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Oh Tannenbaum

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier kommt eine kleine Kurzgeschichte von mir, in der es um das Thema Weihnachten geht. Ich hatte viel Spaß sie zu schreiben und ich hoffe, ihr habt genauso viel Spaß beim lesen. :) Komplett anzeigen

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Oh Tannenbaum

Atemu mochte den Winter mit seiner klirrenden Kälte absolut nicht und er verkroch sich in der kalten Jahreszeit lieber unter einer warmen Decke, eingekuschelt auf der Couch mit einem warmen Kakao oder einem Tee. Doch im Dezember machte er gerne eine Ausnahme, denn dieser eine besondere Monat im Jahr hatte seinen ganz eigenen Zauber.
 

Nicht nur die Menschen waren viel fröhlicher als sonst, es war die gesamte Atmosphäre mit ihrem einnehmenden Wesen. Die Innenstadt leuchtete in der Dunkelheit wie in einem bunten Lichtermeer.

Selbst die Geschäfte waren viel freundlicher mit ihren weihnachtlichen Angeboten und besonders der Weihnachtsmarkt hatte es Atemu angetan, der in diesem Jahr in der Nähe des Parks stattfand.

Vor ein paar Tagen fielen die ersten Schneeflocken und brachten einen frühen Wintereinbruch mit sich. Alles war in eine weiße Pracht gehüllt und durch die frostigen Nächte glitzerte der Schnee wie in einem Märchen.

Schon immer liebte Atemu dieses Fest, doch gerade in diesem Jahr war es etwas ganz Besonderes für ihn. Zum ersten Mal feierte er mit der ganzen Familie und seinen Freunden. Zusammen mit Seto wollte er ein kleines Weihnachtsfest auf die Beine stellen, von dem weder sein Freund noch irgendein anderer wusste.

Was die Planung anging hatte Atemu bereits eine genaue Vorstellung und dafür brauchte er Hilfe. Seto würde ohnehin nicht ablehnen, davon war Atemu überzeugt.

Zu aller erst musste ein Weihnachtsbaum her und da der nächste Stand ein gutes Stück von ihrem Wohnhaus entfernt war, musste Seto ihn mit dem Auto hinfahren.

Deshalb spazierte Atemu geradewegs ins Wohnzimmer, in dem Seto über seinen Büchern hing und für die Uni lernte.
 

„Bist du soweit?“, fragte Atemu und tat so, als wüsste Seto Bescheid.

Seto nahm seinen Blick vom Buch schaute seinen Freund in die roten Rubine, die ihn ungeduldig anstarrten. „Was hast du angestellt?“

Beleidigt verzog Atemu das Gesicht. „Überhauptnichts! Wie kommst du darauf?“

Seto schaute wieder in sein Buch und suchte die Zeile, bei der er stehengeblieben war. „So schaust du immer nur dann, wenn du etwas ausgefressen hast.“

Die Augen verdrehend nahm Atemu das Buch an sich, welches Seto in den Händen hielt. „Ich brauche deine Hilfe, deshalb zieh dich an und komm mit.“

„Früher haben wir noch `bitte´ gesagt, wenn wir etwas wollten.“ Ohne viel Mühe eroberte sich Seto das Buch zurück und setzte sich wieder auf die Couch.

„Ich möchte einen Tannenbaum kaufen und ohne Auto bekomme ich ihn nicht transportiert.“, kam Atemu auf sein Anliegen.

Verwundert runzelte Seto die Stirn. „Wir haben erst in drei Wochen Weihnachten. Wenn du ihn jetzt kaufst, wird er ohne Ende nadeln. Du drehst die Heizung den ganzen Tag voll auf, das wird dein Baum nicht lange überstehen.

„So ein Blödsinn.“, winkte Atemu ab. „Wie immer willst du alles besser wissen. Lass mich doch einfach mal.“

Seto gab es auf. Gegen so viel Sturheit war kein Kraut gewachsen. Lieber konzentrierte er sich auf sein Lehrbuch.
 

„Wenn wir jetzt nicht zuschlagen, werden die schönsten Exemplare weg sein. Deshalb will ich gleich los.“, wurde Atemu drängender. Für seine Weihnachtsfeier brauchte er nun einmal einen Tannenbaum.

„Tut mir leid, aber ich habe heute keine Zeit. Frag deinen Vater ob er mit dir fährt.“

„Warum stellst du dich so an? Ich würde alleine fahren, wenn ich einen Führerschein hätte. Eine Stunde kannst du für deinen Freund doch wohl opfern, oder bedeute ich dir so wenig? Sind die Bücher dir etwa wichtiger?“

Seto stellte auf Durchzug. Bereits gestern hatte er Atemu gesagt, dass er den ganzen Tag in sein Studium investieren wollte, weil sein Freund ihn die Tage davor bereits eingespannt hatte. Heute ließ er sich nicht überreden, komme was wolle.
 

„Dann eben nicht.“, gab Atemu auf. Wutentbrannt verließ er die Wohnung und stampfte ein Stockwerk höher. Zurück blieb Seto, der sich neben dem Lernen schon mal eine passende Entschuldigung überlegte. Für gewöhnlich war Atemu nicht so anstrengend. Es musste etwas in der Luft liegen, vermutlich lag es an der Kälte.
 

Gerade wollte Atemu an die Tür seines Vaters klopfen, als diese aufsprang und ein abgehetzter Yasuo herausstürmte. „Was ist denn los, Papa?“

„Hab jetzt keine Zeit!“, rannte Yasuo an seinem Sohn vorbei.

„Warum denn nicht?“ Meine Güte, sah sein Vater fertig aus. Hatte er sich etwa mit Seth gestritten?

„Ich habe irgendeinen Jahrestag vergessen und nun muss ich etwas kaufen, damit Seth mir keine Szene macht. Er kann echt empfindlich sein.“

Oje, Seth hatte viele Ereignisse zu besonderen Tagen erklärt. Da würde keiner mehr mitkommen, es sei denn man führte einen peinlich genauen Terminkalender. „Da der Jahrestag im Dezember ist, kannst du drauf kommen.“, überlegte Atemu, während er hinter seinem Vater herging.

„Mir fällt es einfach nicht ein. Der erste Kuss, der erste Sex, das erste Mal Händchen halten, das erste Mal kuscheln, nicht zu vergessen unser erstes gemeinsames Frühstück bei dem ich nur kalten Kaffee hatte. Wer will sich bitte daran erinnern?“
 

Jetzt ging das schon wieder los. Die Liste war wirklich lang und Atemu kannte sie auswendig. „Dann viel Glück, Papa.“ Das war die nächste Pleite. Geknickt ging Atemu zurück in seine Wohnung, wo Seto seelenruhig dasaß und in sein dämliches Buch starrte.
 

„Du bist aber schnell zurück.“ Jetzt musste Seto aufpassen nicht in ein Wespennest zu stechen.

„Mein Vater hat seine eigenen Probleme und hat mich links liegen lassen.“

Belustig blätterte Seto eine Seite weiter. „Lass mich raten, ein besonderes Ereignis das Yasuo nicht in den Sinn kommen will? Mein Vater kann eben auch anstrengend sein. Warum sollte es nur mir so gehen?“

Eingeschnappt verschränkte Atemu die Arme vor der Brust. „Was willst du denn damit sagen?“

„Gar nichts.“ Das war jetzt doch zu viel.

„Ich kann auch alleine gehen. Als ob ich auf euch angewiesen wäre.“ Atemu zog sich seinen dicken schwarzen Mantel an, wickelte sich seinen weißen Schal um den Hals und schnappte sich seine warmen Handschuhe.
 

Leicht zuckte Seto zusammen als Atemu die Haustür ins Schloss krachen ließ. „Warum kann er nicht bis morgen warten?“
 

*
 

Mit dem Bus fuhr Atemu in die Innenstadt, den restlichen Weg dorthin musste er zu Fuß gehen. Alles in allem ein Katzensprung, wenn man nichts schweres schleppen brauchte. Nun musste Atemu zusehen wie er klarkam.

Wenigstens sah die Stadt durch den vielen Schnee viel freundlicher aus und wie bereits in der Nacht, fielen wieder zahlreiche Schneeflocken vom Himmel. Der Wetterbericht kündigte sogar einen Schneesturm an, der bis zum nächsten Tag anhalten sollte. Weiße Weihnachten waren auf alle Fälle gesichert, was für Atemu besonders wichtig war.

„Hey Atemu“, grüßte Joey seinen Kumpel. „Sag bloß du willst dir einen Weihnachtsbaum kaufen?“

Überrumpelt, weil Atemu nicht mit Joey gerechnet hatte, nickte er. „Sag bloß du arbeitest hier?“

„Na klar, gibt gutes Geld. Kann ich dir behilflich sein?“
 

Solange er Joey kannte, war dieser immer fleißig und nahm jede Arbeit an. „Nein, ich komme zurecht.“ Atemu hatte ganz spezielle Vorstellungen, wie sein Tannenbaum aussehen sollte und deshalb brauchte er sich nur umsehen.

„Lass es mich wissen, wenn du einen gefunden hast.“ Joey widmete sich einem anderen Kunden und half ihm bei der Auswahl.
 

Atemu schlenderte durch die grüne Pracht, von groß bis klein war für jeden etwas dabei. Zusammen mit Seto wäre es bestimmt schöner geworden, aber später konnten sie ihn gemeinsam schmücken. Dieser Gedanke stimmte ihn wieder fröhlich.
 

Es dauert nicht lange und Atemu entschied sich für eine zwei Meter fünfzig hohe Tanne, die mit ihrem intensiven Grün und dem dichten Nadelwerk überzeugte. Die und keine andere sollte es sein. Zwar schaute Joey ihn etwas seltsam an, als er den übergroßen Tannenbaum hinter sich her schliff, aber was sollte Atemu machen? Irgendwie musste er dieses Monstrum nach Hause bringen. Bis zur Bushaltestelle sollte er es schaffen und der Rest würde ganz einfach sein. Der Bus hielt fast vor seinem Wohnhaus und den Rest erledigte der Aufzug. „Ist er nicht toll?“

„Schon, nur etwas…groß, findest du nicht?“ Besonders gut konnte Joey seine Zweifel nicht verbergen. Eine kleinere Tanne hätte es seiner Meinung nach auch getan und ob er den riesigen Baum mit in den Bus nehmen durfte, stand auch in den Sternen.

„Er muss so groß sein, sonst sieht man ihn in unserem Wohnzimmer nicht. Er soll halt auffallen.“ Eine kleine Tanne kam nicht in Frage.

„Du musst es wissen. Komm heil zuhause an.“

„Ich pass auf, mach’s gut.“
 

So ein Baum war viel schwerer als Atemu dachte. Ein Schlitten wäre gut gewesen, um ihn darauf zu transportieren. Daran hätte er denken können und müsste sich jetzt nicht abrackern. Der kurze Weg wurde immer länger und die Tanne schwerer und schwerer. „Bald fallen mir die Arme ab. Seto hätte sich die Stunde Zeit nehmen können, dann müsste ich jetzt nicht…“ Je schwerer der Baum wurde, umso schlechter wurde Atemu’s Laune. Je mehr fluchte er.
 

Nach einer Ewigkeit stand Atemu außer Puste an der Bushaltestelle und löste den Schal von seinem Hals. Durch das Geschleppe schwitze er unerträglich und selbst der kalte Wind störte ihn nicht mehr. Auch vom Mantel wurden sämtliche Knöpfe geöffnet, während die Handschuhe in die Taschen getopft wurden. Plötzlich fühlte sich der sonst so verhasste kalte Wind, unglaublich wohltuend an.

„Das schlimmste ist geschafft.“ Bis jetzt lief es gut, auch wenn es anstrengend war und der Bus bog auch gerade in seine Straße ein.
 

„Willst du das Riesending etwa mit in den Bus nehmen?“, fragte ein älterer Herr verwundert.

„Natürlich!“, was für eine dumme Frage. Sollte er den Baum etwa bis nach Hause schleppen? Hatte halt nicht jeder ein Auto.

„Dann viel Glück, Kleiner.“

„Wenn der noch einmal Kleiner sagt, dann kann er was erleben.“ Mit roten Wangen, die nicht von der Kälte herrührten, versuchte Atemu das Ungetüm durch die offene Bustür zu bekommen.

Die arme Tanne büßte dabei einige ihrer schönen Nadeln ein, dennoch zerrte Atemu weiter an ihr, weil sie einfach viel zu breit war und sich scheinbar dagegen wehrte mitgenommen zu werden.
 

„Verzeihung, junger Mann.“, kam ein Busbegleiter auf Atemu zu. „Tannen in dieser Größe werden nicht mitgeführt.“

Atemu hielt inne und starrte den Mann an, als käme er vom Mond. „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst.“ Sein Gesicht nahm ein tiefes Rot an. Dieses Mal nicht vor Wut, sondern aus Scham. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet und so kletterte Atemu aus dem Bus und zog die schwere Tanne hinter sich her. Auf diese Peinlichkeit hätte er gut und gerne verzichten können.

„Jetzt muss ich doch laufen.“ Zu Fuß brauchte Atemu eine halbe Stunde. Mit einem großen Tannenbaum im Schlepptau brauchte er bestimmt noch länger. Es nützte nichts, ohne Weihnachtsbaum war es kein richtiges Fest. Wenn er dafür Federn lassen musste, sollte es eben so sein. Voller Elan schliff er die Tanne hinter sich her und stapfte durch den Schnee. Immer noch fielen Schneeflocken vom Himmel und wurden immer zahlreicher. Der Wind wurde zunehmend stärker und wirbelte die Flocken munter umher. „Muss es ausgerechnet jetzt so schlimm werden?“
 

*
 

Seto beschloss eine Pause einzulegen und bereitete sich einen kleinen Snack zu. Um Atemu’s Laune anzuheben machte Seto ihm ebenfalls einen Teller fertig.

Wenn Atemu später seinen Tannenbaum schmücken konnte, würde er ohnehin in bester Laune sein. Das hier war lediglich das i-Tüpfelchen.

Ein Rumpeln ertönte aus dem Wohnzimmer, was Seto aufmerksam werden ließ und er beschloss nachzusehen. „Das hat…aber…lange…“ Seto stockte als er den völlig erschöpften Atemu sah, der eine zerrupfte Tanne hinter sich her schleifte, die eine Spur von grünen Nadeln hinterließ.

Zunächst musste Seto sich ein Bild machen, welches sich vor seinen Augen abspielte, weil er nicht begreifen konnte, wie sein Atemu auf die Idee kam so einen Riesigen Baum zu kaufen. „Was hast du mit dem armen Baum angestellt?“

„Stell mir später Fragen.“, keuchte Atemu erschöpft und pfiff buchstäblich aus dem letzten Loch. „Hilf mir ihn aufzustellen.“

„Du solltest dich besser hinsetzen. Dein Kopf ist ganz rot.“

„Geht schon.“ Es ging nicht. Das war einfach zu viel. Wie ein nasser Sack ließ er sich auf die Couch fallen. „Ich muss den Hausflur gleich absaugen. Überall liegen Tannennadeln herum. Der blöde Baum nadelt ohne Ende.“
 

„Meinst du vom Fahrstuhl bis hierher?“

Langsam schüttelte Atemu den Kopf. „Er hat nicht in den Aufzug gepasst und deshalb musste ich…“

„Du hast ihn 20 Stockwerke hochgeschleppt? Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt?“ Das war der erste Fehler, denn Atemu funkelte ihn aus rotglühenden Augen an und setze sich kerzengerade hin. „Ich habe dich vorhin gebeten dir eine Stunde Zeit zu nehmen. Du wolltest nicht und ich fange nicht an hinter dir her zu betteln.“
 

Jetzt wurden wir also schnippisch. „Meinetwegen, dann gehe ich den Flur von den Nadeln befreien.“ Im Laufe der Beziehung hatte Seto gelernt, dass es keinen Sinn machte mit Atemu zu diskutieren. Obwohl Seto es gut meinte, war das der nächste Fehler.
 

„Lass mich nur alleine. Soll ich den Baum jetzt auch noch alleine aufstellen?“, fing Atemu an zu zetern. „Ich bin total erschöpft und nun suchst du dir die bessere Aufgabe aus.“

„Schon gut, ich helfe dir zuerst die Tanne aufzustellen.“ Viel war von ihr ohnehin nicht mehr übrig und übermäßig Nadeln würde sie auch nicht mehr. Ob Atemu den Baum am Ende wirklich noch wollte, wagte Seto zu bezweifeln. Bis Weihnachten überlebte er garantiert nicht. Jedenfalls wollte er für den Moment seine Ruhe, damit er sich wieder an seine Bücher setzen konnte. Deshalb machte Seto sich auf die Suche nach dem Baumständer, der sich irgendwo im Keller versteckt haben musste.

Oh Tannenbaum, ich will dich nicht mehr

Atemu brauchte einen Moment um sich zu erholen, bevor er sich dran machen konnte, zusammen mit Seto den Baum aufzustellen. Ihm tat alles weh, besonders seine Arme und der Rücken. „Den ersten Punkt meiner Liste habe ich abgearbeitet. Wenn die anderen Aufgaben auch so heftig sind, sag ich die Feier wieder ab.“
 

Seto war gerade an der Haustür angekommen, weil er den Baumständer aus dem Keller holen wollte, und hielt nach Atemu’s Selbstgespräch inne. „Du hast eine Liste?“ War der Baum etwa nicht das einzige Vorhaben seines Freundes? Wenn es eine Liste gab, sah Seto seine freien Tage in Gefahr, die er nach dem vielen Lernen und den Prüfungen dringend brauchte.
 

„Aber ja! Ich wollte noch Kekse backen und Einladungskarten schreiben. Das ganze Wohnzimmer soll geschmückt werden, damit es weihnachtlich aussieht und ein tolles Essen muss ich auch noch kochen.“
 

Alle Alarmglocken schrillten als die Wörter kochen und backen fielen. „Ich kann backen.“, bot Seto sich an. „Essen sollten wir uns liefern lassen, sonst kommen wir aus der Arbeit ja nicht mehr raus.“ Seto ließ seinen Freund gar nicht erst zu Wort kommen, damit er ja keine Einwände erheben konnte. „Und was für Einladungskarten? Wie viele wolltest du denn herkommen lassen?“

Atemu wurde wieder munter, endlich fing Seto an sich zu interessieren. „Ich wollte eine Weihnachtsfeier auf die Beine stellen. Meine ganze Familie und all unsere Freunde sollen dabei sein. Deine Familie natürlich auch.“

„Eine Weihnachtsfeier und alle sollen kommen? In dieser kleinen Wohnung?“ Dahin waren die besinnlichen Tage, die Seto allein mit Atemu verbringen wollte. „Wo willst du die denn alle unterbringen?“

„Ist doch nur für einen Abend. Sie sollen hier ja nicht übernachten falls du das denkst.“
 

„Du solltest deine Auswahl dennoch beschränken. Lass uns lieber eine kleine Feier machen und nur den engsten Familienkreis teilhaben lassen.“ Je enger je besser und umso weniger Leute.

„Warum bist du eigentlich so spießig?“

Diesen Satz hörte Seto zum ersten Mal aus Atemu’s Mund. „Ich bin nicht spießig, sondern sehe das ganze rational. Wir sollten unsere Väter einladen…“, die ganz bestimmt auch lieber alleine die Feiertage verbringen wollten. „…und zwei oder drei andere. Vielleicht ein Paar, wie Zigfried mit seinem Freund Shirotani. Sie wohnen schließlich ein paar Etagen unter uns.“ Seto schickte Stoßgebete zum Himmel, in der Hoffnung, dass man ihn erhörte.
 

„Findest du das nicht unfair? Ich kann doch nicht die einen einladen und die anderen lass ich links liegen.“

„Es wird dir bestimmt keiner übelnehmen. Die meisten werden sowieso keine Zeit haben.“

„Jetzt fängst du schon wieder an.“, sprang Atemu auf. „Sie werden schon Zeit haben. Warum bist du immer so pessimistisch, wenn ich etwas vorhabe?“

Spätestens jetzt fügte Seto sich in sein Schicksal, er wollte keinen Streit nur weil er keine Lust auf eine Feier hatte. „Lass uns den Baum schmücken, damit ich weiterlernen kann.“

Etwas milder gestimmt holte Atemu die Kiste mit dem Christbaumschmuck aus dem Schlafzimmer, während Seto in Richtung Keller trottete.
 

Zwanzig Minuten später stand der Baum, der in Seto’s Augen wie das traurige Abziehbild eines zerrupften Vogels aussah. Jeder würde diese Tanne austauschen, nur nicht…
 

„Du musst die kahlen Stellen mehr bedecken.“, machte Atemu seinen Freund aufmerksam, der allmählich Gewaltfantasien entwickelte. „Hier sind überall kahle Stellen, wo soll ich denn da anfangen?“

Atemu warf ihm ein Bündel goldenes Lametta zu. „Wickel es um die kahlen Zweige.“

„Ernsthaft?“ Es wäre leichter einen neuen Baum zu kaufen, aber dies behielt Seto für sich. „Wolltest du nicht blaues Lametta kaufen?“

„Hatten sie nicht.“, murmelte Atemu leise.

„Du lügst.“ Seto bemerkte es sofort, wenn sein Freund nicht die Wahrheit sagte. „Was passt dir an blauem Lametta nicht?“

„Es hätte nicht zu den Kugeln gepasst.“, wurde Atemu immer kleiner.

„Wir haben alle möglichen Farben an Christbaumkugeln. Bunter kann ein Weihnachtsbaum nicht mehr sein, weil du jedes Mal bei unserem Einkauf, neuen Baumschmuck in den Einkaufswagen packst. Die Farbe hätte gepasst.“

„Hätte sie nicht.“, brummte Atemu verstimmt, dem dieses Gespräch immer unangenehmer wurde. „Oh nein.“ Heute klappte aber auch gar nichts.
 

„Was ist denn jetzt wieder los?“ Es klang ganz danach, als würde bald die Hölle losbrechen.

Atemu zog ein Kabelknäul aus dem Karton, an dem viele kleine Lämpchen hingen. „Wir haben vergessen die Lichterkette anzubringen.“

„Dann machen wir das jetzt.“ Bitte sag’s nicht, flehte Seto in Gedanken.

„Zuerst kommt immer die Lichterkette und dann der Rest, sonst sieht man das Kabel zu sehr. Wir müssen alles wieder abnehmen.“
 

Sehnsüchtig schaute Seto zu seinen Büchern rüber, die verloren auf dem Wohnzimmertisch lagen. Er musste dringend für sein Studium lernen, wenn er gut Abschließen wollte. Dieser abgerupfte Baum, der direkt dem Höllenfeuer entsprang, hielt ihn davon ab. Sich seinem Schicksal ergebend nahm Seto Kugel für Kugel von den Zweigen und legte sie feinsäuberlich zurück in die Schachtel, während Atemu sich ans Kabelgewirr machte.
 

Eine Stunde später hatten sie es vollbracht. Seto setzte zum krönenden Abschluss einen Keramikengel, welchen Atemu vor kurzem gekauft hatte, auf die Baumspitze. „Fertig.“ Endlich, endlich konnte er zurück an seine Bücher.
 

Atemu schaltete das Licht aus und zog die Vorhänge zu. „Ich will sehen wie er aussieht, wenn die Lichter brennen.“

„Darauf bin ich auch gespannt.“ Es war schon süß Atemu dabei zu beobachten, wie er eifrig den Stecker in die Steckdose schob und den Kippschalter betätigte. Seine Augen leuchteten vor Freude und die ganze Mühe hatte sich allein für diesen Moment gelohnt. Hauptsache Atemu war am Ende des Tages glücklich.
 

„Er geht nicht an.“ Das Entsetzen stand Atemu ins Gesicht geschrieben. Die Lichterkette versagte ihren Dienst. Nicht eines der bunten Lämpchen leuchtete. „Das darf nicht wahr sein.“
 

Auch Seto konnte es nicht glauben, die ganze Arbeit war umsonst. Mit aller Kraft nahm er sich zusammen, damit man ihm seine Verzweiflung über diesen Scheiß Baum nicht anmerkte. „Es sollte nicht sein. Kauf einfach eine neue und wir schmücken ihn morgen von neuem.“ Am liebsten hätte er dieses hässliche Ding mit samt den bunten Kugeln aus dem Fenster katapultiert. Zwei Stunden hockten sie an dem Baum und nun leuchtete er nicht einmal. Wäre er vorhin doch nur mitgefahren, dann würde die Tanne jetzt nicht so armselig ausschauen.
 

*
 

Am nächsten Tag sah die Welt freundlicher aus, zumindest für Atemu. Bevor er eine neue Lichterkette kaufen ging, kümmerte er sich darum Kekse zu backen. Dafür hatte er ein einfaches Rezept rausgesucht bei dem man nicht viel falsch machen konnte. Für seine Feier wollte er einen Probelauf machen, damit nichts schief gehen konnte.
 

Seto hingegen freute sich über den entspannten Vormittag. Bis jetzt hatte er seinen Rückstand soweit wieder aufholen können. Aus der Küche hörte er keinen Ton, obwohl Atemu ein miserabler Bäcker und ein noch schlechterer Koch war, fielen keine Schimpfwörter. Scheinbar lief heute alles wie am Schnürchen, obwohl der zerrupfte Weihnachtsbaum, mit seiner kaputten Lichterkette immer noch in ihrem Wohnzimmer stand. Durch die Tortur am Vortag nadelte er wie verrückt und Seto wunderte sich, wie viele Nadeln an so einem Baum hingen. Schon drei Mal holte er den Staubsauger aus seiner Ecke und befreite den schönen Teppich vom unliebsamen Grün. Wenn Seto etwas nicht ausstehen konnte, war es Unordnung.
 

„Ich bin fertig.“ Mit einem Teller voller Kekse kam Atemu aus der Küche und präsentierte Seto stolz sein Backwerk.

„Die sehen richtig gut aus.“ Sogar mit Konfitüre in der Mitte, aber probieren würde er auf keinen Fall.
 

„Bei so einem leichten Rezept wäre es peinlich gewesen, wenn ich es nicht hinbekommen hätte.“ Atemu wollte sich einen Keks in den Mund schieben, als ihn das Läuten an der Haustür davon abhielt. „Hast du jemanden eingeladen?“

„Nein.“ Freiwillig würde Seto niemandem den Missglückten Tannenbaum zeigen. Das war weit unter seiner Würde. Insgeheim hoffte er, dass Atemu bis zu seiner geplanten Feier den Baum austauschte. Bis dahin würde eh keine einzige Nadel mehr an den Ästen hängen.
 

„Hallo Zigfried.“, grüßte Atemu ihn und trat einen Schritt zur Seite, damit er und sein Freund eintreten konnte.

„Entschuldige die Störung. Ich habe deine Einladung im Postkasten entdeckt und wir wollten uns dafür bedanken.“ Zigfried zeigte auf seinen Freund, der mit verschränkten Armen und angezogenen Schultern hinter ihm stand. Irgendeine Laus schien ihm über die Leber gelaufen zu sein.
 

Fragend zog Seto die Augenbrauen hoch. Wann hatte Atemu die Einladungskarten denn geschrieben? Und weshalb warf er sie bei Zigfried und Shirotani in den Postkasten? Sie wohnten im gleichen Hochhaus. Er brauchte nur ein paar Etagen tiefer gehen und anklopfen.
 

„Habt ihr denn Zeit?“, wollte Atemu wissen.

Eifrig nickte Zigfried. „Selbstverständlich werden wir uns an diesem Tag frei nehmen, stimmt’s Shiro?“

„Du hast für uns entschieden! Ich habe nicht viel zu melden, wenn du dich erst einmal entschieden hast“

„In der Tat.“, lächelte Zigfried entschuldigend. „Ich habe dafür einen Termin verschoben und deshalb ist Shiro ein wenig angesäuert.“

„Oh, ich wollte euch keine Umstände bereiten.“, entschuldigte Atemu sich sofort.

„Aber nein.“, winkte Zigfried ab. „Besonders Shiro würde ein wenig Abwechslung gelegen kommen. In letzter Zeit ist er so aufgewühlt, besonders wenn er im Büro war. Du musst wissen, er macht zurzeit eine Weiterbildung und muss mit neuen Menschen zurechtkommen.“

„Oh!“ Deshalb war Shirotani so mies drauf. Sonst war er zwar auch nicht der umgänglichste und Atemu wunderte sich, wie ein Mensch wie Zigfried, der ein eher sanftes und höfliches Wesen besaß, mit jemanden zusammen sein konnte, der einen schroffen und eigensinnigen Charakter hatte. „Dann werdet ihr bestimmt abschalten können.“, lächelte Atemu und versuchte Shirotani nicht all zu sehr zu beachten.

„Wir werden mit hoher Wahrscheinlichkeit davon profitieren, nicht wahr Shiro?“

„Alles was du sagst.“ Shirotani’s braune Augen erblickten den Weihnachtsbaum und er fing lauthals an zu lachen. „Was ist denn mit dem Baum passiert? Wurde er von einem Laster überrollt?“
 

Seto erstarrte. Dieser gottverdammte Idiot. Konnte er nicht einfach die Klappe halten? „Er ist eben ganz speziell.“, versuchte Seto die Lage zu retten, doch in Atemu brodelte es bereits.
 

„Speziell trifft es nicht ganz.“, lachte Shirotani weiter und schnappte sich einen von den frisch gebackenen Keksen.

„Du bist unmöglich, Shiro.“ Zigfried schämte sich für das Verhalten seines Freundes und wollte ihn schon aus der Wohnung schieben, als Shirotani sich die Hand vor dem Mund hielt und anfing zu würgen. „Was ist denn in den Keksen drin?“
 

Selenruhig blätterte Seto eine Seite seines Buches weiter. „Atemu hat sie gebacken.“

„Warum hast du mich nicht gewarnt, du verwöhntes Muttersöhnchen?“

„Selbst schuld. Keiner macht sich ungestraft über meinen Atemu lustig.“ Für den Baum musste er lange leiden, deshalb würde er jeden Atemu’s Kekse in den Rachen werfen, der auch nur eine Abfällige Bemerkung über ihren Weihnachtsbaum machte. Außerdem wusste jeder in ihrem Umfeld, dass man sich vor Atemu’s Koch- und Backkünsten in Acht nehmen musste.
 

Allein Seto’s Bemerkung brachte Atemu wieder runter. Wie so oft stand Seto hinter ihm, egal was für einen Mist er sich ab und an leistete. Dieses Gefühl war so schön, da interessierte es nicht wie der Baum aussah.

Shirotani tat ihm fast wieder leid. Besonders als er ins Badezimmer stürzte und versuchte die Reste des Gebäcks aus dem Mund zu spülen. „So schlimm können sie nicht schmecken.“ Vorsichtig probierte Atemu ein Stückchen. Keine Sekunde später verzog er angewidert das Gesicht und spuckte den Keks in ein Taschentuch. Ein großer Schluck Orangensaft, den sich Seto erst geholt hatte, spülte den Rest des widerwärtigen Geschmacks fort. „Was habe ich denn falsch gemacht? Das Rezept war doch so simpel und trotzdem schmecken sie total ekelhaft.“
 

Seto klappte sein Buch zu und schaute Atemu ernst in die roten Augen. „Hast du die Lebensmittel für die Kekse frisch gekauft?“

„Ähm…nein. Wir hatten noch Milch und Eier im Haus.“

„Hast du aufs Datum geachtet? Du neigst dazu vieles auf Vorrat zu kaufen, aber verarbeitest es nicht rechtzeitig.“

„Natürlich, ich bin doch nicht blöd. Ich hätte doch sofort gemerkt, wenn mit den Zutaten etwas nicht stimmt.“ Zum Beweis ging Atemu in die Küche und holte die leere Milchpackung und den Eierkarton aus dem Mülleimer. „Als wäre ich zu dämlich…“ Er hätte aus der Haut fahren können. Wieviel Pech konnte ein einziger Mensch haben? Mit roten Wangen ging er zurück ins Wohnzimmer und starrte in Seto’s blaue Augen, die suggerierten, ich hab’s dir doch gesagt. „Mit den Lebensmitteln war alles in Ordnung. Ich weiß nicht woran es gelegen hat.“ Manchmal musste man zu einer Notlüge greifen, damit man sich nicht vollends blamierte.
 

„Du hättest mich fast umgebracht.“, jammerte Shirotani und nahm den Teller mit Keksen an sich. „Ich verzeihe dir, wenn du sie mir überlässt.“

Darauf wusste Atemu nichts zu sagen und auch Zigfried schaute ratlos drein.

Nur Seto schien zu ahnen, was Shirotani vorhatte. „Welchen deiner Kollegen willst du vergiften?“

„Alle!“ Ein diabolisches Grinsen schlich sich auf Shirotani’s Gesicht. „Jeder der mich am frühen Morgen dichtquasselt bekommt einen Keks von mir.“

„Hauptsache du hast deinen Spaß.“ Seto nahm sich ein anderes Buch und schlug es auf.

Atemu versuchte die Sache positiv zu sehen. Seine Kekse fanden auf diese Weise noch Verwendung.
 

„Shiro, du bist unverbesserlich.“, wurde Zigfried ärgerlich. „Du machst dich unnötig unbeliebt und am Ende stehst du alleine da.“

„Ich bin nicht dort um Freunde zu finden, sondern um etwas dazuzulernen, damit wir unserer Firma mehr Aufschwung geben können. Ich mag am frühen Morgen keine belanglosen Unterhaltungen führen, besonders dann nicht, wenn ich meinen Kaffee noch nicht hatte.“

Wohl eher die fünfte Tasse Kaffee. „Hach, was soll ich nur mit dir machen?“

„Da wüsste ich was.“, lächelte Shirotani anzüglich und nahm die Hand seines Freundes. „Wir sind dann mal weg.“, verabschiedete Shirotani sich und zog seinen verdutzten Freund hinter sich her.
 

„Der hat es aber eilig.“ Unauffällig schielte Atemu zu Seto rüber, der genauso triebgesteuert sein konnte, sobald er einen Anreiz dazu fand.
 

„Die zwei passen überhaupt nicht zusammen und trotzdem funktioniert es zwischen ihnen.“, bemerkte Seto und funkelte Atemu an. „Wollen wir ins Schlafzimmer gehen?“

Kaum dachte Atemu daran und schon setzte Seto seine Gedanken in die Tat um. „Ist das dein Ernst? Ich habe noch so viel zu tun.“

„Nur eine halbe Stunde.“ Gestern hielt Atemu ihn vom Lernen ab und nun war er an der Reihe. Vom vielen Sitzen war sein Rücken ganz verspannt und eine Runde Matratzensport lockerte ihn schnell wieder auf.
 

„Aber Seto, doch nicht…jetzt…“ Sein Widerstand bröckelte bereits als sich warme Lippen sanft seinen Nacken entlangküssten, warme Hände unter seinen Pullover krochen, um die Empfindlichen Knospen zu reizen.
 

„Warum denn nicht? Ich war so nett und habe dir beide Male beim Schmücken geholfen.“ Wenn Seto dachte, dies sei das ausschlaggebende Argument, irrte er, denn Atemu’s Blick verfinsterte sich und offenbarte einen Sturm, der in Seto’s Richtung wehte. „Wenn du mich schon ins Bett kriegen willst, solltest du dir mehr Mühe geben. Wir haben keine Romantik in unserer Beziehung und sobald du Lust hast, kommst du zu mir und willst es mit mir treiben wie ein Wildschwein, dass seinen Treib nicht unter Kontrolle hat. Selbst der ungehobelte Shirotani ist romantischer zu Zigfried.“ Atemu brachte Abstand zwischen sich und den perplexen Seto, der sich vor dem Kopf gestoßen fühlte. Das waren ganz neue Töne und was sollte der Vergleich mit dem Wildschwein? „Was soll ich denn machen?“ Zugegeben, diese Frage war nicht die intelligenteste, aber Atemu kam damit aus heiterem Himmel und in ihrer eineinhalb Jahre andauernden Beziehung, hatte er nie solche Anwandlungen gehabt. Plötzlich sollte er romantisch sein? Das war doch sonst ein Frauending, deshalb hielt er es nicht für nötig mit solch unnötigem Schwachsinn anzufangen. Schließlich waren sie beide Männer und bisher schien Atemu zufrieden zu sein. Seto’s Blick fuhr zum Weihnachtsbaum, mit dem das ganze Unheil angefangen hatte und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
 

„Das weiß ich doch nicht.“, kam es schnippisch zurück. „Ich gehe jedenfalls eine neue Lichterkette kaufen und wenn du mit mir schlafen willst, mach es gefälligst romantischer und leg mich nicht einfach nur flach.“

„Na…gut…“ Romantischer also… Das war gar nicht sein Ding und das wusste dieser miese...

„Ich erwarte keine Wunder.“, stellte Atemu noch klar. „Eine Kleinigkeit reicht mir.“

Romantik für Anfänger

„Damit kommst du zu mir?“, runzelte Seth die Stirn. „Von Romantik habe ich keine Ahnung. Hast du in meiner Ehe mit deiner Mutter nicht aufgepasst?“

„Die Hoffnung stirbt zu Letzt!“, brummte Seto vor sich hin. Leider hatte sein Vater Recht mit dem was er sagte. Wieso fragte er ihn überhaupt? Er musste wirklich verzweifelt sein, wenn er nach einem so dünnen Strohhalm griff.
 

„Wenn ich aus dem Nähkästchen plaudern soll…“ Seth fiel es nicht leicht über Gefühle zu sprechen, aber wenn sein Sohn ihn schon um Hilfe bat, wollte er ihn nicht enttäuschen. „Für romantische Stimmung sorgt meistens Yasuo. Er kocht zum Beispiel.“

„Aha, und was?“ Kochen sollte also romantisch sein?

Seth wurde verlegen. „Vor ein paar Tagen hat er ein tolles Essen gekocht, Kerzen auf den Tisch gestellt und leise Musik lief im Hintergrund. Wir haben uns lange unterhalten, über alles Mögliche. Das machen wir oft.“, fing Seth an zu schwärmen. „Dann…“ Was tat man nicht alles für seinen Sohn. „Zum Nachtisch hat er kleine Kuchen in Herzform auf den Tisch gezaubert, die…“ Musste er ausgerechnet mit Seto darüber reden? Mit Yasuo konnte er das ohne Probleme, aber mit seinem Sohn? „Da war ganz viel Sahne drauf und ich bin auf den Gedanken gekommen, was man alles damit anstellen kann. Mit Sahne kann man wirklich viel machen und…“

„Du willst mir jetzt nicht erzählen, dass du ihn flachgelegt hast?“

„Ähm…doch! Das war romantisch, weil es spontan kam…von mir.“
 

Seto rieb sich das Nasenbein. „Das hilft mir nicht. Atemu will nicht von mir ins Bett gezogen werden, sondern etwas romantisches erleben.“

Seth überlegte mit vielen Falten auf der Stirn weiter. „Fragen wir das Internet!“

Bevor Seto etwas erwidern konnte stand sein Vater auf und ging in sein kleines Büro, welches an das Wohnzimmer angrenzte. Dort setzte er sich an den Schreibtisch und schaltete den Computer an.
 

Seto setze sich interessiert daneben. Kurze Zeit später waren beide Kaibas in die Weiten des Internets vertieft und klickten alles an, was ihnen sinnvoll erschien.

Sie bemerkten nicht, wie Yasuo ins Zimmer kam und den beiden über die Schultern schaute. „Romantik für Anfänger!“, las er laut vor und schaute den verdutzen Seth glücklich an. „Willst du mich etwa überraschen? Wow, diese Jahreszeit ist voller Wunder. Dabei ist das überhaupt nicht dein Ding. Ich kann es kaum erwarten.“ Er gab dem geschockten Seth einen sanften Kuss auf die Wange und verließ fröhlich das Zimmer.
 

Seto beugte sich ein Stück nach vorn und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht seines Vaters herum. „Alles okay?“

Ganz langsam drehte Seth seinen Kopf nach rechts und schaute in Seto’s blaue Augen, die seinen so ähnlich waren. „Wie konntest du mir das antun?“

„Bitte was?“ Seto glaubte im falschen Film zu sein, als sein Vater aufsprang und unruhig durchs Zimmer tigerte. „Jetzt erwartet Yasuo etwas Romantisches von mir! Darin bin ich eine Niete. Was soll ich denn jetzt machen?“
 

„Willkommen im Club.“, brummte Seto vor sich hin. „Lass uns einfach weitersuchen. Wie wäre es mit einem Forum? Da tummeln sich unzählige Idioten mit romantischen Ideen. Yasuo springt bestimmt auf alles an was du machst und Atemu wird sich mit dem zufrieden geben müssen, was ich ihm präsentiere.“

„Das ist doch keine Präsentation eines… Vergiss es, bleibt mir sowieso nichts anderes übrig. Dank dir hänge ich mit drin.“ Konzentriert suchten die Kaibas weiter und verwarfen eine Idee nach der anderen. Die einen waren vom Aufwand zu groß, die anderen erschienen den beiden zu blödsinnig. „Wer kommt denn auf die Idee hundert Luftballons aufzupusten, nur um sie über eine kitschige Torte fliegen zu lassen.“, ließ Seth seinen Ärger raus.

„Oder das hier.“, war Seto nicht besser gelaunt. „Ein vornehmes Restaurant in dem die Kellner ein peinliches Lied trällern.“

„Schlimmer geht es nicht.“, pflichtete Seth bei. „Schau dir das an. Hundert rote Rosen. Wenn die alle verwelken muss man das ganze Grünzeug wegwerfen.“

Seto nickte mit finsterem Gesicht. „Wenn schon Blumen, dann nur ein kleiner Strauß. Der lässt sich leichter entsorgen.“
 

*
 

In der Zwischenzeit hatte sich Yasuo ins Schlafzimmer zurückgezogen und blätterte seinen Terminkalender durch. Fieberhaft suchte er nach dem Tag, der für Seth so wichtig war. Bisher tappte er im dunkeln und Seth ließ sich nicht aus der Reserve locken. „Ich habe mir nichts dazu notiert. Wir waren letztes Jahr noch nicht zusammen, woher soll ich also wissen welchen Tag er meint?“ Was für ein Tag konnte es nur sein? Gestern hatte er Seth noch mit etwas anderem ablenken können, aber ewig ließ er sich nicht hinhalten. „Ich weiß das er schon im letzten Jahr in mich verliebt war und ich keinen Plan davon hatte.“ Wenigstens war Seth fürs erste beschäftigt. Die Aufgabe etwas romantisches zu machen, würde ihn für mindestens einen Tag ablenken. Etwas Besseres konnte ihm nicht passieren. „In Romantik stehst du halt auf den Schlauch, mein lieber Seth.“
 

*
 

„Wie wäre es denn damit?“, schlug Seth vor.

Seto wurde aufmerksam. „Das könnte funktionieren, aber…ist das nicht zu wenig?“

„Papperlapapp, das ist genau das richtige für uns. Lass uns sofort das Unkraut kaufen gehen.“

„Das nennt sich Mistelzweig.“
 

*
 

Egal wie oft Atemu sich seinen Weihnachtsbaum ansah, er wurde nicht besser. „Hoffentlich sieht er mit der neuen Lichterkette besser aus.“ Schon den halben Tag vibrierte sein Smartphone und genau das war auch der Grund für seine miese Laune. Einer nach dem anderen sagte ab, weil sie entweder beruflich eingebunden waren, oder über Weihnachten verreisten. „Ich sollte Zigfried Bescheid sagen das die Feier nicht stattfindet.“ Geknickt schlurfte Atemu zur Haustür und ging einige Stockwerke nach unten.

Dort klopfte er an die Tür und nach kurzer Wartezeit öffnete sie sich. „Guten Tag, Atemu! Was verschafft mir die Ehre?“, grüßte Zigfried und bat seinen unerwarteten Gast hinein.

„Ich will nicht lange stören.“

„Du störst mich doch nicht.“ Sofort ging Zigfried in die Küche und bereitete zwei warme Getränke zu.

Mit einem Tablett in der Hand kam er nach kurzer Zeit wieder und stellte es auf den Tisch. „Was führt dich zu mir? So wie du schaust, scheinen es keine erfreulichen Nachrichten zu sein.“

Dankbar nahm Atemu seinen Tee entgegen. „Meine Feier wird nicht stattfinden. Die meisten haben abgesagt und ich möchte euch nicht die Zeit stehlen.“

Zigfried winkte ab. „Shiro und ich würden uns dennoch geehrt fühlen. Dann verbringen wir eine Feier im kleinen Kreis. Es braucht nicht viele Leute um sich zu amüsieren.“ Zigfried hielt inne und schaute in seinen grünen Tee. „Weißt du… Ich mag es nicht unter vielen Menschen zu sein und ich bin offen gestanden erleichtert. Ich Feier lieber mit dir, Seto und euren Vätern. Das ist doch viel netter und man kann sich ungestört unterhalten.“

„Dann lass uns das machen. Es wird bestimmt eine schöne Feier.“ Es waren nur wenige Worte, aber sie reichten aus damit Atemu sich besser fühlte. Von dieser Seite hatte er das vorher nicht gesehen und nun flammte die Freude wieder in ihm hoch, doch noch eine kleine Party veranstalten zu können.
 

Beide zuckten zusammen, als sich plötzlich die Tür öffnete und ein wutschnaubender Shirotani hineinstürmte. „Diese gottverdammten Idioten.“, fing er an zu fluchen während er sich von seinem Mantel befreite.
 

„Shiro Schatz“, zeigte sich Zigfried besorgt. „Warum bist du so aufgewühlt?“

„Seine Kekse kamen nicht an.“, schlussfolgerte Atemu und traf ins Schwarze.
 

„Die haben sich der Reihe nach über mich beschwert.“, fing Shirotani an zu erzählen und setze sich mit verschränkten Armen neben seinen Freund auf die Couch. „Einer hat sich sogar übergeben, dieses Weichei.“
 

„Die waren eklig, auch wenn ich es nicht gerne zugebe.“ Zigfried’s Kekse schmeckten hingegen köstlich, die Atemu sich gerade zu Gemüte führte. Waren sie etwa mit Anis?
 

„Ich habe dir davon abgeraten, aber du wolltest nicht hören.“, fing Zigfried an seinen Freund zu tadeln.

„Ich wollte nur meine Ruhe.“, maulte Shirotani stock beleidigt. „Der Chef hat total überzogen reagiert und mich für heute nach Hause geschickt. Ich soll über mein Verhalten nachdenken und mich morgen bei allen entschuldigen.“, äffte er seinen Chef nach. „Ich bin doch nicht im Kindergarten.“

„Wenn du dich nicht entschuldigen möchtest ist das deine Entscheidung.“
 

Atemu war erstaunt wie gelassen Zigfried das nahm. Allerdings schien Shirotani das Ganze nicht so locker zu sehen, denn er sprang auf und lief aufgebracht hin und her.

„Ich entschuldige mich nicht bei diesen Idioten.“

„Brauchst du auch nicht, mein Schatz.“

„Wie können die es wagen mich zu verpetzen?“

Zigfried schlug gelassen die Beine übereinander, während er seinen Tee trank. „Sie haben sich nicht getraut es dir persönlich mitzuteilen. Allein deine Ausstrahlung ist Grund genug dir aus dem Weg zu gehen.“

„Feige sind sie auch. Passt zu diesen verlogenen petzen.“

„Selbst, wenn du dich entschuldigst, werden sie in Zukunft mehr Respekt vor dir haben.“, überlegte Zigfried gespielt. „Du hast dieses Spiel eindeutig gewonnen.“

Shirotani nickte eifrig. „So sehe ich das auch. Ab morgen weht ein anderer Wind.“
 

Atemu lehnte sich ein Stück zu Zigfried rüber und flüsterte ihm leise zu. „Hast du ihn gerade dazu gebracht sich zu entschuldigen?“

„Aber natürlich.“, zwinkerte Zigfried. „Man muss nur sein Ego kitzeln und ihm im richtigen Moment zustimmen. Morgen sieht die Welt wieder besser für ihn aus.“
 

Lächelnd trank Atemu seinen Tee. So gelassen wie Zigfried wäre er auch gerne. Allein die Ruhe, die er ausstrahlte beruhigte einen. So ging es Shirotani offenbar auch. Mit einer Tasse Tee setze er sich wieder und fragte seinen Freund nach seinem Tag. Das Thema war wohl vom Tisch und eine entspannt Unterhaltung begann.
 

*
 

Nie wieder würde Seto während der Weihnachtszeit einkaufen gehen. Wie Tiere stürzten die Leute sich auf die Angebote und eine Frau riss ihm sogar ein Päckchen aus der Hand. „Ich möchte gleich meinen Kaffee trinken und…“ Kaum hatte Seto die Tür aufgeschlossen schaute Atemu ihn mit einer Lichterkette in den Händen auffordernd an. „Ernsthaft?“

„Wir wollten sie doch austauschen!“

„Wollten wir das?“ Warum konnte er das denn nicht alleine machen?
 

„Warst du einkaufen?“ Atemu deutete auf die weihnachtliche Papiertüte, die Seto neben der Couch abstellte. „Ja… so kann man das sagen.“ Das war eine Schlammschlacht sondergleichen.

„Hast du etwas Romantisches ergattern können?“, fingen Atemu’s Augen an zu strahlen. „Du hast dir echt etwas einfallen lassen?“

„Hoffentlich…“ Seto war sich nicht mehr so sicher, was sein Gestrüpp anging. Die Erwartungen, die Atemu an ihn stellte schienen doch höher zu sein als er vermutete.

„Ich freue mich drauf. Wann willst du es mir zeigen?“

„Ähm…bald. Lass dich überraschen.“

„Gern.“

Seto schaute nachdenklich auf seine Papiertüte. Diese Idee schien doch nicht das wahre zu sein.
 

„Lass uns bitte die Lichterkette anbringen. Sie hat im Gegensatz zu der Alten verschiedene Effekte. Ich bin gespannt wie sie am Baum aussieht.“
 

Aufwerten würde es die zerrupfte Tanne ganz bestimmt nicht. Warum musste er mithelfen? Irgendwas musste er verbrochen haben, um das zu verdienen. „Dann lass uns anfangen, Atemu.“, damit wir schnell fertig werden.

Wieder einmal fügte sich Seto seinem Schicksal und machte sich daran den Baumschmuck abzunehmen. Mit jeder Berührung rieselte ein Schwall grüner Tannennadeln auf den schönen blauen Teppich.

„Du musst vorsichtiger sein.“, mahnte Atemu über die Fahrlässigkeit seines Freundes.

„Ich hab sie kaum berührt.“

„Mach einfach langsamer.“

Na toll, auf diese Weise dauerte es noch länger. Innerlich zählte Seto von hundert abwärts, sonst würde er noch durchdrehen.
 

„Unglaublich wie viele Kugeln und Figuren auf so einen Baum passen, oder?“

„Das ist in der Tat unglaublich.“ Endlos viele, um genau zu sein. „Hast du die Lichterkette einmal eingeschaltet?“

Atemu nickte eifrig. „Zweimal passiert mir nicht der gleiche Fehler.“

„Da bin ich mir bei dir nicht so sicher.“, lachte Seto, was Atemu gekonnt ignorierte.
 

Nach zwei endlosen Stunden hatten sie es vollbracht. Der Baum stand fertig geschmückt und erleuchtet in ihrem Wohnzimmer, aber die Freude darüber blieb bei beiden aus.

Die meisten Nadeln lagen auf dem Boden und hinterließen kahle Zweige.

„Er sieht merkwürdig aus.“, stellte Atemu fest.

„Vielleicht sollten wir mehr Lametta kaufen.“, überlegte Seto. „Oder einen neuen Baum.“

„Ich will nicht noch einmal schleppen.“, winkte Atemu ab. „Außerdem möchte ich nicht ein viertes Mal schmücken müssen.“
 

„Wie du meinst.“ Dann blieb ihm nichts anderes übrig, als mit dieser Tanne zu leben. Bis keine einzige Nadel mehr dranhing. Spätestens Neujahr würde sie im hohen Bogen über die Balkonbrüstung fliegen. Dann hieß es auf nimmer wiedersehen.
 

„Ich habe dir noch nicht gedankt.“
 

Verwundert schaute Seto seinen Freund an. „Wofür denn?“

„Naja…du hast mit mir drei Mal den Tannenbaum geschmückt, der mit jedem Mal schlimmer aussah. Das hätte nicht jeder gemacht.“ Verlegen schaute Atemu in diese blauen Augen, die er so sehr liebte. „Diese beiden Tage werde ich nie mehr vergessen, denn sie haben mir gezeigt, wie sehr du mich liebst. Auch wenn ich dich viele Nerven gekostet habe, werde ich mich gern zurückerinnern.“

Sprachlos, aber glücklich nahm Seto ihn in die Arme und warf einen verstohlenen Blick zu seiner Tüte, an deren Inhalt er immer mehr zweifelte.

„Seto? Lass uns noch viele dieser schönen Erinnerungen schaffen.“ Atemu löste sich ein Stück und schlang seine Arme um Seto’s Hals. Sanft fing er an die heißen Lippen zu küssen, die gerne auf dieses Spiel eingingen. Normalerweise übernahm Seto die Führung, doch Atemu ließ ihm keine Chance. Er knabberte, leckte leidenschaftlich über seine Lippen. Erkundete neugierig seine Mundhöhle und zog ihn immer fester an sich heran.

Für Seto war dies Belohnung genug. Die Wellen, die Atemu durch seinen Körper jagte fühlten sich unglaublich gut an. „Wenn du nicht aufhörst...“

„Ich weiß“, nuschelte Atemu und sah seinen Freund mit verschleiertem Blick an. „Worauf wartest du?“
 

*
 

Auch Seth hatte sich einen Tannenbaum gekauft, in der Hoffnung er würde seinen Mistelzweig aufwerten. Geschmückt hatte er ihn noch nicht, denn zunächst wollte er sein Unkraut aufhängen. Er platzierte es über der Terassentür, um zu schauen ob es passte. „Das fällt kaum auf. Darüber freut er sich bestimmt nicht.“ Betrübt machte Seth sich an den Christbaumschmuck und fing an seine Tanne zu dekorieren.
 

„Du fängst ohne mich an?“, platze es aus Yasuo empört raus, als er durch die Haustür schritt.
 

Erschrocken wirbelte Seth herum. „Du bist zu früh.“

„Eher zu spät. Wir wollten doch zusammen schmücken. Ich weiß doch wie wichtig dir das ist.“ Yasuo packte seine Taschen zur Seite und zog sich Jacke und Schuhe aus.

„Schon, aber…“

„Was aber? Ich helfe dir.“ Yasuo sah sich die Tanne von oben bis unten an. „Die geht ja fast bis zur Decke. Wird unser Baumschmuck denn reichen?“

„…ich weiß es nicht.“

„Wenn er nicht reicht, kaufen wir noch welchen dazu. Oh, du hast sogar eine blaue Girlande geholt.“ Mit Blick in den Karton stellte Yasuo fest, dass Seth ihre Auslage an Baumschmuck erweitert hatte. „Unsere Tanne wird also mit blauen und weißen Kugeln geschmückt sein. Ah, ein paar silberne sind auch dabei.“
 

Seth stutze kurz als Yasuo aufsprang und in einem der Schränke herumkramte um einen Fotoapparat zu holen. „Lass uns Erinnerungen festhalten. Das ist unser erstes Weihnachtsfest und das möchte ich in Erinnerung behalten.“

Seth senkte den Kopf. „Eigentlich ist es das zweite.“

Zuerst wollte Yasuo nicht darauf eingehen, doch dann entschied er sich um. „Wir haben uns letztes Jahr nur kurz gesehen, weil du da noch mit deiner Frau zusammen warst und wir waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht zusammen.“

„Schon…aber…“

Yasuo fuhr unbeirrt fort. „Du wolltest mich an einen bestimmten Tag erinnern, aber leider weiß ich nicht welchen du meinst. Ich komme einfach nicht drauf.“

„Dann sag ich es dir.“ Seth war nicht böse deswegen, denn es war wirklich nur ein kurzer, aber wichtiger Moment für ihn.
 

~Ein Jahr zuvor an Heiligabend ~
 

Ausgerechnet an so einem Tag regnete es in strömen, obwohl der Wetterbericht Schnee angekündigt hatte. Klatschnass kam Seth am Wohnhaus seines Sohnes an. Das kurze Stück vom Auto bis hierher hatte genügt um ihn bis auf die Haut zu durchnässen.

Selbst seine Geschenke für Seto und Atemu hatten in ihrer Plastiktüte etwas abbekommen.

Am Hauseingang versuchte Seth sich sein Gesicht zu trocknen, was in Anbetracht seiner nassen Ärmel sinnlos war.

Seufzend klingelte er bei Seto und Atemu. Als keiner öffnete versuchte er es vier weitere Male. „Sind sie nicht zuhause?“ Seth’s Blick fuhr ein Klingelschild höher, auf dem der Name Katsuro stand. Dort wohnte Yasuo und allein dieser Gedanke ließ sein Herz höher schlagen.

Er schaute auf seine Tüte, worin sich seine Geschenke befanden. Die perfekte Ausrede. Entschlossen klingelte er dort und tatsächlich öffnete sich die Haustür.
 

Kaum war er oben angekommen schlug ihm das Herz bis zum Hals. Nicht aus Angst, sondern vor Freude. Ein kurzer Moment, nur einen Augenblick mit dem Menschen Zeit zu verbringen, der so viel für ihn bedeutete. Für ein paar Minuten die Realität ausblenden, die ihn gnadenlos gefangen hielt.

Er war verheiratet, zuhause wartete seine Frau Yumi auf ihn und sein Sohn Mokuba. Es war nicht richtig jemand anderen zu lieben und noch dazu einen Mann. Deshalb schloss er diese Gefühle so fest es ging in sich ein, damit niemand sie bemerkte.

Dennoch konnte er es kaum erwarten Yasuo zu sehen, der bereits an der Tür stand und ihn mit großen Augen anstarrte.

„Um Himmels Willen, was ist passiert? Du bist klitschnass.“
 

Seth lächelte schief als Yasuo ihn in seine Wohnung zog und schnell ein Handtuch holte.

„Willst du duschen? Ich gebe dir ein paar Klamotten von mir, sonst wird du krank.“

„Danke, ich habe nicht mit einem so heftigen Regenschauer gerechnet. Sind Seto und Atemu nicht zuhause?“ Er klang neutral, vielleicht sogar gelangweilt. Hauptsache niemand bemerkte seine innere Zerrissenheit.
 

Yasuo zeigte sich verwundert. „Sie sind ausgegangen. Hatten sie dir das nicht erzählt?“

„Oh, das habe ich vor lauter Arbeit anscheinend vergessen.“ Gott, schlug sein Herz laut. Ein einfaches Gespräch brachte ihn schon ins Schwanken.
 

„Du hast wohl zu viel gearbeitet. Wenn du willst kannst du hier auf sie warten. Ich mach dir einen heißen Tee, der wärmt dich auf. Du kannst dich in der Zwischenzeit umziehen.“

„Danke.“ Warum konnte er diesen Mann nicht haben? Ihre Beziehung zueinander war lediglich von freundschaftlicher Natur. Yasuo zeigte keinerlei Interesse an ihm und er selbst verhielt sich so neutral wie möglich.
 

„Ich hoffe du magst Ingwertee.“, kam Yasuo mit zwei Tassen ins Wohnzimmer. „Der beugt Erkältungen vor.“ Er stellte die Tassen auf dem Wohnzimmertisch ab und beäugte Seth kritisch. „Du hast dich nicht umgezogen? Brauchst du Hilfe?“

„Ich schaff das schon.“ Wie gerne würde er ja sagen.

„Soll ich rausgehen?“

„Nicht nötig.“ Schüchtern war Seth nicht. Seine Gedanken waren von ganz anderer, unanständiger Natur, doch Yasuo sprang nicht darauf an, egal wie viele Kleidungsstücke auch fielen. Teilnahmslos saß sein Objekt der Begierde in seinem Sessel und schaute in sein Handy.

Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass das nur ein Wunschtraum bleiben würde. Er war verheiratet und Yasuo zeigte kein Interesse an Männern. Viele unüberwindbare Hürden, die er nur in seiner Vorstellung erklimmen konnte.
 

„Ist wirklich alles okay bei dir?“ Mit gerunzelter Stirn sah Yasuo Seth an, der halb angezogen vor ihm stand und auf den geliehenen Pullover in seinen Händen starrte.

„J-ja, ich habe nur überlegt wie ich Seto und Atemu die Geschenke geben soll, wenn ich sie heute nicht mehr antreffe.“

„Ich kann das für dich erledigen.“, bot Yasuo sich an. „Da fällt mir etwas ein.“

Seth folgte Yasuo mit seinem Blick, der kurz in seinem Büro verschwand und mit einem kleinen Päckchen zurückkam.

„Es ist vielleicht etwas kitschig, aber ich musste sofort an dich denken als ich es sah.“

Lange sah Seth das kleine rote Päckchen an, welches sich für ihn wie ein Geschenk des Himmels anfühlte. „Ich habe leider nichts für dich.“ Seth könnte sich Ohrfeigen. Er hatte gestern noch ein passendes Geschenk in den Händen gehalten, aber diese Idee verworfen, damit er keinen falschen Eindruck vermittelte.
 

„Das macht nichts. Los, mach es auf.“

Seth spürte Yasuo’s neugierigen Blick auf sich ruhen. Diesen kurzen Moment, der eine wunderschöne Ewigkeit andauerte, wollte er nie wieder vergessen. Es fühlte sich fast so an, als wären sie ein Paar. Besonders da Yasuo sich dicht neben ihn setze und erwartungsvoll in sein Gesicht schaute.
 

„Gefällt er dir?“, wollte Yasuo wissen.
 

„Ein Schlüsselanhänger? In Form eines weißen Drachen?“ Ratlos schaute Seth in Yasuo’s Rotbraune Augen. „Ich erinnere dich an einen Drachen?“

Hastig nickte Yasuo. „Du bist stark und passt nicht nur auf mich, sondern auch auf unsere Söhne auf. Genau dies symbolisiert dieser Drache für mich.“

Dieser scheußliche Tag wurde durch ein strahlendes Licht erhellt. „Ich werde ihn in Ehren halten.“
 

~Rückblende Ende~
 

Zunächst stand Yasuo stumm da und schaute auf den kleinen Schlüsselanhänger, den Seth fest in seiner Hand hielt. „Eigentlich sollte dich diese Erinnerung glücklich machen, aber dein Gesicht sagt etwas anderes, Seth.“

Seth schüttelte den Kopf. „Ich muss nur daran denken, was gewesen wäre, wenn ich dir früher meine Gefühle gestanden hätte.“

„Das wäre eine turbulente Weihnachtszeit geworden.“, überlegte Yasuo. „Du solltest nicht zu sehr in der Vergangenheit leben, wenn sie dich nur unnötig belastet.“ Yasuo schnappte sich eine weiße Kugel, in dessen Glanz er sich spiegeln konnte. „Lass uns den Baum schmücken damit du auf andere Gedanken kommst.“
 

Es gab keinen Grund an früher zu denken, das sah Seth ein. Er war glücklich und sein Leben verlief so, wie er es sich immer gewünscht hatte. Seine Frau hatte einen anderen, noch bevor sie sich trennten. Für beide war die Scheidung das beste gewesen und beide konnten von sich behaupten endlich ihr wahres Glück gefunden zu haben.
 

„Ist das ein Mistelzweig?“, runzelte Yasuo die Stirn, weil er den Platz über der Terrassentür etwas merkwürdig fand.
 

Seth schluckte leer. „Ähm…j-ja…das ist einer. Ein kleiner grüner Mistelzweig, den man kaum sieht.“

„Warum küsst du mich dann nicht?“, empörte sich Yasuo halb im Ernst.

„Musst du nicht drunter stehen?“ Was redete er denn da? Als ob sie es so genau nehmen würden. Dafür ließ er sogar den kleinen Anhänger fallen, der lautlos auf den Teppich fiel.

Hingebungsvoll küsste er seinen Yasuo. „Ich liebe dich.“, nuschelte Seth gegen seine Lippen.

Besinnliche Weihnacht

Gedankenverloren starrte Seto auf den Mistelzweig, den er in beiden Händen hielt.

Wie er anfangs befürchtete, war es zu wenig. Zwar hatte Atemu in den letzten Tagen nichts mehr in Sachen Romantik erwähnt und es schien vom Tisch zu sein, dennoch wollte Seto etwas Besonderes für ihn tun.

Allein die Aussage, es gäbe nichts Romantisches in ihrer Beziehung, nagte an ihm. Eine Lösung für dieses Problem musste es doch geben. Leider gehörte dies nicht zu seinen Stärken. Schon vor Atemu hatte er seine Eroberungen ohne viel Schnickschnack bekommen und um Romantik musste er sich nie Gedanken machen. Es lief einfach Rund.

Nun befand er sich in einer festen Beziehung und er wollte nicht an solch einer banalen Sache scheitern.
 

*
 

Im Gegensatz zu Seto schwebte Seth im siebten Himmel und bewunderte seinen Mistelzweig, der über seiner Terrassentür thronte. Dies war die erste romantische Geste, die er in seiner Beziehung mit Yasuo zustande gebracht hatte. Ihm war zwar klar, dass Yasuo sich über alles gefreut hätte, dennoch war er stolz auf sich.

Für die Zukunft wollte er sich erwähnenswertere Dinge in Sachen Romantik einfallen lassen und sich so mehr einbringen. Für Seth war mitten im Winter der Frühling angebrochen und er fühlte in sich pure Freude und Glück.
 

Schmunzelnd beobachtete Yasuo seinen Freund vom Sessel aus. Wie eine so kleine Sache für so großes Wohlbefinden sorgen konnte, freute ihn ungemein. Er wusste wie sensible Seth sein konnte, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ. Deshalb würde er den Teufel tun und etwas Falsches sagen, wenn er sich mal in Romantik versuchte. Allein die Geste zählte, da war alles andere unwichtig. „Was unser Seto wohl macht? Zurzeit scheint Frieden bei unseren Jungs zu herrschen.“

„Das wird bis zu ihrer kleinen Feier auch so bleiben.“, sagte Seth überzeugt.

Fragend zog Yasuo die Augenbrauen hoch. „Du meinst am 24. müssen wir die Wogen glätten?“

Bestätigend nickte Seth. „Sobald es an die Vorbereitungen geht, wird dein Junge an Setos Nerven kratzen. Du hast doch gehört, was Seto über ihren Weihnachtbaum zum Besten gab. Ich hatte Schwierigkeiten ernst zu bleiben. Wenn ich gelacht hätte, würde er kein Wort mehr mit mir wechseln.“

Nachdenklich rieb Yasuo sich das Kinn. „Seto klang dabei nicht ärgerlich. Er hat eine Menge Geduld und macht viel für Atemu. Warten wir einfach ab.“

„Etwas anderes wird uns nicht übrigbleiben.“
 

*
 

Der 24.12. der Tag auf den Atemu mit freudiger Erwartung entgegen fieberte.

Endlich war er gekommen.

Heute Abend sollte seine kleine Feier, mit insgesamt sieben Leuten stattfinden. Neben Seto und Atemu, Zigfried und Shirotani und Seth mit Yasuo, sagte noch Bakura im letzten Moment zu.

Während Atemu das Wohnzimmer fertig dekorierte, holte Seto das Essen für heute Abend bei einem Restaurant ab.

Sie brauchten es nur noch aufwärmen und diese Tatsache freute besonders Seto. Je weniger Arbeit, desto besser.
 

„Die Tanne fängt an mir auf den Keks zu gehen.“, fing Atemu an zu schimpfen. „Jedes Mal, wenn ich an ihr vorbei laufe fallen Nadeln runter.“

Seto, der gerade mit vollen Händen zur Tür reinkam, versuchte sich einen unpassenden Kommentar zu verkneifen. „Geh am besten außen rum.“

„Hoffentlich hält der Baum noch bis Neujahr durch.“, grummelte Atemu und nahm Seto das Essen ab.
 

Seto fiel alles aus dem Gesicht und er starrte Atemu hinterher, der in der Küche verschwand. Er musste mit diesem hässlichen Weihnachtsbaum, der inzwischen braune Nadeln bekam, bis Neujahr leben? „Am besten kaufe ich einen künstlichen Baum. So gehe ich zukünftigem Ärger aus dem Weg.“
 

„Sag mal, Seto!“ Atemu steckte den Kopf aus der Küchentür und schaute seinen Freund zweifelnd an. „Wird Bakura sich nicht einsam vorkommen?“

„Warum sollte er sich einsam fühlen?“

Atemu verdrehte die Augen. „Weil jeder einen Partner hat, nur er nicht.“

Als würde Seto nicht den Unterton heraushören, der signalisierte, wie unsensible er doch sein konnte. „Vielleicht kommt er in Begleitung. Es ist ja nicht so, dass er in der Damenwelt unbeliebt ist.“

„Dann hätte er es mir doch gesagt. Kümmre du dich bitte um ihn. In der Schulzeit wart ihr schließlich dicke Freunde. Er soll sich auf keinen Fall zurückgestellt fühlen.“

„Du machst dir viel zu viele Gedanken. Bakura wird sich hier schon wohlfühlen.“

„Bist du sicher?“

„Vertrau mir.“

Nun fühlte Atemu sich besser und machte mit den Vorbereitungen weiter. Jeder seiner Gäste sollte sich wohlfühlen.
 

Einige Stunden Später saßen alle in einer kleinen Runde um den Wohnzimmertisch und unterhielten sich ausgelassen.

Seto hatte an der Tür schon jedem gedroht, sollte er auch nur ein falsches Wort über ihren Weihnachtsbaum verlieren, würde er höchstpersönlich dafür sorgen, dass dies sein schlimmstes Weihnachten ihres Lebens werden würde. Deshalb beobachtete er besonders Shirotani mit Argusaugen, der öfter von Zigfried einen Tritt unter dem Tisch bekam, weil er seinen Kopf zum Baum drehte. Man konnte ihm ansehen, dass er einen spitzen Kommentar von sich geben wollte.

Lauernd saß Seto da und wartete auf ein falsches Wort.
 

Atemu, der nichts davon ahnte, unterhielt sich ausgelassen mit Bakura. „Ihr habt toll geschmückt, aber…“ Bakura mochte nicht zum Weihnachtbaum schauen.

„Sag nichts“, kratze Atemu sich verlegen den Hinterkopf. „Das ist eine lange Geschichte und das Ende siehst du ja.“

„Erzähl mir mehr davon.“ Interessiert lehnte Bakura sich ein Stück nach vorne. So wie die Tanne aussah, schien sie eine nicht zu verachtende Geschichte zu haben.

„Wehe du lachst.“, zwinkerte Atemu, der inzwischen über sich selbst lachen konnte, wenn er an diesen Tag zurückdachte. Inzwischen sah er das ganze aus einem anderen Blickwinkel und da er sich nicht mehr darüber ärgern wollte, machte er lieber eine heitere Geschichte daraus.
 

„Es ist überraschend friedlich.“, stellte Seth fest. „Von Setos strengem Blick abgesehen.“

Auch Yasuo wunderte sich. „Ist dir aufgefallen, dass er nur Shirotani so ansieht?“

Seth nickte. „Weil Shirotani seine freche Zunge nicht im Zaum halten kann. Er schielt immer wieder zu dem Weihnachtsbaum rüber.“

„Tausend Yen, dass er in spätestens zwanzig Minuten etwas völlig Unpassendes sagen wird und Seto damit auf die Palme bringt.“

Der Meinung war Seth auch. „Bin dabei. Ich sage, er braucht keine zehn Minuten mehr.“

„Abgemacht!“
 

„Ihr habt euch richtig ins Zeug gelegt.“, zeigte sich Zigfried begeistert. „Das Zimmer sieht festlich und gemütlich aus.“

„Das meiste hat Atemu gemacht.“, winkte Seto ab. Ihm war gerade nicht nach einem Gespräch. Er musste zu sehr auf Zigfrieds ungehobelten Freund aufpassen.

„Wirklich? Er hat ein gutes Auge für schöne Dinge.“, lobte Zigfried weiter, um sich von Shirotani abzulenken, der schon ganz hibbelig war.

Seto genehmigte sich einen Schluck seines Kaffees und erlaubte sich kurz zu entspannen. „Das hat er.“
 

„Nur nicht für den Tannenbaum.“, platze es aus Shirotani raus, der nicht mehr an sich halten konnte. „Warum habt ihr keinen neuen gekauft? Der verdirbt die schöne Atmosphäre. Der Nadelt ohne Ende und verwelkt im zusehen.“
 

Zigfried sank peinlich berührt in sich zusammen, während Seto explodierte. „Dieser Baum hat mich den letzten Nerv gekostet und du hast nicht das Recht so zu reden. Drei ganze Male musste ICH ihn schmücken und seine verdammten Nadeln wegsaugen. Also halte dich zurück!“
 

„Gewonnen!“, flüsterte Seth seinem Freund triumphierend zu.

„Shirotanis Lunte ist wirklich kurz.“ Gespannt beobachteten beide die zwei Streithähne.
 

„Wenn du gleich die Wahrheit gesagt hättest, würde in deinem Wohnzimmer keine verdorrte Tanne stehen.“, zuckte Shirotani mit den Schultern und sah Seto gleichzeitig von oben herab an.
 

Bakura lehnte sich zu Atemu rüber, der perplex zwischen Seto und Shirotani hin und her schaute. „Was haben die denn für ein Problem?“

„Shirotani polarisiert gerne. Es war eine Frage der Zeit.“, überlegte Atemu. Zwar ärgerte er sich über Shirotani, aber er kannte ihn nicht anders. Im Gegensatz zum letzten Mal, war er darauf vorbereitet und hatte es auch nicht anders erwartet. „Am besten ignoriert man ihn, dann ist er schnell ruhig. Den Tipp hat mir Zigfried neulich gegeben.“

„Kennt auch Seto diesen Tipp?“
 

Seto wollte erst richtig loslegen, als er innehielt und zu Atemu rüber sah. Befreit unterhielt er sich mit Bakura und schien sich nicht im Geringsten an den Beleidigungen zu stören, die Shirotani von sich gab.

„Hat es dir die Sprache verschlagen?“, stichelte Shirotani weiter und wartete auf einen Konter.

„Das du nie deinen vorlauten Mund halten kannst. Immer musst du mich provozieren.“

„Du springst so schön darauf an.“, machte er weiter. „Die Tanne ist nun Mal wie sie ist, hässlich.“ Dafür erntete Shirotani einen harten Tritt gegen sein Schienbein. „Zigfried! Nicht so doll. Das tut mir doch auch weh.“

„Du hast es verdient.“ Zigfried schaute Seto entschuldigend an und bat ihn um Verzeihung.

„Du brauchst dich nicht entschuldigen.“ Das wollte Seto nun nicht erreichen. Zigfried sollte sich deswegen nicht schlecht fühlen. „Bis Neujahr werden wir mit dem Baum leben müssen und dann darf ich ihn übers Geländer schmeißen.“

„Ich bewundere dich für dein Durchhaltevermögen.“, bemerkte Shirotani. „Ich würde ihn noch heute über die Brüstung werfen.“

„Ich am liebsten auch.“

„Warum machst du es dann nicht?“ Natürlich war Shirotani klar, weshalb Seto dies nicht übers Herz brachte.

„Dann mach du es doch, wenn du dich traust! Ich bezahle dich auch dafür.“

Lebensmüde war Shirotani nun wirklich nicht. Für kein Geld der Welt wollte er es sich mit Zigfried verscherzen, der wirklich sauer werden konnte, wenn er Atemu zu sehr ärgerte.
 

Wieder lehnte Bakura sich zu Atemu rüber. „Die scheinen deinen Weihnachtsbaum richtig zu hassen.“

So leise wie möglich antwortete Atemu. „Seto mochte meinen Baum von Anfang an nicht. Übelnehmen kann ich es ihm nicht. Meinetwegen hatte er jede Menge Stress, aber er hat sich nie beschwert.“

„Das zeigt wie sehr er dich liebt.“

Dessen war sich Atemu natürlich bewusst. Mit liebevollem Blick beobachtete er Seto, der weiter mit Shirotani diskutierte.

Zigfried gesellte sich lieber zu ihm und Bakura. „Das sie ausgerechnet heute streiten müssen.“

„Ich glaube Seto braucht das.“, lächelte Atemu. „Meinetwegen hatte er viel Stress und nun kann er alles rauslassen. Das wird ihm guttun.“

„Du bist nicht verärgert?“, wunderte sich Zigfried.

Nein, Atemu war nicht verärgert. Sein Vater tuschelte amüsiert mit Seth, Seto schien auf eine verquere Art seinen Spaß zu haben und er saß mit Bakura und Zigfried in einer angenehmen Runde. Keiner fühlte sich ausgeschlossen, worauf Atemu besonderen Wert legte.

Es dauerte nicht lange und sie redeten über alles Mögliche. Jeder hatte etwas zu erzählen und Bakura und Zigfried wollten die Geschichte über seinen Weihnachtsbaum hören. Kein Detail sollte er auslassen. Allein für diesen Moment hatte es sich gelohnt diesen Baum zu kaufen und nach Hause zu schleppen. Keiner der Beiden machte sich Lustig, sondern lachten mit ihm, wie wahre Freunde es eben taten.

Dieser Abend war viel schöner als Atemu es sich vorgestellt hatte. Eine große Feier brauchte er wirklich nicht, auch wenn er sie bereits fürs nächste Jahr plante.
 

*
 

Erschöpft ließ Seto sich rücklings ins Bett fallen. Es war weit nach Mitternacht und die Müdigkeit holte ihn allmählig ein. „Warum ist Shirotani nur so ein Eigenbrötler?“

„So ist er nun mal.“ Atemu kramte einen Pyjama aus dem Kleiderschrank und legte ihn aufs Bett.

Seto richtete sich wieder auf und schaute seinen Freund geknickt an. „Ich wollte etwas romantisches für dich machen und nun steh ich mit leeren Händen da.“

Überrascht drehte Atemu sich um. „Wie kommst du darauf?“ Das hatte Atemu überhaupt nicht mehr auf dem Schirm gehabt.
 

Seto holte seine Papiertüte aus einer Ecke neben dem Kleiderschrank und überreichte ihren Inhalt Atemu. „Das ist mein kläglicher Versuch romantisch zu sein.“

Ratlos schaute Atemu den kleinen Mistelzweig an, der im Gegensatz zur Tanne, in einem hellen Grün strahlte. „Du warst doch längst romantisch, weißt du es nicht mehr?“

„Wann soll das gewesen sein?“

„Als wir unseren Weihnachtsbaum zum dritten Mal geschmückt haben. Danach ist es sehr schön gewesen. Es kam überraschend und ich habe mich so wohl bei dir gefühlt.“ Mit ehrlichem Blick sah Atemu in Setos verwirrte Augen. „Verzeih mir bitte. Ich wollte dich nicht in die Ecke drängen. Du brauchst nichts für mich machen. Du machst es doch jeden Tag. Ich bin schon so sehr daran gewöhnt, dass ich es nicht mehr bemerkte. Du machst alles mit ohne dich zu beschweren, zauberst mir jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht und verteidigst sogar meinen verdorrten Weihnachtsbaum. Ich könnte nicht glücklicher sein.“

Mit allem hatte Seto gerechnet, aber nicht damit. Dieser Tag nahm ein schönes Ende und durch Shirotani konnte er sich seinen ganzen Frust von der Seele schimpfen. „Was hast du für Silvester geplant?“

Atemu legte geheimnisvoll seinen Zeigefinger an Setos Lippen. „Das wirst du noch früh genug erfahren.“
 


 

Ende


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war meine kleine und kitschige Weihnachtsgeschichte.
Hoffentlich hat sie euch gefallen. :)
Ich hatte jedenfalls viel Spaß sie zu schreiben.
Wenn ihr Lust auf eine Silvester-Story habt, lasst es mich wissen.
Eure Hayley Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Duchess
2021-12-27T15:16:31+00:00 27.12.2021 16:16
Falls es noch nicht zu spät ist, lass ich es dich hiermit wissen. Ja bitte auch noch eine Silvester Story XD
Ich dachte ich hätte diese Woche endlich etwas Ruhe vor allem, aber leider.... Nun immerhin sorgst du gerade wunderbar für schöne Ablenkungen :D
Es war so schön zu lesen wie die beiden versucht haben romantisch zu sein. Wie Shirotani die herrliche Rolle des Boxsacks abbekommen hat und Seto sich alles von der Seele schimpfen konnte, wie Atemu so herrlich seine eigene Romantik finden konnte, wie Zigfried und Bakura ihre ganz eigenen Rollen bekommen haben XD
Und der arme Baum wird bereits braun. Herrje, dem armen Ding Wasser zu geben war auch zu viel, mh?
"dann geh halt außen rum" XD so süß der Satz.
Antwort von:  DonnaHayley
27.12.2021 20:36
Ich arbeite dran. :)
Es wird vermutlich ein OS werden. Hey, ich kann mich mal kurz fassen. :D

Das freut mich aber. Wenn ich dich von deinem Alltag ablenken kann, macht mir das schreiben gleich noch mehr Spaß.
Der Baum muss am meisten leiden. Er bekommt nicht einmal Wasser. ^^°
In der Silvester Story wird Seto sich weiter an ihm stören.
Diese kleine Geschichte musste mit ganz viel Glitzer enden. :D
Von:  Duchess
2021-12-05T19:29:11+00:00 05.12.2021 20:29
Awwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwmmmmmm
Das ist so unfassbar niedlich!
So richtig schön kitschig, auch wenn mir Atemu schon wieder leid tut. Was fällt diesem blöden Baum auch ein alle seine Nadeln ab zu werfen?

Und gerade diese Szene wo unsere beiden Kaibas versuchen romantisch zu sein und sich Yasuo auch noch so freut, dass Seth versucht sich zu bemühen... Awwweeem herzallerliebst!

Und mir gefällt Zigfried gerade unglaublich gut in seiner Rolle.
Ich mag den Kerl hier in der Story
Antwort von:  DonnaHayley
05.12.2021 22:42
Ich gebe dir Recht, kitschig ist die Geschichte. XDDD
Mit dem Baum hat Atemu sich keinen Gefallen getan. Irgendwo hat er sich das selbst gemacht. ^^°

Ich hatte großen Spaß diese Szene zu schreiben. :D
Hier kann ich die Charaktere in ihrem ganz entspannten privaten Umfeld schreiben, ohne irgendeinen Bösewicht im Hintergrund. ;)

Das du Zigfried in meiner Geschichte magst freut mich. :D
Durch eine andere Autorin hab ich mich in diesen Charakter verguckt und musste ihn mit reinschreiben.

Wie schön das du auch diese Geschichte von mir liest. :DDD


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