zu retten, da hatte er sie schon" "Hatte er sie schon...",wiederholte Ensyis langsam als würde er denn Sinn der Worte nicht verstehen. Die Zeit schien aus ihrem normalen Fluss gesprungen zu sein, denn es dauerte ewig bis sich Ensyis endlich zu Abraxas hinterbeugte. "Was... Was hast du getan?", flüsterte er leise. Abraxas Augen hatten sich geweitete. Er war unfähig zu sprechen oder sich zu verteidigen. So konnte er nur verzweifelt mit dem Kopf schütteln. Das stimmte nicht. Er hatte niemanden etwas getan. Ja das Mädchen war tot. Auch er hatte ihre blutleere Hülle gesehen. Aber er war es nicht gewesen!

Ensyis war aufgesprungen und lief nun unruhig im Zimmer hin und her. Die Hand hielt er sich vor dem Mund um den Brechreiz zu unterdrücken, der immer wieder aufkam. Natalia. Natalia. Das Mädchen was er geliebt hatte, war tot?! Das konnte nicht sein. Das DURFTE einfach nicht wahr sein. Niemand hatte das Recht sie ihm wegzunehmen und am allerwenigsten Abraxas. Dieser Vampir! "Stimmt es wirklich?",fragte er leise an Dylan gewand. Dieser nickte traurig. "Ja, ich sah selbst wie er seine Zähne in ihren Hals schlug. Nach der Gefangenschaft hier muss sie ein wahres Festmahl gewesen sein. Frage mich nicht was das arme Mädchen um diese Uhrzeit noch im Wald zu suchen hatte." Ensyis schloß für einen Moment die Augen und legte den Kopf in den Nacken um sich zu sammeln. "Und ich habe dir vertraut",sagte er angewidert zu dem am Boden liegenden Vampir. Seine Augen hatten sich vor Hass verzehrt. Es schien als wolle er sich jeden Moment auf ihn stürzen. Verzweifelt mühte sich Abraxas wieder nach oben zu kommen, aber sein geschundener Körper versagte ihm den Dienst. Dylan hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Wie hatte er ihn nur so schnell finden können? Stöhnend stemmte er seinen Oberkörper dann doch etwas nach oben. "Ich war es nicht! Ensyis du musst mir glauben!",keuchte er kaum hörbar. Jede Bewegung bereitete ihm Schmerzen. Es schien als gäbe es keine Stelle an seinem Körper mehr, die nicht weh tat, aber schon spürte er wie die unheilvolle Macht in ihm seine Kräfte zurück kehren ließ. "Ich bitte dich Ensyis! Das Mädchen ist tot, aber ich war es nicht, dass schwöre ich bei... bei..." "Bei deiner Seele vielleicht?",lachte Ensyis höhnisch. "Was ist die schon wert? Warum bist du geflohen? Was soll das? Warum ausgerechnet jetzt? Gerade nachdem was du mir gestern gesagt hast?! Warum?",schrie Ensyis nun schon fast. Seine Beherrschung war so gut wie am Ende. Er wollte irgendetwas schlagen, zerstören. Irgendwie seinen Schmerz nach außen drängen und das erste was sich ihm da bot war Abraxas. Der Vampir schrie gequält auf als Ensyis ihm ins Gesicht schlug. "Seele! Ha! Alles gelogen. Du hast sie umgebracht! Und das wo du wusstest, was sie mir bedeutet! Wie konnte ich mich nur so irren?" Abraxas widersprach nicht mehr. Der Vampir hatte keine Kraft mehr dazu. Wieder begannen Tränen seine Wangen hinab zu laufen. Es war nicht nur der physische Schmerz, der ihm das Wasser in die Augen trieb. Nein, dass was ihn zum Weinen brachte war viel tieferer Natur. Der Hass den ihm Ensyis mit einem mal entgegen schleuderte, war viel grausamer als das was ihm bis jetzt alles angetan wurden war. Wieso? Was hatte er getan, dass ihm der junge Jäger auf einmal nicht mehr glaubte? Warum hörte er wieder auf Dylans Worte? Ensyis selbst hatte doch gewollte, dass er ging. Warum klagte er ihn jetzt deswegen an? Abraxas hatte keine Antwort darauf, ihm blieb nichts anderes als seiner Trauer stumm Ausdruck zu verleihen. Der nächste Schlag Ensyis' richtete sich nicht mehr gegen Abraxas sondern gegen die Wand des Hauses. Die Holzleisten zitterten, als er dagegen schlug aber sie hielten seiner Gewalt stand und schließlich hielt Dylan den rasenden Jäger am Arm fest. "Beruhige dich, Ensyis. Was geschehen ist geschehen. Du kannst es nicht rückgängig machen. Der Tod ist ein ständiger Begleiter der Jäger. Das weißt du!" Jetzt hatte es Dylan geschafft Ensyis Zorn auf sich zu ziehen. Ensyis hatte jeglichen Respekt verloren und schrie seinen Meister nun hysterisch an:"Soll ich es etwa einfach so hinnehmen, dass mir schon wieder die wichtigste Person in meinem Leben weggenommen wurde? Und wieder durch einen... VAMPIR!" Das letzte Wort hatte Ensyis förmlich ausgespuckt so widerwärtig schien es ihm zu erscheinen. Abarxas zuckte getroffen zusammen. Kein Schlag mitten ins Gesicht hätte so weh tun können. >KLATSCH< Dylan hatte die Hand bereits wieder heruntergenommen, bevor Ensyis überhaupt erst dazu kam, nach der schmerzenden Wange zu greifen. "Dein Zorn vernebelt deinen Verstand! Denk mal ein bisschen darüber nach, wer du bist! Du solltest mittlerweile in der Lage sein, Verluste hinzunehmen ohne deswegen gleich rasend zu werden. Oder bist du etwa doch nur einer von vielen kleinen schwachen Menschen? Was ist? Willst du vielleicht wieder zurück in dein Dorf? Zurück in dein altes Leben? Das Leben eines Bauern führen? Wirst du dich dann glücklicher fühlen? Wenn du wieder >normal< bist?" Frustriert schüttelte Ensyis den Kopf. "Nein."

Dylan nickte. "Das Mädchen liegt noch immer im Wald. Unweit des kleinen Sees. Du solltest sie vielleicht holen, bevor die Käfer sie fressen." Ensyis schluckte laut und wechselte dann noch einmal einen Blick von Dylan zu Abraxas. Der Vampir schüttelte flehend den Kopf. Ensyis musste ihm einfach glauben. Die grünen Augen des Jägers glänzten härter als jedes Metall als er sich von dem Vampir abwand und zur Tür hinaus stürzte, Richtung Wald.

Dylan blieb mit Abraxas finster lächelnd im Raum zurück. "So, so. Eine Seele hast du also?", lachte er leise und kniete sich dann neben Abraxas nieder. Der Vampir starrte ihn hasserfüllt an. Wenn er die Kraft gehabt hätte, hätte er Dylan auf der Stelle zerfleischt. Dass er es konnte, daran zweifelte Abraxas keinen Moment mehr, so wütend und enttäuscht, wie er im Moment war. Dylan strich Abraxas mit der rauen Handfläche fast sanft über die geschundenen Wangen. "Ach kleiner Vampir. Eigentlich müsste ich dir fast dankbar sein." Unter der Berührung Dylans begann Abraxas leicht und dann immer stärker zu zittern. Er wollte von diesem Monster nicht angefasst werden. Er konnte ihn schlagen, misshandeln und wenn er ihn töten wollte, bitte sollte er es tun. Aber er sollte ihn nicht so berühren. Das ging zu weit, das war zu viel der Demütigung. "Wieso, dankbar?", fauchte der Vampir hasserfüllt. Er wollte ihn verschlingen, ihn mit Haut und Haaren auffressen. Ach wenn er doch nur könnte, wenn er doch nur ein richtiger Vampir wäre. "Warum ich dir dankbar sein muss? Nun wenn du nicht aufgetaucht wärst, hätte ich es wohl nicht geschafft Ensyis Glauben noch einmal derart zu erschüttern. Weißt du, Ensyis ist ein sehr talentierter Jäger. Er wäre sicher auch ein guter Vampir. Findest du nicht?" Dylan schien für einen Moment auf eine Antwort zu warten, aber Abraxas hatte die Lippen verbissen aufeinander gepresst. Kurz zuckte der Jäger mit den Schultern und sprach weiter:"Aber dem Jungen fehlt es an Härte und Erbarmungslosigkeit. Aber nun wird das wohl kein Problem mehr sein, jetzt da du ihn so enttäuscht hast." "Ich habe ihn nicht enttäuscht! Ich war es nicht, der dieses Mädchen umgebracht hat, das wisst ihr genauso gut wie ich!",antwortete Abraxas wütend. Das war so ungerecht! Plötzlich erklang ein höhnisches Lachen. "Na und? Wenn interessiert es, wer dieses dumme Ding erledigt hat. Vielleicht war ich es ja sogar selber? Was zählt ist, dass Ensyis jegliches Vertrauen in Wesen deiner Art verloren hat und dann wird er sich mir auch nicht in den Weg stellen, wenn ich dich jetzt den Dorfleuten übergebe." Abraxas Augen weiteten sich vor Schrecken, als er das hörte. "Och. Hast du etwa gedacht, deine Hinrichtung würde verschoben werden? Oder weißt du noch nicht einmal Bescheid? Ensyis müsste es dir doch gesagt haben, auch wenn er sich jetzt nicht mehr daran erinnert." Ohne weitere Vorwarnung griff Dylan nach unten und zerrte Abraxas brutal nach oben. Der schlug panisch um sich und versuchte sich aus dem eisernen Griff des Jägers herauszuwinden. Erfolglos. "Komm schon!",knurrte er der Jäger dunkel und stieß Abraxas vor sich her. Es gab kein Entkommen.
 

Der Weg zum Dorf hinunter dauerte keine Viertelstunde. Zweimal versuchte Abraxas noch zu fliehen aber es hatte absolut keinen Sinn. Der Jäger war nicht nur viel stärker als er sondern war auch ungleich schneller. Dazu kam, dass er verletzt war und sich sowieso kaum rühren konnte. Mit jedem Schritt, mit dem sie sich weiter dem Zentrum des kleinen Dörfchens näherten wurde Abraxas unruhiger. Sein Herz klopfte bis zum Hals und kalter Schweiß war auf seiner Stirn ausgebrochen. Das hier war kein Spaß mehr. Schon jetzt trafen sie ab und zu auf vereinzelte Dörfler, die ihn mit hasserfüllten Blicken bedachten. Jede Sekunde, die Abraxas lebte, schien für diese Leute eine Sekunde zu viel zu sein. Abraxas erkannte die schemenhaften Gestalten nicht an denen er vorbei wankte. Sie alle waren nur verzerrte Abbilder mit dem selben mörderischen Funkeln in den Augen. Wie sie ansahen, wie einen bissigen Hund, den man nun endlich erschlagen wollte.

Johlend bewegte sich die Menge hinter dem Jäger und seinem Gefangenen hinterher. Und der Sammelplatz des Dorfes rückte immer näher. Hier waren noch viel mehr Menschen. Warum gab es so viele Leute in diesem winzigen Dorf? In diesem Moment musste wohl alles, was irgendwie laufen oder gar nur kriechen konnte sich auf den Straßen tummeln. Alle wollten sie sehen, wie seine letzte Stunde schlug. Für Abraxas schien es so, als würden die Menschen vollkommen widersinnig über den Platz hin und her wuseln. Ihre Gesichter waren vor Hass verzerrt und all ihre Abscheu richtete sich nur gegen ihn. Abraxas hörte sie. Die vielen Schimpfwörter und Verwünschungen, die man ihm nachrief. "Mörder, Monster, Teufel, Abschaum" Dabei war es doch so einfach ein Wort für ihn zu finden.

Vampir.

Die Augen wollten sie ihm herausstechen und ihn an seiner Zunge aufhängen, wenn er denn endlich zur Hölle fuhr und seine verdorbene Seele dort bis in alle Ewigkeit im Fegefeuer schmorren würde. Welch Ironie das doch war, wussten diese Tölpel denn nicht, dass ein normaler Vampir keine Seele mehr hatte? Dieses Wissen half Abraxas aber kein Stück weiter. Alles in ihm schrie mittlerweile, dass er doch endlich weglief und von hier verschwand. Sogar der Vampir in ihm, schien aufgeregt zu sein. Aber er konnte nichts machen.

Während Dylan und Abraxas weiter voranschritten teilte sich die Menge vor ihnen und gab den Blick auf einen riesigen Holzstapel frei in dessen Mitte ein noch leerer Pfosten thronte. So sollte er also sterben. Verbrennen wollten sie ihn. In Abraxas explodierte die Angst. Es waren keine zehn Schritte mehr, bis sie den Stapel erreicht hätten. Panisch stemmte der junge Vampir die Beine gegen den Boden und zappelte wild herum. Aber Dylan schob ihn unerbittlich weiter. Dem Jäger schien es eine grausame Freude zu bereiten, wie sich sein Opfer vor Angst wand. "Was hast du kleiner Vampir? Sei doch froh, dass du verbrannt wirst. Wenn du wirklich eine Seele hast, wird sie vom heilige Feuer reingewaschen und Gott wird dir vielleicht deine Sünden vergeben. Na wie ist das?", lachte Dylan finster.

"Aber ich war es nicht! Ich habe NICHTS getan. Gar nichts!", kreischte Abraxas verzweifelt auf. "Du bist ein Vampir. Das genügt!",grinste Dylan breit und stieß Abraxas auf den Scheiterhaufen hinauf. Sofort waren einige Männer mit Seilen herbei, die den wild um sich schlagenden Vampir zu bändigen versuchten. Die straff gezogenen Seile schnitten scharf in seine Haut ein. Wieder begann er zu weinen, vor Angst und Schmerz, denn seine Peiniger konnten es nicht unterlassen ihm auch noch hart in die Seiten zu schlagen. Ja das musste Spaß machen, wenn sich das Opfer nicht wehren konnte. "Ich war es nicht! Ich bin unschuldig!",schrie er noch einmal hilflos über den Platz.

Doch keines seiner Worte fand Gehör, ja man lachte sogar über die hoffnungslosen Versuche des Vampirs, seine Haut zu retten. Schließlich stand Abraxas festverknotet oben auf dem Holzhaufen. Gehässig zwinkerte ihm Dylan zu, dann drehte er sich zu der aufgeheizten Menge um und erhob die Arme. Seine tiefe Stimme dröhnte weithin hörbar über den gesamten Platz: "Meine lieben Freunde. Wir haben uns heute hier versammelt um diesen Vampir den Weg in die Unterwelt zu weisen..."
 

Im Wald war kein Laut zu hören, als Ensyis das tote Mädchen endlich gefunden hatte. Alles Leben schien sich von diesem Ort des Unglücks abgewandt zu haben und dies hätte auch Ensyis am liebsten getan. Der Anblick des blassen unnatürlich gekrümmten Körpers war zu viel für den jungen Jäger. Schluchzend sank Ensyis auf die Knie. "Natalia... Natalia", murmelte er immer wieder ihren Namen, immer noch fassungslos über das, was hier geschehen war. Wie hatte Abraxas so etwas nur tun können? Natalias Augen waren weit aufgerissen und vor Angst erstarrt. Ihre letzten Augenblicke mussten einfach nur schrecklich gewesen sein. An ihrem Hals waren zwei winzige Löcher zu erkennen, aus denen ein dünnes Blutrinnsal geflossen war. Jetzt aber war das alles schon erstarrt. In diesem Körper floß kein Blut mehr, er war kalt und starr.

Traurig wollte Ensyis schon nach ihrem Körper greifen, als er neben sich plötzlich eine piepsige Stimme vernahm. "Na endlich kommt hier jemand vorbei und nimmt das arme Ding mit. Schau doch wie hässlich sie sich hier auf dieser schönen Blumenwiese macht. Die ganzen herrlichen Blumen sind breitgetreten wurden. Ihr trampligen Menschen könnt einfach nicht vorsichtig sein!",schimpfte das dünnen Stimmchen. Verwirrt sah sich Ensyis um. Wer war es, der ihn da gerade angesprochen hatte? "Wer bist du? Und wo bist du?", fragte er angespannt. "Ich? Ich bin ich! Und wo ich bin? Na hier! Direkt vor dir! Schau doch mal genau hin!" Ensyis hatte sich aufgerichtete und suchte die nähere Umgebung mit den Augen ab. Aber da war nichts. "Wo?" "Na hier! Hier unten! Auf der großen Glockenblume! Schau doch mal hin!" Unten? Verwundert schaute Ensyis in die angewiesene Richtung und tatsächlich, da war jemand oder besser etwas. Ein dünnes zierliches Geschöpf, allerhöchstens zehn Zentimeter groß und mit glitzernden Libellenflügeln auf dem Rücken. Das Geschöpf glitzerte im hellen Licht der Sonne und strahlte von innen heraus ein starkes Licht aus, so dass es Ensyis nicht möglich war es direkt anzusehen. Es handelte sich hierbei wohl um einen kleinen Glühelf, besser bekannt als Irrlicht, denn die normalen Naturelfen strahlten kein derart intensives Licht aus. Wie bei jedem anderen Elf konnte man auch hier nicht genau feststellen ob es sich nun um ein Männchen oder Weibchen handelte. Ensyis vermutete sowieso, dass es sich bei diesen Wesen wohl generell um Neutrums handeln musste."Na hast du mich jetzt endlich gefunden?",pipste das kleine Wesen keck und schwirrte dann hinauf vor Ensyis' Gesicht. "Also nimmst du das Mädchen jetzt mit? Sie liegt hier jetzt schon so lange herum. Bald werden die Totengeister hier lang kommen und weißt du wie viele Blumen, die erst verrotten lassen? Hässliche Biester sind das! Dass die Vampire aber auch nie ihren Abfall ordentlich wegräumen können. Jedes andere Raubtier frisst seine Beute ganz, und die lassen das Beste liegen! Dabei sieht sie so schön aus mit ihrer blassen Haut und dem angsterfüllten Blick, findest du nicht?" Erschrocken schüttelte Ensyis den Kopf: "Nein ganz bestimmt nicht!", entgegnete er hastig, fragte dann aber:"Du hast gesehen wie sie angegriffen wurde? Du hast ihn gesehen?" "Ihn wieso ihn? Es war doch eine Frau!" "Eine... Frau?", wiederholte Ensyis langsam. "Ja eine Frau! Mit rotschwarzen Haaren und langen Zähnen. Weißt du was eine Frau ist? Ein Frau sieht aus wie du. Aber sie hat oben so zwei große Hügel und unten ist sie ganz rund. Da schau, das Ding da unten war auch einmal eine Frau!",kicherte das kleine Wesen. "Ich weiß, was eine Frau ist!",unterbrach Ensyis das Irrlicht barsch:"Und du bist dir ganz sicher, dass es eine rothaarige Frau gewesen ist?" "Rotschwarz!",meinte das Irrlicht stolz. "Kein Mann mit blauen Haaren?" "Blaue Haare?",nachdenklich legte das Persönchen den Kopf auf die rechte Seite. "Ahhh ich weiß wenn du meinst. Nein der kam erst viel, viel später! Mit einem großen dunklen Mann, der hat den aber verdroschen. Das hättest du nicht sehen wollen. Aber der war das hier nicht Was ist nun, nimmst du das Ding jetzt mit?",fragte das Irrlicht nun schon etwas ungeduldiger. In Ensyis Kopf überschlugen sich im Moment die Gedanken. Abraxas war es nicht gewesen? Aber warum hatte es Dylan dann behauptet? Und warum hatte der Vampir versucht zu fliehen? Wo kamen die Kopfschmerzen und das Stechen in seiner Brust bei jedem Atemzug her? Irgendwie war da am gestrigen Abend etwas vorgefallen, an das sich Ensyis nicht mehr erinnern konnte, aber es war wichtig gewesen. Langsam begann eine böse Ahnung in ihm zu erwachen. Was wenn...

Hastig drehte sich der Jäger auf dem Absatz herum und begann den Weg, den er gekommen war zurück zu rennen. "HEY? Was soll das? Willst du sie hier liegen lassen?", keifte das Irrlicht hinter ihm her. "Ich hole sie später!", rief Ensyis über die Schulter zurück, jetzt musste er wahrscheinlich erst einmal Abraxas retten. Es zählte jede Sekunde.
 

Im Dorf hielt Dylan immer noch seine Ansprache über die Gefahr der Dämonen und die Notwendigkeit der Jäger um diese zu beseitigen. Abraxas hörte gar nicht hin. Das waren also seine letzten Augenblicke. Drei Wochen hatte er als Vampir überlebt und was konnte er? Gar nichts. Abraxas hatte weder gelernt sich in eine Fledermaus zu verwandeln, noch konnte er Wände hinauf gehen oder hatte Ausdauer wie ein Pferd. Er war ein Versager auf der ganzen Linie. So ein Ende passte da doch ganz gut. Wenigstens würde es danach vorbei sein. Vorbei...

*Das ist ja erbärmlich was du hier ablieferst*,hörte er es auf einmal kichern. Erschrocken hob er den Kopf und sah sich um. Wer hatte ihn angesprochen? Alle Augen der Anwesenden lagen auf Dylan, von denen war es keiner gewesen und doch hatte er die Stimme deutlich gehört. Wurde er jetzt verrückt? *Verrückt? Nein, du drehst nicht durch. Zumindest nicht mehr als so schon. Ich bin's doch nur. Spürst du meine Aura denn nicht? Naja kein Wunder so lädiert wie du bist.",kicherte es wieder. Tatsache er wurde verrückt. "Wo bist du?",flüsterte Abraxas atemlos.*Nicht sprechen. Nur denken. Das reicht schon. Schau doch mal nach links oben. Da auf dem roten Dach* Abraxas wand den Kopf nach links und traute seinen Augen kaum. Auf dem Dach sass nur für seine scharfen Vampiraugen erkennbar eine kleine rotschwarze Fledermaus, die ihn frech angrinste. Konnten Fledermäuse grinsen? Diese tat es in jedem Fall. Jetzt war Abraxas auch klar, warum ihm die Stimme so bekannt vorgekommen war. Das war... "Rachel..",flüsterte er fassunglos.

Rachel

Hihoooo! Ich bin wieder da^^

Mal so schnell das generelle Dankeschön für die lieben kommis^^ Schreibt weiter XD die geben mir Kraft zum schreiben >,< Die brauche ich für derartige Kapitel... eigendlich sollte das kap. länger sein... hab mich aber entschieden den zweiten Teil extra zu handhaben... aufgrund dessen, das es sonst zu lang wird... ist ja wirklich anstrengend am pc zu lesen...

Und ich muss mich für dieses kap entschuldigen... vielleicht merkt mans beim lesen net so... aber ich hatte arge schwierigkeiten beim schreiben^^° (deswegen hats so lange gedauert) sowas wie das hier liegt mir net XD ich bleibe lieebr depressiv und monotón hihi...
 

*winkz*

dat sinless
 

Rachel
 

*Hast du mich nun endlich erkannt?*,kicherte es wieder, aber der Klang der körperlosen Stimme hatte seinen Schrecken für Abraxas verloren. Er wusste ja jetzt wo er sie einordnen musste. Von den Anwesenden hatte noch niemand die kleine Fledermaus bemerkt auch war Abraxas' verändertes Verhalten noch nicht aufgefallen. Jähe Hoffnung war in dem Vampir aufgeflammt, war vielleicht doch noch nicht alles verloren? *Rachel. Gott sei Dank! Hilf mir!* Die Fledermaus legte den Kopf schief und verengte scheinbar verärgert die Augen zu schlitzen. *Gott? Findest du es in deiner Situation nicht äußerst unpassend seinen Dank ausgerechnet solch einem Wesen auszusprechen? Du solltest mal darüber nachdenken wer du bist!* Perplexer als Abraxas Gesicht in diesen Moment hätte wohl nichts auf Erden sein können. Dieser Ausdruck hatte mit Unglauben schon fast gar nichts mehr zu tun. Der Vampir versuchte eine gereizte Bewegung zu machen wurde aber von den festen Seilen des Pfahles festgehalten. Schon begannen die ersten verwirrten Blicke zu ihm hinauf zu wandern. Abraxas bekam es nicht einmal mit. Seine ganze Aufmerksamkeit lag auf der kleinen Flugratte.*Wie bitte? Bist du von Sinnen? Das können wir doch später klären! Hilf mir lieber.* Langsam aber sicher begann sich in Abraxas Inneren Panik breit zu machen. Die Rettung war so nahe, aber Rachel machte ja noch nicht einmal Anstalten irgendetwas zu unternehmen. Sie grinste ihn nur immer weiter gehässig an. Wollte sie zusehen, wie er hier jämmerlich verbrannte? Das war doch gar nicht ihre Art. *Nicht meine Art? Woher willst du denn das wissen? Ich glaube ich bleibe erst mal hier oben und warte bis die Flammen dich schön verbrannt haben. Dann kann ich dich ja immer noch retten.* Abraxas Gesicht wurde noch blasser als es eh schon war, verzweifelt versuchte er wieder sich loszureißen. Zwecklos. Wo waren sie, die Bärenkräfte eines Vampirs? Wo war der dunkle Teil seiner Seele, wenn er ihn einmal brauchte? Sonst wo... aber nicht hier. Nicht in ihm, er war alleine und Rachel würde ihm auch nicht helfen.

Sein merkwürdiges Verhalten oben auf dem Holzhaufen hatte schließlich doch den größten Teil der Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dutzende Augenpaare hatten sich auf den jungen Vampir konzentrierte und starrte ihn nun teilweise neugierig oder verängstigt, größtenteils aber hasserfüllt an. Dylan hatte seine flammende Rede schließlich auch beendet und drehte sich nun gemächlich zu Abraxas um. Gleich würde es nochviel feuriger werden. Lächelnd lies er sich von einem der Bauern eine Fackel reichen und entzündete diese mittels eines chemischen Pulvers aus seiner Alchemistenküche.

Auf dem Platz war es nahezu totenstill geworden. Alles schien den Atem anzuhalten und darauf zu warten, wann die leckenden Flammenarme endlich auf den Holzhaufen übergreifen würden. Auf Abraxas Stirn stand Schweiß. Er hatte wieder einmal Angst, wahnsinnige Angst, wer wollte es ihm auch verübeln. Aber was brachte es jetzt noch zu rufen. Es war vorbei. Niemand würde ihm helfen. Dylans Arm sank bedrohlich nach unten. Noch trennten die brennende Fackel zwanzig Zentimeter vom trockenen Holz, dann nur noch zehn, schließlich fünf und dann gar nur noch ein einziger...

Abraxas schloß die Augen. Er wollte es nicht sehen. Im nächsten Moment loderten heiße Flammen nach oben. Die gierigen Feuerauswüchse griffen nach seiner Kleidung und verbrannten sie zu Asche. Er spürte die brennenden Qual auf seiner Haut, wie die Flammen sich in seine Haut senkten und hässliche Wunden hinein brannten. Der süßliche Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft...

Oder zumindest sollte er das.

Verwirrt blinzelte Abraxas mit den Augen. Nichts von alledem war geschehen. Dylan stand wieder aufgerichtet vor ihm, die Fackel immer noch fest in seiner rechten Hand. Die Augen des Jägers allerdings ruhten nicht mehr auf dem gefesseltem Vampir vor ihm, sondern auf einem anderen. Er hatte Rachel entdeckt.

"So so. Die ganze Zeit jage ich dir nach, aber du lässt dich nicht erwischen. Aber jetzt wo es deinem Kollegen hier an den Kragen geht, lässt du dich auf einmal blicken. Seid ihr Vampire am Ende doch irgendwo sozial eingestellt?", lachte Dylan höhnisch. Durch die Menschenmenge ging ein leises Raunen und Murmeln. Viele verwirrte Blicke wechselten immer wieder zwischen Dylan und Abraxas hin und her. Diese dummen Menschen. Hatten sie es noch immer nicht verstanden? In Abraxas Augen hätte Verachtung für diese schwachen Wesen gelegen, wäre da nicht immer noch die in erster Linie vorherrschende Angst gewesen. Schließlich war er es der hier wirklich akut in Gefahr war.

"Was ist? Willst du nicht herunterkommen? Oder hast du Angst?", rief Dylan zu der kleinen Fledermaus hinauf und schlenkerte dabei gefährlich mit der Fackel hin und her, was Abraxas erschrocken die Luft einsaugen lies. Hastig trat er nach den heruntergefallenen Funken um die Glut noch zu ersticken. Noch loderten keine Flammen und es schien so als wäre sein Urteil um ein paar Minuten aufgeschoben, da sich Dylan erst mit Rachel beschäftigen wollte. Die Vampirlady schien erst einen Moment zu überlegen ob sie sich auf Dylans Provokation einlassen sollte oder nicht, schwang sich dann aber mit einem eleganten Flügelschlag vom Dach hinunter. Noch bevor das kleine Fellknäuel aber den Boden berührte, änderte sich plötzlich seine Gestalt und wuchs zu einer schönen Frauenfigur an. Es war nicht das erste Mal, das Abraxas die Verwandlung einer Fledermaus in einen Vampir mit ansah, wohl aber war es das erste Mal, das er es bei Rachel sah. Sie war noch so schön wie eh und je. Ja der blasse Teint ihres Gesichtes im Gegenspiel mit den tiefroten Lippen schien sie sogar noch viel schöner gemacht zu haben. Ihre schwarzen Haare mit dem intensiven Rotschimmer, wiegten sich sinnlich um die sanften Rundungen ihrer Hüften. Die roten Vampiraugen, welche von langen schwarzen Wimpern gerahmt waren, schienen ihn verführerisch anzulächeln, ganz anders als sie das früher getan hatte, als sie beide noch Menschen gewesen waren. Nun erschien sie ihm noch viel reifer und fraulicher, viel begehrenswerter als früher schon. Abraxas spürte wie sein Herz schneller zu klopfen begann. Rachel hatte es natürlich sofort mitbekommen. Sicher war sie sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst und wenn nicht das, dann musste sie zumindest seine ansteigende Körpertemperatur wie den schnelleren Herzschlag spüren. Auf Dylan wirkten die fraulichen Reize der Vampirdame allerdings gar nicht. Ernst wanderten seine Augen über ihre schwarzen, viel zu kurz geratenen Seidenkleider. Der Rockschlitz war verboten hoch und ihr Ausschnitt derartig tief, das sich Abraxas zu fragen begann warum sie denn nicht gleich nackt ging. Keine Sterbliche hätte sich so auf die Straße gewagt mit diesen langen hohen Lederstiefeln und den blutfarbenen Ohrringen. Aber eine Vampirlady, ja die tat das und ihr Auftritt verfehlte ihre Wirkung nicht.

"Mach den Mund zu Abraxas! Kann man ja nicht mit ansehen!" Rachel hatte zum allerersten Mal den Mund aufgemacht und was kam heraus? Nur Spott und Hohn für ihn. Was sollte das denn? "Ach ihr kennt euch also?", fragte Dylan plötzlich. Ein breites Grinsen hatte sich über seine Lippen gelegt. Ruhig gab er die Fackel an einen der Bauern, der sich hastig wieder von ihm entfernte. Jetzt waren hier gleich zwei Vampire. Das schien den meisten Dorfbewohnern nicht ganz geheuer zu sein, denn sie hatten sich in einem respektvollen Abstand zu den Dreien positioniert. Ein sirrender Laut durchschnitt die Luft als Dylan sein Schwert aus der Scheide zog und es locker zweimal zur Aufwärmung durch die Luft schwang. Rachel betrachtete das glänzende Metall eher desinteressiert. Sie schien sich der Gefahr nicht ganz bewusst zu sein in der sie sich befand. "Ich finde es recht praktisch, dass du hier jetzt auftauchst und ich dich vor allen Anwesenden töten kann. Dann kann ich mein Versuchskaninchen vielleicht noch ein bisschen länger behalten",lachte Dylan fröhlich und stapfte dann auf die junge Dame zu. In einer lässig wirkenden Bewegung wischte Rachel die dunklen Haare von ihrer Schulter und verzog spöttisch den Mundwinkel.

Abraxas verstand nicht was den Ausschlag gab, aber wie auf ein Zeichen, das die Beiden miteinander vereinbart hatten, entbrannte auf einmal der Kampf. Dylan stürzte nach vorne, die Schwerthand drohend erhoben. Fast schien es schon so, als würde Rachels blutender Kopf über den Boden rollen, den Dylans Schwertstrich kam schnell und kraftvoll aber es war der Vampir, der sich noch viel schneller bewegte. In einer tänzelnden Bewegung, wich Rachel dem Jäger nicht nur aus sondern brachte es sogar fertig hinter ihn zu kommen und ihm einen kräftigen Stoß in den Rücken zu versetzten. Hätte sie eine Waffe gehabt, hätte das schon das Ende für den Jäger bedeuten können, so aber stolperte der nur kurz nach vorne fing sich aber sofort wieder. Schnaufend vor Wut drehte sich der grobe Jäger wieder zu der zierlichen Frau um, das mächtige Schwert fest mit der rechten Hand umfasst. "War es das schon? Die Macht des Jägers Dylan, dessen Name sogar unter den Vampiren gefürchtet ist?", fragte Rachel höhnisch und verschränkte die Arme vor ihrem Körper. Ihr Körper wirkte gespannt, trotzdem lag in ihren Gesicht eine derartige Überheblichkeit, als wäre es schon von vorne herein klar, wer diesen Kampf gewinnen würde. Abraxas konnte seinen Augen nicht trauen. War das tatsächlich Rachel? Dieses liebe Mädchen, was über jeden Blödsinn den er veranstaltet hatte, gelacht hatte? Die, die sich bei ihm verkrochen hatte, wenn Meantoris' wahnsinnige Schreie wieder durch die Burg hallten? War sie es denn noch?

Dylan schien sich unterdessen wieder gefasst zu haben, zumindest ging er nicht auf die Provokationen der Frau ein, sondern marschierte beherzt auf sie zu. Der Boden schien unter seinen schweren Schritten zu zittern. Rachel hatte den Kopf stolz erhoben und erwartete ruhig den nächsten Angriff des Jägers und dieser kam auch ohne weitere Vorwarnung. Wieder wich Rachel tänzelnd dem Schwertstrich Dylans aus, aber diesmal hatte sie den Jäger unterschätzt. Dieser nutzte den Schwung seines eigenen Schwertes um sich einmal ganz herumzudrehen und die scharfe Seite der Waffe wieder zielsicher in einer fliessenden Bewegung auf Rachels Hals zuzuführen. Der Vampir gab einen zischenden Laut von sich, bevor sie sich reflexartig nach hinten fallen lies um den sausenden Metall zu entkommen. Trotzdem hatte Dylan getroffen. Ein dünner Strich hatte sich in die sonst so makellose rechte Wange ihres Gesichtes gegraben und begann nun heftigst zu bluten. Rachel blieb allerdings keine Zeit um sich zu sammeln, denn der Jäger stürmte mit einem Grunzen wieder nach vorne auf sie zu. Erschrocken ließ sich der Vampir auf die Knie fallen während die Klinge haarscharf über ihren Kopf hinweg sauste. Einige der seidig glänzenden Haare, fielen leise zu Boden. Bevor Dylan allerdings dazukommen konnte wieder zuzuschlagen sprang Rachel in einer Rolle auf die Beine und drehte sich wirbelnd an dem Jäger vorbei und befand sich nun wieder hinter ihm. Schnell griff die so schmächtig wirkende Frau nach dem muskulösen linken Arm des Jägers und verdrehte ihn diesen brutal auf den Rücken. Dylan konnte einen erschrockenen Schmerzenslaut nicht unterdrücken, als sich die Spitzen Vampirkrallen in seinen Arm hineinbohrten und tiefe Wunden in das nackte Fleisch rissen. Schon beugte sich der Vampir nach vorne um seine langen Zähnen in den Hals des Jägers zu schlagen, aber soweit kam Rachel nicht. Mit einem gewaltigen Schrei zerrte der Jäger den Arm, welchen Rachel immer noch festhielt wieder nach vorne und warf die Frau noch in dieser Bewegung zu Boden. Dylan grinste böse und entblößte dabei seine Zähne. "Na wer gewinnt nun?",flüsterte er, holte aus und schlug mit dem Schwert nach unten auf den wehrlosen Frauenkörper.

Bevor das Schwert aber das weiche Fleisch des Vampirs berühren konnte, wurde sein Schwung plötzlich gestoppt. Rachel hatte die Hände zusammengepresst und so mit bloßen Händen die Schwertklinge abgefangen. Nur wenige Zentimeter trennten den kalten Stahl noch von ihrem vom Kampf erhitzen Gesicht und sie wurden von Sekunde zu Sekunde weniger. Auf Dylans Gesicht lag ein erbitterter Ausdruck während er das Schwert entschlossen immer weiter nach unten trieb. Die Kraft des Vampirs war nicht ungewöhnlich, aber sie würde nicht die Erste sein, die er bezwang. Auf Rachels Armen waren die Adern hervorgetreten. Die Anstrengung war ihr ins Gesicht geschrieben. Nein sie würde nicht sterben, so einen erbärmlichen Tod hatte sie nicht verdient. Sie nicht!

Vor Enttäuschung und Wut begann Rachel zu schreien und hysterisch zu kreischen. Keine Worte nicht einmal direkt ein Laut, aber ihr Schrei brannte sich direkt in das Innere aller Anwesenden, drang tief hinein in ihre Seelen und verfolgte sie bis ganz nach tief unten in die Lichtlosenhöhlen, da wo sonst niemand anders mehr Zugang hatte. Bei Abraxas stellten sich sämtliche Haare nach oben, ein kaltes Schaudern hatte ihn erfasst. Dieser Schrei schien nicht mehr von dieser Welt und doch war er ihm so vertraut. Es war der Wahnsinn der Vampire, der auch tief in ihm brannte und der dem Ruf Rachels... antwortete.

Ein klirrender Laut durchschnitt die aufs äußerstes gespannte Luft, als Rachel plötzlich wieder auf die Beine sprang und sich keuchend von Dylan wegdrehte. Der starrte fassungslos auf den abgebrochenen Schwertstumpf in seiner Hand. Wie hatte sie? Für Verwunderung aber war keine Zeit. Achtlos warf er das nutzlos gewordenen Schwert auf den staubige Boden und zog statt dessen einen langen Dolch aus seinem Gürtel. Mit drei schnellen Schritten war er wieder an Rachel heran, ergriff sie bei der Schulter, drehte sie grob zu sich und wollte ihr den Dolch in den Leib stoßen. Aber Dylan erstarrte mitten in der Bewegung und schaute verblüfft in die roten Augen der Vampirdame, die ihn höhnisch anlächelnden. "Ich gewinne",flüsterte sie spöttisch, während sie ihm erbarmungslos die abgebrochenen Schwerthälfte tiefer in den Bauch trieb. "Du...", weiter kam Dylan nicht mehr, da Rachel die kalte Klinge noch einmal scharf anzog und fester in seinen blutigen Leib hineinbohrte. Aus den Mundwinkel des Jägers begann dickflüssiges Blut zu tropfen, während er langsam zu Boden sank und ihn Rachel schließlich achtlos fallen lies. Noch bevor Dylans sterbliche Überreste den Boden berührte erklangen auf dem Platz hysterische Schreie. Unter den Dorfbewohnern war ein wahrer Tumult ausgebrochen. Die ganze Zeit hatte niemand von ihnen auch nur ein Wort gesagt, alle Augen hatten gebahnt an dem Kampf zwischen dem Jäger und dem Vampir gehangen. An dem Kampf zwischen Gut und Böse. Nur hatte das Böse diesmal gewonnen. Es bedurfte nur eines Lächeln Rachels und eines weiteren Schrittes um die sowieso schon in heller Panik stehende Masse endgültig aus dem Konzept zu bringen. Schreiend vor Angst, ergriffen Eltern ihre Kinder ungeachtete deren verstörten Weines. Hals über Kopf stürzte alles was nur irgendwie laufen oder kriechen konnte davon, Frauen wie Männer gleichermassen und innerhalb von Sekunden war der Platz wie leergefegt. Nur noch Abraxas und Rachel waren anwesend und ersterer hätte sowieso nicht weglaufen können, selbst wenn er gewollt hätte. Wollte er es denn? Ein kleiner Teil von ihm schon. Irgendetwas an dem Vampir erschreckte ihm zutiefst. Nicht so sehr was sie getan hatte, sondern vielmehr mit welcher Kaltblütigkeit es geschehen war. Das kannte er doch schon von den Vampiren. Von den Vampiren, aber doch nicht von...

"Was ist? Du schaust mich an als hättest du ein Gespenst gesehen", sagte Rachel in einem Ton der Abraxas das Blut in den Adern gefrieren lies. Was war nur aus ihr geworden? Aus seiner kleinen Rachel?

Es dauerte nicht lange da hatte Rachel auch schon die Fesseln Abraxas gelößt und der Vampir konnte sich wieder frei bewegen. Erleichtert streckte der die Arme gen Himmel und renkte die versteiften Schultern vorsichtig wieder ein, dann hüpfte er in Windeseile von dem mächtigen Scheiterhaufen hinunter und stellte sich weit entfernt von ihm hin.

"Du brauchst dich da gar nicht so festzustehen. Wir müssen los!",meinte Rachel ruhig während sie ebenfalls vom Holzhaufen hinunterkletterte. An ihre Händen klebte immer noch das Blut Dylans aber sie schien es nicht einmal zu bemerken.

"Wohin?", fragte Abraxas verwundert. Er konnte sich keinen Platz vorstellen wo Rachel so schnell hinwollte. Hier waren doch erst einmal keine Menschen, da konnte man ja da bleiben.

"Zur Burg natürlich. Ich habe den Auftrag dich zu Lord Meantoris zurückzubringen",antwortete Rachel gleichgültig.

Lass uns gehen

Hiho danke wieder für die Kommis und die vielleicht noch folgenden.

*mal eben Ifnaka knuff*

mal eben so ne frage... ist das eigendlich noch jugendfrei was ich hier geschrieben habe??? ich bin an bisel erstaunt über mich selbst... das ist die weihnachtstimmung! die schlägt mir aufs gemüt XD
 

*************
 

Lass uns gehen
 

Der Wind schien durch ihn hin durchzuwehen, so sehr hatten ihn Rachels Worte bis auf die Grundrisse erschüttert. "Zu Meantoris... zurück?", wiederholte er langsam. "Zu Lord Meantoris, wohlgemerkt!",antwortete Rachel schnippisch und drehte sich von Abraxas weg. "Verwandeln kannst du dich wohl nicht, sonst hättest du dich ja befreien können, dann müssen wir eben laufen. Tss, man hat es nicht leicht mit dir!" Während sie sprach marschierte sie keck vorneweg. Ihre Hüften wiegten sich sanft bei jedem Schritt.

"Ich werde nicht mit zurück kommen."

"Klar du schlägst dich ganz alleine durch. Man hat ja eben gesehen wo hin das führt",lachte die Frau höhnisch. "Ich meine es ernst!" Irgendetwas in Abraxas Stimme bewog Rachel dazu, stehen zu bleiben. Langsam drehte sie sich wieder zu ihm. Der wallende Stoff ihrer Kleider wehte dabei im immer kälter werdenden Wind. Abraxas begegnete ihrem Blick ruhig und ohne Furcht, aber es lag eine Entschlossenheit darin, die Rachel klar machte wie ernst er es meinte. "Du... willst also nicht mit zurück", stellte sie zögernd fest. Abraxas nickte lies Rachel dabei aber keinen Moment aus den Augen. "So ist es. Ich weiß noch nicht wohin ich gehe, aber auf alle Fälle weit weg von der Burg." "Alleine bist du verloren. Du hast keine Chance. Der nächste Jäger wartet schon auf dich!", entgegnete Rachel mit einem Kopfnicken in Richtung Dylans Leiche. Der Untergrund unter ihm hatte sich rot gefärbt und dickes Blut stand in schillernden Pfützen in den Ritzen des Kopfpflastersteins. Abraxas drehte es bei diesem Anblick sprichwörtlich der Magen um. Er hatte Dylan nie gemocht, nein er hatte ihn abgrundtief gehasst. Trotzdem machte dieser Umstand nichts an der Tatsache, dass er kein Blut sehen konnte oder zumindest nicht ein derartiges Gemetzel. Aber in ihm begann sich der Vampir zu regen. Nach der langen Zeit des Schlafes machte er sich wieder bemerkbar. Er war noch da und er war durstig. "Ich komme auch alleine zurecht",antwortete Abraxas trotzig, den Instinkt in sich mühevoll zurückdrängend:"Du kannst es ja auch!"

Rachel lachte gehässig auf. Böser Spott lag in ihrer Stimme während sie sprach:"Ich? Ich? ICH bin ein Vampir!" "Das bin ich auch!" "Du?", wieder lachte die Frau:"Nein, du bist kein Vampir. Du bist nur ein schlechtes Abbild eines Vampirs." langsam war sie an ihn herangetreten und hatte eine Hand auf seine rechte Wange gelegt. Abraxas wagte nicht zu atmen. Die Roten Augen Rachels hielten ihn gefangen, zogen ihn in ihren Bann und suchten ihn zu verschlingen. Sie riefen ihm zu. Komm zu mir, zu mir!

Ein stechender Schmerz riss den Vampir ruckartig zurück in die Realität. Rachels Fingernägel hatten sich in seine Wange gegraben und rissen dort blutige Wunden. Warmes Blut begann an ihrem Handgelenk nach unten zu fließen, aber bevor es hinab tropfen konnte, fing die Vampirlady es bereits mit ihrer Zunge auf. "Nein du bist kein Vampir. Irgendetwas unterscheidet dich von uns grundlegend, auch wenn ich nicht weiß, was es ist", kicherte sie, während sich ihre Nägel tiefer in Abraxas Fleisch gruben. Der wagte immer noch nicht zu atmen. Er spürte den Schmerz, aber auf der anderen Seite auch nicht. Was war schon körperlicher Schmerz zu dem was er tief in sich drin empfand. Was war nur aus ihr geworden? Wo war sie hin, das Mädchen, was er geliebt hatte? Warum hatte sie sich so verändert? "Wer bist du?", flüsterte er leise. Rachel antwortete nicht, statt dessen fanden sich ihrer beider Lippen.

Oh wie lange hatte er sich danach gesehnt. Ihre schmalen Lippen, die Zungen die sich voller Leidenschaft zärtlich umspielten.. Nichts hatte sich geändert. Wie hatte er nur zweifeln können? Nichts...

In ihm bäumte sich der Funke vor lauter Glück auf, drang nach oben und schien sein ganzes Innerstes erfüllen zu wollen. Strahlendes Licht, welches sich die Dunkelheit anschickte aufzufressen.

Panisch stieß Abraxas Rachel von sich, sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und sein Atem ging schwer und keuchend. Rachel schien über seine Reaktion nicht sonderlich überrascht zu sein. Etwas enttäuscht stand sie auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern.

"Warum hast du das gemacht?",kreischte Abraxas hysterisch. Um seine Beherrschung war es nicht allzu gut bestellt. Lächelnd fuhr sich Rachel durch die Haare und strich sie über die Schulter. "Was gemacht? Es ist mir doch nicht gelungen deine Seele zu fressen. Was hast du?", kicherte sie. Vorsichtig machte Abraxas ein paar Schritte rückwärts. "Genau das! Warum?" Rachel schüttelte kichernd den Kopf. "Du weißt es nicht, was? Du weißt nicht was für einen Wert deine Seele hat, nicht wahr? Ich kenne nicht den Grund dafür, aber sie strahlt, strahlt viel heller als bei allen anderen Lebewesen, als ob sie nicht von dieser Welt wäre. Meantoris will diese Seele haben. Du weißt wie der Hase läuft. Zum Überleben braucht ein Vampir Blut und die Seelen anderer, da er die Eigene verloren hat. Nur diese können ihn stärken." Abraxas verstand immer noch nicht richtig. "Aber warum du?", flüsterte er verzweifelt. Er wollte es einfach nicht glauben. Nicht Rachel.

"Ich führe nur den Willen Meantoris' aus. Wenn es mir nicht möglich sein sollte dich zum Mitkommen zu bewegen soll ich deine Seele eben so in meine Gewalt bringen. Vielleicht hast du Glück und du erwachst einfach ganz normal als Vampir, wahrscheinlich wirst du zum Goul. Also was muss ich dir im Austausch geben, damit ich deine Seele bekomme?", fragte sie fröhlich. Abraxas war immer weiter zurückgewichen. Verzweifelt schüttelte er den Kopf. "Ich will nichts von dir! Ich will ich bleiben!", würgte er voller Panik hervor.

Langsam machte Rachel einen Schritt nach vorne, ihre Augen hatten einen verklärten Ausdruck angenommen. "Was ist es was ich dir geben soll? Jeder ist irgendwo käuflich. Was willst du? Freiheit von dem Vampiren? Du kannst gehen, wenn ich deine Seele habe... niemand wird dich behelligen. Macht? Geld? Ansehen? Das alles kann ich dir verschaffen. Meantoris Einfluss reicht weit. Oder willst vielleicht..." "Ich will gar nichts!", schrie Abraxas nun schon fast. Sie sollte weg bleiben, weg von ihm. Verschwinden dahin wo sie hergekommen war und all ihre bösen Dämonen mit sich nehmen. "Oder willst du vielleicht mich?" fassungslos hob Abraxas den Kopf und starrte die Frau an. Rachel hatte begonnen sich ihre Kleidung vom Leib zu streifen, während sie ihm immer näher kam. "Oder willst du vielleicht mich?", flüsterte sie singend. "Diesen Körper hier? Gib es doch zu! Das wolltest du doch immer! In mich hinein! Mich spüren mit allem was du hast. Hat es dich nicht immer aufs Maßlose gestört, dass nur Meantoris Anspruch auf mich hatte? Wie oft hast du dich danach gesehnt, dass du doch an seiner Stelle wärst. Ich habe deine Blicke doch gesehen und ich habe deine Küsse gespürt. Du wolltest viel mehr als wir getan haben!" Panik begann sich in Abraxas auszubreiten. "Nein, nein!", schüttelte er panisch den Kopf. "Nein das wollte ich nie! Es hat mir gereicht, so wie es war." "Hör auf zu Lügen!",herrschte Rachel ihn kalt an. "Ich kenne dich. Besser als jeder andere. Mich kannst du nicht belügen. Vielleicht weißt du es selbst nicht, aber dein Körper verrät mir mehr als tausend Worte aus deinem Mund es vermögen würden. Du willst mich!" Rachel hatte ihre Kleidung komplett ausgezogen und stand nun nackt vor dem blauhaarigen Mann. Wie zart sie ihm erschien, wie unschuldig. Alles Lüge. Abraxas Körper bebte, als sie ihn sanft an den Schultern griff und vorsichtig , aber zugleich auch mit einer unerbittlichen Gewalt nach unten drückte. Warum wehrte er sich denn nicht? Er war auch ein Vampir! Er sollte in der Lage sein, es mit ihr aufzunehmen. Warum tat er nichts?

Weil es Rachel war und sie hatte recht. Er hatte es gewollt, mit Rachel... Aber mit dem Menschen, mit dem MENSCHEN Rachel, nicht mit dem Dämon, der aus ihr geworden war. "Ich will das nicht!",flüsterte er zitternd. Rachel sass nun auf ihm und schmiegte ihren nackten Unterleib an den seinen. Schweigend beugte sie sich nach unten. Ihre langen, schöne, dunkle Haare fielen Abraxas auf die Schultern und ins Gesicht und noch immer hielt sie ihn mit gnadenloser Gewalt am Boden festgenagelt. Abraxas spürte ihren warmen Atem an seinem Ohr und hörte wie sie ein paar zarte Worte hinein hauchte: "Aber ich will! Und danach gehörst du mir oder das was von dir übrig bleibt."

Abraxas schrie wütend auf und stieß Rachel von sich. Rachel hatte den plötzlichen Angriff nicht kommen sehen, wurde so brutal von ihm weggeschleudert, knallte gegen den nächsten Bretterverschlag und fiel dort mit einem erstickten Schrei zu Boden. Keuchend versuchte der Vampir sich wieder aufzurichten, als plötzlich ein dunkler Schatten auf sie fiel. Als sie verwirrt aufsah, bemerkte sie, dass es Abraxas war, der nachdenklich auf sie herabsah. Aber etwas war anderes an ihm. Das Gesicht war ernst und sein Körper war stolz aufgerichtet. Er sah auf sie herab mit... Verachtung?! "Was...?",keuchte Rachel und schickte sich an wieder auf die Beine zu kommen. Bevor sie aber selbst aufstehen konnte hatte Abraxas sie schon am Hals gepackt und nach oben gezogen. Immer noch hatte er kein Wort gesagt. "Was tust du?",fragte Rachel erschrocken, schwieg aber sofort als sich Abraxas Griff fester um ihren Hals schloss. "Du... erwürgst mich!" "Das ist Sinn und Zweck der Übung", meinte Abraxas mit einem kalten Lächeln auf dem Lippen, dass Rachel Angst einjagte. Das war nicht derselbe Vampir wie noch kurz zuvor! Er hatte sich grundlegend verändert. "Wie war das eben? Erst schläfst du mit mir und dann holst du dir meine Seele?",fragte Abraxas leise in einem trällernden Ton. Rachel wagte nicht zu antworten. "Der erste Teil ist in Ordnung...",lachte Abraxas hämisch und griff zur gleichen Zeit an ihren nackten Schenkel und drückte ihn beiseite. "Über zweitens müssen wir noch einmal reden. Ich schlage vor, dass wir einen kleinen Teil ändern. Nicht du holst dir meine Seele, sonder ICH fresse DICH, Abgemacht?" Rachel war der Angstschweiß auf der Stirn ausgebrochen. Panisch versuchte sie sich aus Abraxas Griff zu befreien, aber der Vampir war stärker als sie. Wieso? WIESO?

Langsam begann Abraxas Hand nach unten zu wandern, stoppte einen Moment als Rachel wieder stark anfing zu zappeln und drückte dann mit unverminderter Gewalt nach unten. Abraxas lächelte Rachel böse an, während seine Hand schon fast das verbotene Dreieck gefunden hatte. Die Augen glühten stechend rot, aber wo war der Funken hin? In seinen Augen war es nur noch dunkel?!

"NICHT!" Schreiend ließ Abraxas Rachel plötzlich los und griff sich an den Kopf. "Du Narr...",würgte er wütend hervor und schlug sich anschließend selbst ins Gesicht. Dann war der Spuk genauso schnell vorbei, wie er gekommen. Zitternd hob Abraxas den Kopf und sah Rachel verzweifelt an. Diese verstand und zögerte keinen weiteren Moment. Abraxas überschlug sich mehrmals als sie ihm ihre Faust ins Gesicht donnerte und blieb stöhnend am Boden liegen. Als Abraxas aufsah, erkannte er wie Rachels Silhouette sich ihm wiegend näherte. "Beinah hättest du mich besiegt...",flüsterte sie, während ihre Augen ihn gierig betrachteten. "Aber nur beinahe. Ich fürchte es ist zu gefährlich sich noch mit dir zu vergnügen. Ich werde dich töten müssen bevor dein anderes Ich wieder zu Tage kommt.",sagte sie und packte ihn dann. Abraxas hatte aufgegeben. Er konnte nichts tun. Langsam näherten sich ihm Rachels Lippen, diesmal aber steuerten sie nicht seinen Mund an sondern sehr deutlich eine bestimmte Stelle an seinem Hals. Bevor sie ihn aber erreichte stockte die Vampirdame plötzlich und riss brüllend vor Schmerz den Kopf in den Nacken. "ABRAXAS! Schlag zu!", hörte der Vampir es rufen. Hastig drehte er den Kopf in Richtung der vertrauten Stimme.

Am Eingang des Marktplatzes stand hochaufgerichtet Ensyis, die rechte Hand nach vorne gestreckt. Sein Gesicht war vor Anstrengung verzerrt und goldenen Funken sprangen aus seiner Handfläche, die sich alle gezielt auf Rachel richteten. Die Frau kreischte gellend und riss den Kopf wild hin und her. Es war ein mächtiger Zauber, der Dylan ihm ursprünglich für Abraxas gedacht, anvertraut hatte. Aber er hatte seinen Preis. Lange würde der junge Jäger den goldenen Segen nicht mehr aufrecht erhalten können. "MACH SCHON!",schrie er verzweifelt. Er wusste es genauso wie Abraxas, sie hatten nur diese eine Chance. "Ich kann nicht",flüsterte Abraxas traurig. *Aber ich* Im nächsten Moment wurde Abraxas Bewusstsein in einem Strom wilder, dunkler Gedanken hinfort gespült und der Vampir schlug die Zähne in Rachels Hals.
 

Traurig stand Abraxas an dem kleinem Hügelgrab auf der Lichtung des Kristallsees. Noch immer kamen ihm die Tränen, wenn er daran denken musste, was mit Rachel geschehen war und wer es schlussendlich gewesen war, der ihren Lebensfaden durchschnitt. *Pff, sie lebt jetzt in dir! Was willst du denn?*,fauchte es wieder mal in ihm. Sein zweites Ich war seid er Rachels dunkles Selbst verschlungen hatte ziemlich aufmüpfig geworden und meldete sich viel häufiger zu Wort als früher noch. Abraxas schüttelte traurig den Kopf. Nein, in ihm war nur ihr Abbild, der Dämon, der von ihr Besitz ergriffen hatte. Nur den hatte er gefressen und zu einem Teil von sich gemacht. Aber das wahre selbst Rachels, das was sie ausmachte, ihre Seele?! Die war nicht da gewesen. Die hatte jemand anders und Abraxas kannte ihn nur zu gut. Aber noch war die Zeit nicht reif um sich holen was ihm zustand.

Hinter ihm hörte er es plötzlich rascheln und er drehte sich müde nach dem Geräusch um. Ensyis war aus dem Schatten der Bäume getreten und sah Abraxas ausdruckslos an. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, auch ihm hatten die letzten Tage viel abverlangt. Die Beisetzung Natalias ist zu Ende", meinte er leise und lies den Kopf sinken. Abraxas wand unruhig den Blick zur Seite. Er war sich sicher, dass Ensyis nicht wollte, dass er sah wie er weinte. "Hey, Abraxas!" fragend sah der Gerufene wieder auf und musste im nächsten Moment in Deckung gehen. Ärgerlich sah er auf den schweren Gegenstand, den er beinahe an den Kopf bekommen hatte. "Was soll das?", fauchte er aufgebracht. "Na denkst du ich würde deinen Rucksack tragen? Das machst du gefälligst schön alleine!", gab Ensyis im nicht minder heftigen Tonfall zurück.

Für einen kurzen Moment war es still auf der kleinen Lichtung , dann fanden sich ihrer beider Blicke und sie mussten beide lächeln, was schnell in ein befreiendes Lachen überging. Alles was in der letzten Zeit passiert war schien von den beiden abzufallen und zumindest für den Moment schienen alle Sorgen ganz weit weg.
 

"Lass uns gehen", lächelte Ensyis.
 

Ende 1. Teil

Ein neuer Anfang

Sooo ich bin wieder da... hat diesmal recht lange gedauert^^°

Weil ich mit an paar anderen Sachen beschäftigt war und ausserdem nicht recht wusste wie ich die Story nun anpacke... jetzt weiß ichs aber wieder und es geht nun weiter... jetzt kommt also das erste Kapitel des zweiten Teils von Abraxas^^

Viel Spaß damit
 


 

Ein neuer Anfang
 

Ensyis quälte sich schnaufend den steilen Bergpfad hinauf. Immer wieder stolperten seine müden Beine über abschüssiges Geröll - und lose Steine hätten ihn wohl auch das eine oder andere Mal zu Fall gebracht, wenn er nicht immer noch im letzten Moment das Gleichgewicht wiedergefunden hätte. Die Sonne knallte heiß vom Himmel herunter, es musste wohl langsam auf Mittag zugehen, doch noch immer war der Gipfel des Gebirgshanges nicht näher gerückt. Das breite Bündel, das Ensyis auf den Schultern trug, schien mit jedem Schritt schwerer zu werden und er war bereits drauf und dran, das lästige Gepäckstück bei der nächsten Gelegenheit in die erstbeste Felsspalte zu werfen. Lang würde es nicht mehr dauern. Einen kurzen Moment blieb Ensyis stehen um nach Luft zu schnappen und wieder zu Kräften zu kommen. Dabei schweifte sein Blick aufwärts, zu der schlanken Gestalt Abraxas' ,welcher behände immer weiter nach oben wanderte. Ihn schien der Anstieg des Berges nichts auszumachen, auch hatte Ensyis ihn noch kein einziges Mal hier oben nach der so dünnen Luft ringen sehen. Vampir müsste man eben sein. Kopfschüttelnd machte sich Ensyis wieder an den Aufstieg, darum bemüht Abraxas einzuholen, aber wenn der nicht irgendwann einen Anflug von Barmherzigkeit hatte und auf ihn wartete, lagen seine Chancen wohl eher schlecht.

Ensyis war aber auch selbst schuld an dieser Misere. Es gab mehr als einen Weg nach Karchorn, dem Ort in dem sein Cousin lebte. Einen Weg, der um die Berggruppe herumführte, aber wohl an die zwei Tage in Anspruch nehmen sollte und einen andern - den direkten Weg direkt über den Gipfel. Kürzer aber ungleich kräftezehrender. Aber das ungleiche Pärchen war nun mehr schon seit vier Wochen unterwegs und Ensyis hatte es satt ständig unter freiem Himmel übernachten zu müssen, oder für dreckige, winzige Zimmer in heruntergekommenen Herbergen einen wuchernden Preis zu zahlen. Natürlich sie befanden sich hier im Grenzland zur Dämonenwelt. Mersawjez war dafür bekannt, dass hier sowohl Menschen wie auch Dämonen lebten und sich wenn auch nicht mochten zumindest gegenseitig tolerierten. Leben und leben lassen. Niemand interessierte sich für den anderen, nur für sich selbst. So war es kein Wunder, dass Mersawjez eine Zufluchtsstelle für allerlei Gesindel und Halunkenpack war oder eben auch für Wesen, wie ihn und Abraxas, die es einfach nötig hatten sich irgendwo zu verstecken.

Ensyis hatte seit dem Aufbrauch aus dem Dorf, wo er und Dylan gelebt hatten eigentlich so gut wie alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Er hatte weder eine Erklärung vor dem Dorfrat abgegeben, noch hatte er dem Jägerzirkel einen Nachricht über Dylans Verbleib zukommen lassen, geschweige denn von seinem eigenen. Dylans Tod würde nicht ewig unentdeckt bleiben, noch dazu, da es sich nicht gerade um eine unbekannte Persönlichkeit gehandelt hatte. Sicher war bereits eine Kommission ins Dorf geschickt wurden um den Vorfall aufzuklären. Das wäre an und für sich auch noch nicht das Problem gewesen. Schließlich war es diese Rachel gewesen, die Dylans Leben ein jähes Ende gesetzt hatte, aber das sofortige Verschwinden Abraxas und vor allem Ensyis' musste jedem, aber auch wirklich jedem spanisch vorkommen. Abraxas war ein Vampir. Es war klar, dass er sicher nicht abwarten wollte, bis eine Gruppe gestandener Jäger auf der Bildfläche erschien, aber welchen Grund sollte er Ensyis schon gehabt haben? Ein Jäger in Ausbildung? Warum lief er weg, wenn nicht weil er etwas zu verbergen hatte. Ensyis seufzte. Sein ganzes Leben war grundlegend auf den Kopf gestellt wurden, seit er Abraxas kennen gelernt hatte, trotzdem bereute er es nicht wirklich. Sicher ab und zu sehnte sich der junge Mann in die alte Überschaubarkeit seines einstigen Lebens zurück, aber der Vampir war es wert gewesen. Er durfte ihn nicht in die Hände des Zirkels fallen lassen. Wieder sah Ensyis nach oben, während er einer größeren Steingruppe auswich. Der Abstand zwischen ihm und Abraxas war noch gewaltiger geworden, aber die dunkle Figur dort oben bewegte sich nicht mehr. Abraxas hatte sich umgedreht und sah abwartend nach unten zu Ensyis. Wie langsam er war. Dem Vampir hatte die Strecke bis jetzt überhaupt nichts ausgemacht. Im Gegenteil. Mit jedem Meter, den er weitere nach oben stieg jubilierte er innerlich. Er hatte es geschafft, die Kräfte in sich geweckt, die aus ihm einen echten Vampir machten. Bei der nächsten Begegnung mit einem von seinesgleichen würde er nicht mehr den Kürzeren ziehen. *Na na übertreib mal nicht gleich! Ohne mich bist du gar nichts!*, meckerte es ihn ihm. Der Vampir in ihm war seit er Rachel verschlungen hatte allgegenwärtig geworden und lies keinen Moment verstreifen um nicht noch sein eigene Sicht der Dinge mitzuteilen. Abraxas sollte ja nicht glauben, dass er es ohne ihn schaffen könnte. Er brauchte ihn und das wusste Abraxas mittlerweile auch, aber akzeptieren konnte er es deswegen noch lange nicht. Die beiden Geister hatten sich nur zeitweilig auf eine Art Waffenstillstand geeinigt. Ein trügerischer Frieden, den der kleinste Vorfall wieder zunichte machen konnte. Und sicher würde es nicht lange auf sich warten lassen.

Ensyis hatte Abraxas endlich erreicht und stützte nun keuchend beide Hände auf die Knie. "Wie schön... pff.. dass du auch... pff.. mal auf mich ge.. wartet... hast!". sagte er atemlos nach Luft ringend. "Was denn Ensyis? Sag bloß das bisschen Berg hier macht dir was aus?", fragte Abraxas spöttisch und fing sich damit einen bösen Blick von Ensyis ein. Lächelnd machte er einen Kopfbewegung nach oben hin. "Schau mal, wir haben es fast geschafft... dann geht es wieder abwärts!" Ensyis' Augen folgten Abraxas Wink und tatsächlich es war nicht mehr weit. Dummerweise stieg der Berg auf den letzten Metern noch einmal abrupt an. "Tja Ensyis... ich fürchte du wirst klettern müssen", meinte Abraxas mit schlecht versteckter Schadensfreude. "Ja lach nur!",entrüstete sich Ensyis. "Nur weil du dich in eine Fledermaus verwandeln kannst, seit du diese Rachel gefressen hast. Findest du es eigentlich nicht ein bisschen unehrlich dir auf so eine Art und Weise deine Fähigkeiten anzueignen? Das kann ja nun jeder dumme Vampir!"

Ensyis Worte hatten gesessen. Schweigend drehte sich Abraxas von Ensyis weg und lief ohne ein Wort zu sagen weiter. "Ach und jetzt schmollt der Herr Sensibel auch noch! Ja das haben wir gerne! Jetzt tu doch mal nicht so, als ob es dir leid tun würde, dass du sie getötet hast! Du hast doch nur Vorteile daraus gezogen!" Eigentlich hätte Abraxas wissen müssen, dass aus Ensyis im Moment nur die Wut über diesen vermaledeiten Berg und seine aus der Anstrengung resultierenden zum zerreißen gespannten Nerven sprachen, trotzdem traf ihn das was Ensyis sagte wie ein Schlag ins Gesicht. "Wenn du das so siehst",entgegnete er kühl und verwandelte sich im nächsten Moment in eine kleine schwarze Fledermaus, deren Fell leicht blau schimmerte. Mit zwei kräftigen Flügelschlägen hatte sie sich schon in die Luft erhoben und sich von dannen gemacht und einen verwirrten Ensyis zurückgelassen. Perplex starrte Ensyis auf die Stelle, an der eben noch Abraxas gestanden hatte nun aber nur noch sein einsam zurückgelassener Rucksack stand. Na toll. "Abraxas warte! Ich habe es doch nicht so gemeint!", rief Ensyis dem kleinen Punkt am Himmel zu der schon fast nicht mehr zu sehen war. Sicher hatte er ihn mit seinem feinem Gehör vernommen aber die Fledermaus machte keinerlei Anstalten umzudrehen und zurückzukehren. Wütend stampfte Ensyis auf den Boden. Daraufhin lockerten sich einige lose Steine und kullerten mit leisen, scheppernden Geräuschen den Berg hinunter. Ensyis sah ihnen schweigend nach, zuckte mit den Schultern und griff resignierend nach dem zurückgelassenen Rucksack. So konnte man es auch machen, schon hatte Ensyis das Doppelte an Gepäck zu tragen. Die Welt war nicht gerecht! Dass dieser verfluchte Vampir aber auch immer so schnell eingeschnappt war!

Natürlich hatte Abraxas Ensyis Ruf vernommen, aber der Vampir dachte ja nicht mal daran umzukehren. Ensyis würde eh noch ein bisschen brauchen bis er den Gipfel erreicht hatte, so lange konnte sich Abraxas ruhig mal eine Auszeit gönnen. *Na keine Lust mehr auf das Menschengewürm, was?",flüsterte es gehässig in ihm. "Halt den Mund!", gab Abraxas bissig zurück. Irgendetwas musste er gegen die Stimme in sich unternehmen, sonst würde sie ihn langsam aber sicher in den Wahnsinn treiben. Das hielt ja kein normaler Vampir im Kopf aus. *Dabei bin ich doch so pflegeleicht - Nur ab und zu ein bisschen Blut, ein bisschen metzeln. Gib es doch zu, dir würde es auch Spaß machen. Es sind doch nur Menschen.* "Halt verdammt noch mal dein verfluchtes Maul!"

*Oooch... bist du jetzt auch böse auf mich? Schade, schade, dass du vor MIR nicht weglaufen kannst. Ich bin immer da. Immer um dich herum. Und weißt du was das Beste ist?* Die kleine Fledermaus rollte resignierend mit den Augen. "Nein ich weiß es nicht, aber du wirst es mir bestimmt gleich sagen!?" *Natürlich! Das beste ist, dass du nichts, aber auch wirklich gaaaar nichts dagegen machen kannst!* Die Fledermaus hatte sich zurückverwandelt und Abraxas schlug wütend gegen die harte Steinwand des Gebirges. Ein roter Flecken blieb zurück als Abraxas die Hand wieder zurückzog, aber er spürte den Schmerz an der verletzten Hand fast gar nicht. Warum war er sich eigentlich so sicher, dass diese Stimme in ihm sein Dämon war? *Weil ich's nun mal bin!",lachte es fröhlich, aber Abraxas ging gar nicht darauf ein. Nein, wahrscheinlich wurde er nur verrückt... oder er war es schon. War es nicht meistens so, dass die, die schon längst den Verstand verloren hatten, immer noch am stärksten behaupteten vollkommen normal zu sein? Das würde es wohl sein. Er war verrückt geworden, so einfach!

Abraxas hatte die Gipfelspitze erreicht und sah nun ruhig auf das sich vor ihm ausbreitende Tal hinab. Wie überall in Mersawjez schwebte auch über diesem Tal eine dunkle Wolke. Aber hier schien sie tiefer zu hängen als in den anderen Orten noch unheimlicher und bedrohlicher. Ein kalter Schauer überkam Abraxas, wie eine düstere Ahnung. Ensyis war der Ansicht, dass sich hier für sie beide endlich alles zum Guten wenden würde, aber Abraxas glaubte das seit diesem Moment keinen Sekunde mehr. Wenn sie diesen Berg hinabstiegen, würde nichts als Unglück auf ihn und Ensyis warten. Ihr Leben würde sich von Grund auf verändern, das spürte Abraxas tief in sich drin und selbst der Vampir schwieg im Angesichte dieser Offensichtlichkeit.
 

Zwei Stunden später schnaufte Ensyis dann auch den Berg hinauf. "Na endlich da?", kam es leise aus einer der dunkleren Ecken der Steine.

"Aaaah!" Ensyis hätte seine beiden Gepäckstücke beinahe fallen gelassen, als Abraxas ihn so ohne Vorwarnung ansprach. Verstimmt sah er sich nach dem Verursacher der Laute um und entdeckte ihn dann schließlich in einer dunklen Felsspalte. Erst wollte er zu einer bösen Antwort ansetzten, aber sein Zorn schlug schnell in Verwunderung um, als er erkannte wie merkwürdig Abraxas doch dasass. Der Vampir wirkte irgendwie weggetreten. "Alles in Ordnung mit dir?", fragte er zögernd. Anstatt darauf zu antworten, stand Abraxas aber auf, lief schweigend an Ensyis vorbei und nickte mit dem Kopf in Richtung des Tals. "Wir sollten umkehren!"

Ensyis blinzelte einmal mit den Augen, dann ein zweites mal aber an dem ernsten Gesichtsausdruck Abraxas' änderte sich nichts. "Wiederhole das bitte nochmal!",verlangte er ruhig. "Wir sollten umkehren!",wiederholte Abraxas monoton. "Mhmmm" Ensyis Blick schweifte von Abraxas zum Tal und dann wieder zu Abraxas. "Du verlangst also von mir, jetzt nach vier Wochen Wanderung, nach vier Wochen schlechtem Essen und miesen Unterkünften, jetzt wo ich mich endlich auf diesen gottverfluchten Berg hinauf gequält habe, jetzt verlangst du von mir, dass ich - umkehre?" Der junge Jäger hatte zum Schluss hin immer schneller gesprochen, war fast schon in Hysterie gewechselt aber Abraxas schien das nicht einmal zu bemerken. In seinem Gesicht lag nur ein seliger Ausdruck, scheinbar froh darüber, dass ihn Ensyis verstanden hatte. "Ja sag mal spinnst du?", brüllte der blonde Jüngling plötzlich los und packte Abraxas aufgebracht am Arm. "Wir - gehen - jetzt- da - runter!", schnarrte Ensyis wütend, während er den sich wild wehrenden Vampir hinter sich her schleifte.
 

In der kleinen Holzhütte brannte ein gemütliches Kaminfeuer, dass die wohnlich eingerichtete Stube mit seinem flackernden Schein in warmes rotes Licht tauchte. In der Küche hörte man Orinoco geschäftig mit dem Geschirr klappern. Xhal nahm es zufrieden zur Kenntnis, während er es sich in seinem breiten Ohrensessel bequem machte und nach einem Buch griff. Das hatte er sich nach seinem langen und vor allem anstrengende Tag redlich verdient. Im Dorf war es wieder zu Ausschreitungen gekommen, aber dass die Inkubu so entschieden gegen die Nundu vorgingen war neu. Nun wenn wunderte es. Xhal wäre wahrscheinlich auch sauer, wenn er als Inkubu feststellen müsste, dass jede Frau die man sich aneignen wollte von diesen Ungeheuern gefressen worden wäre. Trotzdem. Das musste ja nun wirklich nicht sein. Auch wenn er ein Sath war, also ein Jäger, der eine Verbindung zwischen der Welt der Dämonen und der Menschen darstellte, deswegen gehörte es aber noch lange nicht zu seinem Aufgabenbereich streitende Clans wieder auseinander zu bringen. Ärgerlich wischte Xhal die schlechten Gedanken beiseite und wollte sich wieder seinem Buch widmen, als er es plötzlich an der Tür hämmern hörte.

Nicht schon wieder. Ha, einfach nicht hinhören... weghören, dann würde es schon wieder aufhören. Aber der Klopfer war energischer als er erwartet hatte. Nach einem kurzen Moment Pause in der er sich zu überlegen schien, was er nun tun sollte schlug er wieder gegen die Tür, diesmal ungemein energischer. "Schatz, mach doch mal die Tür auf, sonst wird sie noch eingeschlagen!",hörte man Orinocos helle Stimme aus der Küche rufen. Jaja.. die Welt hatte sich also gegen ihn verschworen. Müde erhob sich der junge Mann mit den schwarzen strubbligen Haaren aus seinem Sessel und schlurfte zur Tür. Die dunklen Augen fixierten dabei stumm den Türknauf. Endlich stand er vor der verhassten Tür, atmete noch einmal tief durch um sich zu sammeln und öffnete sie dann ruckartig.

"Wisst ihr wie spät es ist! Könnt ihr eure verdammten Streiterein nicht auf einen früheren Zeitpunkt verlegen? Ich bin auch nur ein Mensch! Macht gefälligst, dass ihr wegkommt!", rief Xhal aufgebracht zur Tür hinaus ohne die davor Stehenden auch nur einmal zu betrachten.

Abraxas ergriff Ensyis sofort am Arm und versuchte ihn mit sich zu ziehen. "Siehst du! Die wollen uns hier gar nicht haben! Also lass uns umkehren!" Ensyis aber wollte davon überhaupt nichts hören. Grober als notwendig gewesen wäre stieß er Abraxas von sich, machte einen breiten Schritt nach vorne und baute sich dann in seiner vollen Größe vor Xhal auf. Sicher hätte dieser Auftritt durchaus einschüchternd gewirkt, wenn da nicht der feine Größenunterschied gewesen wäre, der dann doch eher für Xhal sprach. Davon lies sich Ensyis aber überhaupt nicht beirren. "Was soll das heißen, dass wir wieder verschwinden sollen? Ich streite mich mit dem Idioten wann ich will und ich bin nicht über dieses Folterinstrument namens Berg geklettert nur um jetzt wieder umzudrehen! Xhal was soll das?"

Der schwarzhaarige Jäger sagte für den ersten Moment erst mal nichts, sondern starrte seinen Cousin nur verdutzt an. "Ensyis?!",sagte er dann, so als könnte er die Gestalt vor sich immer noch nicht recht zuordnen. "Ja wer zum Teufel denn sonst? Hast du meinen Brief nicht erhalten, oder was?" Verwundert schüttelte Xhal mit dem Kopf. Er verstand nicht so recht was Ensyis hier zu suchen hatte. "Nein ich habe keinen Brief bekommen, wieso auch?"

Resignierend griff sich Ensyis an die Stirn und ließ den Kopf sinken. "Auch das noch...", murmelte er, fast nur für sich hörbar.

Differenzen

Sooo wieder da^^ Etwas schneller diesmal.

Tut mir leid, dass ich in diesem Kapitel so wenig stimmung schreiben konnte... weil halt sehr viel wörtliche rede is^^° aber das war notwendig um Xhals und Ensyis position zu klären.

Übrigens wer mir sagen kann aus welcher literarischen Epoche dort anleihungen gemacht wurden (und vor allem welche stelle) der bekommt an bild von den drei jungens gewidmet^^
 

Differenzen
 

"Was denkst du dir dabei?", rief Xhal laut aus und donnerte dabei seine breite Hand auf den Tisch. Ensyis zuckte erschrocken zusammen, entgegnete Xhals wütenden Blick aber immer noch nur mit Trotz in den Augen. "Wie stellst du dir das denn vor, Ensyis? Du kommst hier einfach so unangekündigt her..." "Ich kann nichts dafür, dass der Brief nicht angekommen ist", unterbrachen ihn Ensyis störrisch. "Na gut dann eben angekündigt, aber das ändert nichts an der Situation! Was soll das? Du hast die letzten Jahre nichts von mir wissen wollen, weil ich der Ansicht war, dass es auch eine friedliche Übereinkunft zwischen Dämonen und Menschen geben kann und dann tauchst du hier so aus dem Nichts aus und verlangst von mir, dass ich dir helfe?" Betreten starrte Ensyis zu Boden, wagte nicht zu sprechen sondern lies vielmehr seinen Cousin weiterreden. "Ha und jetzt sagst du noch nicht mal etwas? Was soll dieses Schmierentheater?", rief er erbost. Hilflos zuckte Ensyis mit den Schultern. "Ich wusste eben nicht wohin ich sollte und du warst der Einzige, der mir einfiel und der uns helfen könnte." "Uns..." Xhal lies sich das Wort förmlich auf der Zunge zergehen, aber obwohl er nun leiser sprach hatten seine Laute nichts an ihrer Schärfe verloren. Nein sie klangen fast noch gefährlicher. "Uns... Wer ist das überhaupt, den du da dabei hast?" "Ein Vampir",gab Ensyis ausweichend zur Auskunft und zog sofort wieder Xhals Zorn auf sich. "Ein Vampir, ein Vampir! Verdammt das sehe ich selbst! Aber was hast du mit dem zu schaffen? Gerade DU!"

Der junge Jäger fühlte sich von Moment zu Moment unsicher in seiner Haut. Vielleicht hatte Abraxas recht gehabt und es war wirklich nicht die beste Idee gewesen hier einzukehren, aber dafür war es jetzt zu spät. "Es hat sich eben so ergeben."

"So ergeben?",lachte Xhal bitter. "Als ich damals das Selbe zu dir gesagt habe, hast du dafür kein Verständnis vorgebracht." "Das war ja auch etwas anderes",antwortete Ensyis mürrisch. "Schließlich habe ich ja nicht vor mit Abraxas eine Beziehung fürs Leben einzugehen, wie du das mit dieser Orinoco getan hast. Und ich gebe mich generell auch nicht mit so viel Dämonenpack ab, wie du!" Xhal sah aus, als würde er Ensyis am liebsten seine Faust ins Gesicht donnern, als er seinen Cousin so verächtlich über seine Arbeit und vor allem seine Freundin sprechen hörte. Nur mit Mühe unterdrückte er den Impuls aufzuspringen und sich auf ihn zu stürzen. Xhals Stimme zitterte leicht als er wieder sprach. "Orinoco ist ein Halbdämon! Und sie kann nichts dafür, dass ihre Eltern Grenzen überschritten, die nicht verletzt werden durften."

Ensyis schüttelte verächtlich den Kopf. "Pah! Du und sie! Ihr seid doch auf dem besten Wege denselben Fehler noch ein zweites Mal zu begehen." "Was wäre falsch daran? Selbst wenn es so weit kommen würde, wäre unser Kind zu drei Vierteln menschlicher Abstammung. Also was soll's? Außerdem sind wir hier in Mersawjez und nicht im Reich der Menschen. Da ist das durchaus legitim!", versuchte sich Xhal halbherzig zu verteidigen. Aber selbst in seinen Ohren klangen die Worte nahezu lächerlich. "Legitim... merkst du eigentlich wie albern du dich anhörst, Xhal?", fragte Ensyis verächtlich. Der junge Jäger wusste selbst nicht so recht warum er seinen Cousin so scharf angriff. Mit jedem Wort was er sagte verschlimmerte sich doch seine Situation nur noch. Er brauchte Xhals Hilfe und das schien dieser auch zu wissen, denn plötzlich fing sich der unsichere Blick wieder und auf Xhals Gesicht schlich sich ein überheblicher Ausdruck. "Aber es ist ja eigentlich auch egal, was ich hier mache, schließlich geht es ja um dich und deinen kleinen Freund, nicht wahr Ensyis?" Der Blonde schluckte, als Xhal so abrupt das Thema wechselte. Kleinlaut nickte er. "Wenn ich das richtig verstanden habe, willst du ja, dass ihr beide für eine Weile hier bleiben könnt und das ich dich vor dem Järgerzirkel wieder ins rechte Licht rücke, wobei ich immer noch nicht so recht verstehe warum eigentlich." Xhals Stimme nahm einen lauernden Klang an. "Aber jetzt sag mir doch mal - Kleiner - warum ich das wohl tun sollte? In Anbetracht der Tatsache, dass du ja eben ziemlich deutlich klar gemacht hast, was du von mir hältst." Das hatte gesessen. Zerknirscht lies Ensyis den Kopf hängen und scharrte mit den Füßen am Boden herum. Xhal aber lies Ensyis keinen Moment um sich zu sammeln. Unerbittlich sprach er weiter. "Mal ganz ehrlich. Ich kann dich nicht sonderlich leiden. Dass ich dich nicht sofort rausgeschmissen habe, liegt nur daran, dass wir leider verwandt sind. Ein Umstand an dem ich trotz allen Mühen nichts ändern kann. Und dann noch dieser Vampir." Xhal holte kurz Luft, setzte dann aber mit unverminderter Härte fort:" Für den habe ich erst recht nichts übrig. Ich kann diese Seelenfresser nicht leiden." Stirnrunzelnd sah Ensyis auf. "Aber mit anderen Dämonen lässt du dich doch ein und verstehst dich sogar. Wo ist der Unterschied?"

Xhal verschränkte die Arme vor dem Körper und sah Ensyis. "Auch dir dürfte dieser feine Unterschied bekannt sein. Vampire sind keine echten Dämonen. Genauso wenig, wie sie echte Menschen sind. Sie gehören einer anderen Gruppe von Ausgeburten der Hölle an." "Denkst du, das wüsste ich nicht selbst?", brauste Ensyis schon wieder auf. "Trotzdem ist es doch gleich, aus welcher Region der Schattenseite sie stammen. Dunkles Wesen bleibt dunkles Wesen." aber darauf ließ sich Xhal erst gar nicht ein. Energisch schüttete der Sath den Kopf. "Nein, definitiv nicht! Menschen haben eine Seele, genauso wie Dämonen, Vampire haben keine. Das bedeutet, dass sie immer unberechenbar und gefährlich bleiben. So einen lasse ich nicht in mein Haus bleiben. Du wirst mir jetzt vielleicht auch sagen, dass er da ja nichts dafür kann. Das stimmt auch. Aber trotzdem ist ein Vampir ein unberechenbares Element, genau wie ein scheinbar erloschener Vulkan, der jeder Zeit wieder ausbrechen kann. Irgendwann wird die Kraft der Seele aufgebraucht sein, die er gefressen hat und dann muss er wieder auf die Jagd gehen. Ich hätte kein Problem damit, wenn wer ein Nundu oder etwas in der Art wäre und "nur" Menschen fressen würde, aber sobald es an innere Sachen wie eine Seele geht, streike ich!"

"Aber...",setzte Ensyis erneut an um seinen Cousin zu beschwichtigen

"Nichts Aber", unterbrach ihn Xhal barsch. "Ein Vampir kommt mir nicht ins Haus! Mit Seelenfressern will und werde ich nichts zu tun haben. Ich gefährde meinen Stand im Dorf! Die Dämonen werden es nicht gutheißen, wenn ich so einen hier habe!"

"Aber so ist es nicht, Xhal! Hör mir bitte zu!"

"Was soll ich denn hören?", fragte Xhal höhnisch

"Das es nicht so ist, wie du denkst!",antwortete Ensyis trotzig. "Abraxas ist nicht so einer wie du denkst. Er hat sich unter Kontrolle und ist nicht gefährlich. Im Gegenteil es ist etwas Besonderes und ich kann ihn nicht alleine lassen! Dann würde er umkommen."

"Und? Ein Vampir mehr oder weniger, wen interessiert das? Außerdem was soll an dem schon besonders sein? Hat er vielleicht eine Seele oder was?"

Ernst nickte Ensyis. "Was nickst du so blöd?"

"Genau das ist es ja.", antwortet der junge Jäger ruhig, provozierte Xhal so aber nur weiter. "Was ist was?", fragte er garstig.

"Er hat eine Seele.",antwortete Ensyis trocken.

Im Zimmer wurde es plötzlich unheimlich still. Xhal bewegte sich nicht mehr sondern starrte Ensyis nur unangenehm an. Der schluckte laut, wagte aber nicht ein Wort zu sagen. Im Nebenzimmer hielt Abraxas ebenfalls den Atem an. Er hatte die ganze Zeit bereits dem Gespräch gelauscht, was ihm bei seinen feinen Ohren und vor allem der Lautstärke in der die Beiden gestritten hatten, nicht unbedingt schwer gefallen war. Nach einer kleinen Ewigkeit räusperte sich Xhal endlich. Seine Stimme kratzte merkwürdig im Hals und schien seltsam gebrochen. "Was sagt denn Dylan überhaupt dazu?", fragte er schließlich lahm. "Dylan ist tot."

Kopfschüttelnd griff sich Xhal an die Stirn und verlies schweigend das Zimmer um nach Orinoco zu sehen. Sie sollte das Gästezimmer für die Beiden fertig machen. Der Mond war schon weit hinauf geklettert und schien milde zum Fenster hinein, als sich Ensyis entkräftet in einen der Sessel fallen lies. Erleichtert atmete er aus. Für den Moment hatte er gewonnen.
 

Abraxas träumte.

Es war einer jener Träume in denen man sich im einem Moment vollkommen bewusst zu sein schien, dass man träumte und im anderen Moment aber nicht mehr zu unterscheiden wusste ob man nun schlief oder doch wach war. Die schillernden Farben und bunten Lichter, die überall seinen Weg kreuzten, sprachen auf alle Fälle für einen Traum, denn Abraxas hatte etwas Vergleichbares noch nie zuvor tatsächlich gesehen. Das beklemmende Gefühl der Angst und die immer stärker werdende Gewissheit, dass er nicht alleine war sondern beobachtet wurde, erschienen ihm aber als ziemlich real. Zögernd blieb Abraxas schließlich stehen. Es machte keinen Unterschied ob er weiter ging oder hier blieb. Vor wie auch hinter ihm sah alles gleich aus. Wirbelnde Farben, die Helligkeit verstrahlten aber doch in ihrer Intensität stark durch die wabernde Dunkelheit beeinträchtigt wurden. Es war kein schönes Licht. Nein die Farben wirkten alle krank und verschwommen, unwirklich.

Wie eben ein Traum so in der Regel war.

Langsam schloss Abraxas die Augen und die Welt begann um ihn herum zu versinken. Mit jedem Moment wurde sein Atem flacher, der Herzschlag langsamer und leiser, bis er nur noch ab und zu ganz leise zu hören war. Er war nicht alleine. Seine Sinne vermittelten es ihm. Da war eine Bewegung, die den dunklen Nebel zerteilte und die Lichter zerstoben ließ. Raschelnder Stoff und nackte Füße, die über den unsichtbaren Boden tappten. Ein leiser Singsang, ging von der Gestalt aus, den Abraxas zuvor nicht wahrgenommen hatte. Ein Gesang, so alt wie die Zeit selbst, so traurig und doch zugleich so verzehrend nach Leben und Liebe. Es schien als würde irgendwo tief in ihm drin etwas auf diesen Ruf reagieren.

Erstaunt bemerkte Abraxas, dass ihm feuchte Tränen das Gesicht hinab liefen. Warum? Hastig begann sich der Vampir immer noch mit geschlossenen Augen in Bewegung zu setzten. Er brauchte seine Augen nicht um den Weg zu finden. Seine anderen Sinne oder vielmehr das, was er tief in sich drin spürte würde ihm den Weg weißen. Langsam begann sich der Singsang von ihm zu entfernen, so dass er seine Schritte beschleunigen musste, wenn er ihn nicht verlieren wollte.

Abraxas rannte. Seine Beine spürte er schon gar nicht mehr. Er hatte keinen Körper mehr. Er war auch keine Person. Er war nur noch... Ja was eigentlich? Er selbst. Er selbst und dieser Gesang. So alt und doch so vertraut. Woran erinnerte das ihn nur? Abraxas wusste, dass er es wissen würde, wenn er sie nur endlich erreichte. Sie? Nicht er? Nein sie. Wer immer hier noch außer ihm war, für den Vampir stand es außer Frage, dass es sich um ein weibliches Geschöpf handeln musste. Kein Mann hätte es so vermocht zu singen. Er war fast heran. Abraxas musste nur die Hand ausstrecken, dann würde er die Frau berühren. Er war da.

Plötzlich wurde es totenstill und Abraxas schlug die Augen auf. Um ihn herum zerbrach die Wirklichkeit. Lichter stoben auseinander, wirbelten umeinander formten sich neu und verloren sich wieder. Abraxas war alleine in einem wilden Taumel aus Licht und Formen, die keine waren. Farben, die in den Augen brannten. Und immer schneller drehte das Spiel. Haltlos und gefährlich. Und in ihm drin, wie ein kleiner hilfloser Spielball Abraxas. Verloren in der Dunkelheit, nein in einem kranken Inferno, voller schreiender Farben. Verloren. Und wenn die Welt dreht und dreht und unaufhörlich weiter dreht und man in dieser grauenhaften Wirklichkeit verloren geht, dann bleibt einem nur noch eines, nur ein Ausweg. Nur schreien kann man dann noch, nur schreien.

"AUFHÖREN!"

Die Zeit blieb stehen. Keine Lichter mehr, die wild um ihn kreisten. Keine Bewegung mehr, alles erstarrt, in der Zeit eingefroren. Genauso sah es nun um Abraxas aus. Ängstlich sah sich der junge Vampir um. Oben war wieder oben und unten wieder unten. Trotzdem gefiel ihm diese neue Umgebung kaum. Fröstelnd zog er die nackten Arme an und machte sich auf die schillernden Eiswüste zu durchqueren, die sich nun vor ihm ausgebreitet hatte. Kalter Schnee wehte ihm entgegen und winzige Eiskristalle rissen feine Wunden in seine Haut. Abraxas spürte es kaum. In seinem Kopf existierte nur noch ein Gedanke. Voran, voran. Immer weiter gehen, immer nur geradeaus. Du musst das Lied wiederfinden. Es wartet auf dich. Es ruft. Es ruft!

Während sich Abraxas Schritt um Schritt nach vorne wagte, veränderten sich um ihn herum wieder die Lichtverhältnisse. Die kalten Reflexe, hervorgerufen durch das spiegelnde Eis, das seinen Weg säumte wurden zunehmend weniger und an ihre Stelle trat ein unheimlich flackernder Schein, der an eine langsam erlöschende Kerze erinnerte. Der Gang teilte sich nun und gab den Blick auf einen kreisrunden Spiegelsaal frei, in dessen Mitte ein Podest aus schillerndem Eis stand. Auf diesem Podest sass mit dem Rücken zu Abraxas gewandt, eine zierliche Frau in langen dunklen Satin gehüllt. Ihr schwarzes lockiges Haar reichte bis zum Boden hinab und eine majestätische Ausstrahlung ging von ihr aus, die sich nur schwer in Worte fassen lies. Alleine ihre Anwesenheit jagte dem Vampir einen kalten Schauer über den Rücken. Die Frau sang. Es war das selbe Lied, welches Abraxas schon zuvor gehört hatte. Dann verstummte sie und seufzte zufrieden. "Du bist also gekommen. Ich hatte schon Angst, du würdest dich verlieren. Aber nein..." Die Frau lachte, als hätte gerade jemand einen sehr dummen Witz gemacht, wurde aber von einen Moment auf den anderen wieder ernst. "Nein, du natürlich nicht. Du verlierst dich nicht." Zögernd machte Abraxas einen Schritt nach vorne auf das Eispodest zu. Er fühlte sich immer noch nicht wohl in seiner Haut, aber er wollte sie sehen, ihr Gesicht und er wollte, dass sie wieder sang. Dieses Lied, was alle Sorgen vergessen lies, welches ihn so sehnsüchtig in seinen Armen wiegte. Sie sollte wieder singen. "Bleib stehen", wies sie ihn ruhig an, aber Abraxas dachte gar nicht daran stehen zu bleiben. "Wer bist du?", fragte er sie, während er ohne zu zögern weiter auf sie zuschritt. Die Frau schüttelte fast unmerkbar den Kopf. "Das ist nicht wichtig", flüsterte sie. "Viel wichtiger ist wer DU bist." "Das weiß ich schon", antwortete Abraxas und begann nun schon zu rennen, aber es war als würde er gegen eine unsichtbare Wand ankämpfen. Er kam ihr keinen einzigen Schritt näher. Seufzend erhob sich die Frau, drehte sich aber immer noch nicht zu ihm um. Ihre langen Haare wiegten sich im nicht vorhandenem Wind. Wie schwer mussten sie sein? Wie die ewige Last der Sünden, die auf ihren Schultern ruhte. Sünde? Was für eine Sünde? "Die ich durch dich gedenke wieder gutzumachen.",sagte sie leise. Dann drehte sie sich langsam zu ihm und Abraxas konnte endlich ihr Gesicht erkennen. Abraxas Augen weiteten sich als er sie erkannte.

Peitschender Wind schlug ihm ins Gesicht, wirbelte die winzige Gestalt davon und holte Abraxas mit einem dumpfen Schlag zurück in die Wirklichkeit. Schwer atmend richtete sich Abraxas in seinem Bett auf. Ensyis schlief immer noch ruhig im Gästebett daneben. In ihm drin, regte sich der Impuls zu schreien und um ich zu schlagen, aber kein Laut drang hervor. Seine Lippen formten nur ein unausgesprochenes Wort: "Lilith."

Begegnung

So... da bin ich wieder...

Ich hab momentan ne art schreibblockade... bzw. weiß ich net so recht wie ich die egschichte nun weiterführe... also eiegntlich weiß ich es ja schon, aber ich hab irgednwie für den moment keine "übergangsphase" ich habe aber keine lust den nächsten knall gleich wieder zu bringen^^° das würde sonst zu schnell gehen... also quälen wir uns ein bischen über dieses trockene zeug hier rüber >,<
 

Begegnung
 

Die Vögel sangen und die Sonne war bereits hoch an den Himmel geklettert als Xhal verschlafen die Küche betrat. Mit einem sanften Kuss auf die Wange begrüßte er Orinoco, die schon wieder fleißig am Werkeln war. Xhal umarmte sie von hinten und kuschelte sein Gesicht immer noch verschlafen in ihre goldene Haarpracht. Orinoco kicherte und drehte sich in seiner Umarmung zu ihm und berührte ihn sanft an den Wangen. Ihre blauen Augen glitzerten ihm geheimnisvoll zu und luden den Sath dazu ein, Dinge zu tun, die lieber auf andere Zeiten und andere Orte verschoben werden sollten. Aber Küssen das durfte man ja. Mit einem zufriedenen Lächeln senkte sich seine Lippen hinab wurde aber mitten in der Bewegung gestoppt. Orinoco hielt ihm kichernd einen Finger vor den Mund und stupste ihn sanft wieder etwas von sich. "Na na. Solltest du dich jetzt nicht erst mal anderen Dingen zuwenden?", fragte sie lachend. "Welchen denn zum Beispiel?",fragte Xhal grinsend. "Ich finde, dass hier ist eine gute Sache."

"Vielleicht, aber dein Besuch nimmt drüben gerade deine kleine Bibliothek auseinander." Xhal zuckte mit den Schultern. "Soll er doch. Ich traue es Ensyis zu, dass er schon mit einem Buch umgehen kann." Lächelnd schüttele Orinoco den Kopf. "Ich meine nicht Ensyis." Alarmiert zog Xhal eine Augenbraue nach oben. "Der Vampir etwa?", fragte er schroff. Orinoco nickte beschwichtigend. "Ja der Vampir. Aber nenn ihn nicht so. Er heißt Abraxas."

Xhals Gesichtsausdruck wurde noch skeptischer. In seiner Stimme schwang ein lauernder Unterton. "Ach? Abraxas also. Du scheinst dich ja schon nett mit ihm unterhalten zu haben." Orinoco grinste spitzbübisch, als sie ein Ei aufschlug und in die bereits erhitze Pfanne gab. Es zischte laut, als sie sich zu Xhal umdrehte. "Genau, das habe ich und ich habe ihm auch erlaubt deine Bibliothek zu benutzen."

"Tss, was will der schon mit Büchern.",sagte Xhal verächtlich und bekam dafür von Orinoco einen sanften Stoß in die Seite. "Frag ihn doch. Er sucht nach Informationen über eine bestimmte Person und du könntest ihm dabei sicher helfen, meinst du nicht?"

"Nein meine ich nicht!,brummte Xhal verstimmt.

"Aber ich meine und außerdem will ich dich jetzt nicht in meiner Küche haben. Los raus!" Und ehe es sich Xhal versah hatte ihn Orinoco schon zur Tür hinaus bugsiert und er sah sich einem bücherverschlingenden Vampir gegenüber. Die sonst so wohnliche Stube mit ihrer zwar nicht perfekten aber doch definitiv vorhandenen Ordnung, war restlos auf den Kopf gestellt wurden. Abraxas hatte es nicht für nötig befunden, bereits durchforstete Bücher wieder in das Regal zurückzustellen, sondern hatte sie kunterbunt nicht nur über den niedrigen Tisch, sondern auch weit verstreut auf dem Boden verteilt. Konnte man später ja wieder sauber machen.

Als Xhal das Zimmer betrat hob Abraxas den Kopf und begrüßte den Sath schüchtern. Schlagartig wurde ihm bewusst was er für ein Chaos in der kleinen Stube angerichtet hatte und Xhals finsterer Blick machte es nicht gerade besser. "Eh, keine Angst! Ich räume das nach her alles wieder ordentlich auf!",versuchte er sich sofort zu entschuldigen um Xhal zu beruhigen. Die Erinnerung an Dylan war noch lange nicht verblasst und Xhal hatte, wenn er auch wesentlich jünger war eine ähnliche autoritäre Ausstrahlung, die Abraxas nicht unbedingt froh stimmte. Wortlos ging der Sath an Abraxas vorbei und bückte sich nach einem der fallen gelassenen Bücher.

"Dunkel Wesen der Schöpfungsgeschichte?",fragte er verwundert. "Was willst du damit? Die meisten von denen sind doch schon lange ausgestorben, wenn man mal von dem gefallenen Engelspack absieht. Suchst du nach Engeln?" Eilig schüttelte Abraxas den Kopf. "Nein, nein.", lachte er zögernd. "Ich suche nach Informationen über Lilith."

Xhal hob lauernden eine Augenbraue nach oben. Betont desinteressiert sagte er. "Lilith gilt als Mutter aller Dämonen und erst Hexe der Menschheit. Die Frau, die sich Adam nicht unterwerfen wollte, weil sie aus dem selben Stoff gemacht war wie er. Was interessiert dich das? Weiß doch jeder."

Abraxas schluckte. Sollte er sich Xhal anvertrauen? Bis jetzt hatte er außer Ensyis nur schlechte Erfahrungen mit Jägern oder besser gesagt mit anderen Menschen gemacht. Aber eigentlich... wenn er ihm etwas tun wollte, dann hätte er es doch sicher schon lange getan und ihn nicht erst hier übernachten lassen. Der Vampir fasste sich ein Herz und sagte leise: "Ich weiß wer sie ist. Ich möchte auch nur etwas bestimmtes wissen. Was es bedeutet wenn..." Abraxas zögerte für einen Moment weiterzusprechen und Xhal lies ihn derweil nicht aus den Augen, beobachtete ihn aufmerksam. "Was es bedeutet, wenn sie einem im Traum erscheint",schloss Abraxas schließlich seinen Satz.

Im Raum breitete sich eine unbehagliche Stille aus, die nur durch das regelmäßige Schwingen der großen Pendeluhr im Zimmer unterbrochen wurde.

Es brauchte einige Zeit bis Xhal endlich antwortete. Seine Antwort viel dafür um so knapper aus.

"Es bedeutet in keinem Fall etwas Gutes."
 

Die Stimmung am Frühstückstisch war eher gedrückt. Ensyis redete zwar die ganze Zeit munter, aber niemand nahm wirklich Notiz von ihm. Allerdings bekam das der junge Jäger überhaupt nicht mit. Orinoco warf immer wieder fragende Blicke zu Xhal hinüber, aber dessen Miene hatte sich düster zusammengezogen und es sah nicht so aus, als würde er demnächst noch etwas sagen. Abraxas sass auch nur bedrückt am Tisch mit herum. Essen brauchte er ja nicht und ehrlich gesagt hatte er auch kein Verlangen nach menschlicher Nahrung. Nicht mehr. Trotzdem hätte er gerne etwas gesagt um den allgemeinen Missmut der Anwesenden etwas zu zerstreuen, aber er fand einfach nicht die richtigen Worte. Wie auch, wenn man ja selbst der Grund allen Übels war? Orinoco erhob sich schließlich und begann wortkarg den Tisch abzuräumen. Nun endlich schien auch Ensyis zu begreifen, das wohl nicht alles so in Ordnung war, wie er es gerne hätte. Bevor er aber dazu kam etwas zu sagen, hatte bereits Xhal das Wort ergriffen. "Ihr beiden kommt jetzt mit mir. Ich will euch beim Dorfobersten anmelden. Das ist zwar nicht üblich, aber da weder Jäger noch Vampire hier gerne gesehen sind, wird es besser sein um möglichen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen." Weder Ensyis noch Abraxas hatten irgendetwas dagegen einzuwenden. Sie wussten ja eh nicht, was sie mit sich anfangen sollten. Da war es besser, wenn diese Aufgabe jemand anderes für sie übernahm.

Keine Stunde später waren die drei Männer auch schon auf der Straße in Richtung Dorfzentrum unterwegs. Orinoco hütete das Haus. Noch nie zuvor hatte Abraxas so viele verschiedene Wesen auf einmal gesehen und auch Ensyis sah sich neugierig um. Da waren unscheinbar wirkende Lichtgestalten, Wesen, die wie Menschen aussahen, die aber doch etwas an sich hatten, dass sie zu etwas anderem machten, Gestalten mit Hörnern auf dem Kopf oder anderen tierischen Merkmalen, aber auch riesige Hünen mit bösen Gesichtern, denen man besser aus dem Weg ging. Einmal meinte Abraxas sogar einen Zentauren in einer Gasse verschwinden zu sehen, aber als sie dort heran waren, war von ihm nichts mehr zu sehen. Dieses Dorf war größer als das, aus dem Ensyis und er kamen und doch war es noch keine Stadt. Aber dem Vampir, der bis dahin, bis auf seine Burg, noch nicht all zu viel von der Welt gesehen hatte, kam das Dorf, mit seinen vielen verschiedenen Rassen und dem Gedränge auf den engen Gassen, wie einer der größten Plätze überhaupt vor. So verschieden die ganzen Wesen aber waren, eines hatten sie alle gemeinsam. Abraxas musste die Leute nicht ansehen um ihre hasserfüllte Blicke in seinem Rücken zu bemerken. Niemand sah ihm geradezu mit Verachtung ins Gesicht, aber trotzdem lag die Ablehnung so schwer in der Luft, dass man sie hätte greifen können. Der Vampir wurde von Minute zu Minute unruhiger, schließlich war er das letzte Mal in so einer Situation, fast verbrannt wurden. Die Blicke der Dämonen unterschieden sich kein Stück von denen der Menschen und auch ihr Hass ihm gegenüber brannte genauso stark.

Abraxas seufzte leise. Und er hatte selbst ein Vampir werden wollen. Wenn er je gewusst hätte, was das alles bedeutete und wo er später einmal landen würde, hätte er sich das sicher noch ein zweites Mal überlegt. Aber jetzt war es zu spät. Was war konnte nicht mehr geändert werden, man konnte nur das Beste daraus machen.

Plötzlich wurde Abraxas mit einem freudigen Ruf nach hinten gezogen und jemand drückte ihm stürmisch die Luft ab. "Brüderchen! Wie schön, dass du doch noch gekommen bist! Ich dachte schon du versetzt mich!", drang eine glockenhelle Stimme an sein Ohr. Ensyis und Xhal waren stehen geblieben und sahen sich verwundert nach Abraxas um. Der warf ihnen einen hilflosen Blick zu und befreite sich, dann hustend aus dem Griff der blonden Schönheit, die sich da an ihn geklammert hatte und drehte sich zu ihr um. Kristallblaue Augen, so tief wie der Ozean blickten ihn unter silberblonden Strähnen, die ihr frech in die Stirn hingen, verwundert an. Der zarte Mund war leichte geöffnet und schien etwas sagen zu wollen, war aber mitten im Satz abgebrochen. Ihr schlanker Hals ging über in ein makelloses Dekolleté, auf dem sich das Schlüsselbein leicht hervorhob. Ihr glatten Haare glänzten im hellen Sonnenlicht und es schien noch Tau vom Morgen in den langen Strähnen zu hängen. Für einen Moment war es still, dann blinzelte sie kurz mit den wunderschönen Augen und lief rot an. Selbst das fand Abraxas in diesem Augenblick einfach nur toll. "Entschuldigung...", stammelte sie hervor:"Ich dachte du wärst..." Plötzlich bemerkte sie, dass sie sich immer noch an ihn klammerte und ließ hastig Abraxas Ärmel los. Bevor sie aber noch etwas sagen konnte, wurde sie bereits von zwei Mädchen, die ihr im bezaubernden Aussehen in Nichts nachstanden von ihm weggezerrt. "Shantel. Bist du von Sinnen, das ist ein Vampir!", schimpften sie und zogen das perplexe Mädchen von Abraxas weg. Noch während sie sich von den drei Männern entfernten, warf Shantel noch einmal einen Blick zurück und lächelte Abraxas schüchtern an. "Entschuldigung!", rief sie ihm zu:"Ich habe dich verwechselt. Wegen den blauen Haaren!" Abraxas sah dem kleinen Haufen verwundert hinterher. Irgendetwas eigenartiges war an den drei Mädchen. Eine unbestimmbare Aura, die die Luft zum Schwingen brachte. Er hätte sich nicht gewundert, wenn in diesem Moment, weiße Federschwingen aus ihrem Rücken hervorgebrochen wären und die drei Mädchen, sich tanzend in den Himmel erhoben hätten. Wie nah er der Wahrheit doch gekommen war, Abraxas wusste es nur noch nicht. Doch es sollte nicht die letzte Begegnung der zwei gewesen sein. Waren ihre Schicksalsstränge doch derart ineinander verheddert, dass ein Lösen der Fäden nur den Tod eines oder gar beiden bedeuten hätte können Doch all das wusste der junge Vampir noch nicht. Noch nicht.

Ensyis stöhnte plötzlich laut auf. "Mann Abraxas! Das ist ja mal wieder typisch!" Gespielt frustriert kickte er einen kleinen Stein vor sich her. "Ich brauche auch blaue Haare. Die sind so selten, da ist es ja klar, dass die Frauen drauf fliegen." Der Vampir warf ihm einen genervten Blick. Der Zauber war verflogen. "Wir können gerne tauschen! Ich falle so schon genug auf, da brauche ich nicht auch noch diese Haarfarbe",giftete er Ensyis aggressiv an. Ensyis schüttelte lachend den Kopf und hob abwehrend die Arme nach oben. "Reg dich doch nicht so auf! War doch nur Spaß!"

"Hrrm" Die blauen Haare - sie waren schon immer sein besonderes Merkmal gewesen. Der Grund warum er sich bereits auf der Burg von den Anderen abgehoben hatte. Wessen Haare waren denn schon blau? Meantoris hatte ihm einmal etwas von Schicksalsfarben erzählt. Angeblich würde sich bei Wesen, denen eine besondere Aufgabe zugeteilt wurden war, sich das irgendwie in ihrem Äußeren widerspiegeln. Abraxas hatte nur mit halben Ohr zugehört und demzufolge nicht mal annähernd etwas verstanden. Nun wenn ihm tatsächlich ein besonderer Weg zugeteilt wurden war, dann wandelte er sicher schon auf den richtigen Pfaden. Der schlechteste Vampir aller Zeiten zu werden. Sonderlich viel Konkurrenz hatte er bestimmt nicht mehr.

Plötzlich zog ihn Xhal weiter. "Komm hör auf hier rum zu träumen. Jetzt muss ich gerade mit dem Obersten reden."

"Wieso?",fragte Abraxas verwundert, worauf ihm Xhal einen langen Blick zuwarf. Schließlich sagte er:"Du weißt nicht, was das eben für Mädchen waren, nicht wahr?" Abraxas schüttelte verneinend den Kopf. "Ist für dich auch nicht so wichtig, aber wir, also das Dorf muss vorsichtig sein." Neugierig sah Abraxas Xhal an, während er sich bemühte mit den langen Schritten des Sath mitzuhalten. "Wieso? Sind sie eine Gefahr?" Auch Ensyis hörte nun aufmerksam zu. Er wusste ebenso wenig wie Abraxas, warum sein Cousin plötzlich so beunruhigt war. Xhal schüttelte den Kopf. "Nein die Mädchen, sind keine Gefahr aber möglicherweise das was hinter ihnen steht. Macht euch deswegen keinen Sorgen. Das alles muss gar nichts zu bedeuten haben." Etwas enttäuscht verzog Abraxas das Gesicht, aber er sah auch ein, dass es wohl keinen Sinn mehr hatte Xhal weiter zu drängen. Der Sath schien nicht gewillt zu sein, weiter zu sprechen.
 

Kurze Zeit später hatten die drei das Dorfzentrum erreicht. Das Haus in dem der Dorfoberste lebte, hob sich schon von weiten aus der Masse der kleinen Häuser ab. Anders als die restlichen Häuser war es vollkommen aus Stein gemacht. Dunkler Stein, der in der Sonne kalt schimmerte. Auch war es größer als die normalen Häuser und schwarze Säulen hielten das gebogenen Dach. Zischende Echsen waren an den Mauern angebracht, die nur zu gerne ihre spitzen Zähne in das Fleisch eines Unachtsamen geschlagen hätte, aber Xhal passte auf, dass seine beiden Schützlinge, den Tieren nicht zu nahe kamen. An der großen Flügeltür, trat ihnen, ein schmächtiger Dämon mit violetten Augen und winzigen Hörnern auf dem Kopf entgegen. Nachdem Xhal ihr Anliegen genannt hatte, wurden sie auch schon vorgelassen.

Aufmerksam sah sich Abraxas in der großen Vorhalle des Gebäudes um. Es war angenehm kühl, zumindest für Abraxas Das Steinhaus absorbierte die warmen Strahlen der Sonne und Ensyis zog fröstelnd die Arme nach oben. Er war eben nur ein Mensch. Xhal schien die Kälte nichts auszumachen. Ohne zu zögern setzte er seinen weg fort, direkt auf die nächste große Tür zu. "Ihr wartet hier!", wies er Ensyis und Abraxas an und verschwand ohne eine Antwort abzuwarten hinter der Tür.

"Toll. Jetzt stehen wir hier total verlassen herum!", begann Ensyis schon wieder zu maulen, aber Abraxas hörte es kaum. Er wusste mittlerweile, dass man Ensyis einfach reden lassen musste, der beruhigte sich in der Regel von alleine. Der Vampir fand es wesentlich interessanter, die langen Portraitreihen an den Wänden zu betrachten. Dargestellt waren allerhand verschiedene Dämonen. Jeder einzelne anders. Wie viele verschiedene Wesen es doch auf der Welt gab, warum sollte es da nicht auch einen Platz für ihn geben?

Es dauerte ziemlich lange bis Xhal wieder zurückkam. Der Sath wirkte müde und erschöpft. Ernst sah er zu Abraxas hinüber und nickte dann Richtung der großen Tür. "Er will dich sehen!",meinte er ruhig. "Ensyis, du kannst von mir aus schon zurückgehen. Ich werde noch auf Abraxas warten."

"Wie bitte? Und wofür habe ich jetzt so lange gewartet? Wenn meine Anwesenheit hier überhaupt nicht erforderlich ist", fragte Ensyis wütend. Was sollte das? Wollte ihn Xhal zum Narren halten? "Tja hast du eben Pech gehabt, Ensyis. Aber du kannst gerne noch länger warten, wenn du willst, aber ändern wird das nichts",lachte Xhal seinen Cousin aus. Zu Abraxas sagte er etwas freundlicher:"Geh schon. Du brauchst keine Angst haben. Der Oberste hat schon lange niemanden mehr gefressen."

Das war ja ermutigend. Dann musste dieser Oberdämon ja jetzt gerade Hunger haben und in Anbetracht der Tatsache, dass Vampire ja allgemein nicht allzu beliebt waren, würde er bestimmt eine Ausnahme machen und seine alten Essgewohnheiten wieder aufleben lassen. Schließlich fasste sich Abraxas ein Herz und drückte die Klinke hinunter. Er musste ja da rein, ob er nun wollte oder nicht.

Im Raum des Obersten waren alle Fenster verhangen, trotzdem war es aber nicht dunkel, den überall schwebte glasartige Kugeln durch die Luft, die ein eigenartiges Licht ausstrahlten. Bei näherem Hinsehen, konnte Abraxas erkennen, dass in den Kugel Irrlichter gefangen waren, die ihn hilflos an piepsten. So erklärte sich auch das leise Wispern im Raum, welches nie verstummte. Im hinteren Teil des Raumes war ein kleiner Thron errichtet wurden, der aber von vielen Tüchern verhangen war. Jemand sass dort, aber Abraxas konnte aus seiner Entfernung heraus keine klaren Umrisse ausmachen. Zögernd blieb der Vampir stehen. Er wagte nicht mehr weiter zu gehen. Die Gestalt schüchterte ihn ein. "Keine Angst, mein Junge. Komm ruhig näher!", hörte er plötzlich eine warme Stimme sagen. Die Stimme hatte einen tiefen wohligen Klang und verscheuchte zumindest für den Moment, Abraxas Ängste. Schüchtern setzte er seinen Weg fort, aber jederzeit bereit, bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr auf und davon zu preschen. *Elender Feigling*, schnarrte es ihn ihm, aber Abraxas dachte gar nicht daran jetzt auf seine zweite Hälfte zu reagieren. Der sollte nur schön den Mund halten.

Der Oberste bot einen sehr interessanten Eindruck. Die große Gestalt mochte einst einen sehr gefährlichen Eindruck gemacht haben, jetzt aber war der Rücken vom Alter gebeugt, tiefe Falten zogen sich durch sein sanftes Gesicht und die Hörner, die seine Stirn säumten erschienen stumpf. Der lange bis zum Boden reichende Bart, die grünlich schimmernde Haut und die vom Alter geblendete, aber immer noch weißen Augen, machten den alten Dämon zu einem imposanten und Ehrfurcht gebietenden Wesen.

Wie Meantoris.

Die blassblauen Augen musterten Abraxas mit einem spöttischen Lächeln. Dann klärte sich sein Gesicht und er setzte eine freundliche Miene auf. "So, so. Du bist also dieser Vampir von dem Xhal sprach. Ist es wahr was er erzählte, dass du trotz der Verwandlung noch immer im Besitz deiner Seele bist? Wenn dem so ist, grenzt das an ein Wunder."

*Ach Quatsch Wunder - Was ist das schon? Du bist nur zu blöd dich wenigstens vernünftig verwandeln zu lassen!*,kicherte es in ihm schon wieder gehässig. Hastig nickte Abraxas dem Obersten zu und unterdrückte dabei den Impuls zu irgendeiner Antwort an sein inneres Ich anzusetzen. Das hätte noch gefehlt, wenn dieser Dämon hier mitbekam wie zwiegespalten Abraxas war. Dann hätte es sich mit dem Überzeugen, wie ungefährlich er doch war. Dass das nicht stimmte, wusste Abraxas ja nur zu gut. Die nächste Katastrophe würde sicher nicht lange auf sich warten lassen.

Der Dämon schien aber schon von alleine zu wissen was mit Abraxas los war, denn er murmelte nur unverständlich etwas für sich selbst, erhob sich dann plötzlich und schritt langsam auf Abraxas zu. Instinktiv wich der Vampir einen Schritt zurück, wurde aber sofort von dem Dämonen festgehalten. Die vom Alter getrübten Augen starrten nun genau in die rot strahlenden Abraxas'. "Xhal sprach davon, dass dir Lilith im Traum erschienen wäre. Erzähl mir davon und ich gebe dir den Rat, versuche mich lieber nicht zu belügen. Ich würde es merken.",sagte er leise und drohend.

Abraxas wurde schlecht. Mühevoll schluckte er die aufsteigende Magensäure wieder nach unten. Der Dämon erschien ihm mit einem Mal keineswegs mehr so wohlwollend wie noch einen Augenblick zuvor. Er jagte ihm jetzt nur noch Angst ein. "Warum soll ich das erzählen?", fragte er trotzig:"Träume sind doch eh nur Hirngespinste. Nichts Reales. Nur Schall und Rauch."

"Ach sind sie das?", fragte der alte Dämon lächelnd: "Dann kannst du mir ja auch davon erzählen, wenn es doch eh nur Märchen sind." Der Vampir schwieg beharrlich. Seufzend hob der Dämon seinen freien Arm und legte ihn an Abraxas' rechte Schläfe. Ein mörderischer Schmerz durchzuckte Abraxas, der ihn laut aufheulen lies. "Träume sind meistens nur Schall und Rauch, wie du bereits gesagt hast. Aber manchmal, da sind es Visionen aus unserem Unterbewusstsein. Warnungen Vorahnungen oder auch Dinge die uns andere mitteilen wollen. Und diese Sachen können für unser Leben eine weitaus größere Bedeutung haben als man manchmal denkt. Lilith ist eines der urältesten Wesen, die diese Welt noch vorzuweisen hat. Sie erscheint nicht einfach so mal eben in irgendeinem Traum. So etwas hat immer eine Bedeutung und meistens umfasst diese Bedeutung mehr als eine einzelne Person.",der Dämon verstummte für einen Moment und sah Abraxas aufmerksam an. Als der aber immer noch keine Anstalten machte etwas zu sagen, flüsterte er böse."Also sag gefälligst was du sahst, oder ich werde an diese Informationen gelangen indem ich dir das Hirn langsam aus dem Schädel herausschäle!"

Abraxas Augen weiteten sich vor Schreck. Hastig begann er zu sprechen. "Es... es ist nichts weiter passiert. Ich war auf einer weiten Ebene. Da waren viele Lichter, die wild umher gewirbelt sind. Und jemand, also Lilith hat gesungen. Ich bin dem Lied gefolgt und dann..."

"Und dann?",fragte der Oberste ruhig, nun schon etwas milder gestimmt.

"Dann war ich auf einmal in einer Eiswüste. Es war kalt. Ich habe gefroren. Und in der Mitte von all dem Eis war ein Podest. Dort sass Lilith mir mit dem Rücken zugewandt. Sie hat wieder gesungen und dann hat sie aufgehört mit singen und gesagt, dass sie Angst gehabt hätte, dass ich mich verlieren würde. Sofort danach sagte sie aber auch, dass das MIR nicht passieren könnte." Abraxas schüttelte verwirrt den Kopf. Er sah den Traum jetzt wieder in voller Klarheit vor sich und umso weniger war er sich sicher, dass es sich dabei wirklich um einen Traum gehandelt hatte. Es erschien ihm vielmehr wie eine vertraute Erinnerung.

Die dunkle Stimme des Obersten riss ihn wieder aus seinen Gedanken. "Und? War das alles?"

"Naja", druckste Abraxas herum.

"Also was?", fragte der Dämon ungehalten und verstärkte seinen Druck an Abraxas' Schläfe. Die scharfen Krallen rissen blutige Wunden in seine nackte Haut und brachten den Vampir ziemlich schnell wieder zum Sprechen. "Nein, nein!",kreischte er erschrocken:"Sie hat gemeint, dass ich... dass ich", stotterte Abraxas los. Der ungehaltene Blick des Dämons machte es auch nicht besser. Abraxas fing mit einem mal so stark an zu zittern, dass er gar keinen Ton mehr hervorbrachte. Es hätte das *Memme* überhaupt nicht gebraucht, der Faustschlag, der ihn zu Boden warf reichte vollkommen um Abraxas auch das letzte bisschen Selbstwertgefühl zu nehmen. Der Vampir hatte wieder mal einfach nur Angst. Der Oberste lies die Finger knacken, während er langsam auf Abraxas zuschritt. Das brachte den Vampir endlich zum Reden. "Sie hat gesagt, dass sie die Sünden, die sie begangen hat durch mich wieder gutmachen will! Mehr war es nicht! Ich weiß doch auch nicht, was das zu bedeuten hat!", rief er panisch.

Der Oberdämon griff sich kopfschüttelnd an die Stirn. "Und warum kannst du das nicht gleich sagen?", fragte er resignierend. Darauf hatte Abraxas dann auch keine Antwort.
 

Der Oberdämon war etwa eine halbe Stunde nachdenklich im Kreis herumgelaufen, während Abraxas immer noch eingeschüchtert auf dem Boden herum hockte. Die Wunden an seiner Schläfe begannen sich bereits zu schließen. Plötzlich blieb der Dämon stehen und bedachte Abraxas mit einem sehr langen Blick. "Wenn das stimmt, was du gesagt hast, dann bist du wichtiger als dein Auftreten vermuten lässt."

Verwundert hob Abraxas den Kopf. "Wie meint ihr das?", fragte er verwirrt. "Man träumt nicht ohne Grund von Lilith und wenn man über eines sicher sein kann, dann darüber, dass sie nicht lügt. Solch ein hohes Wesen hat dazu überhaupt keinen Grund. Wenn sie dich als einen ihrer Jünger erwählt hat, dann ist dem auch so." Plötzlich lächelte der alte Dämon, reichte Abraxas seine Hand und zog ihn nach oben. "Wahrscheinlich wirst du Großes vollbringen."

"Ich? Lächerlich!",frustriert schüttelte Abraxas den Kopf. "Ich bekomme mein eigenes Leben nicht in den Griff, wie soll ich da irgendetwas Weltbewegendes hervorbringen?"

Der alte Dämon lächelte wissen:"Ich weiß wovon ich rede. Du bist etwas Besonderes. Ob du es glaubst oder nicht. Dafür sprechen deine blauen Haare, der Traum und auch dein aufmüpfiges zweites Ich. Es sind immer wieder anfangs unscheinbare Wesen, die Geschichte schreiben. Warum sollte es diesmal nicht ein Vampir sein?"

"Sicher doch.",sagte Abraxas gelangweilt.

"Glaub was du willst. Glaube so stark wie ein Fels in der Brandung, aber ich weiß, was ich weiß. Geh jetzt. Xhal wartet sicher schon."

Das lies sich Abraxas nicht zweimal sagen. Das Gespräch hatte eine immer unangenehmere Wendung genommen, da musste man es ja nicht auch noch fortführen. Wer wusste schon, was dieser verrückte Dämon am Ende noch hervorbrachte. Als er schon fast aus dem Raum heraus war, rief ihn der Dämon noch einmal zurück. "Mein Name ist Onesimus. Wenn du Probleme hast kannst du gerne zu mir kommen."

Abraxas nickte ihm noch einmal zu, dann verschwand er eilig aus dem Raum.

Nachts

Möglicherweise werden mich einige für die Stelle, an der dieses Kapitel abbricht erwürgen mögen. Ich würde es verstehen *lach*

Nya aber seht es mal positiv^^° dafür geht es ihm nächsten Kapitel dann gleich richtig los
 

*winkz*

dat sinless
 


 

Nachts
 

Abraxas lag auf dem Dach von Xhals Haus, die Beine weit von sich gestreckt, die Arme unter dem Kopf verschränkt und starrte in den sternenerfüllten Nachthimmel hinauf. Um ihn herum war es ganz still, bis auf das monotone Zirpen der Grillen. Er war alleine. Nur er und der Sternenhimmel. Die glitzernden Boten aus einer anderen Welt. So weit weg und doch scheinbar zum Greifen nah. Was waren das eigentlich - Sterne? Als er einmal den Vampire auf der Burg die selbe Frage gestellt hatte, hatte man ihn verlacht. Was interessierte er sich für Sterne? Er solle sich doch lieber auf wichtige gegenwärtige Dinge konzentrieren. Vielleicht hätte er das tun sollen.

Plötzlich hörte er ein Geräusch dicht neben sich und wand den Kopf in die Richtung aus welcher der Laut gekommen war. Orinoco verschloss die Dachluke und setzte sich neben den verdutzten Abraxas. "Schön heute, oder?", meinte sie mit einem sehnsüchtigem Blick in Richtung Himmel. "Öhm... ja.", antwortete Abraxas schüchtern, richtete sich auf und sah Orinoco verwirrt an. "Was hast du denn?", fragte sie lachend und lies ihre glockenreine Stimme durch die Nacht schweifen. Abraxas schüttelte den Kopf. "Nichts..."

"Du fragst dich, was ich hier oben will. Nicht wahr? Und warum ich mich mit dir unterhalte und wahrscheinlich auch warum ich generell freundlich zu dir bin, obwohl du ein Vampir bist und ich dich doch gar nicht kenne.", sagte sie lächelnd. Schalk blitze in ihren blauen Augen auf, als sie in das perplexe Gesicht von Abraxas sah. Ins Schwarze getroffen, konnte man sagen.

Zögernd nickte der Vampir schließlich. "Ja schon..."

"Mhmm..." Orinoco schlang die Arme um ihre Beine, legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf zu den funkelnden Sternen. "Weißt du, ich verstehe wie es dir geht."

"Ja sicher doch", lachte Abraxas bitter.

"Nein im Ernst. Hast du nicht gelauscht als Ensyis und Xhal sich gestritten haben? Dann müsstest du doch mitbekommen haben, dass ich kein Mensch bin."

"Na und, dann bist du eben ein Halbdämon! Das ist doch kein Vergleich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich durchmache!",blaffte Abraxas die junge Frau verärgert an. Was bildetete die sich ein? Kam hierher und machte einen auf total verständnisvoll. Na sicher doch.

"Ach, kann ich nicht? Dann habe ich mir die letzten Jahre in denen niemand etwas von mir wissen wollte, wahrscheinlich nur ausgedacht. Haha.", bitterer Hohn klang in ihrer Stimme während Orinoco fortfuhr:"Da bist du ein Kind zweier Rassen, aber niemand will etwas mit dir zu tun haben. Die Menschen zeigen mit dem Finger auf dich und bewerfen dich mit fauligen Obst, damit das Dämonenkind ja rasch wieder verschwindet, bevor sein böser Zauber sie ins Verderben stürzt und die Dämonen treten dich mit Füßen, verhöhnen dich, weil dir noch immer der Geruch der Menschen anhaftet. Nein Abraxas, ich weiß ganz sicher nicht, wie man sich in deiner Lage fühlt."

Abraxas schwieg betroffen. Das hatte er nicht erwartet. "Tut mir leid",stammelte er leise und brachte das Mädchen so wieder zum Lächeln. "Macht nichts. Ich glaube ich hätte damals genauso reagiert wie du."

Für einige Zeit war es still oben auf dem Dach. Jeder hing seinen Gedanken nach, bis Orinoco wieder das Wort ergriff. "Du sag mal. Könntest du mir kurz helfen?"

"Wobei denn?",fragte Abraxas.

Mit einem Kopfnicken zum nahegelegenen Wald hin, sagte sie."Mondkamillen. Ich braue aus ihnen einen starken Tee, aber sie blühen nur bei Nacht und mein Vorrat ist alle. Xhal ist beschäftigt. Ich glaube er setzt mit Ensyis einen Brief an den Jägerzirkel auf. Alleine traue ich mich aber nicht in den Wald."

"Ach und ich soll mitkommen? Ich könnte über dich herfallen!",grinste Abraxas böse und Orinoco tat es ihm gleich:"Nun in dem Fall weiß ich mich schon zu wehren, also?"

"Klar warum nicht?!"
 

Unten in der Stube hörte man Xhal und Ensyis schon wieder aufs Heftigste streiten. Scheinbar ging es doch allen Ernstes darum zu welchem Stützpunkt des Jägerzirkels Ensyis' Anliegen geschickt werden sollte. Abraxas schüttelte resignierend den Kopf. Wie konnte man sich wegen solcher Nichtigkeiten nur derart in die Haare bekommen? Orinoco warf ihm einen kurzen Blick zu, zuckte mit den Schultern und betrat dann die Stube. "Xhal! Ich gehe in den Wald wegen meinen Kräutern. Abraxas kommt mit." Der Sath schien sie gar nicht wirklich zu hören. Er knurrte nur ein "Hrrm" und konzentrierte sich dann sofort wieder auf Ensyis, der mit erhobenen Fäusten in der nächsten Ecke stand. Die beiden Cousins schienen jeden Moment damit anfangen zu wollen, sich zu prügeln. Wegen einem Brief...

Entnervt machte Orinoco auf dem Absatz und ergriff Abraxas am Arm."Komm schon, das müssen wir uns ja nun wirklich nicht antun. Das schien auch Abraxas einzusehen und folgte der Halbdämonin schnell.

Draußen schien die Nacht noch dunkler geworden zu sein. Der helle Sternenhimmel hatte sich mit Wolken verzogen und kein Licht drang mehr zur Erde hinab. Selbst mit seinen hochausgeprägten Vampirsinnen hatte Abraxas Probleme weiter als zehn Meter hinaus in die Nacht zu sehen. Orinoco lies sich davon aber überhaupt nicht beirren - scheinbar war sie derartige Nächte gewöhnt, oder sie sah mehr als der Vampir - und schritt mutig voran.

Es dauerte keine halbe Stunde, da hatten sie das kleine Waldstück, durch Orinocos sichere Führung, auch schon erreicht und brachen nun durch das Geäst der tiefer hängen Zweige. Der Wald hier war anders als die Wälder der Gegend, aus der Abraxas stammte. Die Schatten der Bäume schienen tiefer zu hängen, das Geäst war dichter. Die Baumkronen hatten sich regelrecht in einander verflochten und fochten einen immer währenden Kampf um jeden Funken Licht aus. Schillernde Nachtgewächse erstreckten sich vor seinen Füßen und doch hing die Dunkelheit wie ein schwerer Mantel über ihnen. Kein Laut bis auf ihre eigenen Schritte war zu hören, aber das war nicht weiter verwunderlich. Abraxas hatte mittlerweile gelernt, wie er seine Vampiraura unterdrücken konnte um die Tiere in Sicherheit zu wiegen. Eine andere Chance um an Blut zu kommen hatte er nicht. Den einen anderes denkendes Wesen anzufallen brachte er immer noch nicht fertig. Jetzt aber war er nicht auf der Jagd, also war es nicht notwendig, dass er sich versteckte. Sollten die Waldbewohner doch ruhig vor ihm davon laufen. Abraxas' Ego brauchte jeden noch so winzigen Triumph.

Das fremde Geräusch, welches plötzlich durch den Wald hallte, hörte er dafür um so deutlicher.
 

Ensyis hockte schmollend in einer Ecke des Zimmers und hielt sich das langsam zu schwellende linke Auge. Das der Sath so gewandt und auch stark war, hatte er nicht erwartet. Im Gegenteil. Eigentlich hatte Ensyis gedacht, dass er als Schüler Dylans keine großen Probleme mit Xhal haben würde. Den feinen Unterschied zwischen einem Lehrling und einem tatsächlichen Jäger - und wenn der noch so aus der Art geschlagen war - hatte er aber nun am eigenen Leib zu spüren bekommen.

Xhal legte plötzlich die Feder weg, mit der er eben noch eifrig an Ensyis' Stellungnahme geschrieben hatte und sah den blonden Jungen aufmerksam an. "Er sieht ihm übrigens ähnlich, findest du nicht?"

Erstaunt hob Ensyis den Kopf. Mit allem hätte er gerechnet nur nicht damit. "Wer sieht wem ähnlich?",fragte er verwirrt.

"Abraxas, Sylven. Wie alt ist Abraxas?"

Der Stuhl klapperte laut auf dem Boden, als Ensyis aufsprang und Xhal entrüstet ansah. "Sag so etwas nicht! Darüber macht man keine Witze!",rief er böse.

Xhal stand ebenfalls auf, aber wesentlich bedächtiger. "Ich meine das ernst",sagte er ruhig und verschränkte die Arme vor dem Körper. "Sei mal ehrlich Ensyis. Wie viele blauhaarige Personen kennst du?"

"Zwei! Abraxas und Sylven.",blaffte Ensyis:"Aber was hat das schon zu bedeuten? Willst du so etwas Wichtiges an der Haarfarbe festmachen?"

Ernst schüttelte Xhal den Kopf. "Sicher nicht. Aber die Möglichkeit besteht. Wie alt ist Abraxas?"

"Vierundzwanzig. Ja ich weiß, das würde genau passen. Na und?" Ensyis hatte begonnen wild im Kreis herum zu laufen. Seine Art erinnerte an die eines gehetzten Tigers. "Sylven ist tot genauso wie meine Eltern. Ich habe als Einziger überlebt und damit basta."

"Aber im Gegensatz zu deinen Eltern hat man seine Leiche doch nie gefunden, oder? Auch wenn Vampire Beute machen, taucht die blutleere Hülle des Verstorbenen in der Regel immer wieder auf. Und ein Junge mit blauen Haaren ist nun nicht gerade unauffällig."

Xhals Argumente waren erdrückend. Natürlich Ensyis hatte diesen Gedankengang selbst bereits einmal verfolgt - und wieder verworfen. Es konnte einfach nicht sein. "Hör mal, was soll das denn für Zufall sein, wenn das wirklich stimmt?", fragte er hilflos.

"Ein bitterböser Streich des Schicksals. Aber unmöglich ist es nicht."

Resignierend schüttelte Ensyis den Kopf. "Nein! Das kann nicht sein! Selbst wenn es so wäre und Abraxas tatsächlich Sylven ist, worauf du ja hinaus willst, dann hätte er das doch gesagt. Und warum sollte er sich Abraxas nennen?"

"Warum fangen Vampire Kinder und verwandeln nicht einfach Erwachsenen? Wäre doch viel einfacher, als diese Brut erst zehn Jahre oder länger durch zu füttern."

Ensyis zuckte kraftlos mit den Schultern. Xhal hatte ja Recht.

"Weil sie die Kinder erst für ihre Ziele sensibilisieren müssen. Sicher kommt das einer Gehirnwäsche gleich und ein anderer Name ist da bestimmt hilfreich. Also was denkst du?"

Ensyis Hände verkrampften sich. Bitterkeit und verärgerter Trotz schwang in seiner Stimme. "Nein das stimmt nicht. Sylven ist tot. Abraxas ist nicht meine Bruder!"
 

Im Wald drehte sich Orinoco verwundert zu Abraxas um. "Was ist denn los?", fragte sie, wurde aber sofort von Abraxas unterbrochen. "Shh. Wir sind nicht alleine!",flüsterte er und ging langsam auf sie zu. Abraxas Ohren waren aufgestellt und alle Sinne aktiv. Der Vampir in ihm lauschte stumm und aufmerksam. Und da war es wieder. Das leise Knacken, von Ästen die zerbrachen, weil jemand vorsichtig darauf trat. Tappende Laute über den moosbedeckten Waldboden und das federnde Surren von tief hängenden Zweigen, die zur Seite gestrichen wurden und nun in ihre Ausgangslage zurück kehrten. Jemand näherte sich ihnen - zügig. Und dieser jemand war nicht alleine.

Jetzt wo Abraxas einmal wusste worauf er achten musste hörte er auch die Schritte der anderen beiden, die sich ihnen aus der entgegengesetzten Richtung näherten. Und da, tatsächlich. Er spürte sie. Ihre Auren, die keine Wärme mehr verstrahlten. Diese Bündel schwarzer Energie, Gier und Mordlust. Sie waren da. Sie waren auf der Jagd.

Und Abraxas war die Beute.

Hastig wirbelte er zu Orinoco herum und ergriff sie am Handgelenk.

"Schnell! Wir müssen von hier weg!", zischte er aufgeregt.

Das Mädchen machte aber keinerlei Anstalten sich zu bewegen. "Was ist denn los?", rief sie verwirrt und begann lautstark zu protestieren, als Abraxas sie einfach hinter sich her zerrte. "Lass mich los, verdammt!", schrie sie und versuchte sich aus Abraxas Griff herauszuwinden. "Du tust mir WEH!"

Der Vampir achtete nicht auf die Rufe des blondenMmädchens hinter ihm. In seinem Kopf existierte nur noch ein Gedanken. Fort. Nur fort von hier. Bevor die Bestien ihn erreicht hatten. Bevor sie die Bestie in IHM wach riefen.

Zu spät.

Vor ihnen brach plötzlich eine dunkle Gestalt aus dem Untergehölz des Waldes. Die roten Augen brauchten einen Moment um sich neu zu orientieren. Ein Moment, der dem Monster in ihm genügt hätte zuzuschlagen und seinen Gegner niederzustrecken. Diesem schwarzen Ding hätte der Moment gereicht, aber nicht Abraxas. Denn Abraxas war...

"Ein blauhaariger Vampir, mit einer außergewöhnlichen Aura",sagte der Vampir mit den braunen Haaren zufrieden. "Du musst Abraxas sein."

Hinter Orinoco brachen die beiden Kumpanen des Braunhaarigen aus dem Wald heraus.

"Drei gegen einen. Findet ihr das nicht ein bisschen unfair?", fragte Abraxas trocken.

"Du weißt doch wie das läuft, Abraxas", lachte der Vampir vor ihm. "Immer so wie es für dich selbst am besten ist."

Kampf im Mondschein

Sooo.... diesmal hats ganz schön gedauert, bis dieses Kapitel fertig war. Ich hab den zweiten Teil gestern und heute komplett runtergeschrieben... während der erste schon über drei wochen rumliegt...

Hab zur Zeit echt viel um die Ohren und bitte das deswegen zu entschuldigen

so will hier gar nicht lange nerven... hier gehts also weiter mit dem nächsten Kapitel von Abraxas^^
 

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Kampf im Mondschein
 

Im Wald war kein Laut zu hören. Kein Grillenzirpen, kein Blätterrascheln. Nicht einmal der Wind heulte und doch war es nicht still. Hier und da ein leises Tappen. Gewicht, dass von einem Bein auf das andere gewechselt wurde. Orinocos flacher Atem und das leichte Zittern, welches Abraxas Körper ergriffen hatte. Viel zu laut, als dass es ein Vampir hätte überhören können und es waren drei von ihnen.

Lauernd bewegten sich die drei langsam um Abraxas herum, bereit jederzeit zuzuschlagen, aber noch war der Moment nicht gekommen. Abraxas folgte ihren Bewegungen mit den Augen so gut es eben ging, aber mehr als zwei von ihnen bekam er nie zu Gesicht. Der dritte hielt sich immer im toten Winkel zu ihm auf. Das machte nichts. Er konnte ihn nicht sehen, spürte ihn aber umso deutlicher. Den plötzlichen Angriff von der linken Seite bekam er dafür aber nicht mit.

Erstaunt blickte Abraxas in das süffisant lächelnde Gesicht des Vampirs, der plötzlich vor ihm aufgetaucht war. Für einen Moment sah er das Blitzen in dessen roten Augen, dann brach er keuchend zusammen und hielt sich den schmerzenden Magen. Der Vampir lies ihm aber keinen Moment zum Verschnaufen sondern trat sofort heftig zu.

Zweige brachen unter krächzenden Geräuschen, als es Abraxas über den Waldboden fegte. Ein erstickter Schrei drang an sein Ohr - Orinoco? - dann sah er die mit Stahlkappen besetzten Stiefel schon wieder auf ihn zulaufen. "War es das schon?", fragte der Vampir höhnisch. "Das erstaunt mich. So hast du Rachel sicher nicht besiegt." Die beiden anderen Vampire lachten hämisch, mischten sich aber nicht weiter ins Geschehen ein.

*Nein, das war ja auch ich!*, fauchte es in ihm *Los tu etwas sonst bist du Geschichte!*

Es hätte der Aufforderung nicht mehr bedurft.

Die Metallkappen stoppten kurz bevor sie Abraxas Gesicht berührten und mit einem Ruck riss der Blauhaarige den Vampir zu Boden, sprang in der selben Bewegung nach oben und trat zu. Die Bewegung erreichte ihr Ziel nie. Abraxas registrierte aus dem Augenwinkel heraus nur zwei Schatten, dann fegte es ihn auch schon von den Füßen. Kleine Insekten stoben nach oben, als Abraxas mit dem Bauch nach unten wieder auf dem Waldboden landete. Vor seinen Augen tanzten Funken.

Der Vampir schrie gequält auf als einer der Anderen seinen Haarschopf packte, nach oben zerrte und ihm mit voller Wucht das Knie ins Gesicht rammte. Achtlos lies er Abraxas los und starrte mit verachtenden Blick auf das dreckige Bündel, welches sich mit zitternder Hand die blutende Nase hielt. Der Vampir legte den Kopf in den Nacken und sog genüsslich den Geruch von frischen Blut ein. Oh wie verlockend war der Duft. Wilde Gier glänzte in seinen Augen, als der Vampir sich nach unten beugte und nach Abraxas greifen wollte.

"Lass das", sagte sein Kumpan und legte dem Braunhaarigen beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. "Lord Meantoris will ihn lebend haben."

Alleine der Klang des verhassten Namens lies Abraxas noch stärker zittern. Ein kalter Schauer hatte sich über seine gesamte Haut gezogen.

Die Blutung wollte einfach nicht aufhören. Mit jedem Atemzug zog der verletzte Vampir mehr des begehrenswerten Lebenselixiers in seinen Lungen hinein. Das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer. Dafür wurde das dumpfe Pochen hinter seiner Stirn immer stärker. Der Vampir in ihm schien nicht mehr fähig zum Sprechen zu sein. Er war auf eine tiefere Sinnesebene zurückgefallen. Und da unten war er viel gefährlicher. Dieses schwarze Ding in ihm bewegte sich langsam und kalt - schleichend. Und es war gespannt, es war bereit. Es wollte zuschlagen, etwas zerreißen, zerfetzten, zerstören. Der Vampir wollte Blut sehen - Tod.

Abraxas stand schwerfällig auf und straffte die Schultern. Verwunderte Blicke wurden ihm von den Dreien vor ihm zugeworfen. "Was denn? Hast du noch nicht genug?", fragte der Vampir mit den braunen Haaren höhnisch. "Kein Problem. Ich gebe dir gerne noch eine Portion Nachschlag."

"Ihr solltet verschwinden", zischte Abraxas leise und gefährlich. Die Anstrengung alleine gerade auf zwei Beinen zu stehen, war ihm ins Gesicht geschrieben. Schweiß perlte in dicken Tropfen von seiner Stirn und das sanfte Zittern seiner Beine, war wohl nur ein weiterer Grund warum seine Warnung nicht mehr als ein müdes Lächeln auf die Gesichter der Vampire zauberte. Neben Abraxas bewegte sich plötzlich ein goldener Schatten. Orinoco hatte sich schützend neben ihn gestellt und seine Hand ergriffen. "Ihr habt gehört, was er gesagt hat", rief sie mit herausfordernder Stimme. "Lasst uns in Ruhe!"

Der braunhaarige Vampir klopfte sich auf die Unterschenkel und brach in schallendes Gelächter aus, in das seine beiden Kameraden schnell einstimmten. "Ach Püppi. Von dir will ich doch gar nichts",meinte er schmunzelnd, während er langsam auf die beiden zuschritt. "Aber wenn du unbedingt willst, kann ich mich anschließend gerne noch einmal mit dir beschäftigen." Der Vampir hob seine Hand und wollte Orinoco, die langsam vor ihm zurückwich, an den goldenen Haaren berühren, als Abraxas seine Hand nach oben riss. Seine langen spitzen Krallen waren nur wenige Millimeter vor dem Hals des Vampirs zum Stehen gekommen. "Keinen Schritt weiter!",flüsterte er drohend.

Für einen kurzen Moment wirkte der Vampir überrascht. Im nächsten Augenblick hatte er sich aber wieder gefangen, packte Abraxas am Handgelenk und drehte ihm den Arm in einer fliessenden Bewegung brutal auf den Rücken. Orinoco wich mit einem erschrockenen Aufschrei von den beiden zurück.

"Wenn man jemanden umbringen will tut man das einfach und droht es nicht erst an", flüsterte der Vampir Abraxas ins Ohr. "Aber kann es sein, dass du mich gar nicht töten willst?" Abraxas antwortete nicht. Der Schmerz in seinem Arm wurde zunehmend unerträglicher und er musste sich mächtig zusammenreißen um nicht los zuschreien. "Vorhin auch schon. Als ich auf dem Boden gelegen habe, hast du zwar zugetreten, aber nicht dahin wo es wirklich gefährlich wäre. Du hast gar nicht den Mut dazu jemanden zu töten!" Stöhnend beugte sich Abraxas vorne über. Der Schmerz in seinem Arm war zu einer pulsierenden Qual geworden. Seine Knochen ächzten müde, wie lange konnten sie der Kraft des Vampirs noch standhalten? Und plötzlich war der Schmerz einfach weg, so als wäre er nie da gewesen. Der Braunhaarige machte einen Schritt von Abraxas weg und sah ihn auffordern an. "Komm schon! Zeig mir was du wirklich kannst!"

Die mörderischen Krallen streiften die weiche Haut des Braunhaarigen nur sanft, aber die winzigen Bluttropfen, die für einen Moment im dunklen Licht schimmerten reichten um den rasenden Vampir auch noch das letzte bisschen Beherrschung zu rauben. Blutiger Schaum tropfte ihm aus dem Mundwinkel, während er sich mit einem animalischen Schrei auf sein Opfer stürzte. Einer der anderen wollte Abraxas zu Boden reißen. Er erkannte seinen Fehler spätestens in dem Moment, als ihm der Vampir mit der bloßen Hand die Brust durchstieß und ihm das pulsierende Herz herausriss. Genüsslich leckte er das langsam seinen Arm hinab laufende Blut ab während in ihm ein ohnmächtiger Kampf tobte. Abraxas Seele war verdrängt wurden um ihn herum war es nur noch dunkel und kalt. Sein anderes Ich schien die verzweifelten Rufe nicht einmal mehr zu hören, so tief hatte es ihn in die Abgründe seines Geistes verbannt. Was geschah da draußen? Abraxas wusste es nicht. Er wusste nur, dass er sogar noch gefährlicher war als sonst. Sein zweites Ich war grausam, brutal und ungemein gefährlich und trotzdem besass es Verstand, aber jetzt wo er nur noch von Zerstörungswut und Blutgier kontrolliert wurde? Wozu war dieses Monster, was ihn im Moment beherrschte, fähig?

Orinocos Warnung kam zu spät, als dass Abraxas noch darauf reagieren hätte können. Die beiden verbliebene Vampire verschwendeten keine Zeit damit, um ihren dahingeschiedenen Kollegen zu trauern. Mit ungebremster Härte griffen sie Abraxas nun an und es war klar wer gewinnen würde. Sein einstweiliger Sieg über den Vampir war ein Glückstreffer gewesen, weil dieser Abraxas unterschätzt hatte. Das würde nun aber nicht mehr passieren. Die zwei wussten nun wozu er fähig war und würden sich keinen zweiten Fehler erlauben. Bald war es Abraxas der schwer atmend auf dem Waldboden lag, kaum mehr zu einer Bewegung fähig. Der Vampir blutete aus zahlreichend Wunden, eine schlimmer als die andere, die aber noch nicht ausreichten um ihn wirklich umzubringen. In seiner Brust pochte es dumpf. Scheinbar waren mehrere Rippen gebrochen. Was machte das schon. Das Licht war noch nicht in Abraxas Augen zurück gekehrt, trotzdem begann sein Verstand wieder zu arbeiten, so erkannte er auch, dass er verloren hatte. Stöhnend rollte sich der Vampir auf die Seite und sah zu seinen ebenfalls verletzten Peiniger nach oben. Diese hatten von ihm abgelassen, beobachteten ihn aber immer noch aufmerksam. Wer wusste schon wozu ein in die enge getriebenes Tier noch fähig war.

Als sicher war, dass sich Abraxas nicht mehr wehren würde, beugte sich einer der beiden nach unten um ihn aufzuheben, zog die Hand aber erschrocken zurück, als ein silberner Lichtstrahl ihm die Finger verbrannte. "Hände weg von Abraxas!"

Verwundert drehten die drei Vampire den Kopf in die Richtung aus der die Stimme kam.

Orinoco hatte den Kopf stolz erhoben und den rechten Arm ausgestreckt. Die langen Haare sprühten vor Elektrizität und immer wieder zuckten silberne Blitze hervor und brachen sich in der Luft der Umgebung. Drohend machte sie einen Schritt nach vorne und schoss einen weiteren Blitz dicht vor die Füße der beiden Vampire ab. "Habt ihr mich nicht verstanden?", schrie sie wütend:"Lasst Abraxas in Ruhe!"

Der braunhaarige Vampir begann zu kichern und machte einen Schritt auf Orinoco zu, blieb aber sofort stehen, als wieder ein Blitz kurz vor ihm einschlug. "Tss. Was soll das denn? Deine Magie ist ja ganz hübsch anzusehen, aber gegen zwei von uns wird sie dir auf Dauer nicht helfen."

Ein widerwärtiges Knacken hinter ihm ließ den Vampir herumfahren und er wurde gerade noch gewahr wie Abraxas den Anderen achtlos zu Boden fallen lies. Dessen Genick war merkwürdig verdreht und es sah nicht so aus, als ob er sich noch einmal rühren würde. Man sah dem Blauhaarigen die Mühe an, die es ihm bereitete nur auf seinen Beinen zu stehen. Trotzdem grinste er den verbliebenen Vampir herausfordern an. "Aber wir beide gegen dich. Da sollte sich doch direkt etwas machen lassen", lachte er gehässig und spuckte zeitgleich einen großen Batzen Blut aus.

"Du hast es gehört!", verstärkte Orinoco ihre Worte noch und hob den zweiten Arm, fokussierte ihre Energie nun genau auf den Vampir und dieser sah ein, dass es wohl Zeit war klein bei zu geben. Ärgerlich sah er zu Abraxas hinüber und sagte dann: "Mein Name ist Yenath. Merk ihn dir gut. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir Zwei uns begegenen!" Dann verwandelte er sich in eine Fledermaus und verschwand mit einem irren Lachen, das aber nur Abraxas hören konnte, in den Wipfeln der Bäume.

Erleichterte ließ Orinoco die Arme fallen. "Gott sei Dank", sagte sie gespielt fröhlich und doch schwang immer noch Anspannung in ihrer Stimme mit:"Wenn der uns jetzt wirklich angegriffen hätte, wäre es wohl aus gewesen. Meine Magie taugt nur von ganz nahem etwas."

"Ja, da haben wir wohl noch mal Glück gehabt",knurrte Abraxas leise, woraufhin Orinoco verwirrt aufsah. "Was ist denn?", fragte sie während sie besorgt auf ihn zu lief. "Oh entschuldige. Natürlich - du bist ja noch verletzt."

Abraxas hatte sich vorne übergebeugt und die Hände auf die Knie gestützt. Er schien Orinoco überhaupt nicht wahr zu nehmen. Sein Körper war mit zahllosen Wunden überseht und ihre Blutung nahm nicht ab. Der Vampir war zu schwach um sich selbst zu regenerieren. Wenn er nicht schnell wieder zu Kräften kam würde er an den Folgen des Kampfes doch noch krepieren. "Abraxas? Kann ich dir irgendwie helfen?",fragte Orinoco besorgt. Unendlich langsam hob Abraxas den Kopf und sah Orinoco mit einem merkwürdigen Blick an. Jähe Angst stieg in Orinoco auf. War es noch nicht vorbei?

"Abraxas? Stimmt mit dir etwas nicht?", fragte sie ängstlich: "Deine Augen - Sie sind so...", dunkel hatte sie sagen wollen, aber die Worte blieben ihr schlagartig in der Kehle stecken, als sich Abraxas Hand um ihren schlanken Hals schloss.

"Ja du kannst mir helfen", grinste er böse mit blutunterlaufenen Augen, aus denen der Wahnsinn sprach. "Es ist nichts persönliches, wirklich nicht",flüsterte er noch leise, während sich seine Zähne in Orinocos Nacken gruben. Orinoco riss schreiend den Arm nach oben, berührte Abraxas an der Stirn und den Vampir riss es innerlich auseinander. Mit einem gurgelnden Laut fiel Abraxas zu Boden und blieb regungslos liegen. Neben ihm sank Orinoco zitternd und weinend ebenfalls zusammen.
 

Xhal hob verwundert den Kopf als Orinoco den Raum betrat. Was für ein merkwürdiges Bild sie doch bot. "Orinoco. Was ist passiert!", rief er entsetzt und eilte auf sie zu, als er den Grund ihres veränderten Aussehens erkannte. "Dieses ganze Blut. Oh mein Gott. Was ist denn passiert?" Orinoco lies sich entkräftet in Xhals Arme fallen und schüttelte beschwichtigend den Kopf. "Das ist nicht mein Blut. Ich bin unverletzt. Das ist..."

"Abraxas?", war das erste Wort was Ensyis aussprach. Mit einer Ruhe die man dem jungen Jäger sonst gar nicht zutraute hatte er die sich ihm darbietende Szene verfolgt, nun aber, da es so schien als wäre sein Freund in Schwierigkeiten, flackerte Sorge in den grünen Augen. "Was ist mit ihm?", fragte er laut, während er auf Orinoco zulief. Das Mädchen nickte nur geschwächt in Richtung Eingang, woraufhin Ensyis sofort um die Ecke stürzte. Xhal folgte ihm mit Orinoco im Arm etwas langsamer.

Abraxas lag in einer Lache von schillernden Blut auf dem Fußboden und war noch blasser als sonst. Vereinzelt hatten seine Wunden angefangen zu heilen, aber sie waren zu tief und zu zahlreich, als dass seine noch nicht voll ausgeprägten Regenerationskräfte sie alle hätten erfassen können. "Wir sind angegriffen wurden", schluchzte Orinoco leise. "Abraxas hat sie vertrieben, aber jetzt ist er...", weiter kam sie nicht, sondern verbarg das Gesicht in Xhals Kleidung. Tröstend drückte er sie an sich. "Und hast du ihn jetzt vom Wald hierher geschleppt?" "Ja.." "Bist du unverletzt?" Nach einem kurzen Zögern nickte Orinoco schließlich. Xhal musste nicht wissen, dass Abraxas sie angegriffen hatte.

"In Ordnung. Es ist gut. Geh ins Bad und hol frische Tücher und Wasser. Ensyis du hilfst mir ihn in mein Arbeitszimmer zu bringen." Ensyis hatte am Boden bereits begonnen den Vampir notdürftig zu versorgen, aber seine Fertigkeiten reichten bei weitem nicht aus um dieses Ausmaß an Verletzungen ausreichend zu behandeln. Deswegen war er froh, das Xhal nun wohl das Kommando übernahm. Ihm wäre Abraxas sicher unter den Händen weggestorben. Zu zweit hievten sie den bewusstlosen Vampir in Xhals Arbeitszimmer und legte ihn dort vorsichtig auf den langen Holztisch. Abraxas war nicht wirklich schwer, trotzdem war es erstaunlich, dass Orinoco ihn ganz alleine vom Wald hier herunter geschleppt hatte. Jetzt kam sie auch schon wieder aus dem Bad zurück und brachte Xhal einen Schüssel mit warmen Wasser und einigen Tüchern. Dieser nahm sie dankend in Empfang. "Fühlst du dich stark genug runter ins Dorf zum Heilpraktiker zu laufen und ihn herzuholen? Ich will Ensyis nicht schicken. Der braucht im Dunkeln zu lange bis er das Haus gefunden hat, sonst muss ich gehen." Orinoco schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, nein das geht schon. Ich werde mich beeilen", sagte sie und verschwand augenblicklich aus der Tür.
 

Zwei Stunde später verlies der Heilpraktiker endlich Xhals Arbeitszimmer. "Und?", fragte Ensyis aufgeregt. Der Dämon mit dem blutigen weißen Kittel wirkte müde und erschöpft, trotzdem lächelte er Ensyis nun beruhigend zu. "Er wird schon wieder. Hättet ihr mich etwas später geholt, hätte es vielleicht anders ausgesehen, aber so denke ich, dass er es schaffen wird. Ihr müsst ihn nur im Auge behalten. Wenn sich sein Zustand verschlechtert müsst ihr mich sofort rufen." Xhal nickte beruhigt und ging zu einer kleinen Truhe in der er sein Erspartes aufbewahrte. "Was schulden wir euch?", fragte er, aber der Dämon winkte ab. "Nichts. Die Erfahrung mal an einem Vampir herumdoktern zu dürfen müsst ihr mir nicht entlohnen", lachte er gutmütig. "Er ist noch ziemlich jung, oder?" "Hm...",nickte Xhal und brachte den Arzt dann zur Tür. "Nun, gehabt euch wohl. Ich wünsche euch noch eine geruhsame Nacht und entschuldigt noch einmal die Störung." "Keine Ursache. Dafür bin ich da. Passt nur gut auf den Kleinen auf. Er scheint mir etwas Besonderes zu sein." Xhal lachte leise.:"Das braucht ihr mir nicht sagen, aber danke noch mal."

Als Xhal wieder zurück in die Stube kam, war nur noch Ensyis da. Orinoco war nun endlich zu Bett gegangen. Nun, niemand würde es ihr verübeln. Die vergangene Nacht musste auch stark an ihren Kräften gezehrt haben. "Bringen wir ihn noch rüber in sein Bett?", fragte Ensyis und Xhal nickte darauf.

Die beiden Jäger standen ruhig an Abraxas Nachtlager und sahen auf den nun friedlich schlafenden Vampir hinab. Ensyis hatte die Stirn in Falten und stierte nachdenklich geradeaus. "Worüber denkst du nach?", fragte Xhal neugierig.

"Sylven... Er hatte eine Narbe am rechten Oberschenkel. Da hat ihn der Nachbarshund gebissen." Für einen Moment war es still im Raum, dann trat Xhal nach vorne und streifte Abraxas rechtes Hosenbein nach oben. "Schauen wir nach. Vampire behalten die Narben, die sie bereits als Menschen hatten." Ensyis nickte und trat gefasst an Abraxas Bein heran. Die Anspannung war ihm ins Gesicht geschrieben, als er besagte Stelle untersuchte. Dann aber atmete er erleichtert aus. "Da ist nichts", seufzte er beruhigt. "Abraxas ist nicht Sylven."

Schatten

Hiho^^ Da bin ich wieder. erst mal daaaaaaaanke danke danke für die Kommis. Ich hab euch alle so lieb. Ich geb mir auch ganz doll Mühe beim Schreiben und versuche auch schnell zu machen... auch wenn ich sehr wenig Zeit habe^^°

Hoffe das kap. Hier gefällt euch... Ich mags net so sehr. Diese ständigen Dialoge haben schnell genervt... und das wirkt alles so steif... >,<
 

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Schatten
 

Ein wirbelndes Farbeninferno, Lichter die seinen Weg kreuzten und zahlreiche Pfade, die keinen Anfang hatten und sich im Nichts verloren. Dieses Szenario kannte Abraxas bereits. Er träumte also wieder. Nur war diesmal etwas anders. Sie sang nicht und der Vampir konnte sie auch nirgendwo spüren. War er wirklich allein oder versteckte sich Lilith nur? Lilith... Frustriert schüttelte Abraxas den Kopf. Hatte er wirklich erwartet, dass sie sich ihm noch einmal zeigen würde? Und wollte er das denn eigentlich? Abraxas hatte weder Xhals Wort noch die des Dorfobersten vergessen. Es hatte nie etwas Gutes zu bedeuten, wenn einem Lilith im Traum erschien. Wie wahr, wie wahr. Selbst unter den Dämon galt sie als Inbegriff des Schreckens. Sie war kein Mensch, aber auch niemand der ihren. Lilith war ein Wesen zwischen den Welten, ganz alleine, ganz auf sich alleine gestellt immer auf der Hut. Verhasst, verstoßen, einsam.

Nein das stimmte nicht. Es war nicht Lilith auf die diese Situation zutraf. Lilith war erhaben. Sie stand über den Dingen und hatte es nicht nötig sich mit Sterblichen abzugeben. Liliths Isolation war selbstgewählt.

ER war es, der nicht wusste wohin er gehört. Er, der Vampir mit Seele. Dieser Funken, den er nicht hatte verlieren wollen um seiner Menschlichkeit Willen, dieser Funke machte ihm zu etwas anderem, etwas Einzigartigem, Besonderem. Aber in erster Linie machte es ihn einsam.

*Du bist doch nicht alleine*, flüsterte es leise. Ein bitteres Lächeln schlich sich über Abraxas Züge. Nein er war nicht alleine. ER war ja immer bei ihm.

*Siehst du, du bist nicht alleine!*

Fahrig strich sich Abraxas durch die Haare. "Das ist doch jetzt nicht dein Ernst! Du meinst es wäre ein Trost für mich, dass ausgerechnet DU bei mir bist? Mach dich nicht lustig über mich!",rief er aufgebracht.

*Das tue ich nicht!", erwiderte die Stimme hartnäckig und Abraxas konnte die Ohren spitzen, wie er wollte, diesmal klang sie aufrichtig. *Ich dachte nur, es würde dich vielleicht aufmuntern.*, meinte die Stimme nun ehrlich enttäuscht.

Das riss dem Fass doch den Boden aus! Was bildete sich der Kerl ein?

Wütend stampfte Abraxas mit dem Fuß auf:"Seit wann interessiert DICH, was ICH will?", rief er aufgebracht in den Raum hinein. Wie dumm war das eigentlich? Er stand hier mutterseelenallein in einem weiten Raum und unterhielt sich mit einer körperlosen Stimme. Selbst für einen Traum, war das doch bar jeder Vernunft.

Und wieder lachte die Stimme ruhig und beschwichtigend. *Wer glaubst du eigentlich, wer ich bin?* fragte sie. "Wer sollst du schon sein!? Ein widerwärtiges Wesen, dass von meinem Körper Besitzt ergriffen hat. Ein blutdürstendes Monster in Menschengestalt! Ein perverses Ding, das kein Recht auf Leben hat."

Abraxas konnte hören wie seufzend Luft ausgestoßen wurde. Was sollte das jetzt? Er hatte doch Recht. Dieses Ding in ihm, war nichts weiter als ein gottverstoßenes Geschöpf, hervorgekrochen aus dem den tiefsten und abartigsten Gebieten dieser Erde. Ein schwarzer, gehörnter Teufel, direkt der Hölle entstiegen.

*Ich bin Du*,

"Mach dich nicht lächerlich. "

Abraxas konnte hören, wie er den Kopf schüttelte, das vertraute Rascheln der schulterlangen Haare, die sanft an seinen Ohren vorbeizogen. Wie merkwürdig, wo er seinen Kopf doch nicht bewegt hatte.

*Du glaubst ich lüge?*,fragte die Stimme endlich. "Wäre doch naheliegend!",antwortete Abraxas barsch. "Oder willst du mir etwa weißmachen, dass ausgerechnet ein Wesen wie DU ehrlich sein will?"

*Welchen Nutzten hätte ich davon, dich zu belügen?*

"Welchen Nutzen hättest du davon, mir die Wahrheit zu sagen?"

*Klare Verhältnisse.*

Stille. Abraxas wusste nicht mehr was er erwidern sollte. Das war Blödsinn was sein zweites Ich ihm da erzählte. Dieses Ding sollte auch er selbst sein? Dass ein zweiter Geist in seinem Körper existierte, damit hatte sich Abraxas mittlerweile irgendwie abgefunden. Man konnte damit klarkommen, wenn auch nicht akzeptieren. Es ging solange man nicht selbst für die Handlungen des Anderen verantwortlich war. Auch wenn es immer derselbe Körper war, der alle Taten vollbrachte. Solange es nicht der eigene Geist war, an dem das Blut der Anderen klebte, konnte man damit leben. Aber wenn die zwei Geister doch nur ein und dieselbe Person waren, dann war er, er für alles verantwortlich, was sein anderes Ich getan hatte. *So ist es!* Abraxas stöhnte gequält auf:"Nein! Niemals! Das kann nicht sein! Meantoris hat dich erschaffen, als er mich geweiht hat! Ich habe damit nichts zu tun!" Die Lichter der Umgebung kreisten langsamer und ihre leuchtenden Farben verloren an Intensität. Ein dunkler, schwerer Schatten legte sich über den verzweifelten Vampir, erdrückte ihn und nahm ihm die Luft zum Atmen. Unsichtbare Arme legten sich von hinten um ihn und krallten sich fest. Warmer Atem hauchte an seinem Ohr vorbei. Und leise wisperte es:*Ich bin du. Auch Meantoris hat nicht die Macht Dinge aus dem Nichts zu erschaffen. Ich war schon immer da. Er hat mich nur geweckt.*

Ein kalter Schauer hatte Abraxas erfasst. Von den Fingerspitzen an begann die Kälte nach oben zu kriechen, sämtliche Härchen stellten sich am ganzen Leib auf und Abraxas begann panisch zu zittern. "Wer bist du?", flüsterte er verzweifelt.

Ohne zu zögern antwortete die Stimme:*Schmerz, Trauer, Leid, Hass. Alle verborgenen dunklen Seiten deiner Seele. Jeder Fluch, jede Verwünschung, jeder Mordgedanke, den du hattest, den du aber nicht laut ausgesprochen hast sondern tief in deiner Seele vergrubst. All deine schlechten Erfahrungen und der Hass gegen alles was lebt, das bin ich."

Schreiend riss sich Abraxas los, taumelte nach vorne und fuhr wild herum. Die roten Augen versprühten ein irrwitziges Feuerwerk und wollten die angestarrte Stelle verbrennen, wo er eben noch gestanden hatte. Aber da war niemand.

"Du lügst!",stammelte Abraxas schließlich hervor. "Du lügst. Du lügst! Du lügst!" Immer wieder rief er die Worte in den leeren Raum hinaus. Immer wieder und wieder, wie eine magische Beschwörungsformel, als wolle er sich so selbst die Wahrhaftigkeit der Worte bestätigen. "Du lügst... ",schluchzte er leise:"Ich habe nie derartige Gedanken gehabt. Ich habe keinen Hass in mir, der stark genug wäre ein Wesen wie dich zu erschaffen! Nein, nein!"

*Nicht?* Abraxas konnte hören, wie sich ihm langsam Schritte näherten und kurz vor ihm zum Stehen kamen. *Du hasst nicht? Was ist mit Meantoris?* Abraxas schluckte. Das stimmte. Er hasste Meantoris seit dem Tag seiner Weihe abgrundtief, auch wenn er nicht wusste warum, aber die pechschwarze Flamme der Verachtung brannte hoch lodernd in ihm. *Und habe ich Recht?* Gehetzt schüttelte Abraxas den Kopf und wich einige Schritte zurück. "Selbst wenn es so wäre! Du hast gesagt, dass du die Ansammlung all meiner negativen Gedanken wärst. Aber diesen Hass, der ist noch nicht so lange in mir. Der existiert erst, seit du da bist! Du bist das der Grund für meinen Hass!" Sein zweites Ich nickte, schüttelte aber fast zeitgleich auch den Kopf. *Ja und nein. Es stimmt, dass du diesen Hass spürst seit ich erweckt wurde, aber er war schon immer in dir. Schon vor deiner Geburt. Du hast ihn nur vergessen. Dieses Gefühl hat lange in dir geschlafen und jetzt ist es aufgewacht und zeigt sich dir in all seiner Deutlichkeit. Auch wenn du noch nicht weißt warum.* Die Stimme verharrte einen Moment ruhig, lachte dann aber verächtlich:*Kein Wunder, du weißt ja nicht einmal, wer du selbst bist.*

"Wer ich selbst bin?", wiederholte Abraxas monoton. "Du weißt es?"

*Natürlich. Ich bin ja du.*

Abraxas Arme hingen schlaf an den Seiten hinab. Aus seinem ganzem Körper war die Spannung gewichen. Wer er war? Wer war er denn schon weiter, außer einem kleinem unbedeutendem Vampir. Ein Wesen, das nicht wusste wohin es gehört und verzweifelt um sein Leben kämpfte. Nur ein Bauer auf einem riesigem Schachfeld. "Wer soll ich denn sein?",fragte er verwirrt.

*Soll ich es dir zeigen?*

So eine einfache Frage, doch wie schwer war die Antwort. Er wusste doch bereits wer er war, was wollte der böse Geist ihm da schon groß noch zeigen? Und wollte er es denn überhaupt sehen? *Was ist nun?*

Abraxas Blick verklärte sich und er hob stolz den Kopf. Die roten Augen funkelten. "Zeig mir den Weg!",befahl er.

Schlagartig veränderte sich die Umgebung, die Lichter stoben auseinander, umspielten sich im funkelnden Farbenrausch und verschwanden in der Dunkelheit. Um ihn herum war nichts mehr und doch war es nicht dunkel. In der Ferne begannen sich neue Formen zu manifestieren. Der warme, flackernde Schein von -

Abraxas schrie auf und begann zu rennen. Er erkannte die Gebäude, die dort in Flammen standen. Das alte Herrenhaus, die Ställe und den riesigen Heuschober. Er kannte die Stimmen, die voller Verzweiflung schrieen und versuchten sich vor den sengenden Feuerarmen in Sicherheit zu bringen. Vergebens. Niemand würde diesen Tag überleben, das wusste Abraxas bereits jetzt.

Als er den Platz erreichte, waren die Spuren der Verwüstung bereits deutlich zu erkennen. Entstellte Leichen, verkohlte Gesichter von Menschen, die er einst gekannt hatte. Wie ein Schlafwandler streifte Abraxas durch die Trümmerberge. Hier und da glühte noch ein Stück Holz, aber größtenteils stieg bereits stinkender Rauch in den nachtschwarzen Himmel hinauf. Abraxas blieb schließlich stehen. Heiße Tränen rannen sein Gesicht hinab. "Das kenne ich bereits", schluckte er leise. "Warum zeigst du mir das? WARUM?" Verzweifelter Schmerz und Verachtung schrieen aus seiner Stimme. "Das sind meine Erinnerungen!", schluchzte er. "Warum zeigst du mir DAS? Willst du mir weh tun?" Sein anderes Ich schüttelte den Kopf. Welche Ironie. Er hörte, wie es sich bewegte. Aber er konnte es weder sehen noch ergreifen. Wenn er diesen Bastard doch nur in die Finger kriegen könnte. Abraxas würde ihm zeigen, was wirklicher Hass war. "Hör auf damit!", verlangte er. "Ich will das nicht noch einmal sehen müssen. Ich habe es einmal erlebt. DAS REICHT." Über ihm lachte es plötzlich gehässig. *Du hast es erlebt sagst du? WAS hast du denn erlebt?*

Hastig entfernte sich Abraxas ein paar Schritte von seinem jetzigen Standpunkt. Er wollte nicht antworten. Wozu? Um die Erinnerung noch mehr wach zu rufen? Sie schlief schon lange nicht mehr. Sie war hellwach und raste in seinem Kopf herum, warf sich gegen die Wände und schlug sie blutig. Dann antwortete er doch: "Das ist der Hof auf dem ich geboren wurde. Meine Familie ist überfallen wurden, von Räubern. Sie brannten alles nieder und raubten was sie in die Finger bekommen konnten. Ich habe überlebt, weil ich feige wie ich war, einfach wegrannte und meine Eltern im Stich ließ. Im Wald verirrte ich mich und traf auf Meantoris. Er nahm mich zu sich. Wenn du es unbedingt wissen willst!" Abraxas stampfte wütend mit dem Fuß auf und starrte auf den mit Asche übersäten Boden. "Ich habe mich einfach aus dem Staub gemacht!", würgte er hervor. "Habe sie alle im Stich gelassen. Meine Eltern, die Mägde und Knechte, die Tiere. Sie sind alle gestorben." Sein zweites Ich war merkwürdig still gewesen, während Abraxas gesprochen hatte, nun aber ergriff es gehässig lachend das Wort: *War das wirklich so? Wie kommt es dann, dass du dich an all das hier erinnern kannst? Hättest du nicht irgendwo im Wald herum krauchen müssen?* Abraxas wollte zu einer Antwort ansetzten, aber die Worte blieben ihm im Halse stecken. Das stimmte, wieso? *Ich sag dir warum. Deine Erinnerung ist nicht ganz zuverlässig. Meantoris hat sie nach seinem Zweck verändert.* Verblüfft schüttelte Abraxas den Kopf. Was sollte das jetzt? "Was soll das heißen?", fragte er. *Komm ich zeige es dir, schau nach rechts*

Abraxas tat wie ihm gehießen und plötzlich nahm er zwei Gestalten war. Nein, halt nicht zwei, sondern drei. Neben den beiden hochgewachsenen Gestalten hockte noch eine ungleich kleinere Dritte. Ein vielleicht siebenjähriger Junge mit blauen Haaren. Abraxas blinzelte, aber das Bild verschwand nicht. "Wieso kann ich mich selbst sehen?", fragte er verwirrt. *Deine Seele hatte damals deinen Körper schon fast verlassen. Es war äußerer Gewalt, die dich zurück in deine Welt brachte. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Schau dir die beiden Erwachsenen. Erkennst du sie nicht?* Abraxas betrachtete die beiden nun etwas genauer. Es waren zwei Männer, die sich drohend gegenüber standen. Merkwürdig, obwohl Abraxas ganz nah neben ihnen stand, schienen sie ihn nicht zu bemerken. Die eine der beiden Personen, die hinter welcher der kleine Abraxas hockte, war Meantoris. Aber wie anders sah er doch aus. Abraxas hatte es noch nie bemerkt, aber sein Meister war in den Jahren in denen er ihn kannte gealtert, stark gealtert. Jetzt zeigte er sich ihm noch wie ein Mann um die Fünfundvierzig, aber auf der Burg, da war er ein alter Greis, dem das schütter gewordenen weiße Haar um die dürre Figur spielte, der aber trotz allem noch nichts von seiner Autorität verloren hatte. Wie konnte das sein? Vampire alterten nicht. Und schon gar nicht innerhalb von siebzehn Jahren. Niemals. Was machte er hier? Abraxas hätte Meantoris erst später begegnen sollen, was tat er hier auf seinem heimatlichen Hof? Der Vampir verstand es nicht. Noch weniger aber begriff er was die andere Person hier zu suchen hatte. Abraxas Augen weiteten sich. Das konnte doch nicht sein. "Gib den Jungen heraus!",mahnte Dylan laut an und hob drohend sein wuchtiges Schwert. Der Vampir zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern zog den kleinen Kerl noch näher zu sich. Meantoris Stimme klang wie der zischende Laut einer Schlange. "Niemals! Er gehört mir! Er war schon vor seiner Geburt mein! Du hast kein Recht dazu ihn mir wegzunehmen!", schnarrte er dem Jäger zu. Aber Dylan nahm keine Notiz davon. Er machte einen Schritt nach vorne und wirbelte drohend das Schwert herum. "Warum ist er so wichtig für dich? Er ist doch nur ein kleiner Mensch" Die Augen das Vampirs rollten irre, als er Abraxas näher an sich drückte. Die Krallen des Ungeheuers schnitten hässliche Wunden in das weiche Fleisch des Jungen. Aber der reagierte überhaupt nicht. Der kleine Kerl starrte nur apathisch gerade aus und kein Laut drang über seine Lippen. Für ihn war die Zeit stehen geblieben. "Hihi. Du weißt es nicht. Du kannst es auch nicht wissen", lachte der Vampir irre. "Er ist so wichtig für mich, weil..."

Plötzlich verblassten die Bilder. Meantoris und Dylan verschwanden im Nebel und das verbrannte Dorf löste sich auf. Abraxas schrie vor Enttäuschung laut auf. "WEIL? Warum? WARUM? Was ist mit mir, dass ich so wichtig bin? Warum geht es nicht weiter?" *Beruhige dich. Was hier passiert, ist vollkommen normal. Du wachst auf.*

"Ich... wache auf?", wiederholte Abraxas verständnislos.

*Ja du Trottel! Schon vergessen? Wir befinden uns in deiner Traumwelt! Du SCHLÄFST und irgendwann wacht man auf! Logisch*,fuhr die Stimme genervt auf. *Und jetzt verschwinde! Du wirst dich eh an nichts mehr erinnern können, bevor du das was du hier erlebt hast, nicht auch draußen wiederentdeckt hast. Denk daran. Das sind DEINE Erinnerungen. Nur du kannst sie erwecken. Und jetzt verzieh dich!"

Es hätte keiner weiteren Aufforderung mehr bedurft. Um Abraxas herum stiegen Lichter nach oben und zerplatzen wie Seifenblasen unter der nicht vorhandenen Decke. Auch Abraxas fühlte wie er langsam leichter wurde und sanft nach oben stieg. Dahin wo das Licht war. Dorthin wollte er zurück. Nur noch ein letztes Wort. "Warum hast du das gemacht?", rief er in den Raum hinein. Die Antwort kam, doch nicht als gesprochenes Wort. Wie eine bekannte Melodie, brannte sie sich Abraxas ins Gedächtnis hinein und folgte ihm mit herüber in die Wirklichkeit.
 

Abraxas schlug die Augen auf und beugte sich nach vorne. Zwei Worte. "Klare Verhältnisse", flüsterte er leise. Neben ihm fuhr Ensyis aus einer Art Wachschlaf nach oben. "Abraxas! Du bist wach! Endlich!", rief er erfreut. "Hast du eben was gesagt?" Abraxas blickte verwirrt in die grünen Augen des strahlenden Freundes und wiederholte dann monoton die beiden Wörter, die ihm auf der Zunge lagen

"Klare Verhältnisse? Was soll das bedeuten?", fragte Ensyis verwundert, aber Abraxas schüttelte nur hilflos den Kopf. Er wusste es nicht. In ihm war nichts nur Leere und das unbestimmbare Gefühl etwas Wichtiges vergessen zu haben. Etwas sehr Wichtiges.

"Na egal!", plapperte Ensyis munter drauf los :"Gott sei Dank bist du endlich wieder wach. Du hast drei Tage durchgeschlafen. Die Vampire hatten dich ganz schön zugerichtet. Du hättest beinahe das Zeitliche gesegnet." Vampire? Nur langsam kam die Erinnerung zurück. Ja er war mit Orinoco im Wald gewesen, da waren drei Vampire aufgetaucht und dann? Mehr wusste Abraxas nicht mehr. Betrübt schüttelte er den Kopf. Die blauen Strähnen hingen ihm ins Gesicht. Da war nichts. Ensyis bemerkte die Betrübtheit des Freundes überhaupt nicht, sondern wedelte nur aufgeregt mit einem Stück Papier vor Abraxas Nase herum. "Was ist das?", fragte der Vampir endlich. "Der Bescheid vom Jägerzirkel!", sagte Ensyis glücklich. "Sie werden jemanden hier herschicken! Ich werde wahrscheinlich einen neuen Ausbilder bekommen!"

Tage wie dieser

Sooo hier bin ich wieder^^

Aaaaalso... erst mochte ich dieses kapitel gar net... weil ich keinen Plan hatte wie ich weiter schreibe... dann aber beim schreiben hab ich doch irgednwie den bogen bekommen und befinde mich nun wieder auf sicheren terrain^^ nächste kap. sollte mir net so schwer fallen...

Den Titel mag ich nicht... klingt zwar schön, passt aber überhaupt nicht...

Den letzten absatz wollte ich eigentlich ein bischen längerschreiben... allerdings ist mir da meine oma 1 1/2 stunden auf den geist gegangen und hat mich deswegen vollkommen rausgebracht... deswegen ist das dann nur so schnell runtergetippt wurden.... hoffe es gefällt euch trotzdem
 

*winkz*

dat sinless
 

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Tage wie dieser...
 

In dem kleinen Haus war bereits alles auf den Beinen, als Abraxas zögernd die Stube betrat. Orinoco wischte Staub, während Xhal an einer seltsamen Apparatur herumbastelte. Neugierig trat Abraxas zu ihm und betrachtete das Ding etwas eingehender. Die Maschine schien keinen wirklichen Zweck zu erfüllen, zumindest erkannte Abraxas keinen, da sie nur aus einigen lose zusammengeschusterten Brettern bestanden und einigen Fäden, an deren Ende eine kleine Silberglocke hing. Was sollte das sein? Diese Frage musste man ihm wohl angesehen haben, denn Xhal antwortete von sich aus ohne aufgefordert zu werden: "Ein Vampirfrühwarnsystem. Ich habe keine Lust von den Biestern im Schlaf überrascht zu werden, nur weil sie dir ans Leder wollen." Abraxas schluckte. Soweit war es also schon gekommen. "Und funktioniert es?", fragte er zögernd. Xhal schüttelte betrübt den Kopf. "Nein. Ich habe versucht es mit einem Zauberspruch zu belegen. Aber ich bin eben kein Magier. Ich kann aus einem Buch den Spruch ablesen, aber mir fehlt die nötige Kraft meinen Willen entsprechend zu fokussieren." Enttäuscht zuckte Xhal mit den Schultern:"Es geht eben nicht." "Woher willst du das denn wissen? Hast du es denn schon mal ausprobiert?",fragte Abraxas energisch. Er wollte, dass dieses Ding funktionierte. Schließlich hätte es auch für ihn unübersehbare Vorteile, wenn er vorher wusste, wenn seine Feinde anrückten. Wenn Blicke hätten töten können, dann wäre Abraxas in diesem Moment stocksteif zu Boden gefallen. "Es hätte klingeln müssen, sobald DU dich dem Ding genähert hast. Hast du was gehört?" "Oh..." Stimmte ja - er war ja auch, er war ja auch nur ein Vampir. *Na nicht irgendeiner oder?* Korrektion. Er war nicht irgendein Vampir. Er war DER Vampir und zwar der einzige mit gespaltener Persönlichkeit. Sowas gab es bestimmt kein zweites Mal. Resignierend legte Xhal seinen Hammer beiseite - so hatte das keinen Sinn - richtete sich auf und sah Abraxas an. "Du siehst schlecht aus!", stellte er trocken fest. Jetzt da es Xhal erwähnte merkte Abraxas selbst auch wie entkräftete er immer noch war. Die Zeit des Schlafes mochte seine äußeren Wunden geheilt haben, aber innen drin, waren alle Kraftreserven so gut wie aufgebraucht. Er hatte auch seit einiger Zeit nichts mehr getrunken. Noch lies sich der Durst zurückdrängen, aber bald würde sein Körper nach Blut schreien und dann durfte keiner der Anwesenden in der Nähe sein. Es sei denn er unternahm vorher etwas. "Wo willst du hin?", fragte Xhal alarmiert, als der Vampir in Richtung Tür schwankte. "In den Wald", gab Abraxas knapp zur Auskunft und wollte schon nach der Klinke greifen, als Xhal ihn am Arm festhielt. "Du weißt aber schon noch was das letzte Mal passiert ist, als du da hingegangen bist?" Unwirsch schüttelte der Vampir die Hand des Jägers ab. "Mag sein. Aber ich brauche Blut und wenn du nicht willst, dass ich über einen von euch herfalle musst du mich wohl oder übel gehen lassen." Für einen Moment war Abraxas selbst erstaunt darüber, wie gelassen er Xhal antworten konnte. Hätte er nicht eher anfangen müssen nervös zu werden? Xhals Blick war ernst. Er überlegte einen Moment und nickte dann. "In Ordnung. Aber ich komme mit. Verstanden?" Dagegen hatte Abraxas nichts einzuwenden. Besser gesagt ihm fiel nichts passendes ein. So wirklich recht war es ihm nämlich nicht, dass der Sath mitkommen wollte. Um so erleichterter war er dafür aber als Ensyis plötzlich durch den Raum krähte, dass der ebenfalls mitkommen wollte. "Vergiss es Cousinchen. Du kannst Orinoco bei der Hausarbeit helfen. Abwaschen zum Beispiel. Immerhin wohnst du hier umsonst!" Nicht nur Orinoco sah Xhal verwundert an. Man sah förmlich wie es hinter Ensyis' Stirn arbeitete, aber bevor er den Gedanken fassen konnte, dass das wohl mal wieder ein geeigneter Zeitpunkt wäre sich mit Xhal anzulegen, hatte der schon Abraxas ergriffen und zur Tür hinaus gezerrt.
 

"Los gehen wir bevor uns Ensyis doch noch nachkommt." Abraxas wagte nicht zu widersprechen und setzte sich schweigend in Bewegung. Irgendwie hatte Xhal zeitweise nicht die beste Laune und Abraxas hielt es nicht für sonderlich klug sich jetzt irgendwie mit ihm streiten zu wollen. Trotzdem machte er nach einigen Schritten doch wieder den Mund auf. "Ähm, zum Wald geht es doch da lang",murmelte er leise und deutete in die entgegengesetzte Richtung. Sie befanden sich eindeutig auf dem Weg ins Dorfinnere. Xhals Augen folgten Abraxas Arm, sahen einen Moment nachdenklich in die Ferne und trafen sich dann mit den roten Augen des Vampirs. Abraxas schien es fast so als wollten sie sagen "Na und?" Nein es schien nicht nur so. Sie sagten es, diese Augen schlugen ihm diese beiden Worte nahezu um die Ohren. Abraxas wusste nicht warum, aber der Jäger erschien ihm mit einem Mal ungeheuer bedrohlich. Wäre doch nur Ensyis mitgekommen.

Zaghaft machte Abraxas einen Schritt zurück, lies Xhal dabei aber nicht aus den Augen. Der machte keine Anstalten irgendetwas zu tun, oder gar das immer unangenehmere Schweigen zu durchbrechen. Die schwarzen Augen fixierten den Vampir nur weiterhin. Kalt und emotionslos, erstarrt. "Orinoco hatte eine Verletzung am Hals, als ihr aus dem Wald zurückgekommen seid.", sagte Xhal plötzlich. Es klang nur wie eine Feststellung, noch schwang kein Ton der Anklage in seiner Stimme. Trotzdem erstarrte in Abraxas irgendetwas zu Stein. Wahrscheinlich rettete ihn die absolute Fassungslosigkeit davor irgendein verräterisches Zucken in seinem Gesicht zu vollführen, so sprach der Sath einfach weiter. "Das ist nicht weiter ungewöhnlich. Ihr seid von Vampiren angegriffen wurden. Da kann das schon mal passieren", stellte Xhal im gemütlichen Plauderton fest. Abraxas atmete innerlich schon auf, als Xhals Stimmung urplötzlich umschlug. "Ich hab sie gefragt ob sie verletzt ist. Sie meinte Nein. Aber ich bin nicht blöd, Abraxas. Ich erkenne einen Vampirbiss wenn ich ihn sehe. Nun frage ich mich also, warum sie mir nichts davon gesagt hat." Abraxas schluckte. Natürlich er verstand Xhals Gedankengang vollkommen. Er hätte in seiner Situation wohl auch nicht anders schlussgefolgert. "Du denkst, dass ich sie angegriffen habe und sie es dir verschwiegen hat um mich zu schützen?!", sagte Abraxas leise. "Und hast du?" Xhal war wieder ruhig geworden. Wenn man alleine dem Klang der Laute und nicht auf die Worte selber achtete hätte man meinen können, es handle sich um heiteres Gespräch unter Freunden. Dabei war es aber bitterer Ernst und Abraxas spürte instinktiv, dass eine falsche Antwort über sein weiteres Leben entscheiden konnte. Hilflos zuckte er mit den Schultern. "Ich weiß es nicht." das entsprach durchaus der Wahrheit. Abraxas hatte von allem was sein anderes Ich im Wald getan hatte nichts mitbekommen, so tief hatte es ihn in seinen Geist verdrängt. Es konnte also schon sein, dass er Orinoco...

Ohne Vorwarnung rammte Xhal dem Vampir die Faust ins Gesicht und drückte ihn gegen die nächste Häuserwand. Einige Dämonen blieben verwundert stehen, oder sahen von ihren Tätigkeiten auf. Abraxas hielt sich die schmerzende Wange und starrte Xhal aus schreckgeweiteten Augen an. So hatte der den Jäger noch nie erlebt. In den dunklen Augen Xhals schien überhaupt kein Licht mehr zu existieren. Sie waren erstarrt und unerbittlich - genau die Augen, die auch Dylan gehabt hatte. Der Sath beugte sich etwas tiefer zu Abraxas hinunter und sah ihm kalt in die Augen. Es war nur ein leises Zischen, aber die Worte klangen dafür umso bedrohlicher, als hätte sie Xhal direkt in seinen Geist hinein gehämmert. "Es ist mir egal was im Wald geschehen ist, aber solltest du noch ein einziges Mal Orinoco auch nur ein Haar krümmen, dann garantiere ich dir, dass das was du bei Dylan erlitten hast, im Vergleich zu dem was ich tun werde, dir wie ein Scherz unter Freunden vorkommen wird. Haben wir uns verstanden?" "Verstanden",nuschelte Abraxas ängstlich. Erleichtert atmete er auf, als Xhal ihn los lies, ihm kurz den Kopf tätschelte - "Dann ist ja gut" - und sich zu den Dämonen umdrehte. "Es gibt hier nichts zu sehen! Verschwindet!", rief er ihnen zu und wedelte mit den Armen herum. Schlagartig verloren die Umherstehenden tatsächlich jegliches Interesse und widmeten sich wieder ihren jeweiligen Tätigkeiten. Wenn Xhal Abraxas wirklich verprügelt hätte, hätte das sicher ganz anders ausgesehen. Der Vampir zweifelte nicht daran, dass sich der eine oder andere vorwitzige Dämon sicher dazu herab gelassen hätte seinerseits auch noch Hand anzulegen. Derartige Gedanken Abraxas' wurden aber je unterbrochen, als ihn ein stechender Schmerz durchzuckte. Xhal wurde gerade noch gewahr, wie sich der Vampir stöhnend das linke Bein hielt. "Was hast du?", fragte er alarmiert. Abraxas schüttelte nur den Kopf. "Eine alte Narbe, die manchmal noch wehtut. Nichts weiter." Die Welt begann sich zu drehen. Vor seinen Augen tanzten rote Funken. Er hatte Durst, aber er war zu schwach sich noch auf den Beinen zu halten. *Ich HABE Orinoco angegriffen*,flüsterte es leise. Natürlich... Abraxas taumelte einen Schritt nach vorne, blinzelte kurz und sah noch wie Xhal auf ihn zulief und irgendetwas rief. Vielleicht seinen Namen?

Ohnmacht. Wie oft war das jetzt eigentlich schon passiert? In den letzten zwei Monaten mehr als sein ganzes Leben zuvor. Manche Dingen konnten wirklich zur Gewohnheit werden.

Xhal fing den Vampir auf, bevor er gänzlich zu Boden stürzen konnte. Ruhig kniete er sich hin und zog Abraxas LINKES Hosenbein nach oben. Auf seinem Oberschenkel prangte eine alte Narbe, die an den Rändern Bissspuren aufwies. Xhal seufzte. Also doch. Ensyis und sein schlechtes Gedächtnis.
 

Abraxas spürte wie sein Kopf leicht angehoben und ein Becher an seine Lippen gesetzte wurde. Die zähe Flüssigkeit , die Sekunden später seinen Mund befeuchtete, hätte verlockender nicht sein können. Gierig sog er jeden Tropfen in sich auf und war enttäuscht als der Becher nach kurzer Zeit schon wieder abgesetzt wurde. Müde öffnete Abraxas die Augen. Es brauchte einige Zeit bis die Wirklichkeit wieder ihre vertraute form angenommen hatte. Die Farben erschienen ihm viel zu grell und falsch. Der Vampir wollte sich aufrichten, wurde aber sofort von einem kräftigem Arm zurückgehalten. "Bleib liegen, Abraxas. Du kippst sonst gleich wieder um." Erst jetzt nahm der Vampir Xhal gewahr, der ernst neben ihm am Bett sass. Das Zimmer in dem sich die beiden befanden, war komplett weiß und hier und da standen leere Betten. Der beißende Geruch von Chemikalien hing in der Luft und vernebelten dem Vampir den Kopf. Irgendwie herrschte hinter seiner Stirn im Moment das totale Chaos. "Wo bin ich?", murmelte Abraxas verwirrt. "In der Praxis des Heilpraktikers", antwortete Xhal ruhig musste dann aber lachen als er Abraxas perplexes Gesicht sah. "Du bist umgekippt. Eine deiner Verletzungen ist wieder aufgeplatzt als ich dich an die Wand geschubst habe. Blutverlust und da du ja eh schon, mhm wie soll ich sagen, ziemlich ausgetrocknet warst." Abraxas schloss deprimiert die Augen, was für Xhal ein Zeichen war, dass er wohl verstanden hatte. "Wo hast du das Blut her?", fragte er endlich. "Vom Metzger. Ich hab mit ihm auch gleichen einen fairen Mengenrabatt ausgehandelt." "Wieso?" "Na wir werden das Zeug jetzt wohl öfter brauchen. Damit sowas wie eben nicht so schnell wieder passiert",erörterte Xhal im fröhlichen Plauderton.

Trotz des sofortigen Schwindels, der ihn überkam richtete sich Abraxas auf. Besonders begeistert darüber zeigte sich Xhal nicht, aber er nahm es hin. "Sag mal sagt dir der Name Sylven irgendetwas?" In Abraxas Augen flackerte es kurz. Irgendwie klang der Name vertraut, aber kennen, nein kennen würde er das nicht bezeichnen. Der Vampir schüttelte den Kopf. "Nein. Wer soll das sein?" Xhal seufzte. Wäre ja auch zu schön gewesen, zu einfach wohlgemerkt. "Jemand den ich mal gekannt habe. Wurde möglicherweise auch zum Vampir gemacht und ich dachte, dass du vielleicht..." Wieder schüttelte Abraxas den Kopf. "Nein. Tut mir leid. Kenne ich nicht."

Kannte er wirklich nicht? Aber irgendwie war ihm, als müsste er wissen um wen es sich bei dieser Person handelte. Der Name klang so vertraut, so wie oft gehört und liebgewonnen. Aber da war nichts. Keine Erinnerung, die sich damit verknüpfen lies. "Können wir gehen?", fragte er plötzlich. "Von mir aus." Schade. Xhal hatte sich ein bisschen mehr von Abraxas erhofft. Jetzt stellte sich allerdings die Frage ob er Ensyis davon erzählen sollte, was er herausgefunden hatte. Auf der einen Seite hatte er ein Recht darauf zu erfahren, wer Abraxas wirklich war. Anderseits war er sich nicht sicher ob Ensyis über diese neue Information wirklich erfreut wäre, zumal sich Abraxas ja auch an nichts zu erinnern schien. Xhal beobachtete den Vampir verstohlen, während der damit beschäftigt war die Kleidungsstücke, die der Arzt entfernt hatte wieder anzuziehen. Nein so hatte das keinen Sinn. Solange er sich nicht erinnerte, war Abraxas nur Abraxas. Es war wohl besser über die Sache vorerst Stillschweigen zu bewahren.
 

Es dauerte etwas bis die Beiden Xhals Haus erreichten. Der Vampir war des Öfteren stehen geblieben und hatte sich an eine Hauswand gelehnt um wieder zu Kräften zu kommen. Xhal hatte ihm angeboten ihn zu stützen, aber das lies das bisschen Reststolz, was noch in Abraxas war nicht zu. Bitte dann eben nicht. Sie hatten Zeit.

Im Gebäude war es merkwürdig still, als sie eintraten. Doch im gleichen Moment, wie Xhal begann sich Sorgen zu machen stürzte Orinoco auch schon quietschfidel um die Ecke und umarmte ihn stürmisch. "Holla. So gut gelaunt?" Orinoco ließ ein schelmenhaftes Lachen erklingen. "Ja so blitzeblank war die Wohnung noch nie. Ensyis hat gute Arbeit geleistet!", kicherte sie vergnügt. Kurze Zeit später lugte auch schon ein ziemlich mürrisch aussehender Blondschopf um die Ecke. Abraxas wollte schon etwas sagen, als er plötzlich der zweiten Person gewahr wurde, die neben ihm stand. Ihm stockte förmlich der Atem. Das Mädchen was ihn vor einiger Zeit auf dem Markt überrascht hatte. An ihrem Aussehen hatte sich nichts verändert. Noch immer glänzten die Haare, als beständigen aus geschmolzenen Silber, noch immer glichen ihre Augen strahlenden Saphiren. Schüchtern lächelte sie ihn an."Mach den Mund zu, Abraxas! Du hast Besuch", kicherte Orinoco und schubste ihn nach vorne. "Damenbesuch",fügte Ensyis verstimmt hinzu. Neid?

Shantel

Da bin ich schon wieder^^°

Momentan bin ich mit den Kapiteln schneller fertig, als sie freigeschalten werden *lach*

Gewöhnt euch aber blos nicht dran^^°

Dieses kap. hat einen etwas anderen schreibstil... fällt vielleicht ein bischen raus, aus dem Rest, aber ich mag es sehr gerne und ich hoffe es gefällt euch trotzdem^^
 

*winkz*

dat sinless
 

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Shantel
 

Abraxas lehnte an der Wohnzimmerwand und beobachte Shantel, als die sie sich ihm offiziell vorgestellt hatte, verstohlen dabei, wie sie am langen Bücherregal entlang wanderte. Ihre Hüften wiegten sich mit jedem Schritt hin und her, das silberglänzende Haar floss in anmutigen Wellen hinter ihr her, funkelte da und dort golden und brach sich im Licht. Shantel war gut einen Kopf kleiner als Abraxas, so erschien sie ihm noch zierlicher und zerbrechlicher als sie es eh schon war. Sie war schön, keine Frage. Bezaubernd auf ihre ganz eigene Art. Orinoco war auch eine sehr schöne Frau, mit ihrer freundlichen und strahlenden Art, aber mit der erhabenen Eleganz Shantels konnte sie sich nicht messen. Das sinnliche Leuchten, was ihren ganzen Körper umhüllte, schien fast, wie nicht von dieser Welt. Fremd und doch vertraut zugleich. Kalt und abstoßend und auf die selbe Art und Weiße begehrenswert wie nichts Anderes. Plötzlich drehte sich Shantel zu ihm um und schenkte ihm das bezauberndste Lächeln, das er je gesehen hatte. Kurz übermannten ihn die Erinnerungen an Rachel und mit ihnen das schlechte Gewissen, aber so schnell wie der Moment gekommen war, war er bereits wieder vorbei. Es war vorbei. Es zählte nur der Augenblick. "Schön habt ihr es hier",sagte Shantel unsicher und riss Abraxas damit aus seinen Gedanken. "Wie? Oh... ja..",stammelte er. "Naja ich bin ja nur zu Gast hier. Das Haus gehört Xhal und Orinoco. Sie haben es eingerichtet. Toll, oder?",fügte er in Ermanglung eines besseren Gesprächthemas hinzu. "Mhm.",machte Shantel nur. Wie dumm war das denn? Da hatte Orinoco Ensyis und Xhal - der im Übrigen schon wieder aufbrausen wollte, warum auch immer - extra aus dem Raum herausgezerrt und nun schwiegen sich die Beiden an. Die Stille im Raum wurde langsam unerträglich. So sehr ihn der Anblick Shantels auch verzauberte, so machte ihn ihre Anwesenheit von Minute zu Minute unsicherer. Das Mädchen schien es nicht gewöhnt zu sein, von sich aus den ersten Schritt zu machen. Ihre tiefblauen Augen ruhten nur auffordernd auf Abraxas doch endlich die erwünschte Frage zu stellen.

"Was willst du eigentlich von mir?"

Einem Zauberspruch gleich zerbrach augenblickliche die erdrückende Stimmung und man hörte Shantel erleichtert aufseufzen. "Ich brauche deine Hilfe",lächelte sie schüchtern. Abraxas war perplex. Seine Hilfe? Wobei konnte ER ihr denn helfen. Das fragte sich seine andere Hälfte in diesem Moment allerdings auch. Nun der Vampir hätte da schon so seine Vorstellung, wie er dem Mädchen zur Hand gehen konnte und teilte seine Ideen natürlich auch mit.

Abraxas lief rot an.

Man wusste nicht ob sich Shantel Gedanken darüber gemacht hatte, wie Abraxas auf ihre klare Ansage reagieren könnte. Wenn sie es aber getan hatte, dann hatte sie diese Reaktion eindeutig nicht erwartet. "He! Was denkst du denn?", fuhr sie entrüstet auf. "Das wobei ich deine Hilfe benötige hat überhaupt nichts zu tun mit... mit..." Auf Shantels Wangen bildeten sich rote Flecken. Was sollte das? Wofür hielt sie dieser Kerl? Sie war ein anständiges Mädchen! Sie machte so etwas nicht! "Ich denke unsere Unterredung ist beendet!", meinte sie kühl und stolzierte Richtung Tür.

Abraxas starrte ihr perplex hinterher. Was sollte das jetzt? *Halt sie auf!* Ausnahmsweise gab er seinem anderen Ich einmal Recht. Hastig stürzte Abraxas nach vorne und hielt das Mädchen am Arm fest. "Ich dachte du brauchst meine Hilfe",sagte er betont desinteressiert, darum bemüht seine Verwirrung möglichst zu verbergen. Shantel zuckte wie unter einem Peitschenschlag zusammen. Oh so ein Mist. Das hätte sie beinahe vergessen. Man hatte sie ja gewarnt. Vor den Dämonen allgemein und dann noch ein Vampir. Aber welche Wahl hatte sie denn? Keine. So schnell würde sich keine andere Lösung finden lassen. Sehr langsam drehte sie sich wieder zu Abraxas um und sah ihm ernst in die Augen. "Würdest du mich bitte loslassen?",fragte sie trocken.

Abraxas lies sie los. Sonst machte er aber keinerlei Anstalten sich zu rühren, sah Shantel nur ausdruckslos an. Shantel schluckte. Jetzt war es wohl an ihr die richtigen Worte zu finden. Worauf hatte sie sich hier nur eingelassen? "Ja... Die Sache ist die.." , fing sie an stockte aber schon nach kurzer Zeit. "Was tust du?"

"Oh nichts weiter",sagte Abraxas und öffnete die zweite Tür des Zimmers. Es polterte laut, als Ensyis und Xhal schwerkraftbedingt vor Abraxas Füße fielen. Verdattert sah Ensyis nach oben in das verärgerte Gesicht Abraxas'. "Wenn ihr das nächste Mal lauschen wollt, dann lehnt euch nicht beide gleichzeitig an die Tür und hörte auf Wärme auszustrahlen! Dann bekomme ich euch nicht mit." Erstaunlich wie ruhig der Vampir schon die ganze Zeit war. Woran lag das eigentlich? Wahrscheinlich daran, dass er immer noch tierisch müde war. Schlafen wäre doch mal eine tolle Idee, vielleicht würden sich dann auch sein natürlicher Nervositätszustand wieder einstellen. So blinzelte Abraxas aber nicht einmal, als Xhal entrüstet auf die Beine sprang und ihn wütend anfunkelte. "Was denkst du dir eigentlich?",rief er laut aus und drehte überrascht den Kopf, als aus der anderen Ecke des Zimmers eine ähnliche Frage erklang. Erklang? Erklingen hatte etwas mit leise und ruhig und Anmut zu tun. So in etwa. Shantels Stimme hatte mit derartigen Attributen aber überhaupt nichts mehr zu tun. Das Mädchen bebte vor Zorn. "Was denkt IHR euch?",rief sie laut aus. "Was soll das? Ich BEMÜHE mich hier vollkommen normal ein Anliegen vorzubringen und ihr nehmt mich überhaupt nicht ernst! Wenn eine Dame redet hat man ihr zuzuhören, zu schweigen und freundlich zu lächeln! Und zum Schluss sagt man Ja und Amen! Wisst ihr Tölpel das denn nicht?" Zumindest Ensyis wusste es nicht."Sag mal was fällt dir ein, uns so anzubrüllen?" Wütend machte er einen Schritt auf sie zu. "Was bildest DU dir denn ein? Kommst hier einfach so her und beschimpfst uns. DU willst doch was von uns!"

"Von mir",ergänzte Abraxas leise.

Das Mädchen schnappte fassungslos nach Luft , dann aber legte sie erst richtig los. Mit zwei Schritten hatte sie den Raum durchmessen und baute sich in voller Größe vor Ensyis auf. War sie wirklich kleiner als er? Der Jäger war sich da auf einmal nicht mehr so sicher. "Ja. ICH will etwas von IHM!",rief sie und deutete dabei anklagend auf Abraxas. "Mit DIR hat das aber überhaupt nichts zu tun! Und du hast kein Recht dazu mir irgendetwas vorzuwerfen. Ich bin viel besser als du - Mensch!" Das letzte Worte spuckte sie förmlich aus. Abraxas war erstaunt. Wo war das freundliche Wesen von eben hin? Noch immer leuchtete ihre Gestalt in diesem heiligen Glanz, aber die Wärme, die sie zuvor umgeben hatte, war verschwunden. Jetzt erschien sie ihm nur noch furchterregend. Xhal seufzte. Es war wohl langsam an der Zeit einzugreifen. "Sag mal. Ist es euch nicht eigentlich verboten, euch so anmaßend aufzuführen? Soweit ich weiß soll die geflügelte Rasse den Menschen doch zu Diensten sein und ihnen helfen?! Wie ein Gefallener siehst du aber nicht aus."

Verwunderte Blicke wechselte zwischen Ensyis und Abraxas und blieben letztendlich an Xhal hängen. "Ja Jungs. Madame da drüben, ist ein echter Engel nur mit irgendwie verqueren Manieren." Abraxas Augen wurden groß und größer. Ein echter Engel? Die gab es wirklich? Naja warum eigentlich nicht. Gab ja auch Zuhauf Dämonen und er selbst war ein Vampir. Warum also nicht Engel? Ein ECHTER Engel? Ungläubig schüttelte er den Kopf.

Shantel lies von Ensyis ab. Ihr hübscher Mund verzog sich zu einer Schnute. "Seit wann legt man in Mersawjez sonderlich viel Wert auf Umgangsformen?", fragte sie schmollend.

Xhal zuckte mit den Schultern. "Es wundert mich nur, das du so vollkommen aus der Rolle fällst. Ich dachte, dass wäre euch gar nicht möglich, solange ihr noch das Zeichen tragt." "Die, die damals zur Erde stürzten waren auch nur normale Engel",antwortete Shantel knapp und rief damit einen erneuten Ansturm von Fragen in Abraxas und Ensyis wach. Doch wagte keiner der Beiden diese auch zu stellen. Zwischen Shantel und Xhal schien ein stummes Kräftemessen stattzufinden. Die Luft knisterte vor Anspannung und noch war nicht klar, wer als Sieger daraus hervorgehen würde.

Schließlich schlug Shantel die Augen nieder und senkte den Kopf. Der Jäger hatte Recht. Sie war es, die etwas wollte. Sie hatte nicht das Recht dazu hier so störrisch und unzivilisiert aufzutreten. Es gehörte sich nicht. Sie hatte einen gewissen Stand zu vertreten. "Mein Bruder", sagte sie plötzlich "Er ist eine ziemlich wichtige Person unter den Dämonen." "Wie kann das sein?", fragte Ensyis verwundert. "Ich meine er muss doch dann auch ein Engel sein. Xhal nickte. "Das hat schon seine Richtigkeit. Es wird sich um einen Gefallenen handeln. Engel, die ihre heilige Pflicht gegenüber Gott verleugneten und..." "Moment mal! Willst du mir damit sagen Gott gibt es wirklich?",unterbrach ihn Ensyis hysterisch. Shantels Mundwinkel zuckte bedrohlich. "Natürlich!",sagte sie kühl, darum bemüht die Fassung zu wahren. Abraxas sah nachdenklich zur Decke. So als ob es da oben drüber etwas zu entdecken gäbe. "Das kann schon sein", meinte er dann nach einiger Überlegung. "Lilith gibt es schließlich auch. Und sie ist ja auch ein nicht gerade unwesentlicher Bestandteil dieser ganzen Schöpfungssache." Ensyis hatte in diesem Moment erstaunliche Ähnlichkeiten mit einem an Land geschwemmten Karpfen, der atemlos nach Luft schnappte. Auf und zu, auf und zu. "Soll das heißen, diese ganze Schöpfungsgeschichte und so ist wahr?", krächzte er.

Shantel zuckte mit den Schultern. "Manches ist übertrieben. Aber größtenteils... Ja, so in etwa ist das damals abgelaufen. Können wir jetzt mal zum eigentlich Problem zurückkehren?", fragte sie gereizt. Warum war das so kompliziert sich mit diesen Leuten zu unterhalten? Shantel war es gewöhnt, dass alle Anwesenden schwiegen, wenn jemand etwas zu sagen, dass man ausreden konnte und das erst DANACH aufkommende Fragen beantwortet wurden. Und zwar schön der Reihe nach, mit Melden und Aufrufen. So lief das. Aber hier redete ja jeder wild durcheinander.

"Fahr fort",forderte Abraxas sie auf. Er wollte endlich wissen, was das alles hier sollte. Und vor allem was das mit ihm zu tun hatte. Ensyis verstummte. Dankbar lächelte sie Abraxas zu und sagte dann: "Also. In zwei Tagen findet ein Treffen der oberen Dämonenschichten statt. Das Ganze hat eigentlich nur einen repräsentativen Charakter. Man isst schön zu Abend, plaudert ein bisschen über Frau und Kinder und unterhält sich nett. Trotzdem wird um die vollständige Anwesenheit gebeten um den >guten Willen< zu bekunden." Abraxas drängte sich plötzlich die Vorstellung alter, fettgewordener Dämonendamen auf, die vergnügt in einer winzigen Stube sassen, Kaffee schlürften und die neuesten Häkeltipps austauschten. Unwillkürlich musste er grinsen. *Gott bist du widerlich.*

"Und was hat Abraxas nun damit zu tun?",fragte Xhal.

Ein verlegenes Lächeln schlich sich auf Shantels Züge. "Nun ja. Mein Bruder nimmt es, was seine Pflichten anbelangt, nicht all zu genau. Er hat meistens keine Lust auf irgendwelche Staatsbankette und will lieber seinen Spaß haben." Xhal zog grinsend eine Augenbraue nach oben. Er ahnte bereits was jetzt kommen würde. "Er ist abgehauen, unauffindbar und wir brauchen einen Ersatz", seufzte sie resignierend und sah zu Abraxas hinüber. "Ich wollte fragen ob DU diesen Ersatz mimen könntest."

Die Szene, die sich vor Abraxas geistigen Augen abgespielt hatte, wandelte sich spontan. Aus den freundlichen alten Kaffekränzchendamen wurde eine Meute furchterregender Monster mit irren Augen und geifernden Mäulern. Sie wetzten Messer und Gabeln und wollten sich jeden Moment auf das kümmerliche Etwas stürzen, dass da verängstigt auf dem Boden zusammen gekauert hockte und wimmernd um sein Leben flehte. Mit Erschrecken stellte Abraxas fest, dass es sich bei dieser Person um ihn selbst handelte. Abraxas wich stolpernd einen Schritt zurück "Niemals!",keuchte er entsetzt. *Ja auf alle Fälle nicht! Hast du das gehört? Schön Essen? Stell dir mal vor da gäbe es Kartoffeln!* Entgeistert schüttelte der Vampir den Kopf. Das kulinarische Problem, welches ihm seine andere Hälfte gerade erörterte, war ja noch eher das kleinere Übel. Er? ER alleine unter Dämonen? Unter vielen, mächtigen, großen, bösen Dämonen? Da konnte er doch gleich zu Meantoris zurückkehren. Der bereitete ihm vielleicht sogar noch ein schmerzloseres Ende. Aussaugen. Das hatte er ja schon einmal hinter sich.

Xhal räusperte sich. "Dir ist aber schon bewusst, dass er ein Vampir und kein Gefallener ist, nicht wahr?" Abraxas rief innerlich Hurra. Welch ausgezeichnetes Argument!

"Das ist kein Problem", antwortete Shantel erbarmungslos. Wie bitte kein Problem? Also für IHN war es eines. "Wir haben Magier, die seine Aura entsprechend verändern würden. Wir müssen nur die Ohren verbergen. Kein Problem bei der Haarlänge und er darf eben den Mund nicht zu weit aufmachen. Würde gar niemanden auffallen. Mein Bruder redet auch so gut wie nie.",erzählte sie fröhlich.

Abraxas war kreidebleich geworden, während Ensyis Grinsen von mal zu Mal breiter wurde. Er fand das hier wohl alles irre komisch. Energisch schüttelte er den Kopf und sagte mit fester Stimme:"Das geht nicht" Zumindest wollte er das. Die Worte erinnerten aber eher an einen jaulenden Hund, den man getreten hatte. Shantel trat ernst an Abraxas heran und ergriff ihn bei der Hand. "Doch das geht", sagte sie ruhig und sah ihm beschwörend in die Augen. "Niemand wird es merken. Die Leute kennen sich untereinander gar nicht. Es wird nur auf Anwesenheit geachtet." "Aber..." Shantels Griff verstärkte sich etwas und Abraxas kam nicht drum herum, erschrocken zusammenzuzucken. "Ich bitte dich. Es wäre nicht das erste Mal, dass ganze Clans ausgelöscht werden, weil ihre Oberhäupter nicht erschienen sind. Du könntest damit Hunderte retten."

Ensyis drehte sich verächtlich weg. "Doch nur Dämonen", hörte man ihn murren.

Hinter Abraxas Stirn arbeitet es. Er hatte keine Lust sich irgendeiner Gefahr aus zusetzten. Und eine Feier unter wildfremden Dämonen ordnete er durchaus in die Abteilung "gefährlich" ein, aber er wollte auch nicht dafür verantwortlich sein, dass irgend jemand wegen ihm zu Schaden kam. "Warum den gerade Ich?", fragte er verzweifelt. Die Antwort folgte auf dem Fuße und logischer hätte sie nicht sein können. Er hätte es sogar schon wissen können. "Mein Bruder hat blaue Haare."
 

Ein Klappern hinter ihnen, lies die Vier erschrocken herumfahren. Orinoco betrat mit einem breiten Tablett bewaffnet das Wohnzimmer und stellte es lautstark auf dem Tisch ab. "Was ist?", fragte sie verwundert über die verdatterten Blicke der Anwesenden. "Die Sonne geht unter. Shantel isst doch sicher mit uns?!"

Sterne

so... da bin ich schon wieder...

eigentlich bin mit den kap. schon an bischen weiter... aber irgendwie komme ich mittem raufladen net hinterher... mhm ich mag das kap. net so... das ist relativ langweilig >,<

und ausserdem mag ich ensyis hier gar net... naja ist halt sein charackter *sigh* bin ja selbst schuld... hab ihn ja erschaffen XD
 

möchte mich übrigens mal ganz doll bei wolfspain bedanken^^ du kommentierst ja nun wirklich jedes kaptel... gut zu wissen, dass man so nen leser hat *mal knuff*
 

*winkz*

dat sinless
 

Sterne
 

Shantel war gegangen. Sie hatte gesagt, dass sie am nächsten Tag wieder kommen wollte, um Abraxas' Antwort zu erfahren. Zurück blieben, zwei ratlose Jäger und ein Vampir, der teilnahmslos geradeaus starrte. Einzig Orinoco schien noch gute Laune zu haben. Munter huschte sie zwischen den Dreien herum und wedelte da und dort mit dem Staubwedel Spinnenweben in der Stube weg. Musste ja alles seine Ordnung haben. Irgendwann reichte es Xhal. "Orinoco! Kannst du nicht mal für einen Moment damit aufhören?" Orinoco verdrehte die Augen, legte den Staubwedel aber beiseite, setzte sich neben Xhal und stützte den Kopf auf die Hände. Die große Standuhr begann zu läuten. Einmal, zweimal.. Elf Uhr abends. Orinoco seufzte. "Und jetzt schweigen wir uns alle an?", fragte sie schnippisch.

"Du musst ja nicht hingehen", sagte Ensyis plötzlich in Richtung Abraxas und ignorierte Orinoco dabei völlig. Der zuckte hilflos mit den Schultern. "Aber wenn ich es nicht mache, müssen Andere deswegen vielleicht die Konsequenzen ertragen.",entgegnete er leise. Das war das Problem. Alles in ihm schrie danach die Bitte Shantels einfach abzulehnen. Aber er wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass jemand wegen ihm zu Schaden kam. Dazu hatte er kein Recht, andere zum Tode zu verurteilen. "Das ist doch gar nicht gesagt",meinte Ensyis beruhigend "Außerdem...", fügte er mit kaum überhörbaren Trotz in der Stimme hinzu :"...handelt es sich doch eh nur um Dämonen." Xhal wand erschrocken den Kopf zu Orinoco, die entrüstet aufgesprungen war. "NUR Dämonen?", rief sie wütend. Ihre hübschen Hände hatten sich zu Fäusten geballt und zitterten leicht. Die blauen Augen funkelten gefährlich und es sah aus, als ob sie sich jeden Moment auf Ensyis stürzen wollte. Der begegnete ihrem Blick mit berechnender Kälte. "Ja. NUR Dämonen",zischte er leise "und das gilt auch für dich"

Orinocos Gesicht hatte jede Farbe verloren. "So denkst du also" Ein leichtes Erstaunen war in ihrer Stimme zu hören und doch schwang sie in einer Kälte, die selbst Feuer zu Eis erstarren lies. Sie hatte es doch eigentlich schon gewusst. Sie hatte gewusst, dass Ensyis irgendwann so etwas sagen würde, aber dass es trotzdem so weh tun würde? Langsam drehte sie sich um und verlies den Raum. Schweigend erhob sich Xhal ebenfalls, warf Ensyis einen hasserfüllten Blick zu und folgte ihr.

"Hast du das ernst gemeint?". fragte Abraxas leise in die Stille des Raumes hinein. Ensyis wippte unruhig mit dem Fuß hin und her, sah zu Abraxas hinüber und nickte nach einiger Überlegung. "Ja. Kein Dämon ist es wert, dass man sich wegen ihm in Gefahr begibt. Auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an. Sie taugen alle nichts." Ensyis Hände hatten sich in einander verkrampft. Weiße Flecken bildeten sich dort, wo sich die Finger in seine Haut gruben. "Keiner von ihnen!", zischte er leise.

Abraxas hatte genug gehört. Ohne eine Wort zu sagen, erhob er sich und ging zur Tür. Er konnte Ensyis' fragenden Blick im Nacken spüren. Aber warum sollte er antworten? Fand er denn die Antwort nicht selber? Scheinbar nicht.

Im Türrahmen blieb Abraxas stehen. Er drehte sich nicht um, aber Ensyis zuckte unter dem Ton der Verachtung zusammen, den ihm der Vampir entgegenwarf. Schweigend starrte er auf die Tür, die mit einem lauten Knall hinter Abraxas zu schwang. >>Ich bin auch ein Dämon.<< Ensyis schluckte. Und er war ein Jäger. Ein echter Jäger. Nicht wie Xhal, der es vorzog mit den Geschöpfen der Finsternis eine gemütliche Plauderstunde einzulegen. Nein, er war ein Jäger, dem man das Kämpfen beigebracht hatte, damit er DÄMONEN zur Strecke brachte. Und daran hatte sich NICHTS geändert.
 

Abraxas hatte sich auf dem Dach niedergelassen und starrte ausdruckslos nach oben in den klaren Sternenhimmel. Unten hörte er ab und zu Orinoco schluchzen. Xhal war bei ihr und versuchte sie zu trösten. Warum war diese Welt nur so kompliziert? Warum gab es so viele Unterschiede zwischen den einzelnen Wesen? Warum so viel Hass und Leid? Dabei wollten sie doch alle nur das selbe.

Leben.

Und sonst nichts weiter. Abraxas sah hinauf zu den funkelnden Lichtern über ihm. Er mochte die Sterne. Ihr Licht wirkte beruhigend auf ihn und sie machten keinen Unterschied auf wenn sie herab schienen. Vor ihnen war jeder gleich. Niemand besser oder schlechter. Das Licht der Sterne wies allen den Weg, ohne Unterschiede. Für sie war jeder lebens- und liebenswert. Abraxas lächelte leicht in sich hinein, voller Ehrfurcht vor dem, was sich über seinem Kopf ausbreitete. Er hatte sich entschieden.

Er wollte ein Stern sein.
 

Der nächste Morgen zeigte sich im herrlichsten Sonnenschein, aber obwohl jeder versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen war die Stimmung am Frühstückstisch eher gedrückt. Jedes heitere Wort klang gequält und deplatziert. Keiner der Vier fühlte sich wirklich wohl in seiner Haut. Wenn doch mal jemand den Kopf hob, senkte er ihn hastig wieder aus Angst, dass er jemand anderen ins Gesicht schauen müsste. Im Raum hatte sich eine bedrohliche Stille ausgebreitet, die viel mehr aussagte, als wenn man sich gegenseitig Beschuldigungen und Verwünschungen an den Kopf geworfen. Es war kein glücklicher Morgen.

Das Geschirr klapperte widerlich laut und schrill, als Orinoco begann schweigend den Tisch abzuräumen. Es wäre doch so einfach gewesen, alles wieder in Ordnung zu bringen. Ein einziges Wort hätte genügt. Nur eines. Aber der Stolz des Jägers ließ es nicht zu. Niemals. Niemals würde er sich dazu durchringen, vor einem Dämon Reue zu zeigen. Über seine Lippen, würde das "Entschuldigung" nicht kommen. Er hatte Recht. Was er gesagt hatte entsprach der Wahrheit und er würde keinen Zentimeter von seiner Meinung abweichen. Dylan hatte Ensyis nicht nur Kämpfen beigebracht. Nein, er hatte ihm auch gezeigt was Stolz bedeutete. Nur wie falsch dieser verstanden werden konnte, hatte ihm nie jemand gesagt.

Abraxas reichte es. "Ich habe mich entschieden",unterbrach er die Stille. Obwohl er sehr leise gesprochen hatte, einem Flüstern gleich, hatte ihn jeder verstanden. Aufmerksame Blicke richteten sich nun auf den Vampir. "Ich werde Shantel helfen"

Xhal nickte zufrieden. Er hatte bereits erwartet, dass sich Abraxas so entscheiden würde. Das hatte er mittlerweile gelernt. Abraxas war in dieser Beziehung ganz anders als Ensyis oder auch er selbst. Ihm war das Wohl anderer wichtiger als das Eigene. So etwas gab es nur noch selten und als Vampir war er wohl ganz allein auf weiter Flur. "In Ordnung", brummte er. Er hatte Abraxas Reaktion vorausgesehen und er hatte sich auch bereits überlegt wie er darauf reagieren würde. IHM lag in erster Linie sein und das Wohl Orinocos am Herzen. "Sobald du zurück kommst, will ich das du und Ensyis aus diesem Haus verschwinden. Ihr könnt euch gerne eine andere Unterkunft hier suchen, obwohl ich bezweifle, dass es dem geschätzten Herrn Jäger bei irgendwelchen Dämonen gefallen wird, aber hier könnt ihr nicht bleiben. Besser gesagt ich will es nicht!" Abraxas schluckte. Das hatte er nicht erwartet. Plauzend schlug Ensyis mit dem flachen Handballen auf den Tisch, so dass dieser sanft vibrierte. Man hörte wie in der Küche ein erstickter Schrei ausgestoßen wurde, danach ging Geschirr zu Bruch. "Du willst uns rausschmeißen?!" Ensyis grüne Augen flatterten irre. So hatte ihn Abraxas noch nie gesehen. Es jagte ihm Angst ein. "Ich bin dein Cousin!", fuhr Ensyis auf. Xhal erwiderte seinen Blick mit entschlossener Gelassenheit. Es war ihm egal. "Abraxas kann von mir aus hier bleiben. In erster Linie will ich DICH hier raus haben.",antwortete er kühl. "Abraxas wird morgen auf diese Veranstaltung gehen. Derweil hast du einen ganzen Tag Zeit für euch beide eine neue Unterkunft zu suchen. Danach bist du weg! Und das ich dich nicht gleich gestern Abend an die Luft gesetzt habe, liegt nur daran WEIL du mein Cousin bist."

Wenn es einen Pokal für entgeistertes Starren gegeben hätte, wäre Ensyis in diesem Moment Preisträger geworden. Noch immer wäre alles so einfach gewesen, alles zu klären, die Situation zu entschärfen, doch Ensyis tat nichts der gleichen. Sein Blick irrte hilfesuchend zu Abraxas, aber der hielt ihm nur für den Bruchteil einer Sekunde stand, dann sah er weg. "So ist das also...",stellte Ensyis bitter fest. "Ich habe verstanden!"

Es krachte ohrenbetäubend, als der wutentbrannte Jäger, die Tür hinter sich zuknallte.

So ging es also zu Ende.

"Das hättest du nicht tun müssen",erklang es leise aus Richtung Küche. Orinoco lehnte im Türrahmen und sah Xhal betrübt unter einem Tränenschleier hervor an. "Doch, es war notwendig!",entgegnet Xhal eisig, dann aber wurde sein Blick freundlicher als er zu Abraxas hinüber sah. Ein gequältes Lächeln umspielte seinen Lippen. "Es tut mir leid",versuchte er sich zu entschuldigen, aber Abraxas winkte ab. "Es ist in Ordnung. Wir kommen schon irgendwie klar.",entgegnete er nüchtern. Zwar glaubte das der Vampir selbst nicht so recht, aber Tatsache war, dass es ihm im Moment einfach nur egal war. In Ihm drin war nichts. Alles nur kalt und leer. Wenn jetzt die Welt untergegangen wäre, es hätte ihn nicht interessiert. Es war egal. Was war nur los mit ihm? Sein merkwürdiges Verhalten lag nicht daran, dass Xhal sie eben rausgeschmissen hatte. Irgendetwas war anders. Eine dunkle Ahnung, die im Begriff war zu erwachen und sich klammheimlich um sein Herz legte. Irgendetwas geschah und es machte ihm Angst.
 

Shantel redete die ganze Zeit ununterbrochen, während die Beiden in Richtung Dorfmitte unterwegs waren. Noch nie hatte Abraxas jemanden erlebt, dem es möglich war innerhalb so geringer Zeit, so viele Wörter aneinander zu reihen, ohne ein einziges Mal auch nur das winzigste Anzeichen einer Pause anzudeuten. Holten Engel Luft? Shantel jedenfalls schien ganz wunderbar ohne Atmung auszukommen.

Sie hatte ihm erklärt, dass die Beiden mit Hilfe eines magischen Kreises zum Standpunkt der Veranstaltung gelangen würden und dieser befand sich nach ihrer Aussage im Gebäude des Dorfobersten. Logischerweise, denn scheinbar dienten diese Kreise als gängiges Transportmittel unter den Dämonen und der größte Teil der überirdischen Ballungszentren für Wesen der Finsternis, war wohl mit solch einem magischen Instrument ausgestattet. Als Shantel dann aber auch noch begann ihm die Funktionsweise dieser Kreise zu erläutern, hatte Abraxas einfach abgeschaltet. Magie war nichts, womit er sich beschäftigen sollte. Sie war viel zu mächtig und in den falschen Händen ungemein gefährlich. Er wollte damit überhaupt nichts zu tun haben. Außerdem beschäftigten ihn momentan ganz andere Probleme. Vielleicht war das heute der letzte Tag seines Lebens? *Aaaaach! Mach dir nicht so einen Kopf! Ich pass schon auf uns auf!*, lachte es in ihm hämisch. Genau DAS war es ja, was ihm zu bedenken gab. Abraxas traute sich durchaus zu, sich auch innerhalb eines großen Dämonenhaufens möglichst unauffällig zu verhalten. Aber was sollte er tun, wenn sich seine andere Hälfte überlegte, doch mal wieder über die Stränge zu schlagen?

"Du hörst mir gar nicht zu!",maulte es plötzlich neben ihm. Abraxas hob erschrocken den Kopf und bedachte Shantel mit einem verwirrten Blick "Wie?"

Der Engel seufzte gespielt theatralisch, dann aber musste sie lauthals lachen. "Entschuldigung", kicherte sie. "Ich muss dich wohl mit meinem Geschwätz sehr gelangweilt haben. Mhmmm wie wäre es wenn du mal etwas sagst. Oder mich etwas fragst, oder - was weiß ich - Irgendwas machst. Dann brauche ich nicht mehr so viel reden. Aber schweigend die Straße entlangzulaufen, darauf habe ich keine Lust. Heute ist so ein schöner Tag!",lachte sie mit einem Nicken Richtung Himmel hinauf. Abraxas folgte ihrem Wink und kniff die Augen zusammen. Aber er sah nicht wirklich was heute so toll sein sollte. Die Sonne knallte hell und heiß auf ihn herab und brannte auf seiner Haut. Möglich, dass er früher solche Sommertage auch einmal schön gefunden hatte, aber in dieser Beziehung unterschied er sich von keinem anderen Vampir. Er mochte die kühle Nacht lieber. Schnell lies er den Kopf wieder sinken. Das helle Licht trieb ihm die Tränen in die Augen. "Oh!", machte Shantel, die seine Reaktion ganz falsch zu verstehen schien. "Was ist los? Bist du traurig? Kann ich dir helfen?" Der Vampir blinzelte verwirrt und starrte Shantel ungläubig an, aber in ihren Augen lies sich kein Anzeichen für Schalk finden. Das was sie gesagt hatte war durchaus ernst gemeint gewesen. Ihre Augen waren so rein wie ein klarer Bergsee. "Was ist? Was schaust du mich so verwundert an? Noch nie einen Engel gesehen?" Abraxas schüttelte den Kopf. "Um ehrlich zu sein, Nein. Du bist die Erste", grinste er. "Oh..." Etwas Besseres schien Shantel für den Moment nicht einzufallen. Das musste ihr aber auch gar nicht, denn es war Abraxas, der plötzlich zu reden begann. "Aber ehrlich gesagt bist du ziemlich komisch!",stellte er fest. "Komisch?", echote Shantel ungläubig. "Wieso?"

Abraxas zuckte mit den Schultern. "Du benimmst dich irgendwie völlig unengelhaft. Du bist aufbrausend, redest wahnsinnig viel und gibst dich mit Dämonen, mit MIR ab. Also irgendwie hatte ich immer eine etwas andere Vorstellung von Engeln." Shantel legte die Stirn in Falten. "Ach, wie ist denn deine Vorstellung von Engeln?", fragte sie neugierig. Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen und die blauen Augen funkelten frech. Ratlos schüttelte der Vampir den Kopf. "Naja. Eben immer von so einem heiligen Leuchten umgeben." "Hab ich" "Immer nett und freundlich" "Bin ich in der Regel" "Hilfsbereit." "Bin ich auch" "Und ihr kämpft gegen das Böse!" "Das tue ich",lachte Shantel.

"Aber du gibst dich mit DÄMONEN ab",rief Abraxas aufgebracht. Shantel blieb plötzlich stehen. Ihre Aura hatte sich verändert. Das ewige Leuchten, dass sie umgab verschwand keineswegs. Es wurde noch intensiver, als sie sich zu Abraxas umdrehte, aber jetzt lag eine Härte darin, die Abraxas einen kalten Schauer über den Rücken jagte. "Na und?",fragte sie kühl. "Gerade DU solltest doch wissen, dass es nicht so einfach ist zwischen Gut und Böse, schwarz und weiß zu differenzieren. Im Grunde gibt es niemanden, der einfach nur Gut beziehungsweise Schlecht ist. Innen drin sind wir alle Grau in Grau. Der eine mag mehr in jene Richtung tendieren, der nächste in die Andere. Aber im Endeffekt entscheidet sich doch fast niemand absolut. Außerdem würde ich nie meine Familie verraten. Gefallener oder nicht. Letzten Endes sind sie auch nur Engel." Ein wehmütiger Ausdruck schlich sich auf ihre Züge und machte sie für einen Moment klein und verletzlich: "Leider denkt nicht jeder von uns so. Viele der himmlischen Herrscharen, wollen mit den Gefallen nichts mehr zu tun haben und bekämpfen sie bis aufs Blut", fügte sie mit echtem Bedauern in der Stimme hinzu. Plötzlich aber lächelte sie wieder. "Schau mal", versuchte sie ihn aufzumuntern. "Du bist doch auch nicht schlecht. Obwohl du ein Vampir bist."

"Woher willst du das wissen?", fragte Abraxas bitter und drehte den Kopf weg. "Oh. Das habe ich sofort bemerkt. Sagen wir ich habe ein Gespür, für die inneren Zustände einer Person",lächelte sie wissend. "Ich weiß genau, wie zweigespalten deine Persönlichkeit ist. Aber ich kann dir versichern, dass auch deine andere Hälfte nicht nur schlecht ist, genauso wenig wie DU nur gute Eigenschaften vorzuweisen hast. Aber im Großen und Ganzen bist du schon in Ordnung. Sonst wäre ich gar nicht erst zu dir gekommen."

Verdattert sah der Vampir auf. Das hatte er nicht erwartet, dass Shantel so gut Bescheid wusste. Er hatte gehofft, dass er sein zweites Ich möglichst geheim halten könnte *Warum? Ich bin doch nichts wofür man sich schämen braucht.* Abraxas verdrehte genervt die Augen. Das vielleicht nicht. Aber anstrengend war er allemal. "Und du lügst auch nicht?", fragte er schließlich. Shantel schüttelte verneinend den Kopf und fügte hinzu. "Ich kann gar nicht lügen."

Dann ergriff sie Abraxas bei der Hand und zog ihn nach vorne. "Komm jetzt. Wir haben nicht mehr ewig Zeit."
 

Onesimus' Heimstätte hatte sich nicht verändert. Logischerweise. Immerhin war kaum Zeit vergangen, seit Abraxas das letzte Mal das Haus des Dorfobersten betreten hatte. Als wäre sie die Herrin des Hauses persönlich lief Shantel an den hohen Bilder ehrwürdiger Dämonen vorbei, lies den Hauptgang links liegen und fand in dem Gewirr von schwarzen Säulen zielsicher den Weg zu einem weitaus unscheinbar wirkenderen Zimmer. Abraxas war für einen Moment erstaunt, dass sie niemand aufgehalten hatte. Als er Shantel aber darauf hinwies, schüttelte sie nur beschwichtigend den Kopf. "Man kennt mich hier!", sagte sie mit kaum überhörbarren Stolz.

Der Raum der sich nun vor den Beiden auftat, war ganz anders als es Abraxas erwartet hätte. Magischer Kreis. Ein Kreis auf dem Boden mit ein paar okkulten Zeichen, möglicherweise auch noch ein paar Kerzen und ein mehr oder weniger hübscher Altar. So etwas in der Art hatte Abraxas erwartet. Das was er aber hier vor sich sah, widersprach gänzlich jeglicher Vorstellung.

Der kleine Raum zeigte sich alles andere als klein. Mächtige Säulen, ragten weit hinauf und verirrten sich in einem komplizierten Geflecht verschiedener Ausläufe unter der Decke. Überall schwebten große, kalte Flammen umher, die den Raum mit einem eigentümlichen blauen Licht erfüllten und ihm eine einzigartige Eleganz verliehen. In der Mitte des Raumes, war eine Art Brunnen errichtet wurden, über dessen Zentrum eine in allen Farben schillernde Kugel schwebte. Die Kugel selbst war kein Festkörper, sondern brach immer wieder nach allen Seiten aus, rotierte, wabernde umher, zerbrach und formte sich neu. Silberne Stränge schlangen sich aus ihr heraus und trafen sich erneut in einem gläsernen Kristall, welcher direkt unter der Decke angebracht wurden war. Abraxas kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Immer wenn er dachte nun alles gesehen zu haben, entdeckte er etwas neues. Waren es die filigranen Linien, der Säulenausläufe oder die Ornamente, die weit verschlungen auf dem Brunnenportal angebracht waren. Dieser Ort barg einen Zauber in sich, dem er sich nicht entziehen konnte.

Shantel allerdings interessierte sich kaum für die gekonnte Innenarchitektur des Raumes. Ihr war der Zweck der Konstruktion wesentlich wichtiger. Zielsicher steuerte der Engel auf einen kleinen Podest zu und legte ihre Hände darauf. Drei Worte in einer fremden Sprache, die Abraxas nicht verstand wurden gesprochen, dann flammte die Kugel in der Mitte abrupt golden auf. "So!",meinte Shantel zufrieden und zog Abraxas zu dem Brunnen hin. "Ähm und was jetzt?",fragte der Vampir unsicher. "Oh nichts weiter",antwortete Shantel fröhlich und schubste Abraxas mit einem kräftigen Stoß in das Licht hinein.
 

Die Wirklichkeit brach auseinander. Abraxas wurde der Boden unter den Füßen weggerissen. Er fühlte wie ein warmer Strom rauschender Magie um seinen Körper strich ihn wild umher warf, ihn kräftig durchschüttelte und letztendlich in einen rasenden Wirbel geistiger Energie hinfort trug. Abraxas Augen waren schreckgeweitet, aber bevor er den Entschluss treffen konnte, dass es wohl ein günstiger Zeitpunkt wäre um Hilfe zu rufen, knallte er auch schon hart auf groben Steinboden auf. Der Vampir sah Sterne. Hinter ihm schüttelte sich Shantel die letzten Funken Zauber aus den Haaren und trat dann zu Abraxas um ihm aufzuhelfen. "Oh... ich hätte vielleicht doch nicht so dolle schubsen sollen",murmelte sie, darum bemüht das schadenfrohe Grinsen weitgehend zu unterdrücken.

Lehrstunden

Öhm... das Kapitel ist irgendwie vollkommen aussem Ruder gelaufen >,<

*sich total beim schreiben verheddert hat... und es ist so laaaangatmig >,<

ich wollte schon weiter sein... das was am ende von dem hier kommt eigentlich an den anfang dieses kaptels und das darauffolgende kapitel bereits in dem hier... was solls... kann es nicht ändern...
 

*winkz*

dat sinless
 


 

Lehrstunden
 

Shantels Schuhe klapperten auf den langen Steinböden der Halle, durch die sie und Abraxas eilten. Abraxas hatte es schon längst aufgegeben sich orientieren zu wollen. Säulen und Gänge, die alle gleich aussahen huschten an ihnen vorbei und verschwanden so schnell wieder aus ihrem Blickfeld, wie sie gekommen waren. Mit Erstaunen hatte der Vampir festgestellt, wie sich das Äußere Shantels langsam verändert. Immer mehr hatte das Leuchten, welches sonst ihren Körper umgab an Intensität verloren bis es schließlich ganz verschwand. Ihre Haare, welche normalerweise gesponnenen Silberfäden ähnelten, schimmerten da und dort rötlich. Trotzdem wurde der Anblick Abraxas nicht fremd. Ja, Shantel gefiel ihm eigentlich von Augenblick zu Augenblick besser. Denn umso mehr ihr Antlitz von der körpereigenen Perfektion aufgab, desto mehr verlor sie auch ihre Unnahbarkeit. Shantel wirkte menschlicher und noch anziehender. Der Engel musste wohl Abraxas fragenden Ausdruck bemerkt haben. "Umso weiter ich mich vom Himmel entferne, desto mehr verliere ich meine Kräfte als heiliges Wesen.",erklärte sie ihm. "Die astralen Schwingungen hier unten sind anderer Natur, als die auf der Erdoberfläche. Ich kann sie kaum für mich verwenden. Das widerspiegelt sich auch in meinem Äußeren",lächelte sie entschuldigend.

Vor einer kleinen Tür, die nicht anders aussah, als viele an denen die Beiden schon vorbeigeeilt waren, blieb Shantel auf einmal stehen. "Wir sind da",bemerkte sie überflüssigerweise und stieß die Tür auf. Innen wurden sie bereits erwartet. Als hätten sie sich auf ein Stichwort geeinigt, stürzten auf einmal von allen Seiten Personen auf Abraxas, die alle unabhängig von einander an ihm herum zu fudeln begannen. Der eine begann seine Haare zu bürsten und striegeln, ein anderer puderte ihm im Gesicht herum. Eine dritte Person zog heftig an seinem Hemd herum und versuchte es ihm vom Leib zu reißen. Oh bitte nicht kaputt machen! Das gehörte doch Ensyis!

"Das ist er also?", hörte Abraxas eine dunkle weibliche Stimme fragen, die sich aber seinem Blickfeld entzog. Vielleicht hätte er sie mit Hilfe seiner Vampirsinne ausmachen könnte, aber seine andere Hälfte zog es im Moment vor sich hustend und schimpfend ganz weit nach hinten in seinen Geist zu verziehen, damit sie auch ja nichts von dem widerlichen Puderstaub abbekam. In der Beziehung gab ihr Abraxas aber Recht. "He! Könnt ihr gefälligst damit aufhören!", rief er aufgebracht und strampelte mit den Armen um die vermeintlichen "Angreifer" von ihrer Tat abzuhalten. "Würdest du wohl bitte stillhalten und nachher auch ja nicht den Mund so weit auf reißen?",fragte Shantel schnippisch. "Sonst sieht man deine Zähne!" Mit einem leisen Seufzer drehte sie sich zu der Gestalt im Schatten und nickte müde. "Ja das ist er wohl. Mein Bruder ist trotz Bitten nicht wieder aufgetaucht?" Ihr Gegenüber schüttelte kaum merkbar den Kopf. "Nein. Wir können nur hoffen, dass sich dein Freund gut anstellt, sonst könnte es erhebliche Probleme geben, wenn die ganze Sache rauskommt."

Neben den Beiden hatten die Dämonen derweil ihr Werk vollendet. Abraxas war kaum wiederzuerkennen. Seine Gestalt war in einen fast bis zum Boden reichenden schwarzen Umhang gehüllt, seine Haut hatte einen sanften Rosa-Ton und die Haare schimmerten bei jeder Bewegung. Ein hochaufgeschlagener Kragen verhinderte, dass man all zu viel von Abraxas Gesicht sehen konnte und doch stachen die roten Augen funkelnd aus der Dunkelheit hervor. Der Umhang wirkte schwer und doch war er angenehm zu tragen. Silberfäden zogen sich durch sein Gewand und an den Ärmelausläufen waren kleine nicht zu aufdringliche Rüschen angebracht. Shantel stieß einen zufriedenen Seufzer aus. "Hach wie ein Märchenprinz",schwärmte sie vor lauter Entzückung. Neben ihr wurde der Schatten plötzlich lebendig und ins Licht trat eine hochgewachsene Frau mit olivgrünen Haaren, deren dunkle Augen Abraxas aufmerksam musterten. Nachdem sie ihre Prüfung beendet hatte nickte sie anerkennend. "Wer ihn nicht genauer kennt, wird den Unterschied nicht merken. Der junge Mann hier ist perfekt."

Perfekt fühlte sich Abraxas im Moment keineswegs. Seine Haare stanken nach Chemie, der dämliche Puder benebelte seine Sinne. Generell machte sich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend breit und die unbekannte Frau vor ihm, welche sich ihm als "Xenon" vorstellte trug auch nicht unbedingt dazu bei, seine Laune sonderlich zu heben. Sie war hochgewachsen -ein winziges Stück größer als Abraxas, wie er ärgerlich feststellte- sehr gut ausgestattet - wie es der Vampir in ihm ausdrückte - und sie trug einen Hauch von nichts. Der schwarze Stoff, der hier und da ihren Körper umhüllte bedeckte wirklich nur das nötigste und glich eher einem willkürlich ausgestatteten Fetzten als auch nur entfernt einem tatsächlichen Kleidungsstück. Abraxas hatte so etwas zuvor noch nie gesehen, nicht einmal bei den Vampirladys der Burg, die meist ja auch alles andere als reichlich bekleidet waren. "Hast du jetzt genug gestarrt?",fragte Xenon schroff. Die dunklen Augen sprühten Funken und begutachteten Abraxas in einer Art und Weise, die ihm Angst machte. Noch nie zuvor hatte Abraxas eine Frau gesehen, die derartig dem Inbegriff der Weiblichkeit nahegekommen war und doch schüchterten ihn die unverhüllten Tatsachen Xenons eher ein, als in irgendeiner anderen, typisch männlichen Art auf ihn zu wirken. Im Geiste schüttelte Abraxas den Kopf. Nein keine Frage. Xenon war äußerst attraktiv und trotzdem wurde die Möglichkeit mit ihr in irgendeiner Art und Weise näher bekannt zu werden, sofort außen vor gelassen. Nicht mal sein anderes Ich schien wert auf eine nähere Bekanntschaft mit der Grünhaarigen zu haben. "Ob du genug gestarrt hast, habe ich gefragt?!" Erst jetzt wurde Abraxas bewusst, dass er seine Augen noch keinen einzigen Moment von ihr gewendet hatte. Verlegen sah der Vampir in eine andere Richtung. Sein Blick traf sich mit dem Shantels, der die Schadenfreude ins Gesicht geschrieben war. Xenon seufzte schwer und griff sich an die Stirn. "Na das kann ja heiter werden",stöhnte sie und drehte Abraxas' Kopf in ihre Richtung. "Erstens! Niemals verlegen sein! Du bist ein hoher Dämon! Die schämen sich für nichts!"

"Aber du hast doch eben gesagt, dass ich dich nicht so anstarren soll!", versuchte sich Abraxas zu verteidigen und bekam dafür von Xenon einen flachen Schlag vor die Stirn. "Falsche Antwort!",rief sie. "Ich hab gefragt, ob du mich genug angestarrt hast. Deine Reaktion hätte daraus bestehen müssen, mich zurechtzuweisen, wie ich es wagen könnte dich zu kritisieren. Verstanden?" Mit etwas Verspätung nickte Abraxas. "Also gut, nochmal!" Xenon straffte sich, setzte eine noch verachtendere Miene auf, als schon die ganze Zeit davor und fragte aggressiv: "Hast du jetzt genug gestarrt?"

Der Wille war da, nur - Abraxas' Gesicht färbte sich rot. "W... wie kannst... du... es wa... wagen",stotterte er, wurde jedoch von Shantels Kichern unterbrochen. Verärgert schaute er zu dem Engel herüber, der sich beschämt die Hand vor den Mund hielt, deswegen aber trotzdem nicht aufhören konnte zu lachen, und übersah so den entgeisterten Blick Xenons'. Sein Glück, denn die dunkle Lady machte ein Gesicht, als hätte es Abraxas gewagt auf einer Beerdigung laut und fröhlich zu singen. Das was Abraxas hier tat grenzte an einen Sakrileg, wobei dieser Begriff unter gegebenen Umständen durchaus als unpassend empfunden werden konnte. In Gedanken rief sich Xenon zur Ordnung und schnippte dann mit den Fingern vor Abraxas Gesicht, damit er ihr wieder zuhörte. "So wie eben, bitte nicht",meinte sie, darum bemüht ihrer Stimme einen freundlichen Klang zu geben. Es gelang ihr nur teilweise.

Abraxas wirkte beschämt und geknickt, eindeutig der falsche Gesichtsausdruck für einen hohen Dämon. *Soll ich dir helfen?*,fragte es plötzlich in ihm. Als Abraxas nicht antwortete fuhr es fort:*Ich meine ja nur. Schließlich bin ich auch daran interessiert, dass wir heil aus dieser Sache herauskommen. Und wenn du zu schüchtern bist, fliegen wir sofort auf. *Abraxas musste seinem inneren Ich widerwillig Recht geben. ER würde es nicht schaffen unauffällig zu bleiben. Sobald ihn irgend jemand ansprach, war es vorbei. Der Vampir seufzte leise. Es ging wohl nicht anders. Xenon hob erstaunt eine Braue nach oben, als Abraxas mit kaltem Blick aufsah. "Versuchen wir es nochmal",sagte er ernst.

"He, du Pseudodämon. Scher dich gefälligst zu dem Engelspack zurück, wo du hingehörst!",spuckte Xenon verächtlich aus. Der Vampir hatte nur einen Moment Zeit, sich über die seltsame Wortwahl Xenons zu wundern - Engel? Ahja... er war ja ein Gefallener - dann wurde sein Geist sanft beiseite gedrückt und er registrierte erstaunt, wie er selbst mit einer eiskalten Stimme, die das Blut in den Adern gefrieren lies, zu einer Antwort ansetzte:"Du widerwärtiges DING, wagst es mich zu beschimpfen?",zischte er drohend. "Zügle deine Zunge, wenn du nicht willst, dass ich dich auf der Stelle zerreiße!" Abraxas Ausdruck hätte verblüffter nicht sein können, aber sein zweites Ich hatte seine Gesichtsmuskeln perfekt unter Kontrolle. Ohne die winzigste Regung zu zeigen, waren seine dunkle Augen fest auf Xenon gerichtet und verstrahlten eine Autorität, die man Abraxas selbst niemals zugetraut hatte. Komisch Abraxas hatte nicht das Gefühl, wie sonst von der Oberfläche seines Geistes verdrängt wurden zu sein. Er nahm alles noch klar wahr und er wusste, dass wenn er sich nur leicht darauf konzentrieren würde etwas zu sagen oder eine Bewegung zu machen, das auch ohne weiteres funktionieren würde. Er war noch da und doch spürte er direkt neben sich den fremden Geist, der momentan seinen Körper steuerte. Seltsam, noch immer spürte er die pure Bosheit in diesem Wesen, Gier nach allem Lebendigem, den unstillbaren Wunsch zu zerstören und die messerscharfe Intelligenz, aber trotzdem spürte er auch seine Wärme. Und zum ersten Mal wurde Abraxas bewusst, dass dieses "Ding" in ihm, eben nicht nur ein Ding war, sondern eine voll ausgeprägte Persönlichkeit, so verdorben sie auch immer sein mochte. "Hast du eigentlich einen Namen?", fragte er leise einer inneren Eingebung folgend.

In der Realität blinzelte Abraxas verwirrt und brach damit den Bann, der auf Shantel und Xenon gelegen hatte. "Das war genial!",rief Shantel begeistert und wollte Abraxas um den Hals fallen, sein bitterböser Blick hielt sie aber im letzten Moment davon ab. "Oh... DU bist es",stellte sie nüchtern fest. "ICH bin Abraxas!",antwortete der Vampir kühl, nur war fraglich für wen die Antwort galt.

Xenon hatte sich allmählich auch wieder in der Gewalt und stieß anerkennend Luft aus. "Wenn du das im Saal genauso hinbekommst, wird niemand den Unterschied bemerken",meinte sie zufrieden und hackte sich bei Abraxas unter. "Komm jetzt. Es wird langsam Zeit" Während Xenon den Vampir zur Tür hinaus bugsierte, machte Shantel keinerlei Anstalten sich zu rühren. Verwirrt drehte sich Abraxas im Türrahmen noch einmal zu ihr um. "Kommst du nicht mit?", fragte er verunsichert. Er war bis jetzt die ganze Zeit davon ausgegangen, dass Shantel ihn begleiten würde. Diese aber schüttelte unerbittlich den Kopf. "Nein. Xenon wird dich begleiten. Ich bin ein Engel, schon vergessen? Ich habe dort nichts zu suchen",lachte sie scheinbar fröhlich, aber Abraxas entging der bedrückte Unterton keineswegs. Bevor er aber dazu kam noch etwas zu sagen, verschloss Xenon die Tür und durchtrennte somit die Verbindung zu Shantel. "So jetzt gibt es kein Zurück mehr",sagte sie angespannt. Ihr Gesicht wirkte wie versteinert, doch hier und da bröckelte die Marmormaske und deutete ein nervöses Zucken an. Nicht nur Abraxas machte sich Sorgen.

Zielsicher, wie zuvor Shantel führte Xenon den Vampir durch die Gänge des alten Gemäuers. Fackeln warfen ihr zittriges Licht auf den Boden und jagten abertausend Schatten über die Wände. In der Ferne konnte Abraxas Lärm hören, der langsam lauter wurde. Sie bewegten sich darauf zu. Viele verschiedene Stimmen, die unterschiedlicher nicht sein konnten, das Geklirr von Gläsern, die aneinander gestoßen wurden und Besteck, welches über prall gefüllte Teller schabte.

Hier und da begegneten die Beiden jetzt schon Dienstmädchen, die eifrig hin und her huschten und Geschirr, Speisen oder Getränke transportierten. Ein sanfter Geruch von Nahrung hing in der Luft, aber auf Abraxas Zunge legte sich auch der metallene Geschmack von Blut. Es machte ihn rasend.

Xenons Druck auf seinen Arm verstärkte sich und sie warf ihm einen mahnenden Blick zu. Sie musste nichts sagen, Abraxas verstand die unausgesprochenen Worte auch so. Nur nicht auffallen.

Dann waren sie da. Der Vampir spürte es bereits bevor sie um die letzte Ecke bogen und er einen Blicke auf den riesigen Torbogen werfen konnte, der sich zwischen den dunklen Säulen hinauf reckte. Die geballte Ansammlung von Seelen und Lebensenergie, eine mächtiger als die andere, war so präsent spürbar, dass es Abraxas den Atem raubte. Ihre Ausstrahlung erdrückte und beängstigte ihn und doch wusste er, dass es jetzt kein Zurück mehr gab.

Als Abraxas und Xenon den schummrig beleuchteten Saal betraten, verstummte das allgemeine Geraune und Gemurmel schlagartig und alle Blicke richteten sich neugierig auf sie. Ruhig schritten die Beiden zwischen den langen Tischreihen entlang, an denen die unterschiedlichsten Dämonenrassen Platz gefunden hatten und steuerten zielsicher auf den Kopf der Tafel zu. Ganz an der Spitze war noch ein einziger Platz frei und Abraxas wusste sofort, wer da wohl sitzen würde.

Nein, er hatte kein Angst. Abraxas Geist brannte in flammender Panik. Glücklicherweise schien sein zweites Ich die Bedeutung dieses Wortes noch nicht einmal zu kennen, denn mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen, ließ er sich an der Spitze der Tafel nieder und einen stolzen Blick über die Runde schweifen. Nicht weit von ihm, setzte sich Xenon ebenfalls, doch trennten sie nun einige Stühle voneinander. In die Stille hinein trat je ein unscheinbar wirkender Mann und räusperte sich. Seine Stimme kratze und erinnerte an altes trockenes Holz, dass zerbrochen wurde, aber sie war weithin hörbar, so dass jeder seine Ankündigung mitbekamen. "Ich darf ihnen vorstellen",deklarierte er. "Ihre Herrschaft Xenon, eine der hohen Vier der Albtraumgeister und Fürst Luzifer Morgenstern, Führer der Gefallenen."

Mochte der Vampir nicht wissen, was Angst war, Verwirrung kannte er aber durchaus und während sich im Saal donnernder Applaus erhob, begann er langsam zu ahnen, dass Shantel zwar nicht gelogen, aber ihm scheinbar ein paar wichtige Details verschwiegen hatte. Ein paar SEHR wichtige Details, wohlgemerkt.

Hilflos sah er zu Xenon hinüber, die ihm freundlich zulächelte. Allerdings griff das Lächeln nicht auf ihre Augen über, diese blieben kalt und gefühllos und es lag eine Drohung darin, die Abraxas die Nackenhaare zu Berge stehen lies.

Im Saal verebbte der Applaus langsam und man ging wieder zu seinen bis dahin getätigten Gesprächen über. Ab und zu wurde eine unverfängliche Frage an Abraxas gestellt, die er jeweils mit einem freundlichen Lächeln oder einer ausweichenden Antwort quittierte. Shantel hatte Recht gehabt. Das alles hier erinnerte wirklich eher an ein überdimensionales Klassentreffen, als an ein Staatsbankett hoher Dämonen. Er brauchte keine Angst haben.

Aber trotz der heiteren Atmosphäre, verstärkte sich langsam das unangenehme Gefühl beobachtet zu werden. Suchend sah sich Abraxas um, konnte aber niemanden entdecken. Ab und zu wurde ihm zwar ein mehr oder weniger freundlicher Blick zugeworfen, aber niemand schien sich wirklich für ihn zu interessieren. Warum dann aber fühlte er sich von Moment zu Moment unwohler? Die Blicke des Anderen brannten wie kleine Nadelstiche auf seiner Haut. Wo, wo nur war er? Und dann sah er ihn. Rote Augen starrten ihm kalt lächelnd entgegen. Mochte der Vampir nicht wissen, was Angst war, Abraxas wusste es. Klamme Knochenfinger des Entsetzten begannen in seiner Brust hinauf zu kriechen und nach seinem Herzen zu greifen. Niemals hätte er hierher kommen sollen, nie auf Shantels Bitte eingehen sollen. Es war zu spät, zu spät. Vielleicht zu spät für immer.

Meantoris hob das kristallene Glas in seiner Hand an und prostete Abraxas zu.

Willkommen zurück.

Ich kenne dich

So... da bin ich wieder^^

wen das Kapitel oben ist, bin ich mit dem Hochladen endlich wieder genauso weit wie mittem schreiben *zufrieden is*

Ich mag dieses Kap. hier sehr gerne, hier ist so ne schöne klimax drinne um eines mit den worten meines deutschlehrers auszudrücken >,< auf gut deutsch.. ne steigerung... so an quark!!
 

danke für die kommis^^ hab mich riesig gefreut festzustellen, dass ich einen neuen Leser habe ^_____^
 

*winkz*

dat sinless
 

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Ich kenne dich
 

Abraxas hatte die Hände zu Fäusten geballt und versuchte so mühevoll, das immer stärker werdende Zittern, welches ihn bei Meantoris Anblick übermannt hatte, unter Kontrolle zu bekommen. Es gelang ihm nicht. Der Vampir in ihm bemühte sich zwar nach Kräften den Körper wieder in seine Gewalt zu bekommen, aber gegen die flammenden Tumulte, die in Abraxas Seele herrschten vermochte er nichts zu unternehmen. Die ersten verwunderten Blicke wurden ihm bereits zugeworfen, doch noch wagte niemand der Anwesenden eine Frage zu stellen.

Sein Blick war starr nach unten gerichtet, doch spürte Abraxas die brennenden Blicke seines Meisters im Nacken. Er musste es nicht sehen um zu wissen, dass Meantoris ihn auslachte. Hatte er wirklich gedacht, dass er IHM entkommen konnte? Wie töricht war er doch gewesen. Der kurze Moment der Freiheit, den er genossen hatte, das war jetzt wohl vorbei. Und während er noch diesen Gedanken fasste, begann sich Abraxas zu beruhigen und eine kühle Sachlichkeit ergriff von seinem Geist Besitz. Ja es war zu spät. Er konnte an seiner Situation nichts mehr ändern. Gefasst hob er den Kopf und sah Meantoris stolz ins Gesicht, der ihn unverwandt anblickte. Die Blicke der Beiden begegneten sich und Abraxas spürte wie eine dunkle Klaue nach ihm, seiner Seele zu tasten begann. Er kannte dieses Gefühl der absoluten Wehrlosigkeit. Schon immer hatte er sich wahnsinnig nackt gefühlt, wenn er Meantoris gegenüberstand. Nun wusste er auch warum. Der alte Vampir durchforschte tatsächlich jeden Spalt seiner Seele. Jede noch so winzige Ecke.

Um die Beiden herum war es ganz still und dunkel geworden. Abraxas nahm die vielen anderen Dämonen gar nicht mehr wahr. Es existierten nur noch er und sein Meister. Die Entfernung zwischen ihnen hatte sich nicht verändert, doch glaubte Abraxas unsichtbare Fäden zu spüren, die ihn langsam aber beharrlich auf den alten Vampir zu zerrten. Er spürte ihre sanften Berührung, ähnlich winziger Spinnenbeine, die über seine Haut strichen und ihn sanft liebkosten. Meantoris rief ihn, leise, beharrlich und auf eine Art und Weise, die in Abraxas das nackte Entsetzten hervorrief. Und doch- und doch gehorchte er.

Atemloses Gemurmel und jemand der immer wieder einen Namen rief, holten ihn zurück in die Wirklichkeit. "...fer. Fürst Luzifer! So kommt doch zu euch!",hörte er es rufen. Verständnislos sah Abraxas zu dem Dämon herüber, der eindringlich auf ihn einredete. Er verstand ihn nicht. Er verstand überhaupt gar nichts. Nicht, warum ihn Xenon so entgeistert anstarrte. Nicht, warum Meantoris hier war. Nicht, warum er ohne eine Aufforderung aufgestanden war und nun wie zur Salzsäure erstarrt im Raum stand. Warum er dann aber mit weit ausgreifenden Schritten den Saal Richtung Ausgang entlang hetzte, zugegeben, das verstand er.

Erst als Abraxas bereits den Saal verlassen hatte brach der Tumult los. Jetzt erst realisiert jeder was geschehen war. Was, aber nicht warum. Empörte Stimme wurden laut, andere waren von Sorge erfüllt. Xenon tobte vor Wut und ein schmunzelnder Vampir verlies unbeobachtet den Saal.
 

In den langen leeren Hallen des alten Gemäuers konnte man Abraxas' einsame Schritte weithin hören. Stumm standen die Säulen, wie Soldaten in Reihe und Glied, einer strengen Ordnung unterworfen, die eine Orientierung schon nach wenigen Schritten so gut wie unmöglich machte. Der Vampir wusste schon nach einigen Weggablungen nicht mehr wo er war und wo er überhaupt hin wollte. Nur eines, weg von hier, weg von der großen Halle und weg von Meantoris. Aber wie er auch lief, einen Fuß vor den anderen setzte, einen Ausgang fand er nicht. Irgendwann blieb Abraxas mutlos stehen. *Das eben war absolut dumm von dir! Warum hast du dich eingemischt? Ich bin gut alleine klargekommen!*, keifte es wütend in ihm. Abraxas seufzte und legte den Kopf in den Nacken. "Ich hatte Angst", meinte er kleinlaut. Er wusste ja selbst, wie dämlich er sich verhalten hatte. In der Halle war er sicher gewesen. Meantoris hätte es niemals gewagt irgendetwas zu machen. Nicht vor all diesen Anwesenden. Und nicht nur, dass er seine eigene Sicherheit aufgegeben hatte, er hatte auch Xenon und Shantel in Schwierigkeiten gebracht. *Die beiden werden eine Menge Fragen beantworten müssen*,lachte es leise. Und sie würden ihm den Kopf abreisen. Keine Frage. Abraxas schätzte weder Shantel und schon gar nicht Xenon als Personen ein, die lange überlegten, wenn es darum ging jemanden zu bestrafen. *Shantel ist ein Engel. Vielleicht kannst du ja auf ihre Güte bauen?* Resignierend setzte sich Abraxas wieder in Bewegung. Wie Shantels Reaktion auch aussehen würde, zuerst musste er sie sowieso erst einmal finden. Eine Aktion, die sich durchaus als kompliziert herausstellen konnte. "Wer zum Teufel baut nur solche Gänge?",seufzte Abraxas. Die Frage war reine Rhetorik gewesen und niemand hatte mit einer Antwort gerechnet und trotzdem erfolgte sie. "Einst gehörten diese Hallen Kansa. Einem König der Dämonen. Er liebte es seine Opfer durch diese endlosen Gänge zu jagen und sie im Moment der höchsten Verzweiflung in Stücke zu reißen. Nun, einst zahlte es ihm ein Jäger auf die selbe Art und Weise heim. Seitdem dienen uns diese Hallen als Versammlungsort." Meantoris' Stimme kratzte trocken. Ein Hustenkrampf schüttelte den greisen Körper des Alten heftig. Abraxas stand mit dem Rücken zu ihm und rührte sich nicht. Weglaufen war sinnlos, wohin hätte er fliehen sollen? Im Moment der höchsten Verzweiflung in Stücke gerissen. Es schien so, als wolle Meantoris der Tradition genüge tun. "Ach Abraxas. Warum drehst du dich denn nicht um? Wir haben uns so lange nicht gesehen. Willst du deinen Vater denn nicht begrüßen?" Eigentlich wollte Abraxas nicht, aber seine Beine taten etwas anderes als er ihnen befohlen hatte. Langsam drehte er sich um und sah Meantoris mit vor Hass brennenden Augen an. "Lass mich in Ruhe!",verlangte er heiser. Seine Stimme zitterte leicht, doch spürte Abraxas, wie er langsam wieder Kontrolle über seine Sinne erlangte. Sein anderes Ich verharrte stumm neben ihm und strahlte eine Ruhe aus, die auf Abraxas übergreifen zu begann. Zum ersten Mal, war Abraxas froh darüber, dass es da war. Der alte Vampir seufzte enttäuscht, machte einen Schritt auf Abraxas zu und blieb verwundert stehen, als Abraxas denselben zurück tat. "Komm mir nicht zu nahe!" Zwischen Meantoris' Augen bildete sich eine steile Falte. "Aber, aber", hustete er trocken. "Was ist denn das für ein Verhalten? Ich will dir doch gar nichts tun." So ein verlogener Hund! Abraxas hätte sich am liebsten auf ihn gestürzt und ihm die Frechheit aus dem Leib geprügelt, aber es ging nicht. Äußerlich war er zwar wieder ruhig, aber die Angst machte es ihm unmöglich sich zu rühren. So blieb ihm nichts weiter als verächtlich mit den Schultern zu zucken. "Erzähl keine Märchen. Ich weiß genau was du willst!" Ein dünnes Lächeln durchzog das Gesicht des Alten, voller Spott für Abraxas. "Ach weißt du das?",fragte er schmunzelnd. "Nun, warum hast du dann solche Angst vor mir?" Unbewusst tat Abraxas noch einen Schritt zurück, bevor er antwortete. "Ich hänge nun einmal am Leben.",entgegnete der Vampir trotzig. Diesmal lachte Meantoris wirklich. Der Vampir legte den Kopf in den Nacken, während sein schallendes Gelächter durch die Gänge halte und sich in ihrer Monotonie widerwärtig verzerrten. Irre, der Kerl war einfach nur irre. Abraxas verstand von Minute zu Minute weniger, was er früher an ihm so bewundert hatte. Dieser Mann war der personifizierte Wahnsinn. "Ich will dich doch nicht töten", sagte Meantoris endlich, als er sich wieder etwas beruhigt hatte. Ein Zucken und die Stelle, wo Meantoris eben noch gestanden hatte, war leer. Abraxas blieb nur einen Augenaufschlag für Verwirrung Zeit - *Er ist noch hier!* - dann verlor er den Boden unter den Füßen und wurde gegen die Wand geschleudert. Ein erschrockener Aufschrei entwich seinem Mund, als sich schon ein grausamer Schmerz durch seine linke Schulter bohrte. An den langen Krallen Meantoris' lief dickflüssiges Blut hinab und machte den Schulterstoff Abraxas schwer und dunkel. Sanft strich Meantoris dem jungen Vampir über die Wange. Die alte raue Haut schabte gar grässlich auf dem weichen Fleisch des jungen Mannes. Abraxas schüttelte es vor Ekel und Abscheu. "Ach Abraxas, dich töten. Wie dumm wäre ich denn? Nein ich will nur das zurück, was ursprünglich mir gehörte."

"Was dir gehört?",fragte Abraxas fassungslos.

Meantoris nickte ernst. "Ja. Einst stahl mir eine schöne Frau, das wichtigste was ich besass. Aber bevor ich seinen Verlust wirklich erfassen konnte, war sie bereits auf und davon." Er seufzte leise, während sich ein verklärter Ausdruck auf die Züge des Greises legte. "Ewig habe ich nach ihr gesucht. Aus Tagen wurden Wochen, Monate schließliche Jahre und Jahrhunderte. Ewig jagte ich sie, aber immer wenn ich meinte sie endlich zu erfassen, war sie wieder auf und davon wie ein flüchtiger Luftzug. Ich wollte schon fast alle Hoffnung aufgeben, doch dann... "

"Dann?",fragte Abraxas mit zitternder Stimme. Meantoris Griff hatte sich verstärkt und seine Schulter brannte wie Feuer und dieser Blick mit dem er ihn ansah. Diese Augen waren so, als würde man direkt in die ewigen Flammen der Hölle schauen. "Dann traf ich auf dich und fand in dir genau das, was ich die ganze Zeit gesucht hatte."

"Hä?" Ungeachtet der Schmerzen riss sich Abraxas los und stieß Meantoris von sich. Sein linker Arm hing nutzlos an der Seite herab während immer noch Blut Richtung Boden tropfte. "Was soll das heißen?", rief Abraxas aufgeregt.

Interessiert starrte Meantoris auf die angebrochenen Krallen seiner rechten Hand, zuckte mit den Schultern und zog sie wieder ein. "Du weißt nicht wer du bist!?",stellte der alte Vampir monoton fest. Abraxas blinzelte. Irgendwie war es so als hätte er einen ähnlichen Satz vor kurzem schon einmal gehört. "Wer bin ich denn?", fragte er herausfordernd. *Erinnerst du dich nicht?* Erinnern? Woran? *Ich habe es dir doch gezeigt* Gezeigt? *Denk mal nach. Vor drei Tagen.* Vor drei Tagen? Was hatte er denn da gemacht? *Geschlafen.* Jetzt verstand Abraxas erst recht nichts mehr und irgendwie schien sich das auch auf seinem Gesicht widerzuspiegeln, denn Meantoris begann wieder dröhnend zu lachen. Das finster Maul war hämisch verzogen, während er Abraxas aus garstigen Augen fixierte. "Warum sollte ich es dir sagen?", fragte er. "Du bist doch bis jetzt auch vorzüglich ohne dieses Wissen ausgekommen." Man hörte wie Abraxas wütend mit den Zähnen knirschte, doch er sagte nichts mehr. Wenn hier niemand mit ihm ehrlich reden wollte, würde er sich eben auch zu nichts mehr äußern. Punkt!

Meantoris schien der Konversation langsam überdrüssig zu werden. Gelangweilt schlenderte er auf Abraxas zu. Wieder konnte der junge Mann keine Bewegung wahrnehmen, aber er registrierte sehr wohl, wie sich spitze Krallen um seinen Hals schlossen und er gegen die kalte Steinmauer gedrückt wurde. Ein erschrockener Japser wich über seine Lippen, dann aber hatte er keine Gelegenheit mehr dazu seine eigenen Reaktionen hervorzubringen. Sanft wurde seine Geist beiseite gestoßen und Abraxas griff nach Meantoris Arm. "Lass mich los",forderte er leise. Meantoris runzelte die Stirn und bedachte Abraxas mit einem nachdenklichen Blick machte aber keinerlei Anstalten ihn loszulassen. Die brechenden Knochen des Alten verursachten ein Geräusch, als wenn man dürre, trockene Äste zerbrach. Abraxas Finger hinterließen Druckspuren auf den totenbleichen Armen des Greises, aber der zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. Ausdruckslos starrte er auf seinen seltsam verformten Arm, der aber bereits wieder begann zu heilen. Man konnte förmlich sehen, wie sich die Knochen wieder in ihre ursprüngliche Form fügten und sich die Dellen im Fleisch ausbeulten. Er nahm es gelassen hin und sah Abraxas statt dessen fest in die Augen. Plötzlich schien etwas wie Erkennen in den roten Augen Meantoris aufzuflackern. "Ach du bist es",stellte er flüsternd fest. "Ich hätte es wissen müssen. Wie sonst hätte es dir gelingen können Rachel, wie auch die anderen zu besiegen. Ja, ICH hätte es wissen müssen",meinte er andächtig und berührte Abraxas an der Stirn. Der Vampir wollte zurück weichen. Ihm war es ein Rätsel warum er es nicht tat. Irgendetwas war da zwischen ihm und diesem alten Vampir. Nicht so sehr zwischen der eigentlich Seele Abraxas und Meantoris, als vielmehr Abraxas dunkler Seite. Aber irgendwas war da definitiv und er sollte wissen worum es sich handelte. Er wusste es nicht und ihm blieb auch keine Zeit mehr darüber nachzudenken. Der Vampir schrie gequält auf, als ein grausam glühender Dolch sich durch seine Gedanken brannte, ihn weg von der Oberfläche zerrte und in die Abgründe seines Geistes verbannte. Abraxas sah seinem zweiten Ich mit kalten Entsetzten dabei zu, wie es in die Tiefen gezerrt wurde, aber konnte rein gar nichts machen. "Tut mir leid", hörte er Meantoris sagen. "Aber mit DIR will ich mich noch nicht unterhalten. Dafür haben wir noch genug Zeit." Und während sich Meantoris' Zähne langsam in Richtung Abraxas' Nacken senkten, realisierte Abraxas endlich, dass Meantoris so etwas schon einmal getan hatte. Nur war er es damals gewesen, den dieses Schicksal ereilte, welches seinem zweiten Ich eben widerfahren war. Und während er das noch begriff, bekam der graue, dunkle Vorhang Risse, die sich schnell in weitausgreifende Löcher wandelten und aus den strahlendes Licht hervorbrach.

Mit einem hasserfüllten Schrei, riss sich Abraxas von Meantoris los und taumelte von ihm weg. Seine Augen flackerten irre vor Angst und immer höher flammenderen Zorn. "DU!", schrie er wütend. "Das eben hast du schon mal gemacht! Bei, bei mir! Damals als ich... als..." Gedanken wirbelten, flogen umher verschwammen ineinander und bildeten immer wieder neue Konturen, Farben und Formen. Die Erinnerungen nun einmal losgelöst überrannten Abraxas förmlich und trieben ihm Tränen in die Augen. Heiß rannen sie seine Wange hinab, aber diese Wärme war nichts gegen den feurigen Zorn, der in seiner Brust brannte und ihn von innen verzerrte. Hass.

"Mein Eltern... Wir wurden nicht von Räubern überfallen. Der Hof, die Ställe die Mägde und Arbeiter, alle Toten meine Eltern..." Abraxas schüttelte ungläubig den Kopf. Das konnte doch nicht sein. "Es waren Vampire! DEINE Vampire! DU hast sie zum Tode verurteilt und ich... ich..." Entsetzt schlug der Vampir die Hände vor dem Gesicht zusammen. All die Jahre war er ihm gefolgt, ihm den Mörder seiner Eltern. Hatte ihn geliebt - diese Bestie, die im grausamen Spiel über Leben richtete. Er... "Ich heiße nicht Abraxas",schluchzte er leise. "Diesen Namen gabst du mir. Ich hieß... Sylven." Wie fremd dieser Name doch klang. Abraxas war sich bewusst, dass es der seine war und doch passte es nicht, nicht mehr. Er war nicht Sylven, er war Abraxas und Meantoris hatte ihn zu dem gemacht. Er hatte ihm alles genommen. Alles. Seine Familie, seine Vergangenheit, seine eigene Existenz. Und das alles nur, wegen... Für einen Moment wusste er es. Er wusste, warum er für Meantoris so unglaublich wichtig war. Er verstand und alle Puzzelteile fügten sich zu einem großen Ganzen und ergaben einen Sinn. Doch nur für einen Moment, dann entglitt ihm der Gedanken, wie ein silberner Fisch im Wasser, der sich fliessend davon schlängelte. Und zurück blieb nur die Frage. "Warum?", flüsterte Abraxas leise, während immer noch Tränen sein Gesicht hinab rannen. Meantoris stand ausdruckslos ein paar Schritte von Abraxas entfernt. "Ich werde dir nicht antworten!", meinte er schließlich kalt. "Es geht dich nichts an." Es ging ihn nichts an? ES GING IHN NICHTS AN? Es war hier SEIN Leben um das es die ganze Zeit ging und es sollte ihn NICHTS angehen?

"Füge dich mir und du wirst verstehen"

Und für einen Moment war Abraxas wirklich gewillt das zu tun. Dann würde es vorbei sein. Er musste sich nicht mehr mit diesem Schmerz in ihm herumplagen, diese brennende Fragen würden endlich im Rauch verziehen. Ach warum denn nicht?
 

Xenon riss Abraxas am Arm zu sich herum. "WAS FÄLLT DIR EIN!?", brüllte sie ihn rasend vor Zorn an. "Bist du übergeschnappt? Ist dir eigentlich klar, was diese Einlage eben für Konsequenzen tragen wird?" Fassungslosigkeit war kein Ausdruck für das erbitterte Ringen verschiedenster Ausdrücke, die sich in Abraxas Gesicht alle zeitgleich den Rang abzulaufen versuchten und schon gar nicht für das zu Stein erstarrte Gesicht Meantoris'. Nur für einen kurzen Moment spielte der Vampir mit dem Gedanken noch irgendeine Form des Protestes laut zu machen um Abraxas doch noch für sich zu gewinnen, aber der vor Zorn tobende Albtraumgeist hielt ihn davon ab. Xenon erinnerte in diesem Moment tatsächlich an einen gestaltgewordenen Racheengel. Besser man legte sich nicht mit solchen Wesen an. Noch bevor Xenon den zu keiner eigenen Meinung mehr fähigen Vampir den Gang entlang zerrte, verschwand Meantoris. Enttäuscht und langsam begann so etwas wie Zorn über die verpatzte Chance in ihm zu erwachen. Es war nur noch so ein kurzer Schritt gewesen und Abraxas' Seele hätte ihm gehört. Nur so ein winziger Schritt. Doch während der alte Greis durch die Gänge wanderte verzogen sich die trockenen Lippen zu einem hämischen Lächeln. Nicht mehr lange und er würde ihm gehören. Es war nur eine Frage der Zeit. Er konnte warten und seine Zeit würde kommen.

Allein

Da bin ich wieder... dieses kapitel hier nervt mich...

hinten isses zwar ganz hübsch, aber vorne...

bah... weiß zwar auch net so genau waru, aber das hier opasst mir einfach net >,<

hatte aber auch keine lust mehr irgednwas umzuformulieren
 

*winkz*

dat sinless
 

Allein
 

Entnervt rollte Xhal mit den Augen und wiederholte wohl nun schon zum dritten Mal ein und denselben Satz. "Nein Ensyis. Er will dich nicht sehen." Ensyis schüttelte ungläubig den Kopf. "Aber warum denn nicht? Wegen dem was ich gesagt habe? Wenn dem so ist, tut es mir leid. Ich entschuldige mich. Auch bei Orinoco, aber verdammt noch - Xhal! Lass mich doch zu ihm!" Der Sath senkte betrübt den Kopf. "Darum geht es nicht. Er WILL eben nicht." "Aber warum denn?",fragte Ensyis enttäuscht. Er verstand es einfach nicht. Es stimmte wohl, er hatte Dinge gesagt, die nicht in Ordnung waren, aber das war doch kein Grund dafür, dass ihn Abraxas seit seiner Rückkehr vor drei Tagen mit Nichtachtung strafte. Der Freund wusste doch eigentlich, dass er manchmal Dinge sagte, die er in dem Moment zwar sehr wohl so meinte, die ihm hinterher aber auch leid taten. Das war doch kein Grund! "Ich kann es dir nicht sagen",meinte Xhal leise. "Das ist eine Sache, die ihr alleine miteinander ausmachen müsst. Ich kann und will mich da nicht einmischen. Bitte geh jetzt." Fassungslos schnappte Ensyis noch einmal nach Luft fügte sich dann aber seinem Schicksal und tat einen Schritt von Xhals Haustüre weg. Hätte er nicht enttäuscht zu Boden gestarrt, dann hätte er vielleicht den betrübten Gesichtsausdruck Xhals bemerkt. Und wenn das der Fall gewesen wäre, hätte er vielleicht den Mut zusammengenommen noch einmal zu fragen und wahrscheinlich hätte Xhal den Bitten seines Cousins nicht mehr standhalten können. So aber wartete er noch einen Moment ob Xhal nicht doch noch etwas sagte und drehte sich dann ausdruckslos von ihm weg. "Ich komme morgen wieder",meinte er leise und schlurfte geknickt den kurzen Gartenweg entlang um dann in Richtung Dorf zu verschwinden. Xhal sah ihm noch einen Moment nach, seufzte niedergeschlagen und schloss die Tür hinter sich. Er wusste warum Abraxas nicht mit Ensyis sprechen wollte, was da war, dass ihn daran hinderte. Aber er wusste auch, dass er kein Recht dazu hatte es Ensyis zu sagen. So leid ihm sein Cousin im Moment, trotz aller Unstimmigkeiten, auch tat, es war alleine Abraxas Entscheidung, wann er es ihm sagte. Und ungefähr konnte sich der Sath vorstellen, wie schwer das alles Abraxas fallen musste.

Vor drei Tagen war Abraxas von dieser seltsamen Veranstaltung zurückgekehrt, mit ein paar Kratzern im Gesicht, als hätte ihn jemand mit langen Fingernägeln ein- zweimal geschlagen, die schnell verheilten, sonst aber unverletzt - Nur vollkommen verändert. Shantel hatte Abraxas zurückgebracht, aber das junge Mädchen war die ganze Zeit äußerst schweigsam gewesen und schien ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Ein paar Mal hatte Xhal beobachtet, wie sie sich fahrig die Haare aus dem hübschen Gesicht strich und dann über ihre eigene Bewegung erschrocken zusammenfuhr. Irgendetwas schien sie zu beschäftigen. Sie, wie auch Abraxas. Dessen Miene hatte verschlossen und zurückgezogen gewirkt. Irgendetwas fehlte in seinem Blick, wie auch etwas in seiner Persönlichkeit zu fehlen schien. Es war nicht so, dass Abraxas vor etwas Angst hatte und deswegen absolut unruhig und schreckhaft auf alle äußeren Einflüsse reagierte, nein eher das Gegenteil war der Fall gewesen. Der junge Vampir reagierte auf so gut wie gar nichts. Nein, das stimmte so auch nicht. Es war nicht so, dass er keine Reaktion zeigte, wenn man ihn ansprach. Er antwortete ruhig und ohne Zögern und tat auch alles, was man an kleineren Arbeiten von ihn verlangte. Kommentar- und Widerstandslos. Er nahm es einfach hin. Alles schien ihm egal zu sein, aber wirklich alles. Xhal hätte einiges darum gegeben um zu erfahren, was auf diesem Bankett geschehen war, aber weder Shantel, die im übrigen eh schnell wieder verschwand, noch Abraxas sprachen darüber. Das musste der Sath wohl oder übel akzeptieren, wenn Abraxas reden wollte würde er von selbst zu ihm kommen. Ihn zu drängen brachte keinen Erfolg. Nur eines hatte Xhal in Erfahrung bringen können. Er wusste warum Abraxas nicht mehr mit Ensyis sprechen wollte und unter diesen Umständen war es nun dazu gekommen, dass Abraxas doch im Haus geblieben war und nur Ensyis die neue Unterkunft im Dorfzentrum bewohnte. Zumindest übergangsweise. Ja, er wusste warum. Nachdem Shantel gegangen war, kam Abraxas schon nach kurzer Zeit zu ihm und stellte eine Frage, die alles veränderte. "Wer war Sylven?" Erst wollte Xhal nicht antworten, aber der Vampir drängte ihn so lange, bis er schließlich doch nachgab. "Sylven war Ensyis älterer Bruder. Er ist genau wie seine Eltern von Vampiren getötet wurden, glauben wir." Ein Blick in Abraxas entsetzte Augen hatte genügt. Er wusste wer er war, aber wie sich später herausstellte, konnte er sich an Ensyis nicht erinnern. Seine Erinnerungen waren nur teilweise zurückgekehrt. Er wusste ungefähr was passiert war, aber trotzdem lag ein Großteil seiner Vergangenheit im Schatten, verhüllt und noch nicht entdeckt. Nur einzelne Brocken waren an die Oberfläche getreten. Und Ensyis war keiner dieser Erinnerungen. Abraxas konnte sich nicht daran erinnern einen Bruder gehabt zu haben, genauso wenig wie einen Cousin. Das alles war verschwunden, restlos von Meantoris ausgelöscht und es schien so als hätte ihm der alte Vampir wieder einen wichtigen Teil seines Lebens genommen.

Bedächtig ging Xhal auf das Zimmer Abraxas' zu und traf vor der Tür auf Orinoco. "Und?" betrübt schüttelte die blonde Frau den Kopf. "Nein, er will einfach nichts trinken." Mit einem ratlosen Schulterzucken, drückte sie Xhal die kleine Blutphiole in die Hand. "Vielleicht probierst du es noch einmal? Er sieht schon richtig schlecht aus und außerdem..." Orinoco stockte. "Außerdem wissen wir nicht, wann er wieder die Kontrolle verliert. Wolltest du doch sagen, nicht wahr?!" Xhal nickte ernst. "Du hast vollkommen Recht. Gib das Zeug her, ich überrede ihn schon!",lachte er gequält und griff nach der Blutphiole. Dann klopfte er an Abraxas Tür. "Darf ich reinkommen?" Als keine Antwort erfolgte drückte er einfach so die Klinke nach unten und trat ein.

Abraxas bot ein Bild des Jammers. Der Vampir hockte zusammen gekauert auf seinem Bett und starrte trübe geradeaus. Seine blauen Haare hingen stumpf am Gesichtsrand hinab und den tief eingefallenen Augen fehlte jeglicher Glanz. Nur drei Tage, hatten ihn so verändert. Nur drei. Als Xhal das Zimmer betrat hob er noch nicht einmal den Kopf. Für einen Moment stand der Sath ratlos im Raum, fasste sich aber ein Herz und setzte sich neben den niedergeschlagenen Vampir. "Und, wie lange geht es jetzt so weiter?", fragte er. War da ein leichter Ton von Spott zu hören? Zumindest für Abraxas klang es so. "Wenn du mich auslachen willst nur zu", meinte er leise. "Tu dir bloß keinen Zwang an." Xhal zuckte getroffen zusammen und sah mit einem verletzten Blick zu Abraxas hinüber. "Meinst du, ich will mich über dich lustig machen?" Der Vampir sah Xhal nicht an, sondern fixierte seinen Blick auf einen kleinen schwarzen Punkt der gegenüberliegenden Wand. "Vielleicht. Ich muss doch wirklich ein lächerliches Bild abgeben, wie ich hier so rumsitze und vor mich hin grüble." Xhal lächelte. "Schon möglich. Wie siehst du dich denn? Findest du dich lächerlich?" Fand er sich lächerlich? Wenn es nur das wäre. Abraxas seufzte. "Erbärmlich finde ich mich und feige und zu nichts zu gebrauchen, nutzlos und... und..." Was war das richtige Wort dafür, dass er sich mit dem Mörder seiner Eltern auf eine Seite geschlagen hatte. Dem, der ihm seine Existenz geraubt und Ensyis so viel Leid gebracht hatte? Was war das richtige Wort dafür, dass er zu feige war Ensyis in die Augen zu schauen und ihm zu sagen, was er nun schon wusste. Was er wusste, was Xhal wusste und wahrscheinlich auch Orinoco, nur Ensyis nicht. Und was war das richtige Wort dafür, dass... "...xas?" Erschrocken hob Abraxas den Kopf. Scheinbar hatte ihn Xhal schon mehrmals versucht anzusprechen. Der Sath wedelte nun mit der kleinen Blutphiole vor seinem Gesicht herum. "Hey! Was hältst du davon? Ich meine du musst doch etwas trinken!" Musste er? Warum? Abraxas sah das im Moment etwas anders. Wenn er es nicht tat würde er früher oder später einfach verdursten, austrocknen, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Das wäre vielleicht die beste Lösung, dann würde ihn diese quälende Schuld vielleicht endlich loslassen. Warum nicht? Einen anderen Weg sah der Vampir nicht. Er konnte sich nicht selbst stark genug verletzten um daran wirklich zu sterben. Er würde eher in Ohnmacht fallen und sein Körper würde sich ohne sein Zutun einfach regenerieren. Das war kein Weg. Es brachte ihm nur weitere Schmerzen. Nein, das war es nicht. Aber einfach die Blutzufuhr verweigern. Doch das konnte funktionieren. Plötzlich wurde Abraxas von Xhal grob am Arm gepackt und auf das Bett gedrückt. Ehe der Vampir reagieren konnte, war der Sath auch schon über ihn und hielt ihn fest. "Tut mir leid Abraxas!", sagte er ernst. "Aber wenn du nicht willst, werde ich dir das Zeug eben gewaltsam einflössen. Ich warte nicht ab, bis du dich wieder in ein rasendes Monster verwandelst." Gesagt getan. Der Sath hielt mit seinen Knien Abraxas Arme fest und drückte dessen Oberkörper durch sein eigenes Gewicht nach unten. Hastig fingerte am Verschluss der Phiole herum und versuchte zeitgleich den sich wild sträubenden Vampir zu bändigen. "Lass das! Lass mich in Ruhe!", schrie Abraxas aufgebracht und versuchte verzweifelt den Sath von sich zu stoßen. Erfolglos. Xhal tat es nicht gerne, aber er wusste sehr wohl, wie er es anzupacken hatte. Entschlossen griff er nach Abraxas Haarschopf und zog ihn nach hinten. Der Vampir schrie vor Schmerz und diesen kurzen Moment nutzte Xhal um Abraxas die rote Flüssigkeit in den Rachen zu schütten.

Hastig entfernte sich der Sath, während sich Abraxas hustend und spotzend auf die Seite drehte. Abraxas wollte dieses widerwärtige Zeug nicht schlucken, aber sein Körper reagierte anders, als er es von ihm verlangte. Dünne Blutrinnsale liefen sein Kinn hinab und hinterließen einige dunkle Flecken auf dem weißen Bettlacken, aber im Großen und Ganzen hatte er es doch hinuntergeschluckt. "Wieso?", wimmerte Abraxas. Xhal spannte die Schultern und sah bestürzt auf Abraxas hinab. "Du verlierst die Kontrolle, wenn du kein Blut zu dir nimmst. Das weißt du." Abraxas Hände verkrampften sich und seine Finger bohrten sich fest in das Lacken hinein. Traurig schüttelte er den Kopf. "Nein, das wird nicht passieren." "Ach nein?",lachte Xhal spöttisch. "Wieso denn nicht?"

Es erfolgte keine Antwort. Der Vampir schwieg beharrlich und drehte sich von Xhal weg. Das hätte er nicht tun dürfen. Xhal seufzte:"Abraxas ich will dir doch nichts Böses. Ich will dir helfen." Man hörte den Vampir verächtlich schnauben. "Sicher doch." "Natürlich! Denkst du ich lasse dich sterben." Xhal war energisch aufgesprungen und hatte Abraxas an der Schulter gepackt. Der Vampir sollte ihn gefälligst ansehen. Aber als er endlich in die trüben Augen Abraxas sah, wünschte er sich er hätte es nicht getan. Jegliches Licht war aus ihnen gewichen, das ewige Feuer, welches ihnen inne wohnte, war verloschen. Aus diesen Augen sprach nur noch die Kälte des Todes. "Du willst sterben", stellte Xhal bitter fest. Weder beschwerte sich Abraxas über den harten Griff mit dem ihn der Jäger anpackte noch setzte er zu einer Antwort an. Der anklagende Blick seiner Augen war Antwort genug. Xhal zwang sich dazu die Augen zu schließen und innerlich bis zehn zu zählen, dann lies er Abraxas los und drehte sich schweigend von ihm weg. Bevor er das Zimmer verließ, blieb er im Türrahmen noch einmal stehen. Er drehte sich nicht um, sah Abraxas nicht an. Echte Enttäuschung schwang in seinen Worten. So viel. Das hätte er niemals erwartet. "Du bist feige!",flüsterte er leise und schloss die Tür hinter sich. Für einen Moment starrte der Vampir noch ausdruckslos auf die Stelle, wo Xhal gestandene, dann ließ er sich mit einem schweren Seufzer zurückfallen und sah hinauf zur Zimmerdecke. Ja Xhal hatte Recht. Er war feige. Wahnsinnig feige. Alleine brachte er gar nichts zu Stande, die Zeiten in denen er das noch gekonnt hatte, waren vorbei, aber jetzt war er alleine. Da war niemand mehr der ihm half, wirklich niemand. Er war alleine. Abraxas schloss die Augen und horchte in sich hinein. Suchte nach einer winzigen Spur, einem dumpfen Gefühl, einem Laut oder einer Bewegung. Aber in ihm war nichts. Er war nicht mehr da. Es war nur noch kalt und leer. Ohne ihn fiel es Abraxas immer schwerer sich zu erinnern. Natürlich seine Erinnerung bestand eh nur aus Bruchstücken, aber diese wenigen zu halten war schon schwer genug. Seine Eltern, Ensyis, Meantoris Verrat, das alles. Alles wurde grau und farblos, unscheinbar, verschwamm im Nebel des Vergessens. Ohne ihn. Damals... als Meantoris Abraxas Seele verbannte. Damals wäre er fast gestorben, aber der alte Vampir hatte ihn gewaltsam in sein Gefäß zurückgestoßen, doch nun? Seine andere Hälfte - wo nur war sie hingegangen, als sich Meantoris schwarze Krallen nach ihr ausgestreckten? Wohin? Und wenn es genauso war, wie bei ihm in seiner Kinderzeit, welche Möglichkeit hatte er dann ihn zurückzuholen? Frustriert biss sich Abraxas auf die Unterlippe. Dünnes Blut floss schon bald hinab, aber er spürte den Schmerz nicht. Es stimmte, seine andere Hälfte war launisch, aggressiv, skrupellos und alles andere als gut. Aber war sie wirklich böse? Abgrundtief? So wie es Meantoris war? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wer wusste das schon. Eines aber war sicher. Abraxas hatte sich nie zuvor so einsam und im Stich gelassen gefühlt. Er erinnerte sich jetzt, was seine dunkle Seite ihm einst gesagt hatte. Er wäre doch bei ihm, Abraxas wäre doch nie wirklich alleine. Damals hatte ihn Abraxas ausgelacht, ihn des bösen Spottes beschimpft, aber jetzt? Er hatte doch Recht gehabt. Er war nie wirklich alleine gewesen. Böse oder nicht. Er war mehr oder weniger für ihn da gewesen, hatte ihn zumindest davon abgehalten all zu sehr in dumpfe Grübelei zu versinken und wenn es im harten Streit geendet war. Und nun war er fort und Abraxas konnte nichts machen. Das war so ungerecht! Jetzt wo er langsam irgendwie mit ihm ausgekommen war, jetzt wurde er ihm wieder weggenommen. Er kannte ja noch nicht einmal seinen Namen.

Während Abraxas da so auf seinem Bett lag und die Wand anstarrte, verstrich langsam die Zeit. Niemand betrat mehr sein Zimmer, niemand störte ihn. Er war alleine ganz alleine. Und mit diesem grausamen Gefühl der Einsamkeit in sich fielen dem Vampir bald die Augen zu und der dunkle Mantel des Schlafes umfing ihn.
 

Als Abraxas die Augen wieder aufschlug, erschrak er nicht mehr. Die Traumebene war ihm bereits bekannt nur ein leichtes Stirnrunzeln schlich sich auf seine Züge, als er sie entdeckte. "Du", stellte er träge fest. Es klang nicht wirklich überrascht, nicht einmal verwirrt oder beunruhigt, als hätte er es bereits erwartet.

Lilith erhob sich bedächtig von ihrem Platz und trat auf Abraxas zu. "Du bist spät", stellte sie fest, aber auf ihren Gesicht lag ein warmes Lächeln. Als sie ihn bei der Hand ergriff, durchfuhr ein wohliger Schauer Abraxas Körper. Aber nur seinen Körper. Sein Herz, sein Geist wurde davon nicht berührt. "Was willst du?", fragte er trocken. Für die Dauer eines Wimpernschlages schien es als wolle Lilith lachen, aber wieder lächelte sie nur in dieser eigentümlich wissenden Art. "Ich denke du willst ihn zurück?",fragte sie leise, einem zarten Frühlingshauch gleich. "Alleine wirst du Kain nicht helfen können."

Wer er war

Soll ich euch mal was sagen?

Ich mag dieses Kapitel hier seeeeehr gerne ^.^

Mhmmm ich hoffe nur ich habe keinen Leser, der sonderlich religiös ist... der könnte sich eventuell an bischen auf den schlips getretten fühlen... ich will aber niemanden beleidigen oder was gegen religion sagen... nene...

das was hier getippt wird ist fiktiv und ich bezeichne als künstlerische freiheit und Interpretation^^°
 

*winkz*

dat sinless
 

Wer er war
 

Stille. Alles umfassende Ruhe. Kein Laut durchbrach die zeitlose Traumebene. Lichter wanderten über den Boden, umspielten die beiden Personen, leise, lautlos, nicht existent. Nicht existent wie alles hier sein sollte, nicht real, nicht wahrhaftig, nicht vorhanden und doch stand sie ihm gegenüber. Und doch wiegten sich die schweren schwarzen Locken bei jedem Wimpernschlag und doch wartete sie noch immer auf irgendeine Reaktion seinerseits. "Kain?",fragte Abraxas schließlich lahm. "Wieso Kain?" Lilith lächelte geheimnisvoll. "Das ist sein Name",antworte sie mit sanft rauchiger Stimme. "Den wolltest du doch wissen, oder?" Der Vampir schüttelte verwirrt den Kopf. "Aber... wie... Ich meine.. Das ist doch."

Bevor sich in Abraxas Kopf die wildesten Gedanken überschlagen konnten, ergriff ihn Lilith an der Hand und zog ihn hinter sich her. "Komm ich werde es dir erzählen. Ich werde dir erzählen, was all das hier ", sie machte eine Handbewegung über die Traumebene "Kain und du zu bedeuten haben. Ich werde es dir erzählen. Jetzt ist die Zeit gekommen, doch vorerst folge mir. Folge mir, denn ich weiß, was du wissen willst." Selbst wenn Abraxas gewollt hätte, hätte er sich ihr nicht widersetzten können. Seine Beine bewegten sich wie von selbst, leicht und losgelöst, unwirklich wie das alles hier. Und obwohl Liliths Nähe eine eigenartige Ruhe auf ihn ausstrahlte - Ja er war sich sicher, dass ihm hier keine Gefahr drohte, nicht so lange sie bei ihm war - obwohl er das wusste, verstärkte sich mit jedem Schritt, den sie ihn tiefer in die dunklen Weiten seines Geistes zog, ein ungutes Gefühl. Das Gefühl, dass er lieber nicht wissen wollte, was sie ihm zu erzählen hatte. Ungeachtet dessen erhob Lilith das Wort und begann in ihrer eigentümlichen Art, die mehr an eine gesungene Melodie als an ein tatsächlich gesprochenes Wort erinnerte, zu erzählen.

"Einst vor langer Zeit - Jahrhunderte mag es jetzt wohl schon her sein - da lebten zwei Brüder Kain und Abel. Abel ein Schafhirte und Kain der Ältere ein Ackermann. Da begab es sich, dass die beiden dem Herrn ein Opfer darbrachten. Abel opferte den besten Wider seiner Herde und Kain brachte Ären von seinem Felde. Da schaute der Herr Abels Opfer an, aber Kains ging in Flammen auf. Kain dachte lange darüber nach, was an seinem Opfer nicht rechtens gewesen war, bis er endlich zu dem Schluss kam, dass man dem Herrn ja das Liebste zu opfern hatte und das hatte er ja nicht getan. Das Liebste Kains aber war sein jüngerer Bruder Abel und so begab es sich, dass Kain seinen Bruder erschlug und dessen Blut den Ackerboden tränkte. Da sprach der Herr zu Kain >Wo ist dein Bruder Abel?< Er sprach >Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?< Der Herr aber sprach >Was hast du getan? Die Stimme des Bluts deines Bruders schreit zu mir von der Erde< Und da verfluchte der Herr den Kain. Kein Acker sollte ihn seinen Ertrag bringen und flüchtig sollte er auf Erden sein. Und Kain erkannte seine Schuld, doch war die Strafe in seinen Augen nicht genug der Sünde, die er sich aufgeladen hatte. Flüchtig wolle er auf Erden sein und sich vor dem Angesicht des Herrn verbergen und der ihn fände solle ihn totschlagen. Da machte der Herr ein Zeichen an Kain, dass niemand ihn erschlüge, der ihn fände und wer ihn erschlüge solle siebenfältig gerächt werden. Und so verschwand Kain vor dem Angesicht Gottes." Lilith verstummte für einen Moment und sah abwartend zu Abraxas hinüber. Der Vampir hatte andächtig an ihren Lippen gehangen und erwachte erst jetzt, als sie zu sprechen aufgehört hatte aus seiner Starre. "Soweit alles verstanden?", fragte sie freundlich. Nach kurzem Zögern nickte Abraxas. Es war nicht das erste Mal, dass Abraxas die Geschichte des Brudermörders Kain hörte. Irgend jemand hatte sie ihm schon mal erzählt. Aber er hatte sie wie so vieles andere auch in seinem jugendlichen Übermut, als bloßes Hirngespinst der Erwachsenen hingestellt. Nichts, dem er wirklich Beachtung zollen sollte. Jetzt aber aus dem Mund Liliths klangen die Worte anders, wahrhaftiger und erschreckender zugleich. Dem Vampir fiel es zunehmend schwerer die Geschichte als einfaches Schauermärchen abzutun, jetzt vor allem, da die Umgebung immer dunkler wurde und schwarze Schatten über den nebelbedeckten Boden huschten. Einzig die Wärme Liliths Hand, lies ihn nicht daran zweifeln, dass dies alles nur... ja was? Ein Traum war es ja immer noch. Trotzdem bestand ein Unterschied zwischen einem Traum, in dem man einfach nur Blödsinn fantasierte und diesem - was auch immer- hier. Das alles hier war real. Daran bestand überhaupt kein Zweifel und jedes Wort war wichtig und bedeutungsvoll. Plötzlich bemerkte Abraxas, dass ihn Lilith schon eine ganze Weile unverwandt anstarrte. Hinter seiner Stirn wurde es warm und ein leichter Rotschimmer legte sich über seine blassen Wangen. "Fahr fort",bat er leise.

Lilith nickte zufrieden und erzählte weiter:"Den himmlischen Schriften zu Folge kehrte Kain ein in die Stadt Nod und zeugte dort mit seinem Weibe mehrere Kinder." Plötzlich kicherte Lilith und hielt sich die Hand vor den Mund. Wie erschreckend war plötzlich ihre Stimme anzuhören, als sie weiter sprach. Trauer, Schmerz und schlecht versteckter Zorn schwangen in ihr. Abraxas jagte der Klang einen eiskalten Schauer über den Rücken. Bis jetzt war ihm Lilith immer wie ein weltfremdes heiliges Geschöpf vorgekommen. Allen negativen Gefühlen erhaben und unfehlbar. Wie weit gefehlt das doch war. Mächtig, stark, autoritär und charismatisch, aber trotz allem war sie doch nur eine Frau. Eine Frau, die in all ihrer Glorie doch sicher irgendwo auch ihre feminine, verletzliche Seite hatte. Die Seite, die beschützt werden wollte und die man zu beschützen hatte. Mit einem Mal tat sie ihm leid.

"Das alles ist aber nur die halbe Wahrheit. Die Schriften sind fehlerhaft, sie berichten nur von der Herrlichkeit Gottes. Negative Ereignisse aber werden beschönigt oder kurzerhand gar nicht niedergeschrieben. Ach der Mensch vergisst so leicht, wenn niemand berichtet und wie viel einfacher ist es doch nur die schönen Seiten des Lebens zu sehen und die schlechten zu vergesse. Ja ich muss es wissen",meinte sie bitter. "Schließlich war ich ja selbst einst ein Mensch."

"Schön und Gut!",unterbrach sie Abraxas plötzlich. "Aber was hat das alles jetzt mit mir zu tun? Versteh mich bitte nicht falsch, aber das alles ist doch schon wahnsinnig lange her. Ich bin gerade mal vierundzwanzig Jahre alt und meine andere Hälfte..." "Kain", verbesserte sie ihn lächelnd. "Dann eben Kain", gab der Vampir verärgert nach, hielt aber in seinem Redefluss nicht inne. "Kain wird doch wohl genauso alt sein wie ich. Was hat er damit zu tun? Das war doch alles vor unserer Zeit" Lilith lächelte Abraxas an, als würde sie sich mit einem kleinem Kind unterhalten. Der melodische Singsang hatte einen spöttischen Klang als sie antwortete "Ja und nein." Es machte den Vampir rasend.

"Ja und nein", kicherte sie. "Lass mich erzählen. Hör mir zu, hör mir zu und habe Geduld. Eine so alte Geschichte lässt sich nicht in so kurzer Zeit erzählen. Sie braucht Zeit um ihre volle Schönheit - nein ihre ganze Verderbtheit zu entfalten." Abraxas wollte bereits wieder auffahren, aber etwas in Liliths Stimme hielt ihn davon ab. Es sagte ihm, dass es für den Moment wohl besser war zu schweigen. "Du musst wissen, Gott ist grausam. Natürlich er erschuf diese Welt, sicher tat er viel Gutes und doch gibt es da Dinge, die einfach nicht zu diesem Bild des allmächtigen Wesen der höchsten Vollkommenheit passen. Wie anders ist es zu erklären, dass ich dem Paradies verbannt wurde, nur weil ich in Adam einen Gleichgesinnten und keinen Über mir stehenden sah. Ich wollte ihn nicht unterwerfen, ich wollte doch nur..." Sie schüttelte betrübt den Kopf. Die schweren Locken, fielen ihr vereinzelt in die Stirn. "Das tut jetzt nichts zur Sache",meinte sie mehr zu sich selbst als zu Abraxas. Dann straffte sich ihr Blick und ihre Stimme gewann ihre übliche Stärke zurück. "Weißt du. Es heißt das Kainsmal wäre kein Stigma gewesen sondern ein Symbol des Schutzes. Niemand durfte Hand an den Mörder legen und doch erkannte ihn jeder schon von der Ferne. Kannst du dir vorstellen, wie Kain sich gefühlt haben muss? Von allen Menschen und Tieren verachtet und gemieden und doch war da niemand, der seiner Qual ein Ende bereiten konnte. So wanderte er weiter, immer weiter durch die Wüsten dieser Welt, durch die Einöden, Wälder und Schluchten, bis er eines Tages...
 

Die gleissend helle Sonne tauchte die Welt in eine flimmernde Feuerhölle. Die Schritte der einsamen Gestalt, die durch die weite Wüste taumelte wurde zunehmend ungleichmäßiger und schwerer. Immer öfter stürzte der junge Mann in den brennend heißen Sand, rappelte sich um das ein oder andere Mal noch auf, bis er schließlich ganz liegen blieb. Kains Augen brannten vor lauter Sand, doch schon lange kamen keine Tränen mehr. Seine nackten Hände und Füße waren zerschunden, das dunkle Gewand hing zerrissen an dem dürren abgemagerten Leib hinab. Überall prangten bereits verschorfte Verletzungen, doch ein großer Teil barg blutige, weiße Eiterblasen. Die ehemals schönen Lippen waren geschwollen und aufgeplatzt und die blauen Augen, waren Fieberverschleiert, hatten jeden Glanz verloren. Kain bot eine erbärmliche Erscheinung. Das wusste er. Es war Teil der Strafe, die Gott ihm auferlegt hatte. Ewige Qualen und niemals die Möglichkeit davon erlöst zu werden. Überall wo er auch hinkam, begegneten ihm die Menschen mit Hass und Verachtung, doch niemand erhob die Hand gegen ihn. Nirgendwo war er geduldet, so blieb ihm nichts anderes als zu fliehen. Hier hin, wo es weder Mensch noch Tier mehr gab, die ihm mit ihren hasserfüllten Blicken wehtun konnten. Niemand mehr, er war allein. Oft schon hatte Kain mit dem Gedanken gespielt seinem Leben selbst ein Ende zu setzten, doch jedes Mal hielt ihn das Bewusstsein der Sünde, die er sich bereits durch den Mord an seinem Bruder aufgebahrt hatte zurück. Nicht noch mehr Sünden sollten seine Seele belasten es waren derer bereits genug. Aber was bedeutet das denn schon? Sünde? War es nicht egal? Die Hölle war ihm doch eh schon vorherbestimmt. Ein schrecklicherer Ort, als der in dem er hier lebte konnte es doch nicht sein. Himmel und Hölle. Einst hatte auch Kain, an all dies geglaubt an die Güte des Herrn. Der Herr vergab man musste nur ehrlich bereuen. Kain bereute. Er bereute zutiefst was er getan hatte. Den eigenen Bruder erschlagen, welchem Narrenspiel war er nur erlegen? Aber die Güte des Herrn war nicht unendlich, oder zumindest betraf sie nicht mehr ihn. Der Herr hatte ihn verflucht. Daran bestand kein Zweifel. Sein Körper alterte nicht, er starb nicht. Nicht von alleine. Kain konnte sich verletzten, er konnte alle Nahrung und Wasser verweigern. Er konnte durch Wüsten wandern, ihrer feurigen Flammenhölle und den eisigen Nächten trotzen und doch änderte es nichts. Jeden Morgen erwachte er neu, wie Prometheus, dessen Leber jeden Tag erneut von einem Adler gefressen wurde, bereit wieder die Qualen des Himmels zu erdulden. "Herr dein Herz ist groß, doch für mich ist kein Platz mehr darin", flüsterte Kain, bevor ihn die schwarzen Flügel der Ohnmacht umfingen. Und morgen würde es wieder beginnen.
 

Als er wieder erwachte, war Kain nicht in der Lage sich zu rühren. Er spürte seine Glieder und doch gehorchten sie seinen Befehlen nicht. Aber er fühlte, dass sich seine Umgebung verändert hatte. Die Glut der Sonne war verschwunden, aber er fror nicht. Der Untergrund auf dem er lag mochte weich sein, doch spürte das sein geschundener Körper nicht mehr. Jetzt erst wo kein Sand mehr in das wilde Fleisch seiner Verletzungen drang, entfaltete sich deren volles Schmerzpotential. Kain stöhnte leise.

Da hörte er, wie sich ihm leichte Schritte näherten. "Du bist wach",stellte eine dunkle, wohlklingende Fraustimme fest. Ihre Art zu sprechen erinnerten an einen lieblichen Singsang. Eine ewige Melodie voller Schmerz und Hoffnung zugleich, die etwas in Kain berührte. Er wollte sie sehen. Er wollte wissen, was für ein Geschöpf, das war welches solch eine schöne Stimme besass. Unter auf erbieten aller noch verbliebenen Kräfte gelang es ihm endlich die geschwollenen Augen zu öffnen und ihre Gestalt zu erblicken. Nur verschleiert nahm er ihr Antlitz war, aber schön, wie nichts Vergleichbares zuvor erschien es ihm. Rabenschwarzes Haar, wie das seine leuchtete ihm entgegen. Ihre Figur wirkte majestätisch und zerbrechlich zugleich und obwohl er ihre Augen nicht erkennen konnte, schienen sie ihm doch von einem Licht erfüllt, dass unmöglich von dieser Welt stammen konnte.

Heilig.

Niemals zu vor hatte Kain einen Menschen erblickt für den dieses Wort so zusprach. Heilig, heilig, heilig. Unmöglich konnte sie eine Wesen dieser Welt, ein Mensch sein. Kain öffnete den Mund doch seine Stimme versagte ihm. Nur ein heiseres Kratzten brach hervor. Endlich schaffte er es die Worte hervorzubringen und noch immer sah ihn die Frau, auf diese seltsame Art an. Ernst und doch freundlich. Distanziert und doch lag in ihrem Blick etwas, dass schier nach Nähe und Berührung schrie.

"Bist du ein Engel?"

Spöttisch verzog sich ihr hübscher Mund. "Nein", zwitscherte sie lachend, schüttelte den Kopf und setzt sich an Kains Lager. Jetzt erst erkannte Kain, dass er sich in einer kleinen Holzhütte befand. Das Bett auf dem er lag, füllte den Raum fast gänzlich aus, ansonsten gab es nur noch einen kleinen Tisch, eine winzige Feuerstelle, auf der ein Kessel leise brodelte und dampfte und eine einsame Kerze, die fast heruntergebrannt war. Und Bücher - Bücher soweit das Auge reichte. Wo kamen sie her? Kains blaue Augen huschten über die dunklen Holzwände, verirrten sich unter der niedrigen Decke in dunklen Nischen und Fugen und blieb schließlich wieder am Gesicht der Frau hängen, welches er jetzt in seiner ganzen Schönheit erkennen konnte. "Wer bist du?",fragte er ungläubig. Wer war sie, wenn doch kein Engel?

Ihr Augen lächelten geheimnisvoll, wissend als sie einen Finger vor die Lippen legte und sacht den Kopf schüttelte. Kain wollte sich hastig aufrichten und seine Frage wiederholen, aber ein grausamer Schmerz durchfuhr seinen Körper und lies ihn stöhnend zurück in die Kissen sinken. Gottes Fluch. "Wer bist du?", fragte er noch einmal, fast flehend. Und jetzt endlich antwortete sie ihm.

"Ich bin Lilith",lachte sie leise.

Kain krampfte es das Herz zusammen, eisige Pfeile drangen in seinen Leib und ließen ihn von innen erfrieren. Die Augen weit aufgerissen stammelte er nur ein einziges Wort der Furcht hervor. "Nein." Sanft beugte sich Lilith zum Lager des Kranken hinunter und küsste ihn auf die Stirn. Kain spürte, wie ihm die Lider wieder schwerer wurden und die Angst, die sich in ihm verbreitet von einer alles umfassenden Dunkelheit verschlungen wurde. Zurück blieb nur der selige Mantel des Schlafes und die unbestimmte Ahnung, dass jetzt alles in Ordnung war.
 

Abraxas schüttelte verwirrt den Kopf. "Wieso hat Kain Angst vor dir gehabt? Du hast ihm doch geholfen!" Lilith lachte leise:"Natürlich. Aber er wie alle anderen Gotteskinder haben von Geburt an gelernt, dass ich die Mutter allen Übels bin, dass man sich von mir in Acht zu nehmen hat, da es sonst passieren könnte, dass ich einem die Seele aus den Leib reißen und ins ewige Fegefeuer verdammen würde."

"Und stimmt das?", fragte Abraxas zögerlich. Lilith zuckte mit den Schultern. "Vielleicht. Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Es kann schon sein." Mit so einer Antwort hatte Abraxas jetzt auf keinem Fall gerechnet. Ungläubig starrte er die schöne Frau an. Er hatte erwartet, dass sie wieder ihr helles Glockenlachen erklingen lassen würde und alles als üble Nachrede abtun würde, wovon aber nichts stimmte. Und nun? Vielleicht? War sie tatsächlich der Ursprung alles Bösen? Spöttisch hob Lilith eine Augenbraue an und sah Abraxas mit einem verschmitzten Lächeln an. Der Vampir wusste nicht, ob sie tatsächlich in der Lage war seine Gedanken zu lesen, zumindest aber schien sie immer zu ahnen, was er empfand. "Für alle dunklen Wesen, die auf dieser Welt umherwandern, bin ich bestimmt nicht verantwortlich. Sonst hätten Luzifer und diverse andere Teufel doch gar nichts mehr zu tun gehabt. Aber.." Lilith seufzte schwer und schloss die dunklen Augen. Es schien als bereiteten ihr die Erinnerungen Schmerz. Die Melodie ihrer Stimme wurde schwer und dumpf, es bereitete Abraxas jetzt Mühe ihr zu folgen. "Für eine Rasse bin ich definitiv verantwortlich." Lilith lies Abraxas Hand los, machte einen Schritt nach vorne, drehte sich um, hob anklagend die Hand und deutete auf Abraxas. "Du und deinesgleichen. Ihr seid das Zeugnis meiner Schuld und Sünde."

Sünde

Argh... jetzt hatte ich doch allen ernstes das letzte Kap. zweimal hochgeladen >,< mist... da wird endlich mal ws freigeschalten und dann sowas....

na juuut...

das kap hir widme ich jetzt wolfspain^^ meine treueste leserin *knuffel* danke, dass du meine gecshichte so konsequent verfolgst!

bedeutet mir echt viel
 

*winkz*

dat sinless
 

***************
 

Sünde
 

Abraxas blinzelte. Einmal, zweimal. Aber es änderte sich nichts. Liliths Hand war noch immer auf ihn gerichtet. Der erdrückende Duft der Anklage schwebte in der Luft, wollte nicht verschwinden und bereitete ihm Kopfschmerzen. "Für mich... verantwortlich?",wiederholte Abraxas apathisch. Was sollte das bedeuten? Bestürzt hob er den Kopf und starrte Lilith unverwandt an. "Was soll das heißen?",rief er aufgebracht.

Liliths Miene blieb ernst. Nicht die winzigste Regung zeigte sich in ihren Zügen. Eine Statue hätte lebendiger gewirkt. "Das bedeutet",antwortete sie gefasst. "Das ich der Grund für die Existenz der Vampire bin. Ich habe euch geschaffen und ich..." Lilith griff sich an die Stirn und schüttelte niedergeschlagen den Kopf. "Ach wie dumm ich doch war.", flüsterte sie leise. "Gerade ich hätte es wissen sollen. Gerade ICH." Abraxas stand alleine im Raum vor Lilith und fühlte sich mit einem Mal unglaublich alleine und hilflos. Wie gerne hätte er ein Wort des Trostes gesprochen, denn dieses heilige Wesen traurig zu sehen, betrübte auch sein Herz. Aber war es böser Zauber? Kein passendes Wort konnte er finden. Alles was ihm in den Sinn kam erschien ihm zu grob, zu unpassend. So blieb ihm nichts anderes als einfach weiter da zustehen und zu warten. Warten bis sich Lilith selbst, aus ihrer schmerzhaften Erinnerung löste. Der Augenblick ließ nicht lange auf sich warten. Schnell hatte sich Lilith wieder gefasst und machte nun einen Schritt auf Abraxas zu, ergriff ihn bei der Hand und drückte sie an sich. Abraxas konnte ihr Herz schlagen hören. Eine leise traurige Melodie. "Verzeih",wisperte Lilith. "Verzeih, wenn ich dich geängstigt habe. Es war nicht meine Absicht. Du musst verstehen. Es fällt mir schwer über all das zu sprechen. Es ist so lange her. Aber es tut immer noch weh, so weh. Und ich hätte es wissen sollen." Und diesmal fand er sie. Die richtigen Worte. Sie kamen wie von selbst. Sanft schüttelte Abraxas den Kopf. "Es macht mir nichts",sagte er leise und fordert sie dann sachte aber auch energisch auf ihre Geschichte fortzusetzen.
 

Lilith stand am Bett des schlafenden Kain und sah ruhig auf ihn herab. Wie ähnlich er ihm doch sah. Ja, es bestand gar kein Zweifel. Kain war tatsächlich sein Sohn. Auch jetzt noch unter dem vielen Schorf und Schmutz konnte sie sein schönes Gesicht erkennen. Das Gesicht des Mannes, den sie einst geliebt und der sie so schmählich verstoßen hatte. Einem inneren Impuls folgend, streckte Lilith den Arm aus und berührte sacht Kains Lippen, aber ein gequältes Aufstöhnen des jungen Mannes lies sie zurück zucken, zerstörte die flüchtige Illusion. Und da war es auf einmal wieder Kain der vor ihr lag und nicht mehr das Abbild seines Vaters. Lilith lächelte zufrieden in sich hinein, während sie sich ihrer Feuerstelle zuwandte. Vielleicht, ja vielleicht würde es ihr durch Kain möglich sein, neu zu beginnen und endlich zu vergessen. Vielleicht.

Einige Zeit später öffnete Kain erneut die blasblauen Augen. Noch immer nahm er die Welt wie durch einen alles umhüllenden Schleier war. Die Farben wirkten trüb und verschwommen, aber sie erkannte er sofort in ihrer vollen Wahrhaftigkeit. Und wieder erschien sie ihm edler und heiliger, als jede andere Frau zuvor. Augenblicklich verfluchte sich Kain für diesen Gedanken. Lilith - wen sie es denn tatsächlich war - war alles andere als heilig. Das wusste er. Sein Vater hatte ihn immer wieder vor ihr gewarnt und auch seine Mutter wusste nichts Gutes über sie zu berichten. Und war nicht auch der Teufel persönlich seiner Mutter in Gestalt einer verführerischen Schlange erschienen? Wie trügerisch der Schein doch sein konnte. Von einer schönen Gestalt durfte er sich nicht blenden lassen. Nicht noch einmal wollte er der Sünde verfallen. Kain hatte die ganze Zeit ruhig auf seinem Lager gelegen, sowieso zu keiner Bewegung fähig, trotzdem schien Lilith irgendwie bemerkt zu haben, dass er wach war, denn in einer fliessenden Bewegung drehte sie sich plötzlich um. Kain zuckte erschrocken zusammen, als sich ihre Blicke begegneten. Pure Panik war ihm ins Gesicht geschrieben, als sie sich ihm näherte und nach seiner Hand greifen wollte. Panisch schlug er ihre Hand weg, richtete sich etwas auf und rutschte auf dem Bett so weit es ging von ihr. Zitternd drückte er sich an die kalten Bretter des Holzhauses, die Hände dicht vor den Körper verkrampft und die Beine angezogen. Seine Körper dankte ihm die hastige Bewegung mit einer neuen Welle quälender Schmerzen, die ihm die Tränen in die Augen trieb. Aber kein Laut drang über seine Lippen.

Lilith lies etwas enttäuscht die Hand wieder sinken. Aber was erwartete sie denn? Es war nur natürlich, dass Kain so eine Reaktion zeigte. Sie kannte es ja bereits von anderen Wesen und dann noch bei seinen Eltern. Es war wirklich nicht verwunderlich. "Du brauchst keine Angst zu haben",versuchte sie ihn sanft zu beruhigen und die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Gegen seinen Willen entspannte sich Kain etwas. Das heftige Zittern lies nach, bis es schließlich ganz verklang. Trotzdem beobachtete er Lilith weiterhin misstrauisch. Lilith lächelte zufrieden, als sie merkte, dass Kains Anspannung nachlies. Dann drehte sie sich um und ging zur Feuerstelle. Der junge Mann beobachtete auf das Peinlichste genau, wie sie die Brühe im Kessel noch zwei- dreimal herumrührte und dann in eine tiefe Schale schöpfte. Wie anmutig doch alle ihre Bewegungen waren, wie sanft das schöne Gesicht. Das alles wollte so gar nicht zu den blutrünstigen Erzählungen passen, die ihn von Kindesbeinen an begleitet hatten. Erschrocken registrierte Kain plötzlich, dass Lilith bereits wieder vor ihm stand und ihm die Schüssel und einen Löffel freundlich hin hielt. "Nun nimm schon",forderte sie ihn auf und fügte mit einem spöttischen Lächeln hinzu. "Es wird schon nicht vergiftet sein." Kain wusste noch immer nicht, was er von der ganzen Sache halten sollten, aber die Brühe roch so verlockend und es war schon lange her, dass er etwas richtiges zu Essen gehabt hatte, dass er schließlich, wenn auch zaghaft, nach der dargebotenen Schüssel griff. "Danke", flüsterte er leise und senkte schüchtern den Blick. Lilith setzte sich etwas entfernt von Kain auf einen Stuhl und beobachtete ihn lächelnd dabei, wie er seine Suppe aß. Vielleicht...
 

Glitzernde Tränen rannen Liliths Gesicht hinab, leuchteten für einen Moment in der Dunkelheit auf und verloren sich dann im Nichts. Wie merkwürdig das doch war. Immer weiter kullerten schillernde Perlen von ihrem Gesicht in die Tiefe und doch lächelte sie die ganze Zeit, als wäre alles in Ordnung. Als gäbe es keinen Grund traurig zu sein. Und plötzlich verstand Abraxas. Dieses Lächeln war das einzige was sich Lilith bewahrt hatte. Der einzige Rettungsanker, der ihren Verstand noch an ihren Körper fesselte und der den Wahnsinn in seine Schranken wies. Nur dieses Lächeln.

"Es wird dir merkwürdig vorkommen",flüsterte sie mit geschlossenen Augen und diesem ewigen Lächeln auf den Lippen. "Aber ich habe Kain vom ersten Augenblick an geliebt. Und obwohl ich wusste, dass es falsch war. Obwohl ich wusste, dass sich unsere Schicksalsfäden niemals vereinen konnten. Trotz dessen, dass ich all dies wusste..." Lilith schüttelte den Kopf. "Bis zum Ende habe ich gehofft... Bis zum Ende. Ja sogar als ich den Fluch aussprach, habe ich noch geglaubt, dass wir es schaffen könnten. Und selbst jetzt..." Lilith drehte sich von Abraxas weg und machte einige taumelnde Schritte nach vorne. Für einen Moment sah es so aus, als würde sie zu Boden stürzen, aber bevor der Vampir heraneilen konnte um sie aufzufangen, hatte sich Lilith bereits wieder gefangen. "Einige Zeit ging es gut", erzählte sie weiter in dieser wunderbaren, endlos traurigen Melodie. "Kain fasste Vertrauen zu mir. Ja er begann auch mich zu lieben und wollte für immer bei mir bleiben. Es hätte alles so schön sein können. Aber Gott ist grausam. Er hat kein Herz für gescheiterte Schöpfungen, wie Kain oder mich. Wesen wie wir haben keinen Recht darauf glücklich zu sein." "Was ist passiert?", fragte Abraxas vorsichtig, als Lilith abbrach. Er wollte sie nicht drängen, wollte ihr die Erinnerung nicht noch schmerzhafter machen und doch wollte, nein musste er endlich wissen, was geschehen war und vor allem was das alles nun mit ihm zu tun hatte. "Jahre vergingen bevor wir es bemerkten. Kain versuchte es so gut es ging vor mir geheimzuhalten, aber natürlich bemerkte ich es doch. Wie hätte ich es übersehen können? Aber ich weiß, warum er es mir nicht sagen wollte. Kain konnte es selbst nicht wahrhaben. Und doch, war es so - Der Fluch des Kainsmals verblasste und Kain begann zu altern." Plötzlich nahm Liliths Stimme einen hysterischen Klang an, der so gar nicht mehr zu ihrem Lächeln passte, und schrill in den Ohren hallte, dass es weh tat. Wild fuhr Lilith herum packte Abraxas am Kragen und schleuderte ihn mit übermenschlicher Kraft zu Boden. Der Vampir japste erschrocken auf, aber da war sie schon wieder über ihm und nagelte ihn auf dem nebelhaften Untergrund fest. "Verstehst du das Abraxas? Verstehst du das? Verstoßen von der Umwelt, verachtet und verhasst bis in alle Ewigkeit und dann trifft man endlich jemanden der eigenen Art und dann soll dieses Glück zerstört werden. Zerstört durch so etwas profanes wie dem Tod?", zischte sie aufgebracht, mit weit aufgerissenen Lidern und hässlich verzerrten Gesicht. Und dieses schreckliche Lächeln auf ihren Lippen. Warum musste sie nur immer noch lächeln? Vielleicht hätte ihr Antlitz nicht ganz so grässlich gewirkt. Vielleicht hätte er es ertragen können, wenn nur dieses Lächeln nicht gewesen wäre. So aber rammte ihr Abraxas sein rechtes Knie in die Magengrube und schleuderte sie von sich, als ihr Griff für einen Moment lockerer wurde. Im nächsten Moment tat es ihm bereits Leid. Besorgt eilte er zu ihr und wollte ihr aufhelfen, aber Lilith streifte seine Hand weg und schlug weinend die Hände vor dem Gesicht zusammen. "Ich trug unser Kind in mir.", schluchzte sie leise und Abraxas blieb wie erstarrt stehen. Lilith schien in ihrer eigenen Welt zu schweben. Die Erinnerungen überrannten sie, raubten ihr den Sinn und ließen sie vergessen wo sie war. Ja dieses Kind, welches nie hätte geboren werden sollen. Nur ein weiterer Schritt in den Untergang. "Ich wollte es nicht akzeptieren. Wollte mich nicht der göttlichen Vorsehung fügen. Jetzt, da ich ihn doch endlich gefunden hatte. Und so ersann ich mir einen Zauber, der Kain auf ewig an mich binden sollte. Bis in alle Ewigkeit."
 

Lilith sass an dem kleinen Holztisch in ihrer Hütte und nähte an einem winzigen Kleidungsstück. Bald, bald würde es da sein. Schon jetzt konnte sie ab und zu seine kleinen, kräftigen Tritte spüren. Es würde nicht mehr lange dauern und dann waren sie wirklich eine echte kleine Familie. Ein Stöhnen aus dem Nebenzimmer, welches Kain an das kleine Haus angebaut hatte, ließ sie besorgt aufhorchen. Noch immer hatte sich an seinem Zustand nichts verändert. Zwei Tage war es nun her, dass sie ihm von ihren Blut zu trinken gegeben hatte und nun quälte er sich bereits den dritten Tag mit den Veränderungen, die in seinem Körper vonstatten gingen. Wie lange würde es noch dauern? Seufzend legte Lilith ihre Näharbeit weg und, erhob sich und betrat das Nebenzimmer. Das Zimmer war erfüllt vom Schweißgestank des Kranken. Der Geruch des Todes schwang in der Luft. Kains Lager war zerwühlt, die Decke weit von sich geworfen. Seine Stirn glänzte heiß vom Fieber und doch war Kain unnatürlich blass. Sein Atem ging nur flach und stoßweise. Liliths Herz drohte vor Kummer zu zerspringen, als sie den Geliebten so liegen sah, aber nun war es zu spät. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder er würde es schaffen oder sterben. Aber dieser Dämmerzustand. Dieses Dahinsiechen und nicht entscheiden können für einen der beiden Wege. Das war am schlimmsten. Kraftlos sank Lilith an Kains Lager nieder und ergriff seine fiebrige Hand. Ihre schwarzen Locken legten sich über seinen Oberkörper, der sich nur leicht hob und senkte. Lilith wusste, dass Kain sie nicht hören konnte, trotzdem flüsterte sie ihm beruhigendeWorte ins Ohr, versuchte ihm Kraft zu spenden, damit er wieder erwachte. Ein heftiger Stoß in ihren Unterleib, ließ sie zusammenzucken, zauberte aber zugleich auch ein Lächeln auf ihre geschwungenen Lippen. Ja, und er hier gab ihr Kraft.
 

Lilith seufzte. "Kain erwachte nach einiger Zeit, mit neuer Kraft und neuen Fähigkeiten. Wir hatten es geschafft. Wir hatten Gottes Fluch von ihm genommen. Aber nichts ist umsonst. Für das neue Leben, dass Kain geschenkt wurde, musste er einen hohen Preis zahlen. Einen zu hohen Preis." Lilith sah Abraxas ernst an. "Kain war der erste Vampir, von mir durch einen verbotenen Zauber erschaffen. Aber anders als ihr, dir ihr lange zuvor bereits auf eure Weihe vorbereitet werdet kam für ihn die Veränderung vollkommen überraschend. Weißt du noch, wie es dir direkt nach deiner Verwandlung ergangen ist? Wie hast du dich da gefühlt?" Der Vampir antwortete im ersten Moment erst mal nicht. Im zweiten auch noch nicht. Tatsache war, dass er Liliths Frage noch nicht einmal wirklich mitbekommen hatte. Zweifelsohne hatte er die Worte gehört, aber verstanden? Verstehen war etwas anderes. Kain war der erste Vampir gewesen? Wie das? Wie konnte Lilith einen Vampir erschaffen? Und was war aus ihm geworden? Dann erinnerte er sich plötzlich wieder an die Frage, die ihm Lilith gestellt hatte. Wie hatte er sich da gefühlt? Abraxas legte den Kopf schräg und sah nach oben. Das Bild über ihm war auch nicht anders, als alles hier. Nebelschwaden, so weit das Auge reichte. "Ich war... einsam",sagte Abraxas leise. "Mir wurde schlecht, wenn ich Blut trinken musste und ich konnte kein Licht ertragen. Die Welt erschien mir unwirklich und fremd. So ganz anders. Ich nahm Dinge wahr, die mir vorher nie aufgefallen war, aber nicht nur im positiven Sinne und ich lernte was es heißt, gehasst zu werden." Der Vampir zuckte mit den Schultern. "So in etwa." Und jetzt? Wie ging es ihm jetzt? Hatte sich etwas verändert? Nicht wirklich. Natürlich, sein Körper machte jetzt mehr mit, aber an seiner psychischen Situation hatte sich doch nichts verändert. Im Gegenteil er war noch einsamer als zuvor, jetzt vor allem da... "Was ist nun mit meiner anderen Hälfte?",fragte er plötzlich. Den Namen Kain lies Abraxas dabei bewusst außen vor. "Deswegen sind wir doch eigentlich hier." Etwas in Liliths Blick flackerte für einen Moment getroffen, schnell aber hatte sie sich wieder gefangen. "Ja du hast Recht. Ich sollte endlich zu dem kommen, was für dich wichtig ist. Kains Geist hing schon vorher an einem seidenen Faden, nun aber verlor er ihn komplett. Mit jedem Leben, dass er nahm um selbst zu überleben - auch wenn es nur Tiere waren - verstärkte sich das Bewusstsein der Sünde, die er beging. Und irgendwann zerbrach er daran. Im Streit kamen ungeheuerliche Worte aus seinem Mund - Ich mag sie nicht wiederholen - er verfluchte mich, die dunkle Hexe, die seine Existenz ein zweites Mal verdammte , die ihn zum zweiten Mal zu einem Aussätzigen gemacht hatte. Und als er mir den Rücken zudrehte und sich anschickte zu gehen, da sah er ihm mit einem Mal wieder so ähnlich. Es war nicht mehr Kain, der auf der Schwelle stand sondern Adam und wieder wandte er sich von mir ab und da verfluchte ich ihn. Ich riss Kains Seele aus seinem Leib, niemals sollte sie in ihren Körper zurückkehren. Der leere Körper sollte rastlos auf Erden wandern, nie wieder in der Lage dazu sich zu freuen oder Glück zu empfinden nur gepeinigt von dem unseligen Wunsch, nach etwas, das er nie wieder erlangen konnte, unsterblich bis in alle Ewigkeit. Kains Seele aber wollte ich bewahren, damit er mir nie wieder entrinnen konnte. "

Abraxas schlucke. Es stimmte also. Lilith, war eine dunkle Hexe. Sie war verantwortlich für die Vampire, denn ungefähr konnte sich Abraxas vorstellen, wie es mit Kains Körper dann weitergegangen war. Sie alle waren Kinder dieses einen Mannes. "Aber das ist noch nicht alles, nicht wahr?",fragte er trocken. Nein das war noch lange nicht alles. Einen kleinen Faktor gab es da noch. Und Abraxas wollte ihn nicht wissen, er wollte nicht. Doch Liliths Melodie war unerbittlich. Er würde es erfahren. "Ich trug das Kind aus. Ein kleiner Junge mit blauschimmernden Haaren, aber zu schwach um wirklich lebensfähig zu sein. Drei Tage siechte dieses kleine Würmchen dahin und ich konnte nichts tun, nichts außer zusehen, wie es mit jeder verronnenen Stunde dem Tode näher entgegen kroch. In meiner Verzweiflung sah ich nur noch einen Ausweg. Ich nahm Kains Seele und pflanzte sie in den Körper des Säuglings und das Wunder geschah. Sein Körper erlangte tatsächlich seine Kraft zurück, ich war so glücklich. Aber als es zum ersten Mal die Gold getünchten Augen öffnete...", stockte Lilith. Abraxas wusste warum. "Sag es nicht", flüsterte er flehend. "Sprich es nicht aus." Gott war grausam? Lilith stand ihm in nichts nach. Auch sie war ein Geschöpf Gottes. "Es waren die Augen Kains." Abraxas umfasste seinen Körper und wiegte sich leicht nach unten. Tränen rannen sein Gesicht hinab. Erinnerungen, die er nicht haben sollte, die er nicht haben wollte, überrollten ihn und fraßen sich ätzend in sein Innerstes.

Der kleine Junge öffnete die Augen. Nur unscharf erkannte er die Welt um sich herum. Noch lange nicht war er in der Lage einen eigenen klaren Gedanken zu fassen, aber ein bisschen war da doch schon. Über ihm war jemand. Die schöne Melodie, die er schon so oft gehört hatte und die er so liebte. Aber jetzt war sie so anders. Sie machte ihm Angst. Dieses Wort, dessen Bedeutung er nicht kannte und von dem er noch nicht einmal wusste, dass es ein Wort war.

"Kain."

Der Kleine wusste nicht, was Schmerz war, er kannte auch das Gefühl des Lebens noch nicht. Aber als sein Körper für einen Moment vor Qual schrie - zu kurz, als dass man ihn erfassen konnte- und als er dann in einem wahnsinnigen blutroten Strudel fortgespült wurde in ein nicht enden wollendes Meer der Finsternis. Da wusste er irgendwie, dass es schon vorbei war. So kurz.

Und doch sollte es erst der Anfang sein.

Sand

Das Kapitel widme ich jetzt mal meiner einzigen treuen leserin! liesst den hier sonst gar niemand mehr? ;___;

wenn noch wer mitliesst... schreibt doch bitte na kommi... nur an ganz kleinen, damit ich weiß, dass ich net ganz alleine bin... büdde büdde ;___;
 

*winkz*

dat sinless
 

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Sand
 

Der Vampir hielt die Augen geschlossen und bemühte sich um einen möglichst gleichmütigen Gesichtsausdruck. So recht wollte es ihm aber nicht gelingen. Das nervöse Zucken des linken Augenlides gab Aufschluss darüber, wie es um seine nervliche Verfassung wirklich stand. Das brachte nichts. Wenn er hier nur reglos herumstand, konnte er an seiner Situation überhaupt, aber auch rein gar nichts ändern. Und wenn er etwas tat? Ja, was denn nur? Die Zeit ließ sich nicht zurückdrehen. Trotzdem erlangte er durch die Stille wenigstens die Möglichkeit seine Gedanken zu ordnen. Und er verstand.

Lilith wanderte derweil ziellos im Raum herum. Ihre Tränen waren getrocknet aber das ewige Lächeln wirkte erfroren und kalt. Abraxas konnte nicht verleugnen, dass ihr Anblick in ihm noch immer etwas berührte. Aber es war kein Mitgefühl mehr, was sie in ihm wachrief, keine Zuneigung, nur tiefste Verachtung und Abscheu und der langsam aufglühende Funke des Hasses. Wie viel doch so kleine Gesten verändern konnten. So kleine unscheinbare Dinge, wie der Mord an einem noch viel unbedeutenderem Wesen. Aber gerade weil es so unbedeutend und so hilflos war, war es so verabscheuungswürdig, was sie getan hatte. "Ich war doch noch so klein",wisperte Abraxas. Es war nur eine Feststellung, nichts weiter, doch zum ersten Mal bröckelte das Lächeln in Liliths Gesicht für einen flüchtigen Augenblick. Für einen Moment schien sie zu einer Antwort ansetzten zu wollen, aber die blutroten Lippen schlossen sich wieder, ohne dass ein Laut über sie gekommen war. Es gab keine Entschuldigung für das, was sie getan hatte. "Warum...",fragte Abraxas leise. "Warum sind wir denn immer noch hier?" In Liliths Augen funkelte es gespenstisch. Mehr und mehr gewann sie ihre alte Fassung zurück. "Wiedergeburt. Diese Welt wird von einem ewigen Strom astraler Energie umwunden. Von dort kommen wir alle und dort kehren wir auch wieder zurück. Und wenn einige Zeit vergangen ist, kehrt die Seele zur Erde zurück und besetzt erneut den Körper eines Wesens." Lilith zuckte mit den Schultern. "Die beiden Seelen blieben auch nach ihrem Tod vereint. Es kann sein, dass ihr schon davor wieder auf der Erde gewesen seid. Vielleicht als Vogel oder Katze. Oder auch als schillernde Blüte auf einer riesigen Blumenwiese. Das kann alles sein. Aber vor vierundzwanzig Jahren da erblicktet ihr zum ersten Mal das Licht der Welt wieder als Mensch."

Lilith schwieg auffordernd. Scheinbar wartete sie auf eine ganz bestimmte Reaktion Abraxas'. Als der aber nichts tat, ergriff sie ihn kurzerhand bei der Hand und zog ihn hinter sich her. Abraxas lies es geschehen. Ihm war mittlerweile eh alles egal.

Die Umgebung durch welche die beiden wanderten veränderte sich. Zwar wurde es noch dunkler, doch konnte Abraxas nun besser sehen. Die Nebelschwaden verschwanden und erstaunt bemerkte er, dass seine Füße auf Sand traten. Ein eiskalter Wind zog auf, der Abraxas fröstelnd die Arme vor dem Körper verschränken ließ. Lilith schien es gar nicht zu bemerken. Ihr schwarzes Kleid, wehte bauschend im Wind und verursachte ein gespenstisch flatterndes Geräusch. Wie der Flug einer Fledermaus.

Dann sah er ihn. Die dunkle Gestalt, welche reglos auf dem Sandboden lag. Schwarze Haare und ein krankhaft blasser Teint, der aber trotzdem irgendwie lebendig wirkte. Aber die spitzen Ohren verrieten was er war. Wenn er die Augen öffnen würde, würden sie rot sein. Abraxas lies sich neben ihm in die Hocke sinken und strich ihm die dunklen Haare aus dem Gesicht, damit er ihn besser erkennen konnte. Die leblose Gestalt reagierte in keinerlei Weise auf die Berührung. Kalt und Tod fühlte sich seine Haut an und etwas rau, vom Sand, der sich über ihn gelegt hatte.

Kain sah ihm ähnlich. Zwar hatten sie eine andere Färbung, doch die Art, wie sich seine Haare störrisch nach allen Seiten ausrichteten , war die selbe und auch die Form seiner geschwungenen Lippen. Kein Wunder. Wenn Liliths Geschichte tatsächlich der Wahrheit entsprach, dann war er hier ja praktisch sein Vater und Abraxas zweifelte keinen Augenblick daran, dass es stimmte. Das war es nicht, was das kalte Entsetzten in ihm wach rief. Nein, das nicht. Es war die Ähnlichkeit zu einer ganz anderen Person, welche ihm das Blut in den Adern gefrieren lies. "Er sieht ja aus wie..."

"Nachdem ich Kain seine Seele entriss wandelte sein Körper auch weiterhin auf Erden. Aber ein Körper ohne Seele ist auf Dauer nicht lebensfähig. Deswegen begann er neben dem Blut, was er anderen stahl auch deren Seelen zu fressen. Anfangs reichte die Macht der gestohlenen Seelen noch sehr lange an, aber mit der Zeit zersetzten sie sich immer schneller. Man kann nicht einfach die Seele eines anderen in jeden belieben Körper implantieren. Solange nicht die eigene Seele mit in dem Gefäß ist, kommt es früher oder später zu einer Abwehrreaktion und die fremde Seele wird unwiderruflich zerstört und der Körper zerfällt immer weiter. Der Prozess setzt bei Vampiren erst sehr spät ein. Häufig werden sie getötet, bevor der eigentlich Alterungsprozess beginnt, aber Kain ist alt, sehr alt. Nur die eigene Seele kann ihn noch vor dem Untergang retten.",erklärte sie kalt. Abraxas schloss gequält die Augen und lies die Schultern kraftlos sinken. "So ist das also",meinte er bitter. "Es geht gar nicht um mich. Nicht ich bin es, den Meantoris will. Er hier ist es." Lilith nickte und trat an Abraxas heran. "So ist es. Du bist für Meantoris nur insofern interessant, da du mein Sohn bist und deswegen sicher auch über ähnliche Anlagen verfügst. In dir schlummert ein überaus mächtiges Erbe, das es aber noch zu erwecken gilt. Vielleicht wirst du morgen danach trachten die Welt zu vernichten, vielleicht aber schlummert es auch bis in alle Ewigkeit weiter. Wer weiß das schon." Die Gelassenheit in ihrer Stimme erschreckte Abraxas zutiefst. Wie kalt war diese Frau nur? "Weiß er es?", fragte er dann mit einem Kopfnicken Richtung Kain. "Nein. Vielleicht könnte er sich erinnern, aber durch den langen Schlaf im Unterbewusstsein deiner Seele dürfte er alles vergessen haben - Und er wird es auch nicht erfahren",flüsterte sie zufrieden und beugte sich dann ohne eine Vorwarnung nach unten und durchstieß mit bloßer Hand Kains Leib. Zutiefst entsetzt beobachte Abraxas wie dunkles Blut rasend schnell aus seinem Körper sprudelte und den weißen Sand dreckig rot färbte. Nein! Abraxas Krallen fuhren aus und er riss Lilith brutal von Kain weg. "Warum hast du das getan?",schrie er sie hysterisch an, während er die zu zittern begonnene Gestalt Kains an sich drückte. Was für eine Ironie, dass ausgerechnet das, das erste Anzeichen von Leben war, welches Kain zeigte. Und wenn Abraxas nicht schnell irgendetwas unternahm, würde es auch das letzte gewesen sein. Hilflos musste er mit ansehen, wie Kains Körper immer weiter erschlaffte und auch das letzte bisschen Kraft seinen Körper verlies. Lilith hatte sich unterdessen wieder aufgerichtete und sah auf die beiden Gestalten hinab. "Er stirbt",bemerkte sie überflüssigerweise, mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Abraxas konnte es nicht fassen. Die roten Augen flammten bestialisch vor Zorn und drohten Lilith zu verbrennen."Ja. Zum Teufel. Aber warum? Warum bringst du ihn noch ein zweites Mal um? Ich denke du hast ihn geliebt?", rief er hysterisch. Lilith zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Ja, aber das ist nun nicht mehr wichtig. So lange er existiert, kann Meantoris immer noch zu neuen Kräften kommen und das darf auf keinen Fall passieren. Die Wurzel allen Übels muss unbedingt ausgerottet werden, damit der endlose Kreislauf des Todes endlich durchbrochen werden kann." Wie kalt und gefühllos sie doch war. So grausam und unmenschlich. Die Geschichten waren wahr. Vielleicht war Lilith nicht immer so gewesen, aber die endlose Wanderung zwischen des Gezeiten hatte sie zu dem Ungeheuer gemacht, von welchem die Legenden sprachen. "Lass mich es zu Ende bringen!", forderte Lilith drohend und wollte nach Kain greifen, aber Abraxas schlug ihren Arm davon. "Fass ihn ja nicht an!", zischte er mit zusammengebissen Zähnen. Blut begann Liliths Arm hinab zu fließen, da wo sie Abraxas verletzt hatte, aber sie schien es gar nicht zu bemerken. Ihr Blick war nun fast flehend, als sie wieder die Stimme erhob. "Du verstehst nicht",schüttelte sie betrübt den Kopf. "Es muss sein. Nur wenn Meantoris nicht mehr ist wird es uns gelingen auch die anderen Vampire zu vernichten. Weißt du nicht was für einen Schaden diese Rasse der Welt zufügt? Die Seelen, die sie nehmen kehren nicht zum Astralstrom zurück, sondern werden unwiederbringlich zerstört. Verstehst du nicht? Sie zerstören das gesamte Gefüge. Wenn es so weiter geht, wird diese Welt irgendwann eine tote Erde voller Staub sein, weil es keine Seelen mehr gibt, die Leben bilden können. Verstehst du nicht?" Oh doch Abraxas verstand sehr wohl worauf Lilith hinauswollte. Aber es interessierte ihn nicht. Was gingen ihn die Geschicke dieser Welt an? "Verstehst du nicht? Du bist der einzige der in der Lage ist eine Armee auf die Beine zu stellen, die dem Heer der Vampire in jedem Punkt gewachsen ist. Du bist der einzige Vampir, der eine Seele hat und deswegen Gleichartige schaffen kann. Aber du kannst nicht gegen Meantoris bestehen. Er ist der einzige, der dir überlegen ist und deswegen muss Kain sterben! Ich bitte dich. Die Möglichkeit bietet sich vielleicht nie wieder." Das war es also. Das der ganze Plan, der sich in Liliths kranken Hirnwindungen manifestiert hatte. Das Todesurteil einer ganzen Rasse. Wie simpel. Über Abraxas Gesicht schlich sich ein spöttisches Lächeln. "Du hättest mir nicht von all dem erzählen sollen. Du hättest Kain töten sollen, als ich noch nichts von ihm wusste. Wie dumm du doch bist." In Liliths Augen flackerte es verärgert. Ihre Hände zuckten als wollte sie sich jeden Moment auf Abraxas stürzen, aber nichts geschah, sie blieb einfach nur stehen. Weil sie gar nicht anders konnte. Liliths Macht beschränkte sich darauf andere Leute für ihre Zwecke zu missbrauchen, aber hier unten war sie machtlos. Das hier war Abraxas Geist, sein Reich, seine Macht. Hier war Lilith nichts wert. "Du konntest dich ihm nicht nähern", stellte er trocken fest. "Meantoris verbannte seinen Geist in diese tiefen Abgründe, wo er sich nicht wehren konnte und absolut hilflos war. Der Sand..." Abraxas Finger fuhren durch den blutigen Sand. Er fühlte sich feucht und klumpig an. "Der Sand hat ihn schon einmal besiegt, aber diesmal versperrte er auch dir den Weg. Du brauchtest mich, denn nur ich kann mich hier noch frei bewegen. Du brauchtest mich, damit ich dir den Weg weisen kann, damit du ihn finden und vernichten kannst." Abraxas nahm Kain vorsichtig auf seine Arme und erhob sich. Erschrocken stellte er fest, wie leicht der schlaffe Körper des Vampirs war. Er musste sich wirklich beeilen wenn er ihn noch retten wollte. "Was meinst du Lilith. Wenn ich ihn wieder nach oben bringe, dann sollte doch auch der Zauber dieses Ortes nachlassen, oder?" Ein heftiger Windstoß erfasste Abraxas und riss ihn beinahe von den Füßen, aber Abraxas drückte sich im letzten Moment dagegen und blieb stehen. "Du weißt ja nicht was du tust!", kreischte Lilith entsetzt und rannte mit hastigen Schritten auf ihn zu. Eiskristalle wirbelten um sie herum und flogen auch auf Abraxas zu. Sie zerfetzten seine Kleidung und verletzten die darunter liegende Haut. Also richtig geraten. "Du hast hier keine Macht",flüsterte er leise und im selben Moment erhob sich ein wahrhaftiger Orkan. Blutiger Sand wirbelte tosend in die Höhe, raubte die Sicht und überrannte alles, was er zu fassen bekommen konnte. Für einen winzige Moment erspähte Abraxas noch die wehenden, schwarzen Kleider Liliths im Wind , dann konnte er sie nicht mehr sehen. Die Welt brach zusammen. Von allen Seiten brachen Lichter herein und verschmolzen mit den schillernden Sand. Aus Sand wurde Glas und Glas verdampfte im Nebel. Entsetzt bemerkte Abraxas wie der Sand unter seinen Boden wegzurutschen begann und ihn unaufhörlich auf ein schwarzes Loch in der Mitte der Sandhölle zuführte. Wenn er da hineingerat war es zu spät, zu spät für immer, dann hätte Lilith ihr Ziel doch noch erreicht. Das wusste Abraxas mit einer Sicherheit, die man sonst nur im Moment des letzten Atemzuges verspürte. Nun vielleicht war es ja der letzte. Panisch drehte sich der Vampir um und begann zu rennen, Kain weiterhin fest an sich gedrückt. Kain war nicht schwer, trotzdem behinderte ihn der leblose Körper enorm. Immer wieder rutschte er auf dem glitschigen Sand aus, der kurioser Weise nun an einigen Stellen zu brodeln und zu dampfen begonnen hatte. Als Abraxas wieder mit dem Gesicht zu erst in dem kochenden Sand landete, beging er den Fehler sich umzudrehen und zurückzuschauen. Er hätte es nicht tun sollen. Der Vampir hatte sich kein Stück von dem malenden Strudel entfernt. Im Gegenteil nur noch wenige Meter Sand trennten ihn und Kain vor dem Untergang und es wurden von Sekunde zu Sekunde weniger. Noch einmal rappelte sich Abraxas auf und versuchte nach vorne zu sprinten , weg nur weg von dem allesfressenden Wirbel. Er würde es nicht schaffen, das wusste er mit einem Mal. Der Sand glitt viel schneller unter seinen Füßen davon, als wie er rennen konnte. Das war es also. Verschluckt von einem schwarzen Sandloch im eigenen Geist. Nun es gab unangenehmere Möglichkeiten zu sterben. Aber in dem Moment als er schon aufgeben wollte, hörte der Sog auf und Abraxas hatte plötzlich wieder festen Boden unter den Füßen. Durch die Wucht seines eigenen Schrittes schleuderte es Abraxas zu Boden, dabei verlor er Kain aus den Armen, der stöhnend einige Schritte entfernt liegen blieb. Stöhnend? Sofort war Abraxas wieder auf den Beinen und eilte zu Kain hinüber. Der Vampir war noch immer schwer verletzt, aber diese absolute Totenstarre war endlich von ihm gewichen. Abraxas konnte direkt zusehen, wie das Leben in ihn zurückkehrte und die fürchterliche Verletzung auf seinem Bauch zu heilen begann. Vorsichtig berührte er ihn an der Schulter und sprach ihn an. "Kain?"

Kain öffnete verwirrt die Augen - rot, wie Abraxas mit einem Lächeln feststellte - und starrte Abraxas fragend an. "Was...",fragte er und verstummte schlagartig, als er dem blutigen Loch in seinem Körper gewahr wurde. Beinah musste Abraxas über den ungläubigen Gesichtsausdruck in Kains Gesicht schmunzeln. Verwirrung, Angst, Entsetzten aber auch der langsam aufkeimende Funke der Neugier versuchten sich alle gleichzeitig den Platz in seinem Gesicht streitig zu machen. Es war wirklich erstaunlich, wie schnell sich der Vampir erholte, es schien als hätten seine Zellen nur auf ein Startzeichen gewartet um sich endlich regenerieren zu dürfen, schon versuchte sich Kain auf zusetzten, wobei ihm Abraxas dann aber doch helfen musste, als ihn ein neuerlicher Schmerz übermannte. Der Gesichtsausdruck mit dem Kain Abraxas bedachte, war äußerst merkwürdig. Abraxas fühlte sich als würde er einer genauen Musterung unterzogen werden, aber dabei sollte sein anderes Ich ihn doch schon lange genug kennen. Zweifelnd hob Kain seine linke Hand und hielt sie sich vor das Gesicht. "Wie du",flüsterte er fassungslos. Abraxas runzelte verwirrt die Stirn. "Was?" Wieder wanderte Kains Blick von Abraxas Gesicht zu seiner Hand. Ein freudiger Ausdruck schlich sich auf seine Züge. "Ich habe eine Form",stellte er ungläubig fest, als könnte er es immer noch nicht fassen. Abraxas nickte. "Und einen Namen." Verwirrt sah Kain wieder auf. "Natürlich. Ich heiße Abraxas." Abraxas hatte sich gut genug unter Kontrolle um nicht laut loszulachen, obwohl die Situation einfach so skurril war. Das hatte ja kommen müssen. Lächelnd schüttelte er den Kopf. "Nein, du bist Kain. Erinnerst du dich nicht?" Kain schüttelte den Kopf. "Nein!"

"In Ordnung. Am besten du denkst noch ein bisschen darüber nach, ich werde jetzt wohl gehen müssen", meinte er mit einem Kopfnicken in Richtung der sich langsam klärenden Nebeldecke. Es wäre doch wirklich mal interessant zu erfahren, wie es hier aussah, wenn er wach war. Das war wohl etwas was ihm auf ewig verborgen bleiben würde. Abraxas klopfte Kain noch einmal aufmunternd auf die Schulter und drehte sich dann von ihm weg. Der Vampir würde jetzt sicher wieder alleine in der Lage sein auf sich aufzupassen. Noch während sich Abraxas von Kain entfernte, spürte er wie sich die Verwirrung in Kain langsam legte und einem anderen wohlbekannten Gefühl Platz machte. Wut. Wut darüber, dass Abraxas irgendwie mehr zu wissen schien, als er selbst und dass ihm dieses Gefühl der Unwissenheit überhaupt nicht behagte. Na das konnte ja heiter werden in nächster Zeit. Abraxas lächelte zufrieden. Also alles wieder beim Alten.

Aussprache

Aussprache
 

Auf den Straßen Mersawjez' war schon wieder allerhand zugange, als Abraxas müde Xhals Haus verlies. Kain schien endlich zu schlafen, nachdem er ihn fast die ganze Nacht mit allerhand Fragen maletriert hatte. Es hatte lange gedauert bis er wirklich verstanden hatte, was geschehen war. Zumal Abraxas es für besser hielt, ihm besser nicht zu erzählen in welcher Beziehung er nun konkret zu Lilith gestanden hatte. Alles was er ihm gesagt hatte, war eher vage gewesen, genug um zu verstehen, warum sie in einem Körper steckten und warum Meantoris hinter ihm her war, aber zu wenig um zum Beispiel zu wissen, dass Kain praktisch sein Vater war. Sicher war es so besser. Abraxas konnte sich sehr gut ausmalen, dass Kain diese neue Information dazu genutzt hätte, ihm noch mehr auf die Nerven zu gehen als so schon. Außerdem begann sich Abraxas bereits zu fragen, ob es die richtigen Entscheidung gewesen war ihn zurückzuholen. Es war doch so schön ruhig gewesen.

Als der Vampir den Marktplatz erreichte, herrschte dort schon wieder munteres Treiben. Kinder spielten zwischen den Ständen der Verkäufer Fangen und Verstecken, während die Händler lauthals ihre Waren anpriesen. Frauen mit großen Körben zu zweit oder auch zu dritt liefen fröhlich tratschend über den Markt, kauften da etwas oder dort, feilschten, verkauften, oder blieben einfach mal zu einem kleinen Schwätzchen stehen, während ihre Gatten sie mit einigem Abstand missmutig beobachteten. Trotz der heiteren Stimmung wirkte das fröhliche Markttreiben nicht ganz so ausgelassen, wie es Abraxas die Tage zuvor erlebt hatte. Ein Blick in den wolkenverhangenen Himmel, sagte ihm auch warum. Die warmen Sommertage neigten sich ihrem Ende entgegen, bald würde es Herbst werden und der Regen einsetzten. Und nach den wenigen kühlen Herbsttagen, in denen die Bäume sich färben und ihre Blätter verlieren würden, würde der Winter ins Land ziehen. Mit Eis und Schnee, der die Welt in eine zauberhaft erstarrte Märchenlandschaft verwandeln würde. Fröstelnd zog Abraxas die Arme an. Ihn fror es jetzt schon. Ein kleiner Junge, der ihm im Vorbeirennen versehentlich anrempelte riss ihn aus seinen Gedanken. Er war nicht hier um über das Wetter zu philosophieren. Wo musste er jetzt hin? Xhal hatte ihm den Weg beschrieben. Die zweite Gasse links, sobald er den Markt betrat. Suchend sah er sich nun nach eben jenem Weg um und entdeckte ihn auch schon kurze Zeit darauf. Die Gasse lag etwas abseitsgelegen und wirkte auf den ersten Blick alles andere als einladend. Und auch der zweite Blick veränderte die Umgebung keineswegs zum Positiven. Die Gebäude wirkten tief und furchteinflößend. In den dunklen Ecken, huschte und krabbelte es ständig hin und her, so dass es Abraxas gar nicht wagte genauer hinzusehen. Die Herberge in der Ensyis angeblich untergekommen war, sah auch alles andere als einladend aus. Schimmelflecken prangten an den Wänden und neben der Tür sassen dubiose Gestalten, die Abraxas argwöhnisch musterten als er das Haus betrat. Wo war er hier nur gelandet? Wider erwarten war das Innere der Herberge aber vollkommen gegensätzlich zu ihrem Äußeren. Die Wände waren sauber, der Boden frisch gewischt und hier und da standen große Topfpflanzen zur Verzierung. Wer hätte das gedacht. Unsicher stand Abraxas nun im Flur und sah sich um. Links und rechts gingen Türen ab und eine breite Treppe führte nach oben. Wohin jetzt? Schließlich entschied sich Abraxas für die Holzschwingtür, die in eine Art Schankstube zu führen schien.

"Wir haben noch nicht geöffnet! Komm heute Abend wieder!", wurde er von einer knurrigen Stimme begrüßt. Abraxas lies sich davon aber nicht einschüchtern sondern nickte dem alten Dämon, welchen die Stimme gehörte, freundlich zu. "Entschuldigt bitte die Störung. Ich suche..." "Für Vampire haben wir hier nichts! Also raus!",unterbrach ihn der Dämon schnarrend. Abraxas runzelte verärgert die Stirn. Ihm war es ein Rätsel, wie sich dieses "Unternehmen" auf die Dauer halten konnte, wenn hier jeder so unfreundlich behandelt wurde. Aber wahrscheinlich, war dieser Umgangston gar nicht alltäglich sondern wurde nur für besondere Gäste aufgehoben, für Vampire zum Beispiel. "Ich suche jemanden!", sagte Abraxas während er um sich eine möglichst gleichmütige Stimmlage bemühte. Der Dämon schnappte aufgebracht nach Luft, aber bevor er zu einer erneuten Beleidigung ansetzten konnte, sprach Abraxas schon weiter. "Ensyis! Mir wurde gesagt er wäre hier untergekommen. Ungefähr so groß wie ich. Schulterlange blonde Haare, grüne Augen." Abraxas fiel ein Stein vom Herzen, als der Dämon endlich aufhörte ihn so finster anzustarren und nickte. "Ja der wohnt hier. Die Treppe hoch, zweites Zimmer rechts. Ein anständiger Kerl, macht nichts kaputt." Abraxas nickte dem Mann zum Dank freundlich zu und wollte schon gehen, als er noch einmal zurück gerufen wurde. "Was hat ein Vampir mit einem Jäger zu schaffen?" Abraxas zuckte mit den Schultern. "Was hat ein Jäger mit Dämonen zu schaffen?" "Ein Sath...", sagte der Dämon, wurde aber sofort wieder von Abraxas unterbrochen. "Ensyis ist kein Sath.", beharrte er mit Nachdruck. "Bestimmt nicht." Nein ganz gewiss nicht, dass hatte er ja erst vor kurzer Zeit wieder unter Beweis gestellt. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ Abraxas den Raum und nahm den Weg der ihm beschrieben wurde. *Hui, seit wann bist du so selbstbewusst?*,grinste es in ihm. Oh nein, das hatte jetzt gerade noch gefällt. "Ich dachte du schläfst", murrte Abraxas und klopfte an Ensyis Tür. Er konnte förmlich sehen, wie sich ein dreckiges Grinsen in Kains Gesicht ausbreitete *Hab ich auch. Aber die Darbietung, die du gleich liefern wirst, darf ich mir doch nicht entgehen lassen.* Genervt verdrehte Abraxas die Augen. Er hätte ihn im Sand liegen lassen sollen. Als sich nichts tat, hob der Vampir die Hand und wollte ein zweites Mal klopfen, aber da wurde die Tür bereits geöffnet und seine Faust griff ins Leere. "Abraxas?",fragte Ensyis zweifelnd. "Wer sonst?" *Na Kain zum Beispiel!* Ensyis konnte leider nicht wissen, dass das böse Gesicht welches Abraxas machte nicht für ihn bestimmt war, so kehrte sich die Wiedersehensfreude sehr schnell in ein anderes wesentlich negativeres Gefühl. Schüchtern bat er Abraxas einzutreten, in ängstlicher Erwartung was der Vampir von ihm wollte. Irgendetwas Schlimmes musste er ja getan haben, sonst hätte Abraxas sich ja nicht so lange ausgeschwiegen. Abraxas entging die Veränderung im Verhalten des Freundes keineswegs, allerdings kam er keinen Augenblick auf den Gedanken, dass Ensyis Unruhe mit seinem Gesichtsausdruck zusammenhängen könnte. "Was ist los?", fragte er besorgt und fing sich damit ein skeptisches Stirnrunzeln Ensyis' ein. "Das gleiche könnte ich dich fragen", meinte der Jäger ernst. "Was WAR los?"

Und da war er da der Augenblick, den Abraxas so lange vor sich hergeschoben hatte. Wo waren sie hin, all die beschönigenden Worte, die er sich im Geist schon zurechtgelegt hatte? Nichts... alles verschwunden, sein Kopf war wie leergefegt. Er war alleine auf einer riesigen Bühne, alle Anwesenden schwiegen in freudiger Erwartung, was er zu verkünden hatte und er stand da und stand da und hatte seinen Text vergessen. Kain schwieg. Mit der Souffleuse war es also auch Essig. Na dann Bon Appetit. "Ensyis ich muss dir was sagen...",druckste er herum. "Ja?" Ensyis huschte während Abraxas sprach im Zimmer herum und versuchte etwas Ordnung in sein übliches Chaos zu bringen. Hoffnungslos und vollkommen sinnlos zugleich. Abraxas kannte die Angewohnheit des jungen Jägers alles dort liegen zu lassen, wo er es zuletzt benutzt hatte, doch eh schon zur Genüge. "Ich..." Weiter kam Abraxas nicht. Für einen Moment hatte er nicht aufgepasst und schon wurde sein Geist von der Oberfläche verdrängt. Und als er begriff was Kain vorhatte, war es auch schon zu spät. "Tada! Überraschung ich bin dein tot geglaubter Bruder Sylven!" Er hätte ihn liegen lassen sollen. Lilith hätte ihn umbringen sollen. Warum zum Teufel hatte er ihm geholfen? WARUM? "Du verdammter Mistkerl!", brach es aus Abraxas heraus. "Hättest du ihm das nicht ein bisschen schonender beibringen können!?". schrie er wutentbrannt. *Wozu? jetzt ist wenigstens alles gesagt. Schau doch.* Abraxas hob den Kopf und sah direkt in die vor entsetzten geweiteten Augen Ensyis'. Das grüne Licht in ihnen zitterte leicht, aber das war nichts im Gegensatz zu der gebrochenen Stimme mit der er sprach. "Darüber macht man keine Scherze." Abraxas zerriss es fast das Herz, als er den Freund so sah. Vollkommen aufgelöst. Ein echtes Häufchen Elend. Bekümmerte schüttelte er den Kopf. "Ensyis, dass ist kein..." Der Schlag kam vollkommen unerwartet. Mehr vor Schreck als vor wirklichen Schmerz stolperte Abraxas zurück, stieß an einen Stuhl, der hinter ihm stand und stürzte polternd zu Boden. Der Vampir hätte eine wunderbare Angriffsfläche geboten, wenn Ensyis noch einmal hätte zuschlagen wollen, aber er tat nichts dergleichen. "Von wem hast du es?", fragte er leise. "Von Xhal?" Abraxas schüttelte bestürzt den Kopf. "Nein Ensyis, hör doch..."

"Macht es euch Spaß?", fragte Ensyis mit gesenktem Blick. "Macht es euch Spaß mir weh zu tun?" "Nein. Ensyis..." Der Jäger stürzte sich auf ihn. Die grünen Augen brannten vor Zorn und seine Schlägen kamen gezielt und schnell. "Warum tut ihr es dann?", rief er hysterisch. Schützend hielt sich Abraxas die Hände vors Gesicht, aber es gelang ihm nicht mal annähernd den prasselnden Fausthagel auszuweichen. Ensyis zielte nicht darauf ab ihn wirklich zu verletzten. Er wollte ihn einfach nur weh tun. Und so sehr er ihn auch verstand, das ging zu weit. Im nächsten Moment ergriff Abraxas den tobenden Jäger bei den Handgelenken, rollte sich herum und drückte ihn zu Boden. "Ensyis! Hör mir zu verdammt!" Der Jäger wand sich rasend unter ihm, wie ein wildes Tier, welches in die Enge getrieben wurden war, aber der Vampir war stärker. "Lass mich los!", schrie er rasend vor Zorn und Schmerz, doch Abraxas dachte nicht im entferntesten daran. "Bitte beruhige dich. Hör mir zu", redete er beschwörend auf Ensyis ein, lies ihn aber nicht los. Und tatsächlich erlahmten die Kräfte des Jägers auf einmal und er blieb zitternd unter Abraxas liegen. "Ich will dich nicht verletzten. Aber es stimmt was Kain... was ich gesagt habe. Ich... Ich bin Sylven. Ich trage eine Narbe am linken Bein." "Was beweist das schon?", zischte Ensyis böse. Besänftigend schüttelte Abraxas den Kopf. "Nichts. Aber ich weiß was damals geschah. Deine - unsere Eltern und der Hof." Abraxas stockte. Tatsächlich auf einmal waren die Erinnerungen wieder ganz klar. "Vampire. Männer und Frauen mit geifernden Fratzen und blutverschmierten Maulen. Sie töteten jeden den sie fanden und legten Feuer." Ja, da war sie wieder die Erinnerung. Die Schreie der Menschen, die bei lebendigen Leib in Stücke gerissen wurden und der süße Geruch von verbrannten Fleisch. Abraxas schluckte. Er erinnerte sich nicht nur an die Toten. Da war noch... Ein kleiner Junge mit blonden Haaren und grünen Augen. Gerade fünf Jahre alt war er gewesen. "Ich und mein kleiner Bruder, spielten in der alten Laube Verstecken. Deswegen fand man uns nicht sofort. Als ich die Schreie hörte befahl ich ihm sich in der Laube zu verstecken. Er sollte warten, bis jemand kam, den er kannte und sich auf keinen Fall von der Stelle rühren oder einen Mucks von sich geben. Ich selbst lief in Panik nach draußen um unsere Eltern zu suchen. Auf dem Hof herrschte das Chaos. Überall nur Blut und Leichen, abgetrennte Gliedmaßen und verstümmelte Körper. Ich sah Dylan kämpfen. Den Jäger der seit einigen Tag auf dem Hof verweilte um sich der Wassergeister anzunehmen, welche sich im Brunnen angesiedelt hatten. Ich wollte zu ihm laufen, ihn fragen was mit meinen Eltern war ob er sie gesehen hätte. So weit kam ich nie..." Abraxas stockte und schloss die Augen. Die Erinnerungen quälten ihn, aber nicht nur ihn. "Was passierte dann?", fragte Ensyis leise. "Ich rannte direkt in Meantoris - der Vampir, der für die ganze Meute verantwortlich war - hinein und besiegelte damit mein eigenes Todesurteil. An mehr erinnere ich mich nicht." Sowohl Abraxas als auch Ensyis wussten, dass das noch nicht die ganze Wahrheit war. Aber für den Augenblick genügte es vollkommen. Vielleicht würde irgendwann der Tag kommen, an dem Ensyis ihn nach dem Warum fragte. Warum Meantoris den Hof überhaupt angegriffen hatte. Und wenn dieser Tag kam, würde Abraxas antworten müssen. Aber dieser Tag war nicht heute.

Ensyis hatte das Gesicht an seinen Arm gedrückt und versuchte so die Tränen zu verbergen, die seine Wangen hinab liefen. Sanft lies Abraxas die Handgelenke des Jägers los, hockte sich neben ihn und schwieg. Er hatte alles gesagt. "Ich...",schluchzte Ensyis. "Irgendwann wurde es ruhig. Ich verlies mein Versteck. Nur wenige hatten den Angriff überlebt. Unter ihnen Dylan, der mich anschließend zu sich nahm. Das Herrenhaus war komplett niedergebrannt, genauso wie die Ställe und Unterkünfte der Angestellten. Nur die kleine Laube und der hohe Heuschober standen noch unversehrt an ihrem Platz - Was für eine Ironie. Ich habe damals alles verloren",wimmerte Ensyis aufgebracht. Plötzlich sah er auf, Abraxas direkt in die Augen. "Und da kommst du! DU! Ein Vampir! Und ausgerechnet du..." Der Jäger brach ab und lies mutlos den Kopf hängen. Und was das schlimmste war, das schlimmste. "Ich glaube dir - aber ich hätte es lieber nicht gewusst" Ja, warum hatte er es ihm nur gesagt? Warum die alten Wunden wieder aufgerissen? Warum ihm noch mehr Schmerz zugefügt? Warum?
 

Es war bereits Nachmittag, als Ensyis endlich aus dem Zustand apathischer Starre erwachte. Die Sonne stand schon tief und schien golden rot über die niedrigen Dächer der Häuser und direkt in das kleine Zimmer hinein. Bald würde die Nacht erwachen und Abraxas sehnte den Moment herbei in dem der Mond seine sanfte Strahlen über das weite Land schickte und die Welt traumversunken in Dunkelheit gehüllt werden würde.

"Und wie geht es nun weiter?", fragte Ensyis leise. Hilflos zuckte der Vampir mit den Schultern. "Ich weiß es nicht", antwortete er wahrheitsgemäß. Abraxas hatte sich viele Gedanken darüber gemacht, wie er es Ensyis am Besten beibringen konnte, auch darüber wie er eventuell reagieren könnte, aber über das was danach kam. Nein daran hatte er nie gedacht. Keinen einzigen Moment lang. "Wer bist du denn jetzt?", fragte Ensyis schüchtern. "Abraxas oder..."

"Ich bin Abraxas. Sylven ist - Er ist vor siebzehn Jahren gestorben. Nur seine Erinnerungen lebt noch in mir fort. " Und das war alles.

"Aha." Ja das war alles.

Ensyis lächelte friedlich. "Dann sind wir keine Brüder",stellte er besonnen fest. Beunruhigt hob Abraxas den Kopf. Was sollte das jetzt bedeuten? Aber bevor er die Frage die Frage aussprechen konnte, sprach Ensyis bereits weiter. "Wir sind Freunde."

Und das war alles.

Noch nie, so glaubte Abraxas, hatte er derartig befreit lachen können. Ein schallendes Gelächter in das Ensyis munter einstimmte. Ein Lachen, was einem die Tränen in die Augen trieb, nicht gespielt, nicht verstellt. Einfach nur lachen um des Lachens willen. Und alles war gesagt. "Freunde", nickte Abraxas schließlich, als er sich wieder etwas beruhigt hatte. Ensyis lächelte. Das war es also.

"Hör mal Ensyis. Ich werde wieder losmachen."

"Schon?"

Abraxas zog eine Augenbraue nach oben und nickte als Ensyis nicht reagierte Richtung Fenster. Der Himmel hatte sich rötlich gefärbt "Oh.",machte Ensyis dümmlich und zuckte mit den Schultern. " Na dann, mach's gut."

Der Vampir hob zum Gruß die Hand und wollte schon gehen als - *Du hast was vergessen* - Richtig. "Ach so. Ich soll dir von Xhal ausrichten, dass der Jäger den ihr angeschrieben habt heute Abend etwa gegen zehn bei ihm ankommen wird. Es wäre vielleicht nicht verkehrt, wenn du auch anwesend wärst.",grinste Abraxas, obwohl ihm bei dem Gedanken nicht wirklich wohl war. Aber Xhal hatte ihn beruhigt. Er war der ortsansässige Jäger und ohne sein Einverständnis würde ihm nichts passieren, zumal dass hier sowieso ein Dämonendorf war und hier deswegen eh eine Art Waffenstillstand herrschte. Sicher war niemand daran interessiert das stille Einkommen zu gefährden. Ensyis nickte Abraxas noch einmal zum Abschied zu, dann verschwand der Vampir durch die Tür. Hätte doch einer der Beiden nur gewusst, dass es ein Abschied für immer sein sollte, vielleicht, nur vielleicht hätte es anders kommen können. Aber das Schicksal ist unerbittlich. Abraxas würde den Weg beschreiten, den andere für ihn gewählt hatten. Daran bestand kein Zweifel. Eine Marionette konnte sich niemals von ihren Fäden lösen und alleine gehen, nur für den Moment waren die Fäden locker gehalten und der Vampir glaubte tatsächlich, dass er es war der sein Handeln bestimmte. Nur er selbst, wie falsch er da doch lag.

Abraxas war noch nicht ganz aus dem Haupteingang der Herberge herausgetreten als er einen hohen spitzen Schrei wahrnahm, gefolgt von einigen dumpfen Kampfgeräuschen. Verwirrt drehte er den Kopf, um zu sehen was die Geräusche verursachte. Die zwei Kerle, die vorhin am Eingang gesessen hatten, waren aufgestanden und bedrängten nun scheinbar eine junge Dame. Richtig erkennen konnte es Abraxas nicht, aber das anzügliche Lachen der Beiden gemischt mit ihren hohen Schreien sprach schon das seinige. Abraxas runzelte verärgert die Stirn. Er konnte es auf den Tod nicht leiden, wenn sich jemand an Schwächeren vergriff - zumal er selbst es meist war, der schwächere war - und dann noch eine Frau. Nein das ging auf keinen Fall. "Kain, könntest du?" Der Angesprochenen lachte leise *Klar. Vielleicht lässt die holde Maid uns zum Dank ja ran.* Kains Krallen fuhren aus und er stürzte nach vorne. Bevor er die drei aber erreichen konnte, war die Gasse auf einmal mit goldenem Licht erfüllt. Entsetzt riss die Kain die Arme nach oben und versuchte die empfindlichen Augen zu bedecken. Aber das Licht war derartig intensiv, dass es sogar durch die Handflächen hindurch schien. Auf seiner Haut bildeten sich rote Flecken, die höllisch zu brennen begannen. Das Licht verbrannte ihn wie einst die Sonne. Aber kein Laut des Schmerzes drang über seine Lippen, das Entsetzten, dass er bei dem Anblick der sich ihm bot empfand war zu groß. Für einen winzige Moment sah er sie. Riesige weiße Flügel, die sich gen Himmel streckten. Schillernde Haare, die das wunderschöne Gesicht umrahmten. Und Augen... was war mit ihren Augen? Sie verstrahlten so ein himmlisches Licht. Aus ihnen sprach die Sonne. Dann riss ihn die Schockwelle von den Beinen und der Augenblick verging, zog vorbei wie Schall und Rauch. Vorbei, vorbei.

Shantel richtete sich auf und strich sich lässig eine der silbernen Strähnen aus dem vor Hitze leicht geröteten Gesicht. Ihre blauen Augen loderten immer noch vor Zorn. Und sie lies es sich nicht nehmen, ganz unengelhaft einer der beiden am Boden liegenden Gestalten noch einmal kräftig in die Seite zu treten. Als sie sich vergewissert hatte, dass die beiden sich so schnell wohl nicht wieder rühren würden stolzierte sie zu dem immer noch am Boden liegenden Abraxas hinüber und taxierte ihn mit einem langen nachdenklichen Blick. "Warum?", fragte sie betont gelassen. "Warum was?" Shantel stieß beherrscht ein wenig Luft aus, öffnete die blauen Augen und lächelte leicht. "WARUM ZUM TEUFEL BIST DU NICHT EHER GEKOMMEN?"

Und wenn die Sonne untergeht

Waaah... ich hab momentan ne schreibblockade und komme an dem kap an dem ich gerade schreibe absolut net weiter (drei nach dem hier) und deswegen hab ich komplett vergessen den kram hier hochzuladen... tut mir leid^^°

aus lauter frustration über die schreibhemmung eben XD
 

zu diesem kap. mit dem hier vorliegenden schließt der zweite teil... manchen mag die handlung vielleicht komisch und kurzentschloßen erscheinen, aber ich habe schon vor langer zeit entschieden, wie der zweite teil enden wird... ich entschuldige mich schon mal im voraus für eventuelle missbilligung beim leser, aber storytechnisch halte ich diese fortführung der geschichte für notwendig...
 

nun denn viel spaß mit diesem kap.
 

*winkz*

dat sinless
 

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Und wenn die Sonne untergeht
 

So einiges hatte Abraxas erwartet. Dass Shantel ihn wieder um einen Gefallen bitten wollte, vielleicht auch dass sie ihm aus Wiedersehensfreude um den Hals fiel. Warum auch nicht? Er fand den Gedanken alles andere als sonderlich verwerflich. Nun so ausgelassen musste sie sich doch gar nicht verhalten, aber doch wenigstens ein Lächeln, ein kleines Anzeichen von Freude ihn zu sehen. Aber das!? Nun, dass sie ihn versehentlich verbrannt hatte, als sie sich gegen diese Kerle verteidigte, darüber konnte er hinweg sehen. So etwas passierte eben und im Endeffekt behielt er ja nicht wirklich ernsthafte Verletzungen zurück. Aber wenigstens ein Entschuldigung hätte über ihre Lippen fliegen können. Nur ein ganz kleines Zeichen, dass es ihr leid tat, was sie eben getan hatte - dass sie sich freute ihn zu sehen. Nur ein unscheinbares Lächeln und er hätte es für ewig in seinem Herzen bewahrt. Aber nichts dergleichen geschah. Das einzige was sie für ihn übrig hatte, war beissende Kritik und ein zorniges Funkeln in ihren wunderschönen blauen Augen. "Was gaffst du so blöde?".fragte Shantel aufgebracht und schaukelte dabei bedrohlich auf ihren Fußballen hin und her. Abraxas wand den Kopf zur Seite und starrte verärgert auf den staubigen Boden auf dem er noch immer hockte. Seine Haut brannte wie Feuer und die Rötung war noch nicht zurückgegangen. Das Mädchen hatte ihn ganz schön erwischt. "Du könntest dich wenigstens entschuldigen",murrte er säuerlich. "Weswegen?",fragte Shantel mit einer derartigen Unschuldsmiene, dass Abraxas am liebsten vor Zorn aufgesprungen und weggerannt wäre. "Du fragst warum? Im Ernst?",rief er hysterisch. "Ja..." Abraxas schnappte entgeistert nach Luft. "Du hast mich gerade eben fast vollkommen verbrannt. Mir tut alles weh und das erste was du zu sagen hast ist 'Warum bist du nicht eher gekommen?' Das kann doch nicht dein Ernst sein?!" Shantel zuckte mit den Schultern. "Aber es stimmt doch",meinte sie schüchtern. "Wenn ich nicht so lange auf dich hätte warten müssen, dann wären mir diese Idioten doch gar nicht zu nahe gekommen." Fast verzweifelt suchte Abraxas nach irgendeinem Ton des Spottes oder Hohn in Shantels Stimme, aber da war nichts. Hatte sie nicht einst gesagt, Engel könnten nicht lügen? Scheinbar schien das tatsächlich der Wahrheit zu entsprechen. Abraxas seufzte und lies besiegt den Kopf hängen. Gegen Shantels entwaffnende Ehrlichkeit konnte er nichts machen.

Für einen Moment breitete sich ein bedrückendes Schweigen zwischen den beiden aus, dann hockte sich Shantel vor Abraxas und zupfte ihn zaghaft am Hemdärmel. "Tut mir leid",nuschelte sie zerknirscht. Der Vampir horchte auf. War das etwa eine Entschuldigung gewesen? Shantel starrte unruhig an Abraxas vorbei, nicht in der Lage ihm ins Gesicht zu sehen. Das brauchte sie auch nicht. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Es war doch schon genug.

Beschwichtigend griff Abraxas nach Shantels Hand und zog sie mit sich nach oben. "So. Und jetzt sagst du mir, was du nun eigentlich schon wieder willst",fragte er freundlich. Shantel bedachte ihn als Gegenleistung mit einem nachdenklichen Blick, welcher ihm sofort wieder ein ungutes Gefühl in die Magengegend trieb. "Störe ich dich?",fragte sie. "Was?" "Ob ich dich störe, wollte ich wissen", wiederholte sie ernst. Abraxas konnte gar nicht schnell genug den Kopf schütteln, als wie er wollte. "Nein!",keuchte er entsetzt. "Ich freue mich jedesmal dich zu sehen!", antwortete er wahrheitsgemäß. Und war es wirklich nur Freude? Freude, wie wenn man nach langer Zeit eine alte Bekannte wieder traf oder war es bereits etwas anders. Etwas was drüber hinaus ging und viel größer war als Freude? So viel größer? Abraxas schob den Gedanken ärgerlich beiseite. Für derartige Ideen hatte er keine Zeit. Er hatte wichtigere Dinge zu tun, er musste - ja was? Nichts. Da war nichts auf das er sich konzentrieren konnte. Aber wirklich gar nichts. Da war nur, nur - Shantel. Ebene jene hakte sich in diesem Moment bei Abraxas unter und zog ihn aus der engen Gasse hinaus. "Komm mit", wies sie ihn fröhlich an. "Wohin?" Shantel gab ein helles Lachen von sich. "Wirst du schon sehen", kicherte sie und zog ihn mit sich.
 

Die Sonne war im Begriff unter zu gehen als Ensyis unruhig vor Xhals Haus auf den Beinen hin und her trampelte. Das letzte Mal als er hier gewesen war, hatte ihn Xhal nicht eingelassen und davor hatten sie sich im Streit getrennt. Denkbar schlechte Voraussetzungen um nun wieder hier zustehen und um Einlass zu bitten. Aber immerhin war er ja diesmal hierher bestellt wurden. Also würde es schon in Ordnung sein. Der junge Jäger fasste sich ein Herz und schlug ein zweites Mal kräftig gegen die Tür und jetzt hörte er im Inneren auch endlich eine Reaktion. Er musste nicht lange warten, da öffnete Orinoco die Tür und lächelte schüchtern und bat ihn herein. Ensyis lies sich das nicht zweimal sagen und trat mit einem weiten Schritt in den Flur hinein. "Ist Xhal gar nicht da?", fragte er etwas betroffen. Die Anwesenheit Orinocos machte ihn unruhig. Da war noch etwas zwischen ihnen, das noch nicht geklärt wurden war und was nun wie eine dicke Giftwolke zwischen ihnen schwebte. Die blonde Frau schüttelte verneinend Kopf. "Xhal holt den Jäger vom Dorfäußeren ab. Die Abgesandten haben etwas abseits des Dorfes gelagert, da Onesimus keine so große Jägerschar hier haben will." Ensyis nickte verstehend. Natürlich. Der Jäger war sicher nicht alleine gekommen. Schon begann sich wieder ein unangenehmes Schweigen zwischen den Beiden auszubreiten, als Ensyis mit den Kopf gen Tür nickte. "Soll ich noch mal gehen, bis sie da sind?",fragte er leise und wich dabei unruhig Orinocos Blick aus. Sie lächelte schüchtern. "Nein. Ist schon in Ordnung. Setzt dich in die Stube. Ich mache uns eine Kanne Tee."
 

Abraxas lies seinen Blick über die weite Fläche schweifen, während sich Shantel neben ihm zufrieden seufzend ins kniehohe Gras fallen lies. Die untergehende Sonne hatte den kleinen Hügel in goldenes Licht getaucht und schickte ihre letzten wärmenden Strahlen zu den Beiden hinunter. Shantel hatte Abraxas zielsicher aus dem kleinen Dorf hinaus auf eine kleine Anhöhe geführt. Nicht weit von ihnen erstreckte sich der dunkle Wald mit seinen schwarzen Baumriesen, die bedrohlich zu ihnen herüber linsten. Aber jetzt im langsam verschwindenden Tageslicht erschien Abraxas der Wald mit einem Mal gar nicht mehr so bedrohlich und gefährlich. Die dunklen Schatten hingen zwar noch genauso tief wie zuvor und noch immer raschelte es im dichten Untergehölz geheimnisvoll, doch da und dort brach das Abendrot durch die Baumwipfeln und verwandelte den Wald und die kleine Wiese, die ihn umgab in ein magisches Stück Natur. Aber es war nicht alleine die untergehende Sonne und die ersten Vorboten der bald eintretenden Nacht, welche die Welt so verzauberten. Nein, es war noch etwas anderes oder besser gesagt jemand. Ruhig lies sich Abraxas neben Shantel nieder. Das Sonnenlicht brach sich an ihrer schlanken Gestalt und die silbernen Haare warfen es in glänzenden Wellen zurück. Für einen kurzen Moment verspürte Abraxas das Verlangen seinen Arm um sie zulegen, aber eine innere Stimme - vermutlich Kains - hielt ihn im letzten Moment davon zurück. Nein, er wollte den Augenblick nicht zerstören. Nicht hier, nicht jetzt. Sie hatten doch so viel Zeit.

"Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt.", sagte Shantel und wand jäh ihren Kopf zu Abraxas. Der blinzelte verdutzt. "Wofür?" Shantel lächelte spitzbübisch. "Na dafür, dass du meinen Bruder gemimt hast. Ich war am Versammlungsort so wütend auf dich, dass ich das schlichtweg vergessen habe." Bei der Erinnerung an das Zusammentreffen mit Meantoris legte sich ein dunkler Schatten über Abraxas Gesicht. "Du hattest allen Grund dafür, sauer auf mich zu sein", meinte er bedrückt. "Ich verdiene keinen Dank." Und wieder lachte Shantel. "Ich möchte mich aber bei dir bedanken. Keiner konnte wissen, dass dein Erschaffer mit dabei sein würde und außerdem hätte ich dir vielleicht sagen sollen, wer mein Bruder wirklich ist." Abraxas zuckte mit den Schultern. "Vielleicht. Jetzt ist es eh zu spät." Shantel nickte und plötzlich schlich sich ein wehmütiger Ausdruck ihr Gesicht. "Ich kann dich verstehen",flüsterte sie leise. "Auch ich vermag es nicht meinem Schöpfer gegenüber zutreten - und doch muss ich." Abraxas horchte auf. Was wollte sie ihm sagen? Aber er musste gar nicht fragen, Shantel sprach von ganz alleine weiter. "Ich bin eigentlich nur hier, weil ich mich verabschieden wollte." Eiskalte Finger griffen nach Abraxas Innersten und ließen ihn von innen heraus erfrieren. "Verabschieden?",krächzte er erstarrt. Shantel nickte traurig. "Ich muss zurück",wisperte sie leise. "Er ruft mich." Abraxas schüttelte entgeistert den Kopf. "Nein, nein! Das musst du nicht! Du bleibst hier! Ich will nicht, dass du gehst!" Shantel lächelte betrübt. "Ich will auch nicht weg, aber ich muss." Aber so einfach gab Abraxas nicht auf. "Wo? Wohin gehst du? Ich kann mit dir kommen!" Hastig ergriff er ihre Hand und drückte sie an sich. Warum erkannte man immer erst dann wie wichtig einem die Dinge waren, wenn man im Begriff war sie zu verlieren? Sanft machte sich Shantel aus Abraxas Griff frei und schüttelte wieder den Kopf. "Dort wohin ich gehe, kannst du mir nicht folgen. Es geht nicht." "Wohin?" Statt zu antworten hob Shantel die Hand und deutete nach oben, in Richtung der untergehenden Sonne. "Hinter dem Horizont liegt mein Ziel. Über den Wolken und doch mitten darin. Ein wunderschöner goldener Käfig und ich ein Vogel mitten darin. Und du kannst mir nicht folgen." Shantel erhob sich und wand sich zum gehen, so weit kam sie nicht. In einer fliessenden Bewegung war Abraxas aufgesprungen, hatte seine Arme um sie gelegt und hielt sie nun fest an sich gedrückt. "Ich lass dich nicht gehen",flüsterte er. Shantel schlug die Hände über dem Gesicht zusammen um die langsam aufkommenden Tränen zu verbergen. Warum nur war sie hierher gekommen? Sie hatte es gewusst. Sie hatte gewusst, wie schwer es werden würde. Warum nur hatte sie sich diesem Schmerz aussetzten müssen? Warum? Weil sie es wissen musste. Sie musste wissen, ob er genauso fühlte wie sie. Er tat, aber was änderte das nun? Hätte er sie nicht von sich weisen können? Wie einfach wäre es dann gewesen dieser Welt den Rücken zu kehren und für immer zu gehen. Doch nun? Warum nur sah er ihm so ähnlich? Warum rief er die selben Gefühle in ihr wach? Warum nur? "Bitte, Abraxas. Mach es mir nicht noch schwerer",flüsterte sie tränenerstickt. Aber der Vampir schüttelte nur trotzig den Kopf."Ich kann nicht. Ich kann dich nicht hergeben. Nicht jetzt, wo ich dich doch endlich gefunden habe."

Und während die Sonne hinter den Baumwipfeln verschwand und die ersten Sterne über ihnen zu blinken begannen, drehte sich Shantel in Abraxas Armen herum und küsste ihn zaghaft auf die leicht geöffneten Lippen.
 

Mit einem Tablett in der Hand, auf welchem sich eine dampfende Teekanne und zwei Tassen und Unterteller befanden, betrat Orinoco die Stube. Es klirrte leise, als sie es auf den niedrigen Kaffetisch vor Ensyis abstellte. Schnell goss sie Tee in die Tassen und reichte eine an Ensyis weiter, der sie dankbar in Empfang nahm. Für einen Moment war es still im Raum - jeder hing seinen Gedanken nach - dann räusperte sich der junge Jäger. "Hör mal Orinoco..."

"Ja?" Der Jäger fuhr sich unruhig über die Lippen. Er hatte noch nie - wie sollte er denn jetzt? "Ich werde von hier weggehen",sagte er dann stockend. Aber das erste Wort war gefallen und auf einmal begannen die Worte wie von selbst aus ihm heraus zu sprudeln. "Ich werde mit dem Jäger gehen, der hier her kommt. Er wird mich unterrichten und in ein, zwei Jahren werde ich meine Prüfung ablegen und selbst ein vollwertiger Jäger werden und dann..." Ensyis blickte auf und sah Orinoco direkt in die ernsten blauen Augen hinein. "Dann werde ich beginnen Dämonen zu jagen. Vampire, Gefallene, Nundu oder Kappa.. Alles und jeden, der es wagt den Menschen - mir zu nahe zutreten, auch Halbdämonen. Aber... " Die grünen Augen des Jägers verhärteten sich. Ja es war ihm ernst was er sagte. Das war das woran er glaubte und wovon ihn niemand abbringen konnte, niemand. Orinoco schwieg abwartend. "Aber trotzdem... möchte ich mich entschuldigen. Es war nicht richtig was ich gesagt habe. Dass überhaupt kein Dämon etwas taugt, dass ihr alle verachtenswert seid. Das stimmt nicht. Das weiß ich seid ich Abraxas kenne und ich habe auch dich kennen gelernt und dieses Dorf hier. Ich weiß jetzt, dass ich unterscheiden lernen muss zwischen Dämonen und Dämonen. Und deswegen will ich mich entschuldigen. Es tut mir leid!" Ensyis hatte während er gesprochen hatte, kein einziges Mal abgesetzt. Wie ein befreiender Strom waren ihm die Worte direkt aus dem Herzen heraus entwichen. Jetzt war es endlich gesagt und auch wenn Orinoco ihm nicht verzieh, hatte er sich doch entschuldigt und musste sich nicht den Rest seines Lebens schuldig fühlen. Aber Orinoco lächelte, beugte sich nach vorne und strich Ensyis mit dem Handrücken sanft über die Wange. "Das hast du schön gesagt", wisperte sie.

Plötzlich unterbrach ein dünnes Klingeln die heimliche Stille des Raumes und ließ sowohl Ensyis als auch Orinoco überrascht den Kopf anheben. "Was ist das?",fragte Ensyis alarmiert und erhob sich rasch. Auf einmal begann Orinoco zu lachen. "Hihi. Das ist Xhals Vampirfrühwarnsystem. Jetzt scheint es wohl doch endlich zu funktionieren.",kicherte sie. "Abraxas wird nach Hause gekommen sein." Lachend eilte sie zur Wohnzimmertür um diese zu öffnen und Abraxas zu begrüßen, als die Tür von alleine aufschwang und den Blick auf den davor Stehenden freigab. Abraxas war das aber nicht. Für einen Moment wunderte sich Orinoco noch woher sie den Mann mit den braunen Haaren kannte, aber die Erkenntnis traf sie im selben Moment, wie der Schmerz und der reissende Strom der Dunkelheit und dann war es bereits zu spät.

Ensyis schrie entsetzt auf als ihm Orinocos lebloser, blutiger Körper vor die Füße stürzte. Yenath betrat gelassen die Stube und hob die blutbefleckte Hand zum Gruß. Nachdenklich sah er auf Orinoco hinab, hob dann den Kopf und lächelte Ensyis an. "Schade, jetzt habe ich die Püppi doch kaputt gemacht. Vielleicht habe ich an dir ja ein wenig länger Freude? Aber mach dir keine Gedanken. Es ist nichts persönliches."
 

Abraxas wollte sich gerade zu der im Gras liegenden Shantel hinunter beugen um ihr einen langen Kuss auf die Lippen zu drücken, als er jäh stockte. Irgendwie hatte er auf einmal Angst, ganz fürchterliche Angst und er wusste nicht warum. Shantel richtete sich leicht auf, berührte Abraxas verwundert an der Wange. "Was ist los?",fragte sie besorgt. Der Vampir antwortete nicht, seine Augen flackerten beunruhigt, während er selbst versuchte zu begreifen was geschah, denn das irgendetwas passierte stand außer Frage. Plötzlich begann seine Brust zu schmerzen, es fühlte sich an als wäre etwas direkt aus seinem Innersten herausgerissen wurden und mit einem Mal ahnte er was geschah. Er wusste es noch nicht, aber sein Gefühl sagte es ihm mit solcher Deutlichkeit. Hastig sprang er auf die Beine und zog Shantel mit sich nach oben. "Abraxas was ist los?",rief sie entsetzt. Ja begriff sie denn nicht? Spürte sie es denn nicht? "Etwas geschieht... etwas ganz schreckliches...",flüsterte er und stürzte dann unvorhergesehen nach vorne Richtung Dorf. "Abraxas!" Ihren Ruf hörte er schon nicht mehr. Etwas geschah.
 

Das ungute Gefühl in der Magengrube verstärkte sich noch zunehmend, als er endlich vor dem kleinen Haus ankam. Alles war ruhig - zu ruhig und die Tür stand offen und schaukelte leicht im Wind. Was war hier nur geschehen? Als Abraxas zaghaft einen Fuß in den Flur setzte begann von irgendwoher ein Glöckchen zu klingeln. In diesem Moment klang der Ton so falsch und fremd. So krank wie alles hier. Dann fingen die geschärften Vampirsinne plötzlich einen fremden Geruch ein. Jemand war hier gewesen, jemand - Abraxas schluckte entsetzt - jemand seiner Art. Zitternd griff seine Hand nach dem Türknauf der Stube. Er konnte den süßlichen Geruch bereits riechen. Kain begann sich in ihm zu regen. Der Duft raubte ihm den Sinn, machte ihn rasend und zugleich wusste Abraxas, dass er nicht sehen wollte, was hinter der Tür war. Einer leblosen Puppe gleich stieß er die Tür auf und trat ihn die Stube hinein. Der Anblick war nicht so schlimm, wie er erwartete hatte - er war schlimmer. Shantel, die hinter ihm den Raum betreten hatte, hielt sich würgend die Hand vor den Mund. "Oh mein Gott", flüsterte sie zitternd, aber Abraxas hörte sie nicht. Wie ein Schlafwandler wankte er an Orinocos zerfetzten Leib vorbei, auf die blutverschmierte Hinterwand zu. 'Wünsch dir was', stand da in großen blutigen Lettern geschrieben. Orinocos Blut und das von - Abraxas Hände zuckten krampfhaft während er mechanisch den Kopf zur Seite drehte und der zu seinen Füßen liegenden Gestalt gewahr wurde. Zitternd lies er sich in die Hocke sinken und berührte Ensyis an der Halsschlagader. Fast war es ihm als könnte er noch einen Hauch der Wärme spüren, die bis vor kurzem in diesem gewohnt hatte. Aber nun war da nichts mehr, alles leer. Seine Finger konnte keinen Puls ertasten, wohl aber spürte er die beiden dünnen Löcher, die seinen Untergang bestimmt hatten. Und es war nicht nur das. Ensyis' Augen schienen ihnen aus großen Pupillen heraus anklagend anzustarren. Hätte er es doch nur eher bemerkt, wäre er nur eher gekommen. Vielleicht hätte er es verhindern können. Dann brach Kain plötzlich die eiskalte Stille, die von seinem Inneren Besitzt ergreifen wollte. *Ihm wurde nicht nur sein Blut gestohlen.* Abraxas schloss gequält die Augen. Ja, das wusste er. Und es war ganz alleine seine Schuld. Nur wegen ihm. Ensyis wäre niemals etwas passiert, wenn nicht Meantoris hinter ihm her gewesen wäre. Erst der Tod seiner Familie und nun sein eigenes Ende. Alles nur seine Schuld. Warum nur konnte er nicht bewahren, was er liebte? Abraxas öffnete die Augen. Warum wollten keine Tränen kommen? Obwohl es ihn innerlich zerriss, war er nicht in der Lage um den Freund - den Bruder zu weinen. Selbst das wurde ihm genommen, selbst das. Noch immer starrten ihn Ensyis so anklagend an und der Vampir hielt es nicht mehr aus. Hastig strich er ihm über die Lider, erhob sich und drehte sich von Ensyis weg. Nie wieder würden diese schönen grünen Augen, das Licht der Welt erblicken. Nie wieder würden sie ihn fröhlich angrinsen oder im Streit vor Zorn erbeben. Nie wieder. Seine Augen würden geschlossen bleiben, für immer, bis in alle Ewigkeit.

Shantel wollte Abraxas am Arm berühren als er bebend an ihr vorüber schritt, wich aber im letzten Moment zurück. "Wo willst du hin?",fragte sie mit zitternder Stimme. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle Abraxas ihre Frage einfach ignorieren, dann aber blieb er stehen und sah sie über die Schulter hinweg an. Shantels Herzschlag setzte aus, als sie in die erstarrten Augen Abraxas sah. Jedes Licht schien aus ihnen gewichen und es lag eine Kälte und Härte darin, die nicht einmal Kain inne hatte. Aber das schlimmste - das schlimmste, war der Ausdruck absoluten Hasses in seinen Augen. "Ich hole sie zurück.",flüsterte Abraxas leise in einer Tonlage, welche die Luft zum erfrieren brachte. "Wen?",fragte Shantel entsetzt.

"Ensyis' Seele!"
 

Der Jäger betrachtete das Szenario, welches sich ihm bot, mit kühlem Interesse. Die Wände waren blutbespritzt, an der Wand prangte ein kunstvoller Schriftzug und sein neuer Schüler lag tot in der Ecke. Weiter tragisch war das nicht, wenn er sich von einem einzelnen Vampir hatte töten lassen, konnte er eh nicht viel getaugt haben. Am Boden hielt Xhal den leblosen Körper der Halbdämonin in seinen Armen und wiegte ihn bitterlich weinend hin und her. Wie schwach die Menschen doch waren. Aber was erwartete er auch von einem Jäger, der sich mit Dämonen zusammen tat? Kein Wunder, dass sie sich Sath nannten, die wenigen, die dem Zirkel nur noch entfernt dienten. Sie hatten nicht das Recht dazu sich als Jäger zu bezeichnen. Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und ein junger Mann trat ein. Einer der jüngeren Jäger, die es aus Neugier mit hierhergetrieben hatte. "Herr, wir wissen jetzt, dass es einzelner Vampir gewesen war, der das hier angerichtet hat. Braune Haare, normale Statur. Die Magier haben es bestätigt." Der Jäger nickte. Ja es konnte nur Einer gewesen sein. Für Mehrere war die Verwüstung im Zimmer zu gering. Der Kampf hatte nur zwischen dem Jäger und dem Vampir stattgefunden. Nur hatte der Jäger verloren. "Und der Andere?" "Der beseelte Vampir? Scheinbar hat er das Dorf Richtung Süden verlassen, in Begleitung eines jungen Mädchens." Zufrieden nickte der Jäger. "Gut, schick sofort jemanden hinter ihm her. Ein solches Objekt wird für das Kollegium von äußerstem Interesse sein." Bevor der Jäger aber den Raum verlassen konnte, hörte man von unten eine Stimme: "Das wird nicht notwendig sein." Skeptisch hob der Ältere eine Augenbraue nach oben und fixierte Xhal, der sich mit Orinoco in den Armen langsam erhob. "Er hat das Dorf verlassen und damit euer Einflussgebiet. Ihr könnt ihn nicht mehr schützen." Xhal schüttelte bitter den Kopf und sah dem Jäger dann fest in die Augen. "Nein, ihr versteht mich falsch",meinte er grimmig. "Es wird nicht nötig sein, jemanden hinter ihm herzuschicken, weil..." Der Sath stockte. Sein Blick schweifte für einen Moment zu seinem toten Cousin hinüber. Er würde ihm das was er tun wollte, nie verzeihen. Genauso wenig wie Orinoco. Keiner der Beiden würde es verstehen, aber sie waren alle Beide tot. Er war alleine und in ihm drin war nur das schmerzliche Bewusstsein, des Verlustes, welchen er erlitten hatte. Nur das, nur das und der immer stärker werdende Wunsch jemanden dafür verantwortlich zu machen. Nein sie würden es nicht verstehen. Er verstand es ja selbst nicht und er würde sich später dafür mit Sicherheit verachten, aber wenn er es nicht tat, dann würde dieses reissende Gefühl der Ohnmacht in ihm nie verblassen und immer wieder würde der Hass ihn übermannen und immer wieder... Xhal schüttelte den Kopf. Ensyis war tot. Orinoco - so schwer es ihm auch fiel, den Gedanken zu Ende zu denken - Orinoco war auch tot, aber er, er lebte noch und wenn er jemals wieder seinen Frieden finden wollte, dann musste er es tun.

Und während die Sonne endgültig hinter den Hügeln des angrenzenden Gebirges verschwand und die Nacht ihre dunklen Schwingen ausbreitete, klangen Xhals Worte wie ein heiliger Schwur, von dem er von nun keinen Moment mehr abweichen würde. Nie wieder. "Ich werde Abraxas zur Strecke bringen."
 

Ende 2.Teil

Drei Jahre

So bin wieder da und nun geht es endlich mit dem dritten Teil weiter... *freut sich schon sehr lange drauf den endlich schreiben zu dürfen*

Da ich mit dem hochladen auf animexx immer hinterher dem dem eigentlichem vorangang der geschichte bin kansch wieder mal nichts hier zu weiter sagen... nur soviel, dass ich abraxas so wie er jetzt im moment ist tierischt gerne mag ^.^ war ja nimmer zum aushalten, dass der so passiv war >,<
 

*winkz*

dat sinless
 

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Drei Jahre
 

Die schlanken Pferdebeine tänzelten leicht auf dem losen Steinboden unter ihm herum. Immer wieder bröckelten kleine Steinbröckchen in die Tiefe hinab, überschlugen sich und verschwanden in der Dunkelheit. Unruhig warf der schwarze Hengst den Kopf in den Nacken und schnaubte missbilligend. Aber sein Reiter schien die Sorgen des Tieres nicht zu bemerken. Still verharrten die roten Augen auf dem verschlafenen Mersawjez, an dessen Dächern sich die langsam hinaufkletternden Sonnenstrahlen brachen und goldenes Licht verstrahlten. Damals als er gegangen war, hatte das Dorf auf die selbe magische Weise geleuchtet und geglitzert. Die Sonne hatte ihn verabschiedet und begrüßte ihn nun auch wieder. Für einen Moment pfiff ihm ein kalter Wind um die spitzen Ohren, die den langen schwarzen Mantel zum Wehen brachte. Wie lange war es her? Zwei - nein drei Jahre. Drei lange Jahre in denen so viel geschehen war. Drei Jahre war er durch die Welt gereist immer auf der Suche nach dem einen. Er hatte jeden Vampir getötet, der sich ihm in den Weg gestellt hatte, wirklich jeden. Aber ihn, den einen, den hatte er nie gefunden. Niemals. Und nun, nach drei ewig erscheinenden Jahren, schloss sich der Kreis und führte ihn zurück. Führte ihn zurück, ausgerechnet zu dem verfluchten Ort, an dem alles begonnen hatte. Abraxas schüttelte den Kopf um die Gedanken abzuschütteln. Es brachte ihm nichts in Vergangenem zu schwelgen. Er hatte weder eine Vergangenheit noch hatte er eine Zukunft. Er lebte nur hier im Jetzt, nur für seine Aufgabe, seine Rache und was danach kommen würde, wer wusste das schon - er jedenfalls nicht. Sicher ging es Xhal genauso. Was würde passieren, wenn es dem Jäger irgendwann gelingen sollte ihn zu stellen? Nein, es würde nicht zu Ende gehen. Die Jagd würde weiter gehen immer weiter. Vielleicht würde es eines Tages doch eine Ende finden, vielleicht würde Abraxas der Flucht irgendwann überdrüssig werden, vielleicht würde er Xhal töten, vielleicht würde er sich stellen. Aber dieser Moment war noch nicht da, nicht jetzt. So lange er noch eine Aufgabe zu erfüllen hatte, würde es kein Ende geben. Er hatte keine Zukunft.

Ruhig lies Abraxas sein Pferd wenden und trieb ihm dann die Hacken in die Seiten. Die Hufe des Schwarzen donnerten furchteinflößend auf dem steinigen Untergrund, während er mit einem halsbrecherischen Tempo den Abhang hinunterstürzte. Mit kaum verringerter Geschwindigkeit preschte er Richtung Dorfmarktplatz und hielt erst inne, als er beinah in Onesimus' Heimstätte hinein gekracht wäre. Verwunderte Blicke wurden dem blauhaarigen Vampir zugeworfen, als er sich behände aus dem Sattel schwang und sein Tier vor dem Eingang festband. Köpfe wurden gedreht, ein allgemeines Raunen ging über den Markt. Abraxas beachtete es nicht. Möglich, dass sich der eine oder andere hier noch an ihn erinnerte, viel wahrscheinlicher war es aber, dass man von den Gerüchten gehört hatte, die durch das Land streiften. Gerüchte von einem Vampir, der umherzog und seinesgleichen tötete. Abraxas lächelte grimmig bei dem Gedanken daran. Ja er war eine kleine Berühmtheit geworden, wenn auch mit fragwürdigem Ruf, das sollte ihm erst mal einer nachmachen. Er selbst hätte es sich nicht zugetraut. Ohne sich um die fragenden Blicke der Dämonen zu kümmern, marschierte er zielstrebig durch das mächtige Eingangsportal und fand sich in der langen Steinhalle wieder. Der Dämon, welcher vor der Tür zu Onesimus' Räumen sass, war ein anderer als vor drei Jahren. Dieser hier erschien auf den ersten Blick menschlich, aber die merkwürdige Grünfärbung seiner Haare und der etwas zu verschobene Körperbau verrieten was er wirklich war. Missbilligend schob er die dicke Hornbrille nach oben, als er Abraxas gewahr wurde. Als der Vampir es dann auch noch wagte, ohne auch nur dem geringsten Anzeichen von Nervosität vor ihn zu treten, wurde der ohnehin schon fest zusammengedrückte Mund zu einem schmalen Strich und die starren Augen wandelten sich zu Stein. "Ich will zu Onesimus", sagte Abraxas und lächelte den Dämon freundlich an. Falsche Taktik. Man mochte meinen, dass eine zu Marmor erstarrte Miene nicht weiter vereisen konnte, dieser Dämon hier war aber definitiv dazu in der Lage. "Lord Onesimus verkehrt nicht mit niederen Dämonen. Er empfängt keine Vampire", gab er säuerlich zur Auskunft. "Oh, mich wird er empfangen",stellte Abraxas lächelnd fest und wollte bereits nach der Türklinke greifen, als der Dämon ihn grob am Arm festhielt. "Das werdet ihr nicht tun",zischte er mit kaum noch unterdrücktem Zorn. In Abraxas Fingern zuckte es gefährlich. Beherrscht drehte er den Kopf und bemühte sich um einen möglichst gleichmütigen Ausdruck in seinem Gesicht. "Wenn ihr mich nicht auf der Stelle loslasst, werde ich gleich noch viel mehr tun, als nur dieses Zimmer zu betreten.",drohte er leise. Der Dämon erbleichte und lies hastig Abraxas Arm los. Irgendetwas in der Stimme des Vampirs hatte ihm deutlich gemacht, dass es besser war zu tun was er verlangte. Es passte ihm keineswegs, doch gedemütigt senkte er den Kopf und nickte Richtung Tür. "Geht schon"

Erst als die Tür hinter Abraxas zu schwang wagte er es wieder den Kopf zu heben. Was war das eben gewesen, dieses unglaublich erdrückende Gefühl der Angst? Für einen Moment glaubte er in der Gestalt des Vampirs etwas gesehen zu habe, ein dunkler Schatten, der hinter ihm stand und pure Mordlust ausstrahlte. Die Gier nach Tod und Verderbnis, aber das schlimmste war, dass dieses dunkle Wesen auch die Macht dazu zu besitzen schien.

*Hui, du bist aber heute gereizt*,lachte es leise. *Seid wann lässt du dich von so einem kleinen Dämonen, derartig aufregen.* Abraxas zuckte mit den Schultern. "Ich habe mich nicht aufgeregt. Ich war die Ruhe selbst.",sagte er unschuldig und brachte Kain damit lauthals zum Lachen. *Natürlich!*, kicherte er. *Nach außen hin vielleicht. Aber mich kannst du nicht belügen! Du hättest ihn beinah zerfetzt.* Abraxas verdrehte genervt die Augen. Auf Kains allgegenwärtige Kommentare konnte er heute wirklich verzichten. "Selbst wenn es so wäre, wäre etwas schlimm daran?" Kain schwieg, aber Abraxas konnte seinen höhnischen Blick im Nacken spüren. Wenn dieser Kerl tatsächlich mal den Mund hielt, sagte das meist viel mehr aus, als wenn er seine bitterböse Meinung kundtat. Vielleicht hätte sich das Gespräch noch ein wenig fortgesetzt, aber in diesem Moment hatte Abraxas das Ende des langen Ganges und damit Onesimus' Thron erreicht. Sofort verhärteten sich seine Züge und gaben keinerlei Aufschluss darüber, was er wirklich dachte. Onesimus war noch älter, als ihn Abraxas in Erinnerung hatte. Die Schultern hingen noch schlaffer hinunter und bildete es sich Abraxas ein, oder zitterte Onesimus leicht? Das gutmütige Gesicht mit dem langen Bart und die stumpfen Hörner, die das selbige umrahmten war aber noch immer das selbe. Für einen Moment musterte der alte Dämon der Vampir eingehend dann lächelte er und deutete Abraxas auf einem Stuhl nicht weit von ihm Platz zu nehmen. Abraxas war sicher, dass der eben noch nicht da gewesen war, zuckte aber mit den Schulter und setzte sich. "Ich habe dich bereits erwartet, Abraxas." Der Vampir hob erstaunt eine Augenbraue. Er hatte sein Kommen nicht angekündigt. "Shantel sagte mir, dass du hierher unterwegs wärst." Natürlich. Wer sonst. Seine bessere Hälfte tratschte eindeutig zu gerne. Bei dem Gedanken an sie schlich ein leichtes Lächeln über Abraxas Züge. Ah Shantel- sein kleiner Engel, sein Licht, seine Liebe. Niemand sonst hatte es geschafft, derartig sein Herz zu erobern, niemand sonst kannte ihn so gut wie dieses Wesen - *Hey und was ist mit mir?* - Außerhalb der Wertung!

"Nun Abraxas was führt dich zu mir? Du hast dich drei Jahre nicht blicken lassen, nachdem du so Hals über Kopf das Dorf verlassen hast. - Nicht das ich es dir verübeln würde - aber ich glaube kaum, dass du nur hier bist um mit mir einen netten Plausch zu halten - obwohl ich dagegen natürlich auch nichts einzuwenden hätte - Man wird eben nicht jünger. " Obwohl es eigentlich absolut situationsunpassend war musste Abraxas bei Onesimus' Eröffnungsrede unwillkürlich lächeln. Das Charisma des alten Dämons, war auch in den letzten drei Jahren kein Stück verschwunden. Was er von sich selbst wahrscheinlich nicht behaupten konnte. Seine Gestalt war noch hagerer geworden, die Augen tief in ihre Höhlen eingefallen, wenngleich sie auch nichts von ihrem teuflischen Glanz verloren hatte und seine Haut hatte nun auch das letzte bisschen Farbe verloren. Egal, er war eben ein Vampir und die Zeiten, dass er das bedauerte waren vorbei, endgültig. Onesimus' Blick ruhte noch immer fragend auf Abraxas und ließ ihn endlich zu einer Antwort ansetzten. "Ich glaube mir wurde damals nicht ganz die Wahrheit gesagt über eure und die Position dieses Dorfes hier. Mir sind da so ein paar Sachen zu Ohren gekommen." Onesimus lächelte verschmitzt, machte aber keinerlei Anstalten auf Abraxas' 'Anschuldigungen' einzugehen. Dieser hob die Schultern und setzte fort: "Mersawjez ist der Vorort zu einem weit größeren Gebietsstück. Das Hinterland, wie es genannt wird, da es direkt hinter dem Drachengebirge liegt und man hier gerne einkehrt, wenn man etwas zu verbergen hat. Scheinbar aber ist dieses Dorf hier kein zugehörigkeitsloses Ortsstück, sondern so etwas wie die Hauptstadt dieses Hinterlandes. Zumindest ist hier der Sitz des Grafen, dem all das Land, einschließlich Mersawjez gehört." Abraxas hielt einen Moment innen und suchte den direkten Blickkontakt mit dem alten Dämon. Ein spöttisches Lächeln umspielte dessen Lippen und auch Abraxas blitzte der Schalk nur so in den Augen. "Und gehe ich richtig in der Annahme, dass ich in diesem Moment dem Oberhaupt über all dieses Land hier gegenüber sitze - Eure Lordschaft?" Onesimus lächelte immer noch verschmitzt in seinen Bart hinein, fuhr sich nachdenklich über den Nasenrücken und wiegte schließlich den Kopf sinnend hin und her. "Wer hat es dir erzählt?"

"Shantel."

"Sie redet zu viel!"

"Ich weiß",entgegnete Abraxas seufzend. Wenn es etwas gab, was ihn an Shantel störte, dann war es das. Sobald man ihr etwas erzählte konnte man sicher sein, dass es ihr gesamter Freundeskreis wusste und dieser war groß, wie Abraxas hatte feststellen müssen.

"Gut, nachdem die Besitzverhältnisse hier nun geklärt sind. Was kann ich für dich tun?",fragte Onesimus auffordernd. Abraxas fuhr sich geistesabwesend durch die Haare und versuchte seine Gedanken zu ordnen. "Ihr wisst, dass ich auf der Jagd nach Ensyis und Orinocos Mörder bin - Yenath?" Onesimus nickte. "Ja. Ein Vampir mit braunen Haaren, nicht unbedingt sonderlich mächtig, aber scheinbar sehr gerissen und deswegen schwer zu fassen. Welchen Grund sollte es sonst haben, dass es dir auch nach drei Jahren noch nicht gelungen ist ihn zu fassen - dir dem Vollstrecker der Vampire?" In Abraxas Augen flackerte es kurz bestürzt, dann hatte er sich bereits wieder in der Gewalt. "Ihr kennt die Namen, die man mir gab",stellte er fest. Der Vampir hatte Onesimus fest im Blick, aber der alte Dämon machte keinerlei Anzeichen noch etwas sagen zu wollen. Nur dieser seltsame Ausdruck in seinen Augen. Erinnerungen, die sich nicht mehr mit dem sich nun darbietenden Bild vereinbaren ließen. Nein sicher nicht, Abraxas hatte sich verändert. Er war nicht mehr der selbe. Er war härter geworden, ernster und vor allem mächtiger. Nur manchmal da kamen ihm Zweifel. Für das was er bekommen hatte, hatte er viel aufgeben müssen, und manchmal da fragte er sich ob es das wert gewesen war. Macht im Austausch gegen die Fähigkeit Weinen zu können und Mitgefühl zu zeigen. Damals als Ensyis starb, hatte er es verlernt. Das Geheimnis der Tränen sollte ihm von da an verschlossen bleiben.

"Ich bin Yenath all die Jahre hinterher gejagt, aber nie ist es mir gelungen ihn zu erwischen. Immer wenn ich an den Ort gelangte, an dem er zuletzt gesehen wurde, war er bereits wieder auf und davon. Nach meinen Informationen ist Yenath zuletzt zu seinem Herrn, das heißt Meantoris zurückgekehrt und befindet sich zeitweise also in der Obhut des Clans." Onesimus blinzelte verwirrt. "Und? Dann weißt du doch wo er ist. Wo liegt das Problem." In Abraxas Augen blitzte es ärgerlich. Unwirsch drehte er den Kopf beiseite und fixierte einen kleinen schwarzen Punkt, an der sonst so makellosen Wand. "Ich kehrte zur Burg zurück. Dorthin, wo ich zum Vampir gemacht wurde. Dorthin wo alles begann, wo Meantoris seinen Sitz hat, oder besser gesagt - hatte." Onesimus' Miene hätte ausdrucksloser nicht sein und gerade das verriet ihn. Er wusste worauf der Vampir hinaus wollte und er würde es ihm nicht sagen können. "Wo?",zischte der Vampir gefährlich. "Ich weiß nicht, was du meinst." Für jemanden der es nicht besser wusste, hätte Onesimus' erstaunte Miene perfekt gewirkt. Niemand hätte dahinter eine Lüge vermutet, aber Abraxas wusste es besser. "Die Burg war verlassen",stellte er ruhig fest und noch immer reagierte Onesimus nicht. "Ab und zu wechseln die Clans ihren Standort. Weil ihre Jagdgründe erschöpft sind oder aus anderen Gründen. Aber kein Clan würde sich im Gebiet eines anderen niederlassen auch der Herrschaftsclan unter Meantoris nicht. Es gibt nicht viele Gebiete in denen kein Vampirlord sein Revier hat. Oben im hohen Norden, im Kristallgebirge, am Rande des Wundersees, wo die Flussmenschen leben, im Düsterwald bei den Nymphen und auch hier im Hinterland. Das sind Gebiete wo es keine Vampire gab, bisher. Meint ihr nicht, dass es langsam an der Zeit wäre die Wahrheit zu sagen?!" Onesimus schwieg beharrlich und das brachte Abraxas dazu aufgebracht aufzuspringen. Seine Finger knackten gefährlich und fast sah es so aus, als wolle er sich jeden Moment auf den alten Dämon stürzen, im letzten Moment aber hielt er innen, schlug die Augen nieder und versuchte sich zu beruhigen in dem er innerlich bis zehn zählte. Bereits bei fünf schlug er die Augen wieder auf und würgte mit zitternder Stimme hervor:"Meine Informationsquellen sind äußerst verlässlich. Meantoris hat sich hier im Hinterland niedergelassen und ohne euer Einverständnis kann er das nicht getan haben, also frage ich euch. WO? Wo ist der neue Sitz des Clans?" Nach unendlich langer Zeit erhob sich Onesimus und drehte sich von dem Vampir weg. Sein Blick streifte nachdenklich über die gewölbte Decke, als ob da oben die Antwort auf seine Fragen stehen würde, aber nein er musste sie alleine finden. Und er kannte sie ja. "Selbst wenn ich wollte, würde ich es dir nicht sagen." Abraxas schluckte und machte eine aufgebrachte Handbewegung."Was soll das heißen?" Unendlich langsam drehte sich der alte Dämon zu ihm um, musterte Abraxas von oben bis unten und blieb schließlich in seinem Gesicht hängen. "Ich hab mit Meantoris ein Abkommen, dass ich nichts über seinen Standort verlauten lassen werde und selbst wenn dem nicht so wäre..." Seine Augen verhärteten sich. "Ich will nicht, dass du dein Leben wegwirfst." Enttäuscht stieß der Vampir die Luft aus, welche sich in seinen Lungen angesammelt hatte. "Ist das alles was ihr zu sagen habt?",fragte er grimmig. Onesimus nickte. Für einen Moment war es still. Abraxas wartete darauf, dass der Dämon doch noch etwas sagte, als er das aber nicht tat, drehte er sich wortlos herum und verließ ohne Abschied den Raum. Onesimus sah ihm einen Augenblick lang nach, dann seufzte er und ließ die Schultern hängen. Noch immer war der Vampir so jung. Es fehlten ihm noch viele Jahre Erfahrung um zu erkennen was wirklich wichtig war und solange er dieses Wissen nicht besass mussten andere für ihn die Zügel halten. Immer noch. Plötzlich regte es sich hinter einer der Säulen und ein blondes Mädchen trat hervor. Ihre hohen Schuhe klapperten leise auf dem blanken Steinboden des Saals und überall wo sie ihren Fuß hinsetzte, schien die Luft um sie herum etwas leichter und reiner, das Licht etwas heller zu sein, als noch zuvor. Ihre kristallblauen Augen huschten besorgt zu der großen Flügeltür, durch die Abraxas eben verschwunden war, dann trafen sie sich mit Onesimus' Blick. Shantel strich sich lässig eine Strähne der silberglänzenden Haare aus dem hübschen Gesicht und lächelte Onesimus freundlich an. "Danke." Onesimus verschränkte besorgte die Arme vor dem Körper. "Er wird auch alleine nach der Burg suchen", stellte er überflüssigerweise fest. Shantel nickte. "Ich weiß, aber er wird länger brauchen und vielleicht besinnt er sich doch noch im letzten Moment." Shantel hob die Schultern und lies sie wieder sinken. Ein hoffnungsloser Ausdruck, hatte sich unbemerkt in ihre Augen geschlichen. "Ich will ihn nicht verlieren", wisperte sie.

Dreist

Argh... es tut mir leid, dass ich so lange nichts von mir und Abraxas hab hören lassen... irgendwie hab ich hier auf animexx das Hochladen schlichtweg vergessen^^° tut mir leid, tut mir leid... ich werde einfach jetzt in den nächsten tagen die ganzen kaps. hochladen^^°

auch wenns dann viel zu lesen wird *hust*
 

*winkz*

dat sinless
 

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Dreist
 

Der Vampir brodelte vor Zorn, als er Onesimus' Heim verlies. Erschrocken sprangen einige Dämonen zur Seite als sich Abraxas rücksichtslos einen Weg durch die Menge bahnte. Onesimus wollte ihm nicht helfen? Ha! Er brauchte keine Hilfe! Er würde diese verfluchte Burg auch alleine finden. Wütend gelangte er endlich an der Stelle an, wo er sein Pferd angebunden hatte und wollte nach den Satteltaschen greifen, um etwas Geld daraus zu holen - er würde einen Führer brauchen - als er feststellte, dass die Taschen nicht mehr da waren. Und das zugehörige Pferd stand irgendwie auch nicht mehr da, wo er es angebunden hatte. "SCHEIßE!" Die Säule, die Abraxas' Schlag aushalten musste, zitterte leicht und erste Risse zeigten sich unter der brutalen Behandlung des Vampirs. Heute ging aber echt alles schief. Wie hatte er nur so leichtsinnig sein können? Und war dieser Dieb nun besonders mutig oder ziemlich dumm? Wusste er denn nicht wer er war? Wer immer das gewesen war, er würde ein böses Ende nehmen. Langsam und schmerzhaft! Er würde dem Dieb lehren, was es hieß sich mit ihm anzulegen!

Dummerweise musste er ihn dazu aber erst einmal finden. Mersawjez war zwar noch keine echte Stadt, aber größer als ein normales Dorf war es allemal und es konnte sich als durchaus schwierig herausstellen, wenn man versuchte jemanden zu finden, von dem man weder Adresse, Namen oder wenigstens das grobe Aussehen wusste. Forschend zog Abraxas etwas Luft in die Nase ein. Aber nein, da war auch nichts. Zu viele Gerüche hatten sich an diesem Platz bereits überlagert. Die Fährte seines Tieres verlor sich schon nach wenigen Schritten. Hoffnungslos.

Was sollte er jetzt also tun? Resignierend stellte Abraxas fest, dass er keine Idee hatte. Er kannte sich außerhalb des Dorfes nicht aus. Er besass kein Reittier mehr und seine wenigen Habseligkeiten waren nun auch auf das zusammengeschrumpft was er bei sich am Leib trug. Abraxas kniff die Augen zusammen und fuhr sich nachdenklich über den Nasenrücken. Was nun? Dann spürte er ihn plötzlich. Diese ihm nun schon so lange bekannte Aura. Noch war sie ein kleines Stück von ihm entfernt, aber es würden nur wenige Augenblicke vergehen, bis er ihn erreicht hatte. Auch das noch. Mussten sie denn ausgerechnet HIER und JETZT aufeinander treffen? Abraxas hatte keine Lust auf einen Kampf und außerdem hatte er Angst, dass er ihn vor Wut versehentlich töten würde. Nicht ihn auch noch. Er hatte dieser Familie doch schon genug Unglück gebracht. Dann bemerkte Abraxas plötzlich, dass er sich gar nicht in seine Richtung bewegte. Er war auf halben Weg abgebogen und entfernte sich nun wieder vom Dorfzentrum. Wo wollte er hin? Abraxas' Verstand riet ihm sich auf die Suche nach dem Pferdedieb zu machen, bevor dieser über alle Berge war, aber jetzt wo die Neugier einmal geweckt war. Einen Moment zögerte Abraxas noch nachdenklich, dann setzte er sich in Bewegung. Wenn er sein Pferd nicht zurückbekam, konnte er notfalls immer noch fliegen. Allerdings behagte ihm der Gedanken nicht all zu sehr. Als Fledermaus war er klein, verletzbar und konnte sich, falls er angriffen wurde, nicht verteidigen und ab einer bestimmten Höhe konnte auch für Vampire ein entsprechender Sturz tödliche Folgen nach sich ziehen. An und für sich war der Rappe aber auch ein sehr schönes Tier gewesen, und es wäre doch sehr schade ihn zu verlieren. Diese und andere Gedanken spukten Abraxas durch den Kopf, während er sich immer weiter vom Zentrum entfernte. Er bemerkte nicht wie der Untergrund sich unter ihm langsam zu verändern begann. Die gepflasterten Straßen gingen immer weiter zurück und der Boden wurde nasser und matschiger vom Regen der vergangenen Nacht. Der Vampir sah nicht auf den Weg, den er beschritt. Sein Instinkt oder besser gesagt Kain würde schon darauf achten, dass er in die richtige Richtung lief. So war es auch nur sein zweites Ich, dass den seicht nach oben steigenden Duft des Todes bemerkte, der sich vom Untergrund zu erheben begann. Aber Kain dachte nicht einmal daran Abraxas darauf hinzuweisen. Abraxas bei seinen Selbstgesprächen zuzuhören, war nämlich wesentlich interessanter.

Was wollte der Dieb mit seinem Pferd? Hätte er sich denn kein anderes klauen können? Warum denn ausgerechnet gerade seines? Da standen doch noch genug andere herum. Hatte er es vielleicht verwechselt? Nein, es war der einzige schwarze Hengst gewesen. Natürlich und deswegen war er natürlich auch aus der Menge herausgestochen und der Langfinger hatte sich ausgerechnet SEIN Pferd ausgesucht. So etwas Unfaires! Hinterhältiges! Man stahl nicht die Dinge anderer Leute!

"Einen schönen Mantel hast du da", wurde er plötzlich angesprochen. "Ja, den hab ich von..." Abraxas schluckte und drehte mechanisch den Kopf in die Richtung aus der die Stimme gekommen war. Xhal lehnte keine zehn Schritte entfernt an einem Grabstein, hatte die Augen niedergeschlagen und nickte bedächtig. "Ja den Mantel hast du von mir. Weißt du eigentlich wie teuer ein neuer ist?" Endlich lies die entsetzte Starre Abraxas' wieder los und der Vampir zwang sich zu einem halbherzigen Lächeln. "Ja weiß ich, deswegen habe ich ja deinen mitgehen lassen, wenn du mit deinem dämmlichen Schwefelfeuer den meinen verbrennst." Xhal hob die rechte Hand und sofort spannte sich der Vampir. Wenn er ihn angreifen wollte, nur zu. Abraxas hatte sowieso schon die allerbeste Laune. Aber der Jäger hielt ihm nur Daumen, Zeige- und Mittelfinger entgegen. "Dreimal",bemerkte er ernst. Der Vampir blinzelte verwirrt, lies die Schultern hängen und wechselte unruhig von einen Fuß auf den anderen. "Dreimal?",wiederholte er lahm. "Was meinst du damit?" Xhal verschränkte die Arme vor dem Körper und taxierte Abraxas mit einem langen nachdenklichen Blick. "So oft hätte ich dich eben angreifen können und du hättest es erst bemerkt, wenn du schon tot gewesen wärst. Du wirst alt!" Man hörte wie der Vampir wütend mit den Zähnen knirschte. Aber der Jäger hatte Recht. Es konnte immer seinen Tod bedeuten, wenn er so leichtfertig durch die Gegend spazierte. "Und warum stehe ich noch hier?",fragte er trotzig. Xhal stieß sich von dem Grabstein ab und machte einen halben Schritt auf Abraxas zu, blieb aber stehen, als dieser sofort zurückwich. Wieder bedachte er ihn mit so einem merkwürdigen Blick, zuckte dann aber mit den Schultern und sagte: "Ich habe im Moment kein Interesse daran mich mit dir anzulegen außerdem..." Xhal machte eine Handbewegung über das Areal des Friedhofes auf dem die Beiden sich befanden. "Man soll die Toten nicht verhöhnen.",sagte er und fügte im selben Atemzug hinzu:"Ich geh sie besuchen. Kommst du mit?" In Abraxas Augen flackerte es kurz, dann nickte er.

Die eng aneinander stehenden Reihen der Grabsteine hatten sich gelichtet je weiter Xhal und Abraxas in das verwirrende Labyrinth des Friedhofes eingedrungen waren. Diese Ruhestätte hier musste schon sehr alt sein, denn die unzähligen Gedächtniszeugnisse waren um ein vielfaches zahlreicher, als die momentane Bevölkerungszahl im Dorf - alle, die nur kurzfristig über Nacht bleiben wollten, mitgerechnet. Trotzdem zeigten sich jetzt immer mehr Lücken zwischen den Steinen. Die Gräber waren immer neueren Datums. Dann hatten sie die beiden Hügel erreicht. In den drei Jahren in denen sich niemand um die Gräber gekümmert hatte, hatte sich Moos über die Schriftzüge gelegt und doch konnte man die filigranen Buchtstaben immer noch gut erkennen zumindest wenn man wusste, welche Namen dort stehen sollten. Eine zeitlang verharrten die beiden Männer stumm nebeneinander, dann räusperte sich Xhal. "Was wirst du jetzt tun?" "Mir ein neues Pferd besorgen. Irgend so ein Idiot hat es mir geklaut",knurrte Abraxas verstimmt. Xhal grinste schadenfroh. "Hast du Geld?"

"Nein." Das Grinsen des Jägers wurde noch breiter, hörte aber schlagartig auf, als er in Abraxas Gesicht blickte. Der Vampir sah aus, als würde er ihn jeden Moment zusammenschlagen. Und irgend jemand würde dieses Schicksal heute noch erfüllt bekommen - am liebsten dieser dämliche Dieb. "Weißt du wenigstens, wo du hinwillst?" Abraxas schüttelte verneinend den Kopf. "Mhmm",machte Xhal nachdenklich und setzte hinzu: "Dann lass es doch einfach." Schwermütig verschränkte Abraxas die Arme vor dem Körper und sah nach unten auf seine Füße. "Das geht nicht",stellte er leise fest.

"Du weißt, dass Ensyis' Seele wahrscheinlich schon längst zerstört ist? Auch wenn du ihn jetzt noch findest, wird es zu spät sein." Der Vampir nickte. "Ja ich weiß. Und trotzdem kann ich nicht aufhören. Du weißt doch auch, dass ich eigentlich nichts für ihren Tod kann ,weil ich es mir nicht ausgesucht habe, der zu sein, der ich bin. Und trotzdem kannst du auch nicht aufhören mich zu jagen. Habe ich Recht?" Ein leichtes Lächeln schlich sich über Xhals Züge. Ja, so war es wohl. Und es ging ihnen beiden gleich. Keiner konnte von dem Gefühl des Hasses ablassen, der sie vorantrieb. Denn dies war das einzige, was ihnen noch die Illusion gab zu leben. Und diese schreckliche Leere in ihm drin, würde sich vielleicht endlich wieder füllen, wenn er es zu Ende brachte, auch wenn das den Untergang des ehemaligen Freundes bedeutete. Xhal hatte nichts gesagt und doch wusste Abraxas was in ihm vorging. Denn es war genau das selbe wie bei ihm und deswegen war er ihm auch nicht böse. Mochte diese irrwitzige Jagd doch weiter gehen, bis ans Ende ihrer Tage, sollte sie nur. Wenigstens lebten sie auf diese Weise.
 

Die beiden standen noch eine Weile stumm nebeneinander, dann verabschiedete sich Abraxas und wandte sich zum Gehen. Schade, dass es so friedliche Augenblicke zwischen ihnen nur noch sehr selten gab. Abraxas hatte den Jäger in den vergangenen Jahren noch viel mehr zu respektieren und zu schätzen gelernt um so mehr tat es ihm leid, dass sie sich nicht unter anderen Umständen hatten kennen gelernt, aber was sollte es. So wurde ihm auf Dauer wenigstens nie langweilig. Als er den Friedhof durch das große Gattertor verlies fiel sein Blick sofort auf den am Zaun angeleinten Braunen mit der sternförmigen Blässe auf der Stirn. Abraxas erkannte das Tier mittlerweile schon aus der Ferne um so erstaunlicher war es, dass er auch das Pferd auf dem Hinweg nicht bemerkt hatte. Kain hatte ihn wirklich vollkommen auflaufen lassen. Kain - was war eigentlich mit ihm? Er war ungewöhnlich still. Abraxas musste nur einen kurzen Moment in sich hineinhorchen, als er auch schon die Ursache dafür fand. Sein zweites Ich schlief, wahrscheinlich hatte ihn das ewige Rumgestehe auf dem Friedhof zu sehr gelangweilt.

Für einen kurzen Moment spielte Abraxas mit dem Gedanken, ob er sich vielleicht Xhals Pferd aneignen sollte - verwarf ihn aber sofort wieder. Einen Mantel zu klauen war etwas anderes als ein ganzes Pferd und der Jäger konnte im Endeffekt nichts dafür, dass er sich so dusslig angestellt hatte. Trotzdem trat er an den Braunen heran und begann hastig in den Satteltaschen zu kramen. Das Tier schnaubte aufgeregt als es die unmittelbare Gegenwart des Vampirs spürte, blieb sonst aber ruhig, natürlich es gehörte ja einem Jäger. Das war es auch wieder. Sein Pferd kannte ihn, es hatte keine Angst mehr vor ihm und seiner Aura gehabt. Bei einem neuen Tier würde es einige Zeit in Anspruch nehmen, bis es ihm wieder so gut gehorchte wie es der Rappe getan hatte. Resignierend lies Abraxas die Hände sinken. In den Satteltaschen war nichts außer etwas Proviant und ein paar merkwürdiger Tinkturen. Xhal schien seine Wertsachen bei sich zu tragen. Schlauer Mann!
 

Der Tag neigte sich seinem Ende entgegen, als Abraxas müde und abgekämpft in eine der heruntergekommenen Spelunken Mersawjez' einkehrte. Er hatte den ganzen Nachmittag damit zugebracht nach seinem Pferd zu suchen, war aber erfolglos geblieben. Geld hatte er auch keines also würde er wohl oder übel auf die selbe Art und Weise wie dieser dreiste Dieb verfahren müssen, wenn er weiter wollte. Er würde sich in diese Kneipe setzten, warten bis die Insassen, alle mehr oder weniger heiter waren und sich dann einfach eines von deren Tieren aussuchen, so einfach. Oder er erkundigte sich einfach, wo es hier Pferde gab und würde direkt eines aus den Ställen mitgehen lassen. Morgen war er auf und davon und niemand würde ihn verdächtig, sofern niemand seine blauen Haare sah. Die waren einfach zu aufdringlich. Verdrießlich ließ sich Abraxas auf einen der Barhocker plumpsen und starrte grimmig geradeaus. Heute war einfach nicht sein Tag. Es war ja wirklich alles schief gelaufen was nur schief gehen konnte. Onesimus hatte ihm nicht gesagt, wo Meantoris Versteck war. Xhal hatte ihn zum Narren gehalten. Und sein Pferd und Geld war auch hoffnungslos verschwunden. Der Vampir seufzte leise, als er plötzlich bemerkte, dass er angestarrt wurde. Mürrisch hob er den Kopf und blickte direkt in das freundlich grinsende Gesicht neben ihm, welches ihn hartnäckig anlächelte. "Was willst du?",fauchte Abraxas aggressiv. Der Kerl kam ihm gerade recht um seine Wut an ihm auszulassen. Der drohende Ton in Abraxas Stimme schüchterte sein Gegenüber aber keineswegs ein, vielmehr verstärkte es den penetranten Gute-Laune-Ausdruck in seinem Gesicht noch. "Du siehst aus, als könntest du Hilfe gebrauchen! Vielleicht kann ich dir ja helfen?" Einen winzigen Augenblick dachte Abraxas darüber nach, ob es den jungen Kerl vor ihm umbringen würde, wenn er ihn quer durch den Raum schleuderte, kam zu dem Ergebnis, dass ein derartiger Flug tatsächlich tödlich verlaufen konnte, rollte also nur mit den Augen und starrte genervt geradeaus. "Wenn du nicht gerade ein Pferdehändler bist, gibt es nichts wo du mir helfen könntest!" Stille. Na also. Der Kerl war ruhiggestellt. "Nun..." Neeein! Begriff der denn nicht, dass er mit seiner Gesundheit spielte? "Ich bin tatsächlich im Besitzt eines Pferdes, welches ich gerne verkaufen würde. Wenn du es dir einmal anschauen wolltest." Schlagartig wurde Abraxas hellhörig. Zum ersten Mal musterte er sein Gegenüber nun etwas genauer. Der junge Mann hatte spitze Ohren und eine sehr helle bläulich schimmernden Haut. Auf seinen Wangen prangten auf beiden Seiten zwei scharf zulaufende dunkelblau schimmernde Streifen, die sich bis zu den spitzen Ohren hinzogen. Sinnloserweise trug der Kerl ein dunkles Stirnband, welches eigentlich vollkommen nutzlos war, da die hellen Türkis schimmernden Haare von ganz alleine Richtung Himmel standen. Jetzt da Abraxas einmal darauf achtete, konnte er auch den leichten Fischgeruch wahrnehmen, der von ihm ausging und den Vampir etwas angeekelt die Nase rümpfen lies. Kein Zweifel. Sein Gegenüber war eindeutig zur Rasse der Flussmenschen zugehörig oder Zebradämonen, wie sie im Volksmund abwertenderweise genannt wurden. "Also was ist nun?",fragte sein gegenüber drängend. "Es ist wirklich ein gutes Tier!" Ein bisschen stutzig machte Abraxas die aufdringliche Art des Fremden schon. Warum hatte er es so eilig sein Pferd loszuwerden? Aber den Vampir sollte es nicht stören. Wenn es sich bei dem Pferd um Diebesware handelte, würde der Kerl wenigstens nicht zur Wache laufen um zu melden, dass ihm ein Pferd gestohlen wurden war.

Die Beiden verließen das Gasthaus und der Flussmensch führte Abraxas zielsicher durch ein Gewirr von Pfaden und Gassen, die teilweise so klein und eng waren, dass sie diesen Namen noch nicht einmal mehr verdienten. Immer wieder registrierte Abraxas ein Hin und Her Huschen hinter ihm im Schatten, Kleidungsrascheln und das hastige Tappen von Schritten. Keiner der vermeintlichen Vagabunden ließ sich aber tatsächlich dazu herab sich ihnen in den Weg zu stellen. Wahrscheinlich wirkten die Beiden einfach zu uninteressant oder man kannte den Begleiter Abraxas'. Und das hatte Abraxas auf seinen Reisen bereits gelernt. Die Diebe und Halunken in einem Stadtbezirk hielten meistens wie Pech und Schwefel zusammen. Manch anderer, ehrlicherer Berufszweig konnte sich da ruhig mal eine Scheibe abschneiden.

Dann hatten sie plötzlich ihr Ziel erreicht, denn sein Führer deutete Abraxas mit einer knappen Handbewegung an stehen zu bleiben und verschwand selbst in einem der schmuddeligen Gebäude, nur um kurze Zeit darauf wieder herauszukommen, nun aber mit den Zügeln eines Pferdes in der Hand. Der Flussmensch grinste von einem Ohr zum anderen, als er Abraxas zunickte näher zu kommen und dabei zufrieden den Hals des Tieres klopfte. "Ein schönes Tier, nicht wahr? Ein besseres werdet ihr bestimmt nicht finden!",sagte er mit kaum überhörbaren Stolz in der Stimme. Ja da hatte der Kerl durchaus recht. Ein besseres würde er nur sehr schwer finden - schließlich war es sein eigenes.

Bevor er überhaupt registrierte was geschah, befand sich der Flussmensch auch schon an der gegenüberliegenden Hauswand und stellte mit Entsetzten fest, dass der Vampir schon wieder in seine Richtung unterwegs war. Abraxas packte den Jungen am Kragen, zog ihn nach oben und knallte ihn brutal gegen die grobe Mauer. Dem jungen Mann entwich ein leiser Schmerzenslaut. "Was tust du?",rief er panisch und hätte wohl noch mehr gesagt wenn ihm Abraxas in diesem Moment nicht heftig in den Magen geschlagen hätte. Der junge Mann beugte sich stöhnend nach vorne, wurde aber sofort von Abraxas festgehalten. Fast sanft griff der Vampir an den Hinterkopf des jungen Manne und drehte ihn etwas zur Seite, so dass sein Hals nun entblößt vor ihm lag. "Heute Morgen wurde mir mein Pferd gestohlen. Ein schöner schwarzer Rappe. Es sieht dem hier doch zum Verwechseln ähnlich, findest du nicht?",hauchte ihm Abraxas ins Ohr und registrierte zufrieden, wie sein Opfer ängstlich zu zittern begann. Dem jungen Mann entfuhr ein spitzer Schrei, als sich Abraxas scharfe Zähnen in seinen Nacken bohrten. Verzweifelt versuchte er den Vampir von sich zu stoßen, aber die Kräfte des Ungeheuers überstiegen die seinen bei weitem. "Hör auf!",rief er flehend, doch Abraxas dachte nicht einmal daran. Jetzt wo das warme Blut seinen Rachen hinunter rann gab es eh kein Halten mehr. Er hörte das erbitterte Flehen seines Opfers schon gar nicht mehr, aber er hörte wie das Blut in seinen Adern rauschte. Den erbitterten Kampf, den es ausfocht und den es nur verlieren konnte, diese herrliche Melodie des Todes aber er spürte auch die warme Flüssigkeit, die plötzlich seine Wange berührte. "Bitte... Ich tu alles was du willst. Bitte, bitte lass mich leben! Bitte!",wimmerte die gebrochene Gestalt in seinen Armen und es waren nicht die Worte, die Abraxas von ihm ablassen ließen, sondern die heißen Tränen, die sein Gesicht hinab rannen. Wer war er, dass er es wagte über Leben und Tod zu entscheiden? Wegen einer Lappalie, wie einem Pferdediebstahl?

Der Flussmensch hockte wimmernd zu Abraxas Füßen und hielt sich die Halswunde, aus der immer noch leicht Blut rann. Fast wollte sich Abraxas zu ihm hinunter knien und ihn beruhigen, riss sich aber im letzten Moment doch noch zusammen und blieb stehen. So weit kam es noch, dass er sich entschuldigte - er hatte ihm schließlich das Leben geschenkt - nein, er hatte eine bessere Idee. "Du wolltest alles tun?",fragte er leise. In der Gasse war es einem Moment lang still, während der junge Mann Abraxas beunruhigt anstarrte - Man sah förmlich, wie es hinter seiner Stirn aufs hektischste zu arbeiten begann - dann nickte er mit etwas Verzögerung. "Kennst du dich in dieser Gegend hier aus?" Wieder erfolgte nach einiger Zeit ein Nicken, das Abraxas auf die selbe Art und Weise quittierte. "Wie heißt du?",fragte er dann. "Yuuryon",erklang leise die Antwort. Jetzt hockte sich Abraxas doch vor ihn hin und lächelte Yuuryon aufmunternd zu. "Gut Yuu. Dann bist du ab jetzt mein Weggefährte, solange bis wir mein Ziel gefunden haben."

Kälte

Kälte
 

"Was bitte willst du damit?"

Abraxas zuckte mit den Schultern und warf ein weiteres Holzstück in das schon hoch aufzüngelnde Feuer. Die Sonne war bereits im Begriff hinter dem Horizont zu verschwinden und bald würde es auf der baumlosen Ebene erbärmlich kalt werden. "Ich kenne mich hier nicht aus, also brauche ich jemanden der für mich Führer spielt",gab er ruhig zur Auskunft und beachtete Shantel, die aufgebracht hin und her lief, mit ihren für die grobe Ebene, auf der sie sich befanden viel zu hohen Stiefel, immer wieder hängen blieb und dabei den schwarzen Hengst, der nicht weit entfernt graste zu einem unruhigen Schnauben brachte, nicht weiter. Shantels Hysterieanfälle ignorierte man am besten, sich aufregen oder gar versuchen sie zu beruhigen brachte in der Regel immer nur den gegenteiligen Erfolg. Yuuryon - der Grund für Shantels Aufregung - wusste das aber leider noch nicht, sondern hockte nur ziemlich eingeschüchtert auf dem Boden, hatte die Arme vor dem Körper verschränkt und beobachtete den rasenden Engel misstrauisch. Shantel stoppte jäh, drehte sich auf dem Absatz herum und musterte den verstörten Flussmenschen noch einmal eingehend. Dann lächelte sie, drehte sich zu Abraxas und setzte sich auf seinen Schoß. Der Vampir schlang zufrieden die Arme um ihren schlanken Körper und wollte sie an sich drücken, aber Shantel schob ihn grinsend von sich weg. "Ich verstehe ja, dass du jemanden brauchst, der sich hier auskennt." Abraxas nickte freundlich. "Ja. Weil ich mich sonst hoffnungslos verlaufe und die Burg nie finde. Du kennst meinen Orientierungssinn." Shantel legte ihre Arme um Abraxas Hals und ihre Stirn an die seine. Die blauen Augen funkelten Abraxas schelmisch an und straften jeden Gedanken daran, dass sie eben noch wütend durch die Gegend gestapft war, Lügen. "Aber doch nicht so was...",erklärte sie schmeichelnd. "Schau mal. Es hat Streifen im Gesicht, ist alles andere als unauffällig. Du hast mir selbst gesagt, dass es wohl eine Art Dieb ist und deswegen alles andere als vertrauenswürdig. Es hat keinen Sinn für Mode, wird dich bei der nächsten Gelegenheit hintergehen und du musst drauf aufpassen und es füttern!"

"Und er stinkt nach Fisch! Das hast du vergessen.",ergänzte Abraxas lächelnd. Yuuryon räusperte sich aber weder Shantel noch der Vampir beachteten ihn. Sie schienen in ihrer ganz eigenen Welt zu schweben und Störungen waren nicht erwünscht. "Schön, dass du es verstanden hast",wisperte sie und biss Abraxas spielerisch ins Ohrläppchen. "Natürlich. Einen Besseren werde ich nicht finden, der die Arbeit umsonst macht."

Shantel sprang auf. "ICH GLAUBE ES NICHT!" Einem kleinen Kind gleich stapfte sie aufgebracht auf den Boden und sah für einen Moment aus als wolle sie sich auf Abraxas stürzen und ihm die Augen auskratzen. Dann hatte sie sich aber wieder weitestgehend unter Kontrolle und strich sich betont lässig eine Haarsträhne aus dem vor Wut geröteten Gesicht. Scheinbar hatte sich Shantel wieder beruhigt, aber der Vampir kannte sie zu gut um den lauernden Unterton, der in ihrer Stimme schwang zu überhören. Auch die immer noch rasenden Herzschläge und das Blut, welches sich kochend seinen Weg durch ihre Adern bahnte sprachen ihr Übriges und gaben Auskunft darüber, wie gefasst die junge Frau wirklich war. Abraxas hingegen wurde zunehmend gelassener. Er hatte sich schon längst entschieden und niemand - auch Shantel nicht - würde ihn von seinem Entschluss abbringen. "Ich meine ja nur, dass du es dir vielleicht noch mal überlegen solltest und statt dessen jemanden mitnimmst, der dir nicht bei nächster Gelegenheit ein Messer in den Rücken stoßen wird",versuchte sie es nun auf eine etwas versöhnlichere Weise. Abraxas deutete eine Achselzucken an und machte gleichzeitig eine abwinkende Geste. "So jemanden wirst du hier nicht finden. Wir befinden uns im Hinterland. So weit ich weiß heißt diese Gegend hier nicht ohne Grund so. Außerdem..." Abraxas erhob sich schwerfällig, verschränkte die Arme vor dem Körper und baute sich in voller Größe vor Shantel auf, so dass sie nun zu ihm aufsehen musste. "In erster Linie geht es dir doch darum, dass ich möglichst lange brauche um die Burg zu finden und deswegen lieber vorher aufgebe! Denkst du ich hätte dich nicht bemerkt, als ich bei Onesimus war?",meinte er trocken. Shantel begegnete seinem anklagenden Blick gelassen, was sollte es auch bringen sich zu verteidigen, schließlich stimmte alles was er ihr vorwarf. "Du läufst direkt in deinen Untergang",sagte sie leise. "Dein Ziel ist gleichbedeutend mit deinem Tod. Du kannst nicht gewinnen." Abraxas nickte wissend. "Dann soll es so sein. Aber ich muss es wenigstens versuchen, sonst könnte ich es mir ein Leben lang nicht verzeihen." Und er würde lang leben, wenn ihn niemand umbrachte. Für einen Moment sah es so aus, als wolle Shantel wieder zornig auffahren, aber als ihr Abraxas in das Gesicht blickte, fand er dort nur den Ausdruck müder Resignation. "Denkst du auch einmal an mich?",fragte sie erschöpft. Die Worte trafen ihn fester und tiefer als es jeder Faustschlag vermocht haben könnte. Aber es war nicht der anklagende Ton in dem sie gesprochen wurden waren, sondern die Tatsache, dass in ihnen einen Wahrheit lag, die Abraxas auf keinem Fall akzeptieren wollte. Mit zwei Schritten war er an Shantel heran und drückte sie bestürzt an sich. "Es tut mir leid",wisperte er, während er sein Gesicht in ihren leicht duftenden Haaren vergrub. Schlagartig wurde ihm bewusst wie sehr er sie liebte, wie wichtig ihm Shantel war. Dass es niemanden anderen mehr gab, der ihm so viel bedeutete und niemanden, dessen Verlust so schmerzen würde, wie der ihre. Abraxas war sich sicher, dass er den Verstand verlieren würde, wenn ihm irgendwann jemand diesen Engel aus seiner Umarmung entreißen würde. Und doch - und doch war immer sie es, die er am meisten verletzte, der er am meisten wehtat und deren Meinung er am meisten überging, so wie auch jetzt. "Ich MUSS gehen."

Shantel stieß ihn von sich. Taumelnd wich sie einige Schritte vor ihm zurück, schien das Gleichgewicht zu verlieren, aber als Abraxas zu ihr hineilte um sie vor einem Sturz zu bewahren, schlug sie seine Hand erbost beiseite, verlor dabei endgültig das Gleichgewicht und landete mit einem dumpfen Laut auf ihrem Hintern. Bestürzt reichte ihr Abraxas seine Hände entgegen und wollte sie nach oben ziehen, aber wieder schlug Shantel sie weg. "Fass mich nicht an!",zischte sie zornig und rappelte sich umständlich selbst wieder in die Höhe. Abraxas wollte etwas sagen, aber Shantels zornige Stimme, ließ ihm die Worte im Halse stecken bleiben. "Dann tu doch was du willst!",fauchte sie aufgebracht. "Renn in den Tod! Mach doch! Ich werde bestimmt nicht um dich weinen!" Komischerweise tat sie es jetzt bereits, aber Abraxas würde sich hüten sie darauf hinzuweisen. Er wollte etwas zu seiner Verteidigung sagen, aber wieder bekam er keine Gelegenheit dazu. Vielleicht lag es daran, dass Shantel ihm einfach keine Zeit dazu ließ zu reagieren, viel wahrscheinlicher war es aber, dass es einfach nichts gab womit er sich verteidigen konnte. Alle Gründe die ihm spontan einfielen, hörten sich selbst in seinen Ohren mehr als nur lächerlich an. "Früher hättest du dich nicht so verhalten",meinte Shantel und ließ betrübt den Kopf hängen. Ja und auch da hatte sie Recht. Früher hätte er sie niemals so vor den Kopf gestoßen, niemals hätte er seinen Entschluss über den eines anderen gestellt, niemals Widerworte gezeigt, gegen wen auch immer. Aber diese Zeit war vorbei. Er hatte sich verändert. Den letzten Gedanken sprach er laut aus. Shantel hob nachdenklich den Kopf und musterte Abraxas lang und eindringlich. Dann zwang sie sich ein halbherziges Lächeln auf die Lippen, oder besser gesagt versuchte sie es, aber in ihrem erfrorenem Gesicht geriet es zur Grimasse. "Tu was du denkst tun zu müssen, aber ich werde dich nicht dabei unterstützen." Dann war sie verschwunden. Im Bruchteil einer Sekunde, von einem Augenblick zum nächsten war der Platz leer, auf dem sie eben noch gestanden hatte.

Yuuryon, der die ganze Zeit schweigend dem Streit gelauscht hatte, stieß einen verblüfften Laut aus, als Shantel einfach so im Nichts verschwand, aber Abraxas schenkte ihrer kleinen Einlage schon längst keine Beachtung mehr. Zu oft hatte er das Kunststück nun schon gesehen. Schweigend drehte er sich um und lief langsam zur Feuerstelle und Yuuryon zurück. Es war nicht das erste Mal, dass die beiden sich über dieses Thema gestritten hatten, auch nicht das erste Mal, dass dabei harte Worte gefallen waren, aber irgendwie ließ den Vampir das Gefühl nicht los, dass er es diesmal zu weit getrieben hatte. Müde ließ sich Abraxas zu Boden fallen und streckte die Hände der Feuerstelle entgegen. Aber selbst die hochflammenden Ausläufe des Feuers, vermochten es nicht die Kälte zu vertreiben, die sich langsam jedoch unaufhörlich in seine Glieder geschlichen hatte.

Ein dumpfes Grollen, welches sich als der knurrende Magen Yuuryons entpuppte, riss ihn schließlich aus seinen trüben Gedanken. "Hör auf so einen Lärm zu machen!" Yuuryon schnappte entgeistert nach Luft, verkniff sich aber jeglichen Kommentar. Der Dieb schien ganz instinktiv zu spüren, dass es wohl besser war Abraxas nicht zu reizen. Abraxas seinerseits schien den Flussmenschen als willkommenes Objekt, an dem er seine Wut ablassen konnte, zu betrachten. "Was glotzt du so dämlich?",fragte er, schaffte es damit aber immer noch nicht Yuuryon aus der Reserve zu locken. Der junge Mann zuckte zwar für einen Moment zusammen, auch konnte man sehen, wie sich seine Finger in einander gruben, so dass die Gelenkknöchelchen weiß hervortraten, blieb ansonsten aber gelassen und ging nicht auf Abraxas' Provokation ein. Dummerweise begann in diesem Moment wieder sein Magen zu knurren, diesmal wesentlich lauter und lang anhaltender als noch zuvor. "Hab ich dir nicht gesagt, dass du ruhig sein sollst?"

Das war zu viel. Yuuryon sprang auf die Beine und stürzte sich auf Abraxas. Der Vampir hatte die Bewegung natürlich kommen sehen. Spielerisch wich er Yuuryons Schlag aus, griff nach seinem Arm und warf den überraschten Flussmenschen zu Boden. Sofort war er über ihm, verdrehte ihm brutal den Arm auf Rücken und drückte seinen Kopf nach unten. "Was denn, Yuu? Wirst du aufmüpfig?" Yuuryon stöhnte vor Schmerz, aber noch gab er sich nicht geschlagen. Heftig zappelnd versuchte er den Vampir abzuschütteln, aber alle Mühen waren vergebens - sie brachten ihm nur weitere Schmerzen und seine Knochen begannen müde zu ächzen. *Hör auf! Du brichst ihm ja noch den Arm*,mahnte Kain aber Abraxas reagierte gar nicht darauf. Ja und? Was machte das schon? Dieser Kerl war es doch eh nicht wert. *Hör auf!*,wiederholte Kain noch einmal beschwörend. *Wenn du ihm etwas tust, wird er für uns vollkommen nutzlos. Dann wirst du noch länger brauchen um die Burg zu finden! Also lass das!* Es widerstrebte Abraxas zutiefst, aber widerwillig musste er einsehen, dass Kain Recht hatte. Er versetzte Yuuryon noch einen harten Schlag mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter, dann ließ er ihn los. Der junge Mann rollte sich stöhnend auf die Seite und rutschte auf dem Hintern ein paar Schritte von Abraxas weg. Mit schmerzverzerrten Gesicht rieb er sich den geschundenen Arm und fixierte Abraxas misstrauisch, aber der Vampir schien schon wieder jegliches Interesse an ihm verloren zu haben.

Nach einiger Zeit in der sie sich beide angeschwiegen hatten und Yuuryon darauf wartete, dass das dumpfe Pochen in seinem Arm endlich nachließ, fragte er: "Warum hast du das gemacht?" Nachdenklich legte Abraxas die Stirn in Falten und zuckte dann mit den Schultern. Das war, wie er festellen musste, eine sehr gute Frage. Tatsache war, dass ihn Shantels Auftritt wohl mehr mitgenommen hatte, als er sich selbst eingestehen wollte und dann hatte er irgendetwas gebraucht, woran er seine Wut ablassen konnte und Yuuryon war nun einmal der erstbeste gewesen, der ihm da in die Finger geraten war. Ausweichend antwortete er aber:"Ich wollte meine Ruhe haben, aber du hast Lärm gemacht." Fassungslos schnappte Yuuryon nach Luft. "Das... das ist doch nicht dein Ernst!" Aber Abraxas nickte unerbittlich. "Doch. Ich habe deinem Magen nicht erlaubt zu knurren, aber er hat es getan." Die Antwort hatte scherzhaft klingen sollen, aber sie verfehlte ihre Wirkung gänzlich. Yuuryons Gesicht wurde nur noch blasser, als es eh schon war und in seine hellen Augen schlich sich ein gehetzter Ausdruck. Eingeschüchtert zog er die Beine an den Körper heran und legte seine Hände darum. "Ich habe aber Hunger!" Zwar zitterte seine Stimme leicht, trotzdem brachte der kaum überhörbare Trotz Abraxas zum Schmunzeln. Und gleichzeitig erweckte es in ihm auch ein bisschen sein schlechtes Gewissen. Nicht so sehr deswegen, weil er ihn geschlagen hatte, sondern eher, weil er ihn gezwungen hatte vollkommen mittellos aus Mersawjez aufzubrechen. Es war lange her, dass Abraxas mit einem Normalsterblichen unterwegs auf Reise gewesen war und er hatte vergessen, dass diese Wesen mehr Bedürfnisse hatten als er selbst. Und jetzt hatte er den Salat. Weder hatte er Yuuryon gestattet Proviant mitzunehmen, noch andere seiner Habseligkeiten, bis auf das was er selbst am Körper trug, sondern darauf beharrt sofort aufzubrechen.

Mittlerweile war über den Beiden tiefste Nacht aufgezogen. Nur vereinzelt sah man einen Stern am Himmel blinken, größtenteils war er aber mit den dunklen Wolken verhangen und es wehte ein eisiger Wind. Durch das warme Feuer, welches Abraxas vollkommen ausreichte spürte er die Kälte nicht, aber Yuuryon, der noch nicht mal einen Mantel hatte und bis auf eine lange Hose und ein ärmelloses Hemd nichts weiter besass, was ihn gegen die Kälte schützen konnte, musste inzwischen schon ganz schön ausgekühlt sein. Jetzt wo er einmal darauf achtete bemerkte Abraxas auch das leichte Zittern, welches Yuuryon bereits ergriffen hatte und er war sich sicher, dass es diesmal nichts mehr mit ihm zu tun hatte. Die Tage im Jahr in denen man bedenkenlos auch Nachts umherstreifen konnte, waren vorbei. Obwohl es am Tag noch verhältnismäßig warm war, wurde es in der Nacht doch schon erbärmlich kalt. Bald würde der Winter ins Land ziehen. "Yuu. Wo ist hier die nächste Siedlung?" Yuuryon, der nicht mehr mit einer Reaktion Abraxas' gerechnet hatte, fuhr erschrocken zusammen als er so unvorhergesehen angesprochen wurde, dann fasste er sich aber schnell wieder und nachdem er seine Gedanken etwas geordnet hatte, deutete er in Richtung Westen. "Dort. Keinen halben Tagesritt entfernt. Das liegt aber nicht auf dem Weg, den du einschlagen wolltest. Du wolltest nach Norden." Gelassen zuckte Abraxas mit den Schultern, erhob sich und begann mit den Füßen Sand in das Feuer zu scharren."Hilf mir mal!",forderte er, musste seinen Satz aber noch ein zweites Mal wiederholen, bis sich Yuuryon endlich widerwillig in die Höhe stemmte. "Warum machst du das Feuer aus? Es ist schon kalt genug!",moserte er herum. Abraxas ignorierte ihn und rief statt dessen nach seinem Pferd, welches auch sofort gehorsam angetrabt kam. Mit einer anmutigen Bewegung schwang er sich in den Sattel hinauf und ritt auf Yuuryon zu. Kurz vor dem Flussmenschen brachte er den Hengst zum Stehen und nickte ihm auffordernd zu. "Steig auf! Ich will die Siedlung noch vor Morgengrauen erreichen."

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...Ja dem ist so.

Kain erwachte mit einem erschrockenem Schrei auf den Lippen. Neben ihm fuhr Yuuryon ebenfalls in die Höhe. Bisher hatte der Vampir noch nie Probleme damit gehabt, sofort richtig wach zu sein, aber jetzt fiel es ihm schwer, die Wirklichkeit wieder in die dazugehörigen Schubladen zu ordnen. Als Yuuryon sich leicht besorgt danach erkundigte, ob mit ihm alles in Ordnung war, nickte er erst mit etwas Verzögerung. Irritiert bemerkte Kain, dass ihm das Herz bis zum Halse schlug, aber komischerweise nur ihm. Abraxas schlief noch tief und fest. Was war nur los? Unruhig fuhr sich der Vampir durch die blauen Haare und versuchte sich zu erinnern, was ihm so eine Angst eingejagt hatte. Er hatte geträumt, oder zumindest glaubte er, dass es ein Traum gewesen war. Aber was hatte er geträumt? Frustriert schüttelte er den Kopf, als er feststellte, dass er sich nicht erinnern konnte, während ihn Yuuryon immer noch aufmerksam beobachtete. Ein Traum- eigentlich kein Grund besorgt zu sein, aber gerade er wusste es besser. Wenn man selbst fast auch nur eine Art Traumgestalt war, dann lernte man die Visionen des Unterbewusstseins ernst zu nehmen. Aber Abraxas schien das Ganze diesmal nicht zu betreffen, wie sonst war es zu erklären, dass er immer noch ruhig in Kains Unterbewusstsein schlief. Ein spöttisches Lächeln schlich sich über Kains Züge - Was er jetzt alles mit Abraxas' Körper hätte anstellen können. Feiern, Saufen, Prügeln - anderseits... Kain warf einen missmutigen Blick Richtung Fenster und dieser bestätigte ihm, was er bereits befürchtete hatte. Durch das schmale Fenster der Herberge in der sie die vorangegangene Nacht noch abgestiegen waren, brach strahlendes Sonnenlicht. Der goldene Herbst schien seinem Namen noch einmal alle Ehre machen zu wollen und zeigte sich nun im herrlichsten Sonnenschein. Jeder musste bei diesem Wetter einfach gute Laune bekommen, nicht so aber Kain. Der Vampir liebte die Dunkelheit und allzu helles Licht weckte in ihm nur die ungute Erinnerung, an scheinbar nicht enden wollende Sanddünen. Yuuryon - nachdem er sicher war, dass 'Abraxas' scheinbar vollkommen in Ordnung war (schade eigentlich) - begann immer noch leicht verschlafen nach seinen umherliegenden Kleidungsstücken zu suchen. Es war nicht viel, was er noch besass. Aber es war genug um es noch großflächig in dem engen Zimmer, welches die Beiden übergangsweise bewohnten, zu verteilen. Schmunzelnd stellte Kain fest, dass man problemlos die genaue Spur erkennen konnte, auf der Yuuryon nachts durch das Zimmer getingert war. Abraxas hatte seine Sachen ja wenigstens noch alle auf einen Haufen geworfen, aber so zerknautscht und die dreckigen Stiefel zuoberst, dass man von Ordnung auch schon lange nicht mehr sprechen konnte. Missmutig angelte Kain nach den Sachen, versuchte wenigstens den gröbsten Schmutz von ihnen abzuklopfen - bei dem Versuch blieb es dann aber auch - und schlüpfte dann mehr aus einer Notwendigkeit, als wirklich aus dem Wunsch heraus in die Kleidungsstücke. Wie hielt das Abraxas nur aus? Dieser ständige Sandbelag auf der Haut - Gott sei Dank, bekam er das normalerweise nicht mit. Während Kain noch damit beschäftigt war, Abraxas Stiefel hochzuschnüren, versuchte Yuuryon im an der schäbigen Wand angebrachten, blinden Spiegel zu erkennen, ob sein Stirnband an der richtigen Stelle sass. Es sah anders aus, als am Tag zuvor, aber lächerlich blieb lächerlich und das teilte Kain dem Flussmenschen auch unverblümt mit. Yuuryons Mundwinkel verzog sich gekränkt nach unten, aber er sagte nichts - scheinbar haftete ihm noch immer die Erinnerung an die vergangene Nacht an und Kain konnte es ihm schwer verübeln. Nachdenklich trat Kain an das Fenster heran und sah auf die unter ihm liegende Straße hinab. Unter ihm rappelten Karren unter lauten Getöse auf dem Kopfsteinpflaster entlang. Scheinbar war heute Markttag, den unter den Planen, der Karren konnte er die verschiedensten Waren erspähen, von Brot, Hühnern und Schweinen bis hin zu schönen Vasen und edlem Schmuck. Von seinem hohen Standpunkt aus konnte er auch schon die ersten vorwitzigen Halunken entdecken, welche die ertragreichsten Karren auskundschafteten. Wenn sie sich weiter so auffällig verhielten, würden sie den Abend wohl im Burgverlies der Stadt zubringen. Neben ihm trat Yuuryon ans Fenster und sah ebenfalls hinab. "Payck ist als Handelsstadt weit bekannt",erklärte er mit einem Kopfnicken auf die beladenen Karren hin. "Allerdings ist die Stadt nicht wegen des öffentlichen Handels so anziehend sondern eher wegen dem was unter der Ladentheke vonstatten geht. Allgemein geht man davon aus, dass Herzog Burgund als Oberhaupt die Geschicke der Stadt in den Händen hält, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass die eigentlich Macht im Untergrund fest in den Klauen der Assassinen- und Diebesgilde ist." Kain nickte verstehend. "Du kennst dich gut aus", bemerkte er anerkennend. "Aber jetzt sei besser ruhig, sonst weckst du ihn noch auf." Yuuryon blinzelte verwirrt und wollte schon zu einer Frage ansetzte, wurde aber von einer herrischen Geste Kains zum Schweigen gebracht. Stumm griff der Vampir nach Abraxas' am Boden liegenden Mantel, deutete Yuuryon an ihm zu folgen und verließ das Zimmer.

Die marode Treppe, welche hinab in die Wirtsstube führte, knarrte bedrohlich unter den Schritten der beiden Männer und Kain war froh, als er wieder festen Dielenboden unter den Füßen spüren konnte. Der Schankraum war bis auf einen alten Mann, der einsam an einem der kleineren Tische in der Ecke sass und irgendetwas Undefinierbares in sich hinein schaufelte, noch vollkommen leer - kein Wunder in dieser frühen Stunde. Kain sah sich nur kurz nach dem Wirt um, dann entdeckte er ihn schon und orderte für Yuuryon etwas zum Essen an. Die beiden hatten kaum an einem der runden Tische Platz genommen als er auch schon wieder bei ihnen war und vor Yuuryon eine dampfende Schüssel stellte. Als er sich aber anschickte eine derartige Schüssel auch vor Kain zu stellen, schüttelte dieser nur angewidert den Kopf. So weit kam es noch. Selbst wenn der Inhalt der Schüssel appetitlicher ausgesehen hätte, hätte schon die Welt untergehen müssen, bis der Vampir sich dazu hinreißen lassen hätte wieder normale Nahrung zu sich zu nehmen. Das Zeug war doch einfach nur widerlich. Derartige Gedanken schien Yuuryon allerdings nicht zu hegen. Der Flussmensch verschlang das Essen mit einem derartigen Heißhunger, als hätte er seit Tagen nicht mehr gegessen. Nun vielleicht war dem auch so, oder er wollte einfach nicht darüber nachdenken, WAS er da eigentlich zu sich nahm. Nein eine der besten Herbergen in der sie bis jetzt abgestiegen waren, war das hier eindeutig nicht und Kain war sich sicher, dass sich Abraxas bei der Zeche trotzdem übers Ohr hauen lassen würde. Der Mann hatte einfach kein Geschäftstalent.

Es vergingen einige Augenblicke, in denen man nur das emsige Scharren von Yuuryons Besteck auf dem Schüsselboden hören konnte und in denen Kain Zeit fand etwas genauer in sich hinein zuhören. Abraxas schlief tief und fest. Seine Seele war weit in den Tiefen der gemeinsamen Geistesebene gesunken und es war mehr als unwahrscheinlich, dass er irgendetwas von außen mitbekommen würde. Für einen Moment fragte sich Kain warum Abraxas eigentlich so erschöpft war, kümmerte sich dann aber nicht weiter darum sondern begann sich immer mehr darüber zu freuen, dass er für diesen Moment wirklich alleiniger Herr aller Sinne war. Was also wollte er jetzt machen?

Nachdenklich fiel sein Blick auf Yuuryon, der just in diesem Moment seine Mahlzeit beendet hatte und seinen Blick fragend erwiderte. "Sag mal...", begann Kain leise und registrierte erstaunt, wie sich Yuuryon verspannte. Abraxas schien wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. "Warum hast du mich eigentlich angesprochen?" Yuuryon blinzelte verwirrt. "Wann, jetzt?",fragte er verstört. "In Mersawjez. Warum hast du mich da angesprochen? Hättest du das nicht getan wärst du jetzt gar nicht hier." Yuuryon wand beschämt den Kopf ab. "Du bist ein Vampir",stellte er fest. Kain nickte. "Ja dem ist wohl so."

"Vampire sind reich!"

"Ach?",machte Kain und lupfte ehrlich erstaunt eine Augenbraue. "Ist das so?" Heftig nickte Yuuryon mit dem Kopf. "Ja! Zumindest sagt man das so. Vampire hegen gewisse Ansprüche. Luxus und dergleichen und dafür braucht man natürlich Geld!" Skeptisch schweifte Yuuryons Blick zur modrigen Zimmerdecke. Der Boden hing durch und da und dort zeigten sich Schimmelflecken. Sicher hatte der Flussmensch schon lange an seinen eigenen Ausführungen zu zweifeln begonnen, aber Kain hatte ja gefragt. "Und du als Dieb, wolltest dir so ein mutmaßlich lohnendes Opfer natürlich nicht entgehen lassen und hattest vor mich in irgendeiner Art und Weise über den Tisch zu ziehen. Richtig?" Yuuryon nickte zerknirscht. Dass es ein Fehler gewesen war, ausgerechnet diesen Vampir anzusprechen wusste er nun mittlerweile auch schon. Aber wer bitte hatte denn ahnen können, dass er ausgerechnet dem, dem er das Pferd erst gestohlen hatte, selbiges auch wieder andrehen wollte. Berufsrisiko.

Einen Augenblick lang war es still am Tisch, indem Kain emsig darüber nachdachte, was jetzt zu tun war, dann fasste er einen Entschluss und erhob sich ruckartig. "Komm Yuu. Wir gehen einkaufen!"
 

Obwohl Kain nie zuvor in dieser Stadt gewesen war, legte er ein derartiges Tempo vor, dass Yuuryon einige Mühe hatte mit ihm Schritt zu halten. Der Vampir huschte scheinbar ziellos zwischen den einzelnen Ständen des riesig anmutenden Marktes hin und her, verweilte keinen einzigen Moment, sondern lief wie von einem unsichtbaren Geist gehetzt immer weiter, bis ihn Yuuryon schließlich keuchend bat stehen zu bleiben. "Was hast du vor?",fragte Yuuryon atemlos und stützte sich nach Luft ringend auf seine Oberschenkel. Aber Kain antwortete nicht. Er hatte vorgehabt sich durch dieses scheinbar ziellose Umherlaufen einen genauen Überblick über den Markt zu schaffen - aber es war ihm nicht gelungen. Das Kunststück, welches sonst mit zwei wachen Geistern ohne größere Anstrengung gelang, missglückte hier sogar in den Ansätzen. Kain hatte auf dem ihm fremden Markt nicht mehr Orientierung, als wie weit er erblicken konnte. Der Vampir wusste also weder wo jetzt die besten Waren zum billigsten Preis angeboten wurden, noch von welchen Ständen er sich besser fern halten sollte, wollte er keinen Ärger riskieren. Nicht, dass Kain sonderlich viel Probleme damit gehabt hätte Unruhe zu stiften - im Gegenteil - dummerweise musste er aber immer noch daran denken, dass er im Moment jemanden dabei hatte, der im Gegensatz zu ihm nicht so gut wie unsterblich war. Wie hatte sich Shantel ausgedrückt? Man musste darauf aufpassen, es pflegen und füttern - wie recht sie doch gehabt hatte. "Du weißt doch was du brauchst, oder?"

"Wie meinst du das?" Bildete es sich Kain nur ein, oder musste man diesem Idioten wirklich alles doppelt und dreifach erklären? Langsam kam es ihm so vor. "Du sollst mich begleiten und bist für eine längere Reise absolut nicht ausgerüstet. Du brauchst irgendetwas Warmes für die Nächte - einen Mantel oder so, Proviant, vielleicht eine Tragtasche oder ähnliches. Das wirst du doch selbst am Besten wissen." Yuuryon nickte schüchtern. "Also los mach dich auf den Weg!" Als Yuuryon immer noch keinerlei Anstalten machte sich zu bewegen, packte ihn Kain an der Schulter, drehte ihn grob herum und schubste ihn auf die Stände zu. "Du bist ein Dieb!", zischte er ihm lauernd ins Ohr und Yuuryon verstand sofort, was der Vampir wollte. Aber mit diesem Begreifen packte ihn auch sogleich grausiges Entsetzten. Nein, das ging nicht. Der Flussmensch öffnete den Mund um zu protestieren, aber Kain lies ihn gar nicht zu Wort kommen. "Also solltest du wissen, wie du auch ohne Geld an die Sachen herankommst. In einer Stunde kommst du wieder hierher." Kain ließ ihn los und richtete sich zu voller Größe auf. Jegliches Lächeln war aus seinem Gesicht verbannt, die roten Augen funkelten lauernd. "Und wage es ja nicht fliehen zu wollen. Ich werde wissen sobald du den Marktplatz auch nur einen Schritt weit verlässt." Yuuryon schien noch etwas sagen zu wollen, sah dann aber wohl ein, wie sinnlos dieser Versuch gewesen wäre und fügte sich schweigend in seinem Schicksal. Etwas grau um die Nase drehte er sich schweigend von Kain und verschwand im Getümmel des Markttreibens. Einen Moment lang sah ihm Kain noch hinterher, genoss die Melodie der Angst, die Yuuryons Herz für ihn spielte und verschwand dann ebenfalls um sich noch ein wenig zu beschäftigen. Da drüben hatte er schöne Dolche gesehen - und obwohl der Vampir keinerlei Waffen benötigte, fand er doch an dem einem oder anderem Stück gefallen. Sammlerleidenschaft. Schade nur, dass man keinen Ort hatte an dem man diese Sammlung beginnen konnte.
 

Nur langsam fand Abraxas den Rückweg in die Wirklichkeit. Verwirrt registrierte er, dass es hellichter Tag war, er sich mitten auf einem riesigen Markt befand und sich gerade selbst sehr angeregt mit einem Waffenhändler unterhielt und mit ihm aufs schärfste um ein kleinen mit Silber verzierten Dolch feilschte. *Kain, wir haben kein Geld für so etwas, also lass das!* Der Angesprochene schürzte enttäuscht die Lippen und gab dem Verkäufer den Dolch zurück. Auf dem Gesicht des Händlers erschien ein wütender Ausdruck, als es sich Kain so plötzlich anders überlegte und der Vampir hielt es für richtig schleunigst zu verschwinden. Im Schatten einer kleinen Seitengasse blieb er endlich stehen und lehnte sich feixend an die Wand. "Na endlich aufgewacht?",fragte er höhnisch. *Ja, also verzieh dich!*

Der Wechsel vollzog sich unbemerkt. Widerspruchslos überließ Kain Abraxas das Feld und machte es sich in den Tiefen der Geistesebene gemütlich. Das hier war sowieso eher sein Reich. "Sag mal, wo ist denn Yuuryon hin?",wollte Abraxas wissen, als er den Flussmenschen nicht in seiner Nähe bemerkte. *Der klaut sich hier irgendwo sein Zeug zusammen. Du müsstest ihn spüren können*,antwortete Kain gelassen.

"Aha. Sollte er dann aber nicht alleine unterwegs sein?"

*Ja, wieso?*

"Nun im Moment, sammeln sich mehrere fremde Auren um unseren Kleinen und wenn du mich fragst, hat er ziemlich große Angst." Ja, zweifelsohne. Während sich Abraxas in Bewegung setzte spürte er die Aufregung des Flussmenschen immer deutlicher. Yuuryons Aura war so präsent, dass die Wellen, die sich gen Himmel bahnten, fast sichtbar wurden. Schon bald konnte er die fünf Gestalten sehen, die sich etwas abseits des Marktes um den am Boden kauernden Flussmenschen versammelt hatten. Obwohl sie sich alles andere als unauffällig verhielten, schien niemand von ihnen Notiz zu nehmen. Ja, die Leute machten noch nicht einmal einen Bogen um die johlende Meute, sondern ignorierten sie nur beharrlich. Merkwürdig. Yuuryon hockte zusammen gekauert am Boden und presste sich angsterfüllt gegen die dreckige Hauswand hinter ihm. Auf seiner Wange prangte ein blutiger Schnitt, aus dem immer noch dickflüssiges Blut rann. Auf der blassen Haut Yuuryons strahlte die rote Farbe noch heller und strahlender als sonst und brannte sich leuchtend in den Geist Abraxas' hinein. Er spürte wie der Geruch des Blutes Kains Kampfeslust weckte. Aber noch hatte er die Oberhand und er würde das rasende Ungetüm, in das sich Kain wieder einmal verwandelte nicht einfach so freilassen.

Plötzlich lenkte einer der fünf Gestalten Abraxas Aufmerksamkeit auf sich, den dieser trat jäh aus dem Kreis hervor und baute sich genau vor Yuuryon auf. Noch schien keiner der Fünf den Vampir bemerkt zu haben, der sich keine zehn Meter von ihnen entfernt hingestellt hatte. Aber warum auch, immerhin kümmerten sie sich auch nicht um die restlichen Marktbesucher. So fand Abraxas aber auch Zeit die Gruppe etwas genauer zu mustern. Während er sich auf darauf beschränkte die Informationen durch zu werten, die ihm seine Augen vermittelten, streckten sich Kains Vampirsinne nach dem aus, was unter der fleischlichen Hülle lag. Alle fünf waren ausnahmslos in dunkle Kleidung gehüllt, die lose um ihren Leib gewunden waren, und so problemlos Platz für diverses Diebesgut bot. Drei von ihnen trugen ein ähnliches Stirnband, wie auch Yuuryon. Das seine hatte sich aber mittlerweile gelöst und war ihm störend über die Augen gerutscht. Diebe. Eigentlich waren diese Leute einfach zu erkennen, warum blühte dieser Berufszweig dann trotzdem derartig? Eigentlich hätten doch schon alle am Pranger auf dem Markt angebracht werden müssen, wenn sie derart auffällig waren. Kain teilte ihm unterdessen mit, dass zwei der Männer dämonischer Abstammung waren, während die anderen Drei normale Menschen waren. So auch der dunkelhaarige Mann der eben vor Yuuryon getreten war und den Flussmenschen grob am Kragen packte und zu sich hochzog. Leider spitzte Abraxas die Ohren zu spät, so dass er die gehässig geflüsterten Worte nicht verstehen konnte. Yuuryons entsetzten Gesichtsausdruck, den spitzen Schrei und das Messer, welches gezückt wurde, deutete er aber richtig.

Bevor einer der fünf auch nur registrierte was geschah, befand sich der Kerl vor Yuuryon an der gegenüberliegenden Wand und spuckte keuchend Blut. Abraxas drehte das Messer gelassen in der Hand und musterte mit mildem Interesse den verzierten Griff. Oh, der konnte Kain gefallen.

Unter Dieben

Unter Dieben
 

Hatten die Marktbesucher zuvor ignoriert, wie die Diebesgruppe Yuuryon drangsalierten , so erweckte Abraxas nun seinerseits als Drangsalierer eben dieser Gruppe höchste Aufmerksamkeit. Leute blieben stehen, drehten tuschelnd die Köpfe und deuteten mit dem Finger auf ihn. Was hatte Yuuryon gesagt? Die eigentliche Macht läge in den Händen der Diebes- und Assassinengilde. Nun wahrscheinlich hatte er sich nun genau mit denen angelegt.

Während der Messerkerl immer noch stöhnend darum bemüht war sich wieder aufzurichten, so hatten sich die verbliebenen Vier bereits lauernd um Abraxas positioniert. Aber der Vampir beachtete sie gar nicht weiter. Ruhig drehte er sich zu Yuuryon um, hockte sich hin und musterte ihn eingehend. Bis auf die tiefe Schnittwunde in der Wange schien er aber unverletzt sein, auch wenn diese sicherlich fürchterlich schmerzte. "Was ist passiert?", wollte Abraxas wissen, aber bevor Yuuryon antworten konnte kam ihm einer der Diebe zuvor. "Dieser Kerl steht auf der schwarzen Liste! Er hat in Payck striktes Handwerksverbot und trotzdem haben wir ihn dabei erwischt." Abraxas hob den Kopf und warf dem jungen Mann einen eiskalten Blick zu. "Dich habe ich nicht gefragt!" Aber der Dieb ließ sich von dem Vampir nicht im Geringsten einschüchtern. Im Gegenteil er machte sogar noch einen forschen Schritt nach vorne, tat eine schnelle Handbewegung als wolle er Abraxas stoßen, unterließ es dann aber doch, und verschränkte nur verärgert die Hände vor dem Körper.

Sein Glück. Wahrscheinlich hätte sich Abraxas diesmal nicht damit begnügt ihn nur gegen die nächste Mauer zu schleudern. Der Mann, welchem das Messer gehörte, das Abraxas immer noch spielerisch in der Hand hin und her drehte hatte sich unterdessen wieder aufgerichtet und stützte sich nun leicht zitternd an der Steinmauer hinter ihm ab. Obwohl kreidebleich im Gesicht fehlte seiner Stimme nicht die nötige Härte und der trotzige Unterton ließ Abraxas darüber nachdenken ob er nicht eventuell vorschnell gehandelt hatte. "Yuuryon kennt die Regeln",erklärte er mit einem Kopfnicken auf den Flussmenschen hin, der just erbleichte. "Er hat sich nicht daran gehalten, als haben wir das Recht- nein sogar die Pflicht ihn zu bestrafen!" Abraxas lupfte eine Augenbraue und sah auf Yuuryon hinab. "Du kennst die?" Yuuryon nickte zögernd. "Und stimmt das was sie sagen?" Diesmal dauerte er es länger bis Yuuryon nickte, dann aber richtete er sich vollends auf und schürzte trotzig die Lippen. "Trotzdem war es nicht meine Schuld!"

"Halt, halt! Wir haben dich beim Klauen erwischt",rief einer der Fünf.

"Aber das war nicht freiwillig!",beharrte Yuuryon zornig. Plötzlich hob er den Kopf und sah Abraxas herausfordernd an. "Ich weiß welche Konsequenzen ich zu tragen habe, wenn ich mich nicht an die Gesetzte halte, aber DU! Du hast mich gezwungen! Dass ich überhaupt hier bin! Das ist alles DEINE Schuld!",rief Yuuryon aufgebracht und hielt die Hand anklagend auf den Vampir gerichtet. In Abraxas Gesicht glomm für einen Moment das verräterische Glitzern aufkommender Verwirrung. Sofort hatte er sich aber wieder in der Gewalt. Stimmte das, was Yuuryon sagte? Der Vampir hörte wie Kain sich nachdenklich durch den dunklen Haarschopf fuhr. *Also jetzt wo er es sagt - er wollte wirklich nicht von selbst auf Raubzug gehen.* Es kam selten vor, dass der Vampir sprachlos war, aber jetzt in dieser verfahrenen Situation entglitt ihm einfach jeder Gedanke, mit dem er sich hätte verteidigen können. Auf und davon. Augenscheinlich war er aber tatsächlich daran schuld, dass Yuuryon jetzt Ärger bekam und dummerweise wollte er ihn eigentlich unbeschadet mit sich nehmen. Abraxas wusste nicht, welche Strafe bei Nichtachtung der Gildenregeln erfolgte, aber wenn Yuuryon dadurch ernsthaft zu Schaden kam, würde er für Abraxas unbrauchbar werden. Also gab es nur einen Weg. Nachdenklich fuhr sich Abraxas über das Kinn und sah zu dem Messermenschen hinüber. "Es stimmt was er sagt. Wie kann ich es wieder gut machen?" Eigentlich hatten Abraxas' Worte beschwichtigend wirken sollen, aber sie riefen eher die gegenteilige Reaktion hervor. Der Angesprochene schien sich einfach nur veralbert vorzukommen. "Du scherzt!",zischte er zornig. "Yuuryon wird bestraft werden und du kannst dagegen nicht einmal ansatzweise etwas tun." Abraxas seufzte. Das hatte er irgendwie geahnt. Gab es also tatsächlich nur diesen einen Weg. "Das sehe ich anders",stellte er ernst fest und stürzte nach vorne. Bevor die Anderen begriffen was geschah, hatte Abraxas den Redner schon gepackt und dessen Hinterkopf brutal an die harte Steinmauer geknallt. Schneller als erwartet hatten die verbliebenen Vier ihre Überraschung aber bereits überwunden und stürzten sich, während der junge Mann noch seufzend zu Boden sank, auf den Vampir. Das Spiel war eröffnet. Obwohl in der Überzahl waren die Vier nicht einmal annähernd eine ernsthafte Bedrohung für den Vampir. Er trug seinen Namen nicht umsonst. Spielerisch wich er den Messerstichen aus, amüsierte sich über die verwunderten Blicke der Diebe, während er tänzelnd an ihnen vorbei wirbelte und Kain seine Faust zielsicher in die Magengegend einer der Angreifer lenkte. Das Zusammenspiel der beiden Geister funktionierte perfekt. Wenn der eine einen Messerstich übersah so sah ihn der andere, reagierte darauf und umgekehrt. Auf die herkömmliche Methode konnte ihn niemand schlagen. Nur wenige Augenblicke später lagen alle Fünf Gestalten wie leblos auf dem Boden und Abraxas strich zufrieden eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der Vampir hatte keinen einzigen Kratzer abbekommen, man sah ihm die Anstrengungen des Kampfes nicht einmal an. Aber war es denn anstrengend gewesen? Schließlich hatte er noch nicht einmal seine Krallen benutzen müssen. Auf dem Marktplatz hatte sich ein fassungsloses Schweigen ausgebreitet, das erst durch die Frage, welche Yuuryon aussprach, die sich aber wohl alle stellten, durchbrochen wurde. "Sind... sind sie tot?", fragte er stockend, während es ihm nicht vergönnt war die Augen von den leblosen Gestalten abzuwenden. Abraxas schüttelt den Kopf. "Nein, ich habe ihr Leben verschont. Komm, lass uns gehen."

Gelassen drehte sich der Vampir von den Dieben weg und wollte den Markt verlassen, als ihn auf einmal ein heftiges Gefühl der Angst ergriff. Unsichtbare Hände schienen nach ihm zu greifen und drängten danach seinen Willen in die Knie zu zwingen. Unter ihm begann der Boden zu drehen und die Welt verlor an Form und Farbe, alles verzerrte sich und wandelte sich ins Absonderbare. Irritiert bemerkte Abraxas wie ihm der Schweiß auf der Stirn ausbrach und kalt glänzende Spuren auf seinem Gesicht hinterließ, während sich dicke Tropfen ihren Weg nach unten bahnte. Was geschah? Warum antwortete ihm niemand? Wo war Kain? Nackte Panik ergriff Abraxas als er ihn nicht finden konnte, er spürte ihn nicht. Ein dumpfes, merkwürdig leises Geräusch drang an seine Ohren nachdem er gehetzt den Kopf drehte. Neben ihm hockte Yuuryon, schüttelte ihn an der Schulter, rief irgendetwas, aber das widerwärtige Pfeifen in Abraxas' Ohren ließ die Worte nicht bis zu ihm durchdringen. Wann war er zu Boden gesunken? Warum hockte er wie ein verstörtes Kind auf dem dreckigen Boden dieser noch dreckigeren Stadt? Was geschah denn nur? Dann schien es ihm, als antworte ihm jemand. Jemand? Ein Laut, eine Stimme? Nein um ihn war es still, dunkel, einsam. Niemand mehr da und doch rief ihn da etwas. Eine vertraute Melodie. Lilith!

Aber als er den Kopf hob und der hochgewachsenen Gestalt gewahr wurde, erkannte er dass er sich geirrt hatte. Schulterlange weiße Haare, mit einem silbernen Schimmer umrahmten das edel geformte Gesicht. Wallender schwarzer Stoff umfing die schlanke Gestalt. Mann oder Frau? Abraxas konnte es nicht sagen. Die dunklen Augen musterten ihn nachdenklich und zogen den Vampir in ihren Bann. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und während sich der göttliche Mund zu einem spöttischen Lächeln verzog, brach hinter der Gestalt gleißendes Sonnenlicht hervor. Abraxas riss schreiend die Hände nach oben und versuchte sich vor den brennende Strahlen zu schützen, wälzte sich tobend hin und her, während Yuuryon verzweifelt versuchte ihn zu bändigen. Zitternd rollte sich Abraxas auf die Seite. Seine Augen brannten wie Feuer und noch immer sah er das wunderschöne Gesicht vor sich und als es zum zweiten Mal lächelte umfing ihn eisige Dunkelheit.
 

Irgendetwas widerwärtig Nasses klatschte Abraxas auf die Nase. Er spürte wie der Tropfen langsam seinen Nasenrücken hinunter rann, sich unter seinen Augen sammelte und in die selben eindrang. Es bedurfte aber noch eines weiteren Tropfens, bis es ihm wirklich unangenehm wurde und er sich stöhnend auf die Seite rollte. Abraxas blinzelte um das faulige Wasser aus seinen Augen zu bekommen, aber die Welt erhielt dadurch trotzdem nicht mehr Farbe als zuvor. Ächzend stützte sich Abraxas nach oben, registrierte dabei verwundert, dass seine Hände über grobes nasses Gestein schabten und stieß sich den Kopf an einem in der Wand eingebrachten Eisenring, der störrisch hervor lugte. Hinter Abraxas Stirn explodierten Sterne. Der erneute Stoß auf seinen Kopf hatte den bis dahin als dumpfen pulsierend vorhandenen Schmerz neuen Anstoß gegeben und offenbarte sich nun in aller Klarheit. Abraxas fühlte sich als hätte er die vergangene Nacht aufs Übelste durchgezecht, aber dem war nicht der Fall. Trotzdem. "Was ist denn nur passiert?",flüsterte er verstört. "Du bist auf dem Markt umgekippt. Weißt du nicht mehr?",erscholl aus einer dunklen Ecke des Verlieses - den darum handelte es sich zweifelsohne - die Antwort und ließ Abraxas gehetzt herumfahren. Aber es war nur Yuuryon, der mit angezogenen Beinen an der Wand hockte und sich notdürftig gegen die Kälte des Raumes zu schützten versuchte. Erfolglos wie Abraxas feststellte. Yuuryons Kleidung war dunkel und mit Wasser vollgesogen, ebenso wie Abraxas' und er zitterte am ganzen Körper.

Er war auf dem Markt ohnmächtig geworden? Nachdenklich fuhr sich Abraxas durch die Haare und versuchte sich zu erinnern. Jeder Gedanke fiel ihm schwer. Sein Kopf vibrierte als würde jemand unerlässlich mit einem großen dicken Hammer davor schlagen, aber dann erinnerte er sich tatsächlich. Die grenzenlose Angst, die ihn auf einmal gepackt, das Gefühl der absoluten Verlassenheit. Verlassen? Wieder ergriff ihn Panik. Was war mit Kain? Erleichtert ließ Abraxas die Schultern sinken, als er sein zweites Ich friedlich in sich schlafend spürte. Kains Aura war nur schwach, aber definitiv da und die regelmäßigen Atemzüge verrieten ihm, dass alles in Ordnung war. In Ordnung? Nein, nichts war in Ordnung. Warum war er hier? Die letzte Frage sprach er laut aus.

Yuuryon hob zur Antwort nur hilflos die Schultern. "Als du umgefallen bist, erschienen auf dem ganzen Markt, wie auf einen geheimen Befehl hin, überall Diebe. Schneller als ich es überhaupt richtig bemerkte, hatten sie uns schon ergriffen und hierher gebracht. Einfach so." Nachdenklich verschränkte der Flussmensch die Arme und legte den Kopf schief. "Was war denn überhaupt los mit dir?"

Ein sehr gute Frage. Aber sosehr sich Abraxas auch anstrengte, eine Antwort darauf wollte ihm einfach nicht in den Sinn kommen. Er hatte Angst gehabt. Um ihn herum hatte sich alles gedrehte. Kain war verschwunden. Er hatte nichts mehr gehört und dann... ja und dann wurde es dunkel. Und das war alles. Oder doch nicht? Egal. "Und jetzt sind wir im Verlies der Diebesgilde?" Yuuryon nickte bitter. Ein dunkler Schleier hatte sich über das sonst so blasse Gesicht gelegt und verlieh ihm eine gespenstische Ausstrahlung. Es schien nicht das erste Mal zu sein, dass sich der Flussmensch hier befand. Abraxas hakte jedoch nicht weiter nach sondern beließ es bei einem angedeuteten Achselzucken. Es ging ihn nichts ans.

Ruhig begann Abraxas nun seine neue Umgebung etwas eingehender zu mustern. Unter der grauen Steindecke sammelte sich Wasser, dass nach einiger Zeit immer wieder zu Boden tropfte und in der engen Zelle dumpf nachhallte. Obwohl im gesamten Raum kein einziges Fenster eingebracht war, war es trotzdem nicht dunkel, denn die Wände verstrahlten ein diffuses grünlich scheinendes Licht, das einem auf Dauer auf den Geist schlug. In die Wände waren mächtige Eisenringe eingebracht, durch die sich schwere Ketten zogen. Beruhigenderweise waren aber weder Yuuryon noch Abraxas an eine derartige Kette gefesselt. Ein Pritsche oder ähnliches gab es allerdings nicht. So blieb einem nur der mit Pützen durchzogene, dreckige Steinboden wenn man es leid war zu stehen. Den wohl interessantesten Ausblick bot aber wohl die mächtige Metalltür, welche das sonst so regelmäßig gehauene Steinwerk empfindlich unterbrach. Der Weg in die Freiheit. "Kannst du Türen öffnen?", fragte er Yuuryon mit einem Nicken auf eben jene Tür hin. Der verzog ärgerlich den Mund. "Normalerweise schon",murrte er: "Die hier ist aber magisch versiegelt. Ich kann sie nicht anfassen." Abraxas hob erstaunt eine Augenbraue und musterte die Tür erneut. Das hätte er ja nun nicht erwartet. Diese Diebesgilde schien besser organisiert zu sein, als er erwartet hatte. Wenn sie sogar Magier unter sich hatten. Aber Abraxas wäre nicht Abraxas wenn er nicht trotzdem, wider besseren Wissens, versucht hätte die Tür zu öffnen. Wenn die eleganten Methoden des Diebes nicht fruchteten, musste man das Übel eben mit herkömmlichen Mitteln bekämpfen. Abraxas hob den rechten Fuß, holte Schwung und trat unter lautem Getöse die Tür ein.

Oder besser gesagt versuchte er es. Bevor sein Stiefel das glatte Metall überhaupt erst berühren konnte, baute sich in dem verbliebenen Zwischenraum ein Blitze zuckendes Kraftfeld auf, welches die Wucht Abraxas' Trittes absorbierte und vielfach verstärkt wieder entgegen schleuderte. Es war nicht die Tür, die unter lautem Lärm zusammen brach sondern der Vampir, den es rittlings durch den Raum fegte und dessen Knochen krachend zerbrachen, als er gegen die feste Mauer knallte. Abraxas verschlug es den Atem als seinem Körper für einen kurzen Augenblick jegliches Gefühl geraubt wurde. Alles fühlte sich taub und tot an, doch dann brach der Schmerz brüllend wie ein zorniger Löwe hervor. Der Vampir wagte es nicht irgendeine Bewegung zu tätigen, aus Angst, dass ihn wieder erneuter Schmerz übermannen konnte und blieb zitternd vor Qual am Boden liegen. Schon spürte er wie sich sein gebrochenes Rückgrat unter unmenschlichen Schmerzen wieder zusammenfügte. Bald würde wieder alles in Ordnung sein, aber die Pein bis dahin blieb immer die selbe. Abraxas schloss gequält die Augen, aber Ruhe sollte ihm nicht vergönnt sein. "Ich habe es dir ja gesagt", lachte Yuuryon trocken. Die Schadenfreude war ihm ins Gesicht geschrieben. "Du kommst dir jetzt wohl sehr mutig vor?",zischte Abraxas zornig. "Warte nur bis ich wieder auf den Beinen bin. Dann wird dir das Lachen schon vergehen!" In die hellen Augen des Diebes schlich sich ein dunkler Schatten, der auch nicht wieder verschwand, als er sich müde erhob und zu Abraxas hinüber schlenderte. Nachdenklich sah er auf den verletzten Vampir hinab, hob die Schultern und sagte resignierend "Was kannst du schon tun?!" Der bittere Klang der Trauer, welcher in Yuuryons Stimme schwang, erschreckte Abraxas zutiefst. "Was kannst du schon tun, im Gegensatz zu dem was sie fähig sind zu tun?!" Was immer Yuuryon hier unten bei den Dieben erlebt hatte, es schienen nicht die besten Erfahrungen seines Lebens zu gewesen zu sein. Und jetzt... "Du hast aufgegeben!",stellte Abraxas fassungslos fest. "Jetzt schon! Wieso? Wir sind eingesperrt, na und? Es gibt schlimmeres!" Yuuryon schwieg. Ächzend stemmte sich Abraxas in die Höhe. Sein Rückgrat dankte es ihm mit einer neuerlichen Welle aus pulsierendem Schmerz, aber dem Vampir war es egal. "Yuuryon!",rief er beschwörend, aber der Dieb reagierte nicht. Nein, im Gegenteil, er drehte sich sogar von Abraxas weg und hockte sich wieder auf die andere Seite des steinernen Gefängnisses. Verdrießlich rollte der Vampir mit den Augen und stapfte dann stocksteif auf Yuuryon zu. Dass er sich überhaupt schon wieder bewegen konnte grenzte fast an ein Wunder. Als er vor Yuuryon angekommen war, versuchte er sich hinzuhocken, brach aber sogleich gänzlich zusammen. "Siehst du?",sagte Yuuryon "Du kannst dich nicht einmal mehr bewegen. Wie willst du hier rauskommen?" Abraxas wollte verärgert zu einer Antwort ansetzten, aber in diesem Moment wurde die Tür geöffnet und mehrere Gestalten betraten den Raum. Darunter einer von denen, die Abraxas auf dem Markt zusammengeschlagen hatte. Ebene jener trat hervor und sah mit einem anzüglichen Grinsen auf das erbärmliche Bild, welches Abraxas bot hinab.

"Na, wieder wach?"

Lösungsansätzte

Wah! ich hab zwei Leser^^ Ich bin so glücklich!

tscha... es ist imemr schwer so nach einiger zeit noch an urteil über das damals geschriebene kap. zu finden... ich weiß gar ob euch das interessiert, aber ich persönlich lese immer gerne was der autor von seinem eigenen kram hält... schreib ichs also hin...
 

nya ich glaube das kapitel wird zum ende hin recht verwirrend... und hatte beim schreiben ne menge spaß XD

dummerweise bleibt in meinen "spaßphasen" häufig das verständnis des lesers auf der strecke >,<
 

so nun hoffentlich viel spaß^^
 

*winkz*

dat sinless
 

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Lösungsansätze
 

Schon lange hatte es Abraxas aufgegeben sich die Richtungen merken zu wollen, in denen er und Yuuryon kreuz und quer durch die unterirdischen Gänge der Diebesgilde geführt wurden. Kain schlief, so dass er nur seinen eigenen Geist zur Verfügung hatte und ihre Wächter führten sie mit Sicherheit absichtlich auf solch undurchsichtigen Wegen, dass eine Orientierung an das nahezu Unmöglich grenzte. Sowieso sah jeder Gang gleich aus. Allerdings schien es bei den glitschigen Steingängen, an deren Wänden immer wieder matt flackernde Fackeln angebracht waren, um die Katakomben von Payck zu handeln. Das passte, dass sich die Diebesgilde ausgerechnet hier niedergelassen hatte.

Man hatte darauf verzichtet Abraxas und Yuuryon die Hände zu fesseln, aber obwohl die Diebe nicht in einer derartigen Überzahl waren, dass sie für den Vampir wirklich eine Gefahr dargestellt hätten, war es Abraxas nicht möglich irgendetwas zu unternehmen. Seine Rückgrat schmerzte noch immer bei jedem Schritt und nur indem ihn Yuuryon stützte war es ihm überhaupt möglich sich fortzubewegen, wenn auch relativ langsam. Zu langsam für die Diebe. "Lauf endlich mal hin!",durchbrach einer der Gauner die vorherrschende Stille und stauchte Abraxas grob in den Rücken. Der Vampir stöhnte gequält auf und wäre zu Boden gestürzt, hätte ihn Yuuryon nicht letzten Moment festgehalten. Zitternd krallte sich Abraxas in die Kleidung des Weggefährten und kämpfte darum nicht das Bewusstsein zu verlieren. Was für einen erbärmlichen Anblick er doch bot. Wie mussten sie über ihn lachen - sie, die ihm diese Schmach zugefügt hatten. Aber diese Behandlung würde nicht ungesühnt bleiben. Niemand hatte das Recht ihn zu verspotten und zu verhöhnen, absolut niemand und Abraxas wusste, dass er sie teuer bezahlen lassen würde. Er trug seinen Namen nicht umsonst. Nein, keinesfalls.

Vor ihnen lichteten sich jäh die weiten Fluchten der Gänge und gaben Ausblick auf einen weitaus größer und mächtiger erscheinenden Steinsaal, in dessen Mitte sich drohend ein nachtschwarz schimmernder Thron erhob, auf welchen die kleine Gruppe entschlossen zusteuerte. Unerwartet brachen lang vergrabene Erinnerungen aus den untersten Tiefen Abraxas' Geistes nach oben und ließen seinen Magen krampfhaft zusammenzucken. Der Vampir schluckte, aber es vertrieb weder den bitteren Geschmack noch die unguten Erinnerungen. Wie auch, wo es doch fast identisch war. Anstatt der fehlenden Fenster hatte man kunstvolle Vorhänge und verschiedenste Wappen und Waffen an den Wänden angebracht und tausende Kerze warfen ihr zuckendes Licht unruhig zitternd in die Weite des Saales, verliehen ihm so eine unheimliche surreale Erscheinung. Es waren keine Vampire in schwarzen Gewändern, deren rauschende Geräusche dumpf an sein Ohr hallten, sondern das unterschwellige Wispern aus vielerlei Diebeskehlen, welches sich bei ihrem Anblick neugierig erhob und auch war in der Mitte des Raumes kein blutfarbener Stuhl aufgestellt, sondern eben 'nur' jener nachtfarbene Thron und doch waren die Gefühle, welche all dies in ihm wach riefen die selben.

Damals, war es das selbe klamme Entsetzten gewesen, das ihn in den Grundfesten seiner Seele gepackt und nie wieder losgelassen hatte, welches er nun auch hier spürte. Die Gewissheit, dass sich etwas Grundlegendes in seinem Leben verändern würde, sobald er den verheißungsvollen Mittelpunkt des Saales erreicht hatte. Damals wie heute. Damals - wie am Tag seiner Weihe.

Sämtliche Augen richteten sich auf ihn, als Abraxas stehen blieb. Sogar Yuuryon wand fragend den Kopf in seine Richtung. Die eigene Angst war ihm ins Gesicht geschrieben, aber das war nichts zu den totenstarren Höhlen, welche das Antlitz Abraxas' zierten. Für einen Moment wunderte sich der Flussmensch, warum sie niemand weiter vorantrieb. Dann aber erkannte er, dass auch die Diebe wie gefesselt auf das Gesicht des Vampirs starrten. Es mochte unpassend erscheinen, die heilige Stille des Raumes zu durchbrechen und doch kam das Wort von alleine, bevor es Yuuryon selbst recht fassen konnte. "Abraxas?"

Der Vampir blinzelte und der Bann zerbrach. Der Saal war wieder nur ein dunkler Saal und nicht dieses schreckliche Vorzimmer zur Hölle und die verwirrt tuschelnden Diebe besassen auch nicht mehr die geisterhaften Fratzen diabolischer Gestalten. Das alles hier war nur noch das beweisende Szenario, wie dämlich er sich in der Stadt angestellt hatte. Nur das und nichts weiter. Neben ihm atmetet Yuuryon erleichtert aus und nicht wenige taten es ihm gleich. Abraxas registrierte es mit Genugtuung. Einschüchternder hätte sein erster Eindruck wahrscheinlich gar nicht wirken können. Da niemand mehr Anstalten machte ihn festzuhalten, tat Abraxas ernst einen Schritt nach vorne und sah sich um. Jetzt erst bemerkte er die dunkle Gestalt welche auf dem Thron Platz genommen hatte und ihn neugierig beobachtete. Sein Alter war schwer zu schätzen, jedoch schien der Mann mit den dunklen Haaren und den markant hervortretenden Wangenknochen die Jugendzeit schon lange hinter sich gelassen zu haben. Sein Schultern waren breit, die schaufelartigen Hände grob in den die Thronlehnen gegraben und das stumpfnasige Gesicht in dessen Mittelpunkt zwei kleine Augen hinterhältig funkelten, offenbarten eine niedere, deswegen aber keineswegs zu unterschätzenden, bösartige Intelligenz.

Na das passte.

Zufrieden stellte Abraxas fest, dass sein Rücken kaum noch schmerzte, so verschränkte er die Arme und grinste sein Gegenüber herausfordernd an. Die Gewünschte Reaktion blieb allerdings aus. Der Sitzende schenkte dem Vampir zwar ein undurchsichtiges Lächeln, tat aber sonst nichts weiter. Nach einer kleinen Ewigkeit, wie es Abraxas erschien, räusperte er sich dann aber doch und sagte gehässig feixend: "Du weißt aber schon noch, dass du striktes Handwerksverbot hast?"

Yuuryon erbleichte und setzte einen Schritt zurück, wurde aber sofort gehalten und wieder nach vorne gestoßen. Verwundert sah Abraxas erst zu Yuuryon, dann zu dem Schwarzhaarigen und letztendendes wieder zu Yuuryon. Was war das? Der Vampir war es nicht gewöhnt, nicht der Mittelpunkt der Veranstaltung zu sein. Warum wurde Yuuryon also zuerst angesprochen? Yuuryon senkte bekümmert den Kopf. "Natürlich weiß ich das, Natyrn",murmelte er eingeschüchtert.

"Ich verstehe dich nicht! Sprich mal ein bisschen lauter!",hörte er es lachen.

Yuuryon schluckte und sackte noch mehr in sich zusammen, als er es so schon tat. "Ich weiß es",rief er mit zitternder Stimme und umschlang mit den Händen seinen Oberkörper.

"Dann weißt du doch sicher auch, was die Strafe auf dein Vergehen ist?" Es erfolgte keine Antwort, aber ein Blick in die vor Entsetzten geweiteten Augen Yuuryons, machte Abraxas klar, dass der Flussmensch sehr wohl wusste was ihn erwartete. Des Weiteren wurde Abraxas auch bewusst, dass sich Yuuryon und dieser Natyrn - bei dem es sich höchstwahrscheinlich um den Anführer dieser ganzen Bruderschaft handelte - kannten. Und scheinbar war die letzte Zusammenkunft der Beiden für Yuuryon nicht allzu glimpflich verlaufen. Abraxas hätte einiges darum gegeben zu erfahren was geschehen war. Aber wenn er das wirklich wissen wollte, musste er Yuuryon jetzt wohl erst einmal, wohl oder übel, helfen. Abraxas räusperte sich, stellte sich vor Yuuryon und durchbrach so das unmittelbare Blickfeld Natyrns. Natyrn schürzte verstimmt die Lippen und musterte Abraxas mit einem langen abschätzenden Blick. "Was willst du?",fragte er drohend. "Es heißt, ihr... 'Was wollt ihr?' ",murmelte Abraxas für sich und wiederholte lakonisch die Frage, die ihm Natyrn gestellt hatte.

Das perplexe Gesicht Natyrns wandelte sich zur Grimasse. Abraxas hätte gelacht, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. Es ging hier nicht nur um ihn, daran musste er immer denken. Er war für Yuuryon verantwortlich. Natyrns hässliches Maul schnappte nach Luft und schien zu einer Antwort ansetzten zu wollen, aber bevor es so weit kommen konnte, schnitt ihm Abraxas das Wort ab. "Du denkst ich würde nicht ernst meinen, was ich eben gesagt habe?",fragte Abraxas lächelnd, "Oh doch. Ich wiederhole es gerne noch einmal. Was willst du?" Im Saal erhob sich allgemeines Raunen. Abraxas musste sie nicht sehen um die verwirrten Blicke zu spüren, die man ihm zuwarf. Und der Vampir genoss es. Forsch setzte er noch einen weiteren Schritt nach vorne - auf Natyrn zu und hob schelmisch die Schultern. "Ich meine ja nur. Wir haben doch kaum etwas getan. Warum also sind Yuu und ich hier?" Um Natyrns Mundwinkel herum zuckte es bedrohlich. Wahrscheinlich hätte nicht viel gefehlt und er hätte sich auf Abraxas gestürzt, wobei der Vampir keineswegs verstand warum eigentlich. War denn die kleine Unruhe, die er auf dem Markt verursacht hatte, tatsächlich schwerwiegend genug, dass sich hier jetzt sogar der Kopf hinter all dem mit ihnen befasste? Wäre Abraxas in Natyrns Lage gewesen, hätte er sich sicher anders verhalten. Natyrn aber schien sein Handeln als durchaus gerechtfertigt zu sehen. "Yuuryon hat sich zuwider unserer Gesetze verhalten",meinte Natyrn bestimmt. "Das hatten wir schon!",seufzte Abraxas genervt und fügte nach kurzem Überlegen hinzu: "Und selbst wenn... was habe ICH denn damit zu tun?"

"Du hast dich der Bestrafung Yuuryons in den Weg gestellt und des Weiteren fünf meiner Leute zusammengeschlagen." Abraxas hob die Schultern. "Ich habe versucht das Ganze friedlich zu lösen. Sie wollten nicht. Aber das ist doch alles kein Grund! Ihr könnt mir nicht erzählen, dass wir nur deswegen hier! Ihr wollt uns bestrafen? Nur zu, fangt an. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit."

Wie auf ein geheimes Kommando hin, traten zwei der Wachen hinter Yuuryon, packten ihn und schleuderten ihn brutal auf den Boden. Bevor der Flussmensch wusste was ihm geschah, spürte er auch schon wie er an den Haaren nach hinten gezogen wurde und ein anderer seinen Arm derb nach vorne streckte. Ein eiskaltes Sirren durchschnitt die Luft als scharf glitzernder Stahl aus einer Scheide gezogen wurde. Abraxas hob erstaunt eine Augenbraue. "Was tut ihr?", fragte er irritiert. Das gehässige Lachen, welches Natyrn nun erhob und in welches alle anderen Diebe prompt einstimmten, jagte dem Vampir einen kalten Schauer über den Rücken. Der Laut wurde von den Wänden absorbiert und halte noch tausendfach verstärkt immer wieder durch den weiten Saal. Als das Echo endlich verklang, wagte es Abraxas wieder das Wort zu ergreifen. Noch war Yuuryon nichts passiert. Aber er konnte die panischen Blicke, welche ihm der Flussmensch zuwarf, spüren. Auch hörte er, wie ihm das Blut trommelwirbelnd durch die Adern peitschte und sich im Rhythmus des kurz vorm zerbersten stehenden Herzens einen taumelnden, losgelösten Opfertanz lieferte. Noch war nichts geschehen, aber Yuuryon stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. "Was tut ihr?",wiederholte Abraxas beschwörend, während er nach den Augen Natyrns suchte - er fand sie nicht.

Natyrns hässliches Gesicht verzog sich noch weiter und nahm nun wahrhaft dämonische Züge an. "Wir führen nur deinen Wunsch aus",lachte er gehässig. "Wie bitte?"

"Wir bestrafen euch. Zuerst Yuuryon. Weißt du was die Strafe auf Diebstahl ist?" Abraxas seufzte und ließ die Schultern hängen. "Ihr schlagt ihm die Hand ab?",fragte er desinteressiert. Das dreckige Maul Natyrns formte ein noch dreckigeres Grinsen. "Genau"

Es zischte als Abraxas seine Krallen ausfuhr, auf dem Absatz herumwirbelte und die Diebe um Yuuryon herum finster anlächelte. Seine Mantelausläufe fielen im sanften Luftzug der Bewegung lautlos zu Boden und die roten Augen funkelten dämonisch. Und wenn das noch nicht reichte, war es spätestens die eisige Schärfe seiner Stimme, die das Blut in den Adern gefrieren ließ und auch dem letzten Ungläubigen die Illusion raubte es nicht mit dem Leibhaftigen zu tun zu haben. "Der erste, der ihn anfasst, stirbt!" Es lag keine Drohung in seiner Stimme. Aber es war diese gelangweilte Gleichgültigkeit, die allen klar machte - Er meinte es ernst. Allen, bis auf Natyrn.

"Wenn auch nur einer meiner Leute stirbt, ist Yuuryon der erste, der ihm folgt." Abraxas ließ den Arm sinken. Was sollte er tun? Bevor er an Yuuryon heran sein würde, hätten sie ihm schon etwas getan. Oder sollte er es riskieren, dass der Flussmensch verletzt wurde, sie deswegen aber trotzdem fliehen konnten? Sicher die Diebe waren vielfach in der Überzahl. Aber es waren eben nur Diebe, keine Krieger. Und die wenigen Dämonen unter ihnen machten auch nicht den Eindruck, als ob sie sonderlich stark wären. Er konnte es durchaus schaffen. Schließlich war er ein Vampir - DER Vampir. Fast schon wollte er es darauf ankommen lassen, als er Yuuryons Blick auffing. Er kannte diesen Blick, voller Verzweiflung und Angst. Es waren dieselben Augen, die auch seine Opfer hatten, wenn ihnen aufging, dass es vorbei war. "Welche Alternative gibt es?" Natyrn lachte. "Wir kommst du darauf, dass du eine hättest?" Abraxas drehte sich langsam zu Natyrn um. Sein nächster Schritt musste wohl überlegt sein. "Ich will ehrlich sein. Du und deine ganzen Leute. Ihr seid keine wirkliche Bedrohung für mich. Das muss dir klar sein. Das einzige Druckmittel, welches ihr habt ist Yuuryon und nicht einmal das ist dir sicher. Woher willst du wissen, dass ich ihn nicht einfach ausliefere. Es wäre so einfach und ich könnte gehen." Natyrns Lächeln verstärkte sich noch. "Da hast du wohl recht. Aber du lässt ihn nicht liegen. Sonst wäre das schon längst geschehen. Du versuchst immer noch zu verhandeln."

"Dann verhandeln wir! Was willst du?" Natyrn seufzte. Er schien dem Spiel müde zu sein. "Im Westen von Payck, vielleicht drei Tagesreisen entfernt, liegt ein Tempel.",erklärte er und wartete für einen kurzen Moment Abraxas Reaktion ab. Als der Vampir aber nicht reagierte fuhr er fort:"Dieser Tempel ist der Hort riesiger Schätze und magischer Artefakte mit schier unerschöpflicher Macht. Ganz im Innersten des Tempels wird ein kostbarer Stein aufbewahrt. Das Auge des Drachen oder besser bekannt als Blutkristall. Den will ich haben." Abraxas lupfte eine Augenbraue und verlagerte lässig sein Gewicht. "Ja und? Habe ich irgendwas verwechselt oder war das hier nicht die Diebesgilde? Für euch sollte es doch kein Problem darstellen so einen läppischen Stein zu stehlen!" Natyrn lächelte wissend. "Das dachte ich zuerst auch. Aber als keiner meiner Leute je zu mir zurückkehrte, begann ich zu zweifeln. Wir sind zwar viele aber unsere Kampfkraft ist nur gering, wie dir bereits aufgefallen sein dürfte." Der Vampir brubbelte irgendetwas unverständliches, was man aber mit etwas gutem Willen durchaus als Zustimmung interpretieren konnte. "Du weißt was du tun sollst?"

Ein spöttisches Lächeln zog sich über Abraxas Lippen. "Wie kommst du darauf, dass ich stark genug wäre um in diesen Tempel einzudringen?"

"Könntest du diese Vielzahl von Dieben hier besiegen?"

"Ja",antwortete Abraxas und ergänzte arrogant,"Mit Leichtigkeit!"

"Ich will, dass du mir diesen Stein bringst. Wie ist mir egal."

Stille. Alles hielt den Atem an. Nachdenklich schwenkte Abraxas Blick zu dem immer noch am Boden kauernden Yuuryon hinüber. Natyrn dachte, dass er ihn nicht hängen lassen würde? Wahrscheinlich. Aber es war nicht seine Aufgabe hier irgendwelche Botengänge zu erledigen. Er hatte ein klares Ziel vor Augen. Er war ein Rächer und nichts durfte ihn davon abbringen. "Das würde zu lange dauern",stellte Abraxas bedauernd fest. "Schlagt ihm die Hand ab!"

Das entsetzte Japsen Yuuryons war das letzte, was Abraxas bewusst wahrnahm, dann begann sich die Welt zu verändern. Das Spiel hatte begonnen. Der Dieb neben Yuuryon zögerte nur einen Moment in dem er seine Verwirrung über die seltsame Anweisung Abraxas' voll auskostete, versuchte dann aber selbige doch auszuführen. Er zögerte nur einen Moment, einen Moment zu lange. Noch während der kalte Stahl hinab sauste, war der Vampir an ihn heran, ergriff seinen Arm und riss ihn samt Schwert hinauf dem Angreifer selbst in das widerwärtige Gesicht hinein. Knochen brachen, Blut spritzte, jemand schrie. Er fing Yuuryons erstarrten Blick auf, in dem sich Unglaube und pures Entsetzten zu etwas viel Schlimmeren paarten und quittierte es mit einem zufriedenen Lächeln. Der Dämon war erwacht. Nein, halt. Nicht Ganz. Etwas - Jemand - etwas fehlte noch. Abraxas brach dem zweiten Wächter spielerisch das Genick und zog Yuuryon zu sich und während sich die Diebe nach der anfänglichen Verwirrung wieder sammelten, sich fasten und neu formatierten um dann auf den Wahnsinnigen einzustürmen, während Natyrns aufgebrachte Schreie durch den Saal halten und als Echo tausendfach zurückgeworfen wurden, schloss Abraxas die Augen. Um ihn herum wurde es ganz still. Dunkelheit umfing ihn und er begann nach den Spuren des Sandes zu suchen. Ein leises Rieseln, ein ferner Laut. Gefunden! Blutige Krallen senkten sich in das reine Fleisch, zerrten es nach oben und warfen es brüllend in die Wirklichkeit zurück. Kain schlug die Augen auf, rot glühend, zornentbrannt. Der Andere lächelte zufrieden und die Bestie begann zu toben.

Ob die Diebe wussten was mit ihnen geschah? Ob sie den Schmerz spürten? Die Angst im Bewusstsein des letzten Augenblickes? Die Ersten, die fielen bemerkten es wahrscheinlich nicht, aber die anderen, jene die langsam begriffen was sie entfesselt hatten. Ja, die vielleicht und auch Yuuryon begriff. Hilflos wurde er von Abraxas hinter ihm her gezerrt, unfähig sich zu wehren oder die Flucht zu ergreifen, aber wohin sollte er auch fliehen? Hier war niemand sein Freund. Wo war er nur hineingeraten? So blieb ihm nichts anderes als hinter dem mordenden Ungeheuer hinter herzueilen. Aber während der Vampir im Blutrausch tobte, sah er nicht, was Yuuryon sah und hörte. Er wusste nicht was es gewesen war, das ihn veranlasste noch einmal einen Blick über die Schulter hinweg zu Natyrns Thron zu werfen. Etwas wie ein leiser Ton, eine traurige Melodie war es gewesen und da - Natyrn sass noch immer wieder versteinert auf seinem Thron unfähig sich zu rühren, bei dem blutigen Schauspiel das sich ihm bot. Aber neben ihm rührte sich etwas. Ein hochgewachsene Gestalt ganz in schwarz gekleidet nur mit den silberglänzenden Haaren dazu im Kontrast. Die dunklen Augen lächelten ihm freundlich zu und Yuuryon war ganz verzaubert von der wunderschönen Gestalt, bei der er nicht sagen konnte ob es sich um Mann oder Frau handelte. Dann aber wand die Lichtgestalt ihren Blick Abraxas zu und der freundliche Ausdruck wandelte sich jäh. Für einen kurzen Moment spiegelte sich Zorn in den Augen des Fremden und Yuuryon prallte dumpf auf den Rücken Abraxas, welcher stehen geblieben war. Abraxas Hände ließen von seinen Opfern ab und griffen zitternd nach den eigenen Schläfen. Seine Finger fuhren blutige Spuren über die makellos weiße Haut und bildeten einen unheimlichen, dämonischen Kontrast. Unwillkürlich wich Yuuryon vor ihm zurück, aber der Vampir sank nur zitternd zu Boden. Immer wieder strich er sich über die Ohren, versuchte die Schreie zu ersticken, aber - "Es hört nicht auf",flüsterte Abraxas und brach endgültig zusammen. Yuuryon wollte zurückweichen, fliehen aber eine sanfter Druck hielt ihn zurück. Die fremde Gestalt war neben ihm getreten und hatte Yuuryon beruhigend eine Hand auf die Schulter gelegt. Der Flussmensch sah auf und musterte ihn verwundert. Jetzt in der Nähe wurde es klar. Ein Mann. Der Fremde sah kopfschüttelnd auf den bewusstlosen Abraxas hinab. "Er hätte ihn nicht wecken sollen",hörte man ihn seufzen.

Ich will...

Ich will...
 

Abraxas spürte wie er derb auf steinigen Boden geworfen wurde, aber hinter seiner Stirn herrschte noch immer derartiges Chaos, dass er die Eindrücke, die ihm seine Sinne vermittelten, weder einordnen noch verstehen konnte. Was war denn nur geschehen? Er hatte gekämpft, gegen wen? Abraxas wusste es nicht. Kain war bei ihm gewesen und dann... Kain! Etwas war mit Kain gewesen. Er hatte... Ja, was? Geschrien... weil... Nein, er wusste es nicht. Und jetzt?

Zaghaft öffneten sich die inneren Augen und sahen sich um. Nichts, alles war wie immer. Lichter schwebten umher, wabernde Nebelschwaden. Nur - Kain war nicht da. Einem Schlafwandler gleich wanderte der Vampir die Ebene entlang. Verstand nicht, versuchte aber auch nicht zu begreifen. Er war nicht weit gegangen, da änderte sich der Weg. Unter seinen Füßen knirschte Sand und nun wusste er, wo er Kain finden würde. Es war wie damals.

Wieder lag die leblose Gestalt inmitten der Sanddünen und schien mehr tot als lebendig. Ruhig hob Abraxas Kain auf seine Arme und trat den Rückweg an. Nachdenklich sah Abraxas auf den schlafenden Kameraden hinab. Und langsam kehrte die Erinnerung zurück und der Vampir fing an zu verstehen. Nicht er war direkt angegriffen wurden. Was immer es gewesen war, das ging tiefer und beeinflusste ihn nur an zweiter Stelle. Es richtete sich immer gegen Kain. Schon auf dem Markt, als er ihn nicht mehr hatte spüren können und dann in der Diebesgilde. Kain hatte Todesqualen erlitten. Er hatte geschrien, bis ihm die Sinne schwanden, aber Abraxas? Abraxas hatte es gehört, aber es war nicht er gewesen, der, was immer es auch gewesen war, ertragen musste. Nur Kain.

Der Sand ging zurück und Abraxas betrat erneut die nebligen Weiten. Über ihm leuchtete es hell, es wäre also kein Problem gewesen aufzuwachen, aber das hatte noch Zeit. Abraxas kniete sich hin, setzte Kain ab und lehnte ihn an sich. Der Vampir zitterte leicht. "Kain?",fragte Abraxas beunruhigt und schüttelte ihn sanft an der Schulter. Kain stöhnte gequält, öffnete aber sacht die Augen. Über den roten Augen lag ein silberner Schleier, der es Kain erschwerte, etwas von seiner Umgebung zu erkennen. Er fühlte sich - schlecht - richtig schlecht. Ausgelaugt, als hätte ihm jemand alle Energie geraubt. "Kain?" Kraftlos hob Kain den Kopf. Es fiel ihm schwer selbigen auch oben zu halten und Abraxas anzusehen. Ehrlich gesagt, wollte er nur noch schlafen. Konnte ihn Abraxas nicht einfach in Ruhe lassen? "Lass mich",verlangte er heiser und wollte schon seine Augen schließen, als ihn Abraxas grob an der Schulter packte. Leichter Zorn wallte in Kain auf, aber das war nichts zu dem Donnerwetter, welches unter normalen Umständen losgebrochen wäre. Das hier war nur ein Lufthauch. Aber was war denn schon normal? "Sieh mich an Kain",bat Abraxas, zweifelte aber schon, als er die Worte nur aussprach, ob Kain ihn überhaupt gehört hatte. Kain sah auf. In seinen Augen lag ein stummer Vorwurf, den Abraxas aber beharrlich zu ignorieren wusste. "Weißt du was geschehen ist? Du hast geschrien." Kains Mund wurde zu einer schmalen Linie. Sie zuckte bedrohlich. "Es tat weh",sagte er ausweichend und senkte beschämt den Blick. "Da war... Ich weiß nicht. Als ob ich den Boden unter den Füßen verlieren würde. Ich wusste nicht mehr wo unten und oben war. Da war nur noch Dunkelheit. Und dann kam es von überall, ergriff mich und..." Kain schüttelte den Kopf. "Ich dachte ich sterbe." Abraxas nickte und legte Kain vorsichtig auf den Boden. Er wollte ihn auffordernd noch etwas zu schlafen, doch das war nicht mehr notwendig, denn Kain hatte bereits wieder das Bewusstsein verloren. Ernst erhob sich Abraxas und sah zum hellen Schattenhimmel hinauf. Was war nur geschehen? Vielleicht würde er es erfahren wenn er aufwachte. Die Welt verschwamm.
 

Abraxas war wach, aber er hielt die Augen geschlossen, um erst einmal die Lage zu sondieren. Der Untergrund auf dem er lag, war hart und körnig, aber trocken. Auch stellte er erleichtert fest, dass er nicht gefesselt war. Nicht weit von ihm wurde prasselnd Wärme verströmt - ein Feuer? Irritiert öffnete Abraxas die Augen. Über ihm glänzte der sternenklare Nachthimmel. Im Freien?

"Ah, du bist wieder wach!",hörte er eine vertraute Stimme sagen. Trotzdem brauchte es einen Moment, bis er sie einem konkreten Gesicht zuordnen konnte. Unsicher richtete sich Abraxas auf und sah Yuuryon an. Der Flussmensch sass auf einem Stein unweit des Feuers und grinste schadenfroh. Er lebte und war unverletzt, soweit Abraxas das erkennen konnte. Merkwürdig. War er nicht in Natyrns Hallen zusammengebrochen? Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass er Yuuryon frühestens in der anderen Welt wiedersehen würde, nach dem was er den Dieben angetan hatte. Da dem aber nicht so war, schloss Abraxas daraus, dass ihm wohl ein wesentlicher Bestandteil der Geschehenisse fehlte und aus dem immer breiter werdenden Grinsen Yuuryons schloss er, dass der Flussmensch sehr wohl wusste was sich ihm nur als leere Stelle offenbarte.

Dieser Umstand behagte Abraxas nicht. Es war ihm zuwider, wenn andere Leute einen Vorteil ihm gegenüber hatten und das Wissen, über den Ausgang einer als durchaus prekär zu bezeichnenden Situation, stufte Abraxas unter gegebenen Umständen auf alle Fälle als Vorteil ein. "Hör auf zu Grinsen!",verlangte er aggressiv und Yuuryons Miene erfror.

Schwerfällig richtete sich Abraxas auf und hielt in der Bewegung inne, als ihn neuerlicher Schwindel überkam. Schwer atmend drückte sich Abraxas vom Boden ab, stand auf und kämpfte mit geschlossenen Augen dagegen an, nicht erneut das Bewusstsein zu verlieren. "Ihr solltet euch noch ein wenig ausruhen",sagte eine Stimme und Abraxas wirbelte herum. Viel zu langsam. Was war nur mit ihm los? Jede Bewegung schien schwerfällig und sämtliche Glieder gehorchten ihm nur widerstrebend.

Seinem gehetztem Blick begegneten sanfte Augen, die freundlich lächelten. Der Vampir blinzelte verwirrt. Fragend musterte er die weißhaarige Gestalt, die sich nun ebenfalls erhob und gelassen auf ihn zu schlenderte. Ein seltsamer Zauber lag im Gesicht des Fremden, fast schien es so als war es einzig seine Kleidung, die ihn an ein bestimmtes Geschlecht kettete. Ein lange wallende Robe aus schwarzem Stoff, wie sie Magier trugen, weiß schimmernde Haare und dunkle wissende Augen, die dem Vampir vertraut erschienen. Er hatte diesen Blick schon einmal bei jemand anderem gesehen und dieses Lächeln. Ohne es selbst zu bemerken, machte Abraxas einen Schritt zurück. Irgendetwas war merkwürdig an dem Fremden und es dauerte einen Moment bis er erkannte, was es war. Abraxas spürte ihn nicht. Selbst wenn er sich direkt auf die Gestalt konzentrierte, die kaum zwei Armlängen von ihm entfernt stand, konnte er ihre Aura nur schemenhaft wahrnehmen. Immer wenn er dachte, endlich einen Funken gefunden zu haben, entglitt er ihm wieder und der Vampir begann erneut zu suchen.

"Bemüht euch nicht. Solange ich nicht will, dass ihr mich wahrnehmt, werdet ihr mich nicht finden können." Zögernd sah Abraxas auf und zog nach kurzem Nachdenken tatsächlich seine tastenden Sinne zurück. Seltsamerweise war er sich vollkommen sicher, dass von dem Fremden zumindest im Moment keine Gefahr ausging. Wie merkwürdig. Es lag dem Vampir fern, vorschnell zu vertrauen, aber in diesem Fall. Sein Blick schweifte zu Yuuryon, welcher entspannt nicht weit von ihm entfernt am Boden sass und ihn verschmitzt angrinste. Abraxas deutete ein Achselzucken an und hockte sich hin. Das Feuer prasselte und verströmte beruhigende Wärme. Der Fremde nahm ihm gegenüber Platz und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Einen Augenblick war es still und man hörte nur das Knacken verbrennender Äste und Zweige, dann räusperte sich der Weißhaarige, hob die Hand und sagte: "Seid gegrüßt Abraxas, Vollstrecker der Vampire und Erster der neuen Rasse." Nicht nur Yuuryons Augenbrauen hoben sich erstaunt, jedoch konnte man nicht verleugnen, dass sich leichter Unwillen in die Miene des Vampirs schlich. "Ihr kennt meinen Namen",stellte er sachlich fest und registrierte ein Nicken des jungen Mannes. "Ja. Aber das sollte euch nicht weiter verwundern. Vielerlei Blicke ruhen auf euch und verfolgen jeden eurer Schritte. Mag der eine wohlgesonnen sein und der andere weniger, aber viele Augen sehen was geschieht."

"Und ihr seid?" Demutsvoll senkten sich die dunklen Augen. Die schönen weißen Haare fielen lautlos von den schmalen Schultern, als er den Kopf neigte. "Velcon von Ismena, Magus der hohen Tiraden."

Ein verdammter Zauberer also und auch noch von den Tiraden. Abraxas hatte von dieser Schule gehört. Sie zeichnete sich nur an zweiter Stelle durch ihre nicht zu verachtende Anzahl von magisch exzellent ausgebildeten Abgängern aus, sondern eher durch den vielschichtigen Unterricht in der Kunst der Rhetorik, Manipulation und Diplomatie. Wenn man an dieser Schule seinen Abschluss erreichte, konnte man fast sicher sein, dass man im Anschluss ein hohes Amt in einer äußerst wichtigem Position bekleiden würde. Der Vampir legte die Stirn in Falten. Politiker - nicht einen hatte er getroffen, dessen Denkweise er verstand. Sie war ihm - zu kompliziert. Zwar schätzte auch Abraxas ein gewisses Maß an Intelligenz, doch der gerade, direkte Weg war ihm immer noch tausendmal lieber als übertriebene List und Tücke. Auf Dauer verlor er sich nur darin und wurde zum Spielball auf einem weitem Feld, das er nicht mehr überschauen konnte.

Und jetzt das hier. Dieser Velcon, ein Absolvent der Tiraden. Das war ja fast so, als würde er mit der Aufschrift 'In jedem Fall nicht vertrauensselig' auf der Stirn herum laufen und dazu kam noch die Tatsache, dass er log. Zwar gab es keinerlei äußerliche Anzeichen dafür und Abraxas wusste selbst nicht, warum er sich dessen so sicher war, aber der junge Magier log. Daran gab es keinen Zweifel. Irgendetwas passte nicht in das Bild, welches sich dem Vampir darbot. Velcon lächelte - aufrichtig - und Abraxas hätte ihn dafür am liebsten verdroschen. Doch nicht einmal Ansätze dessens spiegelten sich in seiner Miene wider. Ernst verschränkte er die Arme vor dem Körper und überschlug die Beine. "Velcon",wiederholte er den Namen sinnierend um etwas Zeit heraus zu schinden. "Und darf ich fragen, was ihr nun von mir wollt?" Velcon lächelte. "Es stimmt was man sich erzählt",meinte er nachdenklich, "Ihr redetet nicht lange um den heißen Brei herum, sondern geht immer sofort geradeaus euren Weg, unerbittlich dem Ende entgegen, wie weit der Weg auch erscheinen mag. Ich muss zugeben, dass ich mich einer gewissen Bewunderung nicht erwehren kann. Umso mehr glaube ich, dass ihr der Richtige seid, um meinen Wunsch zu erfüllen."

"Euren Wunsch?",fragte Abraxas misstrauisch. "Was für einen Wunsch? Und wie kommt ihr auf den törichten Gedanken, dass ich ihn euch erfüllen würde." Wieder breitete sich im Gesicht des Magiers jenes Lächeln aus, für welches ihn Abraxas am liebsten unter dem nächstbesten Baum aufgenüpft hätte - mit dem Kopf nach unten, versteht sich. "Ihr missversteht mich mein Freund" Und die freundliche Stimme wandelte sich zur zischenden Drohung einer zum Angriff gespannten Schlange. "Mein Wunsch ist keine Bitte, der ihr nach Belieben nachgehen könnt, wie es euch beliebt. Mein Wunsch ist ein Befehl, dem unter jeden Umständen Folge zu leisten ist. Ich WILL es so." Abraxas wollte auch etwas - aufspringen und zu einer scharfen Antwort ansetzten. Ersteres gelang ihm, aber dann blieben ihm die Worte im Halse stecken. Velcons Blick hatte sich verändert. In die dunklen Augen hatte sich ein glasiger Schimmer gelegt, der sich tief in Abraxas Seele brannte und sie bis zu ihren Grundfesten zu durchdringen schien. Dem Vampir war es nicht möglich, den Blick abzuwenden und das Entsetzten, welches ihn zunehmen ergriff, diese absolute Hilflosigkeit beim Anblick des Unausweichlichen, machte es ihm unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen. War es das, was Kain gespürt hatte?

Velcons Stimme war nurmehr ein Flüstern, doch hörte Abraxas die Worte klar und deutlich. Sie brannten sich direkt in seinen Geist hinein, hallten hinter seiner Stirn und brachen sich im tausendfachen Echo. "Das Auge des Drachen. Natyrn sprach davon. Ihr wisst wo ihr es finden könnt. Der Tempel ist nicht weit von hier. Keine drei Tagesreisen entfernt. Ich will diesen Stein um jeden Preis und ihr werdet ihn mir bringen."

Erschrocken bemerkte Abraxas, wie er im Begriff war mit dem Kopf zustimmend zu nicken. Im letzten Moment aber hielt er inne. So weit kam es noch. Es war schwer sich dem unheilvollen Einfluss Velcons zu widersetzten aber letztendlich gelang es ihm doch. Auf Abraxas Stirn war Schweiß ausgebrochen, als er nach ewig langer Zeit, wie es ihm selbst erschien, den Mund öffnete und zu einer Antwort ansetzte. "Das könnt ihr vergessen. Ich denke nicht mal im Entferntesten daran zu diesem vermaledeiten Tempel zu gehen. Wenn ihr den Stein wollt, holt ihn euch gefälligst selbst!" Für einen kurzen Moment bröckelte die gleichgültige Miene des Magiers und widerwillige Anerkennung spiegelte sich in seinen Zügen wider. Dann lächelte er, schlug die Augen nieder und sofort spürte Abraxas, wie die dunklen Klauen seinen Geist freiließen. "Natürlich liegt es mir fern, diesen Wunsch zu äußern, ohne euch eine entsprechende Gegenleistung in Aussicht zu stellen. Sagt, wie geht es dem Anderen?"

Abraxas hatte sich gut genug unter Kontrolle um kein verräterisches Blinzeln sehen zu lassen. Aber sein ausdrucksloses Gesicht hielt einen Moment zu lang, um wirklich überzeugend zu wirken. Velcon lächelte wissend. "Solange ihr ihn bei euch habt, seid ihr verwundbar. Für jeden, der weiß wie er es anzupacken hat, ist er ein leichtes Ziel, weil ihr nicht wisst, wie ihr euch dagegen schützen könnt." Abraxas lupfte eine Augenbraue. "Ach? Und ihr wollt es mir verraten?"

"Natürlich. Als Gegenleistung für den Stein. Ihr bringt mir den Blutkristall und ich verrate euch, wie ihr derartige Angriffe leicht abwehren könnt." Nachdenklich legte Abraxas die Stirn in Falten und sah zu Yuuryon hinüber. Der Flussmensch wich scheu seinem Blick aus. Ihn brauchte er nicht um Rat fragen. Für den Dieb war jede Richtung die Falsche. "Was hindert mich dann, euch nicht einfach zu töten?",fragte Abraxas lauernd. Zu seinem Erstaunen hob Velcon die Schultern und lächelte freundlich. "Nichts. Ich bezweifle, dass ich euch etwas entgegensetzen könnte. Aber der Andere würde es nicht überleben." Velcon verstummte, legte den Kopf schräg und dachte nach. Grübelnd fuhr er sich über das makellose Kinn und sagte: "Allerdings seid ihr ein Vampir. Vielleicht interessiert es euch gar nicht, was mit ihm passiert. Möglich. Nun, das ist wohl mein Risiko." Dem hatte Abraxas nichts mehr hinzuzufügen. Seufzend setzte er sich auf den Boden und vergrub sein Gesicht in den Händen. Gott, war das alles kompliziert. "Nur diesen blöden Stein?",fragte er leise. Velcon lächelte. "Nur diesen Stein, dann seid ihr mich los. Ich denke, ihr werdet euch für den richtigen Weg entscheiden."

Als Abraxas wieder aufsah war Velcon verschwunden. Hastig sprang er auf die Beine und blickte sich gehetzt um. Sein Blick fiel aber nur auf Yuuryon, der verwundert auf die Stelle starrte, an der Velcon noch bis vor kurzem gestanden hatte. Wahrscheinlich derselbe Zauber, dessen sich auch Shantel bediente. Der Vampir ließ erschöpft die Schultern hängen. "Und Yuu? Was machen wir nun?"

Der Flussmensch machte eine ratlose Geste. "Immerhin hat er uns vor Natyrn gerettet. Er veranlasste, dass uns keiner der Schurken etwas antat und ließ mich dein Pferd holen",erklärte Yuuryon mit einem Kopfnicken zu dem nicht weit entfernt grasendem Schwarzen. "Wenn er nicht gewesen wäre, wären wir gar nicht erst in die Gewalt der Diebe geraten.",entgegnete Abraxas mürrisch

"Nun ja..." Yuuryon wusste nicht weiter. Im Endeffekt war es ja eh egal, was er sagte.

Abraxas sah zu den Sternen hinauf. Sie funkelten ihm schelmisch zu und schienen wie immer auf jede Frage die Antwort zu wissen. Nur ihm verrieten sie nichts. Abraxas hätte jetzt gerne Kain um seine Meinung gefragt, aber der Vampir war noch immer vollkommen außer Gefecht gesetzt. Wenn sie jetzt jemand angreifen würde. Nein, daran mochte Abraxas gar nicht denken. Und schließlich gab das den Ausschlag. "Yuu? Bist du soweit in Ordnung?" Im Licht des Mondscheins prangte die frische Wangen-Narbe auf seiner hellen Haut besonders deutlich, aber ansonsten fehlte Yuuryon nichts. Zögerlich nickte er. "Gut, dann brechen wir auf. Holen wir diesen blöden Kristall!"

Abkommen

Abkommen
 

Für einen Jungen war Yuuryon an und für sich recht zierlich und schmal. Vielleicht nicht ganz so gedrungen, wie Abraxas, doch kam er an dessen hochgeschossenen Wuchs bei Weitem nicht heran. Umso erstaunlicher war deswegen, das nicht zu verachtende Gewicht des Flussmenschen, welches Abraxas nun schon eine ganze Weile empfindlich auf den Rücken drückte. Dem Vampir war es ein Rätsel, wie der Dieb bei dem nicht gerade sehr sanften Gang seines Pferdes schlafen konnte, aber irgendwie hatte es der Flussmensch tatsächlich fertiggebracht. Die Arme sanft um Abraxas geschlungen, den Kopf auf seiner Schulter und mit ruhigen Atemzügen, schaukelte Yuuryon bei jedem Pferdeschritt hin und her, so dass Abraxas fürchten musste, dass er am Ende noch herunterfiel. Und schnell voran kamen sie auf diese Weise auch nicht.

Zwei Tage waren sie nun schon unterwegs und von dem angeblichen Tempel war noch immer nichts zu sehen. Auch hatte Abraxas schon lange keine anderen Wesen mehr gespürt, die man nach dem Weg hätte fragen können. Nur ab und zu, zeigten sich im dichten Untergehölz des Waldes die scheuen Blicke der Bewohner und waren so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war. Nun aber herrschte um sie herum schwärzeste Nacht, so dass es selbst der Vampir schwer hatte mehr als ein paar Armlängen voraus zu sehen. Er würde bald einen Platz finden müssen, an dem sie rasten konnten.

Auf einem kleinen Waldstück, auf welchem die Bäume etwas weniger dicht wuchsen als anderswo, hielt Abraxas schließlich an und versuchte vorsichtig abzusteigen. Yuuryon hatte sich aber derartige an ihn gekrallt, dass es Abraxas schon ein bisschen mehr als sanfter Gewalt bedurfte um sich aus seiner Umarmung zu lösen. Aber selbst davon ließ sich Yuuryons Schlaf nicht stören, sondern er begann, zwar langsam, aber beharrlich, zur Seite Richtung Boden zu kippen. Für einen kurzen Moment spielte Abraxas mit dem Gedanken ihn einfach fallen zu lassen, fing ihn dann aber doch im letzten Moment auf und hob ihm vorsichtig vom Rücken des Tieres. Sofort trabte der Rappe ein Stück weit davon und begann zu grasen.

Nachdem Abraxas Yuuryon an einer halbwegs trocken aussehenden Stelle abgesetzt hatte, suchte er etwas Holz zusammen, das er zu einem Stapel aufschichtete und entzünden wollte. Es hatte den vergangenen Tag fast ununterbrochen geregnet, so dass Abraxas schon froh war, dass ihre Kleidung wenigstens wieder halbwegs trocken war, trotzdem griff er halbherzig nach den Feuersteinen, welche er immer bei sich trug und versuchte das nasse Holz zum Brennen zu bringen. Aber schon nach wenigen Versuchen musste der Vampir einsehen, wie erfolglos dieses Unterfangen bleiben würde und gab frustriert auf. Noch immer tropfte es ab und an leise von den Bäumen, aber einen trockeneren Platz würde er für diese Nacht nicht finden. Schaudernd zog Abraxas den Mantel etwas enger um den Körper - es würde eine sehr kalte Nacht werden - und setzte sich zu Yuuryon. Sofort kuschelte sich der Flussmensch etwas näher an ihn und brachte Abraxas beinahe dazu erschrocken aufzuspringen. Berührungen jeglicher Art, mit Ausnahme derer Shantels, waren ihm fremd und unangenehm. Anderseits verströmte Yuuryon angenehme Wärme. Ergeben fügte sich Abraxas endlich seinem Schicksal und schloss die Augen. Wenn er denn nicht jede Nacht so verbringen musste...
 

Noch immer hing die Nacht stockfinster im dichten Geäst, der tief verflochtenen Baumzweige. Kein Wind ging, kein Vogel war zu hören und doch wurde die Stille des schlafenden Waldes jäh unterbrochen. Eine schemenhafte Gestalt, deren helle Haut im Dunkel der Nacht noch stechender als sonst hervortrat, begann sich leise aufzurichten und einige Schritte in den Wald hineinzulaufen. Die Bewegungen wirkten geschmeidig und fast war kein Laut zu hören - fast, bis Yuuryon an einer Baumwurzel hängen blieb und beinahe zu Boden gestürzt wäre. Ein leiser Fluch wich über seine Lippen, aber er war kaum ausgesprochen, als der Flussmensch auch schon erschrocken die Hand auf den Mund presste und ängstlich über die Schulter zu Abraxas zurücksah. Aber der Vampir schlief tief und fest. So leise wie möglich richtete sich der Dieb wieder auf, strich einen Buschzweig beiseite und setzte seinen Weg in das Waldinnere fort.

Yuuryon war nicht sicher wohin er wollte. Aber Wohin war an und für sich auch nicht so wichtig. Schließlich hatte er ein Ziel und das hieß 'weg'. Wohin war im Moment egal, weg reichte für den Anfang vollkommen.

Als er sich sicher war, von Abraxas weit genug entfernt zu sein, dass er ihn nicht mehr hören konnte, wagte es Yuuryon endlich tief Luft zu holen. Ein erleichterter Seufzer drang über seine Lippen - der erste Teil war geschafft. Nun musste er nur noch möglichst viel Strecke zwischen sich und dem Vampir bringen und sobald er den nächsten See gefunden hatte, konnte Abraxas ihm sowieso nichts mehr. Yuuryon grinste siegessicher. Es hatte etwas gedauert, aber nun war er wieder vollkommen Herr der Lage. Es hatte ein paar Komplikationen gegeben, aber jetzt war dieser ganze Albtraum vorbei. Der Vampir würde seiner Wege ziehen und er konnte nach Mersawjez zurückkehren. Halleluja!

Jetzt, da er sich etwas sicherer fühlte wagte es Yuuryon erstmals seine Umgebung etwas genauer zu mustern. Das Buschwerk des Waldes war dicht in einander verwachsen, so dass es Yuuryon schwer fallen würde, schnell voranzukommen, ebenso würde aber auch Abraxas mit seinem Pferd Probleme bekommen. Noch immer brach kein einziger Lichtstrahl durch die Bäume, so dass Yuuryon, der nicht über die guten Augen Abraxas' verfügte, kaum die Hand vor Augen sah. Aber sein natürliches Gespür, für alles Lebendige um ihn herum reichte vollkommen aus um ihn halbwegs sicher durch das verworrene Pflanzengewächs des Waldes zu führen. Ruhig verharrend legte Yuuryon den Kopf in den Nacken und sog suchend Luft durch die Nase ein. Es dauerte einen Moment, doch dann hatte er den Geruch des Wassers gefunden. Der vertraute Duft und das leise Plätschern des spritzenden Nass, welches sich glitzernd seinen Weg zwischen den scharfkantigen Steinen entlang suchte und sich schließlich in einem rasenden, alles hinfort reissenden Strom vereinte, der gurgelnd in der Tiefe verschwand, ließ Yuuryons Herz höher schlagen - ja das war das, was er suchte. Zielstrebig setzte er sich in Bewegung.

Aber schon nach wenigen Schritten, blieb Yuuryon wieder stehen, hob alarmiert den Kopf und versuchte in der Dunkelheit des Waldes etwas auszumachen. Zwar konnte er es nicht sehen, aber er spürte es mit jeder Faser seines Körpers - er war nicht mehr allein. Klammheimlich hatte sich eine fremde Gestalt zu ihm gesellt und beobachtete ihn nun lauernd aus der Finsternis heraus. Yuuryon schluckte leise und bemühte sich die langsam aufkeimende Panik niederzukämpfen. Abraxas konnte es nicht sein, den hätte er nicht spüren können. Aber mitten in der Nacht, alleine im Wald konnte auch jemand anders als der Vampir zur potentiellen Gefahr werden. "Hallo? Ist da wer?",fragte Yuuryon flüsternd und erschrak beim zittrigen, gehetzten Klang der eigenen Stimme. Keine Antwort erfolgte. Der Wald blieb stumm und beobachtete ihn weiter. Was sollte er denn nur tun? Wo war der Fremde? War es wieder dieser Velcon? Aber nein, nicht einmal Abraxas hatte den Magier spüren können, wie sollte dann er? Yuuryon schüttelte gehetzt den Kopf, versuchte die aufkommende Angst zu vertreiben, aber einmal losgelassen, verschwand das schwarze Monster bei weitem nicht mehr so schnell, wie es gekommen war und Yuuryons Phantasie beflügelte es zu immer neuen, größeren und schrecklicheren Formen. Betont langsam drehte sich der Flussmensch in die Richtung, aus der er das Wasser gerochen hatte, fasste sich ein Herz und marschierte los.

Für einen Moment geschah nichts und Yuuryon wollte beinah aufatmen, als er hörte wie sich das schwarze Monster ebenfalls in Bewegung setzte - direkt hinter ihm. Keine zehn Meter entfernt. Er hätte sich nur umdrehen müssen und Yuuryon hätte sehen können, was ihn da verfolgte. Aber umdrehen? Dafür brauchte man Mut. Den hatte er nicht. Außerdem brauchte man zum Umdrehen Zeit - Zeit, die man lieber für etwas sinnvolleres nutzen konnte.

Yuuryon rannte los. Hinter ihm hörte man es erschrocken aufjapsen - erstaunlich hoch für ein Ungeheuer der Tiefen - dann setzte sich das Monster auch schon in Bewegung. Der Dieb drehte sich nicht um. Es war da! Es war hinter Ihm. Es RANNTE ihm nach! Nein, da war für umdrehen wirklich keine Zeit. Gehetzt brach Yuuryon durch das Untergehölz, zerkratzte sich Gesicht und Arme, schlitterte den glitschigen Moosboden entlang und riss auf seiner atemlosen Flucht tief hängende Zweige und Ranken von den Bäumen. Er bemerkte es nicht. Das Monster war da! Und es kam näher!

Yuuryon hörte, wie es hinter ihm ächzend durch das Geäst brach, hörte es leise fluchen und jubilierte innerlich, dass er nicht der Einzige war, der im Wald Probleme hatte zu rennen. Doch es nützte nichts. Langsam, jedoch beharrlich kam es ihm näher, war fast heran und ... "Raaaaaah!!!! Bleib mir gefälligst vom Leib!"

Das Ungeheuer blieb verdutzt stehen. "Hey... Warte doch mal..."

Da! Es hatte gesprochen! Er sollte warten! HA! Yuuryon mochte naiv sein, aber so dumm war er dann doch noch nicht. Ohne nachzudenken holte er noch einmal alles aus sich heraus und trieb seine Beine an noch schneller zu laufen. Das Ungeheuer seufzte. Metall klirrte. Ein Sirren durchschnitt die Luft, Yuuryon spürte einen Widerstand und stürzte fast zeitgleich ins Unterholz. Schon wollte er aufspringen, konnte sich aber nicht einmal aufrichten, sondern knallte wieder mit einem dumpfen Laut auf den Boden. Schreckensbleich wand Yuuryon den Kopf und sah an seinem Körper hinab. Um die Beine herum hatte sich ein dünnes, aber umso stabileres Seil geschwungen, dessen eines Ende in einem schweren Metallstück endete, während die andere Seite - Yuuryon erstarrte - die andere Seite endetete in den Klauen des Ungeheuers, welches ihn entnervt anstarrte. "Bleibst du jetzt hier, oder muss ich dich erst zusammenschlagen, bis du mir zuhörst?", fragte Monster gereizt und machte einen Schritt auf Yuuryon zu. Es kam näher! Für einen Moment spürte Yuuryon den starken Impuls zu schreien, dann aber trat Monster etwas aus dem Schatten und ermöglichte einen genaueren Blick auf das Ungeheuer. Yuuryon blieben die Worte im Halse stecken. Aber jetzt war es keine Angst sondern ehrliche Überraschung, die den Hauptausdruck in Yuuryons Gesicht bestimmten. Das Ungeheuer war gar kein Ungeheuer. Vor ihm stand ein kräftiger Mann, vielleicht anfang dreißig, dem die schwarzen Haare störrisch ins Gesicht hingen, dessen Kleidung aussah, als hätte sie auch schon so einiges erlebt und welcher eine große Ledertasche lässig über die Schulter geschwungen hatte. Am auffälligsten war aber wohl der kunstvoll verzierte Waffengürtel, den der Fremde offen zur Schau trug und an dem die verschiedensten exotisch anmutenden Waffen hingen. Sie klirrten bei jeder Bewegung des Unbekannten. Aber halt, kannte er ihn den wirklich nicht? Yuuryon verengte die Augen zu Schlitzen und versuchte so etwas mehr im Zwielicht zu erkennen. Merkwürdig... Wirklich vertraut waren ihm die Züge nicht, aber unbekannt war auch etwas anderes. Und dann auf einmal konnte Yuuryon fast hören, wie der eiserne Hebel vibrierte und unter lautem Getöse einrastete. Natürlich! Das war der Sath, der noch vor drei Jahren in Mersawjez gelebt hatte. Und im selben Moment, wie Yuuryon Xhal erkannte, fügten sich auch alle anderen verbleibenden Puzzelteile zu einem großen Ganzen zusammen und Yuuryon verstand endlich.

Nur wenige Dämonen hatten Xhal persönlich gekannt - mit Ausnahme vielleicht der Nundu, mit denen er immer wieder aneinander geraten war - aber von dem Massaker vor drei Jahren im Hause des Jägers hatte wohl jeder gehört, der in Mersawjez lebte. Die Erzählungen vom Tod der Halbdämonin und des jungen Jägers hatten schnell die Runde gemacht und natürlich wusste Yuuryon auch von dem Vampir, der in die ganze Sache involviert gewesen war. Der Vampir... "Du bist Xhal, oder?",fragte Yuuryon leise, zog die Beine an und versuchte das Seil abzustreifen. Xhal beobachtete ihn dabei, machte aber keinerlei Anstalten ihm zu helfen. Dann nickte er zögernd, eine Bewegung, die in der Dunkelheit, fast nicht zu erkennen war. "Ja, der bin ich. Wo wolltest du hin?" Yuuryon hatte die letzte Seilwindung abgestreift und richtete sich wankend auf. Beim Sturz hatte er sich den linken Ellenbogen aufgeschürft, der jetzt heftig zu pochen begann. "Weg",antwortete er ausweichend und wand den Kopf ab. Ehrlich gesagt wollte er das immer noch. Abraxas würde nicht ewig schlafen und er wollte weit von ihm entfernt sein, wenn er seinen Verlust bemerkte. Xhal nickte nachdenklich, verschränkte die Arme und sah Yuuryon ernst an. "Tut mir leid, aber das werde ich nicht erlauben können. Ich möchte gerne, dass du bei ihm bleibst." Yuuryons Augen weiteten sich. "Bis du von Sinnen?",kreischte er erstickt. "Der Kerl bringt mich früher oder später um. Dort kann ich nicht bleiben!" Aber Xhal lächelte unerbittlich. "Möglich. Aber das Risiko musst du eingehen, wenn du die Belohnung haben willst." Der Dieb wurde hellhörig. "Belohnung?",echote er scheinbar desinteressiert, aber der gierige Blick sprach Bände und Xhal lächelte zufrieden in sich hinein. Scheinbar hatte er den Kerl richtig eingeschätzt. "Ja Belohnung. Ich bin der Jäger, den man auf Abraxas angesetzt hat und ich bekomme eine nicht gerade zu verachtende Summe, sobald ich ihn beim Zirkel abliefere. Wenn du bei ihm bleibst, wäre ich bereit diese mit dir zu teilen." Es war nur einen Moment lang still, bis Yuuryon schon wieder fragte:"Wieso?", und was viel wichtiger war, "Wie viel?" Xhal beantwortete die letzte Frage zuerst. "Genug möchte ich meinen. Es wird nicht zu deinem Nachteil sein. Und warum..." Der Jäger hob die Hand und fuhr sich nachdenklich übers Kinn. "Ich warte auf den richtigen Augenblick um Abraxas zu stellen. So wie ich jetzt bin, habe ich keine Chance. Aber der Vampir macht es mir schwer ihm zu folgen. Seine Wege werden immer verworrener und ich brauche immer länger ihm folgen zu können. Wenn das so weiter geht, verliere ich ihn bald ganz aus den Augen." Yuuryon verstand nicht ganz. "Ja und? Das ändert sich doch nicht, nur weil ich wieder zurückgehe! Oder behindere ich ihn so sehr?" Der Jäger lächelte zustimmend. "Das auch, aber ich würde dich gerne mit einem Ortungszauber belegen, so kann ich dich immer finden und wenn du bei Abraxas bist... An ihn komme ich leider nicht lange genug nah heran um das selbe zu tun."

So war das also. Yuuryon sollte also praktisch als Wegweiser für den Jäger dienen. Die Idee war nicht dumm. "Ein Zauber, sagst du?",fragte Yuuryon skeptisch. Xhal nickte. "Ja, aber keine Angst. Er ist vollkommen ungefährlich" -'habe ich mir sagen lassen',fügte er in Gedanken nur für sich selbst hinzu und schenkte Yuuryon ein aufmunterndes Lächeln. Der Flussmensch schluckte. "Und ich krieg die Hälfte, von deiner Bezahlung?"

"Ja... Vorausgesetzt du bist bis zum Ende bei ihm. Ansonsten natürlich nicht." Nachdenklich verschränkte Yuuryon die Arme und legte den Kopf in den Nacken. An und für sich hatte er keine Lust zu dem verrücktem Vampir zurückzukehren. Aber es war allgemein bekannt, dass Jäger nicht allzu schlecht bezahlt wurden. Es gab genug junge Leute, die weniger aufgrund dem besonderen Drang zum Schutze der Menschheit zum Jäger wurden, als vielmehr wegen der guten Aussicht auf das schnelle, große Geld. "Also?",unterbrach Xhal seinen Gedankengang. Er hatte nicht die ganze Nacht Zeit. Der Flussmensch zögerte nur noch einen Moment, dann machte er eine zustimmende Geste. "In Ordnung. Sprich deinen Zauber. "Xhal lächelte zufrieden -Nichts anderes hatte er erwartet - zog eine Schriftrolle hervor, entrollte sie und begann die Worte zu sprechen. Yuuryon stand einfach herum und fühlte sich nutzlos. Die Laute Xhals waren ihm fremd. Sie klangen bedrohlich und - holprig. "Ähm, hast du das schon mal gemacht?",fragte Yuuryon besorgt. Der Jäger schüttelte verneinend den Kopf. "Oh, na dann..." Schon bereute der Dieb seine Entscheidung.

Nach kurzer Zeit hatte Xhal seinen Zauber bereits beendet, verstaute die Schriftrolle wieder in seiner Tasche und sah zu Yuuryon. "Am besten du wirfst dich noch irgendwo in eine große Matschpfütze. Sonst kann Abraxas mich riechen und ich glaube, das wäre für uns Beide von Nachtteil." Yuuryon blinzelte verwirrt. "Wie? Das war es jetzt schon?"

"Ja. Was hast du erwartet?" Ratlos hob der Flussmensch die Schultern. "Keine Ahnung, aber ich fühle mich nicht anders. Woher weißt du ob es funktioniert hat?"

"Das lass mal meine Sorge sein. Geh jetzt lieber!" Mit diesen Worten packte Xhal Yuuryon an der Schulter und drehte ihn in die Richtung aus der er ursprünglich gekommen war. Zögernd machte sich Yuuryon auf den Weg, blieb aber schon nach kurzen Schritten wieder stehen, sah zu Xhal zurück und wollte ihn noch etwas fragen, aber der Jäger war verschwunden. Dort wo er eben noch gestanden hatte, war alles leer und nur noch der leicht eingedrückte Waldboden zeugte davon, dass dort einst jemand gestanden hatte. Achselzuckend machte sich Yuuryon auf den Weg.

Eine Matschlache zu finden, war weniger kompliziert als er erwartetet hatte. Kein Wunder immerhin hatte es den vergangenen Tag nur geregnet. Ratlos stand Yuuryon einen Moment vor der dreckigen Pfütze, schloss dann ergeben die Augen und ließ sich der Länge nach hineinfallen. Dunkles, widerwärtig riechendes Wasser spritze platschend nach oben und Yuuryon bereute sofort seine Tat. Hustend richtete er sich wieder auf und versuchte den widerwärtig Schleim aus Nase und Augen zu bekommen. Eines war jedenfalls sicher. Der Schlamm stank bestialisch. Wenn der Vampir jetzt noch Spuren von Xhals Geruch finden konnte, war er wirklich ein Genie. So sicher wie es Yuuryon mit den verklebten Augen noch möglich war, wankte er zum Lager zurück. Ihm leuchteten zwei rote Punkte entgegen. Der Dieb brauchte einige Zeit, bis er begriff, dass es die Augen Abraxas' waren, die ihn ernst musterten. Verdammt, er war wach! Unsicher trat Yuuryon von einem Bein auf das andere, steckte die Hände in die Hosentaschen, zog sie aber sofort wieder heraus, als er auch darin glitschigen Matsch vorfand. "Was hast du gemacht?",fragte Abraxas kühl. "Ich bin gestürzt!",antwortete Yuuryon prompt - eine Nuance zu schnell. Abraxas Miene gefror noch ein Stückchen mehr. Yuuryon hätte nicht gedacht, dass das möglich gewesen wäre. "Das sehe ich", kommentierte Abraxas eisig, "Ich will wissen, wo du gewesen bist." Gute Frage! Sehr gute Frage! Warum musste sie Abraxas stellen? Diesmal aber reagierte Yuuryon richtig. Trotzig verschränkte er die Arme und meinte im schnippischen Ton. "Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber im Gegensatz zu dir muss ich Nahrung zu mir nehmen. Und irgendwann muss das auch wieder raus!" Unwillkürlich musste Abraxas lächeln. Zwar spürte er instinktiv, dass Yuuryon nicht die Wahrheit sprach, aber seine Dreistigkeit verblüffte ihn doch immer wieder. Nachgiebig sah er zu Boden und machte eine abwinkende Handbewegung. "Geh schon",murmelte er friedlich, "und wasch dir irgendwo das Zeug vom Körper. So wie du stinkst nehme ich dich nicht mit auf meine Pferd. Sonst kannst du rennen!"

Ohne noch ein Wort zu sagen machte Yuuryon auf dem Absatz kehrt und verschwand erleichtert wieder im Wald. Das wäre also geschafft.

Ahnung

Ahnung
 

Der Morgen des dritten Tages, seit die Beiden von Velcon auf den Weg geschickt wurden waren, zeigte sich trüb und neblig. Ein feiner Sprühregen ging vom Himmel hernieder und hatte ihre Kleidung schon wieder fast komplett durchdrungen. Dazu fegte ihnen ein eisiger Wind heulend um die Ohren. Yuuryon hatte die Arme um Abraxas geschlungen und schmiegte sich so dicht an ihn, wie es der Vampir gerade noch erlaubte. Trotzdem änderte es nichts daran, dass der junge Mann schon seit geraumer Zeit konstant zitterte. Abraxas trieb sein Pferd zur Eile an. Denn selbst der Vampir begann langsam zu frieren. Und wenn sogar er nicht mehr gegen die Kälte immun war, konnte es Yuuryon auf keinen Fall sein. Allzu schnell kamen sie aber trotzdem nicht voran, denn das Tier machte nur zaghafte, vorsichtige Schritte um nicht auf dem glitschigen Untergrund auszurutschen. Der Boden war aufgeweicht und matschig, so dass das schöne schwarze Fell, dreckig und klumpig an den Beinen herabhing. Abgeerntete Felder säumten links und rechts den Weg, auf welchem Abraxas entlang ritt, aber nirgendwo war auch nur ein Mensch zu sehen. Nur weit entfernt, konnte Abraxas eine Ansammlung von Seelen wahrnehmen. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Aber jetzt war es zu spät noch etwas daran zu ändern. Er konnte nur noch voranschreiten, immer weiter geradeaus, immerfort. Obwohl es ein Risiko in sich barg, gab Abraxas seinem Pferd die Sporen und ließ den Schwarzen nach vorne preschen. Dorthin, wo er die Lebenden gespürt hatte. Für eine Stadt, oder wenigstens ein Dorf waren es zu wenige, aber für einen kleinen Bauernhof konnte die Anzahl der Seelen durchaus genügen. Was es auch war, es versprach in jedem Fall gute Aussichten auf eine Möglichkeit sich vor dem Regen zu schützen.

Beschlagene Pferdehufe donnerten über den morastigen Untergrund, Schlamm spritze nach oben und machte den Ritt zu einem waghalsigen, mörderischen Experiment. Aber dem Vampir war es egal. Ein seltsames Gefühl hatte von seinem Innersten Besitz ergriffen. Aus irgendeinem Grund konnte er es kaum erwarten, die kleine Seelenansammlung zu erreichen. Jede Minute, nein gar jede Sekunde, die er noch länger unnütz verstreichen ließ, erschien ihm sinnlos und verkehrt. Entsetzt krallte sich Yuuryon fester an Abraxas um nicht im rasenden Galopp vom Rücken des Pferdes geworfen zu werden. Er verstand nicht warum es der Vampir auf einmal so eilig hatte. Wie auch, wenn es Abraxas selbst nicht verstehen konnte. Eine innere Unruhe hatte ihn ergriffen, die es ihm nicht erlaubte inne zu halten.

Kain interessierte es nicht, was Abraxas tat. Sowieso war er seit dem Vorfall mit Velcon sehr schweigsam geworden. Aber wenn Abraxas meinte, dass er so hetzten musste, bitteschön. An und für sich konnte es der Vampir ja nur beglückwünschen, wenn sich Abraxas außer Gefecht setzte, dann konnte Kain tun was er wollte. Und auf seiner Liste zu erledigender Tätigkeit stand der Tempelbesuch erst weit unten, ganz weit unten.

Und mit jedem Schritt den die fliegenden Pferdebeine sie weiter vorantrugen, wurde Abraxas Erregung immer größer, während sich in Kain zunehmend ein ungutes Gefühl zu materialisieren begann. Und nicht nur in Kain. Auch Yuuryon kauerte sich immer mehr hinter Abraxas zusammen, machte sich kleiner und kleiner. In der Magengegend spürte er ein ungutes Ziehen, das langsam empor kroch und von seinem ganzen Körper Besitz ergreifen wollte. Nein, wo sie auch hin ritten, sie waren definitiv auf dem falschen Weg. Sie sollten nicht weiter gehen.

Aber es war bereits zu spät. Vor ihnen lag eine kleine Anhöhe, die den Blick auf das dahinter Liegende versperrte, aber Abraxas trieb den Rappen unerbittlich nach oben. Das Pferde wieherte protestierend, setzte seinen Weg aber gehorsam fort. Auf dem Gipfel der Anhöhe brach der Weg plötzlich steil nach unten ab, so dass Abraxas sein Pferd scharf wenden musste, um nicht abzustürzen. Kleine Steinchen lösten sich aus der Wand und purzelten hinab in die Tiefe. Von unten her, wehte ein eisiger Luftzug, der kleine Schutzteilchen in die Höhe wirbelte und wieder zurück, hoch und runter, hin und her. Im taumelnden Spiel, losgelöst, traumhaft, schön und gefährlich. Fast gewaltsam musste sich Abraxas von dem Anblick losreißen und lenkte seinen Blick weiter nach vorne über die Ebene. Ihm stockte der Atem.

Der Abgrund war vielleicht zehn Meter breit, zu weit um zu springen. Aber nicht weit von ihnen entfernt, führt eine schmale Brücke über den finsteren Schlund, aber das eigentlich erstaunliche, war das was sich dahinter auf der mit den Feldern überdeckten Ebene darbot. Hinter der Brücke schlängelte sich ein schmaler Weg entlang, der auf ein riesig schwarzes Monument zusteuerte. "Was ist das?",keuchte Yuuryon atemlos und versuchte vergeblich den Blick von den spitzen in einander verwobenen Zinnen, den vielen Türmchen und abertausend Verzierungen abzuwenden. Abraxas erging es ähnlich. "Das... wird der Tempel sein",meinte er fassungslos. "DAS?" Ja, so unglaublich es auch erschien. Das musste er sein. Schwarze Türme reckten sich der Sonne entgegen, auf deren Dächern Raben und andere schwarze Vögel sassen und sie misstrauisch beäugten. Ein riesiges Tor wurde links und rechts von schwarzen Marmorsäulen, die einen gewaltigen Bogen trugen, welcher mit den verschiedensten okkulten Zeichen versehen war. Nicht eines von diesen war Abraxas bekannt. Um die Zinnen herum schien die Luft dunkler und dichter zu sein. Ab und zu zuckten kleine blaue Blitze. Abraxas jagte ein kalter Schauder über den Rücken.

"Das soll ein Tempel sein?",fragte Yuuryon zweifelnd. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Abraxas nickte wenig überzeugt. "Ja, für irgendeinen verfluchten Dämonenfürsten, denke ich. Baphomet vielleicht, oder jemand anders." Yuuryon bemühte sich um ein krampfhaftes Lächeln, aber nicht ein mal das wolle ihm gelingen. Sein Innerstes fühlte sich wie ein einziger erstarrter Eisklumpen an, in dessen Mittelpunkt sich aber immer noch giftige Schlangen siedend heiß hin und her bewegten. Das war nicht mehr nur ein ungutes Gefühl, eine unbedeutende Ahnung. Es war Gewissheit, dass... "Abraxas! Wir sollten dort nicht reingehen. Wirklich nicht. Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl!" Der Vampir stockte. Yuuryon hatte genau das wiederholt, was ihm Kain gerade mitgeteilt hatte. Aber absprechen konnten sie sich ja kaum. Skeptisch drehte er sich im Sattel halb zu Yuuryon herum und unterzog ihn einer langen, gründlichen Musterung. Aber es fanden sich nicht ein Mal Anzeichen eines Scherzes im Gesicht des Flussmenschen. Er meinte es bitter ernst. "Yuuryon", sprach Abraxas beschwörend seinen vollen Namen aus. "Das ist nur ein unheimlich aussehendes Gebäude. Du verlangst doch nicht allen Ernstes von mir, dass wir JETZT umkehren?" Der Dieb senkten betreten die Augen. Dabei fiel sein Blick auf den gähnenden, schwarzen Abgrund, an dem sie noch immer standen und der ihn veranlasste den Kopf schleunigst wieder zu heben. "Doch, Abraxas! Wahrscheinlich glaubst du mir nicht, aber wir Flussmenschen haben von Natur aus die Gabe die Schwingungen, dessen, was erst noch geschehen wird, aufzufangen und zu deuten."

"Häh?" Yuuryon verdrehte genervt die Augen. "Mann, ich kann in die Zukunft sehen!"

"Stimmt, dass glaube ich dir nicht ." Yuuryon traute seinen Ohren nicht, hörte er da etwa Spott? Dabei meinte er das doch vollkommen ernst. Abraxas glitt vom Pferd hinab, ergriff die Zügel und strich dem Schwarzen sanft über die Stirn. "Wenn du das wirklich könntest, hättest du doch niemals mein Pferd gestohlen. Oder willst du etwa sagen, du bist freiwillig bei mir?",fragte er siegessicher lächelnd. Yuuryon zuckte getroffen zusammen. Sein Blick schweifte unsicher zum Tempel hin - nein, er irrte sich nicht. Ruhig stieg er vom Rücken des Rappen, bereute es aber sofort, da er nun zu Abraxas aufsehen musste. Schon wollte sich Abraxas zum Gehen wenden, als Yuuryon nach seinem Mantel griff und ihm zaghaft festhielt. Irritiert blieb der Vampir stehen. Zwar hätte es ihm keinerlei Mühe bereitet, sich loszumachen, aber wenn Yuuryon sogar schon so weit ging, ihn zu berühren meinte er es am Ende doch ernst. "Und?",fragte er höhnisch. "Was erzählt dir deine Zukunft?" Yuuryon schluckte. "Das weiß ich leider nicht." Erbost fuhr Abraxas herum, ergriff Yuuryon am Kragen, wollte schon zum Schlag ausholen, zögerte aber im letzen Moment als er in Yuuryons Augen sah. Zwar zitterten sie leicht aus Furcht vor Abraxas, waren ansonsten aber vollkommen ernst. Sowieso deutete Yuuryons ganze Körperhaltung nicht mal Ansatzweise auf einen Scherz hin. Seine Arme hingen schlaff an der Seite, aber der Kopf war trotzig erhoben und starrte Abraxas provozierend an. "Du hast Recht",sagte er widerwillig "Ich kann es eigentlich nicht. Meine Fähigkeiten sind fast gar nicht ausgeprägt. Ich kann dir nicht - wie manche unter uns - erzählen, wie dein Leben verlaufen wird, was du alles erlebst, welchen Gefahren du trotzen musst und wann du letztendlich stirbst. Ich kann nicht mal vorhersagen wie das Wetter morgen sein wird. Ich verließ mein Volk, als sich herausstellte, dass ich die Gabe wohl niemals erlangen würde und ich die Schande nicht mehr ertragen konnte. Vor ein paar Jahren starb mein Vater - ich hatte nicht mal ein ungutes Gefühl, aber jetzt..." Yuuryon schüttelte entgeistert den Kopf, machte sich los und lief ein paar Schritte am Abgrund entlang, blieb stehen und drehte sich wieder zu Abraxas. Hinter ihm lag gähnend der schwarze Abgrund, welcher der hellen Gestalt einen geisterhaften, durchscheinenden Eindruck verlieh. "Wenn wir diesen Tempel betreten, wird es nicht mehr aufzuhalten sein",stellte Yuuryon nachdenklich fest. "Was?"

Aber der Flussmensch antwortete nicht. Er wusste es nicht. Aber etwas würde geschehen und es würde ihnen nicht gefallen. Hilflos hob er die Schultern und richtete einen flehenden, letzten Blick an Abraxas. Aber schon bevor er die Bitte aussprach, wusste er bereits, dass es vergebens war. "Bitte, lass uns umkehren."

Tatsächlich zögerte der Vampir. Ihm schien es als hätte er diese oder eine ähnliche Situation bereits erlebt und deswegen wusste er nun auch, wie es weiter ging. "Nein.",war die Antwort. Die selbe Antwort, die sich bereits einmal als Fehler entpuppt hatte. "Wegen einem dummen Gefühl kehre ich nicht um. Es ist nur ein Gebäude und schließlich wollen wir nicht lange dort bleiben!" Entschlossen griff Abraxas nach den Zügeln des Rappen und schritt an Yuuryon vorbei, auf die Brücke zu. Innerlich machte er sich schon auf eine weitere Diskussion mit dem Flussmenschen gefasst, aber diese blieb aus. Ohne ein weiteres Wort des Widerspruches, folgte Yuuryon dem Vampir. Zwar mit hängenden Schultern doch hatte sich in ein Gesicht ein Ausdruck geschlichen, der nur zu leicht zu einem 'Ich habe dich doch gewarnt'-Ausdruck werden konnte. Aber noch war es nicht so weit.

Kain wagte es ebenfalls nicht zu widersprechen. Er spürte die Entschlossenheit Abraxas, wie eine erdrückende Decke über ihm, die ihm die Luft zum Atmen raubte und das Licht gänzlich außen ließ. Und doch - Yuuryon hatte recht und Abraxas sollte es wissen. Gerade er.

Schon einmal wurde eine Ahnung als bloßes Hirngespinst abgetan. Damals war ein Mensch gestorben. Derjenigen, der für diesen Wahnwitz hier doch erst verantwortlich war. Schon erstaunlich, wie viel Macht die Toten doch noch besassen. Viel mehr als im Leben zuvor.
 

Es dauerte nicht mehr lange bis die Beiden, den Tempel erreichten. Nun standen sie direkt im Schatten der wuchtigen Säulen und wurden neugierig von einigen Raben beäugt. Der Rappe schnaubte unruhig, so dass sich Abraxas genötigt sah das Pferd an einer der Säulen festzubinden, anstatt es wie sonst einfach laufen zu lassen. "Siehst du? Sogar das Tier spürt es!",bemerkte Yuuryon triumphierend. "Ich will keine Widerworte mehr hören!" Ohne auf den Flussmenschen weiter einzugehen, marschierte Abraxas zielsicher zwischen den Säulen entlang auf das gewaltige Tor zu. Die großen Schwingtüren waren verschlossen. Als Abraxas aber zaghaft dagegen drückte, schwangen sie fast wie von selbst auf und gaben den Blick auf das Innere des Tempels frei. Von außen hatte das Gebäude riesig gewirkt, aber jetzt hier in den ewig hohen Hallen, erschlug einen die Monstrosität des Tempels nahezu. Säulen aus schwarzen Marmor zogen sich in die Höhe und stützten mit ihren verworrenen Geflecht der oberen Ausläufe, die gewaltige Kuppel. Von der Kuppel herab hingen riesige, schwarze Kronleuchter, die tausende Kerzen beherbergten. Überhaupt war die ganze Halle mit schwarzen Kerzen ausgefüllt. Abertausende warfen ihr flackerndes Licht gegen die unheimlich spiegelnden Mauerwände und zogen die Schatten der Säulen ins Unermesslich. Mit dem Öffnen der Flügeltür, war ein eiskalter Luftzug mit in den Tempel hinein gekommen, der nun heulend unter der Decke entlang wirbelte, die Kerzen höher flammen ließ und an den schwarzen Vorhängen zog, welche die wenigen Fenster verdeckten. Schaudernd setzte Abraxas einen Fuß nach vorne und registrierte wie sich Yuuryon näher an ihn heran stahl. Hinter ihnen schlug knallend das Tor. Yuuryon schrie entsetzt auf. Fast zeitgleich spürte Abraxas die Aura einer fremden Person. Suchend schweifte sein Blick über die lange Halle und gewahrte dabei, dass der Saal bis auf die Kerzen und den gewaltigen Altar, der sich ganz am Ende erhob vollkommen leer war. Keine Bänke. Keine Heiligenbilder, kein Schriften oder ein Platz wo die Gläubigen milde Gaben spenden konnten. Aber welche Gläubigen denn?

Nur vor dem einschüchternden Altar konnte er eine gebückte Gestalt erkennen, die sie im emsigen Gebet versunken nicht zu bemerken schien. Abraxas sah nur ihren Rücken. Trotzdem konnte er anhand ihrer schmalen, zarten Figur erkennen, dass es sich wohl um eine zierliche Frau handeln musste. Zögernd nickte er Yuuryon zu, ihm zu folgen und lief gefasst auf die Frau zu. Als er nurmehr einen Schritt von ihr entfernt war, bemerkte sie ihn endlich und wirbelte erschrocken herum, bekreuzigte sich - was in dieser Umgebung erschreckend unpassend erschien - und verneigte sich endlich vor Abraxas. "Seid gegrüßt Fremde. Ich heiße euch willkommen im Tempel von Nosch. Unser Priester ist zur Zeit leider auf Reisen, deswegen kann nur ich euch meine bescheidenen Fähigkeiten als Tempelnovize darbieten." Nosch? Kurz flackerte etwas hinter Abraxas Stirn, aber der Gedanke war so schnell verschwunden, wie er gekommen war. Neugierig musterte er das junge Mädchen, welches unbeholfen versuchte ihre Tempeltracht, die aus einer langen, schlicht dunkelbraunen Robe und einer unkleidsamen weißen Schärpe, welche etwas zu eng um die zierliche Taille geschlungen war, und kratzenden Armstulpen bestand, zu glätten, musste den hoffnungslosen Versuch aber bald aufgeben. Durch das lange Knien, welches sicher des Öfteren ausgeführt wurde, hatten sich tiefe Falten in den groben Stoff gegraben, die sich so einfach nicht wieder entfernen lassen würden. Das Mädchen war noch sehr jung. Vielleicht an die fünfzehn Winter, musste es bereits erlebt haben, aber mehr dann auch nicht. Die junge Tempeldienerin befand sich genau auf der Schwelle vom Kind zur Frau, zeichneten sich doch bereits sanfte Hügel und diverse Rundungen an den richtigen Stellen unter ihren unvorteilhaften Kleidung ab. Jetzt aber in dem Moment, da die großen braunen Augen nicht recht wussten, wohin sie sehen sollten und sie unsicher mit ihrer schwarzen Lockenpracht herumspielte, da erinnerte sie vielmehr an ein zu groß geratenes Kind. Irgendetwas in Abraxas bäumte sich auf und war vollkommen gefangen vom bezaubernden Anblick der jungen Schönheit, so dass es ihm nicht vergönnt war seinen Blick abzuwenden und er einfach immer weiter in ihr liebliches Gesicht schauen musste.

Bevor das Schweigen aber wirklich unangenehm werden konnte, räusperte sich Yuuryon und nickte zum Altar hinauf. Der Zauber verflog und schon verstand Abraxas nicht mehr, was ihn eben noch so an dem Mädchen fasziniert hatte, war sie jetzt doch wieder nichts weiter als ein junges - zu junges Mädchen. Beherrscht wand er endlich seinen Blick ab und widmete sich dem, was Yuuryon entdeckt hatte. Das Mädchen atmete erleichtert aus. Ein riesiger Stein fiel ihr vom Herzen, als der geheimnisvolle Fremde endlich von ihr abließ. Neugierig und ein wenig schockiert zugleich, dass er sie nicht weiter beachtete beobachtete sie ihn verstohlen von der Seite. Markante Gesichtszüge und ein ernster aber sinnlicher Gesichtsausdruck und - blaue Haare? Welcher Mensch hatte den blaue Haare? Aber Mensch? War er denn? Der andere war auf alle Fälle nicht menschlicher Natur. Der mit den türkisschimmernden Haaren, die ganz von alleine zum Himmel hinauf standen und den merkwürdigen Streifen im Gesicht.

Abraxas beachtete sie nicht weiter. Seine Aufmerksamkeit hatte sich vollkommen auf den Altar konzentriert oder besser gesagt auf das, was er sich in seinem Mittelpunkt befand. Der Altar war schwarz, wie alles andere hier im Saal, aber die darauf abgebildeten religiösen Szenen zeigten sich von filigranen Gold- und Silberlinien durchdrungen, die alle ihren Mittelpunkt in einem blutig rot funkelndem Edelstein fanden.

Der Blutkristall...
 

Draußen auf der Ebene, nahe am Abgrund stand hochaufgerichtet eine schwarze Gestalt, die Augen geschlossen, die Hände im stummen Gebet ineinander geschlagen. Immer wieder heulte der Wind auf, warf sich tobend gegen die schlanke Figur, bauschte ihren Mantel in die Höhe und ließ die weißen Haare, geisterhaft flattern.

"Berühre ihn!",flüsterte sie leise. Immer wieder beschwörend, flehend. Tief versunken in das, was sich vor ihrem geistigen Auge abspielte, bemerkte sie nicht die zweite Person, die sie aufmerksam beobachtete.

Etwas abseits auf einer Erhebung sass, die Beine überschlagen und die Hände nach hinten abgestützt, eine schimmernde Frauengestalt. Silber glänzende Haare, die das Sonnenlicht brachen und ein ewiges Licht, das sie von innen heraus strahlen lies. Mit ihren heiligen weißen Flügeln erschien sie wie das personifizierte Gegenstück zu der dunklen Gestalt dort unten nahe am Klippenrand. Ihr Oberkörper war leicht vornüber gebeugt, das schöne Gesicht ernst erstarrt. Ein Ausdruck höchster Konzentration hatte sich in die sonst so fröhlich blau-blitzenden Augen geschlichen.

Aber die schwarze Gestalt bemerkte sie nicht. "Berühre ihn!",wisperte sie leise.

"Dann bin ich frei."
 

Wie in Trance hob Abraxas den Arm und wollte nach dem Stein greifen.

"Hey! Das darfst du nicht!",rief das Mädchen empört und lief auf ihn zu.

Abraxas streckte sich noch etwas höher.

Yuuryons Magen krampfte sich zusammen. DAS war es! "A..."

Zu spät. Seine Finger berührten den Stein nur sacht - für einen kurzen Moment durchflutete ihn heilige Wärme - so vertraut - Dann riss es ihn auseinander.

Blaues Licht

@inho

Natürlich reißt es ihn nicht wirklich auseinander *lach*

Ich mg diese metapher nur tierrischt gerne^^°

nya du siehst ja nun was geschieht *lächel*
 

********************+
 

Blaues Licht
 

Es schien unendlich lange zu dauern, bis Kains Sinne endlich in seinen Körper zurückkehren wollten. Benommen öffnete er die Augen, schloss sie aber sofort wieder um der Verwirrung Herr zu werden, die nach seinem Geist griff.

Eben noch hatte er Abraxas Körper übernehmen wollen, um ihn davon abzuhalten, den Stein zu berühren. War es ihm gelungen? Zaghaft öffneten sich die roten Augen wieder.

Scheinbar nicht. Kain wusste nicht wo er war, die riesige Tempelkapelle war es aber definitiv nicht. Vor und hinter ihm waren nur grobe Backsteinmauern, die ein seltsam bläulich diffuses Licht verströmten. Benommen richtete sich der Vampir auf. Links und rechts führte ein langer Gang ins Endlose. Zumindest war er nicht eingesperrt. Das war doch schon allerhand wert. Zögernd legte Kain eine Hand auf den merkwürdig schimmernden Stein und stellte erstaunt fest, dass er kalt war. Nicht kalt, wie es Steine im Allgemeinen waren, sondern wie von Eis. Kain fröstelte und zog den Mantel etwas enger um den Körper. Wo war er nur? Und warum konnte er Abraxas nicht spüren? War sein Geist diesmal etwa verdrängt wurden? Hoffentlich nicht. Abraxas vermochte es immer wieder ihn zurückzuholen, aber umgekehrt war Kain noch nie in der Situation gewesen Abraxas seinerseits rufen zu müssen. Er wusste nicht, ob es ihm gelingen würde. Das aber hatte später auch noch Zeit. Jetzt musste er erst einmal in Erfahrung bringen, wo er hier zum Teufel nur war.

Kain setzte sich in Bewegung, nahm erst einen Gang rechts, dann noch einen, dann einmal links, wieder rechts, ein Stückchen geradeaus, links, links, rechts und schon hatte er komplett die Orientierung verloren. An der nächsten Weggabelung blieb er seufzend stehen. So hatte das doch keinen Sinn, ohne Abraxas konnte er auf keinen Fall einfach losrennen, wie es ihm gerade passte. Er wusste ja jetzt schon nicht mehr, von wo er gekommen war. Suchend drehte sich Kain einmal um die eigene Achse, mit dem Ergebnis, dass es ihn auch nicht weiter brachte. Jeder Gang sah gleich aus. Überall schimmerte es bläulich und nirgendwo sah auch nur ein Stein anders aus, als der nächste. Alles gleich und einheitlich. Schaurig!

Aber da! Gleich um die nächste Abbiegung herum konnte er eine vertraute Aura spüren und ja, tatsächlich, da waren Schritte zu hören, welche unsicher den Gang entlang tapsten. Kain beschleunigte seinen Schritt, wurde gleichzeitig aber immer leiser und begann breit zu grinsen. An der Ecke ankommen, machte er einen Satz nach vorne, riss die Arme nach oben und sprang der Person brüllend entgegen. "Auf die Knie, niedere Kreatur!"

Yuuryon antwortete ihm auf die gleiche Art und Weise. Sein Sprung ging zwar in die andere Richtung und bei diesem Ausweichmanöver stolperte er auch und plumpste dumpf auf seinen Hintern, aber das Geschrei, dass der erschrockene Flussmensch veranstalte war fast noch lauter als Kains. "Ahhhh! Bitte, bitte tu mir nichts!"

Für einen Moment versuchte Kain sich zu beherrschen, dann aber brach es prustend aus ihm heraus - Yuuryons entsetztes Gesicht war einfach zu köstlich. Lachend hielt er sich den Bauch, wischte sich eine Träne aus den Augen und streckte dann, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte, Yuuryon die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. Umso erstaunter war er aber, als der Flussmensch selbige weg schlug und hastig versuchte ihm davon zu robben. Verwundert griff Kain nach dem Kragen des Diebes, zog ihn nach oben und hielt ihn auch noch fest, als sich Yuuryon plötzlich heftig zur Wehr setzte. "Lass mich los!",brüllte er panisch und trat nach Kain. Dessen Augen wurden dunkel. Reflexartig blockte er Yuuryons Tritt, warf den perplexen Flussmenschen ein kleines Stück nach oben und donnerte ihm die andere Faust ins Gesicht. Yuuryon machte noch in der Luft einen grazile Überschlag und knallte dann, mit dem Kopf voran und einem weniger schönen Geräusch, gegen die spiegelnde Mauer, sank zu Boden und blieb mit einem dumpfen Laut schlaff liegen. Blut rann langsam seinen Nacken hinunter und färbte seinen Kragen triefend rot. "Verdammt", fluchte Kain laut, stürzte zu ihm und ließ sich besorgt neben ihm nieder. Das hatte er nicht gewollt.

Zu Kains Erleichterung begann sich Yuuryon in diesem Moment aber bereits wieder zu regen, schüttelte benommen den Kopf, hielt in der Bewegung aber sofort inne und griff stöhnend nach seinem Hinterkopf. Frisches Blut klebte auf seinen Fingern, als er sie wieder hervorzog. Durch die merkwürdige Beleuchtung schimmerte es auf Yuuryons blassblauer Haut lila. Hastig wand Kain den Blick ab, starrte statt dessen auf den Boden direkt vor seinen Füßen und versuchte den Impuls niederzukämpfen, sich auf Yuuryon zu stürzen. Der Flussmensch wimmerte leise. Fahrig fuhr er sich über die schmerzende Wange, die langsam begann anzuschwellen. Seine Hände zitterten leicht. In den hellen Augen lag ein hohler, stupider Ausdruck, der Yuuryon etwas geisterhaftes verlieh. Verwirrt starrte er noch immer auf seine blutverschmierte Hand und schien gar nicht verstehen zu können, was geschehen war. Zögernd hob Kain den Kopf und sah ihn an, versuchte dabei dem Blutanblick möglichst zu umgehen, was ihm aber bei weitem nicht gelang, so wie Yuuryon alles voll blutete. "Tut mir leid. Das wollte ich nicht",murmelte Kain hilflos, wollte nach seiner Schulter greifen, hielt aber im letzten Moment inne, aus Furcht, er könnte Yuuryons Blut berühren und vollends die Kontrolle verlieren. Yuuryon sah auf. Die blauen Augen zitterten panisch und hefteten sich voller Abscheu auf Kains Gesicht. "Yuuryon! Das musst du mir glauben. Ich hatte wirklich nicht vor..."

"Woher kennst du meinen Namen?",kreischte der Dieb und versuchte sich von Kain weg zu rollen. Es gelang ihm nicht. Kain sah wie Yuuryons Gesicht auch das letzte bisschen Farbe verlor und er sich hustend auf der Seite übergab. "Beweg dich nicht!",forderte Kain und ignorierte vorerst die merkwürdige Frage Yuuryons. Vielleicht hatte ihm der Schlag auf den Kopf ja sein Gedächtnis geraubt. Aber natürlich versuchte Yuuryon trotzdem hustend aufzustehen, was aber nur in einem hilflosen Schaukeln endete.

Nach mehreren Anläufen schaffte es Yuuryon aber doch noch auf die Beine zu kommen. Schwankend, schüttelte er benommen den Kopf, stützte sich schwer atmend einen Moment an der Wand ab und verkündete dann laut:"Ich gehe jetzt!"

"Nur zu", lächelte Kain von unten hinauf und begann die Sekunden zu zählen, bis Yuuryon wieder umfallen würde. Lange konnte es nicht dauern.

Es waren zwei Schritte, die Yuuryon tatsächlich in den Gang hinein machte, dann stolperte er über seine eigenen Füße, kam ins Straucheln und wäre tatsächlich gestürzt, wäre Kain nicht sofort aufgesprungen und hätte ihn festgehalten. Ein Fehler, wie sich herausstellte.

Der süßliche Geruch frischen Bluts kroch Kain in die Nase und von einem Moment auf den anderen war es um ihn geschehen. Knurrend senkte er den Kopf auf Yuuryons Nacken und berührte ihn zaghaft mit den Lippen. Zufrieden leckte der Vampir über die blutverschmierte Haut, spürte wie sich Yuuryons Fingernägel schmerzhaft in seinen Arm gruben, aber der Kupfergeschmack verdrängte auch das letzte bisschen Zweifel. Nur ganz weit hinten hörte er eine leise, mahnende Stimme, die ihn daran zu erinnern suchte, dass es falsch war, was er hier tat. Kain schob den Gedanken ärgerlich beiseite. Nichts war falsch. Es gefiel ihm viel zu gut, als dass es sich um einen Fehler handeln konnte. Fast zärtlich drückte er den zitternden Dieb noch näher an sich, roch den verlockenden Duft, setzte einen gierigen Kuss auf die offene Wunde an Yuuryons Hinterkopf und grub seinen Zähne in das weiche Fleisch.

Yuuryon schrie nicht. Ein seltsames Gefühl hatte von seinem Geist Besitz ergriffen. Er hörte das Blut laut in seinen Ohren rauschen, spürte wie es immer schneller werdend sich diesem inneren Sog hingab und wirbelnd auf das schwarze Loch zueilte und obwohl ihm auf einmal völlig klar wurde - so klar, wie man sich sicher war, dass jeden Morgen die Sonne wieder über den Horizont kletterte - dass er im Begriff war zu sterben, störte ihn diese Erkenntnis nicht sonderlich. Es war nicht so, dass es ihn überhaupt nicht interessierte, tatsächlich manifestierte sich weit unten in seiner Magengegend ein unwilliges Ziehen, dass mit etwas gesundem Wohlwollen durchaus als Unmut interpretiert werden konnte, aber dieses natureigene Entsetzten im Bewusstwerden des wahrhaft letzten Augenblickes blieb aus. Oh, er starb, daran bestand gar kein Zweifel, aber diese weichen Finger, die sich nach seiner Seele ausstreckten, sie sanft berührten und umfingen, die beruhigend wispernde Stimme, die ihn sehnsüchtig zu sich rief und deren Ruf so süß und zart war. Ja, wenn das der Tod war, nahm er ihn gerne in Kauf.

"Jetzt tötest du mich, wie du Abraxas getötet hast",stellte Yuuryon unbekümmert fest und Kain lies ihn los.

Der Dieb taumelte nach vorne, machte einen unbeholfenen Ausfallschritt und stützte sich verwirrt an der gegenüberliegenden Wand ab. Das noch eben vorhandene Hochgefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war und machte den Weg frei, damit die ausgesandten Informationen in Yuuryons Kopf verarbeitet werden konnten - und endlich kam das Entsetzten. "Du wolltest mich umbringen!",keuchte er fassungslos.

Kain lehnte mit dem Rücken an der Wand, wischte sich Yuuryons Blut vom Mund und musterte ihn ausdruckslos. "Ja",gab er gleichmütig zu und bückte sich nach Yuuryons Stirnband, welches zu Boden gefallen war. "Aber Abraxas habe ich nicht getötet. Wie bitte kommst du denn darauf?"

"Ja?",echote Yuuryon fassungslos. "Das gibst du so einfach zu?"

Kain hob die Schultern. "Warum sollte ich lügen?"

Yuuryon schwieg betroffen. Ihm erschien es am besten den Vampir nicht weiter zu reizen. Alte Gewohnheiten lassen sich aber leider nicht von eben auf jetzt ablegen. Dazu bedarf es höchster Selbstdisziplin, Geduld und einem eisernen Willen, damit es wenigstens in einem Zeitraum von wenigen Monaten funktionierte. All diese Eigenschaften besass Yuuryon aber nicht und fragte deswegen schon nach nur wenigen Augenblicken. "Warum hast du es nicht getan?"

"Tote geben einem keine Antworten."

"Eh? Was willst du denn wissen?",fragte er verwundert.

Kains Blick verfinsterte sich. Er wiederholte nicht gerne eine Frage zweimal. Aber Yuuryon sah nicht so aus, als würde er sich von alleine erinnern und wohl oder übel musste sich Kain eingestehen, dass er selbst daran Schuld war - da verlor man einmal die Beherrschung und da passierte gleich sowas. Es war ja nicht so gewesen, dass er Yuuryon unbedingt hatte umbringen wollen, aber Kain war einer jener Vampire, denen es als Verschwendung erschien, ein gefangenes Opfer wieder gehen zu lassen. Entweder man machte es richtig, oder gar nicht. Für ihn war Abraxas Verhalten nur immer wieder ein Zeichen von Schwäche. "Ich wollte wissen, warum du denkst ich hätte Abraxas getötet",wiederholte Kain ernst.

Es dauerte einen Moment länger, als nötig gewesen wäre, bis Yuuryon endlich antwortete, aber dem Flussmensch fiel es zunehmend schwerer, Kain zuzuhören und seinerseits einen klaren Gedanken zu fassen. In seinem Kopf tobte der Schmerz, brüllend wie ein tollwütiges Ungeheuer und vor seinen Augen tanzten rote Punkte. "Du trägst seine Kleidung", murmelt Yuuryon leise. Verwirrt sah Kain an sich herab. "Ähm, ja. Aber das ist doch nur normal, oder?"

Yuuryon hob ratlos die Schultern. "Siehst du? Ich denke nicht, dass Abraxas eine Person ist, die ihr Eigentum einfach so jemand anderem überlässt. Also musst du ihn wohl umgebracht haben!", erklärte er zögernd und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Seltsam, die Welt verschwamm immer mehr und wurde trübe. Die Steine schienen ihre Leuchtkraft zu verlieren. Der Dieb blinzelte und versuchte das Gesicht des Vampirs zu erkennen. Es gelang ihm nicht. Auch dessen Züge waren verschwommen und vermischten sich mit dem Blau der Umgebung. Ach, und wie müde er war.

Kain verstand immer noch nicht, was der Flussmensch ihm sagen wollte. Erkannte er ihn denn nicht? Dann aber, von einer abstrakten Idee getrieben, griff Kain nach einer seiner Haarsträhnen und hielt sie sich direkt vor die Augen. Das was er da sah verblüffte und erschreckte ihn gleichermassen. Wie konnte das sein? - Die Strähne war schwarz.

Vor ihm hörte er es plötzlich dumpf klatschen und Kain hob den Kopf. Sein Blick fiel auf eine frische Blutspur, die fahl an der Wand glänzte und glitschig nach unten führte. Und an ihrem Ende lag Yuuryon, mit dem Gesicht nach unten und rührte sich nicht mehr.

"Verflucht!"
 

Abraxas schloss die Augen und begann innerlich von zehn an abwärts zu zählen. 10.. 9.. 8.. An und für sich war es nur gut, dass er Kain nicht erreichen konnte, 7.. 6... wenn der ihm auch noch auf den Geist gegangen wäre, hätte er wohl endgültig auch den letzten Funken Beherrschung verloren. 5.. 4.. 3.. Nicht nur, dass ihn diese schrecklich blauen Wände wahnsinnig machten und natürlich die Tatsache, dass er keine Ahnung hatte, wo er hin musste. 2.. Nein, da war auch noch...

"Vom stumm in der Gegend herumstehen, findet ihr bestimmt nicht den Weg hinaus."

Abraxas fuhr herum. Seine roten Augen sprühten Feuer und hätten einen Eisberg zum Zerbersten bringen können, aber auf die junge Tempeldienerin, die vor ihm stand und den Vampir aufgebracht anstarrte, machten sie keinen Eindruck. "Ihr braucht gar nicht so zu schauen!",wies sie Abraxas schnippisch zurecht, und schleuderte ihre schwarze Lockenpracht mit einer zornigen Handbewegung über die Schulter. "Es ist ganz allein eure Schuld, dass wir hier sind, also tut gefälligst etwas dagegen!" Entnervt verdrehte Abraxas die Augen. Kain konnte er nicht spüren, Yuuryon war ebenfalls verschwunden und er musste sich mit diesem Biest von Tempelnovize herumärgern. "Was ist denn? hat es euch die Sprache geraubt? Ohne Erlaubnis Tempelgegenstände begrapschen - das könnt ihr, aber..."

Das war zu viel. Reflexartig hob Abraxas den Arm und holte zum Schlag aus. "Jetzt hör mal zu, du freche Göre! Wenn du nicht sofort dein vorlautes Mundwerk verschließt, dann..."

"Ja? Dann? Ich höre? Los sagt schon!",unterbrach sie ihn ärgerlich, stemmte die Fäuste in die Seiten und starrte Abraxas herausfordernd von unten her an. Seufzend ließ er die Hand wieder sinken. Soweit kam es noch, dass er eine Frau schlug, noch dazu ein halbes Kind, wie diese hier. So tief wollte er nicht sinken. "Hör mal...",versuchte er resignierend einzulenken, aber sie unterbrach ihn nur erneut. "Nein, ich höre nicht! Habt ihr eigentlich auch nur den Funken einer Vorstellung davon, was ich für einen Ärger bekomme, wenn jetzt mein Meister zurückkehrt und den Tempel verlassen vorfindet? Da kann ich mich ja gleich nach einer neuen verfluchten Anstellung umsehen."

"Gehört es sich denn für eine angehende Priesterin derartige Wörter in den Mund zu nehmen?",stichelte er gehässig und registrierte zufrieden, wie die braunen Augen noch eine Spur dunkler wurden.

"Ein verdammter, dahergelaufener, windiger, schmieriger...-"

"Hey, hey!"

"-aufgeblasener, armseliger Schmierenkomödiant, der einfach ohne nachzudenken heilige Sakramente anpatscht, hat überhaupt nicht das Recht, meine Wortwahl zu kritisieren!",kreischte sie entgeistert. Rote Flecken hatten sich auf ihren hübschen Wangen gebildet.

Abraxas grinste gelassen. Langsam begriff er, wie dieses Mädchen funktionierte - es war genauso aufbrausend wie Shantel. Also musste man nur warten, irgendwann beruhigte sich der Vulkan von alleine. Man musste nur den Ausbruch überleben.

Der Gedanke an sie verursachte einen heftigen Stich in Abraxas Herzen. Sie waren im Streit auseinander gegangen und sicher hätte Shantel auch das, was er im Moment tat, nicht gutgeheißen. Trotzdem hätte Abraxas in diesem Moment viel darum gegeben, in ihr wunderschönes Gesicht sehen zu können, oder wenigstens zu erfahren, wo sie im Moment war und was sie tat.
 

Tatsächlich war Shantel gar nicht so weit entfernt, wie Abraxas annahm. In diesem Augenblick pirschte sie sich von Säule zu Säule des Tempeleingangs, behielt dabei die weißhaarige Gestalt im Auge und bemühte sich möglichst in deren toten Winkel zu bleiben. Scheinbar war es ihr gelungen, denn der schwarz gekleidete Magier betrat soeben unbehelligt den Tempel, so dass sie erleichtert aufatmen konnte. Leise näherte sie sich den ausladenden Schwingtüren und blieb neben Abraxas Pferd stehen. Der Rappe stupste sie freundschaftlich in die Seite und gab ein zufriedenes Schnauben von sich, als ihm Shantel sanft über die bebenden Nüstern strich. Dann ließ sie von ihm ab und lief auf den Tempeleingang zu. Als Shantel die Tür öffnete, gab diese ein verräterisches Knarren von sich. Heftig erschrocken ließ sie von dem gewaltigen Flügel ab, fasste sich aber schnell, da im Inneren des Tempels keinerlei Misstrauen oder wenigstens gesteigerte Aufmerksamkeit zu spüren war. Der Weißhaarige hatte sie definitiv nicht bemerkt.

Verstohlen schlich sie sich in den Tempel und versteckte sich sofort hinter einer der riesen, schwarzen Säulen. Zaghaft lugte sie wieder hinter der Säule hervor, nach vorne zu der schwarzen Gestalt, die zögernd auf den atemberaubenden Altar zuschritt und irgendetwas musterte, was ihr zu Füßen lag. So sehr sich Shantel aber auch bemühte, sie konnte nicht erkennen, was es war. Das Licht der flackernden Kerzen, warf solch ungünstige Schatten, dass es unmöglich war, allzu weit in die riesige Halle hineinzuschauen. Wohl oder übel musste sie also noch ein Stückchen weiter nach vorne.

Das leise Tappen ihrer Schritte, klang in ihren Ohren wie das ohrenbetäubende Stampfen eines Elefanten, der krachend durch das Dickicht eines Urwaldes brach - aber die schwarze Gestalt bemerkte sie noch immer nicht. Wieder war sie in emsiges Gebet vertieft. Shantel hörte das leise Murmeln, doch die Worte waren ihr fremd.

Dann endlich war sie weit genug heran, dass sie einen Blick auf das, was dort am Boden vor dem Altar lag, werfen konnte. Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus.

Endlich sah sie Abraxas wieder, aber wie seltsam er doch dalag. Reglos am Fuße des Altars, den rechten Arm noch halb ausgestreckt, als wolle er nach einem unsichtbaren Gegenstand greifen und konnte ihn doch nicht erreichen. Viel merkwürdiger aber waren, die anderen beiden Gestalten, die ebenfalls dort auf den Tempelboden lagen. Ein junges Mädchen mit rabenschwarzen Lockenhaar lag dort, in eine hässliche braune Robe gekleidet, deren zierliche Hand sich entschlossen in Abraxas Ärmel krallte.

Am erschreckenden war aber wohl die dritte Person, Shantel gleichwohl bekannt, die ihre Hand um den schlanken Arm des Mädchens geschlungen hatte, als hatte sie versucht das Mädchen von irgendetwas abzuhalten. Yuuryon lag genauso reglos am Boden, wie Abraxas und das Mädchen auch. Den Unterschied aber machte die schillernde Lache des eigenen Blutes in welchem er lag.

Ein bitterer Geschmack kroch Shantels Rachen hinauf. Würgend hielt sie sich die Hand vor den Mund. Und wenn es nicht das war, was sie schwarze Gestalt endlich aufhorchen lies, dann waren es spätestens die fassungslosen Worte, die sie in die Halle stammelte: "Was ist den hier nur geschehen?"

Velcon fuhr herum, hob den rechten Arm. Man sah wie sich pulsierendes Licht in seiner Handfläche sammelte, Hitze strömte nach außen, dann sah er Shantel und das Licht verschwand. Das was er sah - das war kein fassungsloser Engel.

Das war eine Göttin.

Fragen

Fragen
 

Es kam selten vor, dass Velcon von Ismena die richtigen Worte fehlten. Jetzt, in diesem Moment, da er seiner größten Waffe, der Sprache wohl am meisten bedurft hätte, verließen ihn aber alle schön geformten und emsig auswendig gelernten Floskeln, so dass ihm nur sein eigener Geist und die darin inne liegende Phantasie blieb.

Phantasie sagte: "Mach's gut", und Geist erkannte, dass er vor einem echten Problem stand. Sprachzentrum klopfte an, zwar höflich wie eh und je, aber mit einer gewissen Klopfschärfe, die auf ansteigende Unruhe hindeutete und Geist reagierte pflichtbewusst.

Velcon machte:"Oh..."

Shantel stieß ihn beiseite, kniete sich neben Abraxas und strich dem Geliebten sanft über die Stirn. Der Vampir rührte sich nicht, aber er machte auch nicht den Eindruck, als ob ihm etwas fehlen würde. Die junge Frau verstand es nicht. Es schien fast so, als ob er nur schlafen würde. Aber doch nicht hier. Nicht mitten auf dem Boden, nicht in dieser Position. Auch die anderen Beiden wirkten so, als wären sie nur spontan zum Schlafen hernieder gefallen. Und der Flussmensch hatte sich dabei wohl den Kopf aufgeschlagen. Dann hätte er aber theoretisch an der Stirn und nicht am Hinterkopf bluten müssen - Theoretisch. Ratlos hob Shantel die Schultern, krabbelte auf Yuuryon zu, ignorierte weiterhin Velcon, der sie immer noch vollkommen perplex musterte, nicht fähig irgendetwas Sinnvolles zu sagen, oder wenigstens erst mal den Mund zuzumachen, und berührte den Flussmensch sanft an der Platzwunde. Er reagierte nicht.

Nachdenklich sah der Engel auf Yuuryon hinab. Der Flussmensch lag im Sterben, wenn ihm niemand half, würde es bald zu Ende sein. Merkwürdig - von solch einer Kopfwunde starb man doch nicht? Shantels Augen verfinsterten sich. Wenn sie...

Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. In solch eine Richtung durfte sie nicht denken, niemals. Auch wenn sie es missbilligte, dass der Dieb bei Abraxas war, daran trug einzig der Vampir schuld und sie konnte nicht den Flussmenschen dafür verantwortlich machen und auf gar keinen Fall hatte sie das Recht, über ihn zu richten.

Aber wie leicht es doch wäre... Fast zärtlich strichen die schlanken Finger über die blutige Verletzung hinweg. Das frische Blut glänzte matt auf Shantels samtener Haut. Dann begann ihr ganzer Körper scheinbar zu leuchten. Goldenes Licht brach aus ihrer Gestalt hervor, nestelte die silbernen Haare entlang, blitzte elektrisiert in den Spitzen, sammelte sich letztendlich in den Fingerkuppen und ging auf Yuuryons Körper über. Fast augenblicklich schloss sich die Wunde und schon nach kurzer Zeit durchbrach sie den Energiekreis, richtete sich auf und drehte sich zu Velcon. "Mach den Mund zu!",verlangte sie schneidend.

Der Magier blinzelte verwirrt, schloss den Mund gehorsam und versuchte den Zauber abzuschütteln, den Shantels Erscheinung auf ihn wirkte, doch es gelang ihm nicht. Er war ganz gefangen von ihrer zierlichen Gestalt, der anmutigen Art, wie sie sich bewegte, den glänzenden Haaren, welche sich wie gesponnene Silberfäden sanft um den herrlichen Körper woben, den kristallblauen Augen und den blutroten Lippen, die ihm verheißungsvoll zulächelten. "Wer bist du?",fragte er atemlos, mit einem seligem Lächeln im Gesicht und Wangen, die sich freudig erregt leicht rot färbten.

Tatsache war, dass Shantel keineswegs lächelte. Ihr Gesicht war von Sorge erfüllt, aber sie erkannte sofort was mit dem Fremden vor ihr geschah. Und nun verzog sich ihr hübscher Mund tatsächlich zu einem spöttischen Lächeln. "Ich verrate es dir, wenn du mir sagst, was hier geschehen ist",meinte sie lächelnd und sah zu den am Boden liegenden Gestalten. Velcon folgte ihrem Blick und seine Minne verfinsterte sich. "Das entzieht sich leider meinem Verständnis. Die Armen lagen hier bereits, als ich den Tempel betrat", sagte er tonlos.

Shantel sah zu Velcon zurück und hob spöttisch eine Augenbraue. "Letzteres stimmt. Aber dass du es nicht weißt... Soll ich dir jetzt auch nur meinen halben Namen verraten?" Velcon wollte zu einer Antwort ansetzen, doch Shantel legte ihren Zeigenfinger auf seine Lippen, stellte sich auf die Zehenspitzen, zwinkerte ihm von unten her zu. "Belüg mich nicht!",wisperte sie und Velcon hob den Arm, fuhr schaudernd ihre schmalen Schultern entlang, verfing sich im silberglänzenden Haar und berührte sanft die Wangen. Shantel ließ es lächelnd geschehen, hielt seine Augen gefangen - wie dunkel sie doch waren - aber als sich Velcon hinab beugte und ihre Lippen sich fast berührten, entwand sich Shantel aus seinem Griff, drehte sich tänzelnd von ihm weg. "So schnell nicht - ungestümer Kerl!", lachte sie ihn aus. "Weißt noch nicht einmal meinen Namen - ebenso wie ich nicht den deinen kenne - und willst schon so weit gehen. Nein, so läuft das nicht!", kicherte sie verspielt, griff nach Velcons Hand und fuhr nachdenklich die Linien seines Handballens nach. Ein wohliger Schauer jagte über seine Haut, da wo ihn Shantels schlanke Finger berührten und er wünschte sich dieser Moment würde nie vergehen. "Dann sag mir deinen Namen!",forderte er aufgeregt, doch Shantel lachte ihn nur aus. "Erst wenn du mir sagst, was hier geschehen ist. Eher bekommst du den Namen nicht!",kicherte sie, setzte einen Schritt zurück und legte den Kopf auf die Seite. Schelmisch lächelnd wartete sie.

Hinter Velcons Stirn begann es zu arbeiten. Es war besser, wenn so wenig Leute wie möglich von den Dingen erfuhren, die hier geschahen. Auch hatte er eigentlich nicht mehr die Zeit noch länger herumzustehen. Seine Herrin rief ihn bereits. Aber so fordernd ihr Ruf auch klang, so süß, dass er im Begriff war alles um ihn herum zu vergessen und nur schnell zu ihr zu eilen, so hatte ihr Ruf heute doch nicht die selbe Macht wie sonst. Ein anderes Lied hielt ihn gefangen, eine andere Melodie, ein süßerer Ruf als dieser dunkle alte Ton, den er liebte und doch zugleich fürchtete und hasste wie nichts Vergleichbares auf der Welt. Wenigstens ihren Namen musste er erfahren! Dann konnte er ihn seinem Herzen verwahren, ein Schatz in seinem Inneren, ein kleines, helles Licht in all der Dunkelheit.

"Sie haben etwas angefasst, was sie nicht hätten berühren dürfen",sagte Velcon ausweichend. Aber Shantel gab sich mit dieser Antwort noch nicht zufrieden. "Was?",fragte sie neugierig und verschränkte die Arme.

Velcon tat es ihr gleich. Sein Lächeln gefror und in die dunklen Augen legte sich ein lauernder Schatten. Er räusperte sich auf eine Art, dass es fast wie ein Vorwurf klang. Die junge Frau verdrehte genervt die Augen "Shantel!",blaffte sie verärgert.

"Shantel?",echote Velcon.

"Ja, so heiße ich! Jetzt zufrieden? Also was haben sie berührt?"

Velcon schüttelte stumm den Kopf. Die schönen weißen Haare strichen sanft über seine Schultern und bildeten einen faszinierenden Kontrast mit der dunklen Kleidung, aber dafür hatte Shantel keine Augen. "Ah ja... Du hast was du willst, also muss ich sehen, wo ich bleibe. Na gut... Dann RATE ich eben!" Shantel wirbelte herum und deutete auf den Altar. "Den roten Stein dort! Der war es!"

Velcon schwieg, aber das reichte dem Engel schon als Bestätigung. Selbstbewusst lief sie auf den Altar zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und wollte nach dem Stein greifen. Der Engel sah nicht, wie Velcon sich bewegte, aber plötzlich stand er neben ihr, hielt ihre Hand fest und drückte sie mit sanfter Gewalt wieder nach unten. "Fass ihn nicht an", bat er leise. Shantel sah nachdenklich zu dem Magier auf. Die dunklen Augen sprühten vor Sorge, aber sie konnte auch einen leichten Schimmer Angst darin erkennen. "Wie ist dein Name?", fragte sie ruhig. "Velcon",antwortete der Magier und ließ sie los. Lächelnd hob Shantel die Hand, die er eben noch umfasst hatte und strich ihm mit dem Handrücken über die Wange. Sie fühlte sich merkwürdig kalt an, obwohl Velcon im ganzen Gesicht glühte. "Dann hör zu Velcon",befahl sie immer noch mit diesen mysteriösen Lächeln auf den Lippen. "Entweder du sagst mir, was es mit dem Stein auf sich hatte, oder ich finde es selbst heraus indem ich ihn berühre."
 

Es hatte wehgetan.

Aber jetzt war es ganz still. In ihm war nichts mehr, nur noch dieses ferne Glöckchenleute und dieses helle Licht. Um ihn herum waberte roter Nebel, fast schien es als lebte er, aber sobald sich Yuuryon anschickte danach zugreifen, zerstob er in alle Himmelsrichtungen. Fort, nur fort. Aber dieses Licht. So warm, so beruhigend. Er musste nur einen Schritt nach vorne gehen und schon würde sich alles in diesem himmlischen Licht auflösen. So einfach - nur ein Schritt.

Aber dann war da auch noch diese dunkle Stimme, welche die Stille durchbrach und immer wieder fordernd seinen Namen rief. Yuuryon sah zurück. Hinter ihm lag nur Dunkelheit, aber vor ihm das Licht. Er wollte nicht zurück in diese Finsternis, diese Kälte. Dort gab es nichts, was ihn erwartete.

Der Dieb hob den Arm, hielt ihn dicht vor die glänzende Lichtscheibe. Silberne Ausläufe brachen aus den schillernden Spiegel, umfingen seine Finger und zogen ihn sanft auf das Licht zu. Nur ein Schritt und wieder sein Name. Aus der Finsternis. Nur die Finsternis. Aber das Licht - so viel schöner. Doch sein Name!

Dort war jemand der nach ihn rief, der ihn suchte. Yuuryon wusste nicht, wem diese Stimme gehörte, aber es war lange her, dass ihn jemand zu sich rief. Sein Name wurde wenn, dann immer nur mit Spott ausgesprochen. Aber da... dort klang doch Sorge!

Yuuryon ließ den Arm sinken. Fast war ihm als könnte er ein enttäuschtes Aufseufzen vernehmen, aber der Klang seines Namens war viel lauter, viel fordernder und hallte viel mehr in seinen Ohren wider. Yuuryon lächelte. Plötzlich fiel es ihm nicht mehr schwer sich umzuwenden und in die Finsternis zu laufen. Denn sie war nicht mehr leer. Dort rief jemand nach ihm. Und außerdem wusste er ja, dass er jederzeit zu diesem schönen Licht zurückkehren konnte.
 

Yuuryon schlug die Augen auf. Er sah in besorgte, rote Lichter, die nun einen erleichterten Ausdruck annahmen. Kain, der vor Yuuryon kniete, lehnte sich zurück und sah nach oben. "Mann, hast du mir einen Schrecken eingejagt",stellte er lachend fest und klopfte Yuuryon auf die Schulter.

Teilnahmslos ließ es der Flussmensch geschehen. Er verstand nichts mehr. Eben noch hatte er am Tor zur anderen Welt gestanden und nun? Verwirrt griff er an seinen Hinterkopf, aber die Finger konnten nur noch weiche Haut ertasten. Zwar klebte in den hellen Haaren noch immer frisches Blut, welches nun langsam begann einzutrocknen, aber das war auch alles. Da war keine Verletzung mehr und auch der Schmerz war verschwunden, trotzdem fühlte er sich schwach und ausgelaugt, so als ob er vollkommen leer wäre. Teilnahmslos beobachtete er wie Kain aufstand, sich suchend umsah und wieder zurück zu Yuuryon schaute. "Kannst du aufstehen?",fragte er.

Yuuryon musste es nicht erst versuchen um die Antwort zu wissen. Müde schüttelte er den Kopf. Am liebsten hätte er sofort wieder die Augen geschlossen und weitergeschlafen, aber eine kleine wispernde Stimme hinter seiner Stirn erzählte ihm, dass er das nicht tun durfte. Da er sonst vielleicht nicht wieder aufwachen könnte.

Kain beugte sich nach unten und wollte den Dieb nach oben ziehen, aber der schlug seine Hand erschrocken beiseite. In seinen Ohren hörte er das Blut rauschen. Der Vampir seufzte. "Komm hör auf mit dem Mist. Ich will dir doch nur helfen!",murmelte er beschwichtigend, konnte einen leicht genervten Unterton aber auch nicht ganz aus seiner Stimme verbannen. Und darauf reagierte Yuuryon prompt. "Helfen?",kreischte er auf. "Du warst es doch erst, der..."

"Ja und? Das war ein Versehen! Krieg dich mal wieder ein",plauzte Kain und zog Yuuryon grob auf die Beine. Der Dieb erbleichte. Hastig versuchte er vor Kain zurückzuweichen, mit dem Resultat, dass ihm die Beine einknickten und er nach vorne gegen Kains Brustkorb stieß. Der Vampir grinste. "Von mir aus darfst du gehen",sagte er und fügte höhnisch hinzu:"Wenn du es denn kannst."

Natürlich konnte Yuuryon nicht. Das wusste er genauso wie Kain. Schweigend drückte er sich von dem Vampir ab und versucht wenigstens alleine zu stehen ohne sofort wieder das Gleichgewicht zu verlieren. Es fiel ihm schwer und laufen, am Ende noch weite Strecken, war gleich ganz unmöglich. Das schien Kain ähnlich zu sehen. Kurzentschlossen griff er um Yuuryons Taille und warf ihn über die Schulter, als würde er nichts wiegen. Der Dieb quietschte entsetzt.

Aber all sein Protest, seien es die Verwünschungen oder auch die kläglichen Versuche sich zu befreien, wurde konstant ignoriert. Schließlich fand er sich damit ab, dass seine Position der eines nassen Sackes nun sehr nahe kam und fügte sich in seinem Schicksal.

Schweigend marschierte Kain die blauen Gänge entlang. Das Gewicht auf seinen Schultern behinderte ihn nicht sonderlich. Natürlich, wenn es zu einem Kampf kommen sollte, konnte er Yuuryon nicht weiter tragen. Dann würde er den Dieb eben unsanft in irgendeine Ecke schleudern, aber bitte!? Kain hätte es aus lauter Langeweile ja herbeigesehnt, aber Kampf? Was für ein Kampf denn? Hier war ja NICHTS.

Findest du nicht, dass das gerade sehr gut zu dir passt?

Yuuryon blinzelte verwundert. "Was soll zu mir passen?"

Doch nicht zu dir, dummer Junge., lachte es leise.

"Könntest du mal bitte aufhören Selbstgespräche zu führen? Das nervt!",erklärte Kain verstimmt. "Wenn du dich unterhalten willst, sprich mit mir! Mir ist auch langweilig!"

Yuuryon glaubte sich verhört zu haben. "Du hast mich doch angesprochen!",erklärte er entrüstet.

Wieder hörte man es lachen und diesmal kam die Stimme von schräg links, so dass sich beide Personen sicher waren, dass es der Andere nicht sein konnte. Pat und Patterchen, kicherte die Stimme - kindlich, rein. Wie hatte Yuuryon nur glauben können, dass es der Vampir war, der so eine Glockenstimme besass.

Aber Pat ist wohl ein ganzer Pat, während Patterchen noch nicht einmal ein Patterchen ist. Sag deprimiert es dich nicht?

"Was soll mich deprimieren?",fragten die beiden Männer zeitgleich und verstummten erschrocken, da sie dieselben Worte sprachen.

Ein hoher Geist ward dir gegeben. Doch alles zerbrach. Zerbrach weil Geist allein nicht existieren kann. Gefühl ist es, was die Dinge antreibt. Gefühl ist es, was sie zerstört. Und als die beiden ewigen Institutionen miteinander fochten obsiegte Gefühl dem Geist. Doch was geschieht wenn Gefühl allein ist. Was geschieht, wenn kein Geist dem Gefühl mehr Einhalt gebietet. Was gebiert dann aus der Dunkelheit?

Verwirrt hob Kain den Flussmenschen von seiner Schultern und stellte ihn vor sich. "Aber du hörst das auch, ja?",wand er sich zweifelnd an Yuuryon, als er den Ursprung der Stimme noch immer nicht erkennen konnte. Der nickte unruhig. Die körperlose Stimme verstörte ihn zutiefst und jagte ihm so viel Angst ein, dass er sogar vergass, dass er sich eigentlich auch vor Kain zu fürchten hatte. Aber der Vampir interessierte sich gar nicht für den Dieb. Suchend wand er den Kopf nach links und rechts. Aber das Bild blieb gleich. Blau schillernde Mauern - kein Ausweg in Sicht.

Das Gefühl dominiert den Geist - wächst, gedeiht und entartet, bis dieses neu geschaffene Etwas sich von den letzten Fesseln trennt und zurück nur einen wahnsinnigen, verkrüppelten Geist lässt. Ein Moment der Freiheit, der absoluten Stärke. Pulsierendes Leben ohne Grenzen. Geboren um zu Schaffen und zu Zerstören. Alles liegt in seiner Macht.

Aber dieses herrliche Geschöpf bekommt neue Grenzen auferlegt. Ein neuer Geist, mit eigenem Gefühl - ein eigenes Wesen ohnegleichen. Was bitte, frage ich dich, bleibt dann noch von diesem wahnsinnigen Gefühl? Was kann überdauern, wenn der ewige Wunsch nach Freiheit, doch wieder nur gebunden wird?

Kain schluckte. Kalter Schweiß war auf seiner Stirn ausgebrochen. Die Stimme sprach von ihm! Und obwohl er seine eigene Vergangenheit kaum kannte, wusste er, dass diese liebliche Glockenstimme seine Geschichte erzählte. Und als er das erkannte ergriff ihn zum ersten Mal ein Gefühl, dass er bis dahin nur aus Erzählung anderer kannte.

Das war es also, wenn sich die Härchen am ganzen Körper unbemerkt aufstellten, wenn der Körper vor Kälte erzitterte - obwohl er vom Fieber gebeutelt wurde, wenn die klammen unheilvollen Totenfinger, die zarten Linien der nassen Haut nachfuhren und kristalline Eisspuren hinterließen, wenn der Atem flach und langsam wurde, dafür aber das Herz immer schneller schlug, bis es fast zerbersten wollte und das Blut schleimig und zäh durch die viel zu engen Adern presste. Das war Angst.

"Was... bleibt dann noch?", flüsterte er in die Stille hinein und mit diesem Laut erhob sich ein ohrenbetäubendes Gelächter voller Hohn und Abwertung für den Narren, der solch eine Frage zu stellen wagte. Ein Gelächter, welches die Mauern erzittern ließ und den Boden zum Beben brachte. Entsetzt beobachtete Kain, wie klaffende Spalten auf dem Boden aufrissen, die sich knarrend und ächzend in die eisblauen Wände fraßen und aus denen sich schweres, schwarzes Blut seinen Weg nach draußen bahnte. Steine begannen von der Decke zu regnen. Unter donnernden Getöse brachen die Wände und zersplitterten in messerscharfe Kristalle, die wild in den Gang hinein schossen, blutige Fäden hinter sich herziehend.

Es grenzte an ein Wunder , dass von all diesen wilden Waffen im Endeffekt nur wenige trafen. Geistesgegenwärtig hatte Kain den Dieb an sich gezogen und den eigenen Körper schützend über ihn gelegt. Nun drückte sich das Häufchen Elend wimmernd an seine Brust, die Augen fest verschlossen und versuchte zu vergessen was um ihn herum geschah. Leider war es Kain nicht vergönnt die Augen vom Geschehen einfach abzuwenden. Dieses monströse Szenario der Zerstörung, hielt ihn gefangen, ließ ihn nicht los und verhalf ihm dazu ganz in seiner Furcht aufzugehen. Dass er sich dann aber doch nicht in der eigenen Angst verlor, daran war diese heulende Gestalt in seinen Armen Schuld, die sich haltesuchend immer enger an ihn schmiegte und somit auch den Rettungsanker für Kain bildete. Und zugleich verfluchte er ihn. Denn die Wärme, die Yuuryons Körper ausstrahlte erinnerte ihn nur zu sehr daran, wie real das hier alles war. Dass es nicht die Geistesebene war, in der er sonst gastierte und dass es diesmal wohl wirklich um sein eigenes nacktes Leben ging. Kein Traum, aus dem man einfach aufwachen konnte. Aber die Regeln blieben die selben!

"WAS BLEIBT BESTEHEN?", donnerte er in das Chaos hinein und augenblicklich verstummte die Welt.
 

Als Yuuryon die Augen wieder öffnete fand er sich auf einer weiten lichtglänzenden Ebene wieder. Keine Grenzen waren in Sicht, aber nicht weit von ihnen ragte eine riesige schwarze Säule in das weiße Nichts hinein. "Was ist das?",fragte er schaudernd. Die letzten Tränen glänzten noch feucht auf seinem Gesicht. Aber Kain antwortete nicht. Achtlos ließ er Yuuryon stehen und näherte sich dem schwarzen Stein.

Ein Rätsel soll die Antwort geben, hatte ihm die Stimme zu gewispert, bevor die Welt sich endgültig verlor. Nun wollte er sie auch erfahren. Die Antwort.

Sinnierend fuhr er die verzweigten Linien auf dem schwarzen Obelisken entlang und war wenig erstaunt, als sie kurz danach in goldenen Lettern aufflammten und verspielte Worte freigaben. Ein Rätsel soll die Antwort geben.
 

Und nun sag mir Suchender.

Was ist besser als Gott

Und böser als der Teufel?

Was haben die Armen,

Was die Glücklichen brauchen?

Was ist es, dass wenn du es isst, du stirbst?

Dies soll deine Antwort sein.

Das Mädchen

So nun ist es endlich geschafft. Ich bin mit den Kapiteln wieder gleich auf, so weit wie ich sie auch geschrieben habe...

Hoffen wir also, dass ich jetzt auch immer dran denke, den Kram hochzuladen.

@Ella-chan, wenn du magst kannst du jetzt gerne beta-reader machen...

würde mich sehr freuen
 

*winkz*

dat sinless
 

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Das Mädchen
 

"Was war das?", wisperte die Schwarzhaarige angsterfüllt und lugte verstört unter Abraxas Mantelärmel hervor. Der Vampir wusste aber auch nicht mehr als sie. So blieb ihm nichts anderes, als ratlos mit den Schultern zu zucken. "Jetzt ist es ja vorbei",meinte er ausweichend und strich zaghaft über eine der blauen Wände.

Eben noch waren die Steine, eben jener Wände, wie wahnsinnig kreuz und quer durch den ganzen Raum geschossen. Blut war aus den entstanden Rissen gespritzt und die Erde hatte gebebt. Und jetzt? Der Gang war wieder unberührt, als wäre nichts geschehen. Aber etwas war doch anders. Zuvor waren die Wände wie von Eis gewesen, aber jetzt konnte er in den Mauern eine pulsierende Wärme wahrnehmen, ein dumpfes Donnern fast wie der Herzschlag eines lebendigen Wesens. Was war das hier nur?

Zögernd erhob sich Abraxas und reichte der jungen Tempeldienerin seine Hand um ihr aufzuhelfen, welche sie dankbar annahm. Einen Vorteil hatte das angsteinflößende Geschehen in jedem Fall gehabt. Das Mädchen hatte ihr Wut auf Abraxas über den Schock schlicht vergessen, so dass sie sich nun absolut friedlich, schutzsuchend an ihn drängte. Dabei konnte der Vampir auch nicht helfen, sollte es wieder von vorne los gehen, aber wohl oder übel musste er sich eingestehen, dass auch er froh war nicht allein zu sein. Yuuryon hatte ihn ja freundlicherweise sitzen lassen und auch von Kain war noch immer nichts zu hören.

"Komm, wir müssen weiter",sagte er freundlich und versuchte aufmunternd zu lächeln, was aber eher zu einer schiefen Grimasse geriet. Das Mädchen bemerkte es nicht. Die braunen Augen waren dunkel und groß vor Angst und wirkten abwesend. Kommentarlos setzte sie sich in Bewegung.

Während sie weiter durch die scheinbar endlosen Gänge irrten, versuchte Abraxas mit ihr ins Gespräch zu kommen um wenigstens etwas die beklemmende Stimmung von ihnen zu nehmen.

"Wie heißt du eigentlich?", begann er und wunderte sich wie fröhlich er doch klingen konnte, wenn er es nur wollte. Shantel bekam diesen Tonfall nicht oft zu hören und jetzt verschenkte er diese seltene Stimmlage an ein ihm völlig fremdes Mädchen.

"Karin", war die knappe Antwort, bevor die Tempeldienerin wieder in ernstes Schweigen versank. Sie war nicht fähig, das kostbare Geschenk, welches ihr Abraxas unbewusst gemacht hatte, entsprechend zu würdigen. Aber so schnell gab der Vampir nicht auf. Mit einer für ihn vollkommen untypischen Beharrlichkeit, begann er weiter belanglose Fragen zu stellen, um sie wenigstens etwas aus der Reserve zu locken. Aus irgendeinem vollkommen irrsinnigen Grund fühlte er sich zu diesem zierlichen Geschöpf hingezogen und für sie verantwortlich. Wahrscheinlich, weil sie Recht hatte. Er war tatsächlich an ihrer Lage schuld, wie er unwillig zugeben musste. Aber Abraxas wäre nicht Abraxas, wenn er nicht sofort einen weiteren Schuldigen fand, der in jedem Fall mehr Schuld trug als er selbst. Dieser Velcon hatte ihn doch überhaupt erst losgeschickt diesen verfluchten Stein zu holen und mittlerweile war er sich sicher, dass es nie um diesen Stein gegangen war, sondern nur darum, dass er ihn anfasste. Schon in Payck als Natyrn von Abraxas verlangt hatte den Stein zu holen, war dies auch nur ein geschickter Schachzug Velcons gewesen um nicht sofort selbst in Erscheinung zu treten. Dieser Bastard war es doch gewesen, der sie überhaupt erst in Natyrns Hände gebracht und sie später scheinheilig 'gerettet' hatte. Und wozu das alles? Damit er den Stein berührte um dann auf ewig durch ein endlos, blaues Labyrinth zu irren? Das konnte doch nicht des Pudels Kern sein.

"Sag, wusstet du was geschieht, wenn man den Stein anfasst?"

Karin schüttelte verneinend den Kopf. "Unser Meister hat uns aufs Strengste verboten den Stein auch nur flüchtig zu berühren. Es ist ganz allein die Aufgabe des obersten Ordenpriesters ihn zu reinigen, und dafür Sorge zu tragen, dass er sich immer im schönsten Glanz den Gläubigen präsentiert." Abraxas lächelte zufrieden in sich hinein. Scheinbar hatte er endlich ein Thema gefunden, dass Karin mehr als nur ein paar knappe Worte entlockte.

"Was für Gläubige denn eigentlich? Ich habe niemand gesehen. Und was ist das überhaupt für ein Priester, der seinen Tempel vollkommen schutzlos allein zurück lässt?"

Falsche Frage! Abraxas erkannte es sofort, als sich Karins hübscher Mund schon wieder gekränkt nach unten verzog. "Es geht auf Winter zu, da ist es nur natürlich, dass die Menschen lieber für ihre Familie sorgen, als sich auf den beschwerlichen Weg zu unserem Tempel zu machen. Und der Tempel ist auch nicht schutzlos zurück gelassen. Ich und die anderen Tempeldienerinnen sind schließlich noch da und geben Acht, dass nichts ungehöriges geschieht. Was normalerweise auch kein Problem ist!", fügte sie schneidend hinzu, so dass Abraxas gar nicht wagte ihr noch weitere Fragen zu stellen.

Es dauerte aber nicht lang, da begann Karin von allein wieder zu sprechen. "Ungewöhnlich ist es schon",gab sie nach einiger Überlegung zu. "Unser Meister verlässt sonst nie den Tempel, aber diesmal... Wie vom Teufel selbst gejagt, verließ er fast fluchtartig den heiligen Platz und sagte uns nur, dass er dringende Geschäfte in Payck zu erledigen hätte. Aber er wollte bald wiederkommen. Und was wird jetzt nur passieren, wenn er zurückkehrt und mich nicht im Tempel vorfindet? Er wird doch sicher denken, dass ich undankbar für seine Güte fortgelaufen bin und mich verstoßen, wenn ich zurückkehre. Wo soll ich dann denn hin? Ich habe sonst nichts mehr außer diesem Tempel."

"Na, hör mal. So schnell jagt ein Priester doch nicht seine Leute davon."

Karin schlug betrübt die Augen nieder. "In meinem Fall wahrscheinlich schon. Ich habe keine Eltern, keine Verwandten - niemanden, der sich um mich sorgt. Mein alte Arbeit..." Das Mädchen stockte, schüttelte den Kopf, als wollte sie eine schlechte Erinnerung verscheuchen. "Ich kam zum Tempel, vollkommen mittellos und verzweifelt und bat um Hilfe. Die anderen Tempeldienerinnen machten mir wenig Hoffnung. Jemand, wie ich - eine... ein Kind aus der Unterschicht, hat nichts in einem Tempel zu suchen. Aber als der Meister mich zum ersten Mal sah, nahm er mich ohne weitere Fragen oder Bedingungen in die Obhut des Tempels. Doch nun glaube ich, glaube ich... wenn ich nicht da bin, wenn er zurückkehrt..."

Stumme Tränen rannen Karins Gesicht hinab. Sie war nicht mehr fähig weiter zu sprechen.

Abraxas schwieg. Langsam begann er die Bredouille zu begreifen, in die er Karin gebracht hatte. Und irgendwas hatte das Mädchen an sich, dass es ihm leid tat, was er getan hatte. Normalerweise hätte er gelacht über solch erbärmliche Probleme, was waren diese schon gegen jene, mit welchen er sich herumzuschlagen hatte? Doch nichts.

Aber diesmal?! Erklären konnte er es nicht. Aber Karin übte eine Anziehung auf ihn, der er sich einfach nicht erwehren konnte. Es war nicht so, dass er sie begehrte. Nein, niemals. Das Mädchen war noch viel zu jung um Abraxas Interesse wecken zu können und ihre Ausstrahlung war bei weitem nicht strahlend genug, als dass sie sich mit dem Engel messen könnte, den Abraxas sein eigen nannte. Er begehrte sie nicht als Frau. Und doch fühlte er sich zu ihr hingezogen. Die Art, wie sie die Augen niederschlug, schien ihm vertraut, die schwarzen Locken, die sich lang und schwer um das hässliche Gewand schlangen. Alles so, als hätte er es schon einmal gesehen.

Aber es stimmte nicht alles an dem Bild, dass er von ihr vor sich sah. Der Mund schien ihm nicht voll genug, die Augen eine Spur dunkler, als er sie in Erinnerung hatte. Erinnerung? Welche Erinnerung. Abraxas war sich sicher, dass er Karin nie zuvor begegnet war, aber sie schien ihm vertraut. So vertraut wie - wie einem die eigene Schwester vertraut war.
 

"Was bitte soll das denn für ein bescheuertes Rätsel sein?"

Yuuryon hob ratlos die Schultern. "Weiß ich doch auch nicht, aber wenn du eine Antwort haben willst, wirst du es wohl lösen muss."

"Danke, das weiß ich auch",knurrte Kain verstimmt und widmete sich wieder dem Schriftzug auf dem schwarzen Obelisken. Besser als Gott... Oh, da kannte er eine ganze Menge und böser als der Teufel? Kain war dem Teufel nie begegnet, also konnte er das schlecht einschätzen. Lilith vielleicht? Aber nein, das passte nicht zum Rest. Was hatten denn die Armen? Allerhand. Hunger, dreckige Kleider, Krankheiten, Sorgen zuhauf, aber sowas brauchte doch niemand! Und die Glücklichen erst recht nicht.

"Yuu, woran stirbst du, wenn du es isst?"

"Gift!"

"Passt nicht zum Rest... Sonst noch was?"

Yuuryon erhob sich, trat schweigend neben Kain und überflog zum wer weiß wievielten mal die wenigen Zeilen. Das Ergebnis blieb das selbe.

"Darauf gibt es keine Lösung!" Yuuryon hockte sich hin und verschränkte frustriert die Arme. "Es gibt nichts was böser als der Teufel ist! Sonst wäre es nicht der Teufel. Und etwas was besser als Gott ist, gibt es aus dem selben Grund auch nicht! Das wäre ja noch schöner. Dieses Rätsel soll uns nur verwirren. Gib es auf!"

Kain horchte auf. "Was hast du gerade gesagt?"

"Ich sagte, dass es nichts gibt, das..." Der Flussmensch verstummte, sah auf und blickte in das Gesicht Kains. Der Vampir grinste breit. "Oh... ach so."

Das war die Lösung! So einfach, dass man es fast übersah. Nichts war besser als Gott, nichts böser als der Teufel. Die Armen besassen nichts, wie auch die Glücklichen nichts brauchten und wenn man nichts aß, starb man. Das war die Antwort. Nichts!

Kains Lächeln erstarb. "Nichts... bleibt zurück."

Das klatschende Geräusch von zwei aufeinander geschlagenen Handflächen ließ sie herumfahren. "Gratuliere. Ihr habt das Rätsel gelöst, auch wenn es ganz schön lange gedauert hat." Unglaube breitete sich in Kains, wie auch in Yuuryons Gesicht aus, aber bevor er sich in Form eines Lautes Luft verschaffen konnte, drängte sich das Mädchen bereits zwischen die Beiden und strich nachdenklich über den Schriftzug des schwarzen Obelisken. Die Kleidung war anders. Sie trug nicht mehr diese unschickliche braune Robe, sondern war in engen schwarzen Stoff gehüllt, der die ersten vorhanden weiblichen Rundungen betonte und sie älter erscheinen ließ, als sie war. Das ärmellose Oberteil, mit dem tiefen Ausschnitt, der mehr zeigte, als verhüllte, ging nahtlos in die enge, schwarze Hose über, welche kurz unter den Knien in hohen Nietenbeschlagenen Stiefeln endete. Die schlanke Taille zierte als einziger Schmuck ein silberner schmaler Gürtel, der sich schlangengleich an ihren zierlichen Körper anpasste. Die brauen Augen waren schwarz umrandet, zu dunkel für solch ein junges Mädchen, doch war es unverkennbar das selbe, welchem sie bereits in der Kathedrale begegnet waren. Die junge Tempeldienerin, welche so vehement versucht hatte Abraxas davon abzuhalten, den Stein zu berühren. Was machte sie hier?

Schelmisch legte sie den Kopf schief und blinzelte Kain mit ihren großen braunen Augen von unten zu. "Was wirst du jetzt tun?", fragte sie wispernd. Es klang fast so, als würde von weit her ein leises Glöckchen klingeln.

Kain musste den Blick für einen kurzen Moment abwenden um der Verwirrung Herr zu werden, die sich seiner ermächtigte. Er sah zu Yuuryon, aber der Flussmensch deutete nur ein verständnisloses Achselzucken an.

Es änderte nichts. Als er zurück sah, lag noch immer diese Frage in ihren Augen, auch wenn sich ein spöttischer Ausdruck dazu gestohlen hatte, als wollte sie ihn verlachen.

"Du... warst die Stimme, die wir gehört haben", stellte er nach einiger Zeit fest und überging vorläufig die Frage, die sie ihm gestellt hat. Das Mädchen nickte lächelnd.

Kain blinzelte verwirrt. Dieses Lächeln schien ihm vertraut, wie viele Mal gesehen und lieb gewonnen - zeitgleich jagte es ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Völlig grundlos begann er sich auf einmal vor dieser jungen Frau, nein diesem Kind zu fürchten und wich unbewusst vor ihr zurück.

"Ich bin es nicht, vor der du dich fürchten musst",lachte sie glockenhell. Kain sah nicht wie sie die kurze Distanz zwischen ihnen überwand, aber plötzlich stand sie vor ihm, griff nach seiner rechten Hand und fuhr nachdenklich deren Fingerknochen entlang. "Seltsam. Ich habe dich mir anders vorgestellt. Nicht so... stofflich."

"Du kennst mich?",fragte Kain verwundert. "Das ist unmöglich!"

Lachend ließ ihn das Mädchen los, sah zu Yuuryon hinüber, der untätig noch immer vor dem Obelisken kauerte, aber jede ihrer Bewegungen auf das genaueste beobachtete. "Du hast Recht. Wenn ich so wäre wie er, wäre es unmöglich - solange du dein Geheimnis nicht preis gibst. Aber es gibt andere, mächtigere Kreaturen, als ihn. Sie wissen es und die wenigsten sind deine Freunde."

"Und du?"

"Ich? Ich bin nicht dein Feind." Lächelnd drehte sie sich zu Kain zurück und sah ihn auf diese seltsam, bekannte Art an. "Ob ich ein Freund bin, musst du selbst entscheiden. Sag kennst du die Antwort noch?"

Kain prallte getroffen zurück, als hätte ihm eine unsichtbare Faust ins Gesicht geschlagen. Die Schwarzhaarige lächelte zufrieden. "Ich sehe du erinnerst dich? Also, wie soll es weiter gehen?"

Der Vampir antwortete nicht. Das Mädchen verwirrte ihn zutiefst, jagte ihm Angst sein und er wusste einfach nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Am liebsten hätte er sie geschlagen, obwohl es dafür überhaupt keinen Grund gab. Sie lachte leise, hob den Arm und strich Kain sanft über die Wange. "Nichts bleibt zurück."

"Das stimmt nicht!" Kain schüttelte den Kopf und wich demonstrativ ihrer Berührung aus. "Sonst wäre ich doch gar nicht mehr hier!"

"Meinst du? Ich habe nicht gesagt, dass es sofort geschieht. Es ist ein schleichender Prozess. Bist du wirklich noch der, als der du erwacht bist?" Die Schwarzhaarige tat einen Schritt zurück und suchte den direkten Blickkontakt mit Kain. "Hast du nicht manchmal das Gefühl, dass du immer weniger selbst zum Zug kommst? Dass du nutzlos wirst?"

"Abraxas braucht mich!", beharrte Kain trotzig.

Ihr rang es nur ein spöttisches Lächeln ab. "Als Werkzeug, als Waffe - aber als Person? Er braucht deine Fähigkeiten, aber deinen Charakter, deine Gefühle, deine Meinung? Sie kann ihm doch nur hinderlich sein. Wann hat er das letzte Mal auf deinen Rat gehört?"

Kain ließ sie stehen, lief auf den Flussmensch zu "Komm wir gehen." und zog ihn in die Höhe. "Dass muss ich mir nicht länger anhören!"

"Warum nicht? Weil du weißt, dass ich Recht habe?" Sie lachte böse, machte aber keinerlei Anstalten ihn aufzuhalten. "Geh ruhig",forderte sie ihn auf. "Aber denk mal darüber nach. Wenn ihr angegriffen wurdet, wer war es, der die Qual ertragen musste. Abraxas oder du?"

Kain blieb stehen. Es waren dieselben Fragen, die er sich selbst bereits oft gestellt, aber immer wieder beiseite gedrängt hatte. So etwas würde Abraxas niemals tun. "Hör auf",verlangte er leise.

"Wer war es, der vom anderen im Stich gelassen wurde?"

"Hör auf!"

"Abraxas oder..."

Kain wirbelte herum. Mit einem Satz war er bei ihr, riss sie zu Boden. Seine Krallen schlossen sich um ihren dünnen Hals. Weit hinter sich hörte er Yuuryon erschrocken auf keuchen. Es war egal. Es war egal, dass sie nur ein dummes, kleines Mädchen war. ER musste sie zum Schweigen bringen, koste es was es wolle. Der Vampir hob den rechten Arm, holte zum Schlag aus, aber sie lächelte nur wissend. Sie musste schweigen, damit sich die Wahrheit, die in ihren Worten lag nicht in sein Innerstes fraß und seine Seele vergiftete. Seine Hand sauste hinab -

"Oder du?"

- und schlug dicht neben dem hübschen Gesicht in den kristallenen Boden ein. Glas zersplitterte und ritze ihre zarte Wange, so dass sich ein dünnes Blutrinnsal auf der sonst so makellosen Haut bildete. Doch sie lächelte nur, hob ihre wunderschönen Hände, umfasste Kains Gesicht und zog ihn tiefer zu sich. Vergessen war ihre Jugend, vergessen die Zweifel und Verwirrung, die sie in seinem Herzen gesät hatte. All das war unwichtig. Sie rief ihn!

Ein wispernder Laut, so leise , dass man ihn kaum vernehmen konnte - so flüchtig, doch Kain hörte sie, die Stimme, die tief in seiner Seele sprach, ihm zuraunte, zu umgarnen und zu verwirren suchte. Er hörte sie und es gelang ihr. Zitternd wollte er sich aufrichten, doch ihre Hände hielten ihn, ließen ihn nicht los und es war ihm nicht möglich ihr zu entkommen. Kein Ausweg, kein Ausweg!

"Was soll ich denn tun?", fragte er hilflos, unklar wem die Frage nun wirklich galt. Das Mädchen lachte, fuhr andächtig die Formen seiner Wangen entlang, über Hals und Schultern hinab und endete schließlich auf der Hand, die noch immer ihren Hals fest umklammert hielt. Sanft brachte sie Kain dazu loszulassen, schob ihn zurück und richtete sich selbst auf. Noch immer hielt sie seine Hand und Kain spürte das Gewicht, welches sich auf einmal in selbige legte.

"Eins und Eins macht Zwei. Doch Zwei ist nicht Eins und kann niemals Eins sein."

Kain öffnete seine Hand. Gleissendes Licht brach aus ihr hervor und verschlang sich in der filigranen Form eines gläsernen Dolches. "Das ist nicht dein Ernst!",murmelte Kain bestürzt.

"Also muss Eins gehen, damit aus Zwei Eins werden kann."

Was Wahrheit ist...

Und wiedermal hab ich vergessen hier hochzuladen...

*bup*

ich bin unzuverlässig...

wat solls...

hier also das nächste kap^^

übrigens mag ich das hier tierrisch gerne ^___^
 

*winkz*

dat sinless
 

****************************************+
 

Was Wahrheit ist...
 

Komm...

Abraxas horchte auf und sah zu Karin. "Was ist?"

Die junge Tempeldienerin blinzelte verwirrt. "Ich habe nichts gesagt!"

Komm her. Hierher! Zu mir!

Schon wieder! Diesmal aber hatte Abraxas Karins Gesicht, insbesondere ihren Mund fest im Blick. Ihre Lippen hatten sich nicht bewegt. Scheinbar hatte sie die Stimme aber auch gehört, zumindest wenn er den erstaunten Ausdruck in ihren Augen richtig deutete.

Schau nach links

Abraxas sah nach links. Für einen Moment setzte sein Atem aus. Gleissend, weißes Licht drängte sich ihm entgegen. Nicht weit von ihnen entfernt, durchbrach das unwirkliche Tor die festen Mauern und gab Ausblick auf eine weite, leere Ebene in deren Mitte ein riesiger, schwarzer Obelisk in die Höhe ragte.

"Also das war eben noch nicht da!",stellte Karin trocken fest, lief auf das Tor zu und drehte sich kurz bevor sie es durchschritt zu Abraxas zurück. "Nun komm schon, oder hast du diese tollen Mauern noch nicht genug bewundert?"

Das nicht, aber einfach durch irgendwelche Lichtfelder zu gehen, die ohne Ankündigung in einer bis dato sehr festen Mauer erschienen, gehörte nicht unbedingt zu den Tätigkeiten, die Abraxas als sonderlich überlegt und daraus resultierend als ungefährlich erachtete.

Karin verschwand hinter dem hellen Spalt.

Seufzend schlug der Vampir die Augen nieder, hob die Schultern und folgte ihr.
 

Kain stieß sie zu Boden und warf ihr den Dolch vor die Füße. "Du musst verrückt sein, wenn du glaubst, dass ich Abraxas angreifen würde. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund!"

Verständnislos sah sie auf. Echte Verwunderung spiegelte sich in ihren braunen Augen. "Aber natürlich gibt es einen Grund! Du bist für ihn nur ein Werkzeug! Glaubst du wirklich, dass du ihm wichtig bist, dass er dein Freund ist?"

Kain schüttelte den Kopf. Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, als er sie mit festen Blick ansah und sagte:"Was ich glaube ist unwichtig. Ich bin nur noch eine Schattengestalt, aber ich kann Abraxas nicht dafür bestrafen, was aus mir geworden ist." Mit diesen Worten drehte er sich von ihr, schritt langsam auf den Obelisken zu. Da stand das Rätsel und die Antwort - Gold auf Schwarz. Aber selbst wenn es stimmte. ER allein entschied, was Wahrheit war.

Yuuryon ging erschrocken in Deckung, als Kain zuschlug. Der schwarze Stein zitterte unter der Wucht der Erschütterung, aber er hielt stand. Nicht jedoch dem zweiten Schlag. Feine Risse flossen durch das kalte Gestein und zerblätterten die verschlungenen Buchstaben. Beim dritten Schlag zerbarst die Säule in tausend winzige Teile. Schwarzer Staub rieselte auf Kain hinab.

Entsetzt richtete sie sich auf. "Was tust du?",kreischte sie schockiert.

Kain drehte sich um. Immer noch schwebten um ihn feinste Staubplättchen und bedeckten den weißen Boden mit einem dreckig grauen Schleier. Der Vampir lächelte grimmig : "Nichts."

Das Mädchen rannte auf Kain zu, versuchte ihn beiseite zu stoßen, aber der Vampir hielt ihrem Handschlag lächelnd stand. Wie ein schwarzer Fels bewegte er sich nicht eine Elle und zwang sie somit um ihn herum zu hasten. Zitternd blieb sie vor den Bruchstücken des schwarzen Obelisken stehen, die braunen Augen vor Zorn weit aufgerissen und täuschte sich Kain, oder schimmerte da leise Angst in ihren dunklen Pupillen? "Was hast du getan?",stammelte sie fassungslos, sank auf die Knie und versuchte hilflos, die verschiedenen Bruchstücke wieder zusammenzufügen.

Es war sinnlos. Kain hatte ganze Arbeit geleistet. Demonstrativ trat er noch einmal in die Trümmer hinein und zermalmte einige kleinere Brocken unter seinem Absatz bis nur noch schwarzer Staub zurück blieb. Grimmig drehte er sich zu Yuuryon. Plötzlich aber entdeckte Kain etwas hinter ihm, was ein echtes Lächeln der Erleichterung auf sein verzerrtes Gesicht zauberte. Verwundert sah der Flussmensch über die Schulter und stieß einen verblüfften Laut aus, als er sah, was Kain gesehen hatte.

Hinter Yuuryon stand der Vampir mit den blauen Haaren und musterte fachmännisch die Zerstörung, welche Kain angerichtet hatte.

"Du bist nicht tot?", fragte Yuuryon ungläubig.

Amüsiert runzelte Abraxas die Stirn. "Warum sollte ich tot sein?"

"Na weil..." Hilflos gestikulierte Yuuryon zwischen Abraxas und Kain hin und her. Die Kleidung war tatsächlich absolut identisch. Sogar der hässliche Brandfleck auf dem Mantel, welchen sich Abraxas zugezogen hatte, als er zu nah am Feuer geschlafen hatte, war gleich. Das konnte doch nicht sein. Dann fiel Yuuryons Blick auf Karin, die sich dicht hinter Abraxas positioniert hatte und ihn, wie Kain misstrauisch musterte. Verwirrt sah er zu den Trümmern des Obelisken zurück. Dort kniete noch immer das andere Mädchen. Yuuryons Mund öffnete und schloss sich wieder, ohne dass er etwas sagte. Dann ließ er die Schultern hängen und hockte sich kopfschüttelnd auf den Boden und starrte nur noch ausdruckslos vor sich hin. Mittlerweile war der Dieb davon überzeugt, dass dies alles nur ein böser Albtraum war. Sicher würde bald jemand kommen und ihn aufwecken.

Kain hatte Karin ebenfalls entdeckt. Ein verblüffter Laut kam über seine Lippen, bevor er sich zusammenriss, schräg auf die Beiden zulief und somit die Sicht frei machte, damit sie auch sehen konnten, was Yuuryon und er bereits wussten.

"Was ist los?", wollte Abraxas wissen, aber Kain brachte ihn mit einer scharfen Geste zum Schweigen und nickte zu den Trümmern des Obelisken hin. Jetzt erst, nachdem Kain ihn darauf hingewiesen hatte, bemerkte er sie. Verwirrt machte er einen Schritt nach vorne, blieb aber sofort stehen, als sie ihren Kopf hob und ihre Blicke sich trafen. Lodernder Hass brannte in ihren dunklen Augen, den Abraxas sogar auf diese Entfernung ohne Probleme erkennen konnte. Verstört bemerkte er, wie sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufstellten und sein Atem flach und stoßweise wurde. In seinem Hals spürte er einen dicken Klos, aber er mühte sich vergebens ihn herunterzuschlucken. Obwohl sie Karin wie einem Ei dem Anderen ähnelte, war sie doch gänzlich verschieden zu der jungen Tempeldienerin. Der Hass, den er in ihren Augen gelesen hatte, war so dicht und nahezu greifbar, dass er die Luft um sie herum zum flimmern brachte. Dieses Mädchen jagte ihm Angst ein. Angst, die erst abklang - wenn auch nicht völlig - als sie ihren Blick abwandte und zu Karin hinübersah. Diese streifte sie aber nur mit flüchtigen Interesse, nämlich gar keinem, als hätte sie bereits gewusst was sie sehen würde. Karin hingegen war erstarrt. Ihre Finger fuhren unruhig ihre eigenen Gesichtskonturen ab, fast als wolle sie sich selbst davon überzeugen, dass ihr Gesicht noch da war, wo es sein sollte und nicht im Antlitz eines anderen schimmerte. Und dabei stand die Andere doch vor ihr. Wie konnte das denn nur sein? Wieso sah sie sich ihrem Spiegelbild gegenüberstehen, obwohl doch nirgendwo ein Spiegel auch nur in der Nähe war.

"Wer bist du?", fragte sie verwundert, wurde von dem Mädchen aber völlig ignoriert. Bewusst wich sie Karins Blick aus und starrte statt dessen Kain direkt ins Gesicht. In ihren Augen spiegelte sich Zorn und eine verständnislose Enttäuschung, wie sie nur Kinder zeigen konnten, denen man das liebste Spielzeug vorenthielt.

"So also hast du dich entschieden?", fragte sie leise, ging ein kleines Stück auf Kain zu, schien es sich dann aber anders zu überlegen und blieb reglos vor der kleinen Gruppe stehen. Ihre Augen schweiften zu Yuuryon, der noch immer auf dem Boden hockte, aber jede ihrer Bewegung wachsam beobachtete. Aber auch von ihm schien sie keine Hilfe erwarten zu können. Schweigend sah sie zu Kain zurück und der Vampir wusste auf welche Antwort sie hoffte und wartete.

Noch immer war es ihm nicht möglich den Zauber abzuschütteln, welchen sie um ihn gesponnen hatte. Noch immer fühlte er sich zu ihr hingezogen. Aber was war schon das flüchtige Gefühl von Sympathie gegen diese tiefe Verbundenheit, die zwischen ihm und Abraxas herrschte?

Sicher sie waren nicht immer einer Meinung, sehr selten sogar. Abraxas war für seinen Geschmack zu prüde und zu sehr auf das Wohl anderer bedacht, was teilweise so gar nicht zu dem extrem ausgeprägten Sturkopf und dem damit verbunden Egoismus passen wollte. Oft handelte er für Kains Geschmack viel zu langsam, nicht weil er etwa seinen nächsten Schritt so ewig abwog, sondern einfach weil er zu unsicher und zu zögernd war, wenn es an einfache Entscheidungen ging. Er verstand Kains zugegeben etwas derben Humor nur selten, ebenso war er viel zu häufig schlecht gelaunt oder melancholisch und ließ diese schlechte Laune nur zu gerne an ihm aus. Nein, Abraxas war sicher nicht der angenehme Reisebegleiter, den man sich ausgesucht hätte, wenn man denn die Wahl gehabt hätte, zumal er außerdem weder über Orientierungssinn noch ansatzweise über Geschäftstalent verfügte. Kain hatte irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft sie in allzu heruntergekommenen Spelunken übernachtet hatten, für die Abraxas nicht selten fast das dreifache des eigentlichen Preises gezahlt hatte. Genauso sein nicht vorhandenes Talent, sich als Söldner wenigstens aufwandsentsprechend entlohnen zu lassen. Wenn man hätte wählen können... Jeder wäre richtig gewesen - nur nicht Abraxas.

Allerdings hatte Kain diese Wahl nie gehabt. Er war erwacht und musste sich mit dem abfinden, was er vorgefunden hatte und doch bereute er nichts.

Es war nicht nur Freundschaft, die Abraxas und ihn verband. Zu Beginn waren sie alles andere als Freunde gewesen. Und doch war da dieser drängende Wunsch in ihm, auf Abraxas acht zu geben. Kain hatte es sich nie erklären können, woher es kam, aber da war mehr als nur die Hilfsbereitschaft, die man für einen guten Freund übrig hatte. Kain war erwacht und er hatte sofort gewusst, dass es Abraxas war, über den er zu wachen hatte, den er beschützen und notfalls leiten wollte. Noch bevor seine Augen diesen fremden Geist selbst sehen konnten, noch bevor sein Geist erwacht war und er noch körper- , gedanken- und emotionslos in Abraxas Unterbewusstsein geschlafen hatte - selbst damals hatte er bereits Abraxas Wärme gespürt und dieses zittrige, unvollkommene Licht, welches nicht wusste, wohin es sich wenden sollte, welches er unbedingt bewahren wollte und musste, weil er der einzige war, der es konnte. Nur er allein.

Lächelnd schob Kain die Gedanken beiseite und grinste das Mädchen an. "Es gab nie etwas, für das ich mich hätte entscheiden müssen. Die Antwort stand von vorne herein fest."

"Aber...", versuchte sie ihn doch noch zu überzeugen, aber Kain unterbrach sie barsch:"Denn ICH allein bestimme, was MEINE Wahrheit ist!"

Mit diesen Worten drehte sich der Vampir von ihr weg, ging zu Yuuryon und zog ihn grob auf die Beine. "Kommt, wir gehen!", forderte er die anderen auf.

Abraxas wollte zu einer Frage ansetzten, aber Kain schüttelte fast unmerklich den Kopf. 'Später'. Noch einmal sah Abraxas zu dem Mädchen zurück, dessen Blick zornig auf Kain gerichtet war. Sie schien gar nicht fassen zu können, was geschah. Aber der Vampir ignorierte sie völlig. Karin warf Abraxas einen fragenden Blick zu, aber der Blauhaarige konnte auch nicht mehr tun, als ratlos die Schultern zu heben. "Folgen wir Kain", meinte er wenig überzeugt. "Er wird uns schon erklären, was hier los gewesen ist."

Und damit lief er ihm hinterher, ebenso wie Karin, die eilig versuchte mit dem Vampir Schritt zu halten.

Das Mädchen ließ sie kommentarlos vorüberziehen, sah ihnen mit leeren Augen hinterher - als verstünde sie noch immer nicht, was geschah. Dann aber, als sich die kleine Gruppe schon ein ganzes Stück von ihr entfernt hatte, begann sie auf einmal zu lächeln. Ein Lächeln, das zu einem breiten Grinsen wurde und das hübsche Gesicht, spätestens als das hysterische Gelächter aus den Tiefen ihrer Brust hervorbrach, hässlich verzerrte.

"Und wo wollt ihr hin? Wenn ich fragen darf?", rief sie ihnen kichernd hinter her. Yuuryon wollte sich erschrocken umwenden und stehen bleiben, aber Kain stauchte ihm grob in den Rücken und zwang ihn, weiter zu gehen. "Dreh dich nicht um!", raunte er ihm zu. "Sie will uns nur verwirren!"

"Mag sein, dass ich das will!" Jetzt war es Kain, der sich erschrocken umdrehte. Auf diese Entfernung konnte sie unmöglich gehört haben, was er eben so leise gesagt hatte. Wie erstaunt war er aber, als er registrierte, dass da, wo sie eben noch gestanden hatte, niemand mehr war. Neben ihm sog Abraxas erschrocken Luft durch die Nase.

Kain wirbelte herum und sah genau in das böse lächelnde Gesicht des Mädchens. "Aber das hier ist meine Welt", kicherte sie. "Glaubt ihr wirklich, dass ihr ohne mein Einverständnis in die Eure zurückkehren könnt? Aufwachen wird diesmal nicht reichen. Es sei denn..."

"Es sei denn was?", blaffte Kain.

"Du tust das, worum ich dich gebeten habe" ,antwortete sie bestimmt.

Für einen kurzen Moment sah es tatsächlich so aus, als würde Kain ernsthaft über ihren Vorschlag nachdenken. Lächelnd sah er auf -

"Vergiss es"

- seine Fingernägel wandelten sich zu Krallen und der Vampir stürzte sich auf sie.

Der Angriff war zu plump, zu wenig gezielt, als dass er ihr wirklich gefährlich werden konnte. Lächelnd wich sie Kains Schlag aus. Keinerlei Überraschung war in ihrem Gesicht zu erkennen. Sie hatte nichts anderes erwartet. "Dann tut es mir leid", stellte sie fest, ohne dass tatsächlich echtes Bedauern in ihrer Stimme zu hören gewesen wäre, ließ sich nach hinten fallen, rollte sich ab und schlug ihre Hände in den Boden.

Karin kreischte auf, als dickflüssiges Blut aus dem Boden spritzte und Teile ihrer Robe befleckte. Abraxas wich angewidert einen Schritt zurück und stolperte über eine kleine Erhebung, die sich direkt hinter ihm gebildet hatte. Der Vampir landete auf seinem Hintern und starrte entsetzt auf den kleinen Hügel, zwischen seinen Beinen, der ihn zu Fall gebracht hatte und nun bedrohlich zischte und blubberte. Auch an anderen Stellen der weißen Ebene begannen sich derartige Flecken zu bilden, welche zu rumoren und wabbeln begannen. Es schien als wäre unter der weißen Hülle etwas eingesperrt, was sich nun unter Dampf und Rauch entschlossen hatte, zu wachsen und aus seinem gläsernen Gefängnis auszubrechen.

Die Erde bebte, weitere Flecken bildeten sich und die Hügel begannen zu wachsen. Kain hörte, wie Abraxas hinter ihm etwas Unverständliches fluchte, dann setzte sein Verstand aus und er stürzte sich erneut auf das Mädchen. Diesmal konnte sie ihm nicht ausweichen. Noch immer waren ihre Hände tief in den Boden gegraben. Das schwarze Gewand klebte schwer und nass an ihrem schlanken Körper. Blut leuchtete in großen Flecken auf ihrem makellosen Hals und auf dem vor Anstrengung zur Grimasse verzogenen Gesicht. Der Vampir machte sich nicht die Mühe einen Angriffspunkt auf ihrer Kleidung zu suchen, sondern packte sie an den langen, blutgetränkten Haaren, riss sie brutal aus dem Boden und wollte zu einem weiteren Schlag ansetzten, der sie mit Sicherheit kampfunfähig gemacht hätte, aber in diesem Moment bebte der Boden erneut und stärker als zuvor.

Kain brauchte nur einen kurzen Moment um sich zu fassen und sein Gleichgewicht wieder zu finden. Dieser aber reichte ihr aus. Mit einem schmerzverzerrten Schrei, schlug sie nach Kains Gesicht und die zu Krallen geformte Hand riss blutige Wunden quer über Kains Antlitz. Brüllend vor Schmerz schleuderte sie der Vampir von sich und griff nach seinem Gesicht. Die Wunden waren nicht tief, aber sie bluteten und schmerzten heftig. Blut rann ihm in die Augen und versperrte ihm die Sicht. Er hörte noch, wie ihm Abraxas etwas zurief, dann traf ihn etwas dumpf auf den Hinterkopf und er sank benommen zu Boden.

Abraxas gab einen zornigen Schrei von sich, als er Kain zu Boden sinken sah. Rücksichtslos griff er nach Karins Hand und schleuderte sie Yuuryon in die Arme. "Pass auf sie auf!", brüllte er noch, nicht sicher ob er überhaupt verstanden wurden, und machte einen gewaltigen Satz über den ersten Golem hinweg.

Innerhalb weniger Augenblicke war auf der vorher leeren Ebene die Hölle ausgebrochen. Immer wieder bebte die Erde und das, was als kleine Erhebungen in dem makellosen Eis begonnen hatte, war nun zu mannshohen, blutverschmierten Eiskolossen gewachsen, die sich zwar nur langsam aber mit einer gefährlichen Beharrlichkeit auf den Vampir zubewegten. Ihre Gestalt war der eines Menschen nicht unähnlich, aber viel klobiger und aus vielen verschiedenen Eis- und Gesteinsbrocken zusammengesetzt. Der Kopf erschien für den riesigen Körper viel zu klein und unpassend und doch schimmerte in den schwarzen winzigen Augen, der zerfurchten und diabolischen Gesichter etwas, das man ohne viel Bedenken als stupide aber umso bösartigere Intelligenz bezeichnen konnte. Auf Abraxas wirkte es fast so, als wäre die Natur selbst zum Leben erwacht. Und das schlimmste war - es wurden immer noch mehr.

Der Vampir stürmte nach vorne, auf den am Boden liegenden Kain zu, über den sich eine der teuflischen Gestalten gebeugt hatte und zum (wahrscheinlich allerletzten) Schlag ausholte. Abraxas hielt sich nicht damit auf, einen der Golems anzugreifen, sondern wich ihnen nur systematisch aus. Kurz vor dem letzten, der ihn noch von Kain und dem Golem trennte, federte er etwas in den Knien und sprang dem Golem direkt auf die Schulter. Das Ungetüm grunzte überrascht, war aber viel zu langsam um nach dem Vampir zu greifen, der sich schon wieder vom breiten Rücken der Eisfigur abdrückte und sich als lebendes Geschoss auf den letzten Golem zu katapultierte. Im Flug noch, holte er zum Schlag aus und...

Ein hässliches Knacken ertönte und Abraxas spürte wie sein Handgelenk nachgab. Der Schmerz ließ ihn jede Körperkontrolle verlieren und der Vampir knallte dumpf auf den Boden, noch im Fallen aber, warf er sich auf Kain und drehte - überschlug sich mit ihm von dem Golem weg. Nah an seinem Ohr hörte er zerbrechendes Glas splittern - zu nah. Wieder wollte er nach Kain greifen, aber durch seine verletzte Hand trieb sich ein solch feuriger Schmerz, dass er den Impuls mit der Unverletzten danach zu greifen und sie dicht an den Körper zu pressen nicht unterdrücken konnte. Tränen schimmerten in seinen Augen und versperrten ihm die Sicht. Schon spürte er, wie sich Sehnen und Knochen wieder zusammenfügten, aber die Qual blieb - außerdem brauchte jede Heilung Zeit und ein Blick über die Schulter verriet ihm, dass er diese nicht hatte. Der Golem hatte seine Verwirrung, dass unter seiner gewaltigen Faust keine zerquetschen Knochen und Fleischfetzen zum Vorschein kamen, bereits überwunden und bewegte sich nun erneut auf die beiden Vampire zu - langsam zwar, aber auf diese kurze Distanz konnte auch eine sehr langsame Lawine verheerendes anrichten. Ohne weiter auf die gebrochene Hand zu achten, sprang der Vampir auf die Beine, riss den immer noch halb bewusstlosen Kain mit sich und preschte nach vorne, aber schon nach nur kurzer Zeit musste er wieder innehalten. Wo sollte er hin? Überall hatten sich die grausamen Eisriesen erhoben und kreisten ihn nun langsam aber beharrlich ein. Gehetzt sah sich Abraxas um, aber wohin er sich auch wand, der Anblick blieb überall der selbe.

In diesem Moment begann sich Kain, der bis eben noch schlaff unter Abraxas Arm gehangen hatte, wieder zu rühren. "Das Mädchen..." ,murmelte er benommen. "Sie kontrolliert sie!" Und als hätte sie nur auf diesen Satz gewartet, erscholl zeitgleich ein "Packt sie!" und die Golems versuchten sich auf sie zu stürzen.

Abraxas stieß Kain von sich. Die Giganten waren riesig, aber langsam und er konnte nur hoffen, dass dieses bisschen Zeit Kain genügen würde, sich ausreichend zu regenerieren, doch er konnte ihm bei dem, was er vorhatte nicht beschützten. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie weiter hinten Yuuryon, den einzigen Vorteil, den sie hatten, erkannt hatte und schamlos ausnutzte. Der Flussmensch schoss, wie ein gehetzter Hase zwischen den Kolossen hindurch, schlug Haken und zerrte die völlig verängstigte Tempeldienerin hinter sich her. Wenn sie dieses Tempo durchhielten, konnten sie sich vielleicht wirklich in Sicherheit bringen.

Dann war der erste Gigant heran und Abraxas hatte keine Zeit mehr sich um Andere zu kümmern. Wieder sprang er direkt auf das Eismonster zu und drückte sich von ihm ab um gleich zum nächsten zu hetzten. Das Mädchen hatte sich auf der Schulter eines der Wesen positioniert und verfolgte nun erschrocken, wie der Vampir rasend vor Zorn auf sie zuschoss. Fast war er an sie heran, als ein Brocken aus der Schulter des Golems unter ihm herausbrach. Der Sprung missglückte. Der Vampir rutschte ab. Reflexartig griff er nach den hervorstehenden Kanten im Rücken des Riesen und wollte sich nach oben ziehen, aber seine Hand schmerzte zwar nicht mehr, war aber noch immer taub und reagierte nicht entsprechend. Er griff ins Leere und stürzte nun vollends ab.

Unkontrolliert prallte er gegen die Brust des Golems, auf welchem das Mädchen sass und diesmal kam die Bewegung unheimlich schnell. Die riesigen Pranken schlossen sich um den Vampir und drückten zu. Abraxas schrie vor Qual, als sein Rückgrat zersplitterte, Augenblicklich spürte er, wie sämtlich Kraft aus ihm floss und sein Körper erschlaffte.
 

Kain gab ein entsetztes Keuchen von sich, als er sah, was mit Abraxas geschah. Instinktiv duckte er sich unter einer heran sausenden Klaue hinweg und hetzte, wie zuvor Abraxas, über die Köpfe der Golems hinweg. Aber er kam zu spät.

Noch sah er, wie sich ihm das Mädchen scheinheilig lächelnd zuwandte und gleichzeitig eine befehlende Geste machte. Neben ihr riss mit einem brüllen Kreischen der Boden auf und der Golem warf Abraxas, fast beiläufig, in das finstere Loch hinein.

"NICHT!" Wut explodierte in Kain. War er vorher schon schnell gewesen, wurde er jetzt zum körperlosen Schatten, der kreischend vor Zorn über die lebendig gewordene Natur hinüber fegte. Doch noch bevor seine Füße den Boden berührten, hatte sich dieser bereits wieder geschlossen. Abraxas war verschwunden. Verzweifelt sah Kain zu ihr hinauf, aber das Mädchen lächelte nur - kalt und erbarmungslos. "DU bestimmst, was DEINE Wahrheit ist!"

Dann war auch sie verschwunden.

Schuldig

Schuldig
 

Kain duckte sich...

Abraxas! - Der Golem grunzte zornig und hieb ein zweites Mal nach ihm, aber der Vampir war schon lange nicht mehr da.

Panisch stürzte er sich auf die Stelle, die eben noch den Freund verschlungen hatte, stampfte auf den Boden - Abraxas! - brüllte vor Zorn und hämmerte die Fäuste auf den weißen Grund.

Doch nichts half. Kein schwarzes Loch tat sich auf, kein dunkles Blut spritzte aus dem Boden. Die Ebene blieb bestehen, schimmerte weiß und kalt und hielt verborgen, was sie gefangen hatte.

Aus dem Augenwinkel heraus sah er etwas aufblitzen, rollte sich reflexartig auf die Seite und schlug nach dem Arm des Golems, der ihn hatte packen wollen. Blut spritze - aber es war nicht das Blut des Monsters sondern das Kains, der sich zwei Krallen an der steinernen Haut des Ungetüms gebrochen hatte. Der Vampir zischte ärgerlich, ignorierte die schmerzenden Nägel und griff die Steingestalt erneut an. Bevor der Schlag aber traf und er sich doch nur wieder weitere Krallen gebrochen hätte, ließ ihn ein spitzer Hilferuf herumfahren.

Karin und Yuuryon waren umzingelt und während der Flussmensch aufgrund akuter Lebensgefahr plötzlich seine männliche, heldenmütige Seite in sich entdeckte, einen Dolch gezogen hatte und damit, trotz wenigen Erfolgschancen, versuchte die Golems auf Abstand zu halten, erging sich Karin völlig in ihrer Angst, presste sich an den Rücken des Diebes, behinderte ihn dadurch noch zunehmend und schrie sich die Seele aus dem Leib.

Beides half nichts. Der Kreis wurde immer enger, die hilflosen Dolchstiche immer panischer und die schrillen Angstschreie immer höher. Der Vampir zischte einen Fluch, lies sich zur Seite fallen, wich so erneut dem schnaufenden Golem aus und preschte auf die Runde zu. Der Weg war weit, zu weit für einen Normalsterblichen um ihn in dieser kurzen Zeit zu bewältigen. Aber Kain war nicht normal - er war ein Vampir und er war verdammt wütend.

Brüllend vor Zorn stürzte er über die Steingiganten und schlüpfte unter ihnen hindurch. Eine der finsteren Gestalten verlor vor Überraschung, über die schwarze Gestalt, die da zwischen ihren Beinen, wie ein gestaltgewordener Blitz, hindurch schoss, das Gleichgewicht, machte einen unbeholfenen Ausfallschritt, prallte aber gegen einen Weiteren der Hünen und riss ihn mit sich zu Boden. Hinter Kain schepperte es laut - doch er hörte es nicht. In seinen Ohren gellten die Schreie Karins. Diese Schreie würde er ihr austreiben!

Yuuryon war nur einen winzigen Augenblick unaufmerksam, als sich Karins spitze Fingernägel erneut in seinen Oberkörper gruben und ihn erschrocken zusammenzucken ließen. Für einen ach so kleinen Moment hatte er die riesige Gestalt vor sich aus den Augen gelassen - er bezahlte diesen Fehler teuer.

Der Flussmensch sah nicht, wie der Golem zuschlug - er hörte nur ein merkwürdig krachendes Geräusch, wie von trockenen Ästen, die ihm leichtsinnigen Spiel zerbrochen wurden und gewahrte aus dem Augenwinkel heraus, wie der Dolch, den er eben noch gehalten hatte, im hohen Bogen davonflog. Verwirrt sah er auf seine Hand hinab - warum hielt er den Dolch nicht mehr? Er verstand sofort als er die grotesk abstehende, nutzlos gewordenen Gliedmaße sah - Ach deswegen - Aber erst der fahle Knochen, welcher ihn weiß und kalt aus dem offenem, blutendem Fleisch heraus provokant angrinste, ließ den Schmerz erwachen. Und er erwachte als brüllender Drache. Tausend Höllenfeuer schossen durch Yuuryons Unterarm ,kletterten als pulsierendes Übel den Oberarm hinauf und schlugen heiß und feurig verzerrend gegen Schulter, Brust und Oberkörper, ließen den ganzen Körper verbrennen. Schreiend vor Qual, fiel Yuuryon auf die Knie, riss Karin mit sich und rettet ihnen somit das Leben.

Der Golem grunzte verstimmt. Wieder hatte seine gewaltige Faust nur Luft geschlagen. Nachdenklich sah die Höllenkreatur auf das schreiende Bündel vor seinen Füßen hinab. Der Golem bestand nur aus Lehm und Stein, entsprechend langsam und träge war seine Denkweise. Der Gedanke kam langsam, aber umso länger er wartete desto klarer wurde die Idee, welche ein perfides Grinsen auf die steinerne Maske malte, sie entrückte und diabolisch verzerrte. Diesmal - würde seine Faust Fleisch zermalmen.

Karin blickte auf, sah in die bösartigen winzigen Augen der teuflischen Kreatur und erkannte darin den eben beschlossenen Gedankengang. Jetzt wagte sie nicht einmal mehr zu schreien. Das Mädchen schloss die Augen und versuchte sich auf den kurzen Moment des Schmerzes vorzubereiten, dem sofort eine alles verschlingende Dunkelheit folgen würde.

Die gewaltige Klaue sauste hinab - es war vorbei - und das Mädchen fühlte sich hinfort gerissen.

Doch der erwartete Schmerz blieb aus.

Verwirrt öffnete Karin die Augen und schrie erschrocken auf, als sie die wüsten Steinfiguren unter sich hinwegrauschen sah.

"Sei ruhig!", schrie Kain. "Ich lass dich sonst fallen!" Sofort war das Mädchen still. Ihr Glück, der Vampir hätte sie wirklich losgelassen, wenn sie ihm weiter die Ohren vollgeheult hätte. Es genügte schon, dass er heldenhaft in den Kreis der Steinernen gesprungen war und nicht nur Yuuryon sondern auch diese Göre gerettet hatte. Sah ihm gar nicht ähnlich. Aber generell musste sich Kain sowieso schon genug konzentrieren, mit jeweils einem Gewicht unter den Armen im wilden Galopp über die Giganten nicht doch einen Fehltritt zu machen, der möglicherweise der letzte seines Lebens sein konnte, da durfte man ihm nicht noch die Ohren zum Springen bringen.

Rücksichtslos presste Kain die beiden Gefährten an sich - Yuuryon wimmerte leise - erreichte endlich den Letzten der Steinernen, sprang zu Boden und lief was die Beine hergaben den Ungetümen davon.

- Wo war nur Abraxas? -
 

Genau das fragte sich der in diesem Moment auch. Großartig veränderte hatte sich die Umgebung nicht, sie war immer noch weiß, aber über sich konnte er nun die Ausläufe einer kristallenen Kuppel erkennen - die Weite war also verschwunden. Das war aber auch alles. Wo war er nur?

Das aber war nur eine von vielen Fragen, die dem Vampir durch den Kopf schwirrten. Viele Gedanken, aber nicht alle von gleicher Bedeutsamkeit. Ganz an erster Stelle stand der Schmerz und dieses dumpfe, pulsierende mehr als nur unangenehme Gefühl, welches man vielmehr als dauerhaft quälenden Zustand denn als Gedanken bezeichnen konnte, beherrschte alles andere, drängte die wichtigeren Fragen zurück, lies sie klein und unwichtig erscheinen und erhob sich zum größten und grausamsten aller gedankenbestimmenden Übel.

Abraxas versuchte sich zu bewegen - es gelang ihm nicht. Sein Körper fühlte sich taub an, tot - wie auch sein Geist - und doch jagte bei jedem Atemzug feurige Pein durch seinen gebrochenen Körper, ließ ihn erzittern und bei jeder noch so winzigen Erschütterung kamen neue Wellen der flammenden Qual. Es hörte nicht auf.

Wie hatte er nur so dumm sein können - So einfältig? Natürlich... Das war die Strafe, dass er sich von einer Frau - keiner Frau, einer pupertierenden Göre - derart hatte an der Nase herumführen lassen. Es geschah ihm nur Recht, hätte Kain jetzt wohl gesagt.

"Und damit würde er die Wahrheit sprechen", kicherte es höhnisch irgendwo links von Abraxas.

Die Augen des Vampirs waren geschlossen, aber selbst wen sie offen gewesen wären, wäre er nicht in der Lage gewesen den Kopf so zu drehen, dass er den Besitzer der Stimme sehen könnte. Das brauchte er aber auch nicht. Ohne dass er sie sah, wusste er wem die Laute gehörte - erkannte sie sofort an dem leisen Glockenklingeln, der gesprochenen Worte und dem ewig höhnischen Lächeln, welches sich sogar in ihrer Stimme niederschlug.

Das Mädchen hatte ihm bereits im Vollbesitz seiner Kräfte Angst eingejagt, nun aber da er plötzlich erkennen musste, dass er hilflos und ihr vollkommen ausgeliefert war, wandelte sich diese Angst in nackte Panik. Wie absurd. Sie war nur ein Mädchen - ein dummes Kind, dass sich zu weit von der Mutter Rockzipfel entfernt hatte. Möglich, möglich und doch war es dieses Kind, dass seine Schicksalsfäden im Moment in der Hand hielt. Nur ein Kind, aber Abraxas wusste zu was für grausamen Dingen gerade Kinder zuweilen fähig waren und dieser Umstand gefiel ihm überhaupt nicht.

Plötzlich hörte er wie das Mädchen begann langsam um ihn herum zu wanderen. Zaghaft öffnete er die Augen und war erstaunt über den nachdenklichen Gesichtsausdruck, mit dem sie ihn bedachte. Schließlich blieb sie stehen, nah bei ihm, so dass sie auch der verletzte Vampir problemlos sehen konnte. Nachdenklich sah sie auf ihn herab, wiegte den Kopf leicht hin und her und schwieg. Abraxas schwieg ebenfalls. Er wagte nicht die Fragen zu stellen, die ihn auf der Seele brannten, wagte nicht seiner Wut auf sie, vor allem aber auf sich selbst Ausdruck zu verleihen, aus Furcht vor ihrer möglichen Reaktion.

Warum hatte er eigentlich Angst? Wovor? Wovor sollte er sich denn noch fürchten? Vor dem Tod? Sicher das Mädchen war durchaus in der Lage in jetzt umzubringen, wenn sie es denn wollte. Er konnte ihr nichts entgegen setzten. Jeder unbedeutende Mensch hätte sich jetzt seiner entledigen können - jeder. Aber das war es nicht. Abraxas hatte keine Angst vor dem Tod. Der Gedanke, dass alles enden könnte und eines Tages, möglicherweise heute auch enden würde, hatte nichts Erschreckendes an sich. Vielmehr erschien es ihm als Trost, dass diese unsagbare Leere, dieses schwarze Loch in seiner Brust, dass ihn wie magisch anzog und in das er drohte hineinzustürzen auch nicht für immer existieren würde. Dann wenn alles andere ausgelöscht wurde, würde auch dies verschwinden - dann würde er endlich seinen Frieden finden. Alles würde sich im Nichts vereinen und bedeutungslos werden. Nein, davor fürchtete sich Abraxas nicht - er sehnte den Tag herbei, an dem endlich alles verschwinden würde.

Aber noch war es nicht zu Ende, noch war es nicht vorbei und vor dem, was vor dem Nichts kam - davor hatte er Angst.

Angst vor der Qual, den Schmerzen.

Manche mochten sagen, dass, wenn einmal ein gewisser Grad an psychischen Leid erreicht war, wenn die eigene Seele kurz davor stand zu zerspringen, körperlicher Schmerz bedeutungslos wurde. Abraxas sah das anders. Wenn alles in einem erstarrt war, so dass niemand mehr in der Lage war durch diese stählerne Mauer zu dringen, dann erst konnte man lernen, was wirkliche Qual war. Und Abraxas fürchtete sich davor, wie vor nichts anderem. Er hatte schon genug gelitten.

Deswegen schwieg er, schwieg um nicht ihren kindlichen Zorn zu erwecken.

"Ich verstehe es nicht", riss sie ihn plötzlich aus seinen Gedanken, ließ sich in die Hocke sinken und strich ihm die Haare aus dem Gesicht, welche sich störrisch über seine Augen gelegt hatten.

"Was verstehst du nicht?",wollte Abraxas wissen und erschrak über den müden und abgekämpften Klang der eigenen Stimme. Es schien als würde er sich selbst von ganz weit weg hören, als wäre er nur noch ein unbeteiligter Zuhörers eines Szenarios, das ihn nicht interessierte. Das Mädchen musste den veränderten Klang wohl auch wahrgenommen haben, den ein spöttisches Lächeln legte sich über die ansonst so ernsten Züge. "Dein Körper ist zertrümmert",stellte sie sachlich fest. "Du bist mir vollkommen hilflos ausgeliefert."

"Ja... Wenn du mich töten willst, hast du jetzt die Gelegenheit dazu.",sagte Abraxas leise. "Aber du solltest dich beeilen. Kain wird sicher kommen, um mich zu retten."

Das Mädchen lachte. "Kain, ja... der wird kommen. Das steht ganz außer Frage. Siehst du? Und das verstehe ich nicht." Langsam richtete sie sich auf. Auf einmal hatten ihre Bewegungen jede Geschmeidigkeit verloren, jede Eleganz - sie wirkte nur noch unheimlich müde und erschöpft. "Du nutzt ihn aus!"

Abraxas schwieg. Was sollte er auch antworten, wenn sie von Dingen sprach, die offensichtlich waren.

"Und trotzdem wird er kommen. Obwohl er spätestens nachdem ich mit ihm gesprochen habe wissen muss, wie du wirklich über ihn denkst.",sagte sie bitter und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Und obwohl er das weiß, hat er mich ohne zu zögern zurückgewiesen, als ich ihn bat dich zu vernichten. Und er ist nicht der einzige!"

Plötzlich war sie über Abraxas. Der Vampir stöhnte gequält auf, als sich ihr Gewicht auf seine gebrochenen Rippen lagerte. Sie bemerkte es, aber anstatt ihm Erleichterung zu verschaffen und von ihm runter zu gehen, stützte sie sich derart auf ihn, dass der Druck auf seinen Brustkorb noch zunahm. "Erbärmlich",kommentierte sie und musterte angewidert den verletzten Vampir. "Du bist erbärmlich! Ich habe gedacht, wenn ich endlich vor dir stehe, wenn ich dich versuche zu bezwingen, dann würde ich verstehen, was dich ausmacht. Aber ich verstehe nichts. An dir ist nichts Besonderes. Du unterscheidest dich überhaupt nicht von jedem anderen dummen Vampir. Warum also? Woran liegt es dann?"

Abraxas war verwirrt. Er verstand immer weniger wovon sie sprach. Was wollte sie denn eigentlich? Und woher kannte sie ihn? Das Mädchen erhob sich und augenblickliche verschwand der mörderische Druck auf seinem Oberkörper und Abraxas bemerkte endlich, dass die Schmerzen allgemein nachließen. Sein Körper begann zu heilen. Sie bemerkte es nicht. Aufgebracht lief sie neben Abraxas hin und her, die Arme vor dem Körper verschränkt, die schönen Haare wehten im eiskalten Wind hinter ihr her. Und wieder erschien sie ihm vertraut und nah, als müsste er wissen um wen es sich bei ihr handelte - aber die Angst blieb.

"Eigentlich ist es egal",stellte sie lächelnd fest, blieb stehen und sah mit einem eigentümlichen Lächeln auf Abraxas hinab. "Ich muss es nicht verstehen. Was es auch ist, es wird mit dir verschwinden. Ich muss dich nur töten und alles ist vorbei."

"Warum willst du mich töten?", wollte der Vampir wissen. "Ich kenne dich überhaupt nicht! Ich habe dir nichts getan."

Ein trockenes Lachen brach über die schönen Lippen. "Nichts getan? Halte mich nicht zum Narren! Du bist doch an allem Schuld! Nur du!"

Langsam fühlte sich Abraxas wieder stark genug, dass er sich hätte aufrichten können. Trotzdem tat er es nicht. Das Mädchen musste nicht wissen, dass er nicht mehr so hilflos war, wie sie annahm. Sie glaubte, dass sie ihn töten konnte? Im Moment schon noch, aber nicht mehr lange und bis dahin musste er Zeit schinden. "Woran trage ich die Schuld? Ich verstehe das nicht. Erklär es mir!",forderte er vom Boden aus - teils aus Berechnung, teils aus echter Neugier. Warum hatte dieses Mädchen solch einen Hass auf ihn?

Für einen Moment sah es so aus, als wolle sie nicht antworten. Misstrauen spiegelte sich in ihren Augen. Hatte sie gemerkt, dass ihr die Zeit davon lief? Scheinbar nicht, denn ihr Gesicht verzerrte sich auf einmal vor offenen Hass. "Du bist Schuld, dass meine Mutter mich nicht liebt!"
 

Kain setzte seine beiden Gefährten ab. Die Steingestalten waren verschwunden. Er hatte sie weit hinter sich gelassen, war gerannt und gerannt, bis nichts mehr von ihnen zu sehen gewesen war. Aber jetzt war er am Ende seiner Kräfte angekommen. Erschöpft von dem Marathonlauf ließ er sich auf die Seite fallen und schnappte atemlos nach Luft. Aber ihm blieb nicht lange Zeit, sich zu erholen. Neben ihm hörte er Yuuryon leise stöhnen und jetzt nahm er auch den stechende Blutgeruch wahr, den der Flussmensch verströmte. Verwirrt richtete sich Kain auf, richtete seinen Blick auf Yuuryon.

Der Dieb begegnete seinem Blick hilflos. Er schien starke Schmerzen zu haben. Stumme Tränen rannen seine Wangen hinab. Trotzdem war sein Blick klar. Die Angst gestattete seinem Verstand nicht, sich einfach zurückzuziehen. Er zitterte leicht. Das Hemd, an das er die verletzte Hand presste, war blutgetränkt. Kain konnte nichts erkennen, da er die Linke darüber hielt, wohl um das dunkle Blut, welches immer noch sacht zwischen seinen Fingern herab tropfte, zurückzuhalten. Sanft beugte sich Kain zu Yuuryon, zog den linken Arm sacht beiseite. Der Flussmensch ließ es widerstandslos geschehen.

Was darunter zum Vorschein kam ließ Kain erschrocken zusammen zucken, und entlockte Karin einen angewiderten Schrei. Dann drehte sie sich auch schon hastig weg und übergab sich hustend.

Yuuryons Handgelenk war zersplittert. Seine Hand stand in einem unmöglichen Winkel zum eigentlichen Unterarm. An der Bruchstelle lugte weiß und fahl der Knochen hervor, Fleisch und Sehnen waren zerrissen, hingen in Fetzten herab und immer noch strömte schillerndes Blut aus der Wunde.

Kain war ratlos. Er wusste nicht, was in solch einer Situation zu unternehmen war. Wie auch, wenn bei einem selbst, sich alle Wunden von ganz allein wieder schlossen? Trotzdem wusste er, dass zu hoher Blutverlust, tödlich enden konnte - immerhin galt das ja sogar für Vampire. Außerdem musste Yuuryon sowieso noch recht geschwächt von Kains erster Attacke sein, wenn er jetzt schon wieder in diesem Maß Blut verlor...

Als hätte der Flussmensch nur auf dieses Zeichen gewartet, kippte er plötzlich vornüber, wurde aber sofort von Kain festgehalten. Der Vampir schüttelte ihn grob. "YUURYON!", rief er wütend, doch klang die Sorge um den jungen Mann deutlich aus seiner Stimme hervor. "Wag es ja nicht einzuschlafen! Hörst du? Wag das ja nicht! Ich prügle dich windelweich! Ich sag's dir!" Der Flussmensch grinste müde. Scheinbar war doch noch nicht alles verloren.

"Mädchen! Scher dich her!", rief Kain nach Karin, aber die Tempeldienerin bewegte sich nicht. Nur ein Blick in Yuuryons Richtung, auf Kain, dessen Hände mittlerweile auch voller Blut waren, reichte aus um ihren Magen soweit zu strapazieren, dass er auch noch das letzte bisschen Inhalt von sich gab. Wütend sprang Kain auf die Beine - "Schlaf ja nicht ein!" - lief zu Karin und zerrte sie grob zu Yuuryon hinüber. "Wenn du kotzten musst, von mir aus! Aber hilf mir gefälligst!", herrschte er sie an, griff im nächsten Moment nach dem unteren Rand ihrer Robe und riss sie mit einem harten Ruck kurz über den Knien ab.

"Was tust du!?", kreischte sie erschrocken auf und wollte nach dem Stofffetzen greifen. Kain schlug ihre Hand spielerisch zur Seite und schubste sie zu Boden. "Reg dich nicht künstlich auf!",schimpfte er, während er nebenbei Yuuryon traktierte, der schon wieder weg zu dämmern drohte. "Ich brauch' was zum Abbinden! Und so kurz sieht's eh besser aus, als vorher!" Grob riss er den Stoff in Streifen und versuchte vorsichtig Yuuryons Handgelenk abzuwinden. Prompt begann der Flussmensch wieder stärker zu weinen, aber kein Laut kam über seine Lippen. Er hielt sich tapfer. Wahrscheinlich half ihm die Anstrengung nicht zu schreien dabei nicht einzuschlafen.

Kains Hilfeversuche waren plump und ungeschickt - einen Preis für den schönsten Verband, hätte er in jedem Fall nicht bekommen - trotzdem erfüllte der merkwürdig gewickelten Stofffetzen den Dienst, zu welchem er gedacht war. Als die Blutung endlich nachließ, befestigte Kain, aus den verbliebenen Stoffstreifen, eine Schlinge um Yuuryons Hals, in die er vorsichtig seinen Arm bettete.

Kommentarlos ließ der Dieb alles über sich ergehen, starrte stupide geradeaus und begann sich langsam zu fragen, was denn eigentlich los war. Verwirrt suchte er in seinen Erinnerungen nach einer Erklärung und wurde zunehmend unruhiger als er keine Antwort finden konnte.

"He Yuu, was ist los?" Überrascht hob Yuuryon den Kopf, blinzelte Kain einen Moment lang ausdruckslos an - Wer war das gleich noch mal? Ah ja, der komische Vampir, von dem er noch nicht mal den Namen wusste - dann erinnerte er sich an die Frage, die ihm gestellt wurden war. "Ich hab Angst",antworte er kläglich.

Oh, die hatte Kain auch. Sie hatte ihn nicht mehr losgelassen, seit ihnen die Wände um die Ohren geflogen waren. Trotzdem lächelte er aufmunternd. "Brauchst du nicht. Es wird alles gut. Vertrau mir." Dann bemerkte er, dass Yuuryon zitterte. Ohne groß nachzudenken, zog er seinen Mantel aus und schlang ihn um den Flussmenschen. Er brauchte ihn ja eh nicht wirklich - sah nur schick aus. "Es wird alles gut!",wiederholte er leise und je öfter er die Worte, einer magischen Formel gleich, immer wieder aufsagte, desto mehr glaubte er auch selbst daran. Es wird alles gut...

Hinter ihm begann Karin plötzlich wieder zu schreien. Alarmiert drehte sich Kain in ihre Richtung. Für einen kurzen Augenblick setzte sein Herzschlag aus. Viel schneller als erwartet hatten die Steingestalten sie erreicht. Und kam es ihm nur so vor, oder bewegten sie sich viel rasanter als noch zu Beginn? Darüber nachzudenken ließ sich Kain keine Zeit. Hastig hob er Yuuryon auf die Arme, sprang auf die Beine und preschte davon. "Lauf",schrie er Karin noch zu, war sich aber schon nicht mehr sicher ob sie ihn noch gehört hatte.

Die Tempeldienerin hatte. Doch hätte es dieser Aufforderung nicht mehr bedurft. Bereits nachdem sie ihren ersten Schock überwunden hatte, hatte sie von ganz allein auf der Stelle kehrt gemacht und war davon gelaufen. Der Vampir war natürlich trotzdem viel schneller als sie. Hilflos musste sie mit ansehen, wie die Entfernung zwischen ihnen immer größer wurde. Panik breitete sich aus. "So warte doch", rief sie atemlos, achtete kurz nicht auf die eigenen Schritte, blieb prompt an einer winzigen Bodenerhebung hängen und schlug krachend der Länge nach hin. Sofort waren die Giganten über ihr. Sie waren schneller geworden! Diesmal würde sie niemand retten.

Das Mädchen begann zu weinen. Nein, so konnte es doch nicht enden! Nicht so schnell! Was hatte sie den getan! Nichts! Gar nichts! Das war so ungerecht!

"Lasst mich in Ruhe! Hört auf!",schluchzte sie aufgebracht. "LASST MICH IN RUHE!"

Und das Wunder geschah. Die Natur verharrte stillschweigend und wartetet.

Der Grund

Der Grund
 

Nach einiger Zeit wagte Karin wieder die Augen zu öffnen. Was sie sah erschreckte und verblüffte sie gleichermassen. Die Steingestalten standen reglos um sie herum und blickten wartend auf sie herab. In ihren Augen lag noch immer dieser tückisch böse Ausdruck, doch hatte sich dazu nun eine Art Unterwürfigkeit gesellt, die man häufig bei Sklaven vorfand, die bis aufs äußerste gedemütigt, jeder Persönlichkeit beraubt, nur noch auf die nächste Anweisung ihres Herrn warteten, um jede weitere Misshandlung möglichst zu umgehen. Genau diesen Ausdruck fand Karin nun in den Augen der Riesen und erstaunlicherweise war sie es, auf deren Wort man erwartungsvoll wartete. Verwirrt richtete sie sich auf. Als sie sich nach einiger Zeit immer noch nicht rührten, wagte Karin sich umzudrehen und nach dem Vampir zu sehen.

Kain stand in sicherem Abstand auf einer kleinen Anhöhe und verfolgte die Szene ebenso verwundert wie Karin selbst, schien aber offensichtlich nicht gewillt wieder zurückzukommen, obwohl die Gefahr scheinbar vorüber war. Wer wusste denn, ob dass nicht auch nur wieder eine neue Finte der Steinernen war? Sie hatten nur eingesehen, dass es nichts brachte sie weiter zu verfolgen. Also stellte man sich einfach mit einer Fraktion gut, in der Hoffnung, dass die Andere, nach dem “Aha-da-passiert-ja-nichts”-Gedanken, ebenfalls wieder herkommt. HA! So blöd war Kain natürlich nicht. Wenn das Mädel zerfetzt wurde, hatte er von seinem Standpunkt aus immer noch genug Zeit zu verschwinden und sollten ihm die Biester trotz allem doch wieder zu nahe kommen, hatte er ja auch noch überflüssigen Ballast auf den Armen, den er zur Not erst einmal abwerfen konnte. Egal wie, Kain würde in jedem Fall schon irgendwie durchkommen!

In seinen Armen versuchte sich Yuuryon etwas mehr in Karins Richtung zu drehen, um ebenfalls zu sehen was geschah. Es war erschreckend, wie schwach und kraftlos die Bemühungen des Flussmenschen waren, doch war Leben in seinen Augen. Scheinbar hatte er sich entschieden zu kämpfen - diesmal wenigstens - und nicht wie sonst einfach aufzugeben und davonzulaufen.

“Wieso... bewegen sie sich nicht mehr?”,fragte er leise.

Kain deutete ein ratloses Stirnrunzeln an. “Vielleicht, weil sie das Mädchen für die andere Göre halten. Man kann sie ja nur an der Kleidung unterscheiden.”

Yuuryon schwieg einen Moment lang, dachte nach - man sah ihm an, dass es ihm Mühe bereitete. Trotzdem schien sein momentaner Zustand etwas positives zu haben. Der Dieb war scheinbar zu der Überzeugung gekommen, dass seine eigene Meinung vielleicht nicht gerade unerhebliche für die Gesamt-Konflikt-Bewältigung war. Also brachte man sich in das Gespräch ein und ausnahmsweise sollte er Recht behalten. Kain, der zwar auch getrost auf eine Kundgebung Yuuryons hätte verzichten können, ließ den Flussmensch reden. Wenn er sprach, konnte er wenigstens nicht einschlafen. Und das war gut!

“Wenn unser Mädchen von den Monstern nun für deren Mädchen gehalten wird, dann kann sie sie ja vielleicht befehligen”,sprach Yuuryon das aus, was auch Kain gerade durch den Kopf schwirrte.

“Möglich? Aber denkst du ich geh’ da runter und probiere das aus?”,lachte Kain höhnisch. “Guter Witz! Ne, ne wir beide bleiben schön hier oben stehen und schauen zu was passiert. Ich finde das ist nämlich gerade die richtige Entfernung zu den Biestern.”

“Aber sie müssten doch wissen, was mit Abraxas ist”,gab Yuuryon zu bedenken. Eins zu Null für den Flussmensch. Hoher Blutverlust war für seinen Hirnkasten wohl wirklich zuträglich. Wahrscheinlich glichen sich Mangel so gegenseitig aus. Was er normalerweise eben nicht im Kopf hatte, steckte nicht in seinen Beinen - na da vielleicht auch, so schnell wie der Feigling rennen konnte - sondern floss in diesem konkreten Fall durch seine Venen.

Kain fand die Idee irgendwie lustig, dass man den Dieb vielleicht nur anstechen brauchte, wenn gerade ein guter Gedankengang vonnöten war. Konnte man ja mal ausprobieren, wenn das hier alles vorbei war.

“Ich meine”,begann Yuuryon wieder, als Kain noch immer keine Reaktion zeigte. “Sie müssten doch zumindest wissen wo das andere Mädchen hingegangen ist und da muss doch auch Abraxas sein. Und wenn nicht, dann weiß die aber wenigstens vielleicht, was das hier alles ist und... wie wir hier rauskommen.”

Zwei zu Null. Der Vampir wartete noch einen Moment lang, indem er erneut das Mädchen und die stummen Riesen musterte, dann gab er sich einen Ruck und lief auf sie zu. Erst würde das Mädchen zerrissen werden, dann Yuuryon... bis dahin war er weg.

Karin hob ratlos die Schultern, als Kain bei ihr angekommen war. Noch immer warteten die Golems auf ihren Befehl. Aber welchen sollte sie ihnen denn schon geben?

“Sag ihnen, dass sie uns zu Abraxas bringen sollen”,forderte Kain mit gedämpfter Stimme. Karin nickte zustimmend. Ja, das war wahrscheinlich das Vernünftigste. Weglaufen hatte doch keinen Zweck. Beherrscht drehte sie sich zu ihnen und formulierte ihren Wunsch. Ihre Stimme klang unruhig, doch fehlte ihr nicht die notwendige Härte und die Steinernen gehorchten. Schweigend drehten sie sich um und begannen zielgerichtet durch die weiße Ebene zu wanderen. Kain und Karin folgten ihnen.
 

“Deine Mutter?” Abraxas blinzelte verwirrt. “Wieso sollte ich daran schuld sein, dass... Ich kenne sie doch gar nicht! Ich kenne wieder dich, noch deine Mutter! Warum soll ich schuld sein?” Das Mädchen lachte bitter und machte eine wegwerfende Handbewegung. “Oh doch, du kennst sie! Kennst sie sogar besser als dir lieb sein dürfte! Und sie kennt dich! Weiß von dir. Weiß immer wo du bist und alle ihre Gedanken drehen sich immer nur um dich - nur um dich.” Beherrscht drehte sie sich wieder zu Abraxas, sah auf ihn herab. Ihre Stimme klang ruhig und ausgeglichen, doch ihre Augen waren dunkel vor Wut. “Aber du verstehst das natürlich nicht. Du verstehst nicht, wie es ist vollkommen allein zu sein. Wenn man nur noch existiert aber nicht lebt, weil einen niemand beachtet. Du verstehst mich nicht. Du - der von allen geliebt wird.”

Abraxas verstand sie tatsächlich nicht, aber langsam begann sich vor seinen Augen ein Bild zu manifestieren. Wuchs und wurde immer genauer. Mit jedem Augenblick der verstrich, wurde die Ahnung in Abraxas stärker, wurde die Ahnung zur Gewissheit. Jetzt erst fügte sich alles zusammen, ergab ein einheitliches Ganzes. Und alles passte. Ihre Art zu sprechen, das eigentümliche Lächeln, die wunderschönen schwarzen Haare, die man nicht wagte zu berühren, da man fürchtete zu erfrieren und natürlich die angsteinflößende Macht des Kindes. All das ließ nur eine mögliche Antwort zu und Abraxas schollt sich in Gedanken selbst, warum er nicht eher darauf gekommen war - so offensichtlich doch alles vor ihm lag. Wie nur, fragte er sich, war er auf den törichten Gedanken gekommen, dass er das einzige Kind Liliths war, dass es neben ihm nicht auch noch andere Kinder der Nacht geben könnte? Aber wenn sie tatsächlich Liliths Tochter war, dann musste es doch auch einen Vater geben. Wer war das? Kain konnte es ja schlecht gewesen sein, schließlich war das Mädchen trotz ihrer Macht und dem Versuch möglichst erwachsen aufzutreten, kaum älter als fünfzehn Sommer.

“Und dein Vater? Was ist mit dem?”,fragte er eine Spur zu neugierig, aber es war zu spät, als er es bemerkte. Heraus war heraus. Das Mädchen hielt einen Moment inne, verwundert über das plötzliche Interesse Abraxas, ließ sich dann aber doch nicht davon abhalten ihm ihr Leid zu klagen. Sie schien zu den Menschen zu gehören, die sich gerne in der Person der Leidenden sahen, damit andere sie dann bedauern und bemitleiden konnten.

“Mein Vater...”,meinte sie andächtig, wiegte nachdenklich den schwarzen Lockenkopf hin und her, als müsse sie erst überlegen, wer das denn gleich noch mal gewesen war und sagte dann. “Mein Vater ist ein Feigling! Er fürchtet sich vor meiner Mutter, ist meistens so weit von ihr entfernt, wie es ihm nur möglich ist und kommt nur sehr widerstrebend, wenn sie ihn ruft. Und genauso verhält es sich mit mir.” Sie lächelte abschätzend. “Ich denke nicht, dass er Angst vor mir hat, aber er hasst mich - hasst mich, weil ich ihr so ähnlich bin, weil wir Beide in seinen Augen missratene Geschöpfe sind.” Wieder lachte sie, aber es war ein raues, kehliges Lachen, welches jeder Freude abspenstig geworden war und nur noch vorgab ein Lachen zu sein. “Außerdem hat er ja meine Schwester, der er seine ganze Liebe schenken kann.” Abraxas horchte auf. Konnte es sein, dass... Obwohl er nichts gesagt hatte, schien sie seine Gedanken erraten zu haben und nickte zustimmend. “Ja, du denkst ganz richtig. Karin, wer sonst. Sie weiß nicht, wer ich bin. Genauso wenig, wie sie weiß was das alles hier zu bedeuten hat. Sie weiß nicht, wer sie ist und woher sie stammt. Besser so, macht- und nutzlos, wie sie ist, ist sie eh zu nichts zu gebrauchen. Karin kann von Glück sprechen, dass sie überhaupt noch lebt.” Kurz hielt sie inne. Ein nachdenklicher Ausdruck lag auf den kalten Zügen der jungen Schönheit “Aber... obwohl sie so absolut wertlos ist, liebt er sie - Und mich nicht, obwohl ich so viel besser bin!” Verächtlich spuckte sie aus. Abraxas wusste nicht, wo sie ihn hergeholt hatte, aber plötzlich hielt sie einen Dolch in der Hand, der entgegen der Schneidrichtung scharfe Zacken besass. Wunden die damit zugefügt wurden, mussten wüst ausgefranst sein und fürchterlich schmerzen.

“Aber weißt du... Wenn ich dich töte und ihr deinen verstümmelten, hässlichen Leichnam vor die Füße werfe, dann wird sich alles ändern. Dann wird endlich alles anders sein.” Der Vampir versuchte den dicken Klos in seinem Hals herunterzuschlucken, doch dieser rührte sich keinen Millimeter weit. “Das ist doch Wahnwitz”,sagte er, um eine möglichst gleichmütige Stimme bemüht, welche die schon wieder erwachende Angst in ihm jedoch nicht vollends verdecken konnte. “Wenn es stimmt was du sagst und dein Mutter -Lilith...” Das Mädchen widersprach nicht, als er ihren Namen nannte, also hatte er richtig geraten. “Wenn ich ihr angeblich wirklich so wichtig bin, dann kannst du doch nicht glauben, dass sie DICH liebt, wenn du DU mich umbringst! Das kann doch nicht dein Ernst sein!”

Wieder lachte sie leise. “Nein, lieben sicherlich nicht. Aber alles ist besser als diese ständige Ignoranz. Wenn ich dich töte, wird sie mich hassen und verfluchen. Das ist mir klar.” Stolz hob sie den Blick. “Aber wenn Zorn die einzige Regung ist, die ich ihr entlocken kann, soll es mir recht sein. Denn alles ist besser, als gar nicht bemerkt zu werden.” Mit diesen Worten war das Gespräch beendet und der mörderische Dolch zielte auf Abraxas. Der vermeintliche wehrlose Vampir hatte mit dieser Bewegung aber bereits gerechnet, rollte sich instinktiv zur Seite und sprang in einer nach außen hin fließenden Bewegung auf die Beine. Abraxas hörte wie seine eben erst verheilten Knochen unter der neuen Anstrengung ächzten. Für einen Moment glaubte er, dass sie wieder brechen würden, sah sich aber im nächsten Augenblick bereits getäuscht. Sein Körper war leistungsfähig, wie eh und je. Nur ein leises schmerzhaftes Pochen zeugte noch von den schweren Verletzung, die bis vor kurzen ihn ihm gastiert hatten.

Achtlos verbannte er alle störenden Elemente in die hinterste Ecke seines Geistes und widmete sich ganz dem Gegner vor ihm. Das Mädchen musterte ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Faszination.

“Warum...”

“Zu lange geredet!”,unterbrach er sie und schoss ohne Vorwarnung auf das Mädchen zu. Reflexartig ließ sie sich nach unten fallen, aber der Vampir hatte diese Bewegung vorausgesehen und setzte sofort nach. Seine Krallen hätten ihr hübsches Gesicht zerfetzt, wenn sie nicht geistesgegenwärtig den grausamen Dolch nach oben gerissen hätte. Die scharfe Klinge schnitt eine blutige Wunde in Abraxas’ innere Handfläche, grub sich bis auf den blanken Knochen in das weiche Fleisch. Brüllend, weniger vor Schmerz, denn vor lodernden Zorn, packte er sie an den Haaren und schleuderte sie brutal von sich. Das Mädchen überschlug sich schreiend und schlitterte über den weißen Boden. Ächzend richtete sie sich auf. Ihre dünne Kleidung hing in Fetzen herab. Aber schon sah sie den Vampir wieder auf sich zustürmen. Blitzschnell ließ sie den Dolch fallen, riss die Arme nach oben und spreizte die Finger. “LJOD!” Hinter ihr riss der Boden auf. Eiskristalle schossen aus dem Boden an ihr vorbei, auf Abraxas zu. Kurz vor ihm zersplitterten sie in abertausend winzige Stückchen, die mit wahnsinniger Geschwindigkeit auf ihn zu rasten. Ausweichen war unmöglich. Abraxas stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus, als die winzigen Kristalle nicht nur seine Kleidung und die darunter liegende Haut zerrissen, sondern auch in die empfindlichen Augen eindrangen und ihm jegliche Sicht zerstörten. Blut rann über seine Wangen, als er weinend versuchte die teuflischen Splitter aus seinen Augen zu reiben. Das machte es aber nur noch schlimmer. Unterdessen zischte um ihn herum noch immer der wilde Eissturm. Aber blind, wie er war, konnte er noch nicht einmal diesem Angriff entgehen, geschweige denn sagen, wo das Mädchen war. Theoretisch hätte er sie spüren können, aber dafür musste er sich wenigstens etwas konzentrieren und das war ihm einfach nicht möglich, solange die Eiskristalle noch, wie ein Schwarm wildgewordener Stechmücken, auf ihn einstürmten.

Die Verursacherin des Ganzen schlenderte nah bei ihm herum, schweigend und nachdenklich. Für den Moment hatte sie Abraxas unter Kontrolle. Der Eissturm hielt ihn gefangen und machte ihm jegliche Aktion von vornherein unmöglich. Ebenso war es aber auch ihr nicht möglich an ihn heran zu kommen. Und das musste sie wohl oder übel, wenn sie ihn töten wollte. Die Eiskristalle waren lästig und sehr schmerzhaft, für einen Vampir aber praktisch ungefährlich.

Das Mädchen machte sich nichts vor. Sie war mächtig, ohne Frage. Aber dem Vampir war sie unterlegen. Bevor sie einen entsprechend starken Zauber gewoben hatte, mit dem sie ihn sofort beseitigen konnte, hätte der Vampir ihr schon das Genick gebrochen. Rohe Körperkraft siegte eben leider über intelligente Magie. Und solange sie noch den Sturm aufrecht hielt konnte sie eh keinen neuen Angriff starten. Ein echter Magier müsste man eben sein.

Nun, aber ein wirkliches Problem war das auch nicht. Feuer bekämpfte man am besten mit Feuer. Sie musste nur die Golems wieder zu sich rufen und diese waren stark genug um den Vampir zu bändigen. Das hatte sie ja bereits gesehen. Zufrieden lächelnd drehte sie sich zu den schillernden Wänden, die sie beide einschlossen.

Das Mädchen hatte zuvor eine Kristallkuppel um sie gesponnen, damit niemand zu ihnen durchdringen konnte und sie nicht gestört wurde. Zufrieden lächelnd spürte sie, dass auf der anderen Seite bereits ihre Untergebenen warteten. Nun musste sie nur noch die Trennwände verschwinden lassen und um den Vampir war es geschehen.

Leise schnipste sie mit den Fingern der rechten Hand. Die Wände stürzten ein und Kain sprang, die Hände schützend vor dem Gesicht haltend durch den Splitterregen hindurch, auf das Mädchen zu und riss sie zu Boden. “Danke, dass du mir Arbeit abgenommen hast. Ich wollte die Wände gerade einschlagen.” Das Mädchen zischte wütend, als Kains spitze Krallen dünne Blutrinnsale auf der weißen Haut ihrer gestreckten Kehle rissen. “Na, wenn ich du wäre, würde ich nicht versuchen aufzustehen”, grinste der Vampir schadenfroh, verstärkte aber zeitgleich seinen Druck auf ihren Hals. Dann wurde er ernst, als sein Blick zu Abraxas schweifte. Der Eissturm war im selben Augenblick verschwunden, wie Kain sie niedergeschlagen hatte, aber der Schaden, den er angerichtet hatte, war verheerend. Der blauhaarige Vampir kniete auf dem Boden und hielt sich weinend das blutverschmierte Gesicht. Kain konnte nicht erkennen, wie es unter seinen Handflächen aussah, aber das musste er nicht. Er spürte was Abraxas passiert war und ihm tat es fast genauso weh.

Da Kain für einen Moment abgelenkt war, wagte es die Schwarzhaarige zaghaft ihren Kopf zu drehen und nach den Steingestalten zu sehen. Und tatsächlich da waren sie auch, standen reglos auf der weißen Ebene und starrten sie ausdruckslos an. Warum zum Teufel kamen sie denn nur nicht? Ihr schien es, als würde ihr Herzschlag für einen Augenblick aussetzten als sie den Grund erkannte. Erst wurde ihr wahnsinnig kalt - ein grausames Zittern ergriff von ihren Gliedern Besitz. Dann begannen sich siedend heiße Schlangen in ihrer Magengegend zu bewegen. Ringelten und kräuselten sich, krochen durch ihre Adern nach oben und verbrannten sie von innen.

“DU!”,kreischte sie voll ohnmächtigem Hass, als sie Karin erblickte, die verängstigt neben einem der Riesen stand und den Flussmensch stützte. Ungeachtet der Tatsache, dass Kain noch immer auf ihr sass, richtete sie sich auf. Nur kurz registrierte sie ein leichtes Zwicken, als Kains Krallen weit über den schlanken Hals kratzen und ihn blutig rissen. Aber das war nichts gegen diese brennende Qual in ihrem Inneren, diesen Hass und dem Zorn, der sie von innen heraus verbrannte. Diese kleine Schlampe, wer sonst? Diese billige Hure! Was wagte es diese wertlose Ding sich einzumischen, ihre Legionen zu befehligen und ihre Macht in Frage zu stellen? Das Mädchen hob den Arm, richtete ihn auf Karin. Nur beiläufig registrierte sie, wie Kain selbigen versuchte nach unten zu drücken und überrascht losließ, als er ihr nichts entgegen setzten konnte. Jaja nur keine Eile. Kain kam auch noch an die Reihe, er sollte sich nur gedulden. Erst musste das Flittchen verschwinden.

Ein hämisches Lächeln zog über die schönen Lippen - Alles würde sich ändern - und klirrende Kälte brach aus ihren Fingerkuppen, bäumte sich auf, wurde zum reflektierenden Kaleidoskop, bildete immer wieder neue Bilder und stürmte als lebendig geworden Wunschgestalt auf Karin und Yuuryon zu. War es ein galoppierendes Pferd, ein brüllender Löwe, ein mörderischer Drachen? Was es auch war. Welch Wundergestalt von ihr auch immer erweckt wurden war - es war gleich. In der brennenden Feuergarbe, die mit einem Mal auf der gesamten weißen Ebene herniederging, vergingen sie alle, kreischten noch ein letzes ohnmächtiges Mal ihren hassverzerrten Schrei und ergaben sich letztendlich in ihrem Schicksal. Innerhalb weniger Wimpernschläge zerflossen die wechselnden Eisfiguren, wurden auch die Steineren weich und matschig. Sie schmolzen, verdarben, wie Obst, dass man zulange in die Sonne gelegt hatte und bald zeugten nur noch einige wenige schmutzige Pfützen aus Lehm und Wasser von der Existenz der ehemalig diabolischen Gefahren.

Das Feuer verschwand so schnell, wie es gekommen war. Eigenartigerweise, war niemand außer den Schattengeschöpfen von den sengenden Flammen getroffen wurden. Als die letzten Funken verglüht waren, ließ Velcon von Ismena seine Hände sinken und seufzte leise:”Lelis... Es ist gut jetzt.”

Neben ihm hob Shantel den Arm und winkte Kain zu. “Tut mir leid, dass wir so spät sind.”

Wenn etwas zerbricht...

Nur ein ganz kurzes Vorwort.

Die liebe inho hat ein Fanart zu meiner FF gemalt, was ich euch natürlich auf keinen Fall vorenthalten will.

Schaut euch es unbedingt an und hinterlast ihr vielleicht einen Kommi! Sie freut sich sicher!

http://animexx.4players.de/fanarts/output/?fa=711643&sort=zeichner
 

Und nun viel Spaß mit dem nächsten Kapitel
 

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Wenn etwas zerbricht
 

Auf der weißen Ebene war ein fassungsloses Schweigen eingetreten. Alle Augen richtete sich auf den Magier, der hochaufgerichtet, wie ein schwarzer Riese, der Gruppe gegenüberstand und das Mädchen - Lelis ernst musterte. Sie begegnete seinem Blick gelassen. Doch war es nur Einbildung oder zuckten die dunklen Augen ab und zu vor kaum noch zurückgehaltenen Zorn?

Erst ein leises Stöhnen Abraxas’ löste die Anspannung, die auf allen Anwesenden lag und ließ Shantel hastig zu ihrem Geliebten eilen. Velcon sah ihr ausdruckslos hinterher. Fast wollte er den Arm heben und sie zurückhalten, sie zwingen bei ihm zu bleiben, unterließ es dann aber doch. Nach außen war es nicht zu sehen, aber in ihm krampfte sich etwas schmerzhaft zusammen, als sich der liebliche Engel neben die dunkle Gestalt kniete. Er war es also - nur ER. Wie immer. Der Magier lächelte bitter und schüttelte den Gedanken ab. Wie hatte er auch glauben, hoffen können, dass...

Der Vampir kniete immer noch auf dem Boden. In seinen zerfetzten Augen glitzerten die zurückgebliebenen Eissplitter und machten seinen Zellen jegliche Regeneration von vornherein unmöglich. Immer wieder schwappte Blut vermischt mit Tränen aus den zerrissenen Augenhöhlen. Sein gesamtes Gesicht war blutgetränkt, glänzte feucht rot und abstoßend. So, wie Abraxas aussah, fühlte er sich auch - hundeelend und derart hilflos, wie er es bis jetzt nur unter Dylan erlebt hatte. Panisch fuhr er zusammen, als ihn eine schmale Hand an der Schulter berührte. “Ich bin es, Abraxas”, hörte er eine vertraute Stimme sagen, konnte sie im ersten Moment aber nicht zuordnen. Dann aber, als sich die bekannte Wärme - das himmlische Licht, wie eine weiche alles umhüllende und beschützende Decke um seinen Körper schlang, wusste er mit wem er es zu tun hatte. Und mit diesem Erkennen verließ ihn die Angst, verließ ihn aber auch das letzte bisschen Selbstbeherrschung und er schmiegte sich mit einem erschöpften Seufzen an das geliebte Mädchen. “Shantel”, hörte man ihn fassungslos murmeln. “Shantel” und immer wieder “Shantel”. Sanft strich der Engel dem bebenden Vampir über den blauen Haarschopf, drückte ihn an sich und hielt ihn fest. “Es ist alles gut”, wisperte sie beruhigend. “Jetzt ist alles wieder in Ordnung.”

Velcon zwang sich den Blick abzuwenden. Er konnte es nicht mehr ertragen. Statt dessen setzte er sich in Bewegung. Schritt majestätisch auf Lelis zu, gefolgt von den erstaunten Blicken Kains, der zu erschüttert war um irgendetwas anderes zu tun, als nur dumm in der Gegend herumzustehen. Bevor er sie aber erreichte wurde seine Bewegung abrupt gestoppt, als sich Karin, schwer atmend vor seine Füße warf. Das Mädchen zitterte am ganzen Leib, hatte den Kopf tief zu Boden gesenkt und weinte hemmungslos. Ihr Mund öffnete und schloss sich wieder, ohne dass etwas anderes, als sinnlos blubberndes Gestammel aus ihm herauskam. Der Magier sah stumm auf sie herab. Ratlosigkeit stand in seinen Augen und es dauerte lang, bis er sich endlich nach unten beugte und das völlig aufgelöste Mädchen sanft wieder auf die Beine zog. “Es ist gut Karin”, versuchte er sie leise zu beruhigen. “Es ist gut, hör auf zu weinen.”

Es war ihr Glück, dass sie ihren Kopf noch immer gesenkt hielt und nur die sanften warmen Worte hörte und nicht den Ausdruck in Velcons Augen sah, der seine Worte sofort Lügen gestraft hätte. Nichts war gut, überhaupt nichts. Velcon wusste dies und als sich sein Blick mit dem Lelis’ kreuzte, hatte er die Gewissheit, dass auch sie es wusste. Das Mädchen schien sich gefangen zu haben. Jegliche Wut war aus ihren Augen verschwunden und um ihren Mund lag wieder nur der eiskalte überhebliche Ausdruck, den man von ihr bereits gewöhnt war. “Und nun?”, fragte sie höhnisch, wollte auf Velcon zu laufen, wurde aber im nächsten Moment von Kain festgehalten. Der Vampir war endlich aus seiner Erstarrung erwacht und nun erinnerte er sich auch wieder, welches Gefühl in ihm geherrscht hatte, bevor die brennenden Feuergarbe vom Himmel stürzte und alles verbrannte - Zorn. Und er wusste auch wieder, gegen wen sich dieser gerichtet hatte. “So nicht, Mädchen”, zischte er leise, umfing ihren schlanken Körper mit seinen langen Armen und drückte ihren schmalen Rücken fest an sein Brust. Fast zärtlich strich er die langen schwarzen Locken aus ihrem Nacken und fuhr den geschwungenen Halsrand entlang.

“Das wagst du nicht!”, stellte sie gelassen fest, schmiegte sich fast noch eine wenig mehr an den Vampir und neigte freiwillig den Kopf, so dass ihre Halsschlagader, weiß und pulsierend offen vor ihm lag. “Das wagst du nicht!”

“Ach?!”

Dann schlug er seine Zähne in ihren Nacken. Lelis schrie gellend auf. Ihre Finger krallten sich haltsuchend in Kains Unterarm. Panisch versuchte sie sich loszureißen, aber die Fänge des Vampirs, waren lang und sassen tief. Kein Entkommen in Sicht.

Velcon fuhr auf, lies Karin los, schoss auf Kain zu, ein weißer Blitz in weißer Unendlichkeit und riss das schwarze Ungeheuer von den Beinen. Lelis fühlte sich gepackt und nach vorn gerissen, direkt in Velcons Arme. Kain schleuderte es in die andere Richtung. Überrascht fing er sich ab, überschlug sich rückwärts und sprang wieder auf die Beine. Sofort drückte er sich vom Boden ab und stürzte auf Velcon zu. Der Magier hob den Arm, stoppte nur kurz vor Kains Gesicht -

“Paralysis”

- und der Vampir brach mit einem schrillen Schrei vor den Füßen Velcons zusammen. Rote Blitzen zuckten über seinen Körper. Es knisterte, blaues Licht entlud sich in funklenden Kugeln über ihm und Kain blieb stöhnend liegen, gepeinigt von tausend kleinen Nadeln, die sich alle zugleich in seinen Leib bohrten.

“Lass mich los!”, begann Lelis in diesem Moment wieder zu kreischen “Ich brauche deine Hilfe nicht!” und bevor der Magier sich vorsehen konnte, trat sie ihm voller Wucht vors Schienbein. Ächzend ließ Velcon sie los, dabei verlor er den Blickkontakt mit Kain und der Bann brach. Die schaurigen Blitze verschwanden und sofort war der Vampir wieder auf den Beinen - Zorniger den je. Velcon hatte sich noch nicht wieder gänzlich gefangen, als er die geifernde Kreatur erneut auf sich zu rasen sah, näher als zuvor. Ein boshaftes Grinsen zog sich über Kains Lippen. Es gab einen Laut, wie von einem Peitschenknall, als seine scharfen Krallen durch die Luft schlitzten. Blutiger Schaum spritze nach oben, brauner Stoff fiel in Fetzten herab, färbte sich in sekundenschnelle tief dunkelrot und Karin fiel mit einem erschöpften Seufzen zu Boden.

Stille.

Karin blinzelte müde. Um sie her war alles so dunkel, so dunkel. Was war denn nur geschehen? Eben noch, eben noch hatte sie den retten wollen, der ihr alles bedeutete. Obwohl sie nicht verstand, was er hier tat. Warum er der anderen - dem Dämon, der ihr die Gestalt geraubt hatte - half, warum er diese beschützte. Das verstand sie nicht. Würde es wohl auch nicht mehr verstehen. Nie mehr.

Es war gleich. Sie musste es nicht wissen. Er musste sie nicht beachten, musste nicht einmal wissen, dass sie überhaupt existierte. Karin wusste, dass es ihn gab und solange sie dies wusste, hatte ihr Leben einen Sinn. Ihr Leben. Und als sie das seine bedroht sah, wie leicht war es da doch gewesen, dieses wegzuwerfen. Was war schon ihr kümmerliches Licht, das von einem Moment auf dem nächsten erlöschen konnte, gegen diese strahlend schöne und doch so traurige Flamme der Ewigkeit? Wenn das der Preis war, bezahlte sie ihn gerne. Nur ein kleines Opfer für ein viel höheres Werk. Aber...

“Ich kann nichts sehen”, wisperte sie leise, kraftlos. Kain kam es einem Wunder gleich, dass sie überhaupt noch sprechen konnte bei der Verletzung, die er ihr zugefügt hatte. Der zierliche Körper, schien gar nicht groß genug für die klaffende Wunde, die sich schräg von ihrem Hals an über den Oberkörper bis zum Unterleib zog. Ratlos starrte er auf sie herab - das hatte er nicht gewollt.

“Herr”, rief sie ängstlich. Die dunklen Augen flackerten schwarz vor Furcht. “Wo seid ihr?” Und endlich sank Velcon auf die Knie - jeder Eleganz verlustig - und bettete ihren nassen, blutigen Körper in seine Arme. “Ich bin hier, Karin”, sprach er beruhigend auf sie ein und strich ihr behutsam die schwarzen Locken aus Stirn, damit sie ihn besser sehen konnte. “Ich bin ja hier.”

Da! Endlich! Die gütige Stimme, die sie so liebte und als hätte alleine der Klang genügt sah sie nun auch die schimmernd weißen Haare, die hell aus der Dunkelheit heraus strahlten, die das edel geformte Gesicht umrahmten, in welchem immer dieser eigentümlich traurige und doch so warme Ausdruck lag. “Warum weint ihr denn?” Warum weinte er denn? Wo sie doch so glücklich war ihn endlich zu sehen. Zitternd hob sie den Arm. Ach, wie schwer er doch war, so unendlich schwer. Wie müde sie sich fühlte, so unendlich müde. Ganz langsam nur schob sich die dünne Hand nach oben, ganz langsam nur berührte sie ihn an der Wange, nur kurz, streifte das wunderschöne Haar und hinterließ einen blutigen Striemen auf der makellosen Haut. Ächzend zog sie Hand zurück. Ach, jetzt hatte sie das schöne Licht befleckt. Wie immer. “Wie ungeschickt ich doch bin”, lachte sie leise. “Wie ungeschickt...”

Velcon drückte sie näher an sich. Tränen rannen sein Gesicht hinab, als er leise murmelte:“Shhht. Hör auf zu sprechen. Du darfst nicht mehr sprechen, sonst wirst du doch...” Der Magier versuchte den dicken Klos in seinem Hals hinunterzuschlucken - es gelang ihm nicht. Es gelang ihm nicht.

“Sie wird nicht mehr sprechen”, hörte er plötzlich eine dunkle Stimme von der Seite sagen. Gehetzt sah Velcon auf und begegnete dem gleichgültigen Blick Abraxas’. Getrocknetes Blut klebte auf seinem Gesicht, aber die roten Augen glänzten kalt und strahlend, wie zuvor, als wäre überhaupt nichts geschehen. Neben ihm, dicht an ihn gelehnt, stand Shantel. Sie schüttelte sacht den Kopf. “Es ist vorbei”, hörte er sie sagen, hörte aber nur die Worte, nicht ihren Sinn. Der blieb ihm verborgen. So wie auch Karin für immer verborgen bleiben würde, wer sie eigentlich wirklich war - Wie ihr immer verborgen bleiben würde, was tatsächlich geschehen war, was dies alles zu bedeuten hatte. In einem Moment war alles zerschlagen wurden - Träume, Hoffnungen, Wünsche - in abertausend winzige Splitter, die niemals wieder jemand zusammenfügen würde können. Niemals wieder.

“Mein Gott, wie theatralisch. Ist es jetzt endlich vorbei?”

Alle Anwesenden fuhren gleichzeitig herum, bis auf Velcon, der über Karins Leichnam gebeugt am Boden knien blieb. Die Schultern des Magiers bebten, aber kein Laut kam über seine Lippen.

Abraxas zischte aggressiv, als Lelis’ Blick ihn streifte. Das Mädchen wirkte geschwächt, noch immer bluteten die beiden dünnen Löcher an ihrem Hals, doch es schien nicht so, dass sie endlich bereit war aufzuhören. “Mädchen”, seufzte Kain genervt. “Hast du denn immer noch nicht genug?”

Lelis lächelte finster und wischte sich mit einer trägen Handbewegung Blut vom Hals, schaute kurz auf ihre Hand hinab und sah dann ein, wie sinnlos dieser Versuch war. Ihr Körper strotzte nur so vor Schmutz, Dreck und verkrusteten Blut, verklebten Haaren und Kleidung. Darauf kam es nun auch nicht mehr an. Das alles war egal. Es ging noch immer nur um eines.

“Mein Ziel war und ist es Abraxas zu beseitigen”, sagte sie. Beide Vampire verspannten sich. “Was kümmert mich da der Tod einer kleinen Hure? Das war doch nichts weiter als ein kleines Insekt, welches man unter dem Absatz zermalmt. Genau das selbe.”

Ohne dass es Abraxas bemerkt hatte, war Velcon aufgestanden und hatte ihm seine Hand auf die Schulter gelegt. “Rühr sie nicht an.” Abraxas horchte erstaunt auf, versuchte irgendetwas in den dunklen Augen des Magiers zu erkennen. Aber das Gesicht Velcons war verschlossen. Die Tränen waren getrocknet, Gram und Trauer verschwunden, aber auch Zorn oder Hass war nicht mehr zu sehen. Nur ein ganz kleines Zeichen von Resignation war zu erkennen. Das war aber auch alles. Durch die weißen Haare schimmerte das edel geformte Gesicht blas und fahl, wie nicht mehr von dieser Welt. Abraxas Nackenhaare stellten sich auf. Fast konnte er die Präsenz des Todes greifen, so spürbar legte sie sich um ihn. Wie eigenartig. Da stand er, der Vampir, der Untote, der vom Leben Verstoßene und fürchtete sich vor einem Lebenden. Bevor das ungute Gefühl, aber überhand nehmen und zu nackter Panik geraten konnte, ließ Velcon ihn los und das beklemmende Gefühl, der Angst verschwand.

Lelis rümpfte pikiert die Nase, als der traurige Hüne einen Schritt auf sie zumachte. Ohne dass es ihr bewusst gewesen wäre, wich sie zurück. “Du brauchst keine Angst zu haben”, hörte sich Velcon sagen. “Es ist genug. Das alles hat doch keinen Sinn mehr. Dein Plan ist gescheitert.” Doch waren es nicht seine Worte, nicht das, was er wirklich sagen wollte. Nur sein Körper, nur seine Stimme - nicht sein Geist. Aber was nützte es. Egal, was sie getan hatte. Es änderte nichts. Änderte überhaupt nichts.

Insofern hatte Lelis Recht. Karin war eine unvollkommene Gestalt gewesen. Unvollkommen, weil sie sein Erbe in sich trug und nicht das Liliths. Weil er auch nur unvollkommen war.

“Was schaust du so betrübt?”, fragte Lelis hämisch.

Aber...

“Doch nicht etwa wegen diesem dummen Weib? Bitte, wo bleibt dein Stolz?”

...was war denn besser? Unvollkommenheit oder Perfektion?

“Um die ist es ja nun wirklich nicht schade.”

Perfektion um den Preis der Menschlichkeit?

“Insekt sag ich nur. Wie ein Insekt. Zum Ende bleibt nur ein hässlicher Fleck auf dem Boden.”

Das war zu viel. Die Augen des Magiers flammten hell. Der Boden bebte, brach auf. Feuer drang aus den Spalten. Wasser spülte kniehoch über die Ebene. Blitz und Donner gingen hernieder.

Ächzend versuchte Lelis Velcons Hand wegzudrücken, deren stählerner Griff um ihren schlanken Hals lag und ihr kontinuierlich die Luft abschnürte.

Kain grinste schadenfroh - “Aha, so geht’s also zu Ende” - und wurde im nächsten Moment, wie alle anderen von einem eisigen Windstoß von den Beinen gerissen.

Wage es nicht!, donnerte eine Stimme über die Ebene und Velcon ließ Lelis los. Weinend warf er sich auf die Knie. Angst, Verzweiflung und Trauer waren sofort wieder da, überrannten ihn tobend, wie ein wildgewordener Stier, und machten ihn dem Erdboden gleich. Der überwältigenden Präsenz Liliths, die auch Kain und Abraxas nur zu gut kannten, konnte er nichts, aber auch gar nichts entgegen setzten. Die dunkle Hexe hatte gesprochen und ihr Wort war Gesetz. Niemand konnte sich ihm widersetzen. Niemand und Velcon schon gar nicht. So fügte er sich, fügte sich er sich dem gewaltigen Strudel. Ergab sich - jetzt da dem Ertrinkenden auch das letzte Stück Treibholz, an dem er sich hätte festhalten können, genommen war. Er konnte nur untergehen.

Lelis hatte unterdessen ihre alte Überheblichkeit wiedergewonnen. Der Schrecken über Velcons plötzlichen Angriff war bereits wieder verschwunden. Lässig stemmte sie die Arme in die Seite und sah mit gelangweiltem Interesse zu der kleinen Gruppe, die eben im Begriff war, sich wieder auf die Beine zu rappeln, hinüber. “Ihr habt Glück”, gab sie mit einem missmutigen Gesichtausdruck bekannt. “Meine Mutter hat mir verboten euch erneut anzugreifen. Ich soll euch gehen lassen.”

Skeptisch hob Abraxas eine Augenbraue “Ach?” Aber das Mädchen lächelte nur bösartig. “Ja, die Jammergestalt dort bringt euch nach draußen”, lachte sie mit einem Kopfnicken zu Velcon hin. Dann war sie verschwunden.

Kain schnappte entgeistert nach Luft. “Was soll das?”, ereiferte er sich. “Erst spielt sie hier den großen bösen Dämon und dann haut sie einfach ab?” Der blauhaarige Vampir konnte darauf nur mit einem müden Schulterzucken antworten. “Lass sie eben”, antwortete er knapp und verfolgte überrascht und nicht ohne Misstrauen, wie Shantel zu dem weinenden Magier lief und leise auf ihn einredete. Müde sah er sich um und stockte überrascht als er zu der Stelle kam, an der eigentlich der Körper Karins liegen sollte. Doch dort war nichts mehr. Nur blutige Flecken zeugten noch von dem traurigen Schicksal, das dem so jungen Mädchen widerfahren war und bald würden auch diese verschwunden sein und nichts würde mehr darauf deuten, dass sie jemals existiert hatte. Denn von unbedeutenden Lichtern blieb nichts zurück, wenn erst die Erinnerung verblasst war. Nichts blieb zurück und nichts ließ sich ändern. Der Vampir erschauderte bei dem Gedanken, dass es auch ihm eines Tages nicht anders ergehen könnte. Vor dem Tod selbst hatte er keine Angst, aber war es nicht vielleicht das, vor dem Shantel sich so fürchtete, dass auch von ihm nichts zurück bleiben würde? Dass auch er nur ein kleines Licht in der Unendlichkeit war, welches von den mahlenden Kräften der Ewigkeit verschlungen wurde? Unbedeutend und nichtig?

Abraxas wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Kain an ihn herantrat und ihn sacht an die Schulter stieß. Er trug Yuuryon auf den Armen. Der Flussmensch war nicht bei Bewusstsein. “Er fiebert”, erklärte Kain knapp. “Wir sollten uns beeilen und endlich von hier verschwinden.”

Abraxas nickte und lief auf Velcon zu.
 

Weiter weg auf einer kleinen Anhöhe stand Lelis und beobachtete verstimmt, wie sich die kleine Gruppe in Bewegung setzte. “Sinnlos”, kommentierte sie, als sich ein dunkler Schatten neben sie gesellte.

Lilith wiegte lächelnd den Kopf. “Nicht unbedingt, meine Kleine”, antwortete sie.

“Zweifel sind gesät, wenngleich ich Velcon jetzt wohl endgültig verloren habe.”

Aufbruch

Aufbruch
 

Es war Yuuryons Geschrei, welches Abraxas aus den Tiefen seines Geistes zurück in die Wirklichkeit holte. Noch halb im Schlaf richtete er sich auf und sah sich um. Er war wieder zurück. Über seinem Kopf entspannte sich das weite Säulengewirr der riesigen Tempelkuppel. Vor ihm stand der punkvoll verzierte Altar, doch der rote Stein, dessen Berührung die Lawine erst zum Rollen gebracht hatte, war verschwunden. Irritiert bemerkte er nicht nur, dass er in einer Lache aus Blut, wahrscheinlich dem eigenen, sass, sondern auch, dass sein Mantel von selbigen fürchterlich nass war und er stank, als hätte er sich in einer Kloake gesielt. Neben ihm lag der leblose Körper Karins. Verwirrt runzelte Abraxas die Stirn. Die Leiche war doch verschwunden gewesen? Warum war sie wieder hier? *Ich nehme an, wir waren in einer astralen Zwischenwelt. Einer Welt, die nur in unserem Kopf existiert*, mutmaßte Kain. * Es wird nur ihr Geist getötet worden sein, der Körper blieb unversehrt.* Abraxas schüttelte missbilligend den Kopf. Ehrlich gesagt konnte er den blutigen Körper der Tempeldienerin, der mittig fast gespalten war, nicht als unversehrt bezeichnen. Aber er war da. Insofern hatte Kain wohl Recht.

Mühsam versuchte er nun vollständig auf die Beine zu kommen, aber noch schienen ihn die trägen Krallen der Ohnmacht fest im Griff zu haben. Der Versuch endete in einem unkoordinierten Taumeln, welches Abraxas sofort wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. Frustriert blieb er einen Moment sitzen, versuchte Klarheit in das wirbelnde Chaos hinter seiner Stirn zu bringen und wagte es dann erneut aufzustehen. Sofort, nachdem er wieder auf den Beinen stand, drohte ihm der Boden unter den Füßen wegzurutschen und Übelkeit stürmte auf ihn ein. Die Farben der Umgebung erschienen ihm zu grell und unwirklich - krank und falsch. Verwirrt schüttelte Abraxas den Kopf verschlimmerte das wirbelnde Farbeninferno aber nur. Mühsam zwang er sich den Kopf still zu halten und seine Augen auf einen festen Punkt zu konzentrieren. Der Eindruck der verschobenen Realität verschob sich zunehmend, als er Velcon gewahr wurde. Der Magier stand mit dem Rücken zu ihm gewand und schien mit gebannten Interesse etwas zu beobachten, dass sich zu seinen Füßen abspielte. Sofort fiel jegliche Übelkeit von ihm ab. Der Vampir war wieder vollends klar und bahnte sich seinen Weg auf Velcon zu. Wut begann in ihm zu brodeln. Der Kerl sollte gefälligst aufhören Shantel anzustarren! Denn niemand anders kniete dort zu seinen Füßen und hantierte mit irgendetwas herum. Mit einem Satz war er heran, packte Velcon an der Schulter und zerrte ihn grob zu sich herum. Der Magier zischte bedrohlich, öffnete den Mund und schien etwas scharfes sagen zu wollen, aber Shantel schnitt ihm das Wort ab, indem sie aufsprang und sich zwischen ihn und Abraxas drängte. “Beruhigt euch!”, forderte sie zornig. Im nächsten Moment wurde ihr Blick aber bereits wieder sanft und sie lächelte Abraxas erleichtert an “Gut, dass du wieder da bist.”

Der Vampir nickte nur halbherzig. Sein Blick war noch immer auf Velcons Gesicht geheftet und der Magier erwidert ihn nicht weniger grimmig. Dann aber schlug Velcon die Augen nieder und deutete nach unten. “Kannst dich ja gleich nützlich machen”, knurrte er säuerlich. Abraxas folgte seinem Blick und bemerkte erst jetzt Yuuryon, der zitternd auf dem Boden kniete und ängstlich zu ihnen aufsah.

Der Flussmensch bot einen entsetzlichen Anblick. Er war über und über mit Blut beschmiert und der offene Bruch hatte zu nässen und eitern begonnen. Shantel beugte sich zu ihm herab und versuchte ihn sanft an der Schulter zu berühren, aber Yuuryon wich sofort vor ihr zurück, rutschte auf dem Hintern ein Stück über die nackten Fließen und blieb bebend vor Angst hocken. Hilflos hob Shantel die Schulter und ließ sie wieder sinken. “So geht das schon die ganze Zeit. Er lässt uns einfach nicht an sich heran. Dabei will ich ihm nur helfen.”

Abraxas runzelte nachdenklich die Stirn. “Kannst du ihn nicht einfach bewegungsunfähig machen, wie du’s mit Kain getan hast?”, fragte er bissig in Velcons Richtung. Der Magier lächelte bösartig. “Könnte ich. Nur fürchte ich, dass er sich danach nie wieder bewegt.”

Shantel seufzte entnervt. “Halte ihn bitte einfach fest”, bat sie Abraxas und trat aus dem Weg. Der Vampir knurrte unwillig und Yuuryons Gesicht verließ auch das letzte bisschen Farbe. Grob griff er nach dem sich sträubenden Dieb, erreicht damit aber nur, dass dieser noch stärker zu zappeln begann. Abraxas sah sich das nicht lange an. Kurzentschlossen verpasste er Yuuryon eine schallende Ohrfeige, die ihn zur Besinnung bringen sollte, aber auch das half nicht im Geringsten. Der Flussmensch begann nur noch stärker zu weinen.

“Wunderbar”, kommentierte Velcon. “Traktiere ihn nur noch ein wenig mehr, dann haben wir neben diesem läppischen Bruch wenigsten wirklich etwas zu tun.” Bevor Abraxas aber herumfahren und sich auf Velcon stürzen konnte, wurde sein Geist nach unten gerissen und Kain übernahm das Kommando.

“Kein Talent, überhaupt nicht”, brummte er in seinen nicht vorhandenen Bart und hockte sich vor Yuuryon. “Schau mich mal an, Yuu”,lächelte er ihm zu. Ängstlich sah der Dieb auf und stutzte. Irgendetwas in Abraxas Blick hatte sich verändert. Der Vampir schien gar nicht mehr der selbe, wie noch einen Moment zuvor, zu sein. Der kurze Augenblick der Verwirrung genügte Kain. Entschlossen griff er zu, zog Yuuryon zu sich, drückte seinen Rücken an den eigenen Oberkörper und hielt ihn fest. Der Flussmensch schrie gequält auf und versuchte sich zu befreien, aber Kain ließ ihn nicht gehen. Ruhig hielt er ihm den Mund zu und zugleich die unverletzte Hand fest. “Beruhige dich Yuu”, sagte Kain leise, in einem Ton, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen, dem man die Angst vor dem, Dunkeln nehmen wollte. “Ich weiß, dass das weh tut. Aber nachher wird es dir besser gehen.”

Es war ungewiss ob Yuuryon den Vampir überhaupt verstanden hatte, selbst wenn wehrte er sich immer noch nach Kräften, an deren Ende er aber schon fast angekommen war. Die Anstrengungen der letzten Stunden waren nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Aber Kain hielt ihn fest, ließ ihn nicht gehen und langsam erloschen die hilflosen Versuche Yuuryons.

Sofort waren Velcon und Shantel an den beiden am Boden sitzen Gestalten heran. Grob griff der Magier nach Yuuryons Arm und sofort wehrte sich der Flussmensch wieder heftiger, sodass Kain alle Mühe hatte ihn zu bändigen. “Geht das nicht ein wenig sanfter?”, zischte er aufgebracht.

“Nein”, sagte Velcon und zog Yuuryons Hand im nächsten Moment wieder in die ursprünglich richtige Richtung. Kain blieb keine Zeit mehr sich weiter über Velcons brutale Methodik aufzuregen, denn er hatte sprichwörtlich alle Hände damit zu tun Yuuryon festzuhalten. Der Flussmensch weinte hemmungslos, der zierlich Körper, von Krämpfen geschüttelt, bebte in Kains Armen. Aber er hielt ihn fest, ließ ihn nicht los. “Shht, es wird alles gut”, wisperte Kain leise, sodass ihn nur Yuuryon verstehen konnte. “Es wird alles gut.”
 

Abraxas lehnte verstimmt an einer der Tempelsäulen und beobachtete argwöhnisch wie Shantel und Velcon die letzten Handgriffe an Yuuryons Verletzung tätigten. Der Flussmensch hatte sich endlich beruhigt, nachdem er das Schlimmste überstanden und Velcon einen Eiszauber gewirkt hatte, der die größten Schmerzen linderte.

In sich drin hörte er Kain leise rumoren, aber trotzig wehrte er sich dagegen dessen Entschuldigungen zu hören. Er würde ihn noch ein wenig länger auf der untersten Geistesebene gefangen halten, was fiel Kain auch ein, ihn einfach zu verdrängen? Das hatte er sich selbst eingebrockt, jetzt durfte er es auch ausbaden. Plötzlich bemerkte er, wie Velcon aufstand und sich von Shantel entfernte. Er lief auf den blutigen Leichnam Karins zu, hob ihn auf seine Arme und verlies die Kathedrale durch einen der Seitengänge. Abraxas sah ihm misstrauisch hinterher.

“Abraxas?”

Der Vampir schrie erschrocken auf und fuhr herum. Das Herz schlug ihm bis zum Hals als er Shantel erkannte. “Du”, ächzte er atemlos. Der Engel lächelte entschuldigend. “Habe ich dich erschreckt?”, wollte sie wissen, wisperte aber bereits eine Entschuldigung. Der Vampir beruhigte sich nur langsam wieder. Er selbst war erschrocken darüber, wie leicht es Shantel gelungen war ihn aus der Fassung zu bringen. Das zeigte nur, dass auch an ihm die Anstrengungen nicht unbemerkt vorübergegangen waren. Abraxas gestand es sich ungern ein, aber er war müde, erschöpft und seine Nerven lagen blank. Jedes weitere Problem hätte ihn jetzt wahrscheinlich an den Rand des Abgrund treiben können und dann war da noch...

“Wo ist dieser Velcon hingegangen?”, wollte er plötzlich wissen und fügte misstrauisch hinzu: “Was ist hier überhaupt los? Was machst du hier?”

Shantel lächelte müde. “Er wird sich von dem Mädchen verabschieden. Ihr Tod muss ihn schwer getroffen haben.” Abraxas lupfte skeptisch eine Augenbraue.

“Schau nicht so. Wie würdest du dich fühlen, wenn dir das Liebste genommen würde?” Seine Miene erstarrte zu Eis und Shantel schollt sich in Gedanken, wie sie ausgerechnet so etwas hatte sagen können. Sie wusste doch nur zu gut, dass er auch nach drei Jahren immer noch unter dem Verlust Ensyis’ litt. Der Geist seines Bruders war wie ein allgegenwärtiger Schatten der Vergangenheit, ein Albtraum und Mahnmahl zugleich, welches den Vampir vorantrieb, aber wohl niemals wieder verlassen würde. Wahrscheinlich würde er ewig mit seinen Schuldgefühlen leben müssen.

Im nächsten Moment hatte sich der Vampir wieder gefangen. Shantel sah, wie er tief schluckte, dann klärte sich sein Blick und die Augen begannen ihr wieder auf eine warme Art zuzulächeln, die nur ihr allein gehörte. Nur sie allein wusste um dieses Lächeln, denn sie war die einzige, der er es schenkte. Sie lächelte ebenfalls, griff nach seiner Hand und zog ihn mit sich. “Komm mit nach draußen. Ich will dir erklären, was geschehen ist.”

Im Vorübergehen erhaschte Abraxas einen Blick auf Yuuryon, der sich am Ende, einer der zahlreichen Säule, auf dem Boden, erschöpft zum Schlafen zusammengerollt hatte.
 

Vor dem Tempel war die Nacht bereits angebrochen. Trotzdem war die Welt in blankes Mondlicht getaucht, umrahmt vom schimmernden Glanz tausender Sterne, die sich im Wettstreit um das schönste und strahlenste Leuchten gegenseitig zu überbieten suchten, als wollten sie vergessen machen, welch trauriges Schicksal sich erst vor kurzem an diesem unheiligen Ort vollzogen hatte. Glühwürmchen tanzten über den kargen, abgeernteten Feldern, anmutig und vergänglich zugleich, ein letztes Zeichen des im Ausklingen ergriffenen Herbstes. Shantel seufzte ergriffen und atmete tief die reine Nachtluft ein und auch Abraxas vermochte es nicht vollends den stummen Zauber der nächtigen Stille abzuwehren. Anderentags hätte er sicher versucht die Gelegenheit zu nutzen und sich Shantel zu nähern, war es doch immer äußerst ungewiss, wie der wankelmütige Engel auf seine schüchternen Zärtlichkeiten reagierte, doch jetzt war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort um diese zu erproben. Zuviel war in den letzten Stunden geschehen und noch immer brannte diese kleine schwarze Flamme in ihm - jene, welche Menschen Eifersucht nannten und welche nur darauf wartete neue Nahrung zu bekommen, damit die gierigen Flammenzungen höher schlagen und sich fester in Abraxas’ Herz graben konnten.

“Nun erzähle!”, forderte er. “Was hat dich hierhergetrieben und vor allem was hast du mit diesem Velcon zu schaffen?” Die letzten Worte waren ihm in einen schärferen Ton entwichen, als er vorgehabt hatte, so dass Shantel erschrocken zusammen fuhr, doch er sah keine Notwendigkeit dafür seine Stimme zu senken. Sollte sie nur hören, wie sehr ihm ihr Handeln misshagte.

Shantel musterte ihn nachdenklich, schien verschiedene Gedanken hinter ihrer Stirn abzuwägen, dann sagte sie: “Ich kam hierher, weil ich nach dir suchte. Im Tempel traf ich aber nur auf Velcon. Du und Yuuryon lagt wie tot am Boden. Mir war sofort klar, dass Velcon etwas mit eurem Zustand zu tun haben musste, also bedrängte ich ihn so lange bis er mir die Wahrheit erzählte.”

“Und die wäre?”, fragte Abraxas patzig.

“Velcon handelte im Auftrag Lelis’. Sie und Karin sind Zwillinge und entstammen Liliths verruchten Lenden. Velcon ist der Vater. Aber das weißt du ja bereits. Karin scheint ohne jegliche Macht, als völlig normaler Mensch, geboren zu sein, weswegen sie wohl von Lilith verstoßen wurde. Velcon allerdings nahm sich ihrer an, zog sie aber nicht als seine Tochter, sondern als eine der Tempelnovizen auf. Er hoffte so ihr nahe zu sein, ohne sie jedoch dem Zorn Liliths auszusetzen.”

Man konnte es förmlich hören, wie es hinter Abraxas’ Stirn Klick machte. “Natürlich!”, rief er aus. “Ich habe die ganze Zeit überlegt, warum mir der Name des Tempels so bekannt vorkam. Nosch ist in der alten Sprache das Wort für Nacht. Lilith wird als die Nächtige verehrt! Also ein Tempel der Lilith, dann ist Velcon...”

“...der oberste Tempelpriester, genau. Du hast es erfasst”, ergänzte Shantel gelassen.

“Warum es Lelis’ allerdings auf dich abgesehen hat, kann ich dir nicht sagen. Velcons Aussagen waren da sehr undurchsichtig, sowieso versuchte er so viel als möglich vor mir zu verbergen - aber du weißt, wie sinnlos dieses Unterfangen ist.”

Abraxas nickte zustimmend. Oh ja, er wusste. Wenn Shantel etwas erfahren wollte, erfuhr sie es auch und lügen war absolut zwecklos.

“Der Plan war deinen Körper und Geist von einander zu trennen - denn Lelis ist ebenso, wie Lilith ein ätherisches Wesen, welches ihre ganze Kraft erst in einer übergeordneten Zwischenwelt entfalten kann. Du hingegen besitzt in erster Linie physische Macht, weswegen es ihnen hätte leicht fallen sollen, dich zu beseitigen.”

Abraxas murrte verstimmt: “Beinahe wäre ihnen das auch gelungen.”

“Ja”, nickte Shantel zustimmend. “Aber glücklicherweise wurden auch Yuuryon und Karin versehentlich durch den Körperkontakt zu dir, im Moment als du den Stein berührtest, mit auf die Geistesebene gezogen. Vor allem durch letztere ließ sich Velcon dazu bewegen mich ebenfalls dorthin zu bringen. Die Sorge um seine Tochter trieb ihn voran und dann wollte er wohl auch nicht, dass mir etwas geschieht.”

“Woran das wohl lag”, lachte der Vampir abfällig. Shantel verzog verstimmt das hübsche Gesicht. “Hör auf damit”, forderte sie. “Velcon ist ein guter Mensch, er steht nur zu sehr unter Liliths Einfluss. Und da ist er bei weitem nicht der Erste, der ihrem süßem Gift erliegt.”

Abraxas fuhr auf. “Willst du jetzt auch noch Verständnis für ihn haben? Er hätte mich beinahe umbringen lassen!”

“Ja”, antworte sie knapp. Der Vampir verstummte augenblicklich und sie seufzte tief, wand sich ab und sagte leise: “Liebe ist ein viel zu mächtiger Zauber, als dass man jemanden, der in ihrem Auftrag handelt verurteilen dürfte.” Und Shantel wusste genau wovon sie sprach - zu genau.

“Hör zu, was ich dir jetzt sage ist sehr wichtig.” Sie verstummte einen kurzen Moment und sah Abraxas an. Der Vampir starrte beleidigt in den Nachthimmel. “Sehr wichtig, hörst du?”, schimpfte sie, griff nach oben und drehte sein Gesicht grober als notwendig in ihre Richtung. “Wichtig! Verstanden?”

Nur widerwillig nickte der Vampir. In seinem Inneren tobte ein feuriger Sturm der Eifersucht und wenn es nicht Shantel gewesen wäre, die ihn mit so eindringlichen Blicken bedachte, hätte ihn wohl nichts auf der Welt davon abhalten zu können, nach dem Magier zu suchen und ihn in seiner ganz eigenen abraxas-typische Freundlichkeit danach zu fragen, was dieser denn mit seiner Shantel angestellt hatte, dass sie so gar keinen Schmutz auf das blütenweise Hemd des Scharlatans kommen lassen wollte.

Da es aber Shantel war, die vor ihm stand und nun bereits zum wiederholten Male etwas von “Wichtig” faselte, unterdrückte er bedauernd den Wunsch seinem Innersten nachzugehen.

Als sich der Engel sicher sein konnte, wenn auch nicht die ungeteilte, wohl aber den größten Teil, Abraxas’ Aufmerksamkeit auf sich ruhen zu haben, sagte sie: ” Velcon wird dich zu Meantoris’ Burg führen.”

Es gab keinen wirklich Ausdruck um das Zusammenspiel verschiedener Mienen, von Fassungslosigkeit über Unverständnis bis hin zu Entsetzen und Abscheu, welches sich in Abraxas’ Gesicht abspielten, treffend zu beschreiben. Eines war aber nur all zu offensichtlich, sonderlich viel schien der Vampir von dieser neuen Nachricht nicht zu halten. “Er wird WAS?”, fragte Abraxas schockiert.

“Dich zu Meantoris Burg führen”, antworte Shantel trocken. “Nach der du die ganze Zeit gesucht hast, deswegen bist du überhaupt hier. Wegen Yenath, schon vergessen?”

“Nein, aber...” Abraxas verstand die Welt nicht mehr. “Wieso? - Warum...? Ich meine... du...”

Shantel winkte ab, doch es schien als müsste sie sich zwingen zu lächeln. “Natürlich bin ich dagegen. Aber Velcon hätte es dir so und so erzählt, aber da ich nicht wollte, dass du ihm am Ende den Kopf abschlägst, hielt ich es für besser, wenn ich dir selbst diese Mitteilung überbringe.”

“Als ob ich ihm dem Kopf abgeschlagen hätte”, murrte der Vampir “Ich hätte...”

“Und ich will es nicht wissen”, schnitt ihm Shantel das Wort ab. “Fakt ist. Velcon wird dich zu der Burg bringen, wenn du es wünscht. Er erhielt von Lilith diesen Auftrag. Scheinbar liegt es auch in ihrem Interesse, dass du ihm endlich gegenüber trittst und alles ein Ende findet. Natürlich würde ich es vorziehen, wenn du Velcons Hilfe in den Wind schlägst und alleine weitersuchst. Dann könnte es bei deiner Orientierung nämlich noch ein wenig dauern...”

Der Vampir brummte verstimmt, aber Shantel grinste nur und stieß ihn sanft in die Seite, was er mit einem Lächeln quittierte.

“Aber ich denke, dass du diese Gelegenheit ergreifen wirst und vielleicht sogar musst, wenn du endlich mit der Vergangenheit abschließen willst. Und es mag blasphemisch anmuten, doch vertraue ich in diesem Fall Liliths Urteilsvermögen. Wenn sie meint, dass du bereit bist Meantoris gegenüber zu treten, dann wird es wohl stimmen, denn ich glaube nicht, dass sie dich einfach ins offene Messer laufen lassen würde.”

Abraxas nickte nachdenklich. Liliths Obsession für sich hatte ihm Lelis’ ja auch bestätigt. Trotzdem passte es nicht - fürchtete sie denn nicht mehr, dass es Meantoris gelingen könnte Kains Seele an sich zu reißen und wieder zu erstarken?

“Natürlich besteht immer ein Restrisiko, aber das ist meine Herrin bereit einzugehen.”

Abraxas und Shantel fuhren herum und wenigstens letztere beruhigte sich schnell wieder, als sie in das müde Gesicht des erschöpften Magiers sah. Abraxas hingegen schien Velcons Anblick erst wieder neuen Zunder zu geben. “Ließt du meine Gedanken, oder was?”, fauchte er aufgebracht. Velcon schüttelte beschwichtigend den Kopf: ”Nein, aber es war abzusehen, was dir im Kopf herum spucken musste. Glaub mir - ich kenne dich besser, als du meinst, oder dir lieb wäre.”

“Du hast gelauscht”, stellte Shantel schmunzelnd fest. “Nein.” Shantel hob eine Augenbraue. “Ja...”, gab Velcon zerknirscht zu. “Egal, so weiß ich wenigstens, dass du Bescheid weißt.” Er sah Abraxas an, versuchte etwas in dessen Augen zu erkennen, aber die roten Lichter leuchteten nur abweisend und kalt. “Wenn du willst, können wir morgen früh bereits aufbrechen.” Der Vampir schwieg.

Da nach einiger Zeit immer noch keine Antwort erfolgt war, hob Velcon die Schultern und wand sich zum Gehen. “Tu was du willst. Ich werde morgen früh warten, ob du kommst oder nicht ist dir überlassen. Ich biedere mich nicht an.”

Abraxas spuckte aus, als der Magier wieder im Inneren des Tempels verschwand. “Ich traue ihm nicht”, murrte er und Shantel schmiegte sich an ihn. “Ich weiß”, sagte sie leise. “Aber deine Zweifel sind unberechtigt. Velcon wird dir nichts mehr tun. Wenn du ihm schon nicht trauen kannst, dann doch wenigstens mir und meinem Urteilsvermögen.”

Das gab Abraxas zu denken - denn auf die Menschenkenntnis Shantels war tatsächlich bestens Verlass. Trotzdem... “Lass mich noch eine Nacht darüber schlafen. Ich bin zu müde um sowas jetzt zu entscheiden.”

Shantel nickte zustimmend - “Dann komm” - und zog ihn zurück in den Tempel.

Leider hatte sich im Innersten noch immer nichts an der Einrichtung geändert. Die Halle war bis auf vereinzelte Säulen und Kerzenständer leer, wie eh und je. Nicht einmal ein Teppich auf dem man sich hätte ausstrecken können. Abraxas scherte es wenig. Er hatte bereits in ungastlicheren Gefilden genächtigt und die Aussicht von einem Dach über dem Kopf machte die ganze Sache doch schon recht angenehm. Kommentarlos ließ er sich am Fuße einer der Säulen nieder, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und verschränkte die Hände vor dem Körper - ausreichend. Neben ihm raschelte Shantel, die das Schlafen auf kargem Erdboden nicht gewöhnt war, missmutig auf der Suche nach einer geeigneten Schlafstellung hin und her, gab dieses Unterfangen in Einsicht der Hoffnungslosigkeit dessen, aber bald auf. “Mir ist kalt”, murrte sie und schreckte Abraxas, der schon fast in den Schlaf hinüber geschippert war, wieder auf. Müde zog der seinen Mantel aus, bettete diesen um Shantel und zog sie an sich. “Und jetzt Ruhe, meine Liebe”, scherzte er leise.
 

Der Morgen hielt für Yuuryon eine Überraschung bereit. Zwar schmerzte sein versorgtes Handgelenk noch immer heftig, doch ging es ihm ansonsten gut - ja, man konnte sagen, dass sich der Flussmensch zum ersten Mal seit einiger Zeit, wieder sicher und geborgen gefühlte, als wäre eine Last von seinen Schultern genommen wurden. Trotzdem konnte dieser Zustand des allgemeinen Wohlbefindens nicht darüber hinwegtäuschen, dass etwas zu fehlen schien und damit meinte Yuuryon nicht die leere Stelle, die begonnen hatte sich in seinem Magen bemerkbar zu machen - allgemein auch als Hunger bekannt.

Nein, etwas anderes fehlte, etwas was man nicht unbedingt vermisste, wenn es denn nicht da war. Demzufolge musste das Fehlende etwas weniger Angenehmes sein, schlussfolgerte Yuuryon und im gleichen Moment fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Abraxas war nicht da! Die erdrückende Präsenz des Vampirs fehlte.

Suchend sah sich der Dieb um, konnte aber bis auf den Tempelaltar und viele einzelne Säulen und Kerzenständer nichts weiter erkennen. Abraxas war nicht da - niemand war da. Yuuryon war allein. Und mit diesem Verstehen ergriff den Flussmenschen Panik. Das durfte nicht sein!

Hastig eilte Yuuryon den langen Tempelflur entlang, ignorierte die bebenden Schmerzen, die sich bei jedem Schritt durch seinen bandagierten Arm bohrten und stieß die Tempelpforten auf. Gleissendes Sonnenlicht brannte sich in seine Augen, blendete ihn, so dass er Shantel, welche direkt vor den Pforten gestanden hatte, nicht sah und prompt mit ihr zusammen prallte. “Pass doch auf!”, schimpfte sie, half Yuuryon aber lachend auf, als sie in sein verdattertes Gesicht sah. Der beachtete sie schon gar nicht weiter. Sein Blick heftete sich auf die beiden hochgewachsenen, dunklen Gestalten, die emsig damit beschäftigt waren, zwei Pferde aufzuzäumen und sich dabei allergrößte Mühe gaben sich gegenseitig zu ignorieren. Yuuryon ließ Shantel stehen und lief auf die beiden zu. Der Magier schien ihn als Erster zu bemerken und begrüßte ihn mit einem freundlichen: “Guten Morgen, Yuuryon. Es scheint dir wieder besser zu gehen.” Der Dieb nickte geistesabwesend. Sein gesamtes Augenmerk konzentrierte sich auf Abraxas, der soeben mit dem Aufzäumen fertig geworden war und nun zufrieden zurücktrat.

“Du willst aufbrechen?”, fragte Yuuryon erleichtert - Abraxas war noch da. Der schien ihn tatsächlich erst wahrzunehmen, als er von Yuuryon direkt angesprochen. Der Vampir blinzelte und nickte dann. “Ja, aber ohne dich.”

Die Erleichterung verschwand.

“Du bleibst hier...”

Entsetzten breitete sich aus.

“...oder gehst. Mach was du willst. Deine Aufgabe ist erfüllt. Ich brauche dich nicht mehr.”

Yuuryon schluckte. Nein, so einfach konnte er es sich doch nicht machen?! “Das ist nicht dein Ernst!”, lachte Yuuryon verzweifelt, aber das Lächeln erstarb prompt, als er in Abraxas Gesicht sah. “Das ist mein purer Ernst”, hörte er den Vampir sagen.

Yuuryon schüttelte den Kopf. “Nein, das geht nicht!”, stellte er endlich fest. “Ich will mitkommen.” Abraxas lachte nur und ließ ihn stehen, lief auf Shantel zu. “Lach nicht! Ich meine das Ernst.”

Kopfschüttelnd blieb der Vampir stehen. “Blödsinn. Du wolltest die ganze Zeit von mir weg. Jetzt kannst du gehen und willst nicht. Das ergibt doch keinen Sinn. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür dich mit zunehmen.”

“Doch den gibt es”, beharrte Yuuryon verärgert. “Ach?” Abraxas drehte sich um, musterte Yuuryon kurz und stieß ihn an den verletzen Arm. Der Dieb gab einen zischenden Schmerzenslaut von sich. “Siehst du?”, fragte Abraxas. “Als wenn du vorher eine große Hilfe gewesen wärst, aber so bist du mir doch nur noch ein Klotz am Bein.” Plötzlich wurde Abraxas’ Blick sanfter, ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er sagte: “Ich meine es doch ausnahmsweise gut mit dir, wenn ich dich gehen lassen. Wer weiß was beim nächsten Mal passieren könnte. Da bricht dir nicht nur der Arm, sondern vielleicht das Genick. Bleib hier.”

Aber Yuuryon schüttelte nur beharrlich den Kopf. “Nein!”

“Aber warum? Hast du nicht genug durchgestanden?”

Der Flussmenschen zögerte kurz, aber dann hob er den Kopf und sah Abraxas direkt in die Augen. Die hellblauen Augen glänzten, wie im Fluss glatt geschliffene Steine, funkelnd, klar und hart - es war Yuuryon absolut ernst. “Eben deswegen. Ich habe das nicht alles durchgemacht - für nichts. Ich will wissen wofür das alles gewesen ist. Ich will wissen, wie es zu Ende geht.” Sein Blick wurde flehend. “Schick mich jetzt nicht weg.”

Abraxas zögerte, seine Vernunft auch im Interesse des Flussmenschen, riet ihm Yuuryons Bitte einfach abzuschlagen. Es war für ihn viel zu gefährlich und auch Abraxas selbst konnte gefährdet werden, wenn er sich zusätzlich noch um den Dieb kümmern musste. Aber Abraxas war noch nie jemand gewesen, der sonderlich viel von Vernunft hielt. Alleine, die Tatsache, dass er sich befand wo er war, sprach gegen die sonderlich gute Ausprägung dieser geistigen Vorkehrung. Auch erinnerte er sich noch gut an das letzte Mal, als er den Flussmenschen so ernst bei der Sache erlebt hatte. Erst am vergangenen Tag hatte er ihn warnen wollen den Tempel zu betreten und damit hatte er letztendlich Recht behalten. Der Tag war beinahe in einer völligen Katastrophe geendet.

Auch ein fragender Blick in Shantels Richtung brachte ihm keine Hilfe. Der Engel hob nur ebenso ratlos die Schultern. Velcon um einen Rat zu fragen, schloss sich natürlich von vorne herein aus. Letztendlich war es aber eben dieser und eine kleine Anmerkung Kains, die den Ausschlag gaben. *Wenn wir ihn mitnehmen, sind wir mit dem popligen Magier wenigstens nicht allein unterwegs.*

Der Vampir seufzte ergeben: “Dann komm eben mit, aber wehe du stehst mir im Weg herum.”

Yuuryons strahlte: “Bestimmt nicht!”

Am Ziel

Fast ein ganzes Jahr hat es gedauert bis es hier endlich weiter ging. Tatsächlich habe ich den ersten Teil dieses Kapitel bereits im Juli vergangenen Jahres geschrieben. Dann irgendwie beiseite gelegt und umso mehr Zeit vergang, immer mehr das Interesse an der Geschichte verloren.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei il_gelato bedanken. Ohne deine Ens wäre es bei Abraxas wohl nicht weitergegangen. Vielen Dank dafür.
 

Lange Rede, kurzer Sinn - es geht weiter.
 

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Am Ziel
 

Der Himmel war blau und klar. Keine einzige Wolke und sei es auch nur der unscheinbarste Schleier war zu entdecken und obwohl die Sonne schien, herrschte klirrende Kälte. Abraxas war abgestiegen und zog seinen Rappen vorsichtig durch den mit Geröll bedeckten wohl lange nicht mehr benutzten Bergpfad, durch welchen Velcon sie führte. Das Pferd schnaubte ununterbrochen und schüttelte immer wieder unwillig den Kopf. Dampfwolken stiegen von seinem warmen Körper auf.

An des Rappen rechter Seite stapfte Yuuryon mit nach unten gerichteten Blick und bemühte sich nicht über seine eigenen Füße zu stolpern. Der Flussmensch hatte sich tief in Abraxas’ Mantel eingewickelt und den verletzten Arm fest an sich gedrückt, trotzdem vermochte er es nicht dem eisigen Frost irgendetwas entgegen zusetzten. Warmer Atmen kondensierte und drängte sich immer wieder, als helle Dampfwölkchen in sein Blickfeld. Yuuryon fror erbärmlich. Mit der linken Hand hielt er sich am Halfter des Tieres fest, wohl aber weniger um Abraxas bei der Führung des zunehmend störrischer werdenden Pferdes zu helfen, als vielmehr um nicht selbst den Anschluss zu verlieren, hatte er es doch längst aufgegeben auf den Weg zu achten. Lange würde er nicht mehr durchhalten.

Abraxas sah das ähnlich. Zwar machte ihm die Kälte bei Weitem nicht so viel aus, wie dem Flussmenschen, doch glaubte er den Geruch von Schnee in der Luft wahrzunehmen. War jetzt zwar noch keine einzige Wolke zu erkennen, so konnte sich das doch binnen weniger Augenblicke ändern. Gerne hätte er nach einem Unterschlupf gesucht, in dem man unbeobachtet ein Feuer entzünden konnte, an welchem Yuuryon und auch er selbst wieder etwas zu Kräften kommen konnte. Doch weit und breit zeigte sich nur immer wieder das selbe Bild. Geröll um Geröll, selbst die steilen Felsvorsprünge, die links und rechts den Weg säumten schienen nur aus aufgetürmten Steinen zu bestehen.

Der Vampir bereute es mittlerweile zutiefst den Dieb doch mitgenommen zu haben. Zwar hatte sich Yuuryon gemäß seinem vor vier Tagen abgegebenen Versprechen, ihnen nicht zur Last zu fallen, verhalten - er war ungewöhnlich ruhig und bemühte sich ohne jeglichen Widerwillen Schritt zu halten - jedoch ändert das nichts an der Tatsache, dass er verletzt und körperlich sowie auch geistig nicht in der Lage für eine jegliche Reise war. Jetzt war es aber lange zu spät um an der Situation noch etwas zu ändern. Umkehren kam nicht in Frage und Yuuryon alleine zurückzulassen, wäre seinem Todesurteil gleich gekommen. Also blieb nur die Möglichkeit ihn weiter mitzuschleppen und zu hoffen, dass der strapazenreichste Weg bald geschafft war.

Leider war damit in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Abraxas wusste, dass sich sämtliche Standorte der jeweiligen Vampirclans immer in menschenleerer, abgeschiedener Natur befanden. Teils bewusst gewählt, teils unbewusst dazu gemacht, da alle Menschen, wie auch Tiere schleunigst das Weite suchten, sobald sie eine größere Anzahl gefährlicher Vampir in ihrer Nähe wussten. Nichts, das man ihnen hätte verübeln können. Dieser Umstand war es aber auch, der Abraxas Zweifel an Velcons Führung, natürlich nicht völlig, aber zumindest teilweise zerstreuten. Umso ungastlicher die Umgebung wurde, desto sicherer war sich der Vampir, dass sie sich auf dem richtigen Weg befanden.

Mürrisch spähte Abraxas den engen Bergpfad hinauf, an dessen Ende er Velcon gewahr wurde. Der Magier vermied es bereits seit ihrem Aufbruch tunlichst mit ihnen auf einer Höhe zu reisen. Immer wieder sorgte er dafür, dass der Abstand zwischen ihm und dem Vampir so groß, als möglich blieb und ja nicht geringer wurde. Dass er trotzdem immer noch gerade so in Sichtweite blieb musste man da schon fast als Wohlwollen interpretieren. Deutlicher hätte Velcon seine Abneigung tatsächlich nicht zur Geltung bringen können. Abraxas sollte das nur Recht sein, legte er seinerseits auch keinerlei Wert auf Velcons Anwesenheit.

Trotz dieser offen Antipathie der Beiden konnte sich der Vampir aber nicht völlig der Faszination erwehren, die Velcon auf alle Umstehen ausübte. War es ihm zu Beginn fast gar nicht aufgefallen, so war sich der Blauhaarige mittlerweile sicher, dass Velcon etwas an sich hatte, dass ihn für Andere anziehend machte. Irgendetwas, das womöglich auch der Grund für Shantels, wie Abraxas immer noch ärgerlich befand, völlig unangebrachtes Verhalten dem Magier gegenüber sein musste.

Alleine die Tatsache, dass es erst bei näherem Hinsehen möglich war Velcons Geschlecht eindeutig zu bestimmen, konnte es aber nicht sein. Dafür hatte der Vampir schon zu viele eigenartige Zwischenwesen gesehen, von denen aber keines auch nur annähernd an die Ausstrahlung des Magiers herangekommen wäre. Es war irgendetwas anderes, das Abraxas aber beim besten Willen nicht bestimmen konnte. Nur in einem war er sich mittlerweile völlig sicher - mit einem Menschen hatte er es bei Velcon in keinem Fall zu tun. Dagegen sprach schon alleine seine körperliche Verfassung. Der Magier kletterte und wanderte auf eine behände Art und Weise, ohne auch nur Anzeichen von Erschöpfung zu zeigen, wie es einem Menschen einfach nicht möglich war. Auch schien ihm die eisige Kälte bei Weitem nicht so zu zusetzten, wie es bei Yuuryon der Fall war. Der schien aber rassenbedingt eh schnell zu frieren.

Die körperliche Konstitution einmal außen vor gelassen, spürte Abraxas aber auch nicht das bei Velcon, was man bei einem Menschen hätte spüren müssen. Menschen waren eine Ansammlung von warmer Energie, die ständig durch den ganzen Körper pulsierte und förmlich überzulaufen drohte, immer im Aufruhr, ständig in Bewegung, einem sprudelndem Fluss gleich. In Velcons Fall war der Fluss zugefroren. Nur die Spiegelung auf der gefrorenen Wasserfläche versuchte dem Betrachter eine Vision von Bewegung und Lebendigkeit vorzugaukeln.

Hätte er es nicht besser gewusst, hätte Abraxas Velcons Aura ohne zu Zögern einem Toten zugeordnet, war sie doch so völlig gegensätzlich zu allem was er kannte.

Und doch war ihm das zu Beginn überhaupt nicht aufgefallen.

Abraxas schüttelte verärgert den Kopf um den Gedanken los zu werden. Es wurde allmählich Zeit, dass sich ihre Wege wieder trennten - sollte der blöde Scharlatan doch die Aura eines Frosches im Winterschlaf besitzen. Das konnte ihm ja herrlich egal sein. Hauptsache er wurde ihn bald wieder los.

”Weißt du worüber ich die ganze Zeit nachdenke?”, fragte Yuuryon plötzlich mit leicht entrückter Stimme. Der Vampir horchte missmutig auf - eigentlich hatte er kein Interesse an jeglicher Konversation, aber angesichts Yuuryons derzeitiger Verfassung war es vielleicht gut, wenn er ein wenig Zuspruch erhielt, schon allein um zu verhindern, dass er vollends hinüber schipperte.

“Was beschäftigt dich?”, fragte Abraxas also um einen halbwegs interessierten Tonfall bemüht. Der Flussmensch wich vorsichtig einer kleinen Steingruppe aus und antwortete zögernd: “Was hat Shantel eigentlich bei dem Tempel gemacht?”

Abraxas runzelte irritiert die Stirn. Was war das denn für eine dämliche Frage?

“Sie hat uns geholfen!”, sagte er verwirrt und fügte hinzu: ”Wenn ich mich recht erinnere hat sie insbesondere dich wieder zusammengeflickt. Oder sehe ich da etwas falsch?”

Hastig schüttelte Yuuryon den Kopf: “Das meine ich nicht”, entgegnete er bestimmt. “Sondern warum sie überhaupt bei dem Tempel gewesen ist - aus welchem Grund. Ihr beiden habt euch zuvor im Streit getrennt und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie dich so schnell wieder sehen wollte. Ohne triftigen Grund wäre sie sicher nicht so schnell wieder aufgetaucht.”

Abraxas schwieg nachdenklich. In den Worten Yuuryons klang eine Wahrheit, die sich so einfach nicht von der Hand weisen ließ. Es war nicht Shantels Art ihm überall hin zu folgend, selbst dann wenn sie nicht mit einander im Streit lagen. Der Engel kam und ging, wie es ihm beliebte, aber niemals wäre sie zurück gekommen, bevor Abraxas eine Entschuldigung ausgesprochen hatte - nicht wenn es nicht einen dringende Ursache gab - nach welcher Abraxas wie so oft vergessen hatte zu fragen.

“Ich bin ein Egoist”, stellte er resignierend fest.

“Das hätte ich dir eher sagen können”, erwiderte Yuuryon kess und hätte von Abraxas sofort eine harsche Antwort erhalten, wäre dieser nicht in diesem Moment von Velcon unterbrochen wurden, der ihnen etwas Unverständliches zurief.

Der Magier hatte den Wendepunkt des Bergkamms erreicht und stand nun wartend an der höchsten Stelle, während er ins Tal hinab starrte - ein schwarzer Riese vor einem weißen, schneewolkenverhangenen Himmel, dessen Gewand unheimlich vom kalten Wind aufgebauscht und verzerrt wurde. Wieder jagte ein Schauer über Abraxas Rücken. Ein Toter der den Lebenden nur vorspielte einer der Ihren zu sein.

“Nun beeilt euch endlich!”, hörte man ihn ungeduldig rufen, was Abraxas aber nur wenig scherte. Wegen diesem Idioten würde er hier nicht sprichwörtlich die Pferde scheu machen. Gemächlich brachte er den restlichen Weg hinter sich, erreichte nach einiger Zeit ebenfalls den Bergkamm und lächelte dem Magier freundlich zu. Velcons ließ sich zu keiner verräterischen Grimasse hinreißen, aber der Vampir spürte dass er innerlich vor Zorn brodelte - und das freute ihn diebisch.

„Man möchte fast meinen, dass dieser ganze Vergeltungsplan deinerseits überhaupt nicht ernsthaft ist, so wie du trödelst“, sagte Velcon kühl. Die roten Augen ruhten kalt auf Abraxas. Aber den Vampir störte es nicht - wer ließ sich schon von Froschaugen beeindrucken.

„Die Burg läuft mir nicht weg“, entgegnete er ruhig. „Ich ziehe es vor ausgeruht und mit allen Kräften dort anzukommen. Es nützt nichts wenn wir den Weg zwar in kürzester Zeit hinter uns bringen, dann aber jegliche Energie feht um irgendetwas zu unternehmen.“

„Nun dann hoffe ich, dass du ausgeruht bist.“ Abraxas hob eine Augenbraue „Wir sind nämlich da“, sagte der Magier, drehte sich um deutete über das vor ihnen liegenden Tal. Abraxas‘ Blick folgte seinem Arm und für einen kurzen Moment schien alle Last der Welt auf ihn einzustürzen. Der Boden drohte unter ihm weg zu brechen und dunkle Schleier verhangen seine Sicht. So schnell wie es gekommen war, war es aber auch bereits vorbei und der Vampir fasste sich wieder.

„Das nenne ich mal einen dicken Brocken“, meinte Yuuryon und pfiff anerkennend durch die Zähne „Das Paradies für einen jeden Dieb. Die haben ja schon an den kleinsten Zinnen ‚Reich und Wohlhabend‘ heran geschrieben.“

Abraxas konnte diese Begeisterung bei weitem nicht teilen. Es war nicht die finstere Burg, auf der er jahrelang gelebt und den größten Teil seiner Kindheit und später Jugend verbracht hatte, die unter ihnen lag. Jedoch war es unverkennbar die momentane Herrschaftsresidenz des Vampirclans um Meantoris. Untypisch für normale Festungen lag diese nicht auf einer Anhöhe, sondern tief unten im Tal, durch die umstehenden Bergkuppen aber weithin für jedermanns Auge verborgen. Abraxas konnte von oben herab gut in den weitläufigen Burghof hinein spähen, welcher als Zentrum des Gebäudekomplexes fungierte. Untypisch war auch, dass die Burg zwar über allerhand Erker- und Giebeltürme verfügte, diese aber allesamt kaum größer als die Gebäude, welche sich um den Platz drängten, waren. Einzig der Hauptturm, auf welchen Meantoris‘ Flagge prangte, erhob sich allein aus der doch eher flachen Konstruktion heraus. Wer auch immer diese Burg früher bewohnt hatte, schien offensichtlich an Höhenangst gelitten zu haben und hatte alle wichtigen Örtlichkeiten deswegen lieber weitflächig auf der Ebene verstreut. Platz genug war ja. Um die Burg herum lagen alte, karge, lange nicht mehr bestellte Felder. Auch konnte Abraxas einige kleiner Häuser um die Burg verstreut erkennen. Wahrscheinlich die Wohnstätten ehemaliger Bauern, die hier gelebt und gearbeitet hatten. Nun aber schienen sie allesamt verlassen

Plötzlich wurde Yuuryon unruhig und deutete mit dem gesunden Arm nach unten. „Schaut doch! Da brennt es.“

Tatsächlich begann schwarzer Qualm gen Himmel zu steigen und man sah lodernde Flammenzungen aus einigen Burgfenstern züngeln. Einmal darauf hingewiesen konnte Abraxas in den Fenster auch schemenhaften Gestalten erkennen, die aufgeregt hin und her huschten. Und ganz leise hörte er hektische Schreie und Kampfgeräusche. Irritiert hob er die Augenbrauen an. „Dort unten tobt ein Kampf“, meinte er verwirrt. Aber wieso das denn? Wer kämpfte dort denn gegen wen? Die Vampire und vielleicht der Jägerzirkel? Aber sie würden doch nicht so dumm die Vampire in ihrem Herrschaftsdomizil anzugreifen. Oder etwa doch? Während Yuuryon ebenfalls ungläubig auf die Burg herab starrte und seinerseits versuchte etwas Näheres zu erkennen, nickte Velcon nur zufrieden. „Es scheint als hätte Liliths Offensive bereits begonnen, wir sind zu spät.“ Der Vampir horchte überrascht auf. Sein Blick traf sich mit den ausdruckslosen Lichtern Velcons.

„Liliths Offensive?“, fragte er verwundert. „Was meinst du damit?“ Aber der Magier lachte nur spöttisch über den ungläubigen Gesichtsausdruck Abraxas‘.

„Hattest du allen ernstes vor ganz alleine in die Festung zu dringen?“, fragte er überheblich. „Dieser Gewaltmarsch wäre doch bereits am Burgtor zu Ende gewesen. Du magst mächtig sein Abraxas. Und ich glaube dir ungesehen, dass du es auch mit einer Vielzahl unterlegener Gegner gleichzeitig aufnehmen kannst. Aber diese Festung hier…“ Velcon schüttelte missbilligend den Kopf. „Das ist selbst für dich eine Nummer zu groß. Immerhin bekommst du es hier mit hunderten deiner Brüder und Schwestern gleichzeitig zu tun.“

Der Vampir schwieg ausdruckslos. Er gestattete seiner Miene nicht sich betroffen zu verziehen, den Abraxas musste sich unwillentlich eingestehen, dass der Magier recht hatte. Aber diese Niederlage zugeben, Velcon diesen Triumph gönnen. Das konnte er nicht.

„Liliths Anhängerschaft ist nicht mehr so groß, wie sie es in den alten Tagen gewesen ist. Ihr Geist ist zerrüttet, von ihrer einstigen Glorie zeugen nur noch alte Sagen und Legenden. Geschichten mit denen man Kinder erschreckt, wenn sie nicht zu Bett gehen wollen.“ Velcons Blick begegnete dem des Vampirs, es schien als suchte der Magier nach einem bestimmten Funken in Abraxas‘ Augen, bevor er fortfuhr: „Ihr habt es selbst am eignen Leib erfahren dürfen.“

*Das kann er laut sagen*, meinte leise Kain, der bisher zu allem geschwiegen hatte. Abraxas verzog keine Miene.

„Trotzdem gibt es noch immer einige Kreaturen der Zwischenwelten, die Lilith treu ergeben sind. Ausgestoßene, weder von der einen noch der anderen Seite akzeptiert Im Körper wie Geist verkümmerte und ungeheuerlich entstellte Ergebnisse aus Verbindungen, die nie hätten sein dürfen“ Unwillkürlich musste Abraxas an Orinoco denken. Xhals Freundin, Kind eines Menschen und eines Dämons. Die Nacht als sie ihm dieses Geheimnis anvertraute, war die Nacht gewesen, in der er Yenath das erste Mal begegnete. Yenath, der Vampir welcher ihren und Ensyis Tod zu verantworten hatte. Abraxas schluckte. Drei Jahre hatte es gedauert und nun war sein Ziel förmlich zum Greifen nahe - dort unten lag es vor ihm, wartete verheißungsvoll und der lang vergessene geglaubte Zorn erwachte erneut. Dieses dunkle, alte Gefühl, dass ihn vorangetrieben hatte, drei Jahre lang - der verschüttete Hass und der Wunsch nach Rache, der immer mehr zur Nebensache wurde umso mehr Zeit ins Land zog und der doch niemals ganz verschwand und ihn immer rastlos weiter suchen und niemals zur Ruhe kommen ließ - dieses Gefühl erwachte nun erneut, bäumte sich brüllend auf, schlug blutige Krallen in sein Innerstes und brannte sich seinen Weg nach oben in die Freiheit.

„Und diese Wesen kämpfen nun für uns?“, fragte Abraxas leise. Seine Stimme war belegt, mühsam zurück gehaltene Wut schwang darin. Die roten Augen lagen konzentriert auf dem Ziel, bereit jeden Moment loszubrechen und jeder weitere Augenblick des Wartens war Verschwendung.

„Ja, Sie kämpfen, stiften Chaos und Verwirrung auf der Burg, Morden und legen Feuer, damit wir in all dem Durcheinander ungesehen zum eigentlichen Ziel durchdringen können.“ Velcon hob den Arm und deutete auf den höchsten Turm - der Einzige, der sich aus den flache Dächern erhob und dessen Spitze Meantoris‘ Flagge säumte. Der Magier lächelte finster. „Dort werden wir Meantoris finden. Alles andere wäre ja stillos.“

Der Vampir grinste freudlos. In ihm rumorte Kain. Auch ihn ließ Abraxas‘ Aufregung nicht unbeeindruckt. *Gehen wir endlich*, wisperte er dem Anderen zu *Jede Sekunde die wir warten ist vergeudetet Zeit. Drei Jahre waren lang genug.*

Der Blauhaarige nickte zustimmend. „Yuuryon, du bleibst hier!“

„Was? Wieso schon wieder?“ Yuuryon schüttelte entgeistert den Kopf. „Ich will hier nicht allein bleiben!“

„Du wirst müssen. Außerdem brauche ich jemanden der auf mein Pferd aufpasst.“

„Aber...“ Abraxas drehte sich zu dem Dieb um und rang sich ein aufmunterndes Lächeln ab.

„Glaub mir es ist besser so. Du bist verletzt, völlig erschöpft. Dort drinnen kann ich nicht auf dich aufpassen. Such dir irgendwo einen Unterschlupf und warte dort, bis wir zurück sind.“

Yuuryon schien als wollte er noch weiter protestieren, dann aber fand er etwas in Abraxas Augen, das dort eigentlich nicht hingehörte, ein seltsamer Ausdruck, der Yuuryon zwar bekannt war, aber nicht zu Abraxas passte - nicht zu ihm, zu jemand anderem - und er schluckte die Worte hinunter.

„In Ordnung. Ich warte hier“, sagte er missmutig und senkte den Blick. Abraxas nickte zufrieden und wollte sich zum Gehen wenden, als Yuuryon plötzlich wieder aufsah, einen Schritt nach vorne machte und Abraxas am Ärmel fest hielt.

„Viel Glück!“, stammelte er durcheinander, und suchte nach Abraxas‘ Augen. „Kommt ja zurück ihr Beiden!“

Velcon hob irritiert eine Augenbraue - es war unklar wen der Flussmensch tatsächlich meinte, aber Abraxas lachte nur, tippte dem Kleineren grob auf die Stirn und schubste ihn weg.

„Natürlich“, grinste er spöttisch. „Und wehe ich finde anschließend weder dich noch mein Pferd wieder, verdammter Pferdedieb. Mach dich auf eine Tracht Prügel gefasst, solltest du nicht mehr hier sein!“

Mit diesen letzten Worten drehte er sich endgültig weg und begann den Abhang hinabzuklettern. Velcon folgte ihm lautlos. Ihr Ziel lag nah.
 

Es dauerte nicht lange bis die Beiden das Ende des Abhangs erreicht hatten . Hatte der Aufstieg zwar mehrere Tage in Anspruch genommen, so ging es abwärts nun umso rasanter, da weder auf verletzte Gefährten noch auf ein Pferd, welches unmöglich den schnellsten und gradlinigsten Weg, welcher schon einmal quer über eine Steilwand führen konnte, reisen konnte. Jetzt aber sprangen und kletterten die Beiden behände über hervorstehende Steinbrocken, Klippenabsätze und über loses Geröll den Berghang hinab. Der Vampir hatte endlich sein Tempo gefunden und wenn sich der Magier dabei das Genick brach - nun das wäre doch mal ein Anblick. Zufrieden registrierte Abraxas, dass Velcon unter diesem Geschwindigkeitsgewaltmarsch nun auch endlich ins Schwitzen geriet. War ja nicht auszuhalten, dass der Frosch ihn bei allen körperlichen Fähigkeiten ebenbürtig sein sollte. Tatsächlich hörte er den Magier schon bald hinter sich fluchen, sollte der doch lieber seinen Atm sparen und versuchen Schritt zu halten.

Als Abraxas das Ende des Hanges erreichte musste er warten. Wenige Augenblick nach ihm erreicht auch Velcon das Ende, aber an weitergehen war vorerst nicht zu denken Schwer keuchend stützte er sich auf seinen Knien ab und schnappte atemlos nach Luft. Doch kein Frosch - ein Fisch, ein Fisch auf dem Trockenem. Shantel müsste jetzt hier sein, dann konnte sie sehen, wie erbärmlich dieser Kerl doch war

*Abraxas, hör auf damit*, ermahnte ihn Kain. „Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt für dieses Geplänkel! Du kannst dich um Velcon kümmern, wenn das hier überstanden ist. Jetzt kann er uns noch nützlich sein.*

„Ach ja, wüsste nicht wozu der gut sein sollte, außer mir ein Klotz am Bein zu sein.“ Velcon sah irritiert auf. Seine Atmung normalisierte sich zunehmend.

*Abraxas!* Genervt verdrehte der Angesprochene die Augen, hob die Achseln und marschierte ohne weiter auf den Magier zu warten auf die Burg zu. Aus dem Augenwinkel registrierte er, wie sich Velcon aufrichtete und ihm hastig folgte.

Die Beiden hatten sich der Burg von einem Seitenflügel aus genähert, aber jetzt lief Abraxas zielstrebig auf das weit geöffnete Haupttor zur - es gab keinen Grund sich zu verstecken. Er kannte die Ignoranz der Vampire noch gut - dieses Tor war nie geschlossen, weder bei Tag noch bei Nacht - den Wer wagte sich schon freiwillig in den Rachen des Löwen hinein, doch niemand, der noch alle Sinne beisammen hatte. Diese Selbstüberschätzung sollte den Vampiren nun aber teuer zu stehn kommen. Abraxas hätte seiner feinen Ohren nicht bedurft um die wilden Kampfgeräusche in den Burgmauern vernehmen zu können Mittlerweile stieg überall schwarzer Rauch von den Dächern der Festung auf. Der widerwärtige Geruch von verbrannten Fleisch lag in der Luft. Und immer wieder spürte Abraxas Lichter erlöschen. Dunkle, reisende Ströme hörten aus dem Nichts auf zu rotieren - Vampire deren letztes Stündlein geschlagen hatte. Aber auch andere Seelen erloschen - jene, welche auf Liliths Seite kämpften. Der Vampir wusste nicht um was für Kreaturen es sich bei Liliths Gefolgschaft handelte, aber auch unter ihnen schwang Vater Tod heftigst seine Sense. Kein Unterschied, diese Nacht würden viele ihr Ende finden.

Mit der rot leuchtenden Abendsonne im Rücken betrat Abraxas den Burghof. Die letzten Sonnenausläufe drängten sich an ihm vorbei, warfen seinen Schatten furchteinflössend über den im Feuerschein und Sonnenlicht rot getauchten Platz. Dunkle Schatten flackerten in den Ecken, hektisch rannten Vampir und Angreifer umher. Überall war Panik und Wut zu spüren, überall wurde gekämpft. Fenster zerbrachen, Holz splitterte, Blut floss. Immer wieder ging einer zu Boden, sprang wieder auf - nur um im nächsten Moment wieder zu Fall gebracht zu werden, dieses Mal für immer.

Liliths Krieger waren von unterschiedlichster Natur. Einige so schön, dass man die Augen abwenden musste, um von ihrem Glanz nicht geblendet zu werden, andere so hässlich und entstellt, dass man wegsah um sie nicht zu beschämen. Unterschiedlicher hätten diese Wesen nicht sein können, die einen gehörnt, mit Federn geschmückt und mit wilden Kriegsbemalungen verziert, Dämonisch auf den ersten Blick, andere von einem normalen Menschen nicht zu unterscheiden. Doch eines hatten sie alle gemein, sie alle kämpften gegen die Vampire - zusammen vereint, so unterschiedlich sie auch sein mochten.

Plötzlich wurde Abraxas am Arm gepackt und mitgerissen.

„Spar dir die Andacht für später“, schimpfte Velcon aufgebracht, während er den Vampir hinter sich herzog. „Wir haben Wichtigeres zu tun. Das hier ist nur die Ablenkung - du kennst das Ziel!“

Unbehelligt durchquerten sie den Burghof. Für Außenstehende musste es so aussehen, als ob Velcon von Abraxas gejagt wurde, da der Magier zügig vorauseilte, während der Vampir ihm immer auf den Fersen blieb. Nur ab und zu hob einer der andere Vampire den Kopf und sah ihnen hinterher, verwundert ob der eigenartigen Haarfarbe Abraxas‘ und der umso merkwürdigeren Aura, die ihn umgab. Aber für langes Grübeln blieb niemandem Zeit, so wurde der Einzelgänger unbesehen als einer der Ihren akzeptiert. Zum ersten Mal im Ganzen Leben seines bisherigen Vampirdaseins.
 

In der Burg übernahm noch immer Velcon das Kommando - eilte zielsicher voraus und ließ Abraxas einfach folgen. Auch hier tobten überall Kämpfe. Zwischen umgeworfen Tischen und Stühlen, herab gerissener Wandbekleidung, Holz- und Glassplittern, säumten Leichen den Weg, der zu beschreiten war. Blut floss wie Wasser.

Abraxas krampfte es bei diesem Anblick den Magen zusammen - das hatte selbst er nicht erwartet. Er hasste die Vampire abgrundtief, aber hier am Boden in ihrem eigenen Blut liegend, die lichtlosen Höhlen starr gen Himmel gerichtet, wo sie doch nichts mehr erkennen konnten, da fühlte er sich ihnen auf einmal näher als jemals zuvor. Seinen Brüdern und Schwestern, die durch ihn letztendlich den Tod fanden.

Velcon ließ dies alles unbeeindruckt. Zumindest verstand er es ausgezeichnet seine wahren Gefühle hinter einer ausdruckslosen Maske zu verbergen. Rücksichtslos wandelte er über die Toten, ob Vampire oder Verbündeter - unter seinen Füßen waren alle gleich. In interessierte es nicht was um ihn herum geschah, sein Ziel war klar definiert, die Aufgabe tief in seinen Geist hineingerannt - sollten andere schaudern und zögern, alles gleich - ihn bewegte nichts, solange die Aufgabe nicht erfüllt war.

Eilig schritt das ungleiche Pärchen voran. Um so tiefer sie in die Burg drangen, desto verqualmter und stickiger wurde die Luft. Schon bald tränten Abraxas die Augen und Velcons Schritt wurde zunehmend schleppender, das Atmen fiel schwer. Und die Hitze stieg mehr und mehr, Feuerprasseln war überall zu hören.

Immer seltener begegneten sie anderen, die Unruheherde hatten sich in die äußeren Logen verzogen, hier wo das Feuer tobte war niemand mehr, nur noch einzelne Verwundete, die sich verzweifelt zu retten suchten und natürlich zwei Wahnsinnige, die dem Tod ins Auge blicken wollten.

Plötzlich blieb Abraxas stehen und sah grübelnd zur Decke. „Velcon, wohin gehen wir eigentlich?“, wollte er wissen. Der Magier drehte sich perplex zu ihm. „Das habe ich dir doch bereits gesagt. Meantoris‘ Turm. Er wird noch immer dort sein. Wenn er flieht erklärt er die Schlacht für verloren. Das kann nicht in seinem Interesse sein.“

Abraxas nickte wissend. „Sicher“, sagte er leise. „Aber mein Ziel ist nicht Meantoris“ Velcons Augen weiteten sich. „Ich bin nur hier wegen Yenath. Niemanden sonst, solange es sich vermeiden lässt, will ich Meantoris nicht begegnen“, erklärte der Vampir gelassen und beobachtete höchst erfreut, wie der Magier zunehmend die Kontrolle über seine Gesichtszüge verlor.

„Aber Lilith sagte, dass…“

„Liliths Ziele sind nicht die Meinen.“ Kain begann zu grinsen. Damit hatte der Mistkerl wohl nicht gerechnet. Spöttisch hob Abraxas den rechten Arm und deutete einen Gruß an. „Vielen Dank für das Hineinbringen, aber ab hier trennen sich unsere Wege. Geh du ruhig und töte Meantoris. Ich wäre der Letzte, der sich beschwert, aber ich habe meine eigene Rechnung zu begleiten“, sprachs, drehte dem Magier den Rücken zu und ließ ihn stehen.
 

Velcon folgte ihm tatsächlich nicht, als sich Abraxas seinen Weg zurück durch die Rauchverdunkelten Gänge suchte. Er wusste noch immer nicht genau, wohin er sich eigentlich wenden sollte. Solange er Velcon gefolgt war, hatte er zumindest eine ungefähre Richtung gehabt, aber nun? Doch da war plötzlich dieses eigenartige Gefühl in ihm, eine leise Stimme, die ihn fordernd zu sich rief - vertraut und doch fremd, gewohnt doch lange vergessen. Abraxas wusste nicht, was er davon halten sollte, nur fühlte er sich außerstande diesem Drängen in ihm nicht nachzugehen.

Unsichtbare Fäden zogen ihn, während er wie ein Schlafwandler durch die Flure wanderte. Wusste nicht mehr woher er kam, noch wohin sein Weg führen sollte. Doch es zog ihn immer weiter, immer tiefer in das Herz der Verwüstung.

Ein erstickter Hilferuf ließ ihn plötzlich aufhorchen und nach vorne hasten. Diese Stimme - das war. Abraxas rannte den Gang entlang, dem Laut entgegen. Ein weiterer Hilferuf erklang, ein Flehen in Ruhe gelassen zu werden. Abraxas Verstand begann schneller zu arbeiten, diese Stimme - er kannte sie, konnte sie zuordnen, war sie ihm doch so vertraut und so lange vermisst. Aber das konnte nicht sein.

Er hetzte um die nächste Ecke. Dann sah er sie. Zwei Gestalten, die eine kniete am Boden, den Blick gesenkt, hielt sich ächzend die Seite. Zwischen den Fingern quoll dickflüssiges Blut hindurch und obwohl es um sie herum nicht leise war, hörte Abraxas jeden Blutstropfen, der zu Boden fiel, wie einen Paukenschlag hernieder stürzen. Der andere, einer von Liliths Kriegern thronte über dem Knienden und hielt sein blutiges Schwert fest in der rechte Hand umschlossen.

Dem Vampir blieb keine Zeit mehr die Situation völlig zu überblicken. Als der Krieger sein Schwert hob, stürzte er nur noch nach vorne, fuhr seine Krallen aus und rammte sie dem Kämpfer ohne Vorwarnung in den Rücken. Unglaube zeigte sich in den Augen, die Abraxas musterten, bevor das Licht sie verließ und der Mann sanft zu Boden sank. Der Vampir verstand ja selbst nicht genau, was er hier eigentlich tat.

Am Boden erklang ein erschrockener Schrei, als der Krieger plötzlich genau vor den jungen Mann aufprallte, der angsterstarrt noch immer dort unten hockte. Gehetzt sah er zu seinem Retter auf. Abraxas Blick lag starr auf ihm. Er wagte nicht zu blinzeln Fassungslosigkeit griff um sich. Das gleiche blonde Haar, dass leise Wellen schlug und in dem die Sonne selbst gefangen schien. Der gleiche Blick, der ihn nun verwundert musterte - die gleichen Augen, die so oft im Streit erzürnt waren.

„Herr?“

Die selben, schön geschwungen Lippen, des selben Mundes, der mit der gleichen Stimme sprach und ganz genau das gleiche Gesicht. Das gleiche Gesicht.

Das konnte nicht sein. Abraxas schüttelte entgeistert den Kopf und wich zurück.

„Aber… das. Du!“

Der Blonde hob verwundert die Augenbrauen.

„Das kann nicht sein. Du…“

Abraxas konnte den Blick nicht abwenden - das gleiche Gesicht.

„Du warst tot, Ensyis.“

Ian

Ian
 

*Das ist er nicht, Abraxas. Schau richtig hin.*

Der Vampir blinzelte verwirrt. Was sagte Kain da? Das sollte er nicht sein? Aber – aber, er saß doch vor ihm - genauso wie er ihn in Erinnerung hatte.

*Täusch dich nicht selbst. Schau richtig hin! Das ist er nicht.*

Der Blonde richtete sich verunsichert auf und musterte Abraxas scheu. Er hielt sich noch immer die Seite. Sein Obergewand war zerrissen und blutbeschmiert. Nacktes Fleisch schimmerte zwischen den Fingern hervor. Der Junge war aschfahl und doch war selbst die Art, wie er sich ächzend gegen die Wand lehnte, um Kraft zu schöpfen, den Blick halb gesenkt, aber die Lippen störrisch aufeinander gepresst - genauso wie es Ensyis immer getan hatte. Alles an ihm war Ensyis und er sollte es nicht sein?

Abraxas wusste nicht, was er von all dem halten sollte. Er wusste, dass der Jäger tot war. Er selbst hatte seine leblose Hülle vor sich liegen sehen. Der seelenlose Leib, dem die Wärme entwichen war, die schönen Augen für immer vor dem Leben verschlossen - konnten ihn seine Augen, seine Erinnerung denn so täuschen? Vorsichtig machte er auf den jungen Mann einen Schritt zu, hob die Hand und wollte ihn an den Schläfe berühren. Im letzten Moment hielt er inne. Und wenn es doch nur eine Illusion war? Wenn er ihn berührte würde der Zauber verfliegen und Ensyis wäre wieder so tot, wie er ihn in Erinnerung hatte.

Der Blonde wich nicht zurück, gebannt hing er an Abraxas Zügen. Noch immer spiegelte Furcht in seinem Antlitz und doch mischte sich sachte Faszination darunter. Wer war dieser Fremde? Blaue Haare - wie eigenartig. So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen. Er war diesem Vampir nie zuvor begegnet. Da war er sich sicher und doch hatte er etwas an sich, das ihm vertraut erschien. Eine kleine Nuance, in dem körpereigenen Geruch des Fremden, die er irgendwo schon einmal aufgenommen hatte. Und gleichzeitig war er ihm doch völlig unbekannt. Er kannte ihn nicht. Kannte ihn nicht und doch hatte er ihm zweifelsohne das Leben gerettet, einfach so, aus dem Nichts heraus.

Für die Beiden schien die Zeit still zu stehen. Weder hörten sie die fernen Kampfgeräusche, die dumpfen Schläge aufeinander prallender Waffen, Körper, die zu Boden fielen und das zischende Plätschern spritzenden Blutes. Auch vernahmen sie nicht das knisternde Feuer um sie herum – die gierigen Flamen, die nach den Vorhängen lechzten, Holz zerfraßen und hässliche Löcher zurück ließen. Niemand roch den Gestank verbrannten Fleisches, niemand hörte das Aufseufzen gebrochener Seelen, die zum Himmel eilten, niemand. Sie hörten nichts und schwebten einen Augenblick nur ganz alleine in ihrer eigenen Welt – fernab von den Gräueln der Realität, weit weg im Land der Illusion, gehüllt in den sanften Mantel der Erinnerung.

„Wer seid ihr, Herr?“, fragte der junge Mann fasziniert, schlug die roten Augen nieder und der Zauber zerbrach augenblicklich. Abraxas wich ächzend zurück, hielt sich eine Hand vor den Mund, während sein Blick, wie irre über den Jungen hetzte.

„Du bist ein Vampir!“, keuchte er entsetzt. In Abraxas’ Inneren krampfte sich eine kalte Hand um seine Eingeweide, schien sie heraus reißen zu wollen. Wie hatte er das übersehen können? Rote Augen – Hektisch trat er an ihn heran, strich ihm grob eine Haarsträhne beiseite. Der Blonde wich erschrocken zur Seite und krümmte sich stöhnend zusammen – die Seitenverletzung hatte er völlig vergessen.

Den blauhaarigen Vampir kümmerte es nicht. Voller Abscheu fixierte er die spitzen Ohren, die unter dem blonden Haar zum Vorschein gekommen waren und auch seine Aura, dunkel und verzerrend, wie bei jedem Vampir. Wie hatte er ihn nur für einen Menschen halten können? Angewidert wich er zurück. Wie konnte das sein? War Ensyis gar nicht tot gewesen? Hatte ihm Yenath kurz vor der Hinrichtung etwa von seinem Blut zu trinken gegeben?

*Das ist Unsinn Abraxas. Und das weißt du*, schimpfte Kain und übernahm einen kurzen Moment die Kontrolle über den gemeinsame Körper.

„Wie heißt du, Junge?“, wollte er wissen. Seine Stimme klang kühl, verscheuchte noch den letzten Zauber der lieblichen Verwirrung und auch der blonde Vampir fand den Weg in die Wirklichkeit zurück.

„Ian, Herr“, murmelte er erschrocken und verbeugte sich hastig. Plötzlich begann er zu zittern. „Entschuldigt bitte! Ich weiß, dass es mir untersagt ist einfach mein Zimmer zu verlassen, aber auf einmal war überall Lärm und es brannte.“

Ian sah auf und Abraxas erhaschte einen Blick auf unendlich traurige Augen in denen Angst regierte. Aber schon konnte er Abraxas kühlen Blick nicht mehr standhalten und der junge Vampir sah hastig wieder zu Boden. Der Moment war zu schnell vorbei gewesen, als dass Abraxas etwas klar erkennen hätte können, aber er glaubte doch so etwas wie Resignation in seinen Augen ausgemacht zu haben und - tiefe Verzweiflung. Ensyis Augen hatten niemals einen derartig gequälten Ausdruck gehabt. Jetzt da er ihn länger und genauer betrachtete erkannte er auch immer mehr Unterschiede. Ian trug die blonden Haare viel länger als Ensyis. Er war nicht dick – aber trotzdem stämmiger, als der gertenschlanke Ensyis und, was Abraxas jetzt besonders auffiel, der blonde Vampir war kleiner und auch jünger als es der Freund zum Zeitpunkt seines Todes gewesen war.

Ian ging ihm gerade so bis zur Schulter und schien kaum älter als achtzehn Sommer zu sein. Wie eigenartig, denn trotzdem blieb es das selbe Gesicht und die selbe Stimme mit der er nun auch sprach: „Bitte bestraft mich nicht.“

Abraxas horchte verwirrt auf. Ian schien die ganze Zeit gesprochen zu haben, ohne dass er es bemerkt hatte. Endlich riss er sich zusammen, straffte sich und zwang sich, sich seiner Umgebung und der Realität wieder voll bewusst zu werden. Schlagartig kehrte die Hitze des Feuers zurück, das Knistern und das ferne Schreien vom Burghof her. Abraxas machte einen Schritt zurück und stieß mit den Fuß gegen die blutverschmierte Klinge des gefallenen Kriegers.

„Ich tu dir nichts“, hörte er sich zu seiner eigenen Verwunderung, ebenso wie Kains, sagen.

*Nein, tust du nicht?*, fragte Kain nach. *Entschuldige bitte, wenn ich was verpasst habe, aber. Er – Vampir, offensichtlich in einem miesen Zustand. Du – seit Jahren mit nichts anderem beschäftigt, als Vampire umzubringen. Erkennst du den Fehler?*

Abraxas ignorierte ihn, verschränkte stattdessen die Arme und musterte Ian weiterhin skeptisch. Irgendetwas stimmt nicht und das war nicht nur die Tatsache, dass der Blonde seinem toten Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten war. Abraxas war nie zuvor einem Vampir mit so wenig Selbstbewusstsein begegnet, wenn er die eigene Person einmal außen vor ließ. Aber das lief außerhalb der Wertung und war seit langer Zeit vorbei.

Ian hingegen schien sich endlich wieder ein bisschen zu fassen. Er lehnt an der Wand hinter ihm und hielt sich so gut es möglich war fest - es schien ihm schwer zu fallen alleine aufrecht zu stehen, aber das Zittern hatte nachgelassen, wenngleich seine gebeugte Haltung immer noch von tiefer Verunsicherung und Angst zeigte. Ian hob kaum den tief zwischen den Schultern versteckten Kopf, als er fragte: „Was geschieht denn nur?“

Und wieder antwortete Abraxas nicht auf die Frage des jungen Vampirs. Stattdessen wollte er wissen: „Wie alt bist du?“

Mit dieser Frage schien der blonde Vampir nicht gerechnet zu haben, denn er runzelte irritiert die Stirn, als er antwortete: „Etwa fünzig Jahre, Herr.“ Ratlos zuckte er mit den Achseln „Ich weiß es nicht genau.“

Abraxas schwieg nachdenklich. Fast doppelt so alt, wie er selbst und Ensyis war sogar noch jünger gewesen. Das räumte nun auch die letzten Zweifel beiseite. Bei Ian konnte es sich unmöglich um seinen toten Bruder handeln und auch eine eventueller Zwilling von dem Abraxas bisher nichts gewusst hatte, schloss sich somit vorne herein aus. Und trotzdem. Nur ein flüchtiger Blick in Ians verstörtes Gesicht reichte aus um sämtliche Zweifel wieder allgegenwärtig zu machen. Sie sahen sich zu ähnlich.

Ruckartig wandte er sich ab, ließ den Vampir stehen und trat mit dem Fuß nach einem umgefallenen Sessel, der ihm im Weg lag. Die Hitze um die Beiden herum war mittlerweile schier unerträglich geworden, wenn er noch länger wartete würde er nicht mehr weiter kommen. Dann hätten ihn die Flammen vollends eingeschlossen.

„Wo wollt ihr hin?“, fragte Ian verwundert und Abraxas blieb erneut stehen, drehte sich halb um und warf ihm einen kühlen Blick zu, unter dem der Blonde erschrocken zusammen zuckte. Er schien allen verbliebenen Mut zusammenkratzten zu müssen um weiter zu sprechen. „Dort geht es nur tiefer in die Burg hinein“, sagte er leise. Seine Augen schweiften unsicher auf den Boden und hoch zu Abraxas und wieder auf den Boden, als erwartete er jeden Moment von ihm harsch unterbrochen zu werden. Aber Abraxas schwieg nur und wartete, wodurch Ian tatsächlich den Mut fand noch etwas hinzufügen. „Außer Lord Meantoris und Lord Yenath ist dort niemand mehr. Ich komme von dort.“

Abraxas horchte auf und drehte sich nun vollends wieder zu Ian um. „Du... kennst Yenath?“, fragte er lauernd, bereute seinen Tonfall aber im nächsten Moment schon, als Ian noch einmal ein ganzes Stückchen kleiner wurde, als er hastig nickte. Was war denn mit diesem Kerl nur los? Fünfzig Jahre alt und in dieser Zeit keinen Funken Selbstbewusstsein entwickelt?

*Und ich dachte, du wärest schlimm gewesen*, lachte Kain abfällig, aber Abraxas konnte darauf nur zustimmend nicken. Ian warf wirklich jegliche Vorstellung von einem normalen Vampir über den Haufen. Konnte es am Ende sein, dass er ebenso noch seine Seele besaß, wie Abraxas selbst? Die letzte Frage sprach er laut aus, ahnte die Antwort aber bereits als sich Ians Gesicht einmal mehr verstört verzog.

„Natürlich nicht“, antwortete er leise. „Wie kommt ihr darauf?“

Aber auch darauf erhielt er keine Antwort und wagte es nicht ein zweites Mal zu fragen. Abraxas musterte ihn abschätzend, dann schlug er die Augen nieder – war auch egal. „Yenath ist noch im Gebäude?“, fragte er stattdessen und Ian nickte schüchtern.

„Ja, in Lord Meantoris Turm. Sie wollten auf jemanden warten.“

Oha... also rechnete man doch mit seinem Kommen. Abraxas seufzte innerlich. Musste er Meantoris doch gegenüber treten? Hoffentlich war der Magier bereits tot – er konnte keinen Klotz am Beine gebrauchen, der ihn noch zunehmen behinderte. Meantoris war gefährlich genug.

„Verschwinde von hier und lauf soweit weg, wie du kannst“, sagte Abraxas und wandte sich endgültig zum Gehen „Diese Nacht wird niemand überleben.“

Ohne ein weiteres Wort machte sich Abraxas daran noch tiefer in das Gebäude einzudringen. Er ignorierte den verwirrten Blick, mit dem ihm Ian hinterher sah und es interessierte ihn auch nicht mehr, als der Blonde sich tatsächlich eilig umdrehte und davon lief. Er wusste nun wohin er musste. Meantoris Turm.
 

*War das klug?*, fragte Kain nach einer kleinen Weile, in der Abraxas sich seinen Weg durch brennende Flure und dichten Qualm gebahnt hatte.

„Was?“ Abraxas trat nach einem heruntergefallenen Holzbalken, der unter lauten Krachen den Gang entlang schlitterte und weitere Einrichtungsgegenstände mit sich riss. Glühenden Funken wirbelten vor seinem Gesicht nach oben und der Vampir kniff erschrocken die Augen zusammen, als er spürte wie sich die Enden seiner Wimpern unter der Hitze kräuselten.

*Warum hast du ihn gehen lassen?*

Der Vampir zuckte mit den Achseln und machte einen Satz über einen liegengelassenen Toten hinweg. Man konnte nicht einmal mehr erkennen ob es sich um einen Vampir oder einen von Liliths Kriegern handelt, so entstellt war der schwarz verkohlte Leichnam.

„Spätestens auf dem Hof bringt ihn jemand um“ Abraxas hustete schwer, als schwarzer Qualm in seine Lungen drang. „Ich wollte keine Zeit verlieren.“

*Dafür hast du dich erstaunlich lange mit ihm unterhalten*, meinte Kain ungerührt. Abraxas schwieg und konzentrierte sich lieber auf den brennenden Gang vor ihm. Folgte er noch dem richtigen Weg? Kain ließ sich davon aber nicht abhalten weiter zu sprechen.

*Ich kann ja verstehen, dass dich sein Äußeres verunsichert hat, aber wenn du jetzt jeden Vampir ziehen lässt, der die selbe Nase wie Ensyis hat, kannst du deinen Ruf vergessen.*

„Könnten wir das vielleicht später klären?“, fragte Abraxas genervt und sprang hastig zur Seite, kurz bevor ein riesiger Türflügel knarrend zusammenbrach - eben auf die Stelle, an der Abraxas so eben noch gestanden hatte. „Ich bin gerade etwas beschäftigt“

*Oh das sehe ich – keine Bange. Vorsicht, abgebrochener Fensterrahmen* Abraxas wich ihm aus. *Aber mir ist gerade so langweilig – du läufst ja nur und es interessiert mich schon warum du gerade jetzt deine weiche Seite entdeckst. Dir ist klar, dass du gleich deinem schlimmsten Feind gegenüber stehst?*

Abraxas schwieg beharrlich.

*Diese Nacht wird niemand überleben, hast du gesagt. Meinst du das ernst?*

Erst schien es so, als wollte der Vampir nicht antworten, dann aber fragte er doch äußerst langsam und gedehnt. „Worauf willst du hinaus?“

*Suchst du den Tod?*

„Nein“, antwortete Abraxas, eine Spur zu heftig um überzeugend zu wirken. Er spürte wie Kain fragend eine Augenbraue hob. „Ich werde Yenath umbringen – wenn das mein Tod ist, soll es so sein, aber ich gehe nicht alleine.“

*Ist es das wert?*, fragte Kain leise. *Was wird Shantel dazu sagen?*

Abrupt hielt der Vampir in seiner Bewegung inne und wäre um ein Haar von einem herabstürzenden Wandteppich getroffen wurden, hätte er nicht noch einen reflexartigen Ausfallschritt zurück gemacht. So streiften ihn nur der kleinste Teil an der Schulter, welcher aber auch genügte um sich in den starren Ledermantel hineinzubrennen. Hastig wischte er die verbliebenen Glutfunken von seiner Kleidung und ignorierte den stechenden Scherz der sich in seine nackten Handrücken brannte.

„Willst du mich zum Umkehren bewegen?“, fragte Abraxas lauernd und erhielt eine Antwort aus einer völlig anderen Richtung, als er erwartet hatte.

„Dafür ist es ein bisschen spät.“ Der Magier wartete kaum mehr zehn Schritte von ihm entfernt vor einem Treppenzugang. Obwohl auch Velcon von flammenden Mobiliar nur so eingekesselt war, erreicht ihn doch keiner der umherfliegenden Funken, Sie zerstoben bevor sie ihn erreichen konnte, auch die Flammen leckten nur zögernd an seinen Ärmeln, konnten ihm aber nicht anhaben. Selbst der überall umherwabernde schwarze Qualm machte einen weiten Bogen um den weißhaarigen Riesen. „Meinst du nicht?“

Abraxas verzog abfällig das Gesicht. Der schon wieder. „Wolltest du nicht zu Meantoris?“ , knurrte er leise und bewegte sich langsamer, als es ihm möglich gewesen wäre auf Velcon zu. Der nickte ruhig und bedachte Abraxas mit einem spöttischen Lächeln. „Ja, aber ich hielt es für angebracht noch auf dich zu warten. Deine glorreichen Rachepläne muss ich unbedingt aus nächster Nähe beobachten.“

Abraxas Gesicht wurde noch finsterer, als es eh schon war – woher wusste der Kerl das schon wieder? Aber er stellte diese Frage nicht. Es wäre eh sinnlos gewesen Velcon hätte nicht geantwortet. Stattdessen drehte er sich zu dem Treppenaufgang. „Komm her“, forderte er und Abraxas tat ihm den Gefallen, wenngleich mit einer derart bösen Grimasse, die manchen starken Mann ob des bloßen Anblicks in die Flucht geschlagen hätte. Velcon hielt diesem Blick ungerührt stand.

Das Treppenhaus brannte lichterloh. Die Stufen waren kaum mehr vorhanden, Schwarzrote Glut säumte den Weg nach oben. Holzbalken und Geröllsteinen waren aus den Wänden herausgebrochen und hinabgefallen, versperrten den Weg noch zunehmend. Und dort sollten sie entlang?

„Wir müssen einen anderen Weg suchen“ Abraxas wollte sich schon zum Gehen wenden, als ihn Velcon mit einer harschen Geste zurück hielt.

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist der schnellste Weg.“

Was im nächsten Moment geschah, würde Abraxas eine lange Zeit nicht mehr aus dem Kopf heraus gehen und ihn noch häufig nachts in seinem Schlaf verfolgen sollen. Velcon trat ohne Vorwarnung mitten in die Flammen hinein und wurde sogleich gänzlich von ihnen verschlungen. Dem Vampir entfuhr ein ersticktes Keuchen als er nach vorne hechtet und mitten in die Flammen hinein griff um den Magier wider besseren Wissens herauszuziehen. Aber der feurige Schmerz auf den er sich bereits vorbereitet hatte, blieb aus. Stattdessen griff seine Hand ins Leere, nur um im nächsten Moment Velcons unversehrte Kleidung zu ertasten. Der Magier lächelte spöttisch. „Vielen Dank – aber eine Rettung wird nicht vonnöten sein.“ Velcon griff nach Abraxas Arm und zog ihn mit sich. „Komm.“

Der Vampir verstand nicht wirklich was geschah. Um sie herum waren noch immer Flammen und als er einen Blick zurückwarf, stellte er fest, dass sie sich hinter ihnen auch sofort wieder zu einer undurchdringbaren Flammenwand schlossen. Er spürte die Hitze, das schier unerträgliche Brennen auf seiner Haut. Die Luft die zu heiß und schwer zum Atmen war. Sie mussten in dieser Flammenhölle sterben, alles andere war völlig unlogisch, aber sie taten es einfach nicht. Stattdessen führte ihn Velcon sicheren Schrittes die Treppe hinauf. Die Flammen teilten sich um ihn strichen sacht über seinen Körper, konnten ihm aber nichts anhaben ebenso wenig wie Abraxas selbst. Erst nach dem sie wieder sicheren Boden unter den Füßen hatten – Stein und kein schwellendes Holz, ließ Velcon ihn los. Verunsichert sah Abraxas zurück. Wie zur Provokation stürzte das Treppengemäuer in diesem Moment gänzlich in sich zusammen, versperrte den Weg zurück und schimpfte jede Behauptung dass sie noch eben diese Stufen hinaufgeklettert waren Lüge.

„Komm, es ist nicht mehr weit“

Nur mühsam gelang es Abraxas seinen Blick abzuwenden. Velcons Stimme war ihm wie von sehr weit weg vorgekommen. Der Blick mit dem er den Magier nun maß war noch immer voll tiefer ehrlicher Abneigung und doch mischte sich nun zum ersten Mal so etwas wie leise Anerkennung darunter. Der Magier nahm es gelassen hin, sagte nichts dazu und wand sich zielsicher nach links. Abraxas folgte dem Gang mit den Augen und blieb an einer riesigen Schwingtür haften. Unverkennbar – er kannte diese Symbole. Meantoris hatte sie auch an seinem alten Ratssaal anbringen lassen. Sie waren da.

Abraxas atmete noch einmal tief durch, bevor er sich straffte und rasch zu Velcon aufschloss. Eigenartigerweise war hier oben kaum Verwüstung vorzufinden, auch brannten nur spärliche Flammen aber das würde sich sicher bald ändern. Es war nur eine Frage der Zeit bis das Feuer aus dem zerstörten Treppengang auch auf diese letzten Schutzzone übergriff und alles zerfressen würde, wenn nicht gleich der ganze Turm einstürzte.

Kain fragte sich leise, wie sie denn – gesetzte dem Fall – sie würden den bevorstehenden Kampf überleben, jemals wieder aus dieser verfluchten Burg entkommen sollten? Aber weder Abraxas noch Velcon schienen sich darum jetzt noch Gedanken zu machen. Entschloßen traten sie an die riesige Tür heran und Velcon legte noch vor Abraxas eine Hand auf das kunstvollverzierte Holz. Es riss die Tür entzwei.

Abraxas riss die Arme nach oben um sich vor dem mörderischen Splitterflug zu schützten und sprang mit einem gewaltigen Satz durch den entzweigerissenen Torbogen. Er brauchte keinen Augenblick um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Seine hochentwickelten Vampirsinne und Kain gaben ihm auch so einen absolut exakten Überblick der Lage. Mit einem Schrei, der nicht von dieser Welt war, hetzte er nach vorne auf Yenath zu, der lässig neben Meantoris an den dessen Thron lehnte. Abraxas fuhr seine Krallen aus, sprang und hätte den Braunhaarigen Vampir mit einem entschlossen Schlag auf der Stelle enthauptete wäre der noch dort gewesen wo er eben gestanden hatte. Der Vampir schlug ins Leere, hatte aber keine Zeit mehr sich zu wundern, als ihn auch schon ein mit unmenschlicher Kraft geführter Schlag in die Magengrube traf. Ächzend entwich sämtliche Luft aus Abraxas Lungen, ließ ihn augenblicklich sämtliche Körperspannung verlieren und er wäre haltlos zu Boden gestürzt, hätte ihn nicht sofort jemand an den Haaren gegriffen und brutal herum gezerrt. Abraxas konnte gar nicht so schnell begreifen, wie er einem nassen Sandsack gleich zurückgeschleuderte wurde und gegen Velcon prallte. Mit einem dumpfen Aufschlag gingen beide Männer zu Boden.

„Na na na…” Abraxas Augen weideten sich kaum merklich, als er die schnarrende Stimme seines ehemaligen Meisters vernahm, der sich nun majestätisch aus seinem Thron erhob. „Yenath, Abraxas. Ist das denn eine Art mit seinem Bruder umzugehen?“



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Kommentare zu dieser Fanfic (59)
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Von:  Cleo-San
2007-12-31T10:57:45+00:00 31.12.2007 11:57
Warum zum heiligen Truthahn ist das Kapitel ausgerechnet HIER zuende?! ;____;" *rumzappel* Weiter! ;O; BITTE!
Von: abgemeldet
2007-06-13T14:25:45+00:00 13.06.2007 16:25
oh mein gott oh mein gott!!!!!!!!!!!!!!!!
*ausrast*
O,.O'
damit hätte ich nun NIEMALS gerechnet!!!!!!!!!!!!
verdammt kannst du gut schreibn xDDD

und so spannden T___T
wenn du diesmal so lange brauchst zum weiterschrieben dann schlag ich dich ;O;

boah das is so....boah! schreib weiter! T_______________T
Von:  il_gelato
2007-06-06T11:02:50+00:00 06.06.2007 13:02
Damit (dem Ende) hätte ich nun gar nicht gerechnet..... Aber ich finds gut, irgendwie.

Wie immer ist dein Schreibstil ausdrucksstark und sehr bildhaft (Velcon = Frosch) und ich könnte dich dafür "küssen", dass du es endlich nach so langer Zeit geschaft hast wieder etwas hochzladen.
Und wenn du das nächste mal wieder solange brauchst, werde ich dich immer mehr terrorisieren. XD

Schreib schnell weiter!!!!!!!!!!!!!!!
Von: abgemeldet
2007-01-04T02:19:06+00:00 04.01.2007 03:19
Ahhhh, oh nein, ich hab falsch geklickt. Gomen nee... Also weiter. Es sind ein zwei Tippfehler drin (wie bereits angesprochen wurde), aber nix Gravierendes.
Was die Länge angeht: Ich bin mir da unschlüssig. Einerseits finde ich es etwas kurz. Andererseits muss man aber auch nicht so endlos lange lesen, um das Kapitel fertig zu bekommen. Hm... An eine Stelle habe ich übrigens einen totalen Lach-Flash bekommen:
»Jetzt war es die Kraft seiner eigenen Beine, die ihn nach vorne trug. Erstaunt bemerkte er noch wie schnell er war, dann wurde sein Verstand urplötzlich in einem wogenden Strom voller Gier und Lebenswille hinfort gespült. Die Augen des Vampirs sprühten rote Funken, während er, in einer mörderischen Geschwindigkeit, weiter auf den Wald zu hetzte.«

Da musste ich plötzlich an einen kleinen Speedy-Abraxas denken, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit oder Road-Runner-Qualität durch die Prärie rennt! Ich weiß nicht, ich kam mir vor wie bei den Looney Tunes. *lach* Sorry, ist nicht böse gemeint, war nur meine eigene kranke Fantasie.

Mir fällt eigentlich gerade nichts auf, was man sonderlich verbessern könnte, außerdem ist die Story ja eig. schon alt, daher bringt es eh nicht viel. Hoffe, du freust dich trotzdem über'n Kommi. ^-^ (Ich find es übrigens erstaunlich, dass die FF so wenig Kommis hat. Aber na ja, ist halt mexx. Hier wird meist anderes gelesen... Schade eigentlich!) Bye,

Autumn Eve
Von: abgemeldet
2007-01-04T02:11:05+00:00 04.01.2007 03:11
So, hab es jetzt endlich mal geschafft, das zweite Kapitel zu lesen, nachdem sich die Story schon ein paar Tage lang unter meinen Favouriten tummelte. (Wollte sie erstmal markieren, damit ich sie wiederfinde...)

Ich liebe deinen Schreibstil! ^-^ Gefällt mir unheinmlich gut... N
Von: abgemeldet
2006-09-08T09:57:02+00:00 08.09.2006 11:57
Boah, ich hab jetz innerhalb von zwei Nächten alles durchgelesen. echt spitze, die Story, ich hoffe du schreibst noch weiter, aber sieht so aus =)
Also auf jeden Fall riiiiiiiiießenlob, du solltest glatt mal an nen Verlag gehn :-)
Ich werd hundertpro m,al öfter reinschaun, und hoffen das ein neues chap da ist =)
weiter so! *winkz*
Von:  Duke_Poem
2006-07-31T14:40:29+00:00 31.07.2006 16:40
Ojaaa, endlich wieder neue Kapitel da! *froi*
Tja, der Schreibstil ist immer noch genial und hat sich nicht verschlechtert und nach dem Lesen bekommt man so eine Aufbruchsstimmung. Ich fands niedlich, als Kain Yuu 'umarmt' hat und dieser am Ende dann doch mitkommen konnte.
Um Karin hab ich irgendwie nicht getrauert... *ich böses Mädchen*
Aber diese Eifersuchtsgeschichte zwischen Abraxas, Shantel und Velcon find ich ganz lustig, nur kommt mir Velcon wie ein alter Opa vor.
Jedenfalls warte ich schon mal geduldig auf das nächste Kapitel. ^^

MfG, das kleine Mädchen
Von: abgemeldet
2006-07-29T09:43:24+00:00 29.07.2006 11:43
Halloooooo
ich bins mal wieder !!^^
hey ich war total erstaunt, dass das neue Kapitel so schnell oben war, hab mich richtig arg gefreut!!
Also...ich finds süß das Yuu doch mit will...hät ihn bestimmt vermisst wenn er nicht mehr da gewesen wär...
Außerdem ists mit ihm viel lustiger!!^^
Ich finde diesen Velcon ein bisschen merkwürdig....man weiß nicht genau was er will oder was er mit diesen ganzen Geschehnissen zu tun hat...
Ach ja ich fand süß das Abraxas eifersüchtig war....^^
naja ich hoffe du schreibst schnell wieder weiter... freu mich schon aufs nächste Kapitel
Lg Kleines
Von: abgemeldet
2006-07-19T14:58:33+00:00 19.07.2006 16:58
Halllooooooooo
Endlich gibts wieder n neues Kapitel...hab schon ewig gewartet *gg*...war nid böse gemeint..
aufjedenfall wars am anfang n bisschen komisch wieder weiter zu lese nachdem lange nix mehr kam..aber da das Kapitel so gut war gings schnell
ähm..hab noch ne Frage..wer genau ist dieser Velcon?? wurd des schon gesagt und ich habs einfach vergesse..oder isch des unbekannt??
Und was genau ist jetzt mit Karin und Lelis..die sind doch Zwillinge oder?? und was hat Lilith damit jetzt zu tun und Valcon??
Hoffentlich gehts bald weiter
freu mich schon *gg*
Liebe Grüße Kleines
Von:  Duke_Poem
2006-05-20T13:09:11+00:00 20.05.2006 15:09
*fertig is mit lesen* Ja, das Ganze hat eine sehr interessante Wendung genommen. Du hast deinen genialen Schreibstil gut beibehalten und es kommt mir wirklich so vor, als würde ich in einem Buch lesen, ein sehr tolles und spannendes Buch! ^-^ Wah, schade, dass es bei der spannendsten Stelle wieder abbricht. Ich will mehr davon!
Obwohl ich fand es schon schade, dass einer der Charaktere sterben musste. ;___; *schnief*
Von Xenon kam da auch nichts mehr, oder wird sie nochmal auftauchen?
Jedenfalls sind mir Yuuryon und vor allem Abraxas und Kain ans Herz gewachsen und ich will unbedingt wissen, wie es weitergeht! Vielleicht tauchen ja noch weitere Charas auf...?
Aber was solls? Fleißig weiterschreiben, ja? *daumen drück*

Tio-san


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