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Katzenjammer

von

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Die Metamorphose

„DIESER VOLLIDIOT!“, rief Bunny aufgebracht und stampfte davon.

Eigentlich war sie ein fröhliches Mädchen, dass schnell Anschluss fand und beinahe von jedem gemocht wurde, aber diese eine Kerl schaffte es sie zur Weißglut zu bringen. Wann immer er auftauchte, gab es Ärger. So, wie auch dieses Mal.

Als sie ihm vor 6 Wochen aus Unachtsamkeit ihre zerknüllte Mathearbeit auf den Kopf geworfen hatte und kurz darauf ihr Schuh auf seinem Schädel gelandet war, hatte sie sich ihren ganz persönlichen Erzfeind geschaffen. Seit dieser Begegnung taucht er ein bis zwei Mal in der Woche auf und begrüßt sie herzlich mit "Hallo, meine kleine Weichbirne.". Auch, wenn diese Zusammentreffen reiner Zufall waren, konnte sich dieser Kerl nicht verkneifen Bunny von der Seite anzuquatschen und zu ärgern. Und auch, wenn diese Begegnungen schon zur Routine geworden waren, wusste sie nicht, wie der Typ hieß und wollte es auch nicht wissen. Manchmal beschlich sie das Gefühl, dass er den Streit mit ihr suchte, aber da hatte er sich mit der falschen angelegt. Bunny war ebenso in der Lage auszuteilen, und ließ sich von ihm nicht zur Schnecke machen.

Das genaue Gegenteil von diesem Rüpel war Motoki, der Junge aus der Spielhalle. Nicht nur, dass Bunny außerordentlich gerne Videospiele spielet, allen voran Sailor V, konnte sie es nach einem harten Schultag nicht erwarten in Motokis fröhliches Gesicht zu sehen. Sie schwärmte für ihn und träumte davon, dass er einmal ihr Freund werden würde.

Auch an diesem Tag war sie diesem unbekannten Kerl begegnet, der ihr wiedermal nicht aus dem Weg gehen konnte. Dabei wollte sie doch einfach nur ein Eis essen. Sie hatte früher Schluss, doch leider hatten Naru, Kuri und Yumiko keine Zeit mit ihr durch Azabu-Juban zu bummeln, sodass sie beschloss ihr Taschengeld erst einmal für ein leckeres Vanilleeis auszugeben und den Rest im Crown Game Center zu verspielen.

„Ich hätte gerne ein Vanille Softeis, bitte!“, sagte sie freundlich zum Verkäufer am Eisstand, als wieder diese dunkle Stimme im gehässigen Tonfall von der Seite ertönte.

„Wenn du noch mehr Eis isst, wirst du pummelig.“

Sie erkannte die Stimme sofort und drehte sich mit einem wütenden Gesichtsausdruck zu ihm um. „Was geht dich das an? Wenn du knochige Mädchen magst, brauchst du mich ja nicht anquatschen!“

„Keine Sorge, du bist sowieso nicht mehr Typ.“, sagte er mit einem herablassenden Grinsen. „Mir tut nur der Junge leid, der mal dein Freund sein wird.“

„Nicht nötig. Ich kenne einen Jungen, der mich so mag, wie ich bin.“ Sie drehte sich von ihm weg, nahm mit einem Lächeln, dem Verkäufer gegenüber, das Eis und richtete ihren Blick wieder an den fiesen Kerl. „Ich mache mir eher um dich sorgen. Du bist so fies, dass du sicher keine Freundin findest.“ Bunny lachte und ging, bevor er noch was sagen konnte.

Dieses Lachen sollte ihm gegenüber, den Anschein erwecken, dass sie als Siegerin aus diesem Wortgefecht hervorgegangen war, doch innerlich kochte sie. Sobald er außer Sichtweite war, konnte sie nicht anders als zu fluchen. Nicht einmal das Eis konnte sie noch genießen. Sie schlang es in ihrem Unmut hastig runter und beschloss schnell zu Motoki zu gehen, um sich an ihrem liebsten Videosiel abzureagieren und das Gesicht des tollsten Jungen auf der Welt zu sehen.

Ihr Gemütszustand hielt noch an, als sie das Crown betrat, und das blieb auch einem aufmerksamen Motoki nicht verborgen. „Hallo, Bunny! Du siehst ja gar nicht glücklich aus.“

‚Es fällt ihm auf, wie ich aussehen.‘, dachte sich Bunny glücklich und begann zu berichten. „Ich bin wieder diesem Blödmann begegnet, der mich immer ärgert.“

„Ach nein.“, reagierte Motoki mitfühlend. „Der scheint einen Narren an dir gefressen zu haben.“, fügte er mit einem Lachen hinzu.

„Hör bloß auf! Jeder Tag, an dem ich ihn nicht treffe, ist ein guter Tag.“

„Er kennt dich halt nicht. Wenn er dich kennen würde, dann würde er dich mögen, da bin ich ganz sicher.“ Motoki strahlte sie an.

„Glaubst du? Du bist immer so nett zu mir.“, sagte Bunny verlegen. Für sie waren Motokis Worte schon eine halbe Liebeserklärung.

Nun lächelte sie. Sie hatte gewusst, dass es sich lohnen würde in die Spielhalle zu gehen, denn Motoki konnte ihr immer ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, egal, wie schlecht sie vorher drauf war.

„Oh! Der Sailor V Automat ist frei!“, bemerkte sie zufällig und begab sich ohne Umschweife dorthin.

Sie setzte sich hin und spielte sich den restlichen Frust von der Seele, steigerte sich rein, weil sie an einer knackigen Stelle nicht weiterkam und gab nach einer Stunde und vielen verlorenen Yen frustriert auf. Doch egal, wie unzufrieden sie war, sie hatte den Ärger um den dunkelhaarigen Idioten vollkommen vergessen. Sie atmete tief durch, verabschiedete sich herzlich von Motoki und machte sich auf den Weg nach Hause.

Nach 5 Minuten kamen ihr, ohne, dass sie es forciert hatte, die Ereignisse des Tages in den Kopf. Da es keine Klassenarbeit gab, über die sie sich ärgern sollte und Naru und Umino nichts Interessantes zu berichten hatten, rutschte wieder der Blödmann in ihre Gedanken. Ihr Gesicht verzog sich wieder und sie begann unbemerkt zu stampfen, statt zu gehen. Warum musste er ihr ständig über den Weg laufen? Hatte das Schicksal sie so auf dem Kieker, dass sie keine Ruhe mehr vor ihm finden sollte? Und warum musste er sie andauernd anquatschen, konnte er sie nicht einfach ignorieren? Motoki war so viel netter. Bunny schätzte ihn auf das gleiche Alter, wie den Blödmann, aber sie waren so verschieden wie Tag und Nacht. Was war nur bei dem Idioten schiefgelaufen, dass er sie zur Zielscheibe seiner Attacken auserkoren hatte? Bunny verstand es einfach nicht.

Nun kam ein weiterer unangenehmer Gedanke dazu. Ihre Hausaufgaben. Der Frust machte sie so müde, dass sie sich am liebsten einfach schlafen legen würde, sobald sie ihr Zimmer betrat, doch leider hatte sie ihrer Mutter versprochen fleißiger zu werden. Sie musste sich zusammenreisen.

Plötzlich zuckte sie zusammen. "Oh nein! Ich habe meine Schultasche verloren."

Das Herz rutschte ihr in die Hose und sie begann intensiv zu grübeln, wo sie die Tasche verloren haben konnte. Gedanklich ging sie den gesamten Weg rückwärts, bis sie sich vor ihrem geistigen Auge auf den Hocker vor dem Sailor V Spiel setzte und ihre Tasche vor den Automaten stellte. Und genau dort hatte sie die Tasche das letzte Mal gesehen. Sie seufzte laut, denn jetzt musste sie den gesamten Weg wieder zurücklaufen, doch sie rang sich ein Lächeln ab, denn schließlich konnte sie noch einmal Motokis Gesicht sehen. Sie drehte sich um und musste sich wundern. Vor ihr schwebte ein merkwürdig gekleidetes Mädchen mit einem diabolischen Grinsen. Sie bekam einen mächtigen Schrecken, denn schwebende Menschen hatte sie bisher nur im Fernsehen gesehen, und das war alles Tricktechnik.

"We...Wer bist du?", fragte sie zitternd.

"Ich bin ein Dämon!", antwortete das schwebende Mädchen frech. "Und ich bin hier, um dir deine Energie zu entziehen!"

Bunny verstand Garnichts. Es gab doch gar keine Dämonen und fliegende Menschen. Was war nur los? Sie stand wie paralysiert da und starrte die kleine Dämonin an. "Aber wieso ich?"

"Weil du gerade viel Energie aufbringst, um jemanden zu hassen.", sagte die Dämonin achselzuckend. "Mach dir keine Sorgen, es tut auch nicht weh."

Bunny begriff nun endlich, dass es kein Scherz war und beschloss das Weite zu suchen. Ihre Tasche hatte sie im ganzen Trubel total vergessen. Sie wollte nur noch davonrennen, in der Hoffnung, dass ein fliegender Dämon sie nicht erwischen würde. Selbstverständlich hatte sie sich getäuscht. Sie konnte sich plötzlich nicht mehr bewegen und spürte, wie ihre Kraft schwand und sie den Halt verlor. Auch ihr Bewusstsein schwand und sie war sich sicher, dass es nun ihr Ende war. Sie verspürte eine furchterregende Angst und das Bedürfnis noch einmal das Gesicht ihrer Mutter zu sehen, bis vor ihren Augen alles schwarz wurde.

Es verging eine Weile, bis Bunny langsam die Augen öffnete. Der Himmel war bereits Abendrot.

'Wo bin ich?', fragte sie sich.

Plötzlich erinnerte sie sich an das letzte vor ihrer Ohnmacht. Es war eine kleine, böse grinsende Dämonin in komischen Kleidern, die ihr ihre Energie absaugen wollte. Erleichtert stellte sie fest, dass sie noch am Leben war. Hatte die Dämonin ihr Werk nicht zu Ende verrichtet?

Nun war es auch egal. Bunny schätze sich glücklich es überstanden zu haben und beschloss, trotz der späten Stunde, zurück zum Game Center zu gehen und ihre Tasche zu holen. Sie würde die Hausaufgaben zwar nicht mehr schaffen, aber zumindest würde es keinen Ärger geben, dass sie ihre Tasche verloren hatte.

Gerade, als sie sich abstürzen wollte, um sich zu erheben, merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Ihr Körper fühlte sich merkwürdig an und ihr Sichtfeld war sehr niedrig gelegen, obwohl sie schon voll aufgerichtet stand. Als sie an sich runterschaute, fiel sie aus allen Wolken. Sie sah rosafarbenes Fell und flauschige Pfoten. Sie geriet in Panik und flitze blitzartig los. Zu ihrem Erstaunen konnte sie diesen neuen Körper gut beherrschen, und war schnell und wendig. Ohne es bewusst zu tun, sprang sie hoch und weit, sodass sie in Windeseile wieder in der Einkaufsstraße war, wo sich auch das Crown befand. Sie blieb an einem Schaufenster stehen, um endlich ihr Antlitz zu betrachten, doch was sie sah, war nur eine rosafarbene Katze, die ihr aus dem Spiegelbild des Schaufensters entgehen blickte. Bunny Tsukino, das Mädchen mit den blonden Zöpfen war nicht zu sehen.

Bunny wurde ganz schwindlig. Wie konnte das nur passieren? War es die kleine Dämonin, die sie verwandelt hatte? Wollte sie denn nicht nur die Energie haben oder war das das Resultat ihres Angriffs? Aber das war unwichtig, denn Bunny konnte unmöglich in diesem Zustand bleiben. Doch wie konnte sie sich zurück verwandeln? Sie war beinahe instinktiv wieder zum Gamecenter gelaufen und beschloss sich bei Motoki Hilfe zu holen. Ihr war zwar nicht ganz klar, wie sie ihm das alles erklären sollte, aber er war immer so nett zu ihr, dass er ihr bestimmt helfen würde.

Dummerweise befand sich das Game Center auf der gegenüberliegenden Straßenseite einer viel befahrenen Straße. Bunny fasste sich ein Herz, denn sie hatte bereits bemerkt, dass dieser Körper schnell war. Nur der niedrige Blickwinkel machte ihr etwas Schwierigkeiten. Sie wartete geduldig, bis kein Auto mehr zu sehen war und flitze los. Leider war ihrer Aufmerksamkeit ein kleiner grauer PKW entgangen, der geradewegs auf sie zuraste. Der Fahrer hatte nichts gegen Katzen, doch er hatte das kleine rosafarbene Geschöpf einfach übersehen. Als Bunny den Wagen bemerkte, blieb sie vor Schreck wie angewurzelt mitten auf der Straße stehen. Sie starrte dem Wagen erschrocken entgegen und dachte sich zum zweiten Mal an diesem Tag, dass das nun ihr Ende war. Im nächsten Augenblick wurde sie von jemandem von der Straße gerissen. Das alles kam so plötzlich, dass sie vor Schreck erneuert das Bewusstsein verlor.

Es dauerte eine Stunde, bis sie langsam die Augen öffnete. Als sie sich, noch etwas benommen, umschaute, stellte sie fest, dass sie sich in einer fremden Wohnung befand. Sie lag auf einem Handtuch auf einer beigen Couch. Alles war sehr aufgeräumt und ordentlich, aber es fehlte der weibliche Touch. Bunny erinnerte sich, dass sie fast von einem Auto erfasst worden wäre und plötzlich alles vor ihren Augen schwarz wurde. Hatte sie tatsächlich jemand gerettet? Wer konnte das gewesen sein? Sie versuchte sich zu erheben und merkte einen leichten Schmerz am rechten Bein. Als sie es sich ansehen wollte, bemerkte sie einen Verband. Hatte sie sich etwa verletzt? Hatte sie das Glück gehabt von jemandem gerettet worden zu sein, der sie auch noch in Sicherheit gebracht und verarztet hatte?

Sie wartete gespannt, bis diese Person sich zeigen würde und da war sie auch schon. Bunny stockte das Atmen. Vor ihr stand plötzlich der streitlustige Idiot, der ihr mehrmals die Woche das Leben schwer machte.

Sie begriff zwar nicht, wie sie dahingekommen war, aber das wollte sie sich nicht bieten lassen. Die Wut stieg in ihr hoch.

'Du blöder Kerl. Was soll das?', schrie sie ihn an. Zu ihrem Bedauern verstand er kein Wort. Er sah nur eine wütende Katze, die zischte und aggressiv maunzte.
 

Wie sollte es auch anders sein? Er war stets aufmerksam, wenn er durch die Gegend lief und beobachtete seine Umgebung genaustens, auch, wenn er sich das nicht anmerken ließ. So sah er auch diese niedliche Katze, die so tollkühn war eine so große Straße zu überqueren. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass eine Katze dabei das Zeitliche gesegnet hätte, doch meist waren diese wendigen kleinen Tiger geschickt. Diese Katze war es jedoch nicht und blieb mitten auf der Straße stehen, als gerade ein Auto direkt auf sie zuraste. Er überlegte nicht lange, sprang über die Leitplanke und schnappte sich beherzt das kleine rosa Fellknäuel. Leider landete er etwas ungeschickt, weshalb das kleine Kätzchen eine Schramme an der rechten Vorderpfote davontrug und zu allem Überfluss ohnmächtig wurde. Er schaute sich um, als würden er erwarten, dass ein Besitzer aus dem Nichts auftauchen würde, doch wie es bei Freigängern so üblich war, ließ sich natürlich niemand blicken.

Er begann zu grübeln. Er konnte das Kätzchen doch nicht so einfach liegen lassen. Nachher würde sich ein Hund an ihr vergreifen oder sie würde von frechen Kindern gequält werden. Es ging nicht anders, er musste sie mit nach Hause nehmen.

Dort angekommen, holte er, noch mit dem rosa Fellknäuel auf dem Arm, ein Handtuch aus dem Schrank und legte es auf die Couch. Schließlich legte er die Katze vorsichtig darauf und ging auf die Suche nach dem Verbandszeug. Sein Medizinstudium brachte ihm an dieser Stelle recht wenig, da er erst im ersten Semester war und es sich hier auch nicht um einen Menschen handelte, trotzdem versuchte er sein Bestes. Er hatte sich schließlich schon vor Studienbeginn mit den Grundlagen der Medizin beschäftigt und wollte keinesfalls riskieren, dass die Wunde sich infiziert.

Behutsam reinigte er die kleine Wunde, desinfizierte sie und verband sie mit aller Vorsicht. Die gesamte Zeit über war das Tier bewusstlos, doch er konnte es atmen sehen. Als er fertig war, beobachtete er seinen Fund. Er saß einfach da und schaute es sich an. Ihm fiel auf, dass diese Katze sehr gepflegt aussah und bestimmt jemandem gehörte, der sie nun vermisste. Ein Halsband hatte sie nicht.

Was hatte er sich da nur ins Haus geschleppt, fragte er sich. Es musste eine Strategie her, wie er den Besitzer wiederfinden würde. Es in einem Tierheim abzugeben, kam für ihn nicht in Frage. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie dieses freiheitsliebende Geschöpf womöglich für Wochen in einen kleinen Käfig gesperrt werden könnte, bis sich ein Besitzer auftat. Die einzige Lösung war es, selbst nach dem Besitzer zu suchen und Flugblätter zu verteilen. Aber solange das Tier bei ihm bleiben sollte, wollte er es ihm so angenehm wie möglich gestalten.

„Ich mache mir erst mal einen Tee.“, sagte er vor sich hin und ging in die Küche.

Als er mit einer frischen Tasse Oolong Tee wieder zur Couch ging, sah er, dass das Kätzchen wieder wach war. Erleichterung machte sich breit, doch dabei blieb es nicht. Als die Katze ihn bemerkt hatte, begann sie zu zischen und aggressiv zu maunzen. Sie plusterte sich auf und bekam einen Buckel. Ganz offensichtlich war sie mit der Situation nicht sehr glücklich.

Er blieb in sicherer Entfernung stehen, um das Tier nicht weiter zu erschrecken. ‚Was mache ich denn jetzt?‘, fragte er sich ratlos. ‚Wahrscheinlich ist das noch der Schock.‘

Um es nicht weiter zu verunsichern, entschied er sich noch einmal rauszugehen. Er wollte dem Tier die Möglichkeit geben sich an die Situation zu gewöhnen, und schließlich brauchte sie ein paar Dinge, um es bei ihm ein paar Tage auszuhalten. Er stellte den Tee in der Küche ab, zog sein Jackett über und verließ sie Wohnung.

In der Höhle des Idioten

‚Was soll das?‘, maunzte Bunny aufgeregt.

Nun war sie tatsächlich in der Wohnung ihres Erzfeindes gefangen? Hat er etwa gewusst, was ihr passiert war und wollte sie jetzt ärgern? Und wieso reagierte er nicht auf ihre Frage? Bunny war drauf und dran von der Couch zu springen, um nach einem Ausweg zu suchen, doch ihre Pfote tat ihr zu sehr weh, dass sie es gerade schaffte langsam vom Sofa zu klettern und sich unter das Bett in vermeintliche Sicherheit zu bringen.

Ihr Kopf drehte sich und die Situation schien ausweglos. Bunny verstand nicht, warum sie von allen Menschen in Tokyo ausgerechnet beim schlechtesten landen musste. Er würde sie bestimmt ärgern und quälen. Da sie nicht gut laufen konnte, war Verstecken die einzige Lösung. Unter dem Bett würde er sie bestimmt nicht finden, dachte sie sich naiv. Der Boden war zwar kalt, aber ihr Fell schützte sie ein wenig, und es war allemal besser, als auf dem Präsentierteller zu liegen und auf einen Streich des Blödmanns zu warten.

Draußen begann es langsam zu dämmern und ein Hunger machte sich breit. Sie wollte plötzlich so gerne was essen, aber mit der schmerzenden Pfote war die Suche nicht so einfach. Sie wollte es dennoch wagen und kroch langsam unter dem Bett hervor, als sie plötzlich die Schlüssel in der Tür hörte. Augenblicklich verschwand sie in der hintersten Ecke unter dem Bett und wurde ganz ruhig. Sie beobachtete aufmerksam seine Beine, die nun geschäftig durch die Wohnung spazierten und, wie er zwei Kisten abstellte.

‚Bestimmt ist das was drin, um mich einzusperren.‘, dachte sich Bunny ängstlich.

Plötzlich merkte sie, wie der Gang des Mannes unruhiger wurde und ihn scheinbar wahllos durch die Wohnung führte, bis er schließlich auf die Knie ging und unter das Bett schaute. Sein angespannter Blick zeigte augenblicklich Erleichterung. Doch Bunny gefiel es gar nicht. Das Versteck war nicht gut genug und so fürchtete sie sich weiterhin.
 

Als er die Wohnung betrat und sein Findelkind nicht mehr da war, wo er es zurückgelassen hatte, wurde er nervös, schließlich war das Kätzchen verletzt. Im ersten Augenblick machte er sich Vorwürfe das Geschöpf in einer fremden Umgebung alleine gelassen zu haben, doch, als er sie schließlich unter dem Bett fand, begriff er, dass sie einfach immer noch Angst hatte. Es blieb ihm nichts über, als geduldig zu sein. Er ließ es unter dem Bett sitzen und holte erst mal einen kleinen Kratzbaum aus einem Pappkarton. Er öffnete den nächsten Karton und zog ein flauschiges, rundes Katzenbett hervor. Da er nicht glaubte, dass die Katze so bald unter diesem Bett hervorkommen würde, schob er das Katzenbett einfach zu ihr unter sein Bett. Ein Katzenklo durfte auch nicht fehlen. Als letztes und wichtigstes öffnete er eine Dose Katzenfutter. Es war eine teure Premiumsorte. Er hatte sich beim Kauf gedacht, dass es ihr bestimmt am besten schmecken würde. Er platzierte es auf einem großen Teller und schob es an den Rand seines Bettes. Als er sich nach unter beugte, um zu sehen, ob sie schon das Bett und das Futter angenommen hatte, hatte sich an der Position und an dem verängstigten Blick der Katze nichts verändert. Es ging wohl nicht anders, er musste abwarten, zumindest, bis die Pfote wieder verheilt war.

Bunny beeindruckte es nicht. Sie hatte nicht vor sich von ihm einlullen zu lassen. Das war bestimmt alles nur ein Trick, um sie wieder daraus zu locken. Sicher war in einer der Kisten eine Transportbox und er würde sie bei der nächsten Gelegenheit zum Tierfänger bringen. Auch, wenn er sie gefunden hatte, hatte er sie nicht unter dem Bett hervorgeholt, also fühlte sie sich für den Augenblick zumindest noch sicher. Sie war empört, dass er ihr eine Dose Katzenfutter hingestellt hatte. Sollte er ihre missliche Lage beobachtet haben und wissen, wer sie war, dann war das eine pure Gemeinheit, aber es roch so lecker. Trotzdem entschied sich Bunny ihren Posten nicht zu verlassen, da sie überall eine Falle witterte.

Es wurde langsam Nacht. Bunny sah die Beine des Idioten immer wieder durch die Wohnung laufen, doch er vermittelte nicht mehr den Eindruck, dass er unruhig war. Schließlich tauchte er in einer Pyjama Hose vor dem Bett auf und beugte sich noch einmal drunter, um nach dem Rechten zu sehen. Bunny erstarrte wieder. Jetzt musste es doch soweit sein, irgendetwas musste kommen, doch es kam nichts. Er sah die Katze in ihrer unveränderten Position in der gleichen Ecke sitzen, stand wieder auf und legte sich ins Bett.

Bevor er einschlief, machte er sich Gedanken, wie er nun ein Foto schießen sollte, wenn sie nur unter dem Bett blieb und, wie er ihre Wunde kontrollieren sollte. So würde er es sicher nicht wieder an seine Besitzer übergeben.

Am nächsten Morgen stand er einfach auf und ging seinem gewohnten Tagesablauf nach. Bis er den Kratzbaum sah, hatte er vollkommen vergessen, dass er neuerdings einen kleinen Mitbewohner hatte. Als er das realisierte, schaute er sofort unter das Bett. Er erwartete, dass das Tier immer noch in der gleichen Position unter dem Bett saß und das Futter nicht angerührt hatte, aber er täuschte sich. Die Dose war fein säuberlich leer geleckt und die Katze lag friedlich auf dem Katzenbett und schlief. Dieser Anblick zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht.

Er wollte das Kätzchen nicht stören, also ging er seinen morgendlichen Gewohnheiten nach, zog sich an und machte sich einen schwarzen Kaffee. Bevor er die Wohnung Richtung Uni verließ, öffnete er noch eine Dose Katzenfutter, dann fiel die Tür ins Schloss.

Dieses Geräusch weckte Bunny. Nachdem sie in der vergangenen Nacht gemerkt hatte, dass er nun endlich eingeschlafen war, musste sie ihren Hunger stillen. Katzenfutter roch normalerweise sehr ekelig für sie, doch das, was er ihr dahingestellt hatte, duftete nicht nur lecker, sondern schmeckte auch ausgezeichnet. Und, wenn schon so ein flauschiges Bett da war, konnte sie es auch nutzen. Sobald er aufstehen würde, nahm sich Bunny vor wieder in die hinterste Ecke seines Bettes zu verschwinden. Das war ihr aber nicht gelungen. Sie war so erschöpft von dem ganzen Stress des Vortages, dass sie, wie ein Stein eingeschlafen war, bis sie das Schloss in die Tür fallen hörte.

Bunny saß ganze 30 Minuten in der Ecke, bis sie merkte, dass er nicht zurückkam. Ihr kam die Überlegung, dass er sicher auch eine Beschäftigung hatte, der er tagsüber nachgehen musste, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Und, wenn es so war, hatte sie jetzt mehrere Stunden Ruhe. Auch, wenn ihre Pfote noch schmerzte, war es schon viel besser und sie konnte vorsichtig und langsam die Wohnung erkunden. Springen konnte sie leider nicht, doch sie durchstreifte die gesamte Fläche auf der Suche nach einem Ausweg. Irgendwann gab sie enttäuscht auf. Es war nichts zu machen. Ohne einen erhöhten Standpunkt würde sie ihre Situation doch sowieso nicht überblicken können und draußen würde sie es mit ihrer Verletzung womöglich nicht mal bis zum nächsten Block schaffen, dachte sie sich. Als die Pfote dann langsam wieder mehr zu schmerzen begann, entschloss sich Bunny wieder unter das Bett zu gehen und sich in ihr flauschiges Katzenbett zu legen.

Sie wurde erst geweckt, als sie wieder den Schlüssel in der Tür hörte. Sie verkroch sich wieder in der Ecke, bis sie neben der Stimme des Idioten eine vertraute Stimme hörte. Es war Motoki. Konnte es möglich sein, dass der Idiot und Motoki sich kannten? Bunny kroch vorsichtig an den Rand des Bettes und schaute hervor. Vor ihr stand wahrhaftig Motoki, der Junge aus der Spielhalle, in den sie so verknallt war und der sie in diesem Augenblick sanft anlächelte.

„Ach, schau mal an.“, sagte der Idiot verwundert. „Seit ich es hergebracht habe, hat es sich unter dem Bett versteckt und ist nicht rausgekommen.“

„Das darfst du einer Katze nicht übelnehmen.“, lachte Motoki. „Katzen sind scheue Tiere.“

Bunny ging das Herz auf. Endlich kam ihre Rettung. Unverhofft stand jemand da, dem sie vertraute. Sie kroch langsam unter dem Bett hervor.

‚Nimm mich bitte mit Motoki! Ich kann hier nicht bleiben!‘, jammerte Bunny, aber schon wieder kam nur ein Maunzen aus ihrem Schnäuzchen.

Motoki sah, wie ihn das Kätzchen anhimmelte und hob es einfach hoch. „Sie mal Mamoru, so scheu ist es ja gar nicht.“ Motoki schaute es sich genauer an. „Und es ist eine Sie. Das ist wohl auch der Grund, warum sie sich vor dir versteckt.“ Er lachte.

„Das ist nicht witzig.“, reagierte Mamoru mürrisch.

Bunny versuchte es erneut. ‚Motoki, verstehst du mich denn nicht? Nimm mich bitte mit!‘

„Und sie ist ziemlich gesprächig.“, merkte Motoki fröhlich an. „Leider können wir dich nicht verstehen, kleines Kätzchen.“

Als Bunny diese Worte hörte, wurde ihr ganz flau. Sie war nun vollkommen eine Katze. Nur ihre Gedanken waren menschlich, doch nach außen hin war sie ganz eindeutig ein Tier. Sie bekam tierische Angst. Sie wollte so nicht bleiben und sie wollte nicht bei diesem Idioten bleiben. Auch, wenn sie Motoki nicht verstand, konnte sie ihm auf andere Weise zeigen, dass sie ihn lieber mochte. Sie lag in seinem Arm und versuchte sich regelrecht in ihn reinzukuscheln, zwischendurch rief sie immer wieder ihren Kopf an seinem Gesicht.

„Die scheint dich ja gern zu haben.“, seufzte Mamoru.

„Wenn ich könnte, würde ich sie sofort mitnehmen, aber das geht leider nicht.“, sagte Motoki.

Und schon wieder brach Bunny kleines Katzenherz in tausend Teile. Die Rettung war so nahe und jetzt konnte er sie nicht mitnehmen? Während Mamoru Motoki seine Lage erklärte, gab sie nicht auf und klammerte sich regelrecht an ihn. Jeder Versuch sie abzusetzen oder wegzudrücken war unmöglich, sie klebte an ihm, wie Metall an einem Magneten.

„So ist die Lage also.“, sagte Motoki verständnisvoll. „Mach doch schon mal ein Foto, damit wir bald die Flugblätter machen können.“

Mamoru nutzte die Gunst der Stunde und holte die Kamera.

Als Motoki die Katze schweren Herzens abgeschüttelt hatte und wieder gegangen war, verkroch diese sich wieder demoralisiert unter dem Bett. Nun war es amtlich, sie war in der Wohnung ihres Erzfeindes gefangen. Dass sie nun seinen Namen wusste, brachte nicht viel. Zum einen konnte er sie sowieso nicht verstehen, zum anderen nannte sie ihn viel lieber Idiot.

Er ließ ihr ihren Freiraum. Er war nicht scharf darauf, dass sie wie eine Klette an ihm hing, doch es kränkte ihn schon ein wenig, dass sie bei einem fremden so einen Aufriss machte und ihn, ihren Retter so missachtete.

Es vergingen drei Tage, an denen er sie kaum zu Gesicht bekam. Er stellte ihr regelmäßig etwas zu Essen hin, reinigte das Katzenklo und las in jeder freien Minute Bücher über die korrekte Haltung von Katzen. Zumindest freute er sich, dass sie die Futtersorte so gut annahm, denn seinen Büchern zufolge, konnten Katzen sehr wählerisch sein. Auch, dass sie ihre Tage nun in dem Katzenbett verbrachte, freute ihn. Einzig die Wunde hätte er sich gerne angesehen.

Als Mamoru am vierten Tag von der Uni direkt nach Hause kam, saß die Katze vor dem Bett auf dem Boden und versuchte vergeblich ihren Verband abzunehmen. Er konnte sich das nicht mitansehen, doch er traute sich kaum auf sie zuzugehen, in der Befürchtung, sie würde wieder unter dem Bett verschwinden. Aber der Verband musste ab, also hockte er sich vorsichtig hin und streckte ihr die Hand entgegen.

„Komm her, kleines Kätzchen. Ich mache dir den Verband ab.“

Bunny schaute ihn an. Ihr war beinahe nicht aufgefallen, dass er das war, so emsig war sie mit diesem Stück Mull um ihre Pfote beschäftigt. Mittlerweile war ihr klar, dass er sie nicht quälen wollte, doch sie wollte auch nicht seine Freundin werden. Aber es half nichts, sie war nun mal dort gefangen und der Verband musste ab. Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu und setzte sich hin.

Seine Bewegungen waren überaus langsam und vorsichtig. Ihm war klar, dass jede falsche Bewegung sie verschrecken konnte. Er wusste ja nicht, dass in ihr eine menschliche Seele steckte, die nicht ganz so instinktiv handelte, wie die einer Katze. Er rollte den Verband ab, und als er fertig war, verkroch sie sich wieder unter sein Bett und legte sich auf ihr flauschiges Katzenbett.

Es beruhigte ihn ungemein, dass sie sich relativ entspannt verhielt und nicht mehr in die aller letzte, versteckte Ecke seiner Wohnung kroch. Was hatte er ihr nur getan, dass sie so eine Angst vor ihm hatte? Dachte sie etwa, er hätte ihr die Verletzung zugefügt? Womöglich sogar mit Absicht? Bei Motoki verhielt sie sich vollkommen anders. Lag es vielleicht an seiner positiven und beruhigenden Ausstrahlung oder war es Mamorus gelegentlich aufbrausende Art? Es hatte keinen Sinn sich darüber den Kopf zu zerbrechen, schließlich würde sich der Besitzer einer so schönen Katze sicher bei ihm melden. Er setzte sich auf die Couch und las noch ein paar Kapitel aus dem, seiner Meinung nach, besten Buch über Katzen und wollte früh ins Bett, um am nächsten Tag vor der Uni noch ein paar Flugblätter aufzuhängen.

Bunny lag unter dem Bett. Sie war ziemlich beeindruckt, dass dieser Idiot es geschafft hatte ihr den Verband so sanft und vorsichtig abzunehmen. Überhaupt hatte er sich bisher sehr gut um die gekümmert. Doch es war immer noch der Idiot, der zwar nett zu Tieren war, aber nicht zu Bunny Tsukino in ihrer wahrhaftigen menschlichen Form.

Aber nun, da der Verband nicht mehr da war, hatte sie das dringende Bedürfnis sich das Fell zu lecken. Sie konnte es kaum verstehen, aber dieser Drang sich sauber zu machen war einfach da, ohne, dass sie es kontrollieren konnte. Es war ein gutes Gefühl besonders das verklebte Fell von der Wunde ausgiebig zu reinigen.

Es war schon merkwürdig. Jetzt, wo sie eine Katze war, hatte sie plötzlich ganz andere Prioritäten. Lernen konnte sie in diesem Zustand nicht, und ihre Freunde konnte sie auch nicht treffen, doch die Fellpflege und das Kratzen an diesem kleinen Kratzbaum waren zu einem wichtigen Teil ihres bisher kurzen Katzenlebens geworden. Das Einzige, was ihr noch fehlte, war das Spielen. Sie wollte so gerne spielen, doch bisher hatte sie Schmerzen in der Pfote. Sie beobachtete Mamorus Beine und nahm sich ganz fest vor mit der frischverheilten Pfote die Wohnung zu erkunden und nach einem geeigneten Spielzeug zu suchen. Aber natürlich erst, wenn der Blödmann am nächsten Tag wieder weg sein würde.

Donnerwetter

Als Bunny nach ihrem nächtlichen Schläfchen wieder einmal die Tür ins Schloss fallen hörte, machte sie sich auf die Suche. Sie verputzte die Dose Katzenfutter, die er ihr vor dem Gehen geöffnet hatte, streifte die gesamte Wohnung ab und sprang auf jede erhöhte Fläche, die sie erreichen konnte. Auch bei genauerer Begutachtung war die Wohnung nicht nur aufgeräumt, sondern auch sauber. Es lag nirgends Staub und es gab keine Kaffeeränder auf dem Tisch. Auch in der Spüle stand nichts. Er war einfach ein reinlicher Mensch. Einzig der Tisch an der Couch lag voll mit Büchern, aber anders als Bunny erwartete, waren es keine Studienbücher, sondern Katzenratgeber. Das rührte sie. Wenn sie darüber nachdachte, realisierte sie, dass er alles besorgt hatte, was sie nicht gedacht hatte es zu brauchen, ohne das sie aber nicht leben konnte. Es lag ihm scheinbar viel daran ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, und dass, obwohl er Flugblätter fertig gemacht hatte, die sie neben den Büchern liegen sah. Vielleicht tat sie ihm ja Unrecht, aber wie würde er reagieren, wenn er wüsste, wer sie wirklich war?

Diesen Gedanken konnte sie sich aber nicht lange hingeben, denn aus dem Augenwinkel entdeckte sie einen Radiergummi, dem Mamoru liegen gelassen hatte. Sie ging dahin, setzte sich davor und fixierte es. Im nächsten Augenblick begann sie das Teil vorsichtig zu berühren und zu schieben, bis es von der Tischkante fiel. Sie setzte sich an den Tischrand und schaute auf den Radiergummi runter, der nun auf dem Boden lag. Es war klein, hatte Grip und war in Bunnys Katzenaugen das perfekte Spielzeug. Sie sprang vom Tisch und begann das Teil zu belauern, in einem Mordszahn durch die Wohnung zu flitzen und den Radiergummi anzugreifen.

Dreißig Minuten lang tobte sie sich aus und holte alles auf, was sie in den vergangenen vier Tagen verpasst hatte, bis sie schließlich ziemlich erschöpft war. Sie war zwar als Mensch immer recht schnell müde, aber sie merkte, dass das Beanspruchen ihrer Sinne als Katze sie auf eine andere Art verausgabten. Sie ließ den Radiergummi vor dem Bett liegen und legte sich wieder unter das Bett.

Mamoru war überrascht, als er nach Hause kam. Er zog die Schuhe aus, öffnete eine Dose Katzenfutter, machte sich einen Kaffee und setzte sich mit ein paar Anatomie Büchern an den Tisch. Es dauerte 30 Minuten, bis er bei seinen Notizen einen Fehler entdeckte und zum Radiergummi greifen wollte, welchen er gestern auf dem Tisch hatte liegen lassen. Er war sich zu 100% sicher, dass er ihn dahin gelegt hatte, aber er war weg. Er schaute zwischen den Büchern auf dem Tisch und unter dem Tisch. Es kamen Zweifel auf, ob er sich nicht täuschte, bis er das Ding auf dem Boden in der Nähe seines Bettes sah. Plötzlich ging ihm ein Licht auf. Er war nicht allein. Wahrscheinlich hatte die Katze es als Spielzeug benutzt.

Zwar kroch sie nur unter dem Bett hervor, wenn sie was zu fressen oder auf die Toilette wollte, doch sie vermied es, es in seiner Anwesenheit zu tun. Dennoch wollte Mamoru sein Glück versuchen und legte ihr einige Spielzeuge neben das Bett und beobachtete das Szenario. Da sich nichts tat, gab er es auf, widmete sich seinen Studien und legte sich wieder ins Bett.

Da Bunny ihn nicht wecken und dadurch seine Aufmerksamkeit erregen wollte, ließ sie das Spielzeug die ganze Nacht unberührt, auch, wenn sie riesige Lust hatte die Sachen durch die Bude zu schleudern.

Als Mamoru einen Tag später nach Hause kam, lag das Spielzeug in der gesamten Wohnung verteilt. Das zauberte ihm ein Lächeln auf das Gesicht. Auch Bunny war zufrieden. Er hatte ihr tatsächlich so viele tolle Sachen dahingelegt, mit denen sie ihren Tag vertreiben konnte. Aber die Nähe zu einem anderen Lebewesen vermisste sie schon. Mit jemanden zu reden oder von ihrer Mama in den Arm genommen zu werden fehlte ihr. Doch darauf musste sie nun verzichten. Der Blödmann durfte sie auf keinen Fall anfassen und ihr Maunzen verstand er ja ohnehin nicht.

Es gingen wieder zwei Tage ins Land, an denen Bunny in Mamorus Abwesenheit das Spielzeug malträtierte. Auf die Flugblätter reagierte niemand. Niemand schien diese wunderschöne kleine gepflegte Katze zu vermissen. Auch, wenn sie nicht mit ihm interagierte, gewöhnte er sich an ihre Anwesenheit. Aus unerfindlichen Gründen freute er sich über jede positive Veränderung, auch, wenn sie noch so klein war.

Seit nun schon sieben Tagen hatte Mamoru diese kleine Mitbewohnerin, die er nur in ganz besonderen Ausnahmen zu Gesicht bekam. Doch an diesem Sonntag war es anders. Bunny bemerkte, wie er morgens das Futter hinstellte. Er platzierte es schon lange nicht mehr unter dem Bett, denn sie fraß ohnehin erst, wenn er weg war. Auch dieses Mal tat er es nicht, doch er ging nicht weg. Bunny hatte mit dem veränderten Schlafrhythmus das Gefühl für Zeit verloren und wartete nun, bis er gehen würde, aber er blieb da, denn es war ja Samstag. Sie wartete geduldig, doch es tat sich nichts. Als der Hunger so groß war, dass sie es nicht mehr aushielt, schlich sie unter dem Bett hervor und aß genüsslich ihre Portion auf. Sie ließ sich Zeit, denn sie wusste mittlerweile, dass er sie in Ruhe lassen würde.

Mamoru bemerkte sie. Genau, wie sie vermutete, benahm er sich sehr vorsichtig und vermied alles, was sie erschrecken oder verschrecken könnte. Mit einem Blick über die Schulter schaute er ihr beim Essen zu und war wieder ein bisschen zufriedener. Er erwartete, dass sie sich danach wieder unter das Bett verkriechen würde, doch das tat sie nicht. Sie setzte sich auf einen Fleck in eine ruhige Ecke neben dem großen Fenster. Dieser Fleck war vom Sonnenlicht beleuchtet und schön warm. Dort saß sie zusammengemuckelt da und schien Sonne zu tanken. Nach einigen Minuten begann sie sich zu lecken. Ganz gemächlich und ohne Angst putzte sie sich ihr gesamtes Fell. Mamoru schaute nur staunend zu. Es wunderte ihn, dass die anfängliche Scheu so schnell bröckelte, denn laut seinen Büchern konnten solche Prozesse Monate dauern. Er verspürte die Gewissheit etwas richtig gemacht zu haben.

Zwar verschwand sie nach der Fellpflege wieder unter dem Bett und weckte bei ihm Erwartungen, dass er sie den Rest des Tages nicht mehr zu Gesicht bekommen würde, doch erneut täuschte er sich. Ihr Drang zu spielen war so groß, dass Bunny sich ein Herz fasste, unter dem Bett hervorkroch und anfing einen Plüschball durch die Gegend zu jagen. Eigentlich wollte Mamoru sich nicht aufdrängen, doch er hatte sich hinreißen lassen eine kleine Stoffmaus zu nehmen und sie durch den Raum in den Flur zu schleudern. Es war nur ein Versuch mit dem Kätzchen zu interagieren, und sie sprang darauf an und rannte verspielt und aufgeregt hinterher. Die größte Überraschung erlebte er aber, als sie mit dieser Maus im Maul zu ihm kam, sie ihm vor die Füße warf und ihn erwartungsvoll anstarrte. Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben und sein Herz ging auf. Er schnappte sich die Maus und schleuderte sie in verschiedene Richtungen durch die Wohnung, um darauf zu warten, dass das Kätzchen es ihm wiederbrachte. Es machte sich eine Zufriedenheit breit, die er schon lange nicht mehr gefühlte hatte, als hätte er etwas unmögliches und doch unendlich Wichtiges geschafft. Als die Katze ausgepowert war, kroch sie wieder unter das Bett, um sich auszuruhen. In ihrem kleinen Köpfchen war es ein aufregendes und lustiges Spiel gewesen. Es hat so gut getan diesem Stoffmäuschen hinterherzurennen, dass sie den Groll auf den Idioten fast vergessen hatte. Sie hatte nicht erwartet, dass er sich ihr und ihrer Spiellust so lange widmen würde, wie sie es wollte. Das hob sein Ansehen in ihren Augen.

In der folgenden Woche verkroch sie sich nur noch zum Schlafen. Sie kam auch raus, wenn er da war und scheute sich nicht mehr davor vor seinen Augen zu essen, zu spielen oder sonstigen natürlichen Katzenaktivitäten nachzugehen. Sie hatte es weiterhin vermieden sich von ihm streicheln zu lassen und wich ihm aus, wenn er es doch versuchte, aber sie versteckte sich nicht mehr panisch unter dem Bett.

Mamoru gewann die Katze indes so lieb, dass er sich wünschte, dass sich niemand melden würde. Er würde sich sicher schon bald so gut mit ihr anfreunden, dass sie noch zutraulicher werden würde. Ein Gedanke ließ ihn aber nicht los. Sie gehörte ihm nicht, dennoch wollte er ihr einen Namen geben. Ein kleines Geschöpf, welches auf seine Hilfe angewiesen war, wollte er nicht wie einen Gegenstand behandeln und so grübelte er bis mitten in die Nacht nach einem geeigneten Namen für eine rosa Katzendame.

Er hatte sich so in diesen Gedanken hineingesteigert, dass er zu wenig geschlafen hatte und am nächsten Morgen den Wecker überhörte. Ein Blick auf die Uhr versetzte ihn in Panik. Er war noch nie zu spät gekommen. Nun musste es schnell gehen. Auf den morgendlichen Kaffee musste er verzichten. Er zog sich rasch an, machte sich fertig und rannte aus der Tür. Dieses Mal fiel diese aber nicht ins Schloss, denn durch seine Kopflosigkeit hatte Mamoru etwas getan, was ihm zuvor noch nie passiert war, er vergaß die Tür hinter sich zu schließen.

Bunny bemerkte das Tohuwabohu, welches er veranstaltete. Sie sah seinem hastigen Verhalten gespannt zu. Sie verspürte nur innere Ruhe, denn sie musste nun seit zwei guten Wochen nirgendwohin eilen und konnte ein ziemlich entspanntes Leben genießen. Etwas Sorgen machte sie sich aber, als er, ohne die Tür hinter sich zu schließen, einfach davongerannt war. Das war natürlich die beste Gelegenheit aus diesem Gefängnis zu entkommen, aber so schlimm war es nicht. Es war eher wie ein Kurort ohne Ausgang. Sie konnte das leckerste Essen genießen, es wurde immer mit ihr gespielt oder zumindest Spielzeug dagelassen, dass sie sich selbst vergnügen konnte und sie hatte ein eigenes super flauschiges Katzenbett. Neuerdings hatte er auch Leckerbissen mitgebracht, die für sie den Stellenwert ihrer Lieblingssnacks eingenommen hatten. Das Einzige, was fehlte, war die Kommunikation zu anderen Menschen. Aber wenn sie die Wohnung durch die offene Tür verließe, wüsste sie nicht wohin. Zu wem sollte sie gehen? Motoki wollte sie nicht haben, Shingo hatte Angst vor Katzen und in einem Pappkarton an der Straßenecke, auf der ständigen Jagd nach Mäusen konnte sie sich ihr Leben nicht vorstellen. Es war schon in Ordnung. Es würde ja eh keiner kommen, um sie zu holen, denn vor zwei Wochen gab es sie noch gar nicht.

Sie saß da und starrte die offene Tür an. Auch, wenn sie nichts dran ändern konnte, da sie die Tür nicht zuziehen konnte, wollte sie wenigstens Wache halten, dass niemand reinkam. Dass sie in diesem Fall nichts ausrichten konnte, blendete sie einfach aus.

Sie bekam einen regelrechten Schrecken und plusterte sich auf, als plötzlich jemand vor der Tür erschien. Da es Mamoru war, der seinen Fauxpas rechtzeitig bemerkt hatte, beruhigte sie sich schnell wieder und setzte sich wieder entspannt hin. Das wiederum überraschte Mamoru. Er blieb in der Tür stehen und wunderte sich. Die Katze war immer noch da.

„Ich hatte gedacht, du wärst mir schon weggelaufen.“, sagte er, als er ein paar Schritte auf die Katze zugegangen war und sich in die Hocke setzte.

Bunny schaute ihn einfach an und antwortete nicht. Aber die Erleichterung in seinen Augen war deutlich. Sie realisierte, dass er wegen ihr und nicht wegen seiner Besitztümer so besorgt war. Dieser Mamoru war vielleicht doch kein so schlechter Mensch, dachte sie sich. Doch, als Mamoru versuchte sie zu streicheln, war der Spaß vorbei. Sie wich aus und kroch unter das Bett. Mamoru seufzte und schüttelte den Kopf, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen.

„Auf wiedersehen!“, rief er der Katze zu und verließ erneut die Wohnung.

Bunny registrierte, dass er nicht wortlos gegangen war, dennoch versprach sie sich, nicht weiter auf seine Annäherungsversuche einzugehen. Es würde sicher auch so gehen.

Gegen Mittag wollte sie unbedingt wieder ein Sonnenbad am Panoramafenster nehmen, was zu einem täglichen Ritual geworden war, doch die Wolken verdeckten die Sonne und ließen die Wohnung regelrecht erkalten. Nachdem sie sich trotzdem überwunden hatte eine Spieleinheit einzulegen, legte sie sich, bis Mamoru kam unter das Bett und döste. Sie wachte erst wieder auf, als sie das gewohnte Geräusch des Schlüssels hörte und daraufhin aufstand. Mamoru betrat die Wohnung und sah die Katze erwartungsvoll vor sich sitzen. Es war wieder ein neuer Schritt in ihrer Beziehung, der ihm Freude bereitete, die er allgemein ungern zeigte.

„Willst du was zu fressen?“, sprach er sie mit einem Lächeln an. „Ich habe eine neue Sorte mitgebracht. Die hat besonders viel Sauce, das magst du doch.“

Er öffnete die Dose und Bunny ging rüber und begann zu fressen. Es war tatsächlich so lecker, dass sie unbemerkt begann beim fressen zu schnurren, was so witzige Geräusche machte, dass Mamoru breit grinsen musste.

Als die ersten Tropfen an die Scheibe klopften, drehte sich Bunny erschrocken um.

„Mach dir keine Sorgen, es ist nur Regen.“, sagte Mamoru beruhigend. „Es war schon den ganzen Tag so trüb.“

Bunny schaute ihn kurz an und fraß weiter.

Der Abend verlief beinahe wie gewohnt. Sie begann mit der Fellpflege und Mamoru ging ins Bad. Er kam in seinen Schlafsachen raus und spielte noch ein wenig mit ihr, bis er sich erschöpft aufs Bett setzte. „Sei mir nicht böse, kleines Kätzchen, aber ich bin sehr müde. Lass uns morgen spielen.“

Bunny schaute ihn an, verstand es aber. Er war so durch den Wind, als er morgens die Wohnung verlassen hatte, dass er sicher total übermüdet den Tag überstehen musste. Sie ließ sich zu einem leisen wohlwollenden Praunzen herab und kroch unter das Bett. Es war schon komisch, aber er hatte das Gefühl, dass sie ihn verstanden hatte und ihm entgegenkam. Was hatte er sich da nur für ein Tierchen angelacht?

Mittlerweile war es sehr dunkel und der Regen hämmerte regelrecht gegen die großen Fenster. Mamoru schlief tief und fest, ihn schien dieser Umstand weder zu beunruhigen, noch zu beeindrucken. Bunny dagegen war es etwas unbehaglich. Nicht, dass sie ein Problem mit Regen hatte, aber bei einem so stürmischen Regen waren Donner und Blitz meist nicht weit. Sie war schon alleine unter dem Bett, aber sich in die hinterste Ecke zu verkriechen, würde keinen Unterschied zu ihrem Katzenbett machen. Sie brauchte menschliche Nähe und das Gefühl in Sicherheit zu sein, also sprang sie vorsichtig auf das Bett, in dem Mamoru schlief und setzte sich ans Fußende. Sie war sich sicher, er würde es nicht merken, und am nächsten Tag würde sie wieder, wie gewohnt in ihrem Bett schlafen.

Bunny saß angespannt da. Die menschliche Nähe war zwar beruhigend, dennoch konnte sie sich nicht ausruhen.

Langsam aber sicher gewöhnte sie sich an das Geräusch des Regens und ihr Kopf sank langsam nach unten in den Schlummer. Noch bevor der Kopf auf Mamorus Decke fiel, erleuchtete ein Blitz die Wohnung. Ihn schien es nicht zu wecken, so erschöpft wie er war, doch Bunny bekam einen Schrecken. Als dann kurz darauf ein lauer Knall folgte, schrie sie laut auf.

Mamoru schreckte auf. Es war nicht der Donner, der ihn aus seinem Schlaf gerissen hatte, sondern das laute kehlige Maunzen seiner rosafarbenen Mitbewohnerin. Er blickte überrascht an das Ende seines Bettes und bemerkte das ängstliche Tier. Die Verwunderung darüber, dass sie sich nicht unter dem Bett befand, sondern direkt bei ihm auf dem Bett saß, wich seinem Beschützerinstinkt.

"Willst du unter meine Decke?", fragte er sanft.

Bunny ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie kroch verschreckt und langsam unter seine Decke und setzte sich eng an ihn gepresst an seine Seite.

"Du hast Angst vor Gewittern, nicht wahr?", sagte er mit einem Blick unter seine Decke.

Zwei riesengroße Augen starrten ihm ängstlich entgegen. Er konnte es kaum fassen, dass dieses widerspenstige Tier ihm plötzlich so nah kam, und er hatte das untrügliche Gefühl, sie würde wirklich verstehen, was er sagte.

"Ich weiß, wir werden nicht mehr viel Zeit miteinander verbringen, bis dein Besitzer sich endlich meldet, aber ich würde dir trotzdem gerne einen Namen geben.", sagte er wohlwollend. "Wie wäre es mit Sakura?!"

Bunny reagierte nicht. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt nicht vor Angst zu sterben. Sie zitterte so stark, dass sogar Mamoru es spüren konnte.

Es dauerte lange, bis sie vor Erschöpfung eingeschlafen war. Mamoru blieb solange neben ihr wach, bis er gemerkt hatte, dass sie schlief, erst dann hatte er kein schlechtes Gewissen mehr selbst die Augen zu schließen.

Sakura

Als Bunny am nächsten Morgen die Augen öffnete, bemerkte sie, dass sie sich unter einer Decke befand. Alles schien ruhig und es war wieder hell. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis sie realisiert hatte, was gestern Nacht geschehen war. Sie hatte zusammen mit einem Jungen unter einer Decke die Nacht verbracht. Ihr rosa Gesicht wurde knallrot. Ihre Angst vor Gewittern war schon in ihrer menschlichen Gestalt eine Sache für sich, aber in Katzenform war sie regelrecht weggetreten vor Panik. Ihr war zwar wohl bewusst, was sie tat, dennoch hatte sie so einen Wunsch nach Sicherheit gehabt, dass sie außer Acht gelassen hatte, dass es ein Mann war, unter dessen Decke sie sich versteckte. Dabei war es egal, wie doof sie ihn fand, er konnte sie in diesem Augenblick einfach beschützen. Es war nur ein geringer Trost, dass er nicht wusste, wer oder was sie wirklich war. Ihr reichte es, dass SIE es wusste. Sie kroch vorsichtig und leise unter der Decke hervor und verzog sich unauffällig unter dem Bett.

Mamoru war zu diesem Zeitpunkt längst aufgestanden. Er war so behutsam, dass sie es nicht einmal bemerkt hatte. Er konnte es nicht über das Herz bringen sie zu wecken, schließlich hatte sie genug Stress mit dem Gewitter gehabt. Doch, als er wieder zum Bett ging, um nach der katzengroßen Beule in der Decke zu schauen, war das Kätzchen wieder verschwunden. Er beugte sich runter und schaute in das Katzenbett, wo sie friedlich zu schlafen schien.

„Du hast mich ja nur benutzt.“, sagte er mit einem Lächeln und ging dann weiter seinem Morgenritualen nach, bis er schließlich die Wohnung verließ.

Bunny kroch bei dem Geräusch der Tür wieder unter dem Bett hervor. Auch, wenn sie so getan hatte, schlafen konnte sie nicht. Dazu war ihr einfach zu peinlich die Nacht auf diese Weise mit einem Jungen verbracht zu haben. Sie fühlte sich, als würde sie ihren Schwarm Motoki hintergehen und schämte sich immer noch, sich so an Mamoru angelehnt zu haben. Diese Gedankenschleife verfolgte sie den gesamten Vormittag bei allen Aktivitäten, denen sie nachgehen musste und schließlich wurde ihr eines klar. Sie war kein Mensch mehr und wusste auch nicht, wie lange sie eine Katze bleiben würde. Für ihn war sie eine Katze und er nahm sie in keinem Moment als Mädchen wahr. Egal, wie sehr sie sich schämte, für ihn gab es keinen Grund dazu. Also war es eigentlich egal.

Ganz abgesehen davon war sie bei ihm tatsächlich rundum sicher. Er hätte sie genauso in ein Tierheim bringen können, wo sie in einem kleinen Käfig versauert wäre, weil sie niemandem gehörte. Stattdessen hatte er alles besorgt, was eine Katze benötigte, las unentwegt Ratgeber und schenkte ihr Aufmerksamkeit. Wenn sie sich verkroch, ließ er sie in Ruhe, und als sie spielen wollte, hatte er einfach mitgemacht. Ihr wurde schlagartig bewusst, das Mamoru einfach kein schlechter Mensch war. Sie verstand zwar immer noch nicht, was er gegen Bunny Tsukino hatte, aber sie wusste, dass SIE nichts mehr gegen ihn hatte.

Als Mamoru nach Hause kam, saß Bunny schon unweit von der Tür und wartete. Er war sich sicher gewesen, dass sie sich verstecken würde, doch er hatte sich erneut geirrt.

"Hallo Sakura! Hast du auf mich gewartet?", fragte er verwundert.

Bunny erinnerte sich wieder, dass er ihr diesen Namen gegeben hatte. Es war natürlich nicht ihr richtiger Name, doch sie mochte ihn.

Sie stand lautlos auf, ging rüber zu ihrem Fressnapf und schaute Mamoru an. Es war ein unmissverständliches Signal, dem er mit einem Lächeln augenblicklich folgte. Diese kleine Katze überraschte ihn jeden Tag auf neue und mit jedem Tag näherten sie sich einander schrittweise an.

Nachdem Bunny und Mamoru einen, für diese Umstände, üblichen Nachmittag verbrachten, der Fressen, Saubermachen und Spielen beinhaltete, wurde es langsam Abend. Als Mamoru in seinen Schlafsachen aus dem Bad kam und sich hinlegte, bemerkte er, dass seine kleine Sakura zu ihm aufs Bett gesprungen war. Der Himmel war klar, also konnte es nicht die Angst vor einem Gewitter sein. Sollte sie tatsächlich freiwillig zu ihm gekommen sein, dachte er sich.

Bunny schaute ihn gar nicht an. Sie rollte sich in der Nähe seiner Füße zu einem Kringel und schlief einfach ein. Sie war nun mal eine Katze und musste sich keine Sorgen um schweinische Gedanken eines Mannes in der Blüte seines Lebens machen. Zudem hatte sie durch ihre Verwandlung schon sehr lange auf körperliche Nähe verzichten müssen, sei es das Umarmen ihrer Mutter oder ihrer besten Freundin. Das alles war hart. Aber die Wärme, die Mamorus Körper ausstrahlte, war so angenehm, dass sie es unbedingt ausnutzen wollte, zumindest ein wenig menschliche Nähe zu spüren.

Mamoru konnte nur lächeln, als er das Kätzchen eingerollt zu seinen Füßen liegen sah. Wann war es passiert, dass sie keine Angst und Abscheu mehr vor ihm hatte? Als er ihr den Verband abgenommen hatte oder, als er sie letzte Nacht vor dem Gewitter beschützte?

Mit einem Gefühl der Zufriedenheit schlief er schließlich ein.

Seit Bunnys Einzug war nun so viel Zeit vergangen, dass man ihren Aufenthalt nicht mehr als temporär bezeichnen konnte, es fühlte sich nach etwas Dauerhaftem an. Sie wünschte sich nach wie vor wieder ein Mensch zu sein, auch, wenn es das leidige Lernen und gelegentliche Streitereien mit ihrer Mutter mit sich brachte, dennoch wusste sie nicht, wann und ob es soweit sein würde, und so lange wollte sie bei ihrem neuen Beschützer bleiben.

Mamoru wusste nichts von diesen verqueren Umständen und sah in Bunny nur das beliebteste Haustier der Welt. Doch, obwohl er sie nur aufgenommen hatte, weil sie ihm leidtat, und obwohl sie so widerspenstig war, war sie ihm ans Herz gewachsen und er wollte sie am liebsten nie wieder hergeben. Er hatte so lange alleine gelebt, dass es eine Wohltat war zu wissen, dass jemand zuhause auf ihn wartete und er seine Abende nicht alleine verbringen musste. Er hatte zwar immer viel zu tun, aber dieses kleine rosa Geschöpf schien sein Leben zu entschleunigen und ihm eine innere Ruhe zu verleihen, die er zuvor nicht gekannt hatte.

Es bürgerte sich ein, dass sie jeden Abend zu ihm ins Bett stieg und am Fußende ihre nächtliche Ruhe fand. Das Katzenbett, was er an eine sonnige Stelle in seine Wohnung gestellt hatte, nutzte sie nur noch, wenn er nicht da war. Auch begann sie mit ihm zu reden. Natürlich war es nur in ihren Augen so, denn er vernahm nur Miauen und Praunzen. Mamoru hatte das Gefühl, dass sie mit jedem Abend zutraulicher wurde und ihren nächtlichen Schlafplatz Tag für Tag auf eine höhere Ebene verlagerte, bis sie schließlich auf Höhe seiner Hüfte schlief.

Bunny schämte sich mittlerweile gar nicht in Mamorus Nähe zu sein. Er war ihr ein treuer Gefährte geworden, der sie immer im Auge hatte. Sie wollte so gerne mit ihm reden, ihn fragen, wie sein Tag war und, wie es ihrem Motoki ging, doch er verstand sie einfach nicht. Auch, wenn das frustrierend war, hatte sie so viel Nähe und Geborgenheit, wie nie zuvor in ihrem Leben.

Dass sie gelegentlich geschnurrt hatte, war nichts Neues, doch dieses Mal, wo sie so nahe an Mamorus Hand lag, wollte er es wagen und versuchen sie zu streicheln. Langsam senkte er seine Hand auf ihren Kopf und begann erst vorsichtig die Finger über ihr kleines Köpfchen gleiten zu lassen und dann sanft ihr Fell zu kraulen. Es gefiel ihr. Nicht nur, dass sie nicht weg ging, sie drückte ihren Kopf regelrecht in seine Hand, sodass er bloß nicht aufhörte.

„Was soll ich nur tun, wenn sich doch jemand meldet, der dich sucht?“, fragte Mamoru etwas traurig.

‚Mach dir keine Sorgen, ich bleibe hier, bei dir.‘, antwortete Bunny zufrieden.

Er vernahm das süßeste Maunzen, dass sie ihm je geschenkt hatte.

Schon einen weiteren Abend später wurde Bunny noch frecher. Mamoru war zwar ein Mann, doch irgendwie konnte sie ihn nicht als solchen sehen. Er war zu ihrem Freund geworden, und als Katze begann sie sich einiges rauszunehmen. Sie hatte gar keine Berührungsängste mehr und setzte sich vor dem Schlafengehen auf seinen Brustkorb und starrte ihn an.

Sein Blick war überrascht. „Kann es sein, dass du mich langsam magst?“

„Miau!“, antwortete Bunny. Sie trat noch ein wenig näher an sein Gesicht und gab ihm ein Köpfchen.

Ihr seidiges Fell streifte seine Wange. Er hatte zu viele Ratgeber gelesen, um zu wissen, dass sie ihm gerade einen riesigen Vertrauensbeweis erbracht hatte.

„Du riechst so gut, meine kleine Sakura.“, sagte er sanft.

Bunny wurde ganz verlegen. Unerwartet begann ihr Herz zu klopfen. Ihr rosa Fell kaschierte ihr gerötetes Gesicht. Sie sah nur noch dieses sanfte Lächeln. Wäre sie immer noch ein Mädchen, würde sie sich wahrscheinlich nicht mehr rühren können, aber sie war nun mal eine Katze und musste sich nicht genieren, wenn sie die Nähe eines Menschen suchte. Sie nahm ihren Mut zusammen, beugte sich vor und gab ihm ein weiteres Köpfchen. Seine Nähe fühlte sich plötzlich ganz anders an. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen.

Ihre Katzeninstinkte überwogen und sie legte sich ganz lang und ausgestreckt auf seine Brust. Ihre Pfoten streckte sie in Richtung seines Gesichts und begann zu treteln. Das unüberhörbare Schnurren wurde so laut, dass Mamoru die Vibration spürte und begann sie an ihrem ganzen Körper durchzukraulen. Bunny ließ sich richtig gehen und rollte sich hin und her. Sie wollte gar nicht mehr von ihm runtergehen. Ihr war vollkommen bewusst, dass er gerade ihren ganzen Körper berührte, doch sie spürte nur warmherzige Liebe und Geborgenheit. Mamorus sanfter Blick, die zärtlichen Berührungen und die liebevolle Zusprache versetzten sie in den siebten Himmel.

Sie sah ihn von einem Augenblick auf den Anderen in einem anderen Licht. Sie hatte sich tatsächlich und wahrhaftig in den Idioten verliebt, der sie jeden Tag zur Weißglut trieb. Ihr kleines Katzenherz klopfte wie wild. Sie war so glücklich, dass sie eine Katze war, die ohne sich zu Schämen an einen Jungen ranschmeißen konnte, in den sie sich verliebt hatte. Für Motoki hatte sie nie so empfunden.

Mamoru fuhr durch das flauschige rosa Fell. Diese Katze überraschte ihn in beinahe jedem Augenblick, den er mit ihr verbrachte. Die Zuneigung zu ihr wurde immer stärker und auch ihre Zuneigung war deutlich gestiegen. Sie war seine Familie geworden.

„Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt, kleine Sakura.“, sagte er mit einem liebevollen Lächeln.

Bunnys Herz pochte. Hatte er ihr gerade seine Liebe gestanden? Doch es war Sakura, die er liebte, nicht Bunny. Nichtsdestotrotz war sie glücklich über diese Worte.

Sie stand auf und kroch unter seine Decke, wo sie sich neben ihm einrollte. Alles fühlte sich einfach so perfekt an.

Am darauffolgenden Sonntag verbrachte Mamoru den Vormittag mit einer Lerngruppe für ein Studienprojekt. Er war nicht froh Sakura schon wieder alleine zu lassen, doch es ließ sich nicht vermeiden. Bunny wusste unterdessen, dass der Vormittag komplett ihr gehörte, denn anders, als ein Katzenbesitzer es erwarten würde, verstand sie alles, was Mamoru sagte. Nachdem sie ihr Frühstück genüsslich verputzt und einen keinen Stoffball durch die Wohnung gejagt hatte, wollte sie sich ausruhen und ein kleines Nickerchen halten. Leider wurde dieses Unterfangen gestört. Beinahe pünktlich zu jeder Stunde klingelte das Telefon. Das wäre alles nicht so tragisch, wenn Mamoru nicht vergessen hätte den Anrufbeantworter anzumachen.

Als er um 15 Uhr die Tür zu seiner Wohnung öffnete, stand Bunny bereits vor ihm und Maunzte ihn voll. ‚Da hat ständig jemand für dich angerufen. Du hast den Anrufbeantworter vergessen.‘

Doch er interpretierte es als Aufforderung Essen zu servieren. Das lenkte Bunny wieder ab, denn Essen und Schlafen gingen bei ihr in jeder Gestalt über alles.

„Ich werde ein Bad nehmen und dann spielen wir was Schönes.“, kündigte Mamoru liebevoll an.

Kaum hatte er sich gewaschen und war in die Badewanne gestiegen, klingelte erneut das Telefon.

„Mist, ich habe heute Morgen den Anrufbeantworter gar nicht eingeschaltet.“, bemerkte er und sprang schnell aus der Wanne, um den Anruf noch zu erwischen.

Er band sich ein Badetuch um seine Hüften und ging zum Telefon. Bunny, an der er vorbeilief, fiel aus allen Wolken. Noch nie hatte sie einen Mann in so einer Aufmachung leibhaftig vor sich stehen gesehen. Sein Körper war so perfekt geformt, seine nasse Haut glänzte und sein feuchtes Haar hing ihm ins Gesicht. Bunny wusste nicht, ob sie verschämt wegschauen oder ihn anstarren sollte. Sie war einzig froh, dass er nicht ohne Handtuch rausgekommen war. Das wäre zu viel des Guten gewesen, dachte sie sich. Die Bewunderung für seinen schönen Körper verflog aber schnell, als sie sich mehr auf sein Gespräch konzentrierte.

„Chiba, hallo?“

„Hallo, Tachibana mein Name. Ich rufe wegen der Katze an.“

Mamoru wurde kreidebleich. „Sind sie die Besitzerin der Katze?“

„Ja, ich habe meine Konoko so vermisst.“, sagte die Stimme auf der anderen Seite erleichtert.

„Und sie sind sich auch ganz sicher, dass es ihre Katze ist?“ Mamoru konnte es einfach nicht glauben.

„Selbstverständlich! Oder haben sie viele Katzen mit dieser außergewöhnlichen Färbung gesehen?“, fragte Frau Tachibana mit einem natürlichen Selbstverständnis. „Ich habe viel Geld für diese Rassekatze bezahlt.“

Mamoru zögerte kurz. „Wann möchten sie sie abholen?“

„Am besten heute. Haben sie heute Zeit?“

Mamoru fühlte sich, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggerissen werden. Nach fast 4 Wochen meldete sich unverhofft jemand, der ihm seine kleine Sakura wegnehmen wollte und das so schnell, dass er kaum die Fassung behalten konnte.

„Dann schlage ich vor, wir treffen und im Crown Game Center um 18 Uhr.“, schlug Mamoru niedergeschlagen vor.

„Wenn sie meinen, dass es eine Spielhalle sein muss!“

Mamoru wählte diesen Ort bewusst. Er wusste, dass Motoki zu diesem Zeitpunkt arbeitete und wollte sich dieser Trennung nicht alleine stellen.

Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, hockte er sich zu Bunny runter. Sein Blick war traurig. Er hatte sie so liebgewonnen, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass sie in wenigen Stunden nicht mehr bei ihm sein würde. Es zerriss ihm das Herz, dass eine Frau sie wiederhaben wollte, der er hauptsächlich um den Preis ging, den sie für ein Lebewesen bezahlt hatte. Doch die Reaktion seiner kleinen Sakura überraschte ihn viel mehr. Statt ruhig da zu sitzen und sich ein letztes Mal streicheln zu lassen, miaute sie lautstark rum. Dieses kehlige tiefe und laute Maunzen war markerschütternd, als wäre sie auf einen Schlag unglücklich.

‚Diese Frau lügt, ich gehöre ihr nicht. Ich bin Bunny Tsukino! Du darfst mich nicht wegbringen!‘, versuchte sie ihm verzweifelt mitzuteilen.

Es war so frustrierend und beängstigend. Wieso konnte man sie nur nicht verstehen, sie war doch eigentlich ein Mensch und konnte wie ein Mensch denken, wieso konnte sie nicht wie ein Mensch sprechen, fragte sie sich. Was würde diese komische fremde Frau mit ihr machen, wenn sie sie erst mal hatte? Würde sie kastriert oder zum Züchten missbraucht werden? Bunny verfiel bei diesem Gedanken in pure Panik. Wieso verstand Mamoru sie nicht? Wieso konnte er ihr Maunzen nicht deuten, fragte sie sich.

Nach dem erfolglosen Versuch sich Mamoru mitzuteilen, entschloss sie sich erneut in Deckung zu gehen und sich so weit wie möglich zu verstecken. Sie kroch wieder in die hinterste Ecke unter dem Bett und hoffte, dass er sie dort nicht zu fassen kriegen würde.

Als sie nach ihrem Maunzkonzert unter dem Bett verschwand, war er sich sicher, dass sie die Lage verstand. Er wusste nicht, wie er das Problem lösen konnte. Es war nun mal nicht sein Tier und er hatte auch kein Recht es zu behalten. Er hatte stets gehofft, dass sich nach so langer Zeit niemand melden würde, doch er hatte sich schmerzlich geirrt.

Er ging zurück ins Bad, trocknete sich ab und zog sich an, anschließend setzte er sich auf sein Bett und dachte nach. Es tat so weh, dieses kleine Geschöpf, was für ihn zu einer Familie geworden war, wieder ziehen zu lassen. Nicht einmal die letzten Stunden konnte er mit ihr verbringen, da sie sich versteckte. Er war kein Mann, der zum Weinen neigte, doch dieses Mal musste er mit den Tränen ringen.



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