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Drawback 2

von

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Hacker (Kazuki)

Es war wieder einer dieser Tage, an denen er warten musste, dass sich der Boss bei ihm meldet. Immer bereit zu sein, zu ihm zu gehen, war nicht so prickelnd. Er könnte an solchen Tagen wirklich Besseres erledigen. Stattdessen lief er nun durch die Straßen der Stadt, rauchte sich eine Zigarette nach der Anderen und beobachtete die Menschen um sich herum.

Fest stand, dass er bald etwas Neues machen dürfte. Etwas, was er zuvor noch nie gemacht hatte und wofür es auch einen guten Grund gab. Glaubte er zumindest. Genaueres wird ihm der Boss mit Sicherheit noch sagen, schließlich spart er nicht, wenn es um Informationen ging.
 

Sein Problem war allerdings, dass er immer so unglaublich ungeduldig war, wenn er wusste, dass etwas ansteht! Seufzend machte er die Zigarette an einem Mülleimer aus, warf den erloschenen Rest seines Glimmstängels in eben diesen und sah auf sein Mobiltelefon. Kurz nach 21 Uhr. Er könnte so schön zu Hause sitzen, Chips essen und sich einen Film ansehen.

In genau diesem Moment klingelte das Handy und kündigte den sehnlichst erwarteten Anruf vom Boss an. Mit einem fast schon gemurmeltem ‘ja‘ meldete er sich und blieb neben dem Mülleimer stehen, sah sich um.
 

„Komm sofort her.“ Erklang die Stimme seines Bosses, ehe dieser auch schon auflegte. Er kannte es nicht anders. So war der Mann nun einmal drauf. Ohne zu zögern, setzte er seinen Weg nun fort, beeilte sich aber nicht. Warum auch? Der Boss wusste schließlich nicht, wo er war. Konnte ja sein, dass er gar nicht in der Stadt war. Außerdem war es nicht so schlimm, den Mann mal warten zu lassen.
 

Erst nach mehr als 30 Minuten kam er vor seinem Büro an. Zwar klopfte er an, trat aber auch sofort in den Raum ein. So war er nun einmal und das wusste sein Vorgesetzter auch und bisher hatte er sich nicht darüber beschwert.

„Pünktlich.“ Grummelte ihn sein Chef an, doch er entgegnete nur ein ‘Natürlich‘, setzte sich ihm gegenüber in den Stuhl und sah ihm in die Augen. Er fand dessen Augen schon immer gruselig, so ernst, eiskalt und unberechenbar. Doch er ließ sich davon nicht abschrecken, konnte ihm schließlich nichts passieren, solange er seine Jobs vernünftig machte. „Worum geht es?“ Er lehnte sich in dem unbequemen Stuhl zurück und legte ein Bein über das Andere, verschränkte seine Finger ineinander und legte die gefalteten Hände auf das oberste Bein.
 

Sein Gegenüber stand auf und lief um den Tisch, reichte ihm -wie immer- eine Akte. Sein neuer Auftrag. Jedes Mal, wenn er eine Akte bekam, war er doch etwas aufgeregt, wusste er vorher nie, in welche Richtung es gehen würde. Was er wohl dieses Mal machen muss? Jemanden bespitzeln? Einen Maulwurf spielen? Leichen wegschaffen?

Als er die Akte öffnete, sah er vier Bilder. Vier Fotos von Personen, wobei ein Bild mit einem roten Edding diagonal von oben links nach unten rechts und von oben rechts nach unten links durchgestrichen war. Kurz runzelte er die Stirn, nahm eines der Bilder in die Hand und drehte es um. War klar. Wenige Infos standen immer hinten drauf. „Der Fahrer?“ Er legte das Bild wieder weg, nahm sich das nächste. „Der Hacker.“ Murmelte er und als er das nächste Bild in die Hand nahm, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Ich erinnere mich. Die waren alle zusammen hier.“ Entwich es ihm und er sah zu seinem Boss, der nun am Fenster stand und auf die beleuchtete Stadt hinaussah.

„Du wirst dieser Gruppe als neuer Hacker beitreten.“
 

Jetzt wurde es aber interessant. Er sah sich die Akte noch etwas an, denn neben den Bildern gab es noch alle erledigten Aufträge von ihnen. Das waren gute Informationen, denn so konnte er abschätzen, was die Jungs so drauf hatten und was nicht.

Es klopfte an der Türe und beide Anwesenden sahen zu eben dieser. „Wir haben Kaito.“ Erklang die Stimme des eingetretenen Mannes und sofort nickte der Boss und lief zur Türe. „Komm.“ Sagte er zu Kazuki und nahm ihn mit auf das Dach.
 

Er wusste nicht, was nun los war, wer dieser Kaito war und warum er nun unbedingt mitgehen sollte, doch oben angekommen, konnte er es ahnen. In ein paar Metern Entfernung kniete ein blondhaariger Mann mit dem Rücken zu ihnen auf dem Dach, hatte den Kopf gesenkt, seine Hände waren am Rücken aneinander gebunden -er tippte auf Kabelbinder- und man hörte immer wieder ein ‘es tut mir leid‘ aus seiner Richtung.

Sein Boss trat auf den Kerl zu, stellte sich hinter ihn und sah auf ihn herab. Bei dem Blick stellten sich seine eigenen Nackenhaare auf. Jetzt wusste er wieder, warum man immer respektvoll ihm gegenüber sein sollte. „Du kennst die Strafe für das, was du getan hast!“ Sprach sein Boss ihn mit finsterer Stimme an und streckte seine Hand seitlich aus. Sofort kam der Mann, der sie aus dem Büro geholt hatte -den alle Chiyu nennen-, zu ihm gelaufen und legte ihm seine Pistole in die Hand.
 

Der Boss fackelte nicht lange, entsicherte die Waffe, jagte diesem Kaito eine Kugel in den Kopf und gab ihm mit dem Fuß einen letzten kleinen Schubs, ehe die Leiche vom Dach fiel.

Sein Boss reichte dem Kollegen die Waffe und drehte sich zu ihm um, kam nun direkt auf ihn zu. „Er wurde dabei erwischt, Informationen unseres Sicherheitssystemes zusammen zu suchen.“ Also war er eine potentielle Gefahr? Man hatte ihn also hingerichtet, bevor er gefährlich werden könnte. „Das passiert, wenn man sich gegen mich wendet.“

Er senkte den Blick, konnte dem des Bosses dieses Mal nicht mehr standhalten und schluckte.

Sogar ihm war nun in seiner Anwesenheit unwohl, obwohl er doch sonst immer so locker im gegenüber sein konnte und auch durfte!
 

„Die Adresse von Reita und Kai sind in der Akte. Du wirst ab morgen Ruki ersetzen und ihnen bei den zukünftigen Aufträgen helfen, so gut du kannst.“ Er presste die Zähne aufeinander, nickte und sah zum Rand des Daches, wo eben noch Kaito kniete, ehe er… Er zog die Augenbrauen zusammen, drehte sich um und sah seinen Boss bereits durch die Türe gehen. Ohne zu zögern ging er an die Kante, sah nach unten. Noch lag Kaito da unten in seinem eigenen Blut. Ihm kam etwas seltsam vor. Und zwar ziemlich seltsam. Sofort ging er zurück zum Büro, schließlich musste er noch die Akte abholen, wollte den Boss noch etwas fragen, doch der war nicht da.

„Ruki…“ Murmelte er und sah zur Türe. Diese hatte er hinter sich zu gezogen. Konnte er es riskieren? Mit der Akte in den Händen ging er um den Tisch rum, zog eine Schublade nach der Anderen auf, konnte aber nicht das finden, was er suchte. Verdammt, irgendwo muss doch etwas zu finden sein! Die Türe sprang auf und sofort hatte er einen Stift in der Hand und kritzelte schnell etwas in seine Akte, schloss diese und richtete sich auf. Sein Boss!

Hatte er gesehen, dass er seine Schubladen durchsucht hatte?
 

„Was machst du noch hier?“
 

Er schluckte, nahm die Akte und hob sie an. „Ich wollte mir noch etwas notieren, bevor ich es vergesse.“ Am besten wäre es, jetzt einfach zu gehen, also machte er sich auf den Weg, lief an seinem Boss vorbei, wurde jedoch von ihm am Arm gepackt und festgehalten. „Ich will einen wöchentlichen Bericht von dir. Mit allen Einzelheiten.“ Seufzend atmete er aus und nickte. „Kein Problem.“

Dann wurde er auch schon losgelassen und verließ das Haus sofort. Das war knapp! Oder hatte er doch etwas mitbekommen? Er wollte nicht so enden wie Kaito.
 

Vor dem Gebäude machte er sich erst einmal eine Zigarette an und lief nach Hause. Das musste er erst einmal verarbeiten. Morgen würde er seinen neuen Kollegen mal einen Besuch abstatten und mal sehen, wie die so drauf sind. Hoffentlich machte er keine Fehler, denn so ein super Hacker war er nun auch nicht. Zwar konnte er sich in Systeme hacken, Rechner lahmlegen und Daten ausspähen, aber der schnellste war er dabei nun nicht.

Egal. Hauptsache, die Zielperson wird eliminiert.

Zu Hause beeilte er sich richtig, um sich ins Bett werfen zu können. Die Akte landete auf seinem Küchentisch, damit er beim Kaffee am nächsten Morgen noch einmal die Informationen ansehen konnte, die er darin fand.
 

Schon um 8 Uhr war er wach. Er musste zugeben, dass er etwas nervös war, was den Auftrag anging. Schließlich wurde man nicht jeden Tag einer komplett fremden Gruppe zugewiesen, um mit ihnen zusammen zu arbeiten. Denn er glaubte nicht daran, dass das nur vorübergehend war, wie sonst auch immer, sondern dass seine Zukunft nun mal so aussah. Er hatte sich besseres erhofft. Naja, Augen zu und durch.

Da er einfach keine Ahnung hatte, ob die Typen zu Hause waren, ob sie Langschläfer waren, oder nicht, ließ er sich noch ein wenig Zeit. Er würde sein Glück erst gegen Nachmittag versuchen.

Bis dahin lief er wieder durch die Stadt, rauchte auf seinem Weg immer wieder eine Zigarette, setzte sich auch mal in ein Cafè, ehe er beschloss, dass die Zeit gekommen war. Jetzt, oder nie! Es musste knapp 16 Uhr sein, als er klingelte und die Außenfassade hinaufsah.
 

Drei Stockwerke nur, wahrscheinlich auch nur drei Parteien. Als die Türe geöffnet wurde, lief er rein und entdeckte einen Mann, der nur in Shorts vor ihm stand. Sofort musste er grinsen. „Nette Begrüßung. Gefällt mir.“ Diesen Kommentar konnte er sich einfach nicht verkneifen. Er stand nun mal auf Männer und dieser Kerl sah doch mal wirklich gut aus. „Der Boss schickt mich.“

Er sah seinem Gegenüber an, dass er ihn wohl erkannt hatte, also war er mal so frech, ohne zu fragen, in die Wohnung zu gehen. Er sah sich etwas um, wurde dann aber auch schon zu den Anderen gebracht.
 

„Jungs, dass hier ist…“
 

„Ich bin Kazuki. Der Boss will, dass ich euer Team verstärke.“ Stellte er sich den Anwesenden vor und lehnte sich an den Türrahmen an. „Ein neuer Partner?“ Wurde er gefragt, worauf er nur nickte, sich nun in Bewegung setzte und sich eine Flasche Bier nahm, die er auf dem Tisch ausmachte. Er öffnete die Flasche mit seinem Feuerzeug, nahm einen Schluck und fischte dann schon nach einer Zigarette, die er sich am Fenster an machte, nachdem er es geöffnet hatte. Ja, so dreist war er halt. Daran mussten sie sich nun eben gewöhnen!

„Nachdem euer alter Hacker von uns gegangen ist, dachte sich der Boss, dass ihr einen Neuen gut gebrauchen könnt.“

„Und du bist jetzt der neue Hacker, oder was?“
 

Natürlich waren die Jungs nicht begeistert. Warum auch? Sie kannten sich kaum und wussten nichts von einander. Dennoch mussten sie nun damit leben und ihn im Team aufnehmen, ob sie es nun wollten, oder nicht. Wieder zog er an der Zigarette, bließ den Rauch direkt aus dem Fenster und musterte jeden einzelnen von ihnen.

„Korrekt.“ Gab er nur grinsend von sich. „Was dagegen, wenn ich mitspiele?“ Er zeigte auf den Tisch und zog erneut an dem Glimmstängel. Poker machte richtig Spaß, wenn man genug Leute dafür hatte und zu viert sollte es doch perfekt sein. Und wenn er die Situation nun richtig verstanden hatte, musste der Verlierer blank ziehen? Das gefiel ihm!
 

Schnell rauchte er auf, machte die Zigarette in der Spüle aus und setzte sich mit dem frech ergatterten Bier zu ihnen. „So ein Spiel stärkt doch den Teamgeist, nicht wahr? Also zeigt mir mal, was ihr draufhabt.“

Forderte er seine neuen Partner nun heraus und wartete, bis nun die Karten wieder gemischt wurden.

Immer wieder nahm er einen Schluck aus der Flasche und sah die Anderen an. Er saß zwischen Ryo und Reita, den er immer mal wieder extra länger musterte. „Hast du ein so großes Ego, oder gehört das zum Spiel dazu?“ Fragte er ihn nun einfach mal und hörte Kai leise kichern. Skeptisch wurde er gemustert, ehe sein Sitznachbar den Kopf schüttelte. „Der Verlierer zieht nach und nach seine Sachen aus.“ Begann Reita ihm zu erklären, bevor ihm Ryo noch erklärte, dass man verloren hat, wenn man nur noch in Shorts am Tisch sitzt.
 

„Gut, dass ich nicht vorher mitgespielt habe, sonst könnte ich diesen Anblick nicht sehen.“ Er zwinkerte dem Anderen zu, grinste noch immer und nahm sich dann seine Karten, sah sich sein Blatt an. Scheinbar hatte es dem Anderen nun die Sprache verschlagen, denn von ihm kam keine Antwort mehr. Das störte ihn nicht.

Sie begannen nun, zu pokern und ja, Kazuki war wirklich so schlecht, wie er behauptet hatte, weswegen er bald darauf auch nur noch eine Shorts an hatte und grinsend zu Reita sah. „Wenn es euch zu kalt wird, kann ich die Heizung an machen.“ Drang Kais Stimme in sein Ohr, doch er schüttelte nur den Kopf. „Alles gut. Mir kann nicht kalt werden.“ Wieder zwinkerte er Reita zu.

Ja, er flirtet gerne, war das ein Problem? Könnte das Ärger geben?

Wohl kaum, also warum nicht einfach mal was wagen?
 

Er stand auf und machte sich am Fenster wieder eine Zigarette an.

„Und ihr kennt euch schon länger?“ Wollte er dann mal wissen und sah die Jungs wieder an. Kai nickte sofort und sah zu ihm. „Reita habe ich als erstes kennen gelernt. Ein paar Monate später dann Ryo und wir wurden sofort als Gruppe aktiv.“ Erklärte ihm der Braunhaarige und die anderen Beiden nickten. „Etwas später kam dann noch Ruki zu uns und schon war unser Team komplett.“ Beendete Ryo die Entstehungsgeschichte ihrer Gruppe und er nickte verstehend.
 

Als er seine Zigarette aufgeraucht hatte, sammelte er seine Anziehsachen ein und zog sich an. „Ich denke, ich lasse euch mal wieder alleine.“ Sagte er, als er sich gerade die Hose zugemacht hatte, zog einen Zettel und einen Stift aus seiner Jackentasche hervor, die noch über dem Stuhl hing und schrieb nun seine Nummer auf das kleine Stück Papier.

„Meldet euch.“ Er zog sich sein Shirt und die Jacke noch an, stellte die leere Flasche auf den Tisch und hob noch die Hand, ehe er verschwand. Das reichte ihm fürs erste. Er wird noch oft genug mit den Anderen Zeit verbringen, da wollte er es nicht gleich am ersten Tag übertreiben.
 

Kaum zu Hause angekommen, schrieb er erst einmal dem Boss, dass das erste Treffen soweit gut lief und er sich sicher war, dass es als Team funktionieren wird. Diese Informationen sollten ihn erst einmal ruhig stellen, also ging er duschen und machte es sich dann auf der Couch bequem. Er hätte gerne noch viel mehr herausgefunden, doch er wollte sich nach und nach Details organisieren, außerdem wird er schon merken, wie die Anderen so ticken, da musste er sie nicht extra fragen, wie sie drauf sind. Es musste einfach passen!
 

Er würde es nicht aushalten, mit denen zu arbeiten, wenn er die Jungs nicht leiden konnte. Das wäre das nervigste, das er sich vorstellen konnte und er könnte dann nicht einmal zum Boss gehen und um einen anderen Auftrag bitten. Noch nie hatte er einen Auftrag nicht erledigt! Damit wollte er nicht anfangen, nie!

Wieder nahm er die Akte an sich und zog das Bild von Reita raus.

„Der Killer.“

Las er vor, was hinten drauf stand. Er wirkte nicht so kalt und unberechenbar, wie er sich das vorgestellt hatte.

Aber wer weiß, wie es während eines Jobs aussah! „Auf gute Zusammenarbeit.“

Sagte er dann grinsend zum Bild, legte es weg und machte sich auf der Couch lang, ehe er auf den Fernseher starrte und langsam einschlief, ohne es wirklich zu merken.

Flashback 1

Seit mittlerweile fast drei Jahren lebte er mit seinem Vater alleine. Seine Mutter hatte sie verlassen, als er 9 Jahre alt war. Er kam eigentlich ganz gut damit klar.

Natürlich hatte es ihn getroffen und ihm den Boden unter den Füßen weggerissen, doch nach drei Jahren hatte er es überwunden und versuchte sein Leben wieder in den Griff zu kriegen.
 

Okay. ‘In den Griff kriegen‘ sah eigentlich ganz anders aus.
 

Sein Vater hatte seinen Job als Chefarzt aufgegeben, kurz nachdem sich seine Mutter von ihm getrennt hatte und hing seitdem an der Flasche. Kein Bier, oder so, sondern die wirklich harten Sachen. Und sein Vater gab ihm die Schuld an der Scheidung. Warum? Weil er nicht gerade ein einfaches Kind war. Er war aufmüpfig, hatte gerne mal eine große Klappe und wollte einfach sein Leben leben, statt immer nur zur Schule zu gehen, zu lernen und auf ein Studium hin zu arbeiten.

Zwar wusste er, dass das für seine Zukunft wichtig war, aber es war einfach langweilig. Er wollte viel lieber mit Freunden draußen sein, Fußball spielen oder so und nicht in seinem Zimmer sitzen, um Hausaufgaben zu machen.
 

Seit zwei Jahren wurde sein Vater sogar handgreiflich, wenn er sich ihm widersetzte. Gibt er Widerworte, setzte es was. Das fing harmlos an, mit einer kleinen Ohrfeige und Hausarrest, doch nun, nach zwei Jahren, war es schlimmer.

Manchmal schlug er ihn so fest, so oft, dass er nicht zur Schule konnte, so schlimm sah er aus.

Doch weil er deswegen die Schule schwänzte, bekam er direkt wieder mehrere gepfeffert.

Es tat nicht nur körperlich weh und so brauchte sich sein Vater auch nicht wundern, dass er nur noch rebellischer wurde. Doch als er an diesem Tag erst spät vor dem Haus stand und auf die Türe starrte, war ihm klar, dass er jetzt richtig Ärger kriegen wird. Nicht nur, weil es schon so spät war.
 

Kaum hatte er die Türe hinter sich wieder geschlossen und die Jacke und Schuhe ausgezogen, stand sein Vater hinter ihm, betrunken und wütend. „Das ist doch wohl ein schlechter Scherz!“ Fuhr er ihn an, packte ihn am Arm und zog ihn zu sich, packte sein Gesicht und sah ihm wütend in die Augen. „Sag mir, dass das ein Witz ist!“

Eingeschüchtert sah der Junge zur Seite und schüttelte den Kopf.

„Nicht nur, dass du mehrere Stunden zu spät bist…“ Knurrte er und gab ihm schon die erste Ohrfeige.

„… jetzt rennst du auch noch mit blonden Haaren rum? Wie ein Punk?“ Schrie er ihn wütend an und gab ihm noch eine ins Gesicht. Er packte ihn im Nacken und schliff ihn in sein Zimmer, wo er ihn noch einmal schlug und auf das Bett warf.
 

„Ich will dich nicht noch einmal sehen heute. Und wenn ich dich morgen sehe, sind deine Haare entweder wieder schwarz, oder ab.“ Damit ging er wieder zur Türe, legte die Hand an die Klinke und sah ihn noch einmal an. „Und wehe, Akira, du leistest dir in der nächsten Zeit nochmal so etwas.“ Damit verließ er das Zimmer, knallte die Türe hinter sich zu und schloss sie ab.

Der Blondhaarige hielt sich die schmerzende Wange und sah wütend zur Türe.

War das sein Ernst? Er wollte, dass er sich die Haare färbte, oder abrasierte, schloss ihn aber in seinem eigenen Zimmer ein? Wie stellte sich der Mann das bitte vor? Und wenn er mal zur Toilette muss?
 

Er wollte das alles nicht mehr. Er wollte endlich weg, nur noch weg und nie wieder kommen.

Ohne auch nur noch eine Sekunde zu warten, stand er von seinem Bett auf, nahm sich Wechselsachen, sein restliches Geld, das er hatte und stopfte alles in seine Tasche, die er schulterte und sich umsah. Er zog sich Schuhe an, die er noch im Schrank hatte, klemmte sich noch eine Jacke unter den Arm und öffnete das Fenster.

Hoffentlich wird sich sein Vater Vorwürfe machen! Denn dass er nun abhaut, war alleine seine Schuld! Das hatte sein Vater ganz alleine hinbekommen!
 

Zwar hatte er keine Ahnung, wo er hin sollte, doch alles war besser, als weiter mit diesem Mann unter einem Dach zu leben. Nachdem er ein paar Straßen weiter entfernt war, zählte er sein Geld einmal durch. Es reichte fürs erste. Doch nicht für immer, also musste er sich schnell etwas überlegen. Zuerst holte er sich davon ein Ticket und fuhr mit der Bahn weiter von seinem Vater weg. Je weiter, desto besser.

Als er die Bahn wieder verlassen hatte, kaufte er sich etwas zu Essen und zu Trinken, was erst einmal für die nächsten Tage reichen sollte. Seufzend schob er sich gerade einen Schockoriegel zwischen die Lippen, während er sich umsah. Er wusste nicht so recht, wo er war, hatte sich nicht darauf konzentriert, sondern war einfach aus der Bahn gestiegen, als er das Gefühl hatte, weit genug weg zu sein.
 

Er brauchte dringend einen Platz zum Schlafen. Doch wo sollte er einen finden? So viel Geld hatte er auch nicht, dass er sich mal eben ein Hotelzimmer leisten konnte. Dann wird es wohl darauf hinaus laufen, draußen zu schlafen. „Mist…“ Grummelte er leise und sah sich suchend um. Kurz blieb er stehen, zog sich seine Jacke drüber, schulterte die Tasche wieder und lief weiter. Langsam wurde es kalt. „Eine Decke wäre gut…“

Murmelte er und zog den Reißverschluss bis ganz nach oben.

Etwas zu finden, wo man schlafen konnte, war gar nicht so einfach. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kam er in einem Park an und legte sich dort einfach auf eine Bank. Wahrscheinlich könnte er eh nicht schlafen, aber so musste er zumindest nicht laufen und auch nicht auf dem Boden liegen.
 

Die erste Nacht hatte er unbeschadet überstanden. Doch was nun? Sollte es für ihn nun immer so aussehen? Würde er für immer in einem Park auf einer Bank schlafen müssen? An einer Tankstelle in der Nähe durfte er auf Toilette gehen und sah sich da das erste Mal seit dem vorigen Morgen im Spiegel. Seine Lippe war leicht aufgerissen, seine Wange etwas dick und er hatte ein leichtes Feilchen am Auge.
 

So ein Mist!
 

Er wusch sich das Gesicht noch, nachdem er auf Toilette war und lief dann durch die Stadt. Was könnte er nur den ganzen Tag machen? Er sah sich etwas die Stadt an, versuchte sich wichtige Dinge zu merken, wie zum Beispiel die Polizeistation, das Krankenhaus und natürlich den Park. Den musste er sich definitiv merken, denn wo sollte er schlafen, wenn er es nicht schaffen würde, ihn zu finden? Gut, dass seine Orientierung halbwegs funktionierte und er gegen Sonnenuntergang auch schon wieder am Park ankam.
 

Den ganzen Tag zu laufen, war viel zu anstrengend. Das machte ihn schon ziemlich fertig. Geschafft und müde lief er langsam den Weg entlang, der durch die Grünfläche verlief und hielt Ausschau nach der Bank, die er schon in der Nacht zuvor für sich beansprucht hatte.

Doch leider waren dort zwei ältere Jungs, die rauchten und Bier tranken. Kurz sah er zu ihnen, ehe er einfach weiterging. Dann suchte er sich eben eine andere Bank. Es werden bestimmt noch einige andere hier rumstehen.
 

„Hey Blondy.“ Seine Finger verkrampften sich um den Gurt seiner Tasche und er biss die Zähne zusammen. Auf keinen Fall würde er jetzt stehen bleiben. Er lief einfach weiter, ignorierte die zwei Typen einfach.

Denen gefiel es scheinbar nicht, von einem Jüngeren ignoriert zu werden, denn sie standen auf und liefen ihm sofort hinterher.

„Bitte nicht…“ Hauchte er leise, sah sich kurz um und entdeckte die Zwei tatsächlich hinter sich.

„Bleib stehen, Kurzer.“ Er wurde an der Schulter gepackt und umgedreht. Geschockt sah er seinem Gegenüber in die Augen. „Was macht ein kleines Kind so alleine hier draußen? Solltest du nicht bei Mama und Papa sein?“ Das Grinsen des Anderen gefiel ihm nicht, doch er hielt ihn noch immer fest, während ihm der Andere seinen Rucksack abnahm. „Hey!“ Meckerte er ihn an und griff nach seiner Tasche.
 

Sofort wurde er auf den Boden geschubst und sah auf. „Er hat nicht gerade viel Geld…“

Hörte er einen der Beiden sagen. Jetzt wollten sie ihm auch noch das bisschen Geld abnehmen? „Lasst das!“ Keifte er sie an, sprang auf und schubste einen der Beiden. Doch der rührte sich so gut wie gar nicht. Mist!

„Hau ab, Kleiner, bevor ich mich vergesse.“

Oh nein!

„Vergiss es!“ Wieder schubste er ihn, trat nach dem Anderen.

Er wollte sich nicht kampflos geschlagen geben! Sein Vater hatte ihn über Jahre geschlagen, dann wird er das hier auch irgendwie überstehen. So konnte er sich am Ende zumindest keine Vorwürfe machen, dass er es nicht versucht hatte!

„Wenn du es so unbedingt willst.“ Er sah, wie sie seine Tasche abstellten und sich die Ärmel etwas hochkrempelten.

Er musste nur schnell genug sein, dann könnte er sich seine Tasche schnappen und wegrennen.
 

Guter Plan!
 

Er machte den ersten Schritt auf die Beiden zu, wollte sich zwischen ihnen hindurch quetschen, doch noch bevor er einen weiteren Schritt machen konnte, bekam er schon den ersten Schlag ins Gesicht. Sofort spürte er einen stechenden Schmerz, ehe der zweite Schlag ihn auf den Boden beförderte und er sich die blutende Nase hielt.

Damit nicht genug, bekam er auch noch einen Tritt in den Magen ab. Tränen sammelten sich in seinen Augen und er krümmte sich vor Schmerz. Warum? Warum er? Was hatte er verbrochen? Wieder trat er ihm in den Magen, packte ihn am Arm und zog ihn zu sich hoch. „Soll ich aufhören?“ Fragte er ihn und sofort nickte Akira, zitterte und sah auf den Boden. Die Typen sollten einfach gehen und ihn hier liegen lassen. Das wäre für ihn gerade das Einfachste.
 

„Du hast mich zweimal geschubst… ich habe dich nur einmal verprügelt… die Rechnung geht nicht auf, das siehst du doch auch so, nicht wahr?“

„Nein, ich…“ Wieder wurde er getreten, bekam noch einmal die Faust ins Gesicht und landete danach auf dem Boden. Der zweite Kerl wollte gerade anfangen, es seinem Kollegen gleich zu machen, als eine dunkle Männerstimme zu hören war. Die Zwei stoppten und sahen auf. „Fuck…“ Hörte er noch, sah, wie sie wegliefen und rollte sich einfach ein.
 

Er schlang einen Arm um seinen Bauch, drückte sich die freie Hand auf die Nase und biss die Zähne zusammen. Verdammt, dass tat so unglaublich weh. Aber warum hatten sie aufgehört? Wovor hatten sie nur solche Angst?

Als er seine Augen öffnete, sah er vor sich einen Mann. Ein Mann im Anzug, der mit zwei weiteren Männern vor ihm stand. Der Kerl in der Mitte hockte sich vor ihn und zog seine Hand aus dem Gesicht. „Kleiner Mann.“ Hörte er den Unbekannten und sah zu ihm auf, sah ihm in die dunklen, ernsten Augen. „Lass mich dir helfen, okay?“
 

Er wusste nicht warum, aber er hatte das Gefühl, dass er ihm vertrauen konnte. Zaghaft nickte er und versuchte, sich zu setzen. Ihm tat gefühlt alles weh und kaum das er saß, sah er sich um und erblickte seine Tasche. Der Mann vor ihm folgte seinem Blick, nickte einem der Männer zu, welcher sofort seinen Rucksack nahm. „Wir kümmern uns um dich. Versprochen.“ Hauchte der Unbekannte und stand auf. Er gab einem seiner Männer ein Zeichen und dieser hob Akira einfach hoch, sodass er nun in seinen Armen lag.
 

Irritiert sah er zu ihm auf, doch als der Mann den Blick erwiderte, sah er direkt wieder weg und suchte den Mann, der scheinbar das Sagen hatte. „Keine Sorge. Du wirst es wieder gut machen, da bin ich mir sicher.“ Das waren die letzten Worte, die der Mann zu ihm sagte, ehe man ihn in ein Auto setzte.

An die Fahrt erinnerte er sich nicht mehr, da er sofort einschlief, nachdem sie ihn abgesetzt und angeschnallt hatten. Warum sie ihm geholfen hatten, wusste er nicht und was sie dafür von ihm verlangten, hatte ihm auch niemand gesagt, doch darüber musste er sich noch keine Gedanken machen. Nun schlief er erst einmal, verdrängte die Schmerzen und den Stress und versank einfach tief im Land der Träume.

ContactNT

„Und du bist dir sicher, dass du das kannst?“

Erklang die Stimme seines Mitbewohners, der skeptisch ihren neuen Partner ansah.

Sie hatten eine Woche Zeit bekommen gehabt, ihn kennen zu lernen, hatten sich in dieser Zeit auch wirklich täglich getroffen und wussten zumindest die wichtigsten Dinge über ihn.

Doch jetzt, wo ein Auftrag erledigt werden musste, mussten sie darauf hoffen, dass er wirklich ein guter Hacker war, damit das Ganze auch funktionierte.
 

„Natürlich! Warum sollte ich das nicht können?“ Grinsend lehnte sich Kazuki im Stuhl zurück, hatte ein Bein über das Andere gelegt und die Arme vor der Brust verschränkt.

Wie immer saßen sie zu viert in ihrer Küche und gingen gerade alles durch, damit es auch wirklich reibungslos über die Bühne gehen wird!

„Wir werden es schon sehen.“ Warf Ryo ein und legte seine Zettel auf dem Tisch ab und lehnte sich seufzend zurück. „Eigentlich sollte das ganz einfach sein. Die Zielperson ist lediglich ein Zahnarzt. Was sollte es da schon für Probleme geben?“ Ryo sah darin nichts Schwieriges, doch nun schob Kazuki ihm einen Zettel zu.

„Herr Onodera ist kein ‘einfacher‘ Zahnarzt. Ich habe mich ein wenig über ihn schlau gemacht und alles Wichtige aufgeschrieben.“ Ohne, dass Ryo auch nur eine Chance hatte, nach dem Zettel zu greifen, schnappte Kai danach und sah auf das Papier.
 

„Geldwäsche, Drogenschmuggel und Entführung?“

Wieder grinste ihr neuer Hacker und nickte. „Wenn ich das richtig gesehen hatte, hat er sich einen aus unserem Clan geschnappt, ihn ausgequetscht und irgendwann einfach in einen See geworfen.“

Verblüfft hob Reita eine Augenbraue und sah den Anderen an. Stimmte das etwa? Und woher hatte Kazuki nur diese Informationen? War er tatsächlich so gut? „Guck doch nicht so!“ Sprach Kazuki ihn an und zwinkerte ihm zu. „Ich sagte doch, dass ich das kann!“
 

„Ich habe mir sein Haus angeguckt. Ziemlich viele Kameras, hohe Zäune und ein massives Tor. Man kann es auch gleich Alcatraz nennen.“ Murrte Kai leise und schob den Zettel nun wieder in die Mitte des Tisches. „Es wäre am einfachsten, ihn in seiner Praxis zu erledigen, oder auf dem Weg nach Hause.“ Gab nun der Maskenträger von sich und sah zu Kai.

„Ich erinnere mich nämlich gut daran, was das letzte Mal passiert ist, als wir bei jemandem zu Hause eingedrungen sind.“
 

Sie hatten Glück gehabt, dass Kai nichts Schlimmeres passiert ist. Solche Probleme sollten sie von Anfang an vermeiden.
 

„Die Praxis ist zu riskant. Er arbeitet dort nicht alleine und fährt früher nach Hause, als seine Angestellten.“ Ja, die Praxis hatte Ryo unter die Lupe genommen. Da wird es auch keine Möglichkeit geben, ihn zu erwischen. „Also auf offener Straße?“ Fragte Reita nun, doch Kazuki schüttelte sofort den Kopf. „Zu gefährlich.“ Er stand vom Stuhl auf und machte sich am Fenster eine Zigarette an. Mittlerweile hatten sie sogar extra für ihn einen Aschenbecher gekauft, der auf der Fensterbank stand. „Er hat eine Tochter. Wir sollten sie entführen, ihm Lösegeld aus den Rippen leiern und wenn der Tausch stattfinden soll, erschießt du ihn.“
 

Schlug ihr Hacker nun vor und sah sie alle nacheinander an. „Das kannst du vergessen! Der wird mit Sicherheit die Polizei informieren.“ Nickend gaben Reita und Kai ihrem Fahrer Recht. Diese Idee war zu gefährlich. „Schlagt was Besseres vor.“ Kazuki zog wieder an der Zigarette und sah sie abwartend an. „Kannst du dich nicht in seinen Terminplaner hacken? Vielleicht ist er irgendwann mal irgendwo unterwegs, wo man ihn abpassen könnte.“

„So clever bin ich, Kai… Natürlich habe ich mir seinen Kalender mal genauer angesehen. Der geht nur arbeiten oder ist zu Hause. Ich konnte dort nichts finden.“
 

„Scheiße.“ Meckerte Reita nur und stand nun ebenfalls auf, um sich kurz darauf eine Cola aus dem Kühlschrank zu gönnen. „Was hat das mit dem Drogenschmuggel auf sich?“ Wollte er dann wissen und drehte sich zu Kazuki um. Dieser überlegte kurz. „Er kauft, soweit ich weiß, im Ausland Drogen ein und verkauft sie hier für mehr Geld. Allerdings hat er dafür seine Leute.“

„Und wenn wir mit ihm Kontakt aufnehmen und nach Drogen fragen, die er uns besorgen soll?“ Sofort sahen alle zum Braunhaarigen, der nur mit den Schultern zuckte. „Was denn? Irgendwie müssen wir doch an ihn rankommen.“ War nur leider leichter gesagt, als getan. „Ich denk…“ Begann Kazuki, ehe er durch ein Klingeln unterbrochen wurde.

„Sorry.“ Sagte Reita nur und lief in sein Zimmer, um sich sein Handy zu schnappen.

Yuu.

Der äußerst ungünstigste Zeitpunkt aller Zeiten!
 

„Yuu?“ Fragte er sofort, nachdem er den Anruf angenommen hatte.

„Akira, ich… störe ich?“

Wirklich glücklich klang der Polizist nicht gerade und sofort runzelte Reita die Stirn.

„Was ist los?“ Fragte er dementsprechend sofort nach, schloss seine Türe und setzte sich auf sein Bett.

Eigentlich hatte er dafür gerade gar keine Zeit! Sie hatten nicht viel Zeit von ihrem Boss für diesen Auftrag bekommen, da konnte er sich nicht auch noch um Yuu kümmern.
 

„Ich soll in zwei Tagen wieder zur Arbeit… ich weiß aber nicht, ob ich das schaffe. Außerdem weiß ich nicht einmal, wen ich als Partner bekomme. Es soll ein Neuer sein, von einer anderen Zentrale.“ Schmunzelnd machte er sich auf seinem Bett lang und sah an die Decke. „Wieso machst du dir Sorgen? Du bist ein guter Polizist und ein neuer Partner wird daran nichts ändern. Ihr werdet euch bestimmt gut verstehen.“

„Sato und ich sind ein eingespieltes Team, das…“

„Das wird nichts ändern.“ Fiel er dem Polizisten einfach ins Wort und rieb sich seufzend die Augen.

„Sato ist nicht da, Yuu. Und du kannst nicht ewig auf ihn warten, um mit ihm weiter zu machen. Du musst einfach in den sauren Apfel beißen. Etwas Anderes wird dir nicht übrig bleiben.“ Der Andere schwieg, sagte nichts dazu, seufzte nur ins Telefon.

„Was kann denn schon schief gehen? Das ihr euch nicht leiden könnt. Und dann? Wird es etwas daran ändern, das ihr eure Arbeit macht? Wohl kaum, oder?“

Er hatte auf dieses Gespräch gerade einfach keine Lust. In letzter Zeit benahm sich der Andere einfach wie ein Kind, machte sich ständig Sorgen um seinen besten Freund und wollte einfach die aktuelle Situation nicht akzeptieren.

Dabei ging es Sato den Umständen entsprechend mittlerweile besser. Er war wach, ansprechbar und erinnerte sich noch an alles. Es war nur noch eine Frage von Wochen, bis er mit Sato wieder zusammenarbeiten könnte, weswegen er sein Problem einfach nicht verstand.
 

„Du hast Recht.“

Erklang seine Stimme leise und kurz vernahm er ein Lachen von ihm.

„Tut mir leid… ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist.“

„Du machst dir zu viele Gedanken. Ganz einfach.“

Wieder lachte Yuu, was Reita zum Schmunzeln brachte. Er konnte nicht abstreiten, den Polizisten wirklich zu mögen. Dennoch nervte er ihn auch gerade ein wenig, denn ihm lief die Zeit nun echt davon. „Entspann dich einfach. Es wird schon nicht so schlimm, wie du dir das jetzt ausmalst. Geh arbeiten, lern deinen neuen Partner kennen und meld dich dann nochmal bei mir, okay?“

„Okay, mach ich. Bis dann. Ich liebe dich.“

„Ich dich auch. Tschau!“
 

Sofort legte er auf, legte das Handy neben sich auf das Bett und seufzte. Ein unglaublich anstrengender Zeitgenosse, aber okay, sein bester Freund lag im Krankenhaus, nachdem er angeschossen wurde. Er konnte ihn irgendwie auch verstehen. Nun stand er vom Bett auf und ging zurück in die Küche, wo die Anderen zusammen am Tisch saßen und sofort zu ihm aufsahen, als er reinkam. „Kazuki hat ein Treffen mit der Zielperson organisieren können.“ Informierte Kai ihn sofort mit einem breiten Grinsen.

„Bitte was?“ Irritiert sah er ihn an, ehe er Kazuki musterte. Er war gerade mal fünf Minuten weg! War das jetzt sein Ernst?

„Du hast ihn schon verstanden.“ Versicherte Kazuki ihm, den Braunhaarigen richtig verstanden zu haben.

Unmöglich!
 

„Du wirst ihn in zwei Tagen treffen und mit ihm einen kleinen Vertrag aushandeln. Er soll für dich Drogen organisieren, die du für dich und andere Leute brauchst.“

„Aber…“

„Nichts aber!“ Fuhr ihn Ryo direkt an, bevor Reita überhaupt daran denken konnte, Widerworte zu geben.

„Wir haben keine anderen Chancen. So, oder gar nicht.“ Da musste er ihm allerdings Recht geben. Er setzte sich wieder mit an den Tisch und nickte. „Und warum trifft sich nicht Kazuki mit ihm und ich verstecke mich irgendwo, bis ich ihn erschießen kann?“

„Weil ich versuchen werde, ein Störsignal hinzukriegen, damit der Kerl mit seinem Handy nichts mehr anfangen kann.“

„Und Kai?“

„Ich sichere die Umgebung, damit du wirklich mit der Zielperson alleine bist.“

„Und bevor du fragst: Ich warte im Auto. Mit Kazuki. Irgendeiner muss ja fahren.“

„Ich kann aber auch die Umgebung absichern, solange Kai mit ihm alleine ist.“
 

Es brachte alles nichts. Er hatte keine Chance. Die Jungs ließen sich nun nicht mehr überstimmen. Ihre Idee stand und würde auch so ausgeführt werden. „Du schaffst das schon.“ Kazuki klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, ehe er wieder aufstand. „Wir sehen uns dann in zwei Tagen.“
 

Er verabschiedete sich, nahm Ryo direkt mit und ließ Reita und Kai wieder alleine. „Was gefällt dir an der Idee nicht?“ Fragte ihn sein Mitbewohner. Er verstand sofort, warum er ihn das fragte, hatte er sonst nie so vehement versucht, ihren Plan zu ändern. „Keine Ahnung.“ Er hatte einfach ein seltsames Gefühl dabei, sich mit dem Mann zu treffen, um sich Drogen bei ihm zu holen. Vielleicht waren seine Zweifel aber auch völlig umsonst und es wird einfach, Herrn Onodera auszuschalten. Bisher hatte es doch immer gut funktioniert. Außer der Auftrag, bei dem Kai verletzt wurde, aber selbst das war nicht so schlimm. Kai selber hatte ihnen oft genug gesagt, dass es halb so wild war.

„Hör auf, dir Gedanken zu machen. Du brauchst einen klaren Kopf, wenn es soweit ist.“
 

Den hatte er zwei Tage später auch. Er war bereit, diesen Auftrag zu erledigen und zwar genau so, wie sie es besprochen hatten!

„Denk dran, Rei.“ Begann Kai, kurz nachdem sie in den Wagen von Ryo gestiegen waren. „Contact NT. Das braucht man, um Crystal Meth herzustellen. Wenn er dir das nicht organisieren kann, versuchst du, seinen Preis für das Crystal Meth runter zu handeln.“ Er nickte verstehend, während er von hinten aus nach vorne auf die Straße sah. „Was sollst du dir besorgen lassen?“

„Crystal Meth!“

Und schon klatschte Kai ihm gegen den Hinterkopf, weswegen er sofort zusammenzuckte und ihn fragend ansah.
 

„Contact NT verdammt!“ Knurrte Kai ihn nun genervt an.

„Dann halt das.“ Murrte Reita nur und sah wieder nach vorne. Warum sollte er nach diesem Zeug fragen? Warum nicht direkt, ob er Meth von ihm kriegen kann?

„Vermassel es nicht!“ Hörte er Kazuki vom Beifahrersitz aus meckern, der sich zu ihm umgedreht hatte und ihn nun ernst ansah.

„Pff… kümmer du dich lieber darum, dass du sein Handy auch wirklich lahm gelegt bekommst.“

„Klappe jetzt!“ Ging ihr Fahrer nun dazwischen und sah Reita kurz über den Rückspiegel an. „Wie heißt das Zeug?“ Fragte er ihn auch direkt.

„Contact NT.“ Er rollte mit den Augen, während er ihm antwortete, aber immerhin waren nun alle im Fahrzeug glücklich und ließen ihn erst einmal in Ruhe.
 

Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie endlich am Treffpunkt ankamen. Ryo hielt etwas eher an, um nicht direkt vor Ort gesehen zu werden. „Ich warte hier auf euch. Wenn etwas ist, meldet euch.“ Damit steckte sich nun jeder sein In-ear-Kopfhörer ins Ohr. „Ich verstecke mich in der Nähe. Je näher ich dran bin, desto einfacher kann ich sein Handysignal stören.“ Kazuki stieg auch sofort aus, um schon mal ein gutes Versteck zu suchen, bevor ihre Zielperson erscheinen würde. „Ich seh mich dann auch mal um.“ Kai verabschiedete sich von ihnen und machte sich auf den Weg, ein wenig umher zu laufen und alles im Auge zu behalten.
 

„Na dann.“ Somit machte sich der Maskenträger als letzter auf den Weg.

Seine Waffe hatte er wie immer am Gürtel, das Shirt darüber gezogen, damit man sie nicht sofort sehen konnte.

Entsichert war sie auch schon, um im Notfall sofort agieren zu können.

Die letzten Meter lief er langsam zum Treffpunkt und besah sich die Umgebung. Es war dunkel, wie so oft, und nur ein paar der Straßenlaternen waren noch an. Am Himmel zogen immer mehr Wolken auf. Der Wetterbericht hatte angekündigt, dass es noch regnen wird, jedoch viel früher. Also hatten sie bisher mit dem Wetter schon einmal Glück.
 

„Herr Onodera ist schon da.“
 

Meldete sich Kai bei ihm über den Kopfhörer. „Das Störsignal steht.“ Gab ihm nun Kazuki seine Auskunft und sofort legte er seine Hand an sein Ohr. „Hab verstanden.“ Antwortete er ihnen und lief nun etwas schneller. Er wollte nicht wissen, was passiert, wenn er den Kerl zu lange warten lässt.

Viele Informationen hatten sie nicht von ihm, wussten nur, was er bisher so getan hatte. Und wenn schon Entführung und Mord bei ihm dazu gehörte, war der Mann sicherlich auch einer von der ungeduldigen Sorte.

Mit zwei Minuten Verspätung kam er am Treffpunkt an. Der Kerl war alleine, sah zu ihm und lächelte. Natürlich tat er das, schließlich witterte er Geld.

„Wobei kann ich helfen?“ Sein Gegenüber ließ echt nichts anbrennen, aber gut, es wäre besser, solche Gespräche schnell zu beenden, denn unauffällig sah anders aus!
 

„Ich brauche Contact NT!“ Perfekt, er konnte es sich wirklich merken.

Damit hatte er selber nun gar nicht gerechnet.

„Wofür?“ War die Gegenfrage von Herrn Onodera. Kannte er sich damit nicht aus? Oder war das ein Test? Wollte er herausfinden, ob Reita wirklich Ahnung davon hatte?

„Um Crystal Meth herzustellen.“ Was sollte er auch antworten? Dem Mann brauchte er es nicht zu verheimlichen, denn er wird es wahrscheinlich selber wissen, wozu man das Zeug braucht.

„Das ist schwer ins Land zu kriegen. Das kostet extra.“

„Wie lange dauert es, bis ich es habe?“

„Ein Monat.“

„Ich brauche es schneller.“
 

Bisher lief es doch halbwegs gut, oder? Ob sich der Mann schon sicher genug fühlte, um nicht sofort zurück zu schrecken, wenn er seine Hand an den Gürtel legte? Oder würde er dann im schlimmsten Fall selber schießen? Hatte sein Gegenüber eine Waffe dabei?

Er wartete lieber noch etwas. Sicher ist sicher.
 

„Eher geht nicht. Ich muss es selber einschmuggeln. Es fragt schließlich nicht jeden Tag jemand danach.“

„Dann nehme ich Crystal Meth. Zu einem Preis, der meine Enttäuschung entschädigt.“

Er sah in dessen Augen, dass das eine verdammt dumme Aussage war. Hatte er sich jetzt zu viel gewagt? Kurz schluckte er, sah ihm weiterhin in die Augen und wartete auf eine Antwort, ehe der Mann kurz lachte.

„Sie gefallen mir. Angst haben sie scheinbar nicht.“ Er kam auf ihn zu, zog etwas aus seiner Hosentasche und blieb vor ihm stehen. Ohne nach unten zu sehen, ergriff Herr Onodera sein Handgelenk und legte ihm die andere Hand auf seine. Sofort bemerkte er das Päckchen. Das war es also, was er aus der Tasche gezogen hatte.

„Das ist umsonst.“ Begann sein Gegenüber. „Und das, was sie noch brauchen, bekommen sie dann in zwei Tagen von mir.“ Verdammt, das wäre genau der richtige Moment, um ihn zu erschießen, doch der Kerl hielt genau die Hand fest, die er brauchte. Und er hielt sie nicht gerade sanft fest.
 

„Und stellen sie nichts Dummes an.“ Drangen die Worte in sein Ohr. Er würde die Drogen doch eh nicht nehmen, also musste er sich auch keine Sorgen machen. „Sonst werden ihre zwei Freunde dafür bezahlen.“ Kurz hielt er die Luft an, sah den Mann vor sich grinsen, ehe er seine Hand losließ. Was hatte er da gesagt?

„Wir sehen uns in zwei Tagen. Gleiche Zeit, gleicher Ort. Und zwar alleine.“ Damit ließ er Reita stehen.

Kurz zuckte seine Hand, wollte nach seiner Pistole greifen, doch er wusste nicht, ob der Mann bluffte oder Kazuki und Kai wirklich in Gefahr waren. Oder meinte er Ryo? Hatte er wirklich nur zwei entdeckt, oder einen bereits erledigt?

Er sah dem Mann hinterher, wie er in sein Auto stieg und davonfuhr. Mit zusammengebissenen Zähnen sah er in seine Hand, musterte das Päckchen, in dem wirklich etwas drin war.

Das ließ er erst einmal in seiner Hosentasche verschwinden und legte sich die Hand wieder ans Ohr.

„Leute?“ Fragte er sofort leicht panisch nach. Erleichtert stellte er kurz darauf fest, dass sich jeder von ihnen bei ihm meldete. Es ging ihnen also gut.
 

„Er ist weg…“
 

Informierte er sie sofort und lief langsam wieder zurück zum Auto, holte sich den kleinen Kopfhörer bereits raus, denn er wollte auf dem Rückweg nicht schon angemeckert werden.

Erst, als sie alle wieder im Auto saßen, begann wirklich jeder, wütend auf ihn einzureden, ihn anzumeckern und böse anzuschauen. Nett. Sehr nett.

„Er hat euch bemerkt. Ich glaube er wusste, was los war.“

Stumm und mit großen Augen sahen ihn nun alle an, warteten auf die Erklärung, die Reita ihnen nicht ersparen würde.

„Er hat mir das hier gegeben…“ Er zog das Päckchen hervor und zeigte es den Anderen.

„…hat dabei meine Hand festgehalten, mit der ich schieße und meinte, ich solle nichts Dummes anstellen, sonst würden meine zwei Freunde dafür bezahlen.“

„Und du glaubst ihm das auch noch?“ Platzte es sofort aus ihrem Hacker raus, der wenig begeistert war, als er das hörte. „Der Penner hat geblufft. Gott, Reita, bist du echt so dämlich?“ Scheiße.

Die ganze Zeit hatten sie auf Kazuki rumgehakt, er würde es vergeigen und nun war er es, der ihn anmeckerte, weil er selber es vermasselt hatte. „Wir haben nur noch drei Tage Zeit, diesen Auftrag zu erledigen. Jetzt können wir uns echt was einfallen lassen.“ Murrte Ryo und setzte nun das Auto in Bewegung.
 

„Er wollte sich in zwei Tagen mit mir wieder hier treffen. Alleine.“ Informierte Reita die Jungs.

Dann wäre das also die letzte Chance für sie, diesen Auftrag zu erledigen. Und keiner von ihnen wollte herausfinden, was passiert, wenn sie es nicht schaffen würden, die Zielperson in der angegebenen Zeit zu erledigen.

„Wir können dich nicht alleine gehen lassen.“ Entwich es Kai sofort, der nun etwas panisch zu Kazuki und Ryo sah.

„Auf keinen Fall gehst du alleine!“ Fügte er noch hinzu. „Er hat Recht. Das ist zu riskant.“ Warf Ryo direkt ein, während Kazuki zu ihnen nach hinten sah.

„Habt ihr eine bessere Idee?“ Fragte Reita seine Kollegen nur, doch es kam keine Antwort. Sie schwiegen. Alle. Und das hielt den Rest der Fahrt an, denn ihnen war klar, dass Reita es machen musste. Und wenn sie jemand entdecken würde, wären sie alle erledigt, also musste Reita es wirklich alleine hinter sich bringen.

Losing (Kazuki)

Bevor sie Reita am Abend alleine seinem Schicksal überlassen würden, musste er noch einmal zum Boss, um ihm Bericht zu erstatten. Es war zwar nicht vom Boss gewollt, aber er selber wollte es, denn er hatte schon ein paar Informationen zusammengetragen, die ihn wahrscheinlich interessieren würden. Außerdem wollte er selber noch etwas herausfinden. Und dazu musste er mit ihm reden, denn anders würde er nicht an diese Infos rankommen.

Doch zuerst ging es für ihn in die Stadt. Er brauchte noch ein paar Nahrungsmittel und Zigaretten, sonst würde er nicht mehr lange leben. Mag sein, dass sein Job gefährlich war, aber mit leerem Magen wollte er dann auch nicht sterben. Außerdem glaubte er eher weniger daran, sein Leben bei einem Auftrag zu verlieren. Das würde sein Zigarettenkonsum schon von ganz alleine erledigen!
 

„Wie immer?“ Fragte ihn die Dame hinter der Theke und er nickte lächelnd. Er holte sich jede Woche seinen Vorrat an Zigaretten hier in diesem Laden. Und jedes Mal hatte sie Schicht, wenn er vorbeikam. Deswegen wusste sie auch genau, was er wollte und welche Marke er rauchte. Als er alles hatte, was er so zum Überleben brauchte, lief er mit langsamen Schritten nach Hause, rauchte sich eine und sah sich um. Es war ganz schön was los, aber es war auch ein schöner Tag. Als er in den Himmel sah, sah man nur blau. Es war keine einzige Wolke zu finden. Einfach herrlich.

Sollte sein Kollege also an so einem Tag sterben? Als ob!

Er glaubte an Reita, wusste, dass er es schaffen wird, auch, wenn er diesem Zahnarzt nicht traute.
 

Im Augenwinkel nahm er einen Streifenwagen wahr, der stehen blieb und sofort zwei Polizisten ausstiegen. Einer von ihnen hatte schwarze Haare, der Andere hellbraune. Sah man auch nicht alle Tage. Kurz blieb er stehen und musterte die Beiden. Er rauchte die Zigarette in Ruhe weiter und beobachtete jeden Schritt der zwei Gesetzeshüter, die an ihm vorbei gingen. Streife zu Fuß? Sah man in letzter Zeit auch öfter. Natürlich fiel ihm sowas auf, wollte er schließlich nicht von denen angesprochen werden.

Er versuchte immer, ihnen aus dem Weg zu gehen.

Er machte die Zigarette aus, warf den Stummel in einen Mülleimer und lief nun weiter zu seiner Wohnung.

Schon nach wenig Schritten, bogen die Polizisten links ab, während er weiter geradeaus musste. Die Zwei wirkten ganz schön ernst und nicht gerade aufmerksam auf die Umgebung fixiert. Ob sich da etwa was anbahnte? Hatten sie gerade vielleicht etwas zu erledigen, statt nur auf Streife zu gehen? Verdammt, warum war er immer so neugierig? Er erwischte sich tatsächlich bei dem Gedanken, denen zu folgen.

Nein, auf keinen Fall!

Das würde noch böse enden. Also lief er lieber weiter.
 

Zu Hause angekommen, verstaute er all seine Einkäufe in der Küche und rauchte sich dabei gleich wieder eine. Es war schon nach 14 Uhr. Jetzt sollte er sich vielleicht doch etwas beeilen, denn er wollte trotz allem noch zu den Anderen.

Etwas gehetzt kam er nach knapp 40 Minuten auch schon in dem Haus an, in dem sein Boss fast 24 Stunden jeden Tag verbrachte. Selten hatte er miterlebt, dass der Mann nach Hause gefahren war.

Wie immer klopfte er kurz an die Türe und trat auch sofort ein. Sein Boss stand gerade am Fenster und sah nach draußen, wie er es so oft tat.

„Da bist du ja.“ Sagte er und drehte sich zu ihm um. „Du hast mich wirklich neugierig gemacht. Es scheint dir ja wichtig zu sein, es noch heute zu klären.“

Er nahm an seinem Tisch Platz und deutete Kazuki an, sich auch zu setzen.

Natürlich tat er dies auch gleich und nahm ihm gegenüber Platz, legte wieder ein Bein über das Andere und lehnte sich im Stuhl zurück. „Dann erzähl mir doch mal, was dich hier hin führt.“ Sein Boss war nun also mit seiner ganzen Aufmerksamkeit bei der Sache. Sehr gut!
 

„Zu allererst möchte ich anmerken, dass das Team in Ordnung ist. Mit denen kann man wirklich gut zusammenarbeiten. Das hätte ich nicht gedacht.“ Gestand er dem Boss mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Sie verstehen sich und vertrauen einander blind. Das ist äußerst erstaunlich. Bis sie mir genauso vertrauen, wird es vielleicht noch ein wenig dauern, aber das ist machbar.“ Fuhr er seinen Bericht weiter fort und sah seinem gegenüber dabei stets in die Augen, um jede noch so kleine Veränderung wahrzunehmen.

„Aber deswegen bist du nicht hier, oder?“

Sein Boss lehnte sich nach vorne, stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab und bettete sein Kinn auf seinen Händen.

„Nein.“ Antwortete er knapp, holte kurz Luft, um danach mit den wichtigen Dingen fortzufahren:
 

„Kai hat sich einen kleinen Plan ausgedacht. Er war so nett, mir davon zu erzählen. Reita hat sich einen Polizisten geangelt, um in Zukunft an Informationen aus erster Hand zu kommen. Ob das klappt, weiß ich nicht. Bisher kam dabei wohl nicht viel rum. Aber egal, das ist eher etwas Nebensächliches. Trotzdem dachte ich, dass es Sie interessieren könnte.“

Er sah seinem Boss an, dass ihm diese Information dennoch nicht gefiel. Natürlich fand er das nicht gut. Welchem Yakuza-Boss gefiel es schon, wenn einer seiner Handlanger was mit einem Polizisten hatte? Aber trotzdem konnte man es auch positiv sehen:

Der Plan könnte funktionieren und Reitas Freund wird singen wie ein Vögelchen.

Alles Ansichtssache!
 

„Wenn es darum geht, Pläne für einen Auftrag auszuarbeiten, sind die Drei eigentlich ganz pfiffig, doch die Umsetzung läuft meist anders, als geplant. Und da liegt unser aktuelles Problem! Reita konnte die Zielperson nicht ausschalten, weil er sonst Kai und mich in Gefahr gebracht hätte. Deswegen muss er sich heute Abend mit dem Mann alleine treffen.“

Er bemerkte das Zucken in den Augen des Bosses, hielt erst einmal seinen Mund geschlossen und wartete dessen Reaktion ab.

„Hätte er ihn erschossen, wären du und Kai ebenfalls erledigt worden?“ Fragte er zum Verständnis noch einmal nach. Kazuki nickte bestätigend, wodurch sich der Mann murrend zurücklehnte.

„Da er euch schon einmal entdeckt hat, oder wahrscheinlich seine Männer euch entdeckt hatten, liegt es auf der Hand, dass sie es wieder schaffen. Deswegen soll er alleine dahin.“ Wieder nickte er und nun fuhr sich der Boss mit einer Hand durch das Gesicht. „Wir werden dennoch in der Nähe sein, allerdings im Auto.“

Der Boss schien ihre Lage zu verstehen und nickte nun ebenfalls.
 

„Es kann also gut sein, dass sie sich morgen einen neuen Killer suchen müssen.“
 

Schmunzelnd sah der Boss ihm nun in die Augen und schüttelte den Kopf.

„Das glaube ich nicht. Bisher hat es doch immer geklappt, oder etwa nicht?“ Ja, da musste er ihm zustimmen!

„Sonst noch etwas, das ich wissen sollte?“ Fragte er Kazuki nun und stand schon wieder auf, um sich erneut an das Fenster zu stellen.

„Nein, aber etwas, dass ich wissen muss.“

Nun drehte sich der Boss mit fragendem Blick zu ihm um.

Jetzt ging es los. Es wurde ernst! Er hatte nun ein paar Tage Zeit gehabt, doch er musste den Boss fragen, denn ohne ihn würde er nicht weiterkommen und alle Informationen würden nur mit reiner Spekulation zusammengefasst werden können. Also: Augen zu und durch!
 

„Warum haben sie Kaito erschossen?“ Fragte er erst einmal nach und war erleichtert, als der Blick des Bosses eher normal blieb, anstatt wütend oder ernst zu werden. „Er war in unserer IT-Abteilung und wurde damit beauftragt, unser Sicherheitssystem vor Angriffen zu schützen.

Stattdessen hat er das System mutwillig außer Gefecht gesetzt und damit den Zugriff für andere Parteien freigegeben.“ Erklärte ihm der Boss, der noch immer mit dem Rücken zum Fenster stand.

„Wir konnten von Glück reden, dass es jemand Anderem in der Abteilung früh genug aufgefallen ist.“

Deswegen wurde er von ihm also erschossen. Er hatte den Boss und alle Anderen in ihrem Clan hintergangen.

Was Verrätern blüht, wird einem von Anfang an klar gemacht, doch noch nie hatte er es gesehen, oder auch nur ein Wort über so etwas aufgeschnappt. Das war für ihn das erste Mal. Aber sein Bauchgefühl meldete sich wieder, versuchte ihm zu versichern, auf dem richtigen Weg zu sein.
 

„Und warum musste Ruki sterben?“
 

Nun sah ihn der Boss doch etwas geschockt an. Volltreffer!

„Weil er sich in unser System gehackt hat. Er hat verschiedene Informationen heruntergeladen.

Bevor diese Details in falsche Hände geraten, haben wir ihn aus dem Weg geräumt.“

„Sein Notebook?“
 

„In der IT.“
 

„Wissen die Drei, warum er gestorben ist?“

Sein Boss schüttelte den Kopf und das erstaunte ihn nun doch etwas.

„Sie wissen nichts davon? Sicher, dass das gut ist?“ Seufzend nahm sein Boss wieder am Tisch Platz und trank einen Schluck von seinem Wasser. „Denkst du, dass es wichtig ist? Brauchen Kai, Reita und Ryo diese Information?“

Gute Frage.

Wahrscheinlich brauchten sie sie nicht direkt, aber aus persönlichen Gründen würde es ihnen bestimmt irgendwo auch guttun, zu wissen, warum Ruki gestorben ist.

„Sie sind loyal genug, um ihnen dieses Wissen anzuvertrauen.“

„Denkst du das wirklich? So habe ich von Ruki auch gedacht und was hat es mir gebracht?“
 

Noch bevor er etwas dazu sagen konnte, wies ihn der Boss mit einer Handbewegung an, ruhig zu sein.

Also schloss sich sein Mund direkt wieder, nachdem er ihn geöffnet hatte. Ende der Diskussion.

„Ich lasse es mir durch den Kopf gehen. Und jetzt geh. Pass auf, dass Reita nichts passiert. Es wäre schade, ihn zu verlieren.“ Nickend stand Kazuki vom Stuhl auf und lief wieder nach draußen.

Naja, er hatte zumindest das, was er wollte:

Das Wissen!

Er wusste endlich, warum Ruki umgebracht wurde und das die Parallelen zwischen seinem und Kaitos Tod kein Zufall waren. Und er würde es den Dreien erst einmal weiterhin verschweigen.

Wenn der Boss wollte, dass sie es erfahren, wird er es ihnen schon selber sagen.

Trotzdem würde er gerne noch so einiges mehr erfahren. Was für Daten hatte Ruki runtergeladen?
 

Draußen angekommen, blieb er stehen, machte sich eine Zigarette an und sah noch einmal zur Türe, durch die er gerade rauskam. War Ruki nicht der Hacker der Gruppe? Ja, das war er. Und trotzdem wurde er erwischt. Er hatte also Spuren im System hinterlassen. Und das traute er dem Kleineren eigentlich nicht zu.

Bevor er Teil der Gruppe wurde, hatte er sich über alle informiert. Bisher hatte der Kleine immer gute Arbeit geleistet, konnte sich in alle Systeme hacken und alles ausschalten, was er wollte.

Wenn er wirklich so schlampig arbeiten würde, hätten sogar Polizisten seinen digitalen Fingerabdruck gefunden.

Doch dem war nicht so. Niemand konnte ihn ausfindig machen. Keiner hatte auch nur eine klitzekleine Spur entdeckt. Also warum ausgerechnet dann, wenn er seinem eigenen Clan hinterher spionierte?

Am liebsten würde er sich selber dransetzen und das System absuchen, doch das war ihm zu heiß.

Wenn sie Ruki wirklich dabei erwischt hatten, dann werden sie ihn dabei auch erwischen. Und wie das dann endet, wusste er nun zu gut und so wollte er nicht enden.
 

Mit vollem Kopf lief er wieder nach Hause, machte sich dort fertig, um später den Weg zu den Anderen anzutreten. Als er dort ankam, bot sich ihm ein Bild, das ihn alles vergessen ließ, was er eben erfahren hatte.

„Man könnte fast denken, dass du das mit Absicht machst.“

Stichelte er, als Reita ihm wieder einmal nur in Shorts die Türe öffnete. „Man könnte fast denken, dass du genau weißt, wann ich fast nackt bin.“ Entgegnete sein Gegenüber sofort und ließ ihn rein.

Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Spielt ihr Poker?“ Wollte er nun wissen.

Wenn ja, wäre er beleidigt, weil sie ihn nicht eingeladen hatten.

„Nein. Ich wollte noch schnell duschen, damit ich die Welt sauber verlasse.“

Selbst Reita musste bei seinen Worten grinsen und lief nun auch wieder ins Badezimmer.

„Er spinnt schon den ganzen Tag so rum.“ Hörte er Kai, der aus der Küche kam und ihn zu sich winkte. Ihm fiel auf, das Ryo noch gar nicht da war, aber sie hatten auch noch ein wenig Zeit, ehe es losgehen würde.
 

„Ich wäre an seiner Stelle auch nervös.“ Gerade kam ihm der Maskenträger noch halbwegs normal vor.

Aber wer weiß, was Kai schon alles mit ihm durch hatte an diesem Tag?!

„Seine Nervosität wird ihn eher umbringen, als der Zahnarzt.“ Sagte der Braunhaarige nun lachend und Kazuki stieg in dieses Lachen gleich mit ein. Für ihn war diese Vorstellung gar nicht so dämlich, wie sie klang.

„Hoffentlich versucht er jetzt nicht, sich in der Dusche zu ertränken.“ So ernst wie möglich, sah er nun zu Kai, der sofort wieder loslachte. „Soll er machen. Das gibt wenigstens keine unschönen Flecken.“

So so! Das muss wahre Freundschaft sein.
 

Reita brauchte zum Glück nicht mehr so lange, bis er wieder komplett fertig war. In jeder Hinsicht fertig! Auch mit den Nerven! Mittlerweile hatte auch Ryo den Weg zu ihnen gefunden.

„Hier.“ Sagte dieser und hielt Reita einen der Kopfhörer hin. „Hm?“ Machte dieser nur und nahm das kleine Gerät entgegen. „Ich habe das Teil präpariert. Wir können dir damit die ganze Zeit zuhören.“ Mit einem Lächeln auf den Lippen setzte sich der Maskenträger das Teil ins Ohr. „Wenn etwas ist, können wir sofort eingreifen.“

Bestätigte nun auch noch Kai. Die dachten wirklich mit. Kazuki war doch positiv überrascht.

Aber Reita einfach so seinem Schicksal zu überlassen, war zu riskant.
 

„Dann los.“
 

Nachdem Reita seine Waffe geholt hatte, stiegen sie wieder in Ryos Auto und machten sich auf den Weg zum Treffpunkt. „Was hast du eigentlich mit den Drogen gemacht, die du beim letzten Mal bekommen hast?“

Fragte Kazuki nun neugierig nach. Ob er sie verkauft hatte? Oder hatte er das Zeug genommen?

Das wäre mal eine interessante Wendung. „Das Zeug hab ich die Toilette runtergespült.“ So ging es natürlich auch.

War wahrscheinlich die beste Idee.

Den Rest der Fahrt schwiegen sie sich mal wieder gegenseitig an. Was sollten sie auch sagen?

Aufmuntern konnte man den Anderen schließlich nicht und allgemein war die Laune nicht gerade die beste. Da war Schweigen die bessere Wahl, bevor noch jemand etwas Falsches sagte.
 

Erst als sie in der Nähe des Treffpunktes ankamen, seufzte Ryo, machte den Motor aus, schnallte sich ab und drehte sich zu Reita um. „Mach keine Scheiße, kapiert!“ Auch Kazuki drehte sich um und versuchte, ihn aufmunternd anzulächeln. „Das schaffst du schon.“ Noch war er guter Dinge. Außer Ruki hatten es doch immer alle heil nach Hause geschafft und bei dem Kleineren waren es gewisse Umstände, die dazu geführt hatten, dass er nicht mehr unter ihnen weilt.

Das war etwas ganz Anderes und hatte nichts mit dem Auftrag zu tun.

„Komm bloß wieder!“ Jammerte Kai sichtlich fertig mit der Welt. Er schien mehr Angst zu haben, als Reita selber, denn der wirkte ziemlich gelassen, legte eine Hand auf Kais Oberschenkel und lächelte ihn an.

„Ich kann dich doch nicht alleine lassen. Ohne mich kommst du doch gar nicht klar.“

Nun schnallte sich der Maskenträger ab, atmete sichtlich tief durch und nickte ihnen dann zu.

„Bis gleich.“ Ohne noch lange zu warten, stieg er aus dem Auto und lief los.

Kai war der erste, der sich an sein Ohr fasste, wo er seinen eigenen Kopfhörer drin hatte.

„Hörst du mich, Rei?“ Fragte er ihn und keine Sekunde später erklang schon ein ‘ja‘ in ihren Ohren.

Sehr gut. Dann schien das schon mal zu funktionieren.

Sollte Ryos kleines Spielzeug nämlich nicht funktionieren, wäre es ihnen nun augefallen.

„Mach dir mal keine Sorgen um ihn.“ Erklang Ryos Stimme mit einem sanften Ton, während er durch den Rückspiegel zum Braunhaarigen nach hinten sah. „Ich kann das nicht ändern.“ Murrte der Angesprochene nur und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie schienen wirklich dicke Freunde zu sein.

Ob diese Freundschaft tiefer ging, als zwischen ihnen und Ruki?

„Der wird das schon schaffen, da bin ich mir sicher.“ Doch auch Kazukis Worte brachten Kai nicht dazu, sich etwas runterzufahren. Nervös wippte dieser schon mit den Beinen und sah immer wieder aus jedem Fenster des Wagens.
 

„Pünktlich wie das letzte Mal.“ Hörten sie auf einmal und umgehend war jeder von ihnen still und bewegte sich kaum noch. Es wurde ernst!

„Warum sollte ich sie warten lassen?“ Erklang Reitas Stimme.

Kazukis Herzschlag erhöhte sich auf einmal. Jetzt machte er sich tatsächlich auch ein wenig Sorgen um den Anderen.

Es war eine unangenehme Situation. Selbst wenn sie mitbekommen würde, dass etwas nicht stimmt, könnten sie nicht rechtzeitig eingreifen, um ihrem Kollegen zu helfen. Reita war wirklich auf sich alleine gestellt.

„Und wie ich gehört habe, sind sie alleine hier, dass gefällt mir. Sie sind ein Mann, der sein Wort hält.“ Bluffte der Kerl, oder hatte er hier ein paar seiner Leute rumrennen, die alles für ihn überwachten?

Sofort sah sich Kazuki um. Was würde er machen, wenn er wirklich jemanden entdecken würde? Was würde passieren, wenn man sie in diesem Auto entdeckt? Fragen, die er nicht beantworten konnte!

„Warum sollte ich mein Wort nicht halten? Wenn ich dafür das bekomme, was ich will, lohnt es sich doch.“

Reita machte seine Sache verdammt gut. Er wüsste nicht, ob er selber so locker bleiben könnte.

„Nicht jeder denkt so.“ Mittlerweile kaute er sich auf der Unterlippe rum.

Wie gerne würde er jetzt Mäuschen spielen und die beiden beobachten.

„Wie viel brauchen sie denn?“
 

„Wie viel haben sie dabei?“ An Reita schien ein guter Dealer verloren gegangen zu sein.

Kurz musste Kazuki schmunzeln, als er sich Reita vorstellte, wie er Drogen an Kunden verkauft und dabei den Preis verhandelte, sich dabei nicht unterkriegen lässt und für einen höheren Preis verkauft, als er das Zeug eingekauft hatte.

„Genug.“

Kam nur die Antwort und für eine kurze Zeit herrschte Stille.

Was die Zwei wohl gerade machten? Hatte Reita denn auch Geld dabei, damit er den Mann in Sicherheit wiegen konnte, um ihm dann eine Kugel in den Kopf zu jagen? Auf einmal war sich Kazuki nicht mehr so sicher, den Anderen wiederzusehen. Es gab eine Lücke im Plan. Von Anfang an. Diese war ihnen Allen bewusst, doch gerade schlug sie ihm fast schon mitten ins Gesicht:
 

„Er wird ihn umbringen, wenn er das Geld hat.“

Entwich es ihm leise, doch nicht leise genug, denn sofort sahen ihn die anderen Beiden an, sagten nichts dazu, erwarteten aber scheinbar ein paar Details. „Wenn der Kerl wirklich irgendwelche Deppen hier rumrennen hat, haben die uns beim letzten Mal entdeckt. Und er wird sie wieder hier haben.

Wenn Reita ihn erschießt, ist er selber dran, oder er wird erschossen, wenn der Kerl seine Kohle hat.

Dann hat er Geld und die Drogen.“

Mag sein, dass er sich anfangs eher weniger Gedanken gemacht hatte. Warum auch? Doch die Dinge sahen nun ganz anders aus und auch in seinem Kopf sahen die Gedanken nun ganz anders aus.

„Spinnst du?“ Fuhr Kai ihn sofort geschockt an. Er konnte ihn verstehen, er wollte das ja selber nicht glauben.

„Wie hoch stehen die Chancen, dass der Zahnarzt weiß, wer vor ihm steht?“

Reita war auffällig, bekannt wie ein bunter Hund und wenn es stimmt, dass der Mann schon einen aus ihrem Clan entführt, ausgequetscht und umgebracht hat, hängt Reita schon mit dem Kopf in der Schlinge.

„95%“

Sagte Ryo trocken und sah geradeaus, raus aus dem Wagen.

„Es war eine Falle.“ Fügte ihr Fahrer noch hinzu.
 

Ein paar Sekunden später waren mehrere Schüsse zu hören. Sie alle zuckten zusammen und Kai war schon im Begriff, aus dem Auto zu springen, doch Kazuki packte, so gut es von vorne ging, dessen Handgelenk.

„Warte! Wenn du gehst, bist du eine wandelnde Zielscheibe.“ Sie konnten es nicht riskieren, ihn zu verlieren.

„Ich kann nicht hier sitzen und warten!“ Er riss sich los und sprang aus dem Auto.

„Shit!“ Knurrte Ryo neben ihm und folgte dem Braunhaarigen.

„Seid ihr jetzt alle bescheuert?“ Murmelte Kazuki, setzte sich dann aber auch in Bewegung. Er hatte keine Lust, der einzige zu sein, der an dem Abend lebend nach Hause kommt. Dann doch lieber gemeinsam mit der Gruppe untergehen!

So schnell sie konnten, rannten sie zum Treffpunkt, doch sie konnten niemanden sehen.

Es war keiner mehr da. „Er versteckt sich bestimmt irgendwo.“ Versuchte Kazuki die Beiden zu beruhigen.

Und auch sich selbst! Eine Leiche würde man nicht mal eben so wegschaffen, sondern einfach liegen lassen. Sie hatten kein Auto gesehen, nichts mehr gehört, außer die Schüsse.

„Ja… oder er hat die Verfolgung aufgenommen.“ Stimmte ihm Ryo zu und sah sich um.
 

„Nein.“
 

Er und Ryo drehten sich zu Kai um, der auf dem Boden kniete und gerade etwas in die Hand nahm.

Sie waren nicht nah genug, um zu erkennen, was er entdeckt hatte.

Als er zu ihm ging, konnte er Blut am Boden sehen. Also hatte es einen schonmal erwischt.

Als er dann aber in Kais Hände sah, wusste er, wessen Blut es war. Er legte eine Hand auf dessen Schulter und drückte ein wenig zu. Kai klammerte sich regelrecht an Reitas Waffe, die er gefunden hatte und ließ den Kopf hängen.

„Ich will nicht auch noch meinen besten Freund verlieren…“

Es war nicht einfach, Kai wieder vom Boden hochzukriegen und ihn in den Wagen zu bringen und er wollte auch wirklich nicht wissen, wie es in ihm drin gerade aussah. Sie waren also beste Freunde?

Das machte den Verlust für Kai noch schlimmer, als für Ryo, oder ihn selber.

„Du kommst erstmal mit zu mir.“ Sagte Ryo, hielt Kai beim Gehen etwas im Arm und zog diesen an sich.

„Ich gebe dem Boss den Bericht ab.“

Schlug Kazuki ihnen vor und Ryo nickte ihm zu. Wahrscheinlich bekam Kai nicht einmal mehr etwas mit.

Von Ryo wurde er zu Hause abgesetzt und sah ihnen noch kurz nach, ehe er rein ging.
 

Wie konnten sie auch nur so dämlich sein und daran glauben, dass das schon klappen wird? Wieso haben sie sich nicht einfach auf die Lauer gelegt? Dem Boss diese Story zu erklären wird alles andere als einfach, doch darum würde er sich am nächsten Tag kümmern. Er ging erst einmal duschen und danach sofort ins Bett.
 

Hoffentlich wird es Kai verkraften.

Flashback 2

17:53 Uhr.
 

Seufzend sah er auf seine Wanduhr. Noch sieben Minuten, dann wäre der Nachhilfeunterricht für diesen Tag beendet.

Er war nicht dumm und schlechte Noten hatte er auch nicht, sondern nur Einsen und Zweien. Doch sein Vater wollte, dass das auch in Zukunft so aussah, also musste er dafür täglich nach der Schule zwei Stunden lernen.

Jeden Tag ein anderes Fach. Heute war es Mathematik. Etwas, dass er bisher gut verstand, sich irgendwann gut in diese Logik reindenken konnte, doch jedes Mal fast verzweifelte, wenn ein neues Thema drankam.

Er brauchte nun mal ein bisschen Zeit. Das kam eben nicht von jetzt auf gleich.

„Sieh nicht auf die Uhr, sondern auf die Aufgabe!“ Ermahnte sein Lehrer ihn und sofort senkte er den Blick und brachte die Aufgabe schnell hinter sich. War doch gar nicht so schwer! Pünktlich um 18 Uhr hatte er ‘Freizeit‘. Doch sein restlicher Tag wird wohl so aussehen, wie jeder Andere auch:

Er bekam noch ein paar Minuten Zeit, seine Schulsachen auszuräumen und die Tasche für den nächsten Schultag zu packen, ehe er runter ins Esszimmer müsste, um mit seiner Familie zusammen zu essen. Danach müsste er seiner Mutter beim Aufräumen helfen, ehe sein Vater und seine Mutter den Abwasch machen würden. In dieser Zeit musste er dann duschen, damit er um spätestens 19:30 Uhr fertig in seinem Zimmer saß.
 

Dann hätte er noch eine halbe Stunde, ehe er ins Bett müsste. Meistens war er um diese Uhrzeit nicht müde, aber er durfte nicht länger wach bleiben, damit seine Konzentration am nächsten Tag einsatzbereit war.

Und zwar zu 100%!

Als er gerade die Treppe runter ging, sah er noch, wie sein Lehrer von seinem Vater zur Türe begleitet wurde und dann das Haus verließ. Sofort ging er ins Esszimmer und setzte sich mit an den Tisch, auf dem bereits das Essen stand. Seine Mutter konnte unglaublich gut kochen. Er liebte ihre Küche! Noch nie hatte er vergleichbares gegessen.

„Ich habe gehört, dass es heute gut geklappt hat.“ Hörte er seinen Vater. Er sah zu ihm und nickte mit einem leichten Lächeln, denn hinter diesen Worten war ein gewisses, kleines Kompliment versteckt. Sein Vater machte sowas nicht offensichtlich. Niemals würde er ihm so etwas sagen wie ‘ich bin stolz auf dich‘ oder ‘das hast du gut gemacht‘.

Er verpackte es immer. Dabei würde er solche Sätze gerne einmal hören.

Still aß er mit seiner Familie, da sein Vater sonst bei Tisch kein Wort hören wollte. Wenn man das Bedürfnis hatte, zu reden, sollte man es danach machen.

Nachdem jeder satt und soweit zufrieden war, half er seiner Mutter, das Geschirr vom Tisch zu räumen, trug es in die Küche, damit sie mit seinem Vater gleich alles sauber machen konnte.
 

„Wenn deine Nachhilfestunden weiterhin so verlaufen, wird aus dir ein guter Arzt. Oder ein Anwalt.“

Mit diesen Worten hielt sein Vater ihn davon ab, nach oben ins Badezimmer zu gehen.

„Beides wäre eine denkbare Option. Doch etwas minderwertigeres steht nicht zur Debatte.“ Solche Worte konnte er nicht leiden. Zwar war er gerade mal 12 Jahre alt, aber trotzdem hatte er schon gewisse Vorstellungen, wie seine Zukunft aussehen sollte. Und das hatte nichts mit Arzt oder Anwalt zu tun.

„Ich würde viel lieber Autor werden.“ Entwich es ihm in einem Anflug von Wahnsinn. Was anderes konnte es nicht sein, schließlich wusste er, wie sein Vater zu seiner Jobwahl stand. „Autor?“ Fragte sein Vater gereizt nach und vorsichtig nickte er, senkte den Blick gen Boden.

Wieso? Wieso war er so dumm, dass auszusprechen? Hätte er das nicht einfach verschweigen können? Nein, er hatte für einen kurzen Moment verdrängt, wie blöd so ein Kommentar war.

„Bist du nun von allen Sinnen verlassen?“ Sein Vater stand vom Tisch auf und kam auf ihn zu. Er war ein gestandener Mann mit ernstem Blick, großem Wissen und einem Talent dafür, mit Blicken andere Menschen sofort einzuschüchtern. So wie ihn jetzt. „Ich will solche Worte nicht noch einmal von dir hören!“

Er nickte einfach nur stumm. Jetzt etwas dagegen zu sagen, würde ihm noch richtig Ärger einhandeln.
 

„Schatz, er ist müde. Seine Fantasie geht wieder mit ihm durch. Er sollte ins Bett.“

Hörte er seine Mutter mit sanfter Stimme aus der Küche kommen. Sie war so lieb, zu gut für diese Welt, denn er wusste, dass sie ihm mit diesen Worten nur helfen wollte, einer Standpauke zu entkommen.

„Du wirst solch einen Unsinn nie wieder zur Sprache bringen, hast du mich verstanden, Yutaka?“ Knurrte sein Vater. Er sah zu seiner Mutter, die ihn anlächelte und nickte. Doch er wollte einfach nicht. Das Ganze musste doch irgendwann mal ein Ende haben, oder nicht? Wenn er nicht sagt, was er will -was er wirklich will- wird es doch immer so weiter gehen. Es sprach doch auch nichts dagegen, weiterhin zur Schule zu gehen, zu lernen, gute Noten zu schreiben und zu studieren. Doch er wollte viel lieber Literaturwissenschaften studieren, als Medizin oder Jura.

Außerdem war es doch bestimmt viel einfacher, ein Autor zu werden, als Arzt oder Anwalt, oder etwa nicht?

„Ich will aber kein Arzt werden. Und auch kein Anwalt.“ Vielleicht hatte sein Vater ja doch ein Einsehen und würde seinen Wunsch akzeptieren. Wahrscheinlich nicht sofort, aber nach und nach doch bestimmt! „Bitte?“
 

Oder auch nicht?
 

„Ich will das nicht werden.“ Startete er den nächsten Versuch. „In unserer Familie sind alle Männer hoch angesehen und haben einen vernünftigen Job, um ihrer Familie etwas bieten zu können. Du wirst dieses Ansehen nicht damit zerstören, dass du Autor wirst.“

„Dann Künstler.“ Platzte es trotzig aus ihm heraus, ohne vorher über diese Worte nachgedacht zu haben.

Er würde niemals im Leben ein Bild malen. Er konnte doch kaum ein gutaussehendes Strichmännchen auf ein Blatt Papier zeichnen. „Jetzt drehst du wohl völlig durch!“ Schnaufte sein Vater wütend und er sah ihn durchdringend an. Seine Mutter stand still im Türrahmen und sah geschockt zu ihren zwei Männern.

„Ich will etwas machen, was mir Spaß macht und womit ich glücklich werde!“ Versuchte er ihm nun seinen Standpunkt zu erklären. Was hätte er von einem Job, zu dem er nicht gehen will? Er musste doch auch Spaß an der Arbeit haben, sonst würde sich das Ganze doch gar nicht lohnen.

„Spaß? Spaß haben Kinder im Sandkasten! Aber das Leben als arbeitender Erwachsener macht nie Spaß, denn du bist in der Pflicht, deine Familie zu versorgen. Wenn es um Spaß gehen würde, wären wir alle arm!“
 

Dieses Argument zog bei ihm überhaupt nicht!

„Ich will keine Familie! Ich will keine Kinder, keine Frau und keinen Job, der mich reich, aber unglücklich macht!“ Jetzt hatte er wohl den Vogel komplett abgeschossen, denn seinem Vater entgleisten nun alle Gesichtszüge. Er packte ihn am Handgelenk und zog ihn hinter sich her, hoch ins Zimmer, wo er ihn losließ und auf den Schrank deutete.

„Dann pack deine Sachen und geh!“ Schrie er ihn wütend an. Er zuckte vor Schreck zusammen und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Du hast mich schon verstanden! Ich gebe mein hart verdientes Geld für dich, für meine Familie, aus. Du hast einen Nachhilfelehrer, bist auf einer der besten Schulen und hast die besten Chancen, etwas aus dir zu machen. Und das soll nun der Dank dafür sein?“ Schrie er weiter auf ihn ein, öffnete seinen Schrank und holte eine Tasche raus und warf schon ein paar Klamotten in diese.

„So etwas undankbares habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Solch ein Kind habe ich nicht erzogen!“
 

Hatte er den Bogen vielleicht nicht nur überspannt, sondern nun die Sehne zum Reißen gebracht? Schon oft waren sie aneinander geraten. Oft hatte er versucht, seinem Vater zu erklären, dass er einen anderen Job ausüben wollte, als er es von ihm verlangte. Natürlich stieß er immer auf taube Ohren bei ihm. Doch scheinbar hatte er dessen Geduldsfaden nun tatsächlich in der Mitte gekappt. Auf einmal bekam er eine gepackte Tasche gegen den Oberkörper gedrückt und wurde nun wieder nach unten geschoben. „Du bist enterbt und wag es dich nicht, hier aufzutauchen, wenn du deine Lektion nicht gelernt hast!“ Damit schob er ihn auch schon aus dem Haus raus, warf ihm noch Schuhe und Jacke nach draußen und knallte ihm die Türe vor der Nase zu.
 

Was zum Teufel war das denn bitte?
 

Wie konnte man nur so aus der Haut fahren? Nur, weil er Autor werden möchte? Er soll mal schön froh sein, dass er nicht Putzfrau werden möchte. Was hätte er dann gemacht? Wenn er seine Worte richtig verstanden hatte, dürfte er wiederkommen, wenn er sich entschuldigen würde? Nein, heute nicht!

Gerade war er so geladen, dass er ihm keine Entschuldigung entgegenbringen könnte, sondern nur Gemecker.

Er schluckte seine Wut und Trauer einfach runter, zog sich die Schuhe und Jacke an, nahm sich die Tasche und lief los. Der Nachteil, ein Streber zu sein -zumindest nannten ihn in der Schule alle so- lag darin, keine Freunde zu haben. Also hatte er auch niemanden, zu dem er gehen konnte. Eine verdammt unangenehme Situation, schließlich war es schon Abend und es konnte viel passieren, wenn es dunkel war.

Er hatte nicht einmal Geld, um etwas zu Essen zu kaufen, oder sich ein Hotelzimmer zu organisieren. Während er herumlief, kaute er sich auf seiner Unterlippe rum. Jetzt musste ihm schnell etwas einfallen, denn er wollte nicht schon nach den ersten zehn Minuten zurück nach Hause und sich bei ihm entschuldigen. Er würde versuchen, ihn warten zu lassen, damit es seinem Vater genau so leidtun wird, ihn rausgeworfen zu haben.

Welche Eltern taten ihrem 12 Jahre jungen Kind so etwas an? Sogar seine Mutter hatte ihm nicht mehr geholfen.

Oh ja, die wird er alle Beide nun schön warten lassen.
 

Auf seinem Rundgang kam er an mehreren kleinen Läden vorbei, in denen noch einige Leute etwas kauften. Mit jedem Schritt, den er machte, wurde ihm gefühlt immer kälter. Warum hatte er ihm nicht Geld mitgegeben? Die ganzen Anziehsachen konnte er nicht übereinander anziehen. Er hatte gesehen, was sein Vater ihm in die Tasche geworfen hatte. Ein kurzärmliges Shirt nach dem Anderen. Viel wird ihm das nicht helfen. Wie viel wohl ein Hotelzimmer kostet? Konnte doch nicht so viel sein! Aber wie soll er an das Geld dafür kommen? Er würde auf keinen Fall betteln.

Doch dann kam ihm eine Idee. Aber konnte er das wirklich machen?

Wieder biss er sich auf die Unterlippe, blieb vor einem Laden stehen, sah hinein und beobachtete die Personen dort drin. Ohne zu überlegen, lief er los, als die erste Person den Laden wieder verließ, rempelte den Mann an und schaffte es tatsächlich, ihm seine Geldbörse aus der Hosentasche zu ziehen. Mit schnellen Schritten lief er weiter, zog die Geldscheine heraus, die er sich selber einsteckte und warf den Rest, den er nicht brauchte, in den nächsten Mülleimer.
 

War er so gut, oder war es so einfach?

Ihm war es egal. Es hatte funktioniert und das wird es bestimmt noch einmal. Er brauchte doch nur genug Geld für eine Nacht im Hotel. Mit Frühstück! Um alles Weitere könnte er sich am nächsten Tag Gedanken machen.

Wahrscheinlich hätte er dann schon die Nase voll und würde wieder nach Hause gehen.

Als er einen Mann im Anzug entdeckte, der telefonierte, sah er eine weitere Chance. Der Mann hatte doch bestimmt genug Geld bei sich, oder andere Wertgegenstände, die er in Geld umwandeln könnte.

Gerade, als er die Hand ausstreckte, wurde er am Handgelenk gepackt und zur Seite gerissen. Vor Schreck fiepste er auf und starrte den Mann vor sich mit großen Augen an. Noch einer im Anzug?

„Na na! Habe ich das gerade richtig gesehen? Was wird die Polizei dazu sagen? Oder deine Eltern?“
 

Ach du …
 

„Ein kleiner Dieb?“ Fragte der andere Mann auf einmal, der sein Telefonat beendet hatte. Beide sahen ihn mit einem breiten Grinsen an. „Es tut mir leid.“ Sagte er sofort und versuchte, seine Hand aus dem Griff zu befreien.

„Bitte… ich verschwinde auch sofort!“

Als er von seiner Hand hochsah, entdeckte er noch einen Mann in Anzug. Was war denn los, dass hier nun jeder einen Anzug trug? Fand hier irgendwo ein Geschäftsmeeting statt? „Es wäre traurig, wenn meine Männer sich von einem Kind beklauen lassen würden.“ Lachte der Mann auf einmal und sah ihm in die Augen.

Sie sahen so ernst aus, so böse und doch war da noch etwas anderes in ihnen zu sehen. Doch er konnte nicht genau sagen, was es war. „Wo sind deine Eltern?“ Fragte er ihn und trotzig sah er zur Seite. „Die haben mich rausgeworfen.“ Nuschelte er leise und wurde losgelassen. „Dann komm mit uns mit.“ Fragend sah er ihn an, doch der Kerl lächelte noch immer.

„Wie heißt du?“
 

„Yutaka.“
 

„Dann komm mit uns, Yutaka.“

Damit ließen sie ihn stehen. Sie schienen nicht einmal sauer zu sein, dass er versucht hatte, sie zu beklauen.

Aber warum? Ohne es wirklich zu merken, begann er, ihnen hinterher zu laufen. Er wusste nicht warum, aber irgendwie hatte er etwas an sich, dass er glaubte, ihm vertrauen zu können. Und es war allemal besser, als die Nacht auf der Straße zu verbringen!
 

Wenig später stieg er aus dem Auto aus, sah sich um und lief einen Gang entlang an dessen Ende ein großer Raum mit vielen Tischen und Stühlen war, ehe sie einen weiteren Gang betraten. Er sah viele Türen links und rechts, hörte ein paar Stimmen, die sich unterhielten, ehe ein Schreien zu hören war. Sofort blieb er stehen und sah die Männer an, die ihn mitgenommen hatten. „Bitte warte doch!“ Hörte er eine verzweifelte Frauenstimme, ehe er sah, wie jemand um die Ecke gerannt kam, die vor ihnen lag. Er sah blonde Haare und ein verbundenes Gesicht, ehe der Junge in ihn rannte und sie beide zu Boden gingen. Erschrocken keuchte er auf und sah dem anderen Jungen in die Augen. Er schien Angst zu haben und sein Gesicht war voller Blut. Doch er hatte irgendwie keine Angst vor diesem Jungen, oder schreckte wegen dessen Anblick zurück.

Stattdessen lächelte er ihn nur an.

„Ich bin Yutaka.“

Stellte er sich ihm vor. Sein Gegenüber wirkte kurz etwas irritiert, lächelte dann aber auch, bewegte sich aber keinen Millimeter.
 

„Hi Yutaka. Ich bin Akira.“

Locating (Ryo)

Es hatte eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis sich Kai wieder beruhigt hatte. Ihn wieder runterzufahren, war wirklich nicht einfach, doch nach vier Tagen hatte er es geschafft. Langsam konnte er den Braunhaarigen auf andere Gedanken bringen. Fürs Erste hatte er ihn einfach bei sich zu Hause einquartiert. In seiner eigenen Wohnung wäre er nur alleine und würde wahrscheinlich ständig an Reita denken.

Und wer weiß schon, was er dann anstellen würde?!

Fünf Tage nach dem Zwischenfall mit dem Zahnarzt, mussten sie alle bei ihrem Boss antreten. Wahrscheinlich mussten sie ihn jetzt auch noch milde stimmen, um nicht am Ende noch dafür verantwortlich gemacht zu werden, dass der Maskenträger nicht mehr unter ihnen weilte.

Sie trafen sich mit Kazuki erst vor Ort, welcher Kai erst einmal in die Arme schloss und ihn aufmunternd an sich drückte und lächelte. „Macht euch mal keinen Kopf. Das wird bestimmt harmlos.“ Versuchte er, sie beide zu beruhigen, ehe er mit ihnen auch schon rein ging. Da war sich Ryo nicht ganz so sicher.
 

Wenig später betraten sie das Büro des Bosses, ließen Kazuki den Vortritt, der wie immer einfach hinein marschierte, als wäre es sein eigener Raum. „Da sind wir.“ Hörte man ihren Hacker sagen. Wie bei ihrem letzten gemeinsamen Besuch, stand nicht ein einziger Stuhl vor dem Tisch, weswegen sie vor diesem stehen bleiben mussten.

Nur Kazuki wusste, dass normalerweise zumindest ein Stuhl vor dem großen Tisch stand.

„Ich habe mir den Bericht oft genug durchgelesen.“ Begann ihr Clan-Oberhaupt sofort, ohne großartig zu warten, oder ihnen das erste Wort zu überlassen. Und er klang sichtlich wütend. Ryo schluckte etwas und biss die Zähne zusammen. Wahrscheinlich wird es jetzt richtig Ärger geben. „Ihr wart also weiter weg?“ Fragte er sie, worauf Kazuki sofort stumm nickte. „Und ihr konntet alles mit anhören?“ Nun nickten sie alle bestätigend. Ihr Gegenüber lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ den Blick über die kleine Gruppe schweifen.
 

„Seine Waffe habt ihr gefunden?“ Jetzt war es Kai, der nickte, da ihn der Boss direkt ansah.

„Was ist passiert, Kai?“ Der Angesprochene neben ihm zuckte sofort zusammen und verkrampfte sich sichtlich. Ausgerechnet ihn zu fragen, war verdammt unfair, schließlich waren er und Reita beste Freunde. Ihm jetzt alle Details aus den Rippen zu leiern, würde Kai doch kaum verkraften!

„Sein Kopfhörer war präpariert, sodass wir hören konnten, wie sich die Beiden unterhalten haben.“ Begann der Braunhaarige nun, die etwas harmloseren Details zu verraten.

„Herr Onodera hatte ihm gesagt, dass er erfreut ist, das Reita alleine zu ihm kam.“ Bevor er noch ein Wort sagen konnte, stand der Boss von seinem Stuhl auf, stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab und beugte sich etwas zu ihnen nach vorne und sah nun zu Kazuki. „Also hatte er seine Leute dabei?“ Kazuki, der links neben Ryo stand, nickte sofort auf diese Frage, schließlich konnte es nicht anders sein.
 

Ryo seufzte innerlich auf, ehe er erstarrt innehielt, als er sah, wie der Blick des Bosses ihn nun fixierte. „Die Zielperson hatte also ihre Männer in der Umgebung und ihr wart im Auto?“ Nervös biss er sich auf die Lippe, nickte schwach, ehe er den Mund öffnete, um etwas zu sagen:

„Ungefähr in diesem Moment begann unsere Diskussion im Auto, dass es eine Falle sein muss.“ Kurz hielt er den Atem an, als der Blick des Bosses ihn schier zu durchbohren schien. Doch er sagte kein Wort, sah wieder zu Kai und wollte scheinbar nun die nächsten Informationen hören. „Noch bevor wir reagieren konnten, haben wir Schüsse gehört und uns sofort auf den Weg gemacht.“ Erzählte dieser ihm nun weiter. Ihr Gegenüber nickte und ließ sich wieder in seinem Stuhl nieder, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir haben nichts gefunden, außer seine Waffe und…“ Kai brach neben ihm fast zusammen, so sehr zitterte er.

„Es war sicherlich sein Blut, was wir dort gesehen haben.“ Beendete Kazuki nun Kais Erklärung.

Ryo legte eine Hand an Kais Arm, wollte ihm zeigen, dass er für ihn da war, wollte ihn irgendwie beruhigen. Vor ihrem Boss sollte er jetzt auf keinen Fall völlig zusammenbrechen.
 

Es herrschte eine unangenehme Stille, die Ryo nicht wirklich deuten konnte. Was würde nun passieren? War der Boss sauer, oder gar enttäuscht? Würde man sie nun alle beseitigen, weil sie ihren Job nicht vernünftig gemacht haben?

„Wir wollten die Zielperson ohne Reita ausschalten, doch von ihm fehlt jede Spur. Er taucht nicht in seiner Praxis auf, ist nicht zu Hause und auch sein Wagen ist spurlos verschwunden.“

Irritiert sah Ryo zu seinem Kollegen. Was erzählte Kazuki da? Sie hatten nichts versucht, nichts unternommen! Oder bluffte er? Hatte er sich diese Geschichte ausgedacht, damit ihr Boss nicht ausflippt? Oder hatte er sich wirklich auf die Suche nach dem Zahnarzt gemacht?

„Herr Onodera ist schon lange ein Dorn im Auge. Jetzt versteht ihr, warum. Er ist nicht dumm und agiert äußerst vorsichtig. Sein Verschwinden und die Tatsache, dass Reitas Leiche noch nicht entdeckt wurde, lässt darauf schließen, dass er sich selber um ihn kümmert.“ Jetzt drehte sich Ryos Magen sogar um. Dann hatte sich der Kerl also erst einmal zurückgezogen? Es gab also im Moment keine Chance, ihn zu finden und sie müssten abwarten, um an ihn dran zu kommen.
 

Abwarten… etwas, das keiner von ihnen gerade machen wollte.
 

„Wo wurde die Leiche damals entdeckt?“ Fragte Kazuki nun, der scheinbar noch immer bei klarem Verstand war und noch genauso reagierte und agierte, wie sonst auch immer. Gut, dass sie ihn hatten! „Im See des Wadabori Parks.“ Antwortete der Boss, woraufhin Kazuki nickte und zu ihnen sah. „Wir sollten uns das mal ansehen. Vielleicht ist der Kerl dort in der Nähe.“ Das war wohl ihre einzige Chance, die sie hatten, Reita oder zumindest die Zielperson zu finden.

„Ihr bekommt von mir alle Zeit, die ihr braucht, um den Kerl zu erledigen. Und wenn ihr noch etwas braucht, sagt es mir.“ Sie alle sahen zu ihrem Boss, nickten und gingen dann aus dem Büro raus.

Es verlief halbwegs gut, auch wenn es ihnen viel lieber wäre, gar nicht erst in diese Situation geraten zu sein.

Sie konnten es nicht ändern. „Fahren wir mit meinem Auto?“ Fragte er die Anderen Beiden. Kazuki nickte sofort. „Ich bin ohne Auto hier.“ Ryo nickte und lief mit ihnen los.

Er nahm vorne hinter dem Lenkrad Platz, Kai neben sich und Kazuki hinter Kai. „Weißt du wo lang?“ Wollte Kai nun wissen, aber Ryo kannte sich gut genug in der Stadt aus, dass er ohne Hilfe und auch ohne Navi stets sein Ziel erreicht.
 

„Ist alles in Ordnung?“ Hörte er Kazuki fragen, der eine Hand auf Kais Schulter gelegt hatte.

„Jaja…“ Antwortete dieser nur leise und krallte sich mit seinen Händen in die Hose. Kai hatte sich Lederhandschuhe angezogen und -was Kazuki bestimmt nicht bemerkt hatte- Reitas Waffe an seinem Gürtel befestigt. Der Braunhaarige war fest entschlossen, es zu beenden. Und dafür war er jeden Tag bereit.

Als er den Wagen in der Nähe des Parks abstellte, machte er den Motor aus, schnallte sich ab und musterte seine beiden Kollegen. „Ich schaue mich mal um. Ihr bleibt hier.“ Er ließ keine Widerworte zu.

Sollte Herr Onodera sie wirklich gesehen haben, wird er sie sofort erkennen. Deswegen wollte er sich alleine etwas umsehen. Noch war es hell, also wird jetzt erst einmal nicht viel passieren. So konnte er sich in Ruhe alles ansehen.
 

Wenig später lief er auch schon durch den Park und sah sich um. Es war sehr friedlich und es war der perfekte Tag, um einen kleinen Spaziergang durch den Park zu machen. Deswegen waren auch viele Leute vor Ort. Sogar ein paar Polizisten entdeckte er hier und da. Die Anwesenheit der Gesetzeshüter störte ihn persönlich nicht wirklich. Warum sollte es auch anders sein, schließlich war er unauffällig, hatte nicht gerade viel zu verbergen und lief einfach nur herum.

Er sah sich jeden noch so kleinen Winkel im Park an, suchte nach möglichen Ungereimtheiten.

Wenn dies der Ort war, an dem der Zahnarzt seine Leichen immer ablegt, wird doch bestimmt auch etwas darauf hinweisen. Doch sie konnten sich dieser Sache nicht sicher sein. Vielleicht hatte er schon viele Leute umgebracht und nur ihren Kollegen hier rausgeworfen. Man konnte also gerade nur hoffen, dass das die richtige Spur war.

Als es anfing zu dämmern, zog er sich zurück, lief zu den Anderen zum Auto und fand die Beiden so vor, wie er sie zurückgelassen hatte.

„Und? Konntest du etwas finden?“ Wollte Kai sofort wissen, doch Ryo schüttelte nur den Kopf und lehnte sich seufzend zurück. „Es sieht alles normal aus.“ Antwortete er und nun beugte sich Kazuki zu ihnen nach vorne.

„Lasst uns mal gucken, wie es aussieht, wenn es dunkel ist.“ Schlug dieser vor und sofort nickte Kai. Resigniert seufzend nickte dann auch Ryo. „Wenn ihr meint.“ Er glaubte nicht daran, hier fündig zu werden. Das wäre doch ein zu schöner Zufall, oder?
 

Mit dem Untergang der Sonne, verschwanden auch nach und nach alle Menschen, die zuvor im Park unterwegs waren. Stille legte sich über die Umgebung und es wurde immer dunkler. Kleine Laternen erhellten kleine Stücke innerhalb des Parks, während die Straßenlaternen zum Teil aus gingen. Sein Wagen stand unter einer, die für diese Nacht abgeschaltet wurde. So lag sein Auto im Dunkeln. Gar nicht so unpraktisch!

Einzelne Autos fuhren an ihnen vorbei, ein paar Menschen kamen und gingen, doch sonst tat sich in dieser Nacht nicht viel. Um kurz nach 5 Uhr beschlossen sie, es gut sein zu lassen, brachen ab und fuhren zu Ryo nach Hause.

Sie wollten diese Spur allerdings nicht aufgeben. Kai bestand darauf, es zumindest noch einmal zu versuchen. „Ich hab ein komisches Gefühl bei der Sache. Irgendwas ist da!“ Versuchte er immer wieder, sie zu überzeugen, dort noch nicht aufzugeben.
 

„Und wenn es stimmt? Willst du wirklich mit ansehen, wie Reitas Leiche in den See geworfen wird?“ Fragte Kazuki ihn und sofort verstummte Kai und kaute sich auf der Unterlippe rum. „Kazuki!“ Ermahnte er den Hacker, doch dieser sah ihn nur kurz an, ehe er Kai wieder musterte. „Du wirst ihn wahrscheinlich eh nicht treffen, wenn du auf ihn schießt. Und am Ende wird dein Körper neben dem von Reita im See treiben. Denkst du, dass er das wollte?“ Sprach er weiter auf den Braunhaarigen ein. „Ich glaube eher, dass Reita gewollt hätte, dass wir ihn umbringen. Und zwar auf die sicherste und effektivste Art und Weise, die uns möglich ist.“ Kai schluckte merklich, nickte stumm und zog sich mit zitternden Händen die Handschuhe aus.

„Wie gut kannst du schießen?“ Fragte der Fahrer nun Kazuki, der sich gerade an seinem Küchenfenster eine Zigarette angemacht hatte.

„Bisher musste ich eher selten schießen. Vielleicht dreimal?“
 

„Getroffen, oder nicht?“
 

„Getroffen.“
 

Jetzt grinste Kazuki ihn an und scheinbar verstand er nun, was er wollte.

„Dann mach ich es!“ Die Wahrscheinlichkeit, dass Kazuki trifft, war größer als die, dass Kai das Ziel erwischt.

Dennoch gab dieser nur widerwillig Reitas Waffe ab, ehe er sie in der Küche alleine ließ. „Willst du auch erst einmal hier bleiben? Wenn wir nachher eh wieder losfahren, würde es dir Zeit ersparen.“ Schlug Ryo nun vor und Kazuki nahm das Angebot dankend an. Keiner von ihnen sollte jetzt alleine sein. Nicht, wo sie ihrem Ziel näherkamen. Zumindest glaubte Ryo, dass sie sich auf einem guten Weg befanden.
 

Bis sie aufbrechen müssten, legte sich noch einmal jeder schlafen. Kazuki durfte seine Couch in Anspruch nehmen, während sich Ryo sein Bett mit Kai teilte. Der Schwarzhaarige hatte extra einen Wecker gestellt, damit sie nicht zu spät wach werden, machte noch für jeden einen Kaffee fertig und so saßen sie, kurz bevor es losging, noch in der Küche.

„Ich werde wieder etwas herumlaufen, mir einen schnellen Überblick verschaffen und falls sich etwas tut, melde ich mich. Kai wird den Wagen fahren, komme, was wolle. Und du…“

Er sah zu Kazuki und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Waffe, die er vor sich auf dem Tisch liegen hatte.

„… du wirst schön bereit sein. Und hoffentlich nicht mich erschießen.“ Der Angesprochene grinste, nickte aber.

„Was bedeuten eigentlich die Kerben?“ Fragte er dann, während er die Waffe an sich nahm und sie am Gürtel befestigte. „Die am Lauf sind für jeden erledigten Auftrag.“ Erklärte Kai, der an seinem Kaffee nippte und nicht von der Tasse aufsah. „Und die am Griff?“ Wollte ihr Hacker jetzt natürlich auch noch wissen.

„Ruki.“ Antwortete Kai nur leise und stellte die leere Tasse ab.
 

„Wir sollten uns auf den Weg machen.“ Der Rest trank den Kaffee noch leer und dann ging es auch schon wieder los. Sie kamen kurz vor Sonnenuntergang am Park an und wieder lief Ryo in diesen hinein. Wenn auch nur eine einzige Person hier war, die am vorigen Tag schon im Park war, könnte sie ihn entdecken und sofort kapieren, was los war. Er hoffte einfach, dass ihn niemand entdeckt hatte. Und falls doch, musste er darauf vertrauen, wie ein ganz normaler Bürger zu wirken, der einfach diesen Park mochte und gerne ein paar Runden in eben diesem drehte. So auffällig es auch war, dass er es an zwei Tagen hintereinander tat.

„Hört ihr mich?“ Checkte er nun seinen Kopfhörer und bekam sofort von den Beiden im Auto die Bestätigung, dass ihre Technik wie immer funktionierte. Gut! Dann konnte soweit erst einmal nicht viel schief gehen.

Selbst, als es dunkel war, lief er weiter herum, versteckte sich hin und wieder an einem Ort, wartete eine Weile und lief dann weiter. Dabei den See immer in Sicht.

„Bei uns ist gerade ein Auto in den Park reingefahren!“

Kais Stimme riss ihn aus seiner Konzentration und sofort sah er sich panisch um. Verdammt, er konnte sich gerade nicht verstecken!
 

Er sah auf seine Armbanduhr. 23:48 Uhr. Meine Güte, war es wirklich schon wieder so spät? Die Zeit verging tatsächlich wie im Flug, wenn man etwas zu tun hatte! Als er den Wagen hörte und die Scheinwerfer sah, duckte er sich weg, sprang regelrecht zur Seite und rutschte unter eine Bank. Eine andere Möglichkeit hatte er einfach nicht. Das Auto fuhr an ihm vorbei, den kleinen Schotterweg entlang und auf den See zu. Durfte er sich jetzt freuen, weil sie den richtigen Riecher hatten? Oder saß da vielleicht nur einer von der Stadt drin, der den See sauber halten musste?

„Kazuki? Komm sofort her.“ Forderte er nun Verstärkung an und sah dem Auto hinterher.

Ein Mercedes Vito.

Theoretisch ein super Fahrzeug, mit viel Platz. Ein typisches Kidnapper-Auto. Zufall, oder nicht?
 

„Bin unterwegs.“

Antwortete Kazuki, der ein wenig gehetzt klang. Ryo robbte sich wieder unter der Bank hervor, klopfte sich etwas den Dreck von der Kleidung und sah sich um. Kurze Zeit später war Kazuki bei ihm, zog bereits die Waffe und entsicherte sie. „Denkst du, er ist es?“ Fragte dieser ihn, doch Ryo zuckte nur mit den Schultern.

„Wenn nicht, hauen wir einfach wieder ab. Aber für den Fall, dass er es ist…“

Den Satz musste er nicht beenden, denn Kazuki wird es schon verstanden haben.

Zu zweit machten sie sich auf den Weg, liefen langsam zum See, an dem der Wagen stehen geblieben war.

Noch tat sich dort nichts.
 

„Und wenn da drin jetzt ein Pärchen sitzt und…“
 

„Halt die Klappe! An sowas will ich nicht denken!“
 

Sofort schüttelte sich Ryo, kniff die Augen zusammen um etwaige Bilder schön aus seinem Kopf zu halten. Er hörte Kazuki neben sich leise lachen. War klar, dass der das witzig fand. Der Motor des Fahrzeuges schien aus zu sein, denn es war nichts zu hören, lediglich die Scheinwerfer waren noch an und erhellten den Rand des Sees ein wenig. Sie kamen dem Auto immer näher, doch sie hörten nichts. Sie hockten sich hinter Sträuchern, die den See einrahmten, und warteten ab.

Bis sich die Fahrertüre öffnete und ein Mann ausstieg.

Die Person wirkte kräftig, war ziemlich muskulös gebaut und lief nun zur Seitentüre des Autos, die er aufschob.

Ryo runzelte die Stirn und besah sich das Szenario.

„Scheiße…“ Entwich es Kazuki, noch bevor Ryo überhaupt irgendwas zu dem sagen konnte, was er da sah. Er hielt die Luft an, hörte sein eigenes Herz schlagen und befürchtete fast schon, dass Andere es auch hören konnten. Der Kerl am Auto hatte gerade Platz gemacht, hielt die Türe fest und ließ jemanden aussteigen, der tatsächlich eine Person aus dem Wagen zog.
 

Der Körper landete leblos neben dem Wagen auf dem Boden, ehe die Türe wieder zugezogen wurde. Nun kam noch jemand um den Wagen gelaufen. „Das ist er.“ Hauchte Ryo leise und Kazuki nickte sofort und hob die Waffe an. Herr Onodera ließ sich wirklich im Park blicken. „Erschieß erst den Zahnarzt!“ Ryo wollte den Kerl als erstes tot sehen. Die zwei Anderen konnte man danach noch erschießen. Wieder nickte Kazuki neben ihm und zielte. Innerlich betete der Schwarzhaarige, dass sein Kollege ihn auch trifft!

Bitte, schieß nicht daneben!

Der erste Schuss fiel und Ryo war trotz, das er vorbereitet war, kurz so erschrocken, dass er zusammenzuckte.

Nach nicht einmal einer Sekunde folgte der nächste Schuss, dann ein dritter, ein vierter und dann senkte Kazuki die Arme. „Kai, komm mit dem Auto her. Folg den Spuren auf dem Schotter.“ Hörte er Kazukis Worte.

Erst jetzt realisierte Ryo, was gerade eigentlich genau passiert ist. Er blinzelte, sah zum Mercedes, neben dem nun vier reglose Körper lagen.

„Hast du…?“ Fragte er leise und sah Kazuki an. „Der letzte hatte sich zu schnell geduckt, aber den habe ich auch erwischt.“ Konnte man nur zu gut sehen!
 

Vorsichtshalber warteten sie, bis Kai mit dem Auto bei ihnen ankam. Vorher bewegten sie sich nicht vom Fleck. Falls noch jemand in der Nähe war, würden sie zur Zielscheibe werden, sollten sie sich bewegen. Doch es tat sich nichts mehr und auch, als Kai dazukam, passierte nichts. Dann hatten sie es tatsächlich geschafft?

Er deutete Kai an, den Wagen zum Vito zu fahren, während sie ihm hinterherliefen. Die drei Männer, die Kazuki erschossen hatte, waren Herr Onodera und zwei seiner Gefolgsmänner.

Sehr gut. Dann hatten sie den Auftrag doch noch erledigen können. Kai sprang aus dem Wagen, kam zu ihnen und drängte sich an ihnen vorbei. Bis zum Schusswechsel konnten sie nicht genau sehen, wen sie aus dem Wagen gezogen hatten.

„Reita!“ Entwich es Kai geschockt und sofort schubste er Ryo und Kazuki zur Seite, rannte zu ihrem Kollegen, warf sich regelrecht in den Dreck und hob dessen Kopf an, zog ihn an sich und schluchzte leise. Stumm blieb Ryo stehen und hielt Kazuki am Handgelenk zurück, als dieser zu Kai gehen wollte.

„Warte.“ Sagte er zu ihm und sah dann wieder zum Braunhaarigen. „Rei… Rei, wach auf.“ Sagte Kai leise und sah zu ihnen rüber. „Was hat er mit ihm gemacht?“ Erst jetzt ging Ryo zu ihm und hockte sich neben Kai.
 

Wow!

Man hatte zwar immer gewisse Vorstellungen, was passieren könnte, wenn man als Yakuza-Mitglied entführt wird, doch das man danach so zugerichtet war, wusste wohl keiner. Reita hatte seine Lederjacke nicht mehr, lag im Shirt vor ihnen, dass nicht mehr weiß, sondern rot war. Man sah, wo er getroffen wurde, als beim letzten Treffen die Schüsse fielen:

Ein Streifschuss an der Hand. Wahrscheinlich, um ihm die Waffe aus der Hand zu feuern. Eine Kugel schien seinen Oberschenkel getroffen zu haben und der dritte Schuss ging in seine rechte Schulter. Sie hatten ihn völlig bewegungsunfähig gemacht. Präzise und schneller, als man mit der Wimper zucken konnte.

Jede Stelle, die frei von Anziehsachen war, war voll von Spuren der letzten Tage. Man hatte ihm seine Maske abgenommen und ihn ganz schön zugerichtet. Hatten sie ihn dazu bringen können, zu reden, oder konnte er standhaft bleiben und hat geschwiegen? Selbst wenn er etwas ausgeplaudert hätte, würde es niemand mehr wissen, denn Herr Onodera war tot, wurde selber zum Schweigen gebracht.
 

„Er atmet!“ Riss ihn Kais Stimme aus seinen Gedanken und fragend sah er zu ihm. „Bitte was?“ Entwich es Kazuki hinter ihm und sofort hockte sich dieser dazu. Kai hatte seine Hand an Reitas Gesicht gelegt. „Er atmet!“ Wiederholte der Braunhaarige und sah sie mit verheulten Augen an.

Plötzlich hörten sie Sirenen in der Nähe. Verdammt, irgendwer musste die Schüsse gehört haben. „Bringt ihn ins Auto!“ Ryo sprang sofort auf, setzte sich ans Steuer und startete den Motor. Kai nahm hinten Platz, zog Reita neben sich und hatte dessen Kopf auf seinem Schoß, während Kazuki vorne mit einstieg. Kaum, dass die Anderen im Auto saßen, fuhr Ryo los. Keiner wird sie kriegen! Nicht an diesem Abend!

Da musste die Polizei schon eher aufstehen!

Sorrow (Yuu)

Seit ein paar Tagen hatte er einen neuen Partner, mit dem er auf Streife ging. Er vermisste Sato trotzdem, war es immerhin etwas anderes, mit seinem besten Freund unterwegs zu sein. Aber dennoch hatte er Glück, denn seiner neuer Partner Jin war ganz okay. Noch kannte er nicht viel über ihn, aber er glaubte, dass sich das mit der Zeit schon regeln wird und sie wirklich gut miteinander auskommen werden.
 

„Hoffentlich magst du ihn am Ende nicht mehr, als mich!“ Sagte Sato und lächelte leicht. Er freute sich richtig, dass es seinem besten Freund mittlerweile den Umständen entsprechend wieder gut ging. Er hatte den Schuss dann doch noch gut überstanden, lag allerdings noch immer im Krankenhaus und dürfte auch erst dann nach Hause, wenn er wirklich wieder komplett fit war. „Warum sollte ich ihn mehr mögen, als dich?“ Fragte Yuu, lächelte aber auch und schüttelte den Kopf. „Sobald du wieder arbeiten kannst, werden wir beide wieder ein Team sein. Dann muss sich Jin einen Anderen suchen.“ Nichts anderes würde er akzeptieren!
 

„Wie läuft es mit Akira?“ Wollte sein bester Freund nun wissen. Doch unbewusst schien er dort einen Nerv getroffen zu haben, denn Yuu sah auf einmal traurig zur Seite, wich seinem Blick aus und seufzte. Als er Satos Hand an seinem Arm spürte, sah er wieder auf. „Was ist passiert?“ Er atmete einmal tief durch und fuhr sich durch die Haare. „Ich erreiche ihn nicht. Seit einer Woche. Normalerweise meldet er sich bei mir, wenn er meinen Anruf verpasst. Doch dieses Mal…“ Er machte sich Sorgen um ihn, hatte ein komisches Gefühl bei der Sache. Und da ihn Akira nie gesagt hatte, wo er wohnt, konnte er noch nicht einmal dort vorbeischauen. „Warte einfach etwas ab. Vielleicht ist sein Handy kaputt? Oder er hat was zu tun?“ versuchte Sato ihn zu beruhigen. Yuu nickte und stand dann auf. „Ich muss jetzt zur Arbeit.“

Damit verabschiedete er sich bei seinem besten Freund und machte sich auf den Weg zur Zentrale. Er hatte bestimmt Recht! Er sollte sich einfach keine Sorgen um Akira machen. Ihm wird es mit Sicherheit gut gehen. Vielleicht hatte er ja einen neuen Job, der ihn zu sehr einnahm und er hatte deswegen keine Zeit, sich zu melden!
 

Kaum hatte er seine Uniform an diesem Tag angelegt, schaltete sein Gehirn von ‘besorgtem Freund‘ auf ‘einsatzbereiten Polizisten‘ um. Er musste für die Arbeit einen klaren Kopf haben und durfte sich nicht von persönlichen Dingen ablenken lassen. Oben im großen Büro wurden wie immer die Teams auf ein Gebiet eingeteilt. Yuu und Jin, sowie zwei weitere Teams, wurden für die Autobahn eingeteilt und sollten Kontrollen bis 20 Uhr durchführen. Danach sollten sie die Umgebung bewachen.

„Du wirkst abwesend.“ Sagte sein Kollege zu ihm, nachdem er schon seit zehn Minuten schweigend neben ihm saß und aus dem Fenster sah, während Jin den Wagen zur Autobahn steuerte, wo sie sich mit den anderen beiden Teams aufstellen würden.
 

„Private Probleme?“ Kurz sah Yuu zu ihm rüber, nickte bestätigend und sah wieder nach draußen. „Hey… friss es nicht in dich hinein. Wenn du reden willst, lass es raus. Ich bin ein guter Zuhörer.“ Nun musste er doch etwas lächelnd. Es war wirklich lieb gemeint von ihm, aber konnte er ihm das wirklich anvertrauen? Alleine die Tatsache, dass er auf Männer stand und einen Freund hatte, wusste nur Sato, sonst niemand. Als schwuler Polizist hatte man es eben nicht leicht, wenn es die falschen Leute wissen.

„Ich mach mir etwas Sorgen um einen Freund.“ Begann er leise. „Dein Partner? Geht es ihm denn nicht besser?“ Fragte ihn nun sein aktueller Partner, doch Yuu schüttelte den Kopf. „Sato geht es gut. Es geht um jemand anderen. Ich kann ihn nicht erreichen… Eigentlich ruft er immer zurück, aber seit einer Woche ist totale Stille zwischen uns.“ Erklärte er seinem Kollegen nun seine Sorgen. Jin lächelte ihn kurz an, schüttelte aber den Kopf und sah wieder nach vorne. „Du machst dir wahrscheinlich zu viele Gedanken. Was soll denn schon passiert sein? Denkst du nicht, dass du als Polizist schnell wüsstest, wenn etwas passiert wäre? Vielleicht ist er ja verreist und hat vergessen, es dir zu sagen? Oder er hat den Pin von seinem Handy vergessen.“ Er hörte den Fahrer leise lachen der nun auf die Autobahn fuhr.
 

Wenige Meter weiter fuhren sie auch schon in eine Parkbucht. Ihr Team war als letztes vor Ort. Die Anderen hatten ihre Ausrüstung schon aufgebaut. „Denk nicht da dran. Es geht ihm mit Sicherheit gut. Denk lieber an dich und die Arbeit.“ Damit ließ Jin ihn im Auto zurück und begann nun auch, ihre Ausrüstung aus dem Wagen zu holen und mit den Anderen alles weiter aufzubauen. Eine Verkehrskontrolle hatte immer etwas unglaublich Aufwändiges an sich. Es musste alles aufgebaut werden, jedes Auto musste rausgezogen und kontrolliert werden und das noch auf der Autobahn. Es war also nicht ganz ungefährlich.

Yuu seufzte, atmete noch einmal durch und stieg dann ebenfalls auf. Sato und Jin waren der Meinung, dass er sich zu viele Gedanken machte, also wird es wohl so sein. Er sollte sich viel mehr auf die Arbeit konzentrieren! Mit den gelben Sicherheitswesten am Körper bauten sie nun alles auf und begannen damit, nach und nach die Autos zu kontrollieren, die noch unterwegs waren.
 

Der Nachmittag blieb allerdings ereignislos. Nur ein einziger Mann ging ihnen ins Netz, der auf einer Firmenveranstaltung getrunken hatte und nach Hause wollte. Jetzt wanderte er erst einmal ins Gefängnis, musste ausnüchtern und am nächsten Tag die Entscheidung entgegennehmen, ob ihm nun ein Fahrverbot blühte, oder lediglich eine Geldstrafe.

Mehr geschah nicht während der Kontrolle, was natürlich ein wenig frustrierend war und seiner Laune nicht gerade half, sich zu verbessern.
 

Als ihre Ausrüstung wieder verstaut war und sie sich gegen 20 Uhr, wie vom Chef gewollt, auf den Weg machten, durch die Stadt zu patrouillieren, lehnte sich Yuu im Sitz zurück und sah wieder aus dem Fenster. „Ich bin so froh, dass dieser Typ uns nicht auf die Schuhe gekotzt hat, so voll wie der war.“ Das war wohl ein Versuch, seine Stimmung etwas zu heben und es funktionierte sogar. Yuu musste bei diesen Worten schmunzeln und sah zu Jin, der grinsend nach vorne sah und nun von der Autobahn runterfuhr, um sich durch die Stadt zu bewegen.

„Der war so sehr davon überzeugt, fahrtauglich zu sein… wahrscheinlich hatte er noch nicht einmal seine Grenze erreicht.“ Er glaubte, dass der Mann weit davon entfernt war, seinen Magen zu entleeren. „Mal sehen, ob wir morgen ein paar lustige Informationen bekommen, wie sich der Mann in der Zelle verhalten hat.“ Witzelte Jin weiter und hielt an einer Tankstelle an. „Kaffee?“ Fragte er ihn, worauf Yuu nickte und ihm auch schon hinterher sah. Bisher kam er wirklich auf andere Gedanken, dachte nicht an Sato und auch nicht an Akira. Den Beiden ging es gut, daran musste er einfach glauben. Würde es Akira nicht gut gehen, hätte er sich doch mit Sicherheit bei ihm gemeldet. Also versuchte er zu hoffen, dass sich sein Freund schon bei ihm melden wird.
 

Als Jin wieder zu ihm kam, reichte er ihm gleich zwei Becher mit Kaffee, während er sich anschnallte. Danach nahm er ihm einen Becher wieder ab, nahm einen Schluck und verstaute sein Heißgetränke in der Zwischenablage, wo extra zwei Fächer für Becher waren. Yuu hielt seinen Kaffee aber erst einmal fest und nahm immer mal wieder einen kleinen Schluck. „Wohin sollen wir als erstes?“ Fragte ihn sein Partner, startete den Motor bereits und fuhr wieder auf die Straße. „Ich würde sagen, wir fahren einfach ohne Ziel die Straßen ab.“ Er glaubte nicht daran, dass noch irgendwas passieren wird. Da wäre es auch egal, ob sie sich nun ein Ziel aussuchten, oder nicht.
 

„Einfach fahren… so wird das aber nichts, mit einer dramatischen Wende während unserer Schicht.“
 

„Du bist sensationsgeil, kann das sein?“
 

„Du nicht?“ Jin grinste ihn einfach an, konzentrierte sich dann aber wieder auf die Straße und seufzte leise. „Seit wann seid ihr zusammen?“ Fragte er ihn auf einmal. Irritiert sah er zu seinem Partner, hob eine Augenbraue und wusste gerade nicht so wirklich, was er meinte. „Komm schon… wenn es ein normaler Freund wäre, würdest du dir doch sicherlich nicht so den Kopf zerbrechen. Also muss da doch mehr sein, oder nicht?“ Solch eine Kombinationsgabe hätte er ihm nicht zugetraut. Hut ab!

„Ein paar Monate.“ Gestand er dann leise und lächelte etwas. Er konnte nicht abstreiten, wirklich glücklich mit Akira zu sein, auch wenn es bisher noch nie zu mehr kam, als küssen und ein wenig begrabschen. „Eigentlich müsste doch dein Freund derjenige sein, der sich Sorgen macht. Schließlich bist du der Polizist.“ Begann sein Partner nun und sah noch einmal kurz zu ihm. „Oder ist er auch einer? Oder Feuerwehrmann? Das wäre doch sexy, oder nicht?“ Wissend grinste Jin und jetzt verstand Yuu einfach nichts mehr. „Er ist arbeitslos.“ Sagte er einfach nur, musterte Jin aber immer noch skeptisch, ehe er sich einfach wagte, zu fragen:

„Du stehst auch auf Männer, oder?“
 

Sofort lachte sein Partner los, nickte aber. „Ist es so auffällig?“ Seine Frage triefte nur so vor Sarkasmus und nun zog er eine Schnute. „Idiot!“ Antwortete Yuu einfach und sah wieder nach draußen. „Mach dir um dein Herzchen mal keinen Kopf. Was soll schon passiert sein?“ Warum fing er eigentlich mit dem Thema wieder an? Er hatte es so schön verdrängt und jetzt machte er sich nur wieder Sorgen um den Anderen.

Jin griff nach seinem Becher, trank seinen Kaffee nun leer und stellte den leeren Becher wieder ab, während er weiterhin über die Straße fuhr, nach rechts abbog und sich etwas umsah. „Ich hasse es, wenn die Stadt manche Laternen abstellt. Haben wir kein Geld mehr, oder warum machen die das?“ Meckerte er auf einmal los und wurde langsamer. „Hm?“ Fragend sah er zu seinem Partner. Sein plötzlicher Themenwechsel, sowie die verringerte Geschwindigkeit, verwirrten ihn nun doch ein wenig. „Da.“ Sagte Jin nur und zeigte auf ein Auto am Straßenrand. Doch sie fuhren zu schnell daran vorbei, als dass er etwas hätte sehen können.

„Wäre traurig, wenn ein Streifenwagen geblitzt wird.“
 

Ach so, deswegen fuhr er nun langsamer. Und wahrscheinlich war das auch der Grund, weswegen er sich über die veränderten Lichtverhältnisse beschwert hatte. Blitzer waren so nicht sofort zu erkennen. „Du hast Probleme.“ Entwich es ihm nur und er verdrehte die Augen, während Jin wieder grinste. „Ich kann das nächste Mal ja den Blitz auslösen. Aber das bezahlst du dann!“

„Träum weiter!“ Soweit kommts noch!
 

„Schießerei im Wadabori Park. Alle verfügbaren Einheiten sofort dorthin.“
 

Sofort griff Jin nach dem Funkgerät. „12-19 unterwegs.“ Danach machte er Blaulicht und Sirenen an und erhöhte die Geschwindigkeit des Fahrzeuges. „Wir sind zu weit weg.“ Sagte Yuu, leerte den Kaffee und stellte nun auch seinen Becher ab. Sie würden also nicht rechtzeitig ankommen, um irgendeinen Verdächtigen festnehmen zu können, aber ein paar Informationen werden sie wohl sammeln können.
 

Auf dem schnellsten Weg fuhr Jin den Wagen durch die Stadt und schaffte es fast schon in Rekordzeit, am Park anzukommen. Ohne zu zögern, stiegen sie beide aus und liefen in den Park hinein. Schnell entdeckten sie einen ihrer Kollegen, der gerade mit einem Passanten sprach, der einen Pitbull an der Leine hatte. Sofort blieb Jin stehen, als er den Hund sah. „Das klärst du!“ Und schon lief er weiter, um zu den anderen Kollegen zu gehen. Hatte er etwa Angst vor Hunden? Kurz schmunzelte Yuu, ehe er zu den Beiden ging und sofort von dem Vierbeiner beschnuppert wurde.
 

„Was ist passiert?“ Fragte er seinen Kollegen, den er kurz nach ihrem Schichtbeginn noch in der Zentrale gesehen hatte. „Herr Okuta war gerade mit seinem Hund unterwegs. Die letzte Runde des Tages für ihn. Er hat vier Schüsse gehört und die Polizei gerufen, aber er hat nichts gesehen.“ Das machte es nicht gerade einfacher, irgendwas herauszufinden. Yuu nickte und lief dann auch weiter, suchte seinen Kollegen und den Tatort, der natürlich nicht schwer ausfindig zu machen war.

Vor Ort, direkt am See, stand ein Mercedes mit offenen Türen und drei Leichen lagen daneben. „Alle erschossen.“ Hörte er Jin, der neben ihm auftauchte und auf die drei Männer deutete. „Wissen wir schon, wer die Männer sind?“ Wollte der Schwarzhaarige nun wissen, doch sein Partner schüttelte den Kopf.

„Noch nicht.“ Sie sahen sich den Tatort noch etwas genauer an. Gerade, als ihm etwas komisch vorkam, hörte er Jins Stimme wieder. „Hier fehlt eine Leiche!“ Das hatte er auch schon entdeckt. Die Spuren im Schotter zeigten deutlich, dass dort noch jemand lag. Und als er in den Wagen sah, entdeckte er Blut. Er wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, aber irgendwas stimmte nicht.
 

„Passt das Blut im Auto zu einem von den Dreien?“ Fragte er seine Kollegen, doch sie zuckten alle mit den Schultern. „Das wird noch geprüft.“ Nickend sah er sich die Leichen genauer an. Vier Schüsse hatte der Passant mit dem Hund gehört. Vier. Drei Leichen und eine schien zu fehlen. „Das könnte Reita gewesen sein.“ Sprach Yuu seine Gedanken laut aus und Jin neben ihm nickte. „Aber seit wann nimmt er seine Leichen mit?“ Wollte er wissen, doch Yuu zuckte nur mit den Schultern. „Das Blut im Wagen passt vielleicht zur fehlenden Leiche?“ Wollte der Mörder etwas vertuschen?

„Wir haben Reifenspuren gefunden, die von hier wegführen und nicht zum Mercedes passen.“ Informierte sie ein Kollege und sofort sahen sich alle um. Jin und Yuu wollten sich sofort darum kümmern und gingen los, entdeckten auch schnell die besagten Spuren.
 

„Ein kleineres Fahrzeug. Also nicht so groß, wie der Vito.“ Sagte Jin, der sich hingehockt hatte und nun zum Schwarzhaarigen hochsah. „Viel wird uns das aber auch nicht bringen.“ Wie viele Einwohner hatte diese Stadt und wie viele von denen hatten ein Auto? Das glich der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Diese Spur konnten sie vergessen!

„Überwachungskameras?“ Fragte Jin ihn, doch Yuu schüttelte den Kopf. „Nur vorne an einem Häuschen. Mehr nicht.“ Auf irgendwelche Bilder oder Videos konnten sie also nicht zurückgreifen. Sie brauchten mehr Hinweise, mehr Spuren, sonst wird das nichts! Sie gingen zurück zum Mercedes, sahen sich diesen mal genauer an, doch in dem Wagen war nichts zu finden. Nur das Blut, Warndreieck, zwei Warnwesten und das Handbuch zum Auto. Mehr nicht. Sie konnten nur noch Fingerabdrücke sicherstellen, sie durch das System jagen und abwarten, ob es einen oder mehrere Treffer gab.

„Wir sollten erst einmal abwarten, was die Spurensicherung so findet.“ Schlug Yuu nun vor und lief kurz darauf mit seinem Partner wieder zurück zu ihrem Wagen. Sie würden hier vorerst nicht weiterkommen, also konnten sie genauso gut auch wieder auf die Straße und sich noch ein wenig umsehen.
 

Das machten die Beiden auch direkt. Sie sahen sich die nähere Umgebung noch genauer an, um eventuelle Hinweise ausfindig zu machen, doch nach weiteren zwei Stunden brachen sie ihre Streife ab. Den pünktlichen Feierabend hatten sie schon verpasst, also beeilten sie sich nun auch nicht, zurück zur Zentrale zu fahren. „Ich würde wirklich gerne wissen, ob da echt eine Leiche fehlte. Und wenn ja…“ Begann Jin neben ihm und Yuu sah ihn an. „Wer war es?“ Beendete er die Frage seines Partners. Ob ihre Kollegen diese Fragen in den nächsten Tagen beantworten können? Er wird sich auf jeden Fall mal schlau machen im Laufe der Woche. Ihn interessierte es brennend, was das alles zu bedeuten hatte.

Sollte dieser Mord wirklich auf die Kappe von Reita gehen, wovon zur Zeit jeder ausging, wäre die fehlende Leiche eine neue Masche des Mörders, denn so etwas hatte er bisher noch nie gemacht.

„Oder die fehlende Person hat die Männer erschossen!“ Kam es vom Fahrer wie aus der Pistole geschossen.
 

„Denkst du das wirklich?“ Manchmal verstand er nicht, ob Jin etwas ernst meinte, oder einfach nur Müll erzählte, um die Stimmung zu heben.

Doch er sah ihm an, dass er es vollkommen ernst meinte, denn er sah ihn an, ohne zu lächeln. Er fing auch nicht an zu lachen, oder ähnliches. Er blieb vollkommen ernst! „Das hilft uns aber nicht weiter, herauszufinden, wer es war.“ So oder so mussten sie wissen, wer die fehlende Person war. Ob nun lebendig, oder nicht, war dabei doch erstmal vollkommen egal. „Wir sehen uns das morgen einfach nochmal genauer an. Vielleicht liegen dann auch schon mehr Informationen vor.“
 

Er parkte das Auto in der Tiefgarage des Reviers und zusammen gingen sie nach oben, verfassten noch ihre Berichte, ehe sie in die Umkleide gingen und sich aus den Uniformen befreiten, um endlich wieder ihre Alltagskleidung anzuziehen.

Am Haupteingang der Zentrale verabschiedeten sich die Beiden noch voneinander, ehe jeder seines Weges ging.

„Was für ein Tag…“ Seufzte Yuu und lief nach Hause. Er fühlte sich etwas geschafft, obwohl nicht viel passiert war. Das einzig Positive an dem Tag war, dass er sich wieder etwas mehr mit Jin verstand, als am Tag zuvor und sich nicht mehr ganz so viele Sorgen um Akira machte. Er würde ihm einfach die Zeit geben, die der Andere scheinbar brauchte.
 

Zu Hause ging er duschen und ließ sich noch einmal die einzelnen Erinnerungen an den Tatort durch den Kopf gehen. Vier Schüsse, drei Leichen und eine fehlende Leiche. „Oder keine vierte Leiche?“ Kam es leise über seine Lippen, während er sich das Shampoo aus den Haaren spülte. Ihm kam das ganze sehr seltsam vor. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass etwas nicht stimmte und er sich vielleicht noch einmal darüber informieren sollte, was noch alles rauskam. Vielleicht passten Fingerabdrücke oder DNA-Spuren mit gesammelten Informationen in ihrer Datenbank überein?
 

„Lass gut sein, Yuu.“ Ermahnte er sich nun selber, sonst würde er gar nicht zur Ruhe kommen. Schnell trocknete er sich ab, zog sich eine Shorts an und ging ins Bett. Er sollte erst einmal schlafen und sich den Kopf erst wieder darüber zerbrechen, wenn er in der Zentrale wäre. Gähnend schloss er die Augen und drehte sich auf die Seite. Schon wenige Augenblicke später, versank er friedlich im Land der Träume.

Awakening

Langsam öffnete er seine Augen. Doch es veränderte sich nichts. In diesem Raum war es so dunkel, dass er nichts sehen konnte. Er sah nirgendwo auch nur den Hauch eines Lichtscheins. Er versuchte sich zu bewegen, doch ihm tat alles weh. Leise keuchte er, wollte sich aufsetzen, doch sein Körper wollte einfach nicht das ausführen, was er von ihm verlangte.

Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war ein kleiner Raum. Dunkelblaue Fliesen, kein Fenster, eine schwere Stahltüre und ein Stuhl. Doch er saß nicht auf diesem Stuhl. Er lag. Er lag in einem Bett? Es war auf jeden Fall nicht so unbequem, wie der Stuhl. Wollte er wissen, was als nächstes passieren wird? Nein! Definitiv nicht.
 

Wieder versuchte er, Herr über seinen Körper zu werden. Nur langsam bewegte sich sein linker Arm. Zu gut erinnerte er sich an die Schüsse, die ihn getroffen hatten. Wahrscheinlich würde er seinen rechten Arm nicht so einfach bewegen können, also versuchte er es einfach direkt mit dem linken. Er fasste sich an den Kopf, der ganz schön dröhnte, als hätte man ihm einen Schlag mit einem Holzbalken verpasst. Sofort fühlte er etwas, was normalerweise nicht da war:

Verband?

Kurz blieb er reglos liegen, versuchte wieder etwas in dem Raum zu erkennen. In einem Krankenhaus konnte er schonmal nicht sein, dass würde man sofort erkennen. Lag er vielleicht in einer Zelle bei der Polizei? Ihm wurde übel.
 

Sein linkes Auge war ebenfalls von dem Verband bedeckt, genauso wie eigentlich fast alles von seinem Gesicht. Nur langsam konnte er den Arm bewegen, ertastete Verband an der rechten Schulter. Dem Arm, der Hand und an seinem Oberkörper. Und das waren nur die Stellen, an die er drankam. Wahrscheinlich hatte er am linken Bein auch einen Verband, wo ihn die zweite Kugel getroffen hatte. Er schwor sich Rache. Der Kerl, der ihn angeschossen hatte, wird nie wieder glücklich werden! Da konnte sich der Typ sicher sein!
 

Dafür müsste er nur mal wissen, wo er gerade war. Tot konnte er nicht sein, denn die Schmerzen fühlten sich doch ziemlich real an. Und ein Traum wird es daher auch nicht sein. Falls der Zahnarzt ihn aufpäppeln wollte, nur um risikofrei da weiter machen zu können, wo er aufgehört hatte, konnte er sich das in die Haare schmieren! Diese Chance würde er nutzen, um abzuhauen. Doch dafür musste er langsam mal mehr bewegen können als nur seinen Arm. Da er aber nichts sehen konnte, wusste er auch nicht, ob er irgendwie hochkommen könnte. Vorsichtig tastete er sich mit der Hand seitlich voran, entdeckte irgendwas das höher war, als er selber lag. Sowas hatte er doch gesucht!
 

Er wagte gleich den ersten Versuch sich hochzuziehen, scheiterte allerdings sofort, da nicht nur sein Oberkörper schmerzte wie noch nie zuvor, sondern auch seine linke Hand. Keuchend sank er zurück in die Waagerechte und biss die Zähne zusammen. Aufgeben war hier keine Option! Also versuchte er es wieder, kam Stück für Stück nach oben, um kurz vor dem Ziel seine Stütze umzuwerfen, die krachend zu Boden ging, wodurch er selber wieder nach hinten flog und vor Schmerz aufstöhnte.

Verflucht nochmal, das durfte doch jetzt alles nicht wahr sein!
 

Kurz darauf hörte er Schritte. Toll, auch das noch! Jetzt hatte er sich verraten. Die Chance hatte er verschenkt. Die Türe wurde aufgerissen und er kniff sein Auge zusammen als das Licht hereinfiel, das ihn sofort blendete. Er konnte nichts erkennen, hörte nur Schritte die auf ihn zu kamen, ehe er am linken Handgelenk gepackt wurde. Augenblicklich zuckte er zusammen und zog seine Hand weg. Zumindest versuchte er es, aber er hatte nicht genug Kraft, um dem Griff zu entkommen. „Du bist wach…“ Hörte er die Männerstimme neben sich sagen, doch ihm kam sie nicht wirklich bekannt vor, glaubte er auch nicht daran, jemals wieder eine ihm vertraute Stimme zu hören.
 

Nur langsam öffnete er sein Auge wieder, dass sich nun nach und nach an die Helligkeit gewöhnte. Als er nach oben sah, sah er in ein Gesicht, das ihm wirklich nichts sagte. Wer war das denn? Musste er ihn kennen? Auf jeden Fall war er keiner von Herrn Onoderas Leuten. Oder hatte er noch mehr, als nur die beiden Kerle? Sein Handgelenk wurde losgelassen und schon ließ man ihn wieder alleine. Verwirrt sah er zur Türe, die wieder zugezogen wurde, ehe der Raum wieder so stockdunkel war, wie zuvor auch schon.
 

Was sollte das? Wer war der Kerl? Und was zum Teufel war nur los?
 

Angestrengt versuchte er sein Gehirn zu aktivieren, um sich an die letzten Momente zu erinnern, bevor er hier wach wurde. Das war nur leider einfacher gesagt, als getan. Die Bilder kamen nur schleppend zurück in seinen Kopf. Sie hatten versucht, Informationen aus ihm raus zu bekommen, doch an ihm hatten sie sich die Zähne ausgebissen. Er erinnerte sich daran, dass der Zahnarzt vor ihm stand, rot vor Wut und mit geballten Fäusten.

Es traf ihn wie ein Blitzschlag, als die Erinnerung wiederkam. „Deine Freunde werden schon singen.“ Hallte es in seinem Kopf wider. Danach hatte er ihm ein Tuch auf das Gesicht gedrückt und von da an verlor sich seine Erinnerung. Hatte er etwa Kai? Ryo? Oder Kazuki? Er konnte nicht liegen bleiben!
 

Wenn seine kleine Aufstehhilfe kaputt war, musste es ohne gehen. Wieder biss er die Zähne zusammen, kniff das Auge zu und versuchte, sich aufzurichten. Wenn er auch nur einen von ihnen retten könnte, wäre das die Schmerzen eindeutig wert. Als er es tatsächlich geschafft hatte, sich hinzusetzen, legte er sofort den linken Arm um seinen Oberkörper und biss sich auf die Unterlippe, beugte sich nach vorne und versuchte angestrengt, nicht zu schreien.

Selbst als die Türe wieder aufflog, bewegte er sich nicht, denn jede noch so kleine Bewegung tat noch mehr weh, als es das jetzt schon tat.
 

„Scheiße, spinnst du?“

Fuhr man ihn auf einmal an. Er drehte den Kopf, sah zur Türe, wobei ihn das Licht wieder blendete und er einen Moment brauchte, bis er etwas erkennen konnte. Als sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, stand die Person bei ihm, legte die Hände an seine Schultern und drückte ihn wieder nach hinten. So wird das echt nichts.

Wieder keuchte er vor Schmerz, packte die Person am Handgelenk, bevor sie überhaupt daran denken könnte abzuhauen und ignorierte dabei die Schmerzen in seiner Hand. Doch als er hochsah, sah er nicht in ein Gesicht von Herrn Onoderas Männern, oder gar in dessen. Es war kein unbekanntes Gesicht.
 

„Kazuki…“ Hauchte er leise und umklammerte dessen Handgelenk nun regelrecht.

Träumte er doch?

Oder hatte er gerade Halluzinationen?
 

„Alles gut, Kumpel. Es ist vorbei.“ Sanft lächelte Kazuki ihn an, befreite sich nun aus dem Griff und räumte erst einmal alles beiseite, was Reita eben umgehauen hatte.

„Kai?“ Er ließ Kazuki nicht aus den Augen, sah, wie dieser ihn wieder lächelnd ansah. „Er ist bei Ryo zu Hause. Mach dir um ihn also keine Sorgen.“ Er zog einen Stuhl ran, setzte sich neben ihn und legte eine Hand auf seinen linken Arm.

„Dieser Sturkopf hat immer daran geglaubt, dich lebend zu finden.“ Erklärte er ihm mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Ich habe nicht daran geglaubt, habe aber gehofft, dass er Recht behält. Und wie wir sehen…“ Er beendete den Satz nicht, sondern sah ihn weiterhin einfach lächelnd an.
 

Er klopfte ihm auf den Arm und stand auf. „Ruh dich noch etwas aus. Ich komme gleich nochmal rum.“ Damit ließ er ihn alleine und schloss die Türe. Wieder überkam die Dunkelheit den Raum und er hatte das Gefühl, völlig blind zu sein. Doch die Tatsache, in Sicherheit zu sein, ließ ihn ziemlich schnell einschlafen. Und das tief und fest. Sein Körper schien den Schlaf nachholen zu wollen, den er seit langem nicht mehr hatte.
 

Er wurde erst wieder wach, als die Schmerzen sogar in seinem Traum so real zu sein schienen, wie noch nie zuvor. Wieder keuchte er auf, spürte, dass irgendwer ihn festhielt. Der Griff tat ganz schön weh und wieder war sein Gehirn nicht schnell genug, um irgendwas Vernünftiges zusammen zu kriegen. „Lass ihn los, verdammt! Du tust ihm noch weh!“ Hörte er Kazukis Stimme durch den Raum hallen.

„Kai, bitte.“ Drang auf einmal Ryos Stimme in sein Ohr und er merkte, wie der Griff um ihn nur noch stärker wurde.

„Nein!“ Kais Stimme war nah an seinem Ohr. Also hielt dieser ihn so fest?
 

Er hob seinen Arm, ergriff das erste, was er zu packen bekam und stellte fest, dass es Kais Oberteil sein musste. Er fühlte den Stoff unter seinen Fingern, ehe man ihn von sich schob. „Rei!“ Sagte Kai und sah ihn an. Weinte er etwa? Vorsichtig ließ er von ihm ab, sodass er sich wenig später wieder in der Waagerechten befand und nun alle Drei ansehen konnte.

„Und du wolltest mir nicht glauben.“ Trotzig verschränkte Kazuki seine Arme vor der Brust, lächelte aber.
 

„Er wird etwas Zeit brauchen, bis es ihm wieder vollständig gut geht. Aber lieber so, als tot im See zu schwimmen.“

See? Hatte er Ryo gerade richtig verstanden? Kai strich ihm über den Arm und seufzte. „Wir erklären dir alles, wenn du wieder gesund bist.“ Fragend sah er ihn an, ehe sein Blick zu Ryo und danach zu Kazuki glitt.

„Was ist passiert?“ Fragte er sie, denn er wollte es jetzt sofort wissen. Warum wollten sie warten, ihm alles zu erklären, wenn sie es auch sofort machen könnten?
 

Er hörte Kai neben sich seufzen, doch das interessierte ihn nicht. Sie sollten ihm endlich mal erklären, was los war. Wie hatten sie ihn gefunden und wie konnten sie ihn da rausholen? Fragen, die er auf der Stelle beantwortet haben wollte!

„Wir waren beim Boss und haben ein paar Informationen zusammengetragen. Unteranderem kam dabei heraus, dass der Zahnarzt, der einen unserer Kollegen aus dem Clan entführt hatte, umgebracht und im See des Wadabori Parks versenkt hatte. In der Hoffnung, dass wir ihn dort abfangen und dich somit finden könnten, haben wir angefangen, den Park zu beobachten.“ Erklärte ihm Kazuki sofort und kam etwas näher.

„Ich habe im Park alles abgesucht, alles beobachtet, bis Herr Onodera mit seinen Männern auftauchte. Wir wussten ehrlich gesagt nicht, ob du es warst, den sie aus dem Auto gezogen hatten, aber Kazuki hat alle drei erschossen. Als erstes den Zahnarzt. Kai kam sofort dazu und hat bemerkt, dass du noch atmest. Also haben wir dich mitgenommen.“
 

Es hätte auch nach hinten losgehen können. Herr Onodera hätte sich einen anderen Ort suchen können, oder Reita gar nicht erst in einem See werfen, sondern ihn anders beseitigen können. Doch darüber wollte er nicht nachdenken, denn es hatte funktioniert und er war wieder in Sicherheit.
 

„Ich bin so froh, dass du wieder hier bist.“ Entwich es Kai leise schluchzend neben ihm, ehe dieser sich die Tränen aus dem Gesicht wischte und lächelte. Er merkte ihm an, dass er versuchte, stark zu sein, die Schwäche, die er gezeigt hatte, nicht mehr zulassen will. „Ich bleibe bei dir.“ Versicherte ihm Kai noch und legte eine Hand an seinen Arm.

Eine Stelle, die nicht von Verband bedeckt war.

„Danke.“ Hauchte er leise und sah die anderen Beiden an.
 

„Wir lassen euch alleine. Morgen kommen wir wieder, wenn der Boss vorbeikommt.“ Erklärte Kazuki ihm und sofort sah Reita ihn verwirrt an.

„Der Boss?“ Fragte er nach, bekam ein Nicken als Bestätigung.

„Na toll…“ Entwich es ihm und er legte den Kopf in den Nacken, sah an die Decke und seufzte. Das musste doch nicht sein. Wenn sein Boss sieht, in was für einer körperlichen Verfassung er war, flippt der doch aus! Welcher Yakuza-Boss stand schon darauf, seinen hauseigenen Mörder schwer verletzt in einem Bett liegen zu sehen? Den Job konnte er sich wohl in die Haare schmieren.

„Das wird schon. Als er gehört hat, dass du lebst, schien er wirklich erleichtert zu sein.“ Versuchte Kai, ihn zu beruhigen.

„Es wäre auch ziemlich sinnlos, dich da raus zu holen, um dich danach doch noch zu erwürgen, oder etwa nicht?“ Kazuki konnte da einfach nicht ernst bleiben. Aber auch Reita verstand, worauf er hinaus wollte. Der Hacker hatte Recht. Er sollte sich einfach keinen Kopf machen. Bestimmt war sein Boss froh, ihn lebend zu sehen.
 

„Dann lassen wir euch mal alleine.“ Ryo schnappte sich den Anderen und ließ Kai nun mit Reita alleine. Die Türe blieb offen, damit etwas Licht in den Raum kam. „Ich glaube, ich kann dich nie wieder alleine lassen, wenn wir an einem Auftrag arbeiten.“ Schmunzelnd verzog Kai seine Lippen und sah ihn an, ließ ihn schon gar nicht mehr aus den Augen. „Du kleiner Spinner.“ Antwortete Reita nur und schüttelte leicht den Kopf. Er konnte dessen Angst zu gut verstehen. Hätten sie Kai erwischt, wäre er wohl genauso ausgeflippt und würde ihn nie wieder aus den Augen lassen!
 

„Ein Arzt vom Boss hat sich um dich gekümmert. Er meinte, dass du keine bleibenden Schäden davontragen wirst. Also wirst du auch bald wieder fit sein.“ Das waren doch mal Informationen, mit denen er auch wirklich was anfangen konnte! „Sehr gut.“ Sagte er zufrieden. Wenn er wirklich wieder vollkommen gesund wird, musste er sich auch keine Gedanken machen, dass der Boss ihn nun abservieren wird.

„Versuch noch etwas zu schlafen. Je mehr du dich ausruhst, desto schneller wirst du auch wieder gesund, hm?“

Kais Lächeln war wie immer strahlend und echt, kein aufgesetztes, falsches Lächeln.
 

Da er sich wirklich noch ziemlich schlapp fühlte, schloss er nickend die Augen, um noch etwas zu schlafen. Während er schlief, konnte er am besten abschalten, denn er schlief, ohne etwas zu träumen. Sein Körper versuchte sich zu erholen.

Und dieses Mal wurde er auch nicht unsanft von jemanden geweckt, sondern wachte von alleine auf. Als er langsam sein Auge öffnete, war es noch immer hell im Raum. Langsam wurde seine Sicht besser, sein Blickfeld schärfer und er erkannte, dass er nicht mehr in dem Raum war, wie zuvor. Hatte man ihn woanders hingebracht? Als er sich umsah, entdeckte er ein paar Stühle an einem kleinen Tisch, ein kleines Fenster, an dem die Vorhänge zugezogen waren und eine Lampe an der Decke, die ein sanftes Licht ausstrahlte. Ihm fiel auf, dass im anderen Zimmer keine Lampe vorhanden war. Deswegen war es immer so dunkel dort drin.
 

Sein Hals fühlte sich trocken an und irgendwie konnte er nicht einmal mehr seinen linken Arm bewegen. Wahrscheinlich lag er einfach nur zu lange rum. Er musste sich dringend mal bewegen und nicht nur einen einzigen Arm, sondern mal mehr!

Der erste Versuch, sich zu bewegen, scheiterte direkt wieder, doch beim zweiten Anlauf, schaffte er es zumindest, ein wenig den Oberkörper hochzubekommen. Doch als die Türe langsam auf ging, ließ er sich zurücksinken und sah, wer da reinkam. Es dauerte etwas, bis Kais Kopf in dem kleinen Spalt auftauchte und zu ihm rüber sah. „Er ist wach.“ Sagte der Braunhaarige und öffnete die Türe nun komplett und kam mit Kazuki und Ryo zu ihm. Während sich ihr Hacker mit dem Fahrer an den kleinen Tisch setzte, ging Kai zu Reita. „Du hast bestimmt Durst, oder?“ Fragte er ihn und hielt eine kleine Glasflasche mit Wasser hoch.

Ohne eine Antwort abzuwarten, half er ihm nun dabei, sich hinzusetzten, um etwas trinken zu können. Das tat echt gut. Er selber hatte gar nicht wirklich bemerkt, dass er wirklich Durst hatte.
 

„Hast du Schmerzen?“ Fragte ihn sein Mitbewohner, als er die Flasche neben dem Bett auf einem kleinen Beistelltisch absetzte. „Gerade nicht.“ Stellte er erstaunt fest. Das hatte er noch gar nicht bemerkt, da er sich eh kaum bewegen konnte. „Der Arzt hat dir Schmerzmittel gespritzt.“ Informierte Ryo ihn direkt. Egal, was für ein Mittel das genau war, es wirkte verdammt gut.

„Hoffentlich bist du fit genug, um dem Boss gleich seine Fragen zu beantworten.“

„Gleich?“

Kai nickte sofort neben ihm und strich ihm etwas über den Arm.

„Er wollte gleich vorbeikommen. Nachher hat er noch einen Termin, aber er will schon vorher alles wissen.“

Noch konnte er nicht sagen, ob diese Neugier nun gut war, oder nicht. Aber was sollte daran schon negativ sein?

Außerdem war sein Kopf wieder halbwegs klar.
 

Noch einmal half ihm Kai dabei, etwas zu trinken, ehe dieser das Kopfende des Bettes nach oben stellte, damit er sich zurücklehnen konnte und statt zu liegen, nun sitzen durfte. Das war gleich viel besser. Er sah zu den Anderen, die noch immer am Tisch saßen. Ryo hatte sich seitlich auf den Stuhl gesetzt, den Arm über die Rückenlehne gelegt und seinen Kopf darauf gestützt, während Kazuki ‘normal‘ auf dem Stuhl saß, einen Fuß mit auf die Sitzfläche gestellt hat und einen Arm auf dem Knie gelegt hatte. Beide sahen die ganze Zeit zu ihm, lächelten etwas und irgendwie gaben alle Drei ihm ein gewisses Gefühl von Sicherheit.
 

Es klopfte an der Türe und sofort sahen alle dorthin, wo nun der Boss auftauchte. Da war er auch schon! Kai machte sofort Platz, damit ihr Boss zu ihm gehen konnte. Der Braunhaarige stellte dem älteren Mann noch einen Stuhl bereit, bevor er sich zu den Anderen an den kleinen Tisch setzte. War es normal, dass er selber nun so nervös wurde? Allein die Anwesenheit ihres Clanoberhauptes machte ihn nervös, obwohl er doch nichts vor ihm zu befürchten hatte.

Damals hatte er ihm geholfen, ihn aufgenommen und eine Chance gegeben. Und er hatte ihm sein Wort gegeben für ihn zu arbeiten und alles auszuführen, was er von ihm verlangte. Bisher war er sich keiner Schuld bewusst, etwas falsch gemacht zu haben, also warum hatte er gerade Angst? Ja, es war Angst gepaart mit Nervosität, da er nicht wusste, welche Fragen er ihm denn stellen wollte.
 

„Wie geht es dir?“ Fragte ihn der Ältere, nachdem er sich gesetzt hatte.

„Besser.“ Antwortete er sofort und entlockte seinem Gegenüber tatsächlich ein kurzes Lächeln.

„Gut. Ich habe meinen besten Arzt zu dir geschickt. Es würde mich enttäuschen, wenn er es nicht geschafft hätte.“

Sogar Reita musste nun schmunzeln. Er konnte sich gut vorstellen, was der Boss gemacht hätte, wenn der Arzt ihn nicht hätte zufrieden stellen können.

„Wir brauchen ein paar Informationen von dir.“ Fuhr er nun fort, sah ganz kurz zu seinen Kollegen. Er sah, wie Kazuki nickte, Kai den Blick senkte und Ryo sich auf die Unterlippe biss. Hatte er etwas verpasst?
 

„Herr Onodera lebt noch. Er war nicht unter den drei Männern im Park.“ Damit ließ sein Boss eine Bombe platzen, die bei Reita sofort etwas auslöste, was er nicht einmal beschreiben konnte. Seine Finger krallten sich in die Decke, die über seinen Beinen lag und er biss die Zähne zusammen. Der Kerl lebte noch? Wie kann das sein?

„Mach dir darum erst einmal keine Gedanken!“ Sein Boss versuchte netterweise, ihn zu beruhigen. Klappte sogar auf Anhieb.
 

„Um den Kerl zu schnappen, muss ich dich darum bitten, mir alles zu erzählen, was passiert ist. Von dem Moment an, als du an dem Abend den Wagen verlassen und deine Männer zurückgelassen hast.“

Was verlangte er da gerade? Sprachlos starrte er den Chef an, konnte nicht sagen, was gerade in seinem Kopf alles los war. Viele Gedanken, Erinnerungen und Bilder tauchten vor seinem inneren Auge auf. Er sollte ihm alles erzählen? Sein Blick glitt zu den Anderen, die ihn genauso geschockt ansahen. Sie hatten es wohl auch nicht gewusst. Doch Kai nickte ihm zu. Wollte er, dass er es ihnen erzählte? Was sollte es ihnen bringen, das zu wissen?
 

Wieder sah er zum Boss, der mit ernstem Blick wohl darauf wartete, dass er mit der Geschichte anfing. „In jedem deiner Sätze, zwischen all deinen Erinnerungen, könnte irgendwo ein Detail versteckt sein, das uns zu ihm führen könnte.“ Daran glaubte Reita eher weniger. Was könnte er schon sagen, damit sie ihn ausfindig machen könnten? Er hatte nur einen einzigen Raum in Erinnerung, mehr nicht.
 

„Okay…“

Sagte er dann leise, da ihm der Blick des Älteren zu durchdringen schien, dass er sich nicht einmal traute, seine Bitte auszuschlagen.

„Unter einer Bedingung.“

Fügte er noch hinzu und sah ihm nun direkt in die dunklen, ernsten Augen, die noch immer das gleiche Vertrauen auszustrahlen schienen wie damals, als er ihn zum ersten Mal begegnet war.

„Was?“ Fragte er ihn dann mit hochgezogener Augenbraue.

Ja, Reita war wohl nicht in der Position, Bedingungen zu stellen. Aber er glaubte, dass ihm der Boss dies nicht ausschlagen würde.

„Ich will derjenige sein, der ihn erschießt!“

Sein Boss lachte sofort auf, hielt sich die Hand vornehm vor den Mund und nickte. „So kenne ich dich!“ Hörte er ihn, bevor er sich langsam wieder zu beruhigen schien und ihn nun wieder ernst ansah.
 

„Abgemacht.“

Happening

„Pünktlich wie das letzte Mal.“ Begrüßte ihn der Zahnarzt, als er in dessen Blickfeld kam.

„Warum sollte ich Sie warten lassen?“ Fragte er ihn. Er fand es zwar eigentlich nicht schlimm Leute warten zu lassen, aber sein Gefühl sagte ihm, dass er das bei diesem Mann vielleicht verhindern sollte negativ aufzufallen. „Und wie ich gehört habe, sind sie alleine hier, dass gefällt mir. Sie sind ein Mann, der sein Wort hält.“ Verdammt, hatte er seine Männer dabei, während er selber seine zurückgelassen hatte? Sofort sah er sich im Augenwinkel etwas um, wollte jetzt nicht auffällig den Kopf hin und her bewegen. Was sollte denn schon passieren?
 

 „Warum sollte ich mein Wort nicht halten? Wenn ich dafür das bekomme, was ich will, lohnt es sich doch.“ Er ging einfach aufs Ganze und hoffte, dass das keine dumme Idee war, sondern das Beste, was er machen konnte. „Nicht jeder denkt so… Wie viel brauchen Sie denn?“ Sehr gut. Er wollte scheinbar noch immer nur ein Geschäft mit ihm abschließen.

„Wie viel haben Sie dabei?“ Er hatte das letzte Mal total vergessen, ihm eine Menge zu nennen, die er wollte. Das fiel ihm aber erst auf, als dieser ihn danach fragte. Egal! Eigentlich wollte er ja auch kein Meth von ihm haben, sondern etwas ganz anderes, also musste er nun das Beste aus der Situation machen und versuchen zu pokern. Auch, wenn er bei diesem Spiel immer der Verlierer war.

„Genug.“

 

Grinsend drehte sich der Mann etwas von ihm weg, zog eine kleine Tasche aus der Innenseite seiner Jacke und rollte die Tasche langsam auf. Das war seine Chance. Gerade war der Kerl in Gedanken, war abgelenkt und würde wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen, wie die Kugel auf ihn zufliegt und sofort leblos zusammensacken. Darauf hatte er gewartet. Trotzdem hob er vorsichtig seine Hand, zog sein Shirt hoch, ergriff seine Waffe und zog sie hervor.

Jetzt, oder nie!
 

Ein Schuss fiel und sofort zog er seine Hand weg, verlor seine Pistole und sah auf die Hand. Ein Streifschuss. Also war der Zahnarzt wirklich nicht alleine? Dieser sah sofort zu ihm und grinste. Noch bevor er etwas sagen konnte, fiel der zweite Schuss, der ihn im linken Oberschenkel traf, wodurch er mit dem Bein einknickte. Kaum eine Sekunde später schoss man ihm in die rechte Schulter, weswegen er auf den Rücken fiel und keuchend liegen blieb, sich mit der linken Hand die Schulter hielt und die Augen zusammenkniff. Ihm fiel auf, dass sein Kopfhörer rausgefallen war, als er mit dem Kopf auf den Boden aufgekommen war. Das Teil konnte ihm eh nicht helfen.
 

Danach ging alles so schnell, dass er nicht einmal reagieren konnte. In der Nähe fuhr ein schwarzer Wagen vor, zwei Männer stiegen aus, während der Zahnarzt selber auf der Beifahrerseite einstieg. Die Zwei warfen Reita in den Vito, einer stieg bei ihm mit ein und der Andere setzte sich hinter das Lenkrad und fuhr los. Gerade, als er sich aufrichten wollte, griff ihm jemand von hinten mit dem Arm um den Hals und drückte ihm die Luft ab. Er japste nach Luft, versuchte irgendwie, den Arm von sich zu drücken. „Stell ihn ruhig.“ Hörte er den Zahnarzt, doch er konnte sich gerade nicht auf ihn konzentrieren, sondern hatte zu tun Luft zu bekommen.

Wenig später zog der Kerl ihm die Maske runter, warf sie weg und drückte ihm ein Tuch auf das Gesicht. Jetzt hatte er verloren!

 

Als er wach wurde, saß er in einem kleinen Raum auf einem Stuhl, war an den Knöcheln und Handgelenken an den Stuhl gebunden und konnte weder jemanden sehen, noch irgendwas hören. Er war alleine! Ein kleiner Tisch stand vor ihm hinter dem ein weiterer Stuhl stand. Über dem Tisch hing eine kleine Lampe von der Decke, die den Raum zumindest ein wenig Licht spendete.
 

Er sah sich um, sah eine große, schwer wirkende Stahltüre, doch das wars. Kein Fenster, nichts. Dunkelblaue Fliesen an den Wänden und schwarze auf dem Boden. Die Türe wurde aufgerissen und erschrocken zuckte er zusammen. Er hatte nicht einmal einen einzigen Schritt gehört. Scheinbar drang kein Geräusch in den Raum. Und bestimmt auch nichts hinaus.

„Na endlich!“ Sagte der Zahnarzt und setzte sich ihm gegenüber auf den Tisch, hatte ein paar Zettel in der Hand und musterte ihn, während seine zwei Männer sich links und rechts neben ihn stellten und einer seinen Kopf an den Haaren hochzog, damit er gezwungen war, den Mann gegenüber anzusehen.

„Darf ich dir die Spielregeln erklären?“ Begann dieser und er biss die Zähne zusammen. Spielregeln?

„Wenn du mir meine Fragen zufriedenstellend beantwortest, wird das Ganze hier halbwegs angenehm ablaufen.“ Begann der Mann und legte kurz die Zettel beiseite.

„Solltest du mir die Fragen nicht beantworten, zu spät, oder gar falsch, werden dir meine Männer etwas nachhelfen müssen.“ Er stand von dem Tisch auf, lief um diesen herum und setzte sich dort auf den Stuhl, lehnte sich zurück und nahm sich die Zettel.
 

„Wie viele Mitglieder hat der Clan, für den du arbeitest?“ Stellte er nun die erste Frage.

Sowas zieht bei ihm nicht, da hatte er sich den Falschen ausgesucht! „Genug.“ Antwortete er nur grinsend und bekam direkt dafür den ersten Schlag mit der Faust ins Gesicht. Er wusste, dass seine Antwort dämlich war, da hätte er auf diese Art der Bestätigung auch verzichten können. „Wie heißen deine drei Freunde?“ Jetzt sah er ihn wütend an. Diese Information wird er NIE aus ihm herausbekommen! Das kann er direkt vergessen. „Geht dich nichts an!“ Knurrte er und sofort bekam er dafür wieder die Strafe. Er kniff die Augen zusammen, sah dann aber wieder zum Zahnarzt. „Wer wird den Clan übernehmen, wenn dein Boss nicht mehr ist?“

Bis auf die zweite Frage, könnte er keine einzige beantworten, selbst wenn er wollte!

„Ich bin es nicht.“ Das wird er nun eiskalt durchziehen und nichts an seinen Antworten ändern!
 

Immer mehr Fragen stellte er, immer mehr dumme Antworten gab er zurück und kassierte dafür einen Schlag nach dem Anderen, ehe man ihn losmachte und vom Stuhl hochzog. Wahrscheinlich bekamen die Zwei neben ihm schon Rückenschmerzen, weil sie sich zu ihm runter beugen mussten. Einer der Männer zog ein Messer und hielt es ihm vor die Nase. „Überdenk deine Antwort genau, Reita.“ Riet ihm Herr Onodera. Doch noch bevor dieser die Frage stellen konnte, preschte er nach vorne, stützte sich auf dem Tisch ab und wollte gerade über diesen springen, um dem Kerl an die Gurgel zu gehen.

Leider waren seine Männer nicht langsamer als er!
 

Von 100 auf 0 in nicht einmal einem Bruchteil einer Sekunde. Wie angewurzelt blieb er vor dem Tisch stehen, hatte schon den rechten Arm nach dem Kerl ausgestreckt und sah nun in das grinsende Gesicht seines Gegenübers.

Noch spürte er den Schmerz nicht komplett, doch als er nach unten sah, sickerten nach und nach die ersten Schmerzen durch.

Hatte er ihm gerade wirklich die Hand mit dem Messer auf dem Tisch fixiert?

Bei diesem Anblick wurde ihm kurzzeitig doch schlecht! Als das Messer aus dem Tisch und somit aus seiner linken Hand gezogen wurde, sackte er auf die Knie, hielt sich die stark blutende Hand und presste die Zähne aufeinander. Er würde denen bestimmt nicht zeigen, wie weh das tat, indem er anfing zu schreien oder zu weinen. Da waren sie bei ihm definitiv an der falschen Adresse.
 

„Hebt ihn hoch. Eine Frage will ich ihm noch stellen.“ Einer der Männer griff mit den Armen unter seine und zog ihn an sich. Reita stand mit dem Rücken nun an dessen Oberkörper, konnte seine Arme nicht schützend vor sich halten und sah zum Zahnarzt. „Welchen Plan hat dein Boss?“ Woher sollte er sowas denn wissen? Da hätte er sich besser jemand anderen suchen müssen! „Ich nehme an, dass er andere Pläne hat, als Sie.“

Das war natürlich reine Spekulation, aber er glaubte, dass er Recht hatte. Er spürte die Klinge, wie sie durch das Fleisch schnitt, wie sie eine Wunde von der Augenbraue bis zur Wange durch sein Auge zog, ehe das Blut an seiner Wange runterlief. Sein Gegenüber stand auf und nahm die Zettel seufzend an sich.
 

Er kniff sein Auge zusammen, auch, wenn das ziemlich schmerzte. Doch das Blut wollte er nicht unbedingt ungehindert ins Auge bekommen. „Ich habe Zeit, Reita. Viel Zeit.“ Die hatte er jetzt auch, kam er ja nicht hier weg! Mit einem gezielten Schlag knockte man ihn aus und ließ ihn alleine im Raum zurück.
 

Am zweiten Tag wurde er durch die Schmerzen an seiner Schulter wach, wo ihn die letzte Kugel getroffen hatte. Als er sein Auge öffnete, lag er noch immer am Boden, so, wie sie ihn zurückgelassen hatten. Die zwei Männer standen um ihn herum, einer links und einer rechts. Der rechte hatte seinen Fuß auf seine Schulter abgestellt und drückte somit immer wieder kurz, aber kräftig, auf die Schusswunde. Sofort stöhnte er schmerzvoll auf, versuchte ihn mit der Hand von sich zu drücken, doch die Hand tat genau so weh, wie seine Schulter gerade.
 

Als der Fuß endlich von der Schulter verschwand, legte er seine Hand auf diese, rollte sich auf die Seite und kniff die Augen zusammen. Das tat doch ziemlich weh. Und die folgenden Tritte gegen seinen Oberkörper machten es nicht besser.

Er wusste nicht, wie lange er das über sich ergehen lassen musste, bis der Zahnarzt reinkam und die Männer dazu brachte, aufzuhören. Schon jetzt tat ihm alles weh. Doch es zeigte nicht die gewünschte Wirkung! Denn als er kurz darauf wieder auf dem Stuhl saß und schon wieder mit den Fragen bombardiert wurde, antwortete er genauso, wie am Tag zuvor.

Genau so sah auch der dritte Tag aus.
 

Am Vierten wurde er sofort ausgefragt, antwortete wie immer und befand sich am Ende des Verhörs auf dem Boden wieder. Einer der Männer hielt seine Arme fest, während der Andere neben ihm hockte und irgendwas in der Hand hielt. Herr Onodera saß im Stuhl am Tisch und sah von dort aus zu ihm runter. „Du musst nur die Fragen beantworten.“ Riet er ihm grinsend, doch Reita dachte nicht einmal im Traum daran! „Die Namen deiner Freunde!“ Hörte er ihn sagen, doch er blieb stumm. „Zieh sie raus!“

Bei diesen Worten sah er geschockt zu dem Mann rüber, ehe er den Kerl neben sich ansah. Als dieser näher kam, erkannte er, was er in der Hand hatte.

„Finger weg!“ Keifte er ihn an, versuchte irgendwie von ihm wegzurutschen, doch der Griff des Anderen war zu stark.

„Je mehr du dich bewegst, desto schmerzvoller wird es.“ Erklärte der Zahnarzt, doch das interessierte ihn nicht. Er wollte trotzdem weg! Er spürte das kalte Metall in seiner Wunde und konnte nichts dagegen unternehmen, doch zu schreien.
 

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, ehe der Mann ihm die Kugel aus der Schulter zog, dabei stets freudig grinste. Immer, wenn er kurz vor Schmerz zuckte, stocherte die Zange nur noch mehr in der Wunde, was das Herausziehen der Kugel nicht gerade vereinfachte. Seine Schulter schmerzte noch mehr, als direkt nach dem Schuss. Und natürlich musste auch die zweite Kugel noch entfernt werden. Unter anderen Umständen würde er sich dafür ja bedanken!
 

Die Zeit danach verlief unverändert. Mittlerweile hatte er nur keine Lust mehr, ihm dumme Antworten zu drücken und blieb deswegen einfach stumm. Scheinbar hatte er dadurch die Nerven des Anderen zum Zerreißen gebracht, denn am letzten Tag seines all inclusive Aufenthalts stand er direkt vor ihm, hatte die Hände zu Fäusten geballt und war im Gesicht schon knallrot vor Wut.

„Wer wird das nächste Clanoberhaupt nach deinem jetzigen Boss?“ Fragte er ihn wieder, doch er sagte keinen Ton. Ihn traf der Schlag vom Zahnarzt und merkte sofort, dass es seinem Gegenüber langsam reichte. Dem konnte er sich nur anschließen! Sein gegenüber streckte die Hand zur Seite aus, während er mit der Anderen an Reitas Kinn zupackte und den Kopf anhob.

„Deine Freunde werden schon singen.“ Er sah ihn geschockt an, wollte etwas sagen, doch wieder drückte er ihm ein Tuch auf das Gesicht. Nach knapp einer Minute sank sein Kopf nach vorne.
 

~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*
 

„Danach bin ich hier aufgewacht.“

Beendete er die kleine Geschichte, die er durchlebt hatte. Nicht nur seine drei Kollegen sahen ihn geschockt an, sondern auch der Boss. Ihnen hatte es scheinbar die Sprache verschlagen, aber er konnte es ihnen auch nicht verübeln. Ihr Boss räusperte sich, um scheinbar den Kloß im Hals loszuwerden.
 

„Noch ein Grund mehr, ihn endlich loszuwerden.“ Sagte dieser auf einmal. Jeder von ihnen sah zu ihrem Oberhaupt, der sich erneut räusperte. „Herr Onodera ist das Oberhaupt eines verfeindeten Clans. Er breitet sein Gebiet immer weiter aus und kommt uns damit nach und nach in die Quere.“ Begann der Ältere und stand nun auf, zog die Vorhänge am Fenster auf und sah nach draußen in die dunkle Stadt.

„Alle Zielpersonen, die ihr ausgeschaltet habt, waren ranghohe Mitglieder seines Clans. Wir haben ihn schon weit zurückgedrängt, doch ich will nicht, dass er sich erholt. Also müssen wir ihn endlich erwischen.“ Also hatten sie seine besten Männer auf dem Gewissen? Reita konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn dieses Wissen war für ihn eine Genugtuung!
 

„Der Mann, der dich entführt hat, hat sich als Herr Onodera ausgegeben, um seinen Boss zu schützen. Richtiger Name, aber falscher Körper.“ Der Boss drehte sich wieder zu ihnen um, sah noch immer ernst aus und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wahrscheinlich hat er nach meinem Nachfolger gefragt, um diesen als erstes zu beseitigen, bevor ich dran bin. Und da ihr Vier viele seiner Männer umgebracht habt, will er euch ebenso tot sehen.“

Dann waren sie nun lebendige Zielscheiben? Also wurde es auch für sie ab sofort gefährlich. Sie müssten in Zukunft noch mehr aufpassen!
 

„Wie viele Männer sind denn noch übrig?“ Fragte Kazuki in den Raum hinein und sah ihren Boss ernst an. Dieser lief stumm zurück zum Stuhl und setzte sich dort wieder hin.

„Nach aktuellem Stand…“ Begann er und schien zu überlegen. „Vier.“

„Vier?“ Fragte Kai erstaunt nach.

Wenn man bedenkt, wie viele sie bereits auf dem Gewissen hatten, waren vier Leute obendrauf doch eine beachtliche Summe. „Es war ein großer Clan, das gebe ich zu. Aber ich habe die besseren Leute.“ Ihr Boss schien zuversichtlich zu sein, dass sie diesen kleinen Krieg gewinnen werden und der stärkste Clan in der Umgebung bleiben.

„Es können aber auch mehr als vier Leute sein. Leider weiß ich nicht, wie schnell Herr Onodera an neue Männer kommt.“

Dann tickte jetzt also bereits die Uhr? Lief ihre Zeit bereits ab und sie mussten sich beeilen?
 

„Bis du gesund bist, werden Kazuki, Ryo und Kai Informationen sammeln. Sobald du dann wieder einsatzbereit bist, geht es los.“ Nun sah der ältere Mann zu den Dreien, die ihm zustimmend zunickten. „Geht jetzt. Ihr werdet von zu Hause arbeiten und nicht hierherkommen, bis es ihm besser geht.“ Erschrocken sahen seine Kollegen den Boss an, der sie abwartend musterte. „Aber…“ Begann Kai, wurde aber von Ryo sofort gestoppt und vom Stuhl hochgezogen. „Dann bis bald, Reita.“ Sagte dieser, nahm Kai nun am Handgelenk und zog ihn etwas mit sich. „Bis dann, Rei.“ Kam es vom Braunhaarigen, der von Ryo rausgezogen wurde. Kazuki hob lächelnd die Hand und gab noch ein ‘man sieht sich‘ von sich, ehe er den Anderen folgte und die Türe hinter sich zu zog.
 

Musste er jetzt wirklich alleine hier zurückbleiben, bis es ihm besser ging? Wie gemein! Aber vielleicht war diese Idee gar nicht so dumm, wie sie klang, denn so hatte er wirklich genug Ruhe, um sich voll und ganz zu erholen. Nun stand auch sein Boss wieder von dem Stuhl auf und kam zu ihm.

„Der Arzt wird sich um dich kümmern. Du wirst schnell wieder gesund.“ Hörte er seinen Boss und er sah zu ihm auf, lächelte etwas, da er sich sicher war, dass er Recht hat. Dessen Arzt wird ihn schon schnell wieder aufpäppeln können.

Der Ältere trat an das Bett heran und sah ihm wieder so durchdringlich in die Augen, dass selbst Reita schlucken musste.

Er mochte es einfach nicht, wenn der Mann ihn so anschaute.
 

Er versuchte, seinen Blick zu erwidern, ehe er zusammenzuckte, sein Auge zusammenkniff und schmerzlich zischte. Sofort sah er zu seiner Hand, die sein Boss gepackt hatte und zudrückte. Er konnte nicht einmal die Hand wegziehen, da der Griff zu fest war. „Hast du eine einzige Frage vernünftig beantwortet?“ Knurrte sein Boss auf einmal leise und geschockt sah er wieder zu ihm hoch, konnte nicht glauben, was er ihn da fragte. Da seinem Boss sein Schweigen nicht gefiel, holte er ihn mit kräftigem Druck an der Hand wieder in die Realität zurück.

Gerade so konnte er sich ein leises Wimmern verkneifen, presste die Lippen aufeinander und wich seinem Blick nun doch aus, sah zur Seite weg. So hatte er ihn noch nie erlebt. Zwar verstand er seine Sorge, aber musste er so vorgehen? Das tat echt höllisch weh! Kann er ihm nicht einen Schlag auf den Hinterkopf geben? „Nein…“ Keuchte er leise, doch der Druck wurde erhöht, wodurch sein Arm zuckte, er die Hand wieder wegziehen wollte und nun den Kopf senkte, sein Auge wieder zusammenkniff und den Kopf schüttelte.
 

Er schaffte es, seine andere Hand zu bewegen und umfasste mit ihr das Handgelenk seines Bosses.

„Hör auf.“ Hauchte er leise und kurz darauf geschah dies auch. Sein Boss ließ von seiner Hand ab, packte ihn nun am Kinn und hob seinen Kopf an. „Hat er etwas aus dir herausbekommen?“ Wollte er noch einmal wissen.

„Nein… Ich habe… nichts verraten!“ Beteuerte Reita und sah ihm nun wieder in die Augen, ehe er auch schon in Ruhe gelassen wurde. „Ich halte viel von dir und schätze dich, weil du ein treues Mitglied bist. Doch du weißt, was mit Verrätern passiert, nicht wahr?“

Noch immer sah er ihn an und nickte stumm. Jeder wusste, was einem Verräter blüht. Sowas konnte man auch nicht vergessen!
 

„Gut. Und jetzt ruh dich aus. Ich werde wiederkommen, wenn es dir besser geht.“ Er wurde alleine gelassen und sofort drückte er seine schmerzende Hand an sich und presste die Zähne aufeinander. Da half ihm auch kein Schmerzmittel, so stark wie der Schmerz gerade war. „Shit…“ Fluchte er leise, hatte aber das Glück, dass die Schmerzen irgendwann wieder nachließen und er sich zurücklehnen und die Augen schließen konnte. Der Maskenträger musste sich nun voll und ganz auf sich konzentrieren, um schnell wieder fit sein zu können. Der Boss erwartete, dass er bald wieder den Aufträgen nachgehen kann.

Also stellte er sich nun auf angenehme, ruhige und entspannte Tage ein, was ihn sogar kurz zum Lächeln brachte.

Homecoming

Vor etwas mehr als einer Woche wurde er von den Anderen gerettet. Seitdem er ihnen erzählen musste, was man mit ihm gemacht hatte, hat er weder die drei Anderen, noch den Boss gesehen. War wahrscheinlich auch gar nicht mal so blöd, denn für ihn ging es schon am Tag darauf los, wieder fit und beweglich zu werden. Jeden Tag musste er versuchen, sich zu bewegen. Zuerst musste er versuchen, sich aus einer liegenden in eine sitzende Position hoch zu zwingen. Ohne Hilfe! Alleine das hatte für ihn unglaublich lange gedauert und da ihm weniger Schmerzmittel gegeben wurden, tat es auch verdammt weh!
 

Danach kamen seine Arme und Hände dran. Durch den Schuss tat der rechte Arm ganz schön weh, doch es war nicht so schlimm, wie mit der linken Hand. Das wurde leider nur schleppend besser. Genauso wie das Aufstehen und Laufen. Sein linkes Bein konnte er noch immer nicht richtig belasten, brauchte auf jeden Fall noch eine Stütze, um aufstehen zu können. Wie das beim Laufen aussah, kann man sich dementsprechend wohl schon vorstellen:

Schrecklich!
 

Gerade war der Arzt wieder bei ihm, besah sich seine Wunden noch einmal genau. Oben ohne saß er am Bettrand und ließ die Untersuchung über sich ergehen. Seine Rippen wurden abgetastet, was ihn noch immer dazu veranlasste, zu zucken, denn er wusste, dass die ganzen Tritte ihm wohl alle Rippen geprellt hatten, die er besaß. Es tat zum Glück nicht mehr so sehr weh, wie am Anfang. Seine rechte Schulter tat nach dieser Zeit kaum noch weh und konnte er wieder gut bewegen. Zumindest das war doch mal was Gutes, schließlich brauchte er seinen rechten Arm am meisten!
 

Als er seine linke Hand sah, wurde ihm nur wieder übel, weil er sofort vor seinem inneren Auge das Messer in der Hand stecken sah. Doch auch diese Wunde hatte der Arzt gut verarzten können. Eine Narbe war zwar noch zu sehen, da es bisher erst eine Woche her war, aber es sah nicht mehr ganz so schlimm aus und tat auch nicht mehr so weh.

Alle Wunden in seinem Gesicht waren verheilt, nur leicht sah man noch an seinem linken Auge die Schatten eines blauen Flecks und der Schnittwunde.

„Das Schlimmste haben Sie überstanden. Das Bein wird bald auch wieder voll belastbar sein.“

Reita nickte und zog sich ein Shirt an, bekam eine Hose, die er überziehen konnte, ehe er auch schon Schuhe anzog und startklar vor dem Bett stand. Der Arzt reichte ihm eine Krücke, mit der er wohl noch ein paar Tage Vorlieb nehmen muss. Besser, als gar nicht laufen zu können! Auch, wenn es doch etwas an seinem Ego kratzte.
 

Zwar hatte sein Boss ihm versichert zu ihm zu kommen, sobald es ihm besser gehen würde, doch nun ließ er ihn zu sich rufen. Das wäre die längste Strecke, die er seitdem am Stück laufen müsste. Deswegen brauchte er auch eine gewisse Zeit, bis er oben ankam und vor dem Büro noch einmal kurz stehen blieb. Ob der Boss mit der Entwicklung seiner körperlichen Verfassung zufrieden sein wird? Er atmete kurz durch, klopfte an und ging nach einer kurzen Wartezeit rein.
 

Sofort sah er, dass Stühle vor dem großen Tisch ihres Bosses standen. Seit wann standen dort Stühle? Doch viel wichtiger, als diese Frage, war dann die Tatsache, dass Kai, Kazuki und Ryo auf diesen Stühlen saßen.

„Da ist er ja.“ Entwich es dem Clanoberhaupt und sofort sahen sich die anderen Drei zu ihm um und lächelten ihn an. Keiner von ihnen konnte sich auf dem Stuhl halten. Kai sprang als erster von ihnen auf und rannte Reita beinahe um, zog ihn an sich und schloss die Augen seufzend. „Du siehst wirklich gut aus.“ Sagte Kazuki, der grinste und ihm zu zwinkerte. Wahrscheinlich war die gewisse Zweideutigkeit in seiner Aussage gewollt. Aber dazu sagte er einfach nichts.
 

Auch er und Ryo knuddelten ihn kurz durch, ehe sie mit ihm zurück zum Tisch gingen und sich nun jeder hinsetzte. „Wir haben gerade über die gesammelten Informationen gesprochen.“ Erklärte ihm ihr Boss den Stand der Dinge. „Ich muss dazu sagen, dass ich krank war und leider nicht viel geschafft habe.“ Hörte man Ryo entschuldigend sagen, doch ihr Boss hob nur eine Hand, winkte das Thema ab und schüttelte den Kopf. „Alles in Ordnung. Ihr hattet eh ein wenig Zeit, dadurch das Reita noch nicht fit war. Und so, wie es aussieht, wird es noch etwas dauern, bis er vollkommen genesen ist, oder?“ Er sah den Maskenträger an, der sich auf die Lippe biss und nickte. „Die Schusswunde im Bein bereitet mir doch ziemliche Probleme.“ Gestand er dann und der Boss nickte.
 

„Wie weit seid ihr zwei denn gekommen?“ Wandte sich das Oberhaupt des Clans nun an die anderen Beiden. „Es verliert sich jede Spur zu Herrn Onodera. Man hört nichts von ihm, man sieht nichts… keiner weiß, wo er ist, als hätte es ihn nie gegeben.“ Begann Kazuki wenig begeistert, seine Ergebnisse zu erläutern. „Ich habe seine Männer ausfindig gemacht. Es sind drei Männer.“ Erklärte nun Kai seine Informationen und überrascht hob ihr Boss eine Augenbraue. „Drei?“ Fragte dieser natürlich sofort nach, hatte dieser doch gesagt gehabt, dass es vier Männer wären.

„Ja, drei…“ Kam es dann kleinlaut von Kai und nun sahen ihn alle gespannt an.

„Und?“ Hakte Ryo nach und Kai sah erst seine Kumpels an, ehe er zum Boss sah.
 

„Person Nummer vier ist eine Frau.“
 

Der Boss lachte sofort los und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Eine Frau? Stellt das etwa ein Problem für dich dar?“ Wollte er wissen, denn das Kai so gezögert hatte, war nicht gerade unauffällig.

„Frauen werden unterschätzt. Denk also nicht einmal daran, sie irgendwie verschonen zu können.“ Knurrte ihr Boss dann auf einmal und sah erst Kai, dann Reita ernst an. Natürlich bestand die Gefahr des Zögerns. Wer möchte denn schon gerne eine Frau erschießen? Wobei es für Reita keinen Unterschied machte, ob es ein Mann, oder eine Frau war. Beide würde er erschießen, wenn sie für den Falschen arbeiten. Ganz einfach!
 

Apropos erschießen…
 

„Meine Waffe?“ Entwich es dem Maskenträger auf einmal panisch. Man hatte ihm die Pistole aus der Hand geschossen und danach hatte er sie nicht mehr wiedergesehen. Mist! Die hat die Polizei doch bestimmt schon gefunden. Er spürte etwas auf seinem Oberschenkel, dachte erst, dass ihm Kazuki eine Hand auf diesen gelegt hatte, um ihn zu beruhigen, doch dann sah er sie. Seine Waffe!

Sofort nahm er sie in die Hände und besah sie sich genauer.

„Ich musste sie benutzen, weil wir keine Zeit hatten, eine andere Waffe zu organisieren.“

„Egal!“ Antwortete Reita sofort und umklammerte sie regelrecht. Automatisch ging es ihm noch besser.
 

„Sammelt alles, was es über diese Frau zu finden gibt. Drei Tage, dann muss es weiter gehen!“ Stellte ihnen der Boss nun ein Ultimatum und deutete mit einer Handbewegung, dass die Vier nun verschwinden sollten. „Heißt das, ich darf…?“ Begann Reita zu fragen, worauf sein Gegenüber nickte. „Zu Hause bist du jetzt am besten aufgehoben. Am Ende des dritten Tages werde ich anrufen und nach dem Stand fragen. Und jetzt geht.“ Sofort standen die Jungs auf und liefen los, wobei es bei Reita eher nach Humpeln aussah.
 

„Geht es?“ Fragte Kai sofort, nachdem hinter ihnen die Türe ins Schloss fiel. Er nickte nur und kämpfte sich weiter vorwärts. „Ich bring euch nach Hause. Und morgen treffen wir uns dann bei euch und gehen einmal alles durch, was wir zu dieser Frau finden können.“ Da war Ryo wirklich gespannt, was das für eine Person war. „Klingt doch nach einem guten Plan!“ Pflichtete Kazuki ihrem Fahrer bei und somit liefen sie, mit einem neuen Plan in der Tasche, zum Auto.
 

Ryo brachte alle nach Hause und Reita konnte kaum beschreiben, wie froh er war, endlich wieder in seinen eigenen vier Wänden zu sein. „Willkommen zurück.“ Hörte er seinen Mitbewohner, als dieser die Türe geöffnet und ihn reingelassen hatte. Lächelnd ging der Maskenträger rein und humpelte erst einmal in sein Zimmer und ließ sich auf sein Bett fallen. „Du glaubst nicht, wie ich dieses Bett vermisst habe!“ Kai war ihm gefolgt, blieb in der Türe stehen und musterte seinen Kollegen schmunzelnd. „Brauchst du noch etwas?“ Wollte dieser nun wissen. Reita musterte ihn, stand schon wieder vom Bett auf und humpelte mit der Krücke wieder los „Eine Dusche und Bier.“ Antwortete er grinsend und ging an Kai vorbei.
 

„Komm gleich einfach rum.“ Sagte der Braunhaarige und ließ Reita nun seine Ruhe. Dieser ging ins Badezimmer, kämpfte sich aus seinen Klamotten und stellte sich unter die Dusche. Zuerst war das Wasser so kalt, dass er zusammenzuckte, doch kurz darauf wurde es angenehm warm und er schloss seufzend die Augen. Das tat so unsagbar gut! Etwas länger als nötig, stand er unter der Dusche, machte sich mal wieder richtig sauber, da er das auf der Krankenstation eher weniger gemacht hatte und kam etwas fitter, frisch geduscht und gut duftend wieder in seinem Zimmer an.
 

Er zog sich saubere Klamotten an, warf die nervige Krücke einfach in eine Ecke und humpelte in die Küche.

„Ich hab‘ schon zwei Flaschen hier!“ Rief Kai auf einmal durch die Wohnung. Er hätte fast vergessen, dass der Kerl ein unglaubliches Gehör hat, wenn es darum ging, etwas aus der Küche zu holen. Also humpelte er nun in dessen Zimmer und setzte sich, wie immer, auf den Boden vor sein Bett und bekam schon von ihm eine geöffnete Flasche Bier.

Sie prosteten sich zu, tranken erst einmal einen Schluck, ehe Reita zu ihm aufsah.

„Wie ist es denn dir in der Zeit ergangen?“ Wollte er nun wissen. Was Kai wohl durchgemacht hatte?

„Geht so… ich hab mir wirklich Sorgen gemacht und mir vorgestellt, wie es ist, dich tot aufzufinden… oder gar nicht mehr zu finden…“ Gestand er leise und biss sich auf die Unterlippe. Scheinbar ging ihm die ganze Sache noch jetzt ziemlich nah. „Aber zum Glück habt ihr mich gefunden.“ Entwich es ihm, nahm noch einmal einen Schluck und seufzte angetan. „Denk nicht mehr daran. Es ist alles wieder gut, ich bin wieder da und lebe noch.“ Sein gegenüber nickte stumm, nahm mehrere große Schluck von seinem Bier und lehnte sich dann an die Wand zurück.
 

„Mach das nie wieder!“ Ermahnte er ihn auf einmal. Verwirrt sah Reita ihn an, lächelte und schüttelte den Kopf.

„Klar… das nächste Mal sage ich dem Entführer einfach, dass er es lassen soll, damit sich mein Mitbewohner keine Sorgen machen muss!“

„Zum Beispiel.“ Kai lachte los, steckte Reita damit an und so lachten sie einfach, tranken weiter ihr Bier und quatschten noch etwas, ehe sie auch schon ins Bett gingen.

Sie mussten am nächsten Tag noch einiges schaffen, da sollten sie ausgeschlafen sein.
 

In dieser Nacht schlief er so gut, wie wohl noch nie in seinem Leben. Erst sehr spät schaffte er es, aus dem Bett zu kommen. Nur langsam bewegte er sich wieder ins Badezimmer, um sich frisch zu machen, um wenig später in Jogginghose und Shirt in der Küche zu sitzen und an seinem Kaffee zu nippen. Ihm war sofort aufgefallen, dass es ziemlich ruhig in der Wohnung war. Kai fehlte. Das störte ihn nicht wirklich. Sein Mitbewohner sollte ruhig machen, wonach er nun Lust hatte, schließlich konnte dieser nun beruhigter seinen privaten Dingen nachgehen.

Doch gerade mal nach dem dritten Schluck Kaffee, öffnete sich die Haustüre und sein Mitbewohner betrat gemeinsam mit Ryo die Wohnung.
 

„Auch mal wach?“ Stichelte der Braunhaarige sofort drauf los, schließlich sah man ja anhand des Kaffees, dass Reita noch nicht lange wach war. Und es war schon nach 14 Uhr! „Hey Kumpel!“ Begrüßte ihn Ryo und setzte sich direkt zu ihm an den Tisch, während Kai zwei Tüten auspackte. „Ich war mehr bei Ryo, als hier. Dementsprechend sah auch der Kühlschrank aus…“ Erklärte er ihm und räumte nun die Einkäufe weg.

„Kazuki ist auch schon auf dem Weg.“ Informierte ihr Fahrer sie nach einem Blick auf sein Handy, ehe er sich zurücklehnte und sich kurz streckte. „Ich bin echt gespannt, was es mit dieser Frau auf sich hat. Und wie sie so drauf ist…“

Gab Kai nachdenklich von sich, nachdem er sich zu ihnen gesetzt hatte. Bisher hatten sie immer nur Männer aus dem Weg räumen müssen. Das war also mal eine interessante Abwechslung.

„Egal wer sie ist und wie sie so drauf ist… zum Schluss wird es für sie genauso enden, wie für ihre Kollegen.“

Sagte Reita locker und trank seinen Kaffee nun leer.
 

Er wird definitiv nicht davor zurückschrecken, eine Frau zu erschießen. Sie arbeitet für den falschen Mann, den falschen Clan, also musste das sein. Keine Diskussion.
 

Der Maskenträger stand auf, humpelte zur Spüle und stellte die Tasse weg.

„Nimm die Krücke.“ Murrte Kai, doch der Angesprochene sah ihn nur genervt an. „Nein… das Ding nervt. Und das Bein zu belasten ist vielleicht gar nicht so schlecht. Irgendwann muss ich ja mal wieder vernünftig laufen können.“ Und wie sollte sich sein Bein an die Belastung sonst gewöhnen, wenn nicht so?

Die Türklingel kündigte Kazuki an und sofort machte sich Reita auf den Weg. Natürlich zwickte das Bein noch ein wenig und so einfach war es nicht, es zu belasten. Aber das wird schon wieder! Er drückte den kleinen Knopf neben der Türe, um die Haustür zu öffnen und zog dann die Wohnungstüre auf. Kazuki trat vor ihn, der ihn musterte und einen leichten Schmollmund zog. „Was ist das denn für eine lieblose Begrüßung? Da kenne ich dich aber besser!“ Schmunzelnd lief er an ihm vorbei, blieb neben der Türe stehen und musterte Reita.
 

„Erste Nacht gut überstanden?“ Fragte er ihn. Er schloss die Türe und nickte. „Mehr als gut!“ Antwortete er und humpelte zurück zur Küche. „Nimm die Krücke, Reita. Das sieht echt ungesund aus.“ Riet ihm der Hacker, doch Reita schüttelte den Kopf. Um seine Sturköpfigkeit zu untergraben, stellte ihm das Schicksal doch tatsächlich ein Bein. Ein kurzer, stechender Schmerz durchzog seinen Oberschenkel, was dazu führte, dass er das Gleichgewicht verlor und gegen Kazuki stieß.

„Hey!“ Beschwerte sich dieser, geriet jedoch selber ins Taumeln und klammerte sich aus Reflex an den Anderen, ehe er mit dem Rücken gegen die Wand knallte und die Schwerkraft sie Beide auf den Boden krachen ließ.
 

So saß Kazuki auf dem Boden, hatte Reita zwischen seinen Beinen liegen, dessen Kopf nun an seinem Bauch lag. Kazuki fuhr ihm durch die Haare und grinste etwas.

„Rei… doch nicht so stürmisch. Sollten wir das nicht lieber in deinem Zimmer machen, statt hier im Flur?“

Erschrocken sah dieser zu ihm hoch und bekam von ihm einen gehauchten Luftkuss, ehe er zwinkerte.

„Spinner.“ Murrte Reita und sah im Augenwinkel, dass Kai und Ryo im Türrahmen der Küche standen und die Szene musterten, die sie gerade sahen.

Sofort kämpfte sich der Maskenträger auf die Beine und sah zu Kazuki, der noch immer grinsend auf dem Boden saß.
 

„Ich hab einfach nichts gesehen.“ Entwich es Kai, der wieder in die Küche ging. Ryo grinste und folgte ihm in den Raum hinein. Erst jetzt stand Kazuki vom Boden auf und sah Reita an, ehe er mit diesem in die Küche ging. Sie versammelten sich am Tisch, wo bereits das Notebook stand und einsatzbereit war.

„Sicher, dass du auf die Krücke verzichten willst? Das sah gerade wirklich nicht gut aus.“ Versuchte Kazuki, an der Vernunft des Verletzten zu appellieren, doch dieser sah ihn nur ernst an.

„Es dauert bestimmt nicht mehr lange, bis es besser geht.“ Zumindest hoffte Reita das.

„Ich verstehe nur nicht, dass es am Bein so lange dauert. Deinem Arm geht es doch gut, oder?“ Hakte Ryo nun nach.
 

Der Maskenträger nickte, sah aber auf sein Bein runter und fuhr sich mit der Hand über die Stelle, wo ihn die Kugel getroffen hatte. „Als er mir die Kugel rausgezogen hatte, hat er einen Muskel beschädigt. Deswegen dauert es etwas länger, als an der Schulter.“ Besser konnte er es nicht erklären, denn der Arzt hatte ihm das so ausschweifend und vollgepackt mit Fachbegriffen erklärt, dass er es eigentlich nicht wirklich verstanden hatte.

„Das wird schon wieder… lasst uns lieber über neue Informationen reden.“

Der Braunhaarige versuchte, das Thema zu wechseln und hatte damit sofort Erfolg.
 

„Hast du denn schon etwas Genaueres herausgefunden?“ Fragte Kazuki nun, stützte den Ellbogen seines rechten Arms auf dem Tisch ab, legte das Kinn auf der Hand ab und sah zu ihm rüber. „Ein bisschen…“ Sofort begann Kai, auf dem Notebook herum zu tippen und drehte es dann zu ihnen um.

„Miyako Kanegawa.“ Begann Ryo, vom Bildschirm abzulesen. „30 Jahre, alleinstehend und…“
 

Er stoppte, musste grinsen und sah Kai an.

„Echt?“ Der Braunhaarige nickte und jetzt beugte sich Kazuki zum Notebook, weil er wohl nicht länger auf weitere Informationen warten wollte.
 

„Sie besitzt einen Club?“ Fragte dieser und hob eine Augenbraue.
 

„Was grinst du da so?“ Wollte er nun von Ryo wissen, doch Reita kam ihm zuvor, dass zu erklären:

„Viel Alkohol, gute Musik und die Chance, ihr näher zu kommen.“

„Uuuuh~ gefällt mir!“ Entwich es Kazuki sofort und er sah grinsend zu Kai. „Dann opferst du dich für uns? Das nenne ich Einsatz!“ Irritiert musterte Kai einen nach dem Anderen. „Wie? Versteh ich nicht…“ Lachend lehnte sich Ryo zurück und klopfte ihm auf die Schulter. „Du stehst doch auf Frauen… und in einem Club kann viel passieren. Vielleicht ist das die Chance. Einfach um den Finger wickeln, abschleppen und abmurksen.“
 

‘Einfach‘… sehr witzig!
 

„Du schaffst das schon.“ Bekräftigte Kazuki die Idee und zeigte ihm ein ‘Daumen hoch‘. Was sollte da schon bei schiefgehen? Etwas trinken, eine Frau anbaggern und fertig. Klar, es wäre besser, wenn er mit ein bisschen Verstand an die Sache rangeht, aber das sollte der Braunhaarige schon schaffen! „Ich komm auch mit.“ Bot sich Ryo an und nun nickte Kai vorsichtig. „Okay… ich kann es ja zumindest mal versuchen.“

Schmunzelnd musterte Reita seinen besten Freund. Der arme Kerl musste manchmal schon ganz schön was mitmachen, doch was sollte dieses Mal passieren? Es wird schon nicht so enden, wie mit dem Dozenten von der Uni. „Trink nur nicht zu viel!“ Gab Kazuki noch seine Bedenken dazu, ehe er aufstand und sich streckte. „Gut… dann viel Spaß morgen.“
 

„M…morgen?“
 

„Ja klar. Je eher wir das machen, desto besser.“ Antwortete Ryo zuversichtlich, klopfte ihm auf die Schulter und stand auch auf. „Ich hol dich morgen ab und spiele wie immer den Fahrer, damit du etwas trinken kannst.“ Damit verabschiedeten sich die Beiden.
 

„Guck nicht so.“ Auch der Maskenträger stand auf und humpelte langsam aus dem Raum raus. „Du kriegst das schon hin.“ Er war zuversichtlich, dass sein bester Freund das schon schaffen wird!

Nightlife (Kai)

Etwas nervös stand er am nächsten Abend vor dem Spiegel und zupfte sein Shirt zurecht. Er wusste nicht, was er anziehen sollte, entschied sich für eine schlichte, schwarze Hose, einem weinroten Shirt und einer dunkelbraunen Lederjacke. Es half ihm auch nicht gerade, dass Reita ihn beobachtete und dabei so dumm grinste.

„Wenn du so weiter grinst, schicke ich dich mit Ryo dahin!“ Knurrte er ihn an und kämpfte gerade noch mit den Haaren.

„Nein danke. Ich steh nicht so auf Frauen.“ Antwortete sein Mitbewohner grinsend, ließ ihn dann aber in Ruhe und zog ab.
 

Seufzend richtete er sich die Haare und kaum hatte er das geschafft, klingelte es auch schon an der Türe. Sofort flitzte er los und ließ Ryo in die Wohnung. Lächelnd betrat dieser ihre vier Wände und nickte ihm zu.

„Siehst gut aus. Vielleicht klappt es ja wirklich.“ Hörte er ihn sagen und ging mit ihm noch einmal kurz in die Küche. Ihr Fahrer machte sich nicht die Mühe, seinen Mitbewohner zu begrüßen, da sie eh bald wieder losgehen würden. Plötzlich hielt ihm der Andere sein Handy vor die Nase. „Das ist sie. Merk dir das Gesicht. Je nachdem wie voll es da ist, müssen wir Ausschau halten.“ Erklärte er ihm und zog noch etwas aus der Tasche. „Und das hier nimmst du auch.“ Er reichte ihm ein kleines Fläschchen, das man auch als ‘Klopfer‘ kennt.
 

„Was ist das?“ Fragte er misstrauisch und hob eine Augenbraue. „Ich hab eine Schlaftablette zerdrückt und in dem Wasser da drin aufgelöst. Wenn du ihr das in den Drink mixt, wird es ganz einfach sie zu überrumpeln und aus dem Laden zu kriegen.“

„Denkst du nicht, wenn sie müde wird, dass sie dann einfach nach Hause geht?“

„Und wenn? Dann mach sie richtig an und du kannst mit. Dann hast du eine schöne Nacht, weißt wo sie wohnt und es wird umso einfacher, Reita einzuschalten.“

Das klang eigentlich gar nicht mal so schlecht. Es musste nur noch funktionieren. „Dann los.“ Sagte Kai seufzend, war trotz des Plans wenig begeistert, lief dann aber auch schon mit Ryo los.
 

Sie brauchten mit dem Auto nicht lange, ehe sie beim Club ankamen. Von außen deutete nichts darauf hin, wie es in dem Club aussah und abgeht. Also wagten sie sich in das Nachtleben und betraten den Club. Sofort schien die Wärme in dem Laden ihnen ins Gesicht zu schlagen. Es war schon jetzt unglaublich gut besucht, die Musik war laut, bunte Lichter tanzten und flackerten durch den Raum.
 

Sie nahmen in einer hinteren Sitzecke Platz und sahen sich erst einmal um. Sehr groß war der Club nicht. Es gab eine kleine Tanzfläche links von ihnen, rechts befand sich die Theke und hinter der Theke befand sich eine Türe, auf der ‘Privat‘ stand. Von ihnen aus gesehen noch vor der Theke ging es zu den Toiletten.

Außer der Tanzfläche und einen schmalen Weg an der Theke entlang, gab es kaum Platz, da der Rest vollgestellt war mit Tischen samt Bestuhlung. Auf jedem Tisch gab es eine kleine LED-Kugel und jede leuchtete gefühlt in einer anderen Farbe. Daneben lag die Getränkekarte.
 

Während Kai sich schon mal durch die Karte suchte, blickte sich Ryo noch etwas um. „Und? Was nimmst du?“ Fragte ihn dann auf einmal der Fahrer und Kai sah auf. „Hmm… der Tequila Sunrise sieht ganz gut aus.“ Er wusste nur leider nicht, ob ihm das schmeckt. Aber Probieren geht nun mal über Studieren. „Okay. Bestell ich dir.“ Und schon sprang der Schwarzhaarige auf und lief zur Bar, um ihre Bestellung abzugeben.

Während dessen sah auch Kai noch einmal durch den Raum. Es waren wirklich viele Leute anwesend. Hauptsächlich waren es Männer- oder Frauengruppen. Teilweise sah man auch einen Kerl mit einer Frau rumknutschen, aber das war es auch schon. Als sein Kollege wieder dazu kam, hatte er einen Sunrise und eine Cola dabei.
 

„Miyako ist angeblich da. Sie rennt wohl in diesem Privatbereich rum.“ Informierte ihn der Fahrer und setzte sich wieder hin. „Dann auf einen schönen Abend.“ Sagte Kai und hob sein Glas an und sein Gegenüber tat es ihm gleich. „Auf die Arbeit.“ Grinsend nahm er dann einen Schluck von der Cola und Kai probierte erst einmal den Drink. „Der ist gut. Etwas süß, aber gut.“

„Wie kommt’s, dass du Cocktails probierst. Ich dachte, du bist eher der Biertrinker.“

„Bin ich eigentlich auch, aber ich wollte einfach mal etwas Neues probieren.“

Ryo lächelte, sah kurz zur Seite, ehe er ihn mit dem Fuß anstupste und mit einer Kopfbewegung zur Bar deutete. „Dann probier gleich noch etwas anderes Neues.“ Verwirrt musterte er den Anderen, ehe er zur Theke sah und Miyako dort entdeckte. Zwar saßen sie etwas weiter weg, aber das, was er sah, sagte ihm doch sehr zu.
 

Leider war er noch nie der Typ, der Frauen einfach so anquatschen konnte. Und wahrscheinlich wird das nicht einmal sehr erfolgreich enden, aber er musste es ja auch irgendwie versuchen. „Okay.“ Voller Tatendrang stand er auf, lief zur Bar und passte einen Moment ab, in dem Miyako alleine hinter der Theke stand und beugte sich zu ihr rüber. „Entschuldigung?“ Keifte er gegen die Musik an. Sofort drehte sie sich zu ihm um, beugte sich zu ihm nach vorne und ließ direkte Blicke in ihren Ausschnitt zu.
 

Kurz starrte er genau dort hin, ehe sie ihn mit einem ‘was möchtest du?‘ aus den Gedanken riss. Sie sah ihn so ernst an, dass er einfach nichts sagen konnte. Wenn sie wirklich die Besitzerin des Clubs war, konnte er den Gesichtsausdruck verstehen, denn so ein Abend war bestimmt Stress pur! „Ähm… ein Bier.“ Keifte er ihr entgegen und sie nickte. Sofort drehte sie sich zum Schrank um, nahm ein Bierglas und zapfte es auch direkt.

Sie legte ihm einen Bierdeckel vor die Nase, stellte das Glas drauf ab und musterte ihn noch einmal. „Noch etwas?“ Verwirrt schüttelte er den Kopf und schon ließ sie ihn stehen. Puh, schwierige Sache. Er schnappte sich das Bier und ging zurück zu Ryo, der noch am Tisch saß und die Szene wohl beobachtet hatte. „Warte noch etwas ab.“ Riet er ihm einfach. Wahrscheinlich war es noch zu früh und die Frau noch zu gestresst von der Arbeit.

Deswegen wartete er.
 

Vier Stunden und mehrere Bier, sowie zwei Cocktails später, saß Kai etwas hibbeliger auf dem Stuhl. Miyako sprang nur noch hinter der Theke herum, wirkte immer lockerer, wodurch er selber nervöser wurde. „Na los. Geh zu ihr, bevor du mir noch hier am Tisch vor Nervosität platzt.“ Schickte ihn Ryo grinsend weg. Er protestierte auch gar nicht erst sondern lief wirklich sofort los und versuchte wieder, an Miyako ran zu kommen.

Sofort fiel ihm auf, dass sie entspannter und netter wirkte, denn mittlerweile konnte sie lächeln!

„Du schon wieder?“ Fragte sie ihn laut, aber lieb lächelnd und beugte sich sogleich nah an ihn.

„Was darf es jetzt für dich sein?“ Wollte sie wissen und nun setzte er alles auf eine Karte.
 

„Ein Bier und deine Nummer!“

Rief er gegen die Musik an und sah sofort, dass ihr kurz das Lächeln verging. Wahrscheinlich wusste sie gerade nicht, ob sie sich verhört hatte, oder ob er das wirklich gesagt hatte.
 

„Witzig.“ Antwortete sie nur, ließ einen Kollegen dann das Bier zapfen und verschwand an eine andere Stelle der Bar.

Ja toll. Das war mal voll der Schuss in den Ofen! Flirten kann er!

Nicht.
 

Der Typ vor ihm hatte sein Bier gezapft und sofort war Miyako wieder da, legte einen Bierdeckel vor ihm ab, nahm dem Kerl das Glas ab und stellte es darauf ab. Und schon waren Beide wieder weg. Murrend nahm er das Glas, entdeckte aber sofort auf dem Bierdeckel etwas, was normalerweise nicht auf einem Bierdeckel war.

Fragend nahm er den Bierdeckel in die Hand und sah ihn sich an, ehe er nach Miyako Ausschau hielt. Ihre Blicke trafen sich, sie lächelte ihn an und drehte sich dann wieder weg.

Mit dem Bierdeckel und dem Glas kam er zu Ryo zurück und reichte ihm sofort den Deckel. Dieser besah sich das Ding und sah dann grinsend zu ihm. „Wie hast du das geschafft?“ Triumphierend setzte er sich ihm gegenüber wieder an den Tisch und zuckte lächelnd mit den Schultern. „Ich hab eigentlich nach ihrer Nummer gefragt…“

„Dann hat sie wohl statt ‘deine Nummer‘ wohl eher ‘eine Nummer‘ verstanden.“ Lachte Ryo los und gab ihm den Bierdeckel zurück auf dem klar und deutlich ‘in 30 min. draußen‘ stand. Ob es wirklich das bedeutete, was sie dachten, werden sie später schon sehen.
 

In den nächsten 30 Minuten trank Kai sein Bier auf, checkte auf der Toilette noch einmal, ob er Ryos kleine Mixtur noch unbeschadet in der Tasche hatte und lief dann an diesem vorbei nach draußen. Mittlerweile war es nach Mitternacht und relativ frisch.

Er zog den Reißverschluss der Jacke bis ganz nach Oben, schob sich die Hände in die Hosentaschen und sah sich um. Miyako sah er nirgendwo. Ob sie ihn verarscht hatte? Nun kam er sich schon recht dämlich vor und wollte gerade wieder reingehen, als sie ebenfalls aus dem Laden kam und ihn anlächelte.

„Da bist du ja schon, mein Hübscher.“ Hörte er sie sagen, ehe sie auch schon vor ihm stand.
 

Sie trug eine dunkelblaue Hotpants, hatte eine dunkle, durchsichtige Strumpfhose und dazu schwarze Boots an. Ihr grün-blaues Top mit dem tiefen Ausschnitt wurde nun durch eine dicke, schwarze Jacke verdeckt. In diesem Outfit würde sie sich hier draußen ziemlich schnell den Tod holen! Da war sich der Braunhaarige sicher.

Sie nickte in eine Richtung und lief los. Kai folgte ihr erst stumm, schloss dann aber zu ihr auf und lief neben ihr die Straßen entlang. „Normalerweise nehme ich keine Unbekannten mit nach Hause.“ Hörte er sie leise sagen, sah sie an und bemerkte, dass sie grinste und ihn nun auch wieder ansah. „Aber heute kommst du mir ganz gelegen.“ Er war verwirrt. Sehr sogar! Aber er wollte das lieber nicht hinterfragen, sondern lief mit ihr weiter, bis sie an einem kleinen Haus ankamen.
 

Es war etwas größer als das Haus, in dem er mit Reita wohnte, aber trotzdem nicht viel größer. „Ich wohne ganz oben.“ Sagte sie und nahm ihn auch gleich mit hinein. Ein Fahrstuhl brachte sie in den vierten Stock. Es gab nur eine Türe, die Miyako nun öffnete und ihn mit in ihre Wohnung nahm. Noch immer verstand er nicht, warum das so einfach war, aber er freute sich auch, denn sonst hatte er es mit seinen ganzen Aufträgen nicht so einfach gehabt.

Dieser Abend war dann doch mal eine schöne Abwechslung.

Sie zog sich direkt die Boots und die Jacke aus, bat Kai, es ebenfalls zu tun und nahm ihn auch schon am Handgelenk mit.
 

„Ich bin Miyako. Und du heißt…?“ Ach du… er hatte sich nicht einmal vorgestellt! Und trotzdem war er in ihrer Wohnung? Es kam ihm nur noch merkwürdiger vor. „Kai…to.“ Das war knapp! Irgendwie konnte er sich gerade nicht so richtig konzentrieren. Er starrte viel lieber auf den schönen Hintern, der vor ihm wackelte.

Er mochte ihren Körper. Zumindest war er von dem begeistert, was er sah. Sehr sogar!

„Gut, Kaito. Dann hilf mir, meine schlechte Laune los zu werden.“
 

„Schlechte Laune?“
 

Sie schnaubte und zog ihn mit ins Schlafzimmer. Sofort sah er das große Bett mit rotem Bezug. Das Bett war fast so groß wie der Raum. Da passten bestimmt fünf Leute neben einander drauf!

„Mir hat heute der Lieferant für den Vodka gekündigt und ich habe keine Ahnung, wo ich wieder so guten und preiswerten Vodka herkriegen soll.“ Knurrte sie sichtlich wütend und drehte sich zu ihm um. „Deswegen passt es mir gut in den Kram.“ Sie legte die Arme um seinen Hals und zog ihn an sich. Dabei bemerkte er, dass sie ein kleinwenig kleiner war, als er. Wenigstens das lief doch schon mal gut. „Ich hoffe du taugst was.“ Hauchte sie ihm ins Ohr, was ihm sofort eine Gänsehaut bescherte, ehe sie ihn umdrehte und ohne Vorwarnung auf das Bett schubste.
 

Erschrocken sah er zu ihr, wie sie vor ihm stand, sich von ihrer Hotpants und Strumpfhose befreite, ehe sie sich auf seinen Schoß setzte, grinste und sich zu ihm runter beugte.

„Entschuldige, falls ich etwas zu wild bin.“ Flüsterte sie ihm nun zu, begann, an seinem Hals zu knabbern, ehe sie ihn stürmisch küsste und sein Shirt schon nach oben schob.

Doch zu 100 Prozent konnte er sich noch nicht darauf einlassen. Hatte er jetzt tatsächlich so viel Glück, oder würde sie ihn gleich mit seinem eigenen Shirt erwürgen, weil sie genau wusste, wer er war?

Sie schien seine Bedenken bemerkt zu haben und sah ihm in die Augen.
 

„Wenn du nicht willst, kannst du wieder gehen.“ Er starrte sie an, schüttelte aber den Kopf. Verdammt, er hätte lieber gehen sollen, doch er hatte ohne Sinn und Verstand einfach den Kopf geschüttelt. Und kurz darauf zog sie sich ihr Top aus, setzte sich nun genau auf seine Körpermitte, ergriff seine Hände und legte sie sich an die Hüfte.

„Na komm, mein Hübscher. Ich werde hier nicht alles alleine machen!“

Er sah ihr stumm in die Augen, schluckte und sah nun runter auf seine Hände, fuhr mit diesen ihren Oberkörper rauf und langsam konnte er abschalten.
 


 

Als er am nächsten Morgen die Augen öffnete, brummte ihm etwas der Schädel. Hatte er doch so viel getrunken? Es waren zwar einige Gläser Bier und auch einige Cocktails die er getrunken hatte, aber so viel nun auch wieder nicht. Oder?

Sofort fiel ihm auf, dass das nicht sein Bett und definitiv nicht sein Zimmer war! Als er zur Seite sah, sah er eine nackte, schlafende Frau. Die Bettdecke bedeckte gerade mal ihren Bauch, den Intimbereich und ein kleines Stück ihrer Oberschenkel. Sie lag auf dem Rücken, das Gesicht zu ihm gewandt und schien tief und fest zu schlafen.
 

Als er sich an die Nacht erinnerte, musste er grinsen. Sie hatte ihre schlechte Laune nicht nur einmal an ihm ausgelassen, das wusste er noch zu gut. Doch er wollte dann doch lieber erst einmal daran denken, zu verschwinden. Er konnte durch die Vorhänge am Fenster nicht genau erkennen, wie spät es war, also stand er einfach vorsichtig auf, schnappte sich seine Anziehsachen und schlich sich aus dem Zimmer.

Erst vor der Wohnungstüre zog er sich seine Klamotten an, kontrollierte, ob noch alles da war und als er sowohl Schlüssel, als auch Handy und Ryos Fläschchen gefunden hatte, zog er sich seine Schuhe und die Jacke an, ehe er aus der Wohnung und dem kompletten Haus verschwand.
 

Erst draußen auf der Straße, sah er auf sein Handy. Er hatte eine Nachricht von Ryo, der ihm noch viel Spaß gewünscht hatte. Erst dann sah er, dass es erst kurz nach 9 Uhr morgens war. Je eher er da wegkam, desto besser. Also merkte er sich die Adresse und lief nach Hause.

Kaum war er zu Hause, fühlte er sich tierisch müde, da er in der vergangenen Nacht nicht viel Schlaf hatte. So leise wie möglich schloss er die Wohnungstüre wieder hinter sich, lehnte sich seufzend an diese und ließ sich auf den Boden gleiten. Was für eine Nacht!
 

Scheinbar war er nicht der Einzige, der ein halbwegs gutes Gehör hatte, denn auf einmal tauchte sein Mitbewohner vor ihm auf. Dessen Haare standen in alle Richtungen ab und er sah unglaublich verschlafen aus. Wahrscheinlich ist er gerade erst aufgestanden. Ihre Blicke trafen sich und auf einmal grinste ihn sein bester Freund breit an. „Sag nichts!“ Sagte er sofort und rappelte sich vom Boden hoch und lief an ihm vorbei ins Badezimmer, um erst einmal ausgiebig zu duschen.

Als er fertig war, folgte er dem Kaffeeduft in die Küche und setzte sich zu Reita an den Tisch.

„Lief wohl gut?“ Fragte dieser ihn dann. Erst, nachdem er ein paarmal am Kaffee genippt hatte, nickte er und sah ihn an.

„Ich hab ihre Adresse.“ Gab er sofort die beste Information preis, die er herausgefunden hatte. „Perfekt.“ Vernahm er von seinem Mitbewohner, der den Kaffee genüsslich trank und ihn noch immer angrinste.
 

„Guck doch nicht so. Als ob du noch nie Sex hattest.“

Er zog eine kleine Schnute, sah nun weg und trank weiter seinen Kaffee.

Zum Glück ließ sein Mitbewohner das Thema weiterhin unkommentiert. „Wie war denn dein Abend?“ Fragte er ihn nun und sah ihn dann wieder an.

„Ich habe mich mit Yuu getroffen.“ Verkündete der Schwarzhaarige, wirkte aber irgendwie nicht gerade gut gelaunt dabei. „Was ist passiert?“ Hakte Kai deswegen etwas genauer nach und legte die Stirn in Falten.
 

„Dadurch, dass ich so lange außer Gefecht war, konnte ich mich nicht bei ihm melden. Als ich mein Handy gestern an gemacht habe, dachte ich, ich spinne.“ Begann er und nahm noch einen Schluck Kaffee. „Unzählige verpasste Anrufe und ziemlich viele Nachrichten.“ Erklärte er ihm dann und tippte immer wieder mit den Fingern gegen die Tasse.

„Natürlich habe ich mich sofort bei ihm gemeldet und er wollte sich mit mir treffen.“

Noch immer wirkte Reita nicht gerade froh, als er das erzählte.
 

Zwar hatte Kai da nur einen kleinen Plan geschmiedet und verfolgte somit ein gewisses Ziel, doch es kam ihm auch so vor, als würde sein Mitbewohner wirklich auf den Polizisten stehen. Ob nun rein körperlich oder wirklich von Herzen, konnte er nicht beantworten, aber es schien mehr zu sein, als nur eine Lüge.

„Nun sag schon, was los ist!“ Forderte er neugierig und trank seinen Kaffee. Doch bei Reitas folgenden Worten, verschluckte er sich glatt an der schwarzen Brühe und wusste nicht, ob er ihn da verarschte, oder es ernst meinte:
 

„Er hat Schluss gemacht.“

Termination (Yuu)

Seit so vielen Tagen hatte sich Akira nicht bei ihm gemeldet. Immer wieder musste er an ihn denken, machte sich immer größere Sorgen um ihn, doch er wollte ihn nicht ständig anrufen, nicht immer und immer wieder eine Nachricht schreiben.

Sein Partner hatte während der Arbeit immer wieder versucht, ihm gut zu zu reden, dass er sich beruhigen und ihm vertrauen sollte. Doch es passierte nichts. Sein Freund antwortete ihm nicht mehr und es schmerzte. Er hatte gedacht, dass sie sich alles sagen würden, falls etwas sein sollte. Natürlich tat das weh!
 

Auch Sato gab sein Bestes, ihn aufzubauen, doch es brachte nichts. Sonst half es immer, mit ihm zu reden, doch dieses Mal leider nicht. Nur die Arbeit konnte ihn ablenken. Die Arbeit und sein Kollege. Jin. Mittlerweile verstanden sie sich wirklich gut, hatten sich auch nach der Arbeit hin und wieder mal getroffen.

Da sie zwei Tage frei hatten, um danach auf die Spätschicht zu gehen, wollten sie etwas mehr Zeit zusammen verbringen, um sich noch besser kennen zu lernen. Anders verlief es damals bei Sato auch nicht, also was sollte daran falsch sein?

Er wollte schließlich nur seinen Arbeitskollegen besser kennen lernen.

Sie hatten sich gegen Nachmittag in der Stadt getroffen, liefen etwas umher, aßen zusammen etwas und schlenderten gerade durch einen Elektromarkt. Viele PC’s, Notebooks, Kameras, DVD’s, CD’s und so weiter.
 

„Ziemlich große Auswahl.“ Hörte er Jin neben sich begeistert und lief mit ihm durch den Laden. Sie liefen gerade an den Filmen vorbei, sahen sich die verschiedenen Angebote genauer an und ergriffen zeitgleich den gleichen Film. Keiner von ihnen ließ die Packung los, sie sahen sich kurz stumm an, ehe Yuu etwas lächelte. Jin erwiderte das Lächeln und ließ vom Film ab. „Mir gefällt dein Filmgeschmack. Sollen wir den Film kaufen und ihn uns heute zusammen bei mir angucken?“ Schlug ihm sein Partner vor und der Schwarzhaarige musterte ihn kurz, überlegte etwas, ehe er lächelnd nickte.

„Klar, warum nicht?“

Hatte er mit Sato schon ziemlich oft gemacht.

Er nahm den Film an sich und lief noch etwas mit Jin weiter durch den Laden, doch viel fanden sie nicht, kauften also nur diese Blue-Ray und gingen dann wieder nach draußen. „Dann holen wir noch ein wenig Knabberzeug und etwas zu Trinken und gehen dann zu mir.“ Schlug Jin vor und so liefen sie auch schon in den nächsten Laden.

Ein paar Kekse, Chips und Cola wurden gekauft, ehe es auch schon zu Jin nach Hause ging. Das war das erste Mal, das Yuu bei ihm zu Hause war. Er entledigte sich seiner Jacke und den Schuhen, lief dem Anderen hinterher und befand sich dann auch schon im Wohnzimmer.
 

Es war ein großer Raum. Links stand ein Bücherregal, in der Mitte auf einem Teppich stand ein großes Sofa und ein kleiner Tisch. An der Wand davor befand sich ein Flachbildfernseher mit Sideboard und Anbauwand drum herum. Rechts waren ein großes Fenster und eine Türe, hinter der ein Balkon war. Ein Vorhang hinderte die Abendsonne daran, komplett den Raum mit Licht zu durchfluten.

Es waren sanfte Brauntöne in dem Zimmer und irgendwie wirkte es wirklich gemütlich, einladend und sofort fühlte er sich wohl. „Ich hab zwar Cola geholt, aber wenn du magst, kann ich dir auch Alkohol anbieten.“ Begann sein Partner, der gerade die Tüten mit den Keksen und Chips auf den Tisch gelegt hatte. Danach öffnete er einen Schrank und deutete hinein.

„Leider kann ich nur mit dem harten Zeug dienen.“ Lachte er dann, angelte eine Flasche Whiskey heraus und auf einmal vernahm er ein ‘Oh‘ von ihm. Dann zog Jin noch eine Flasche Rotwein hervor.

„Tada~“ Verkündete er seinen Fund und stellte ihn mit auf den Tisch.
 

„Oder bist du eher der Vodka-Fan? Oder Likör?“ Er zeigte nun auf den geschlossenen Schrank, um zu verdeutlichen, dass er das Zeug wohl auch da drin hatte. „Alles gut. Wein und Whiskey sollten in Ordnung sein.“ Er stand etwas unschlüssig im Raum und beobachtete den Anderen weiterhin.

„Setz dich. Ich hol noch Gläser, leg den Film ein und dann setze ich mich dazu.“

Sofort führte er das aus, was er verkündet hatte, holte zwei Gläser, die er auf den Tisch stellte, der nun ziemlich voll war, ehe er den Film einlegte und diesen sofort startete.

Er setzte sich neben ihn, schüttete erst den Wein ein und reichte ihm dann das Glas. „Ich hoffe, er schmeckt dir.“ Yuu roch an dem Glas, konnte aber dadurch nicht viel über den Wein herausfinden und nahm einen Schluck. Zwar war es ein trockener Wein, aber trotzdem schmeckte er ganz gut und somit nickte er zustimmend.

„Ja, der ist gut.“
 

Sie konzentrierten sich auf den Film, während sie nach und nach die Flasche leerten. Von dem Wein wurde ihm doch etwas schwummrig im Kopf, aber es ging. Noch hatte er einen klaren Verstand, kapierte noch alles, was im Film passierte und fühlte sich wirklich wohl bei Jin.

Als er zu eben diesem sah, war dieser vollkommen in den Film vertieft. Wahrscheinlich hätte Yuu jetzt alles sagen oder machen können, Jin hätte es nicht mitbekommen. Schmunzelnd sah er wieder zum Fernseher.
 

„Was ist so witzig?“
 

Ertappt sah er ihn sofort wieder an und nun trafen sich ihre Blicke. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass es mir nicht auffällt, wenn man mich anstarrt.“ Witzelte sein Sitznachbar und leerte nun sein Glas und hatte somit auch den letzten Schluck vom Wein vernichtet.

„Du sahst so vertieft aus. Ich hätte nicht gedacht, dass du noch irgendwas mitkriegst.“ Erklärte Yuu sein Schmunzeln und sah ihn weiterhin an. „Wenn mich ein hübsches Kerlchen anstarrt, bekomme ich das immer mit.“

Konterte er nur und sah dann wieder zum Fernseher, wo gerade das abschließende Gemetzel startete.

Gebannt sahen sie noch das Ende des Films, ehe Yuu seufzte.
 

„Ich sollte langsam nach Hause.“
 

„Warum?“
 

Irritiert sah er wieder zu ihm rüber. „Wollten wir uns nicht noch etwas besser kennen lernen?“ Hakte sein Partner nach und Yuu nickte. „Ich weiß zum Beispiel, dass du Wein magst. Sehr sogar. Und Horrorfilme.“

Wieder schmunzelte der Schwarzhaarige und nickte.

„Genau wie du.“ Gab er zurück und überlegte kurz. „Du magst definitiv Chips mehr, als Kekse.“ Sagte er nun und deutete auf den Tisch. Jin folgte seinem Fingerzeig und entdeckte die fast leer gefutterte Tüte Chips, wohingegen keiner die Kekse angefasst hatte.

„Du magst davon wohl nichts?“ Fragte er sofort mit großen Augen.

„Doch, aber das ist immer tagesabhängig. Heute war mir nicht danach.“

„Was magst du denn eher? Kekse oder Chips?“
 

Fiese Frage, denn das war nun echt nicht einfach.

„Chips. Davon kann man sehr viel essen, ohne das Gefühl zu haben, bald zu platzen.“ Erklärte er nun seine Vorliebe und Jin neben ihm lachte. „Das kann ich sehr gut nachvollziehen!“ Natürlich verstand er das, schließlich hatte er fast eine ganze Tüte alleine vernichtet und rollte noch nicht durch die Wohnung.

„Warum wolltest du unbedingt Polizist werden?“ Fragte Jin ihn auf einmal und wirkte ein wenig ernst.

„Naja…“ Begann er mit der Antwort.
 

„Diese Idee kam, als ich 15 Jahre alt war. Ich war mit zwei Freunden unterwegs und wir wurden von einer Gruppe älterer Jungs angepöbelt. Sato und seine Freunde haben uns geholfen. So habe ich meinen besten Freund kennen gelernt. Er wollte schon immer zur Polizei und irgendwie hat er mich damit angesteckt.“ Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, als er davon erzählte, denn das war der Moment, als er Sato kennen gelernt hatte. Und für ihn war es mit das Beste, was ihm im Leben passiert ist. Brauchte nicht jeder einen besten Freund?

„Und warum bist du zur Polizei gegangen?“

Jin lehnte sich seitlich zurück, legte einen Arm auf die Rückenlehne seiner Couch und stützte den Kopf mit der Hand ab.

Wie er ihn gerade ansah, so in Gedanken versunken…
 

„Ich hatte mich als Kind mal abends rausgeschlichen, als es dunkel war. Da war ich… 12? Auf jeden Fall habe ich gesehen, wie ein Mann mit einem Messer auf einen Passanten losging. Sofort habe ich mich versteckt, den Mann aber nicht aus den Augen gelassen. Ein anderer Passant gab sich als Polizist zu erkennen und wirkte so normal, war voll bei der Sache und schaffte es den Mann zu überwältigen, der dann ins Gefängnis kam. Der andere Passant hatte den Angriff gut überstanden und das nur, weil der Polizist so selbstlos dazwischen ging. Ich war so beeindruckt und wollte auch mal so werden.“
 

Er lächelte, während er das erzählte. Es war ein schönes Lächeln und auch wenn die Umstände nicht gerade toll waren, hat es ihn zur Polizei gebracht und jetzt saßen sie hier. Yuu war der Ansicht, dass sie wirklich gute Freunde werden könnten.

„Komm, wir trinken noch etwas!“ Jin sprang schon von der Couch auf, doch Yuu griff nach seinem Handgelenk. Wenn sie weiter trinken, würde er irgendwann betrunken auf seiner Couch einschlafen oder draußen durch die Stadt torkeln. Beides wollte er eigentlich vermeiden und genau deswegen musste er ihn davon abhalten. „Ist schon…“ Begann er, hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass Jin durch den plötzlichen Stopp zurück stolperte und tatsächlich auf ihm landete und ihn somit umwarf.

Irritiert sah er in das Gesicht von Jin, welches ziemlich nah vor ihm war. „Jetzt weiß ich, dass du ganz bequem bist.“ Hauchte Jin ihm zu und er bekam auf einmal eine Gänsehaut. Kam ihm das nur so vor, oder konnte man das als echt schlechte Anmache verstehen?
 

„Und ich weiß, dass du nichts wiegst.“ Versuchte er, diese komische Situation etwas witziger zu gestalten. Warum lag er noch immer auf ihm? Konnte er nicht einfach aufstehen? Statt von ihm abzulassen, sah er nur zu, wie dessen Gesicht immer näher kam und sich kurz darauf ihre Lippen berührten.

Was war das?
 

Während Yuu nur fassungslos den Anderen ansah, jedoch unfähig war sich zu bewegen, schloss sein Gegenüber seine Augen und setzte den Kuss mit etwas mehr Nachdruck fort. Er wusste nicht, ob es der Alkohol oder die Neugier schuld waren, dass er dies zuließ und nach kurzer Zeit den Kuss auch noch erwiderte und seine Augen von alleine zu fielen.

Es fühlte sich wirklich gut an und komischerweise schrie nichts in seinem Kopf danach, es zu beenden. Kein schlechtes Gewissen machte sich breit, da er doch mit Akira zusammen war. Kein bisschen seines Verstandes versuchte ihn davon abzuhalten. Stattdessen ging er weiter darauf ein, als der Andere seine Lippen zu bewegen begann und nun auch noch seine Hände tätig wurden und sich unter das Oberteil schlichen, um die nackte Haut darunter zu berühren.

Ein Schauer jagte ihm durch den Körper und trotzdem tat er nichts, um Jin zu stoppen. Auch nicht, als er spürte, wie dessen Zunge über seine Lippen fuhr. Stumm ließ er ihn gewähren und begann einen Zungenkuss mit ihm. Warum fühlte sich das so gut an? Ob es daran lag, dass es eigentlich verboten war, solange er vergeben war? Verbotene Dinge hatten immerhin den Reiz, es erst recht zu tun. Dessen Hände schoben sein Oberteil immer weiter nach oben, während der Kuss immer intensiver wurde und schon lange nicht mehr so zurückhaltend war, wie noch am Anfang.
 

Jin war es, der den Kuss beendete, doch nur, um ihm das Shirt nun einfach komplett auszuziehen und um sich danach selber obenrum zu entblößen. Sofort beugte er sich wieder zu ihm runter, nahm den Kuss wieder auf und fuhr jeden Zentimeter der freigelegten Haut ab. Kurz zögerte Yuu, ehe er es ihm gleich tat und nun ebenfalls, eher zaghaft, über dessen Brust strich.

Je länger sie sich küssten und berührten, desto wärmer wurde ihm und er wusste nicht, wo das Ganze hinführen sollte, doch daran wollte der Schwarzhaarige einfach nicht denken und ließ jede Berührung des Anderen zu, seufzte genießend in den Kuss und strich dessen Seiten entlang.
 

Erst, als dessen Hände seinen Gürtel öffneten und direkt dazu übergehen wollten, dies bei der Hose ebenfalls zu machen, stoppte er den Kuss, hielt seine Hände fest und musste erst einmal nach Luft schnappen. „Jin, dass… das geht nicht.“ Entschuldigend sah er ihn an, ließ ihn nicht aus den Augen. Irgendwie musste er doch Probleme oder Komplexe haben. Er konnte nicht einmal Akira nach all der Zeit näher an sich ranlassen. Wie sollte er es dann bei Jin schaffen?

„Ist es wegen deinem Freund?“ Jin machte keine Anstalten, von ihm runter zu gehen, oder nur ein wenig Abstand zwischen sie zu bringen, sondern legte sich nun einfach komplett auf ihn, bettete sein Kinn auf seiner Brust ab und sah zu ihm auf. „Nein… also ja…“ Seufzend fuhr sich Yuu durch die Haare und sah nach oben an die Decke. „Ich will dir jetzt nichts einreden, aber wenn er sich nicht mal mehr bei dir meldet und dich einfach so alleine lässt, ist er echt ein scheiß Freund. Du hast etwas Besseres verdient.“
 

„Meinst du dich?“ Mit hochgezogener Augenbraue sah er ihn nun doch wieder an, bemerkte, dass der auf ihm Liegende etwas lächelte, aber den Kopf schüttelte. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das musst du wissen, wen du willst. Ihn, mich, jemanden, den du noch gar nicht kennst…“ Er zuckte mit den Schultern und sah ihm in die Augen. „Lass dich nur nicht runterziehen, oder fertig machen. Wenn er nicht merkt, was er an dir hat, solltest du ihn fallen lassen.“

Noch immer machte Jin keine Anstalten sich zu erheben, doch das störte ihn nicht. Gerade dachte er mehr an dessen Worte. Hatte er Recht? Sollte er es einfach beenden? Wollte er das überhaupt? Schließlich mochte er Akira wirklich, wollte ihn nicht verlieren, aber diese Ungewissheit tat irgendwie weh. Sein eigener Freund meldete sich nicht mehr bei ihm, antwortete nicht auf seine Anrufe und Nachrichten. „Bist du mal zu ihm gegangen um ihn zur Rede zu stellen?“ Es dauerte eine Weile, bis dessen Worte in seinem Hirn begannen, zu wirken und ihm wieder einmal entsetzt auffiel, dass er nicht einmal wusste, wo sein eigener Freund wohnte.
 

„Jin, dass…“ Begann er, doch das Klingeln seines Handys ließ ihn mitten im Satz abbrechen. Sofort schob er Jin von sich, sprang vom Sofa auf und ergriff sein Handy. „Akira…“ Hauchte er leise und ging sofort dran, ehe er den Raum verließ, damit Jin nicht direkt mitbekam, was los war.

„Yuu… es tut mir leid… ich…“
 

„Spar dir das.“

Murrte er leise und biss sich auf die Unterlippe, sah sich um, in der Hoffnung, Jin nicht zu sehen. Zum Glück schien dieser noch auf der Couch zu sitzen. Oder zu liegen. „Bitte… lass es mich erklären. Ich komme zu dir, okay?“ Dessen Stimme alleine brachte sein Herz zum Rasen und irgendwie freute er sich, dass sich der Andere bei ihm doch noch meldete und zu ihm kommen und das klären wollte.

„Okay. In 30 Minuten.“ Er wartete noch auf Akiras Bestätigung und legte dann auf. Seufzend schob er sein Handy in die Hosentasche und kam zurück ins Wohnzimmer. „Dein Freund?“ Wollte der Andere wissen und er nickte, schnappte sich sein Shirt und zog es sich wieder an. „Er kommt zu mir und will erklären, was los war. Also… tut mir leid, ich muss los.“

Jin stand von der Couch auf und lächelte nur. „Alles gut. Lass dich nur nicht fertig machen.“
 

Damit verabschiedeten sie sich von einander und Yuu hatte zu tun, schnell nach Hause zu kommen. Sein Kopf war so voll, er wusste gerade gar nichts mehr. Was erhoffte er sich von dem Treffen mit Akira? Und was sollte das zwischen ihm und Jin? Gerade hatte er viele Fragen aber auf keine eine Antwort.

Zu Hause angekommen, zog er sich erst einmal etwas Bequemeres an und räumte noch schnell etwas auf, ehe es auch schon an der Türe klingelte. Sofort stieg sein Puls wieder an und er lief langsam zur Türe, drückte dem Anderen die Haustüre auf und zog sogleich auch seine Wohnungstüre auf und wartete auf Akira.
 

Als dieser ankam, ließ er ihn sofort rein und schloss die Türe hinter sich. Scheinbar verstand der Andere, dass er einen Fehler gemacht hatte, denn er versuchte nicht, ihn zu umarmen oder zu küssen, sondern sah ihn nur entschuldigend an. Bei dem Blick wurde er weich und fiel ihm nun selber um den Hals und zog ihn an sich. „Verdammt, wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht.“ Meckerte er neben seinem Ohr, ließ von ihm ab und sah ihm ernst in die Augen.

„Das… ich kann es dir nicht sagen.“ Fragend hob er eine Augenbraue doch sein Gegenüber wich seinem Blick aus. „Warum? Akira, was ist passiert? Was hast du angestellt, dass du mir es nicht sagen kannst?“ Sein Gegenüber brauchte ein paar Augenblicke, ehe er ihn wieder direkt ansah und trotzdem mit dem Kopf schüttelte.

„Es geht nicht.“
 

„Und warum? Warum kannst du mir nicht sagen, wo du warst? Warum hast du dich nicht gemeldet? Verdammt, du hast mir noch nicht einmal gesagt, wo du wohnst!“ Fuhr er ihn nun an und erntete einen geschockten Gesichtsausdruck. „Yuu, das hat seine Gründe, aber ich kann dir das nicht sagen…“

„Nicht einmal deine Adresse?“ Platzte es nun doch wütend aus ihm raus und Akira antwortete gar nicht erst darauf. „Es tut mir leid. Alles! Das ich nicht da war, dass ich mich nicht melden konnte, aber du siehst doch, dass es mir gut geht und ich bin so schnell ich konnte zu dir gekommen, um mich zu entschuldigen und dich wiederzusehen.“ Irgendwie konnte er das nicht ernst nehmen. Er glaubte ihm kein Wort. Wenn er ihn so unbedingt sehen wollte und es ihm so leid tat, warum hatte er sich dann nicht gemeldet oder sagte ihm zumindest jetzt nicht, warum er sich nicht melden konnte?
 

Er presste die Zähne aufeinander und sah ihn wütend an. „Zu einer Beziehung gehört Ehrlichkeit, Akira. Also, ich höre?“ Doch es tat sich nichts. Akira sah ihn einfach nur an, wie ein getretener Hund und am liebsten würde er ihn jetzt an sich ziehen und ihm alles vergeben, doch würde er das jetzt machen, würde es immer so weiter gehen. Wollte er so etwas?

„Yuu, bitte…“

„Wenn du mich wirklich liebst, dann sag mir, warum du dich nicht gemeldet hast!“ Unterbrach er ihn wieder und merkte, wie zittrig seine Stimme klang. Ihnen Beiden schien klar zu sein, was das nun zu bedeuten hatte. Und das Schweigen seines Gegenübers bestätigte seine Befürchtung.
 

„Geh jetzt…“ Er biss sich auf die Unterlippe und riss die Türe auf. Er musste an sich selber denken, hörte Jins Worte auf einmal klar in seinem Kopf. Doch Akira bewegte sich nicht von der Stelle. Das machte es für ihn nur umso schwieriger, denn er liebte ihn, hatte ihn vermisst, sich um ihn gesorgt und war froh, ihn wohlbehalten wiederzusehen, doch er wollte sich davon nicht beirren lassen.

„Raus.“ Presste er noch einmal nachdrücklich hervor. Der Andere kam auf ihn zu, zog ihn an sich und kurz wollte er einfach nachgeben. Doch würde sich etwas ändern? Wenn Akira nicht einmal jetzt sagen konnte, was los war, konnte er ihm dann überhaupt vertrauen?

„Du wirst jemanden finden, der besser zu dir passt.“ Mit diesen Worten drückte er den Anderen von sich und sah ihm traurig in die Augen. Sein Gegenüber schien endlich verstanden zu haben und verließ nun seine Wohnung. Erst jetzt fiel ihm auf, das er humpelte, doch er wollte stark bleiben, ihn nicht wieder ansprechen und sich dann doch noch einlullen lassen.
 

Es war ein Schlussstrich. Endgültig! Und als er die Türe zu machte und direkt an dieser auf die Knie sank und sich fest auf die Lippe biss, wurde ihm selber bewusst, was das nun zu bedeuten hatte. Mit ihm hatte er sich viel mehr vorgestellt, eine gewisse Zukunft zu zweit, doch wie soll das unter solchen Umständen funktionieren, wenn ihm sein eigener Freund nicht einmal seine Adresse anvertrauen wollte?

Mit seiner Entscheidung musste er leben und so verkroch er sich ins Badezimmer, ließ sich eine heiße Wanne ein und sank ins angenehm heiße Wasser, schloss seufzend die Augen und hoffte, dass das Wasser auch seine schrecklichen Gefühle wegspülte und er Akira einfach vergessen konnte.

Bonds

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Flashback 3

Grummelnd lief er durch die Stadt, war mit schnellen Schritten unterwegs. Die Sonne ging langsam unter. Bestimmt machten sich seine Eltern schon Sorgen um ihn. Er hatte freitags immer lange Unterricht, doch dieses Mal hatte er mit einem Freund noch so lange gequatscht, dass er die letzte Bahn verpasst hatte und laufen musste.

Wahrscheinlich flippte seine Mutter schon hysterisch zu Hause aus und lief auf und ab.
 

Es lagen nur noch zwei Straßen zwischen ihm und seinem leckeren Abendessen.
 

Zwar hatte seine Mutter immer gesagt, er solle nicht mit Fremden reden, doch als ein unscheinbarer Wagen neben ihm stehen blieb und er angesprochen wurde, hielt auch er kurz an und musterte den Mann. „Kennst du dich hier aus, Kleiner? Wir wollen nur nach dem Weg fragen.“ Versicherte ihm der Mann und so trat er näher an das Fahrzeug ran und ließ sich etwas auf einer Karte zeigen.

„Da müssen wir hin. Erkennst du unseren jetzigen Standort auf der Karte?“
 

Er sah sich die Karte genauer an, ehe die hintere Wagentüre aufging und jemand ausstieg. Kurz sah er zu diesem Mann auf und wich etwas zurück. „Keine Angst, Kleiner. Wir sitzen schon so lange im Auto, da freut sich mein Kollege über jeden Schritt, den er machen kann.“ Kurz zögerte er, kam dann aber wieder zu ihm und suchte die Karte ab.

Die Karten in den Schulen sahen alle anders aus, aber war es im Grunde nicht dennoch das Gleiche? Trotzdem blickte er bei dem Wirrwarr von Linien, Buchstaben und Zahlen nicht durch. „Tut mir leid…“ Murmelte er, da er den Männern wohl nicht helfen könnte. „Macht nichts.“ Lächelte ihn der Mann an und steckte die Karte weg. „Danke, dass du es versucht hast.“
 

Als er gehen wollte, hielt ihn dessen Kollege auf einmal am Arm fest und noch bevor er realisiert hatte, was los war, wurde er schon in den Wagen geworfen und das Auto fuhr los.

Er schrie so laut er konnte, schlug um sich und wollte aussteigen, doch nichts brachte etwas. Die Tür war verriegelt, man konnte ihn außerhalb des Fahrzeuges eh nicht hören und es brachte nicht viel, einen erwachsenen Mann zu schlagen, wenn man selber gerade mal 11 war. Das einzige, was das zur Folge hatte war, dass man ihm einen Ellbogen ins Gesicht schlug und ihn ausknockte.
 

Als eiskaltes Wasser auf seinen Körper prasselte, wurde er wieder wach, japste nach Luft und merkte, dass er am Boden lag. Ohne Anziehsachen! Sofort schlang er seine Arme um sich, zog die Beine an und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen.

Das Wasser war zwar kalt, aber trotzdem wusste er nicht, ob er wegen der Kälte, oder der Angst zitterte.

„Was für ein niedlicher Junge.“ Drang eine tiefe Männerstimme in seinen Gehörgang, während er jemand anderen lachen hörte. „Andere werden auch nie hier ankommen. Nur niedlich, klein und jung.“ Er sah zu den beiden Männern auf, die ihn unter die Dusche gelegt und das Wasser angestellt hatten.

„Steh auf und mach dich sauber.“ Hastig stand er auf, hatte Angst vor dem, was passieren würde, sollte er nicht auf sie hören, doch er drehte sich um, damit er ihre Blicke nicht sehen konnte.

Wo war er? Was wollten sie von ihm?

Er biss sich auf die Unterlippe, ehe er am Arm gepackt und aus dem Raum gezogen wurde. Man warf ihm ein Handtuch entgegen und so trocknete er sich ab und durfte danach neue Sachen anziehen. Wenigstens waren die Klamotten in seiner Größe!
 

„Ist er fertig?“ Erschrocken zuckte er bei der Stimme zusammen und sah sich um. Ein jung aussehender Mann kam zu ihnen. Er hatte eine dunkle, elegante Jeans an, schwarze edle Schuhe und ein weißes Hemd, das er in die Hose gestopft hatte.

Der Kerl musterte ihn von oben bis unten und kam näher zu ihm, packte ihn am Kinn und hob seinen Kopf hoch. Ihre Blicke trafen sich und er sah den Mann grinsen.

„Planänderung.“ Sagte dieser nur und ließ von ihm ab. „Wenn die anderen Kinder fertig sind, werft sie in den LKW und fahrt los. Das Geld ist bereits da.“

Gerade, als er wieder von den Männern gepackt wurde, ging der Kerl mit dem weißen Hemd dazwischen.

„Nicht der!“ Fuhr er sie wütend an.
 

„Den nehme ich mit.“
 

Er scheuchte seine Männer raus, damit sie ihrer Arbeit nachgehen konnten, ehe er ihn am Handgelenk mit sich zog. Der Mann sagte kein Wort, zog ihn einfach mit sich. Raus aus dem Keller, mit dem Fahrstuhl hoch in eine große Wohnung. Noch immer hielt er ihn fest und zerrte ihn hinter sich her.

In einem großen Wohnzimmer warf er ihn auf die Couch, zog sich die Schuhe aus und lief auf ihn zu, zog ihn am Kragen wieder zu sich hoch. „Wie heißt du?“ Fragte er, doch gerade, als er den Mund öffnete, schlug er ihn mit der flachen Hand ins Gesicht, wodurch er zurücktaumelte und wieder auf der Couch landete. „Du solltest deinen Namen schnell vergessen. Morgen früh wird man deine Schultasche in einem See finden, doch niemals deine Leiche. Ab sofort existierst du nicht mehr, Kleiner.“ Er schluckte und sah zu dem Mann auf, biss sich auf die Lippe und fing an zu weinen.

Wieder schlug er ihn und zog ihn zu sich. „Ich will dich auch nicht heulen sehen, kapiert!?“ Keifte er ihn an, schlug ihn wieder und ließ ihn liegen, um danach den Raum zu verlassen. Schluchzend wischte er sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Warum tat man ihm das an? Was hatte er nur falsch gemacht? Er war doch immer lieb zu seinen Eltern und hatte nie etwas Böses getan!
 

Der Mann war eine gewisse Zeit weg, was ihn dazu brachte, sich etwas zu beruhigen. Doch kaum kam der Kerl wieder zu ihm ins Wohnzimmer, sah er ihn panisch an. Sofort stellte er fest, dass sich der Andere umgezogen hatte. Er hatte keine Jeans mehr an, aber auch keine andere Hose angezogen und statt des Hemdes trug er nur noch ein Muskelshirt. Er schluckte trocken, wich von ihm zurück, doch dessen Hände packten ihn, warfen ihn mit dem Gesicht zuerst auf die Couch.

Er spürte nur noch, wie der Mann ihm die Hose runterzog, danach durchfuhr ein stechender Schmerz seinen gesamten Körper, ehe er ohnmächtig zusammensackte.
 


 

Knapp drei Jahre trieb der Mann dieses Spiel mit ihm. Mal alleine, mal nahm er Kollegen oder Kolleginnen mit. Wurde er gerade nicht gebraucht, sperrte er ihn in einen kleinen Raum ein, wo kein Licht hineinfiel. Zitternd saß er in diesem Raum, als er zwei Stimmen vernahm. Es war wieder soweit. Eng zog er seine Beine an sich ran, schlang die Arme um diese und versteckte sein Gesicht. Er wollte es nicht mehr. Anfangs hatte er gehofft, sich daran zu gewöhnen, doch das würde wohl nie passieren.

Als die Türe aufging, drang helles Licht in den kleinen Raum, aus den er gezogen wurde.

„Kümmer dich um meinen Kollegen. Und wehe ich höre nichts Gutes!“ Drohte man ihm und warf ihn direkt in die Arme seines Gastes.

„Tse tse… Hikari Kanegawa...“ Begann der Mann, in dessen Armen er hing und festgehalten wurde. „Seit wann verheimlichst du dein Spielzeug vor mir?“ Der Mann grinste, doch der Angesprochene verabschiedete sich nur von ihm und ließ die Beiden zurück.
 

Ohne Vorwarnung schlug er ihm ins Gesicht, zerrte an seinen Armen und zog ihn zur Couch. „Mein guter Freund hat mir von dir erzählt. Das du nach all der Zeit noch immer wie eine Jungfrau bist. Darauf stehe ich. Und da sich jemand um dich kümmern muss, während er weg ist, bietet sich da doch eine ausgezeichnete Möglichkeit.“ Sein Oberkörper wurde auf die Couch gedrückt und seine Hose bereits geöffnet.

Wie immer konnte er nichts dagegen machen. Nach all den Jahren schrie er noch immer, da die Schmerzen nie geringer wurden, sondern immer gleich stark blieben. Als der Mann mit ihm fertig war, ließ er ihn einfach liegen und machte sich etwas frisch im Badezimmer. Als er das Wasser hörte, würde er auch gerne ins Badezimmer gehen und sich sauber machen. Doch er hatte das Gefühl, sich nicht bewegen zu können.
 

Ein lauter Knall ließ ihn zusammenfahren und von der Couch aufspringen. Mühsam zog er sich wieder an, schaffte es jedoch nicht, den Raum zu verlassen, als auf einmal fünf Männer vor ihm standen und mit Waffen auf ihn zielten. Zitternd sackte er auf die Knie und duckte sich, versteckte seinen Kopf hinter den Armen und begann zu weinen. Wenn Kanegawa da wäre, würde er ihm wieder eine verpassen, weil er weinte. Er hoffte einfach, erschossen zu werden, um diesem Albtraum endlich entkommen zu können.

Zwei Männer liefen weiter, entdeckten den Mann im Badezimmer und scheinbar erschossen sie ihn einfach. Bei den Schüssen zuckte er zusammen und biss sich auf die Unterlippe. Dann wird er der nächste sein.
 

„Boss?“ Hörte er jemanden leise sagen, ehe er Schritte hörte. Schritte, die auf ihn zukamen. Er sah auf, wich vor dem Unbekannten zurück, doch die Couch hinderte ihn daran, weiter zu rutschen. Sein ganzer Körper zitterte, als der Mann vor ihm in die Hocke ging.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Wir holen dich hier raus.“ Er glaubte ihm kein Wort. Damals wollte man auch nur nach dem Weg fragen. „Wie heißt du?“ Das war eine Falle! Würde er antworten, würde man ihn schlagen. Er wollte sich auch nicht an seinen Namen erinnern, wollte ihn nicht mehr wissen, ihn nie wieder sagen, sondern einfach nur sein Leben beenden. „Erschießen sie mich einfach.“ Schluchzte er leise und biss sich auf die Unterlippe.
 

Eine Hand legte sich auf seine Schultern und strich ganz sanft über diese. „Wir erschießen dich nicht. Wir werden dich mitnehmen.“ Sofort schüttelte er den Kopf und kniff die Augen zusammen. „Möchtest du hierbleiben?“ Fragte ihn der Mann und er sah wieder zu ihm auf. Bleiben? Auf keinen Fall! Aber musste er mit ihnen mitgehen? Scheinbar schon. „Okay, ich… ich komme… mit…“ Hauchte er leise zitternd und ließ sich hochhelfen. „Wie heißt du?“ Wurde er wieder gefragt, doch er schüttelte nur stumm den Kopf.

Zu groß war die Angst, doch geschlagen zu werden.

„Keine Sorge. Er wird für das bezahlen, was er getan hat.“ Hoffentlich! Er will diesen Mann tot sehen und das so schnell wie möglich!
 

Vor dem Gebäude, dass er seit so vielen Jahren nicht verlassen hatte, stiegen sie in ein Auto und erschöpft ließ er sich nach hinten sinken. Dieser Mann wich nicht von seiner Seite, klopfte ihm nur kurz auf die Schulter und lächelte. „Sobald wir da sind, wirst du mit jemanden reden müssen, um es zu verarbeiten. Nicht mit mir, aber du musst es erzählen, sonst zerfrisst es dich von innen.“

So fühlte es sich bereits an. Er presste die Zähne aufeinander und nickte. Falls er doch noch weiterleben durfte, sollte er wirklich darüber nachdenken, es jemandem zu erzählen. Während der restlichen Fahrt blieb es still und erst, als sie irgendwo ankamen, bat man ihn, ihnen zu folgen.
 

Man ließ ihn in Ruhe duschen, gab ihm saubere Anziehsachen und als er fertig war und es ihm besser ging, trat er langsam aus dem Raum heraus und sah sich um. Es dauerte eine kurze Zeit, bis jemand zu ihm kam. Das war der Mann von eben! „Ich bringe dich in dein Zimmer. Und morgen wirst du ein paar Leute kennen lernen, mit denen du dich bestimmt gut verstehen wirst.“ Er lief mit ihm durch mehrere Gänge und Flure, ehe sie an einem Zimmer ankamen.

„Da du mir nicht sagen wolltest, wie du heißt und bei mir jeder Neuankömmling einen neuen Namen bekommt, musst du auch kein schlechtes Gewissen haben.“ Er deutete auf das Zimmer und wandte sich dann zum Gehen.
 

„Schlaf gut und bis morgen, Ryo.“

Memories

Nachdem sie zwei Stunden gedöst und sich nicht von der Stelle bewegt hatten, waren sie -getrennt von einander- duschen und saßen nun wieder angezogen auf dem Bett und hatten wieder die Kontroller in den Händen. Sie sprachen nicht über das, was eben zwischen ihnen passiert ist. Das war Reita ganz recht, denn er wollte nicht darüber reden. Im Nachhinein wusste er nicht einmal, ob das eine gute Idee war. Es hatte definitiv Spaß gemacht und er konnte nicht leugnen, dass Kazuki sexy war und ihn auch gut auf andere Gedanken bringen konnte.

Am besten dachte er einfach nicht mehr daran.
 

Als er ein Geräusch im Hintergrund hörte, runzelte er die Stirn und pausierte das Spiel. „Hey… ich war so gut.“ Murrte Kazuki neben ihm, doch Reita legte sich einen Finger auf die Lippen, damit der Andere ruhig blieb und stand vom Bett auf. Das Geräusch war nur leider weg. Ob das Gedudel vom Spiel kam?

Kurz darauf hörte er Kais Stimme, auch, wenn er kein einziges Wort verstehen konnte. Dann hatte er eben also dessen Handy gehört? Er vernahm, wie sein Mitbewohner aus dem Zimmer ging. „Rei?“ Rief er durch die Wohnung und sofort ging er raus aus seinem Zimmer. „Ryo hat angerufen. Er will gleich vorbeikommen. Rufst du Kazuki an?“

„Ich bin noch da!“ Rief eben dieser aus dem Zimmer. Der Braunhaarige schien nichts mitbekommen zu haben von dem, was sie im wahrsten Sinne des Wortes getrieben hatten und war trotzdem nicht überrascht. „Gut. Ich geh duschen.“ Damit lief er ins Badezimmer. Naja, es war ja auch nichts dabei, mit einem Kollegen im Zimmer zu sitzen und zu zocken.
 

Er ging mit Kazuki in die Küche, um erst einmal die ganzen Scherben zu beseitigen, die Ryo verteilt hatte und setzten sich dann an den Tisch. Sein Mitbewohner wuselte auch schon wieder durch die Wohnung, war fertig mit duschen und lief in Joggingklamotten umher. Als es an der Türe klingelte, sah man ihn an der Türe vorbeilaufen, um ihren Kollegen reinzulassen.

Ihr Fahrer sah nicht gut aus als er reinkam und sich mit Kai zu ihnen setzte. „Alles in Ordnung?“ Fragte Kazuki ihn und man sah, das Ryo angespannt auf dem Stuhl saß, ehe er leicht den Kopf schüttelte.

„Ich dachte… dass der Kerl schon längst umgebracht wurde.“ Hauchte er leise und sah sie nun wieder an. Ihn schien etwas zu beschäftigen, das sah man sofort, doch sie würden ihn nicht dazu drängen, etwas zu sagen. Man hätte eine Nadel fallen hören, so still war es zwischen ihnen geworden.
 

„Herr Kanegawa…“ Begann Ryo und holte tief Luft. „Er verdient sein Geld mit Menschenhandel…“ Diese Information hatten sie wirklich noch nicht, kamen sie ja bisher nicht wirklich dazu, sich über den Kerl schlau zu machen. Ob Ryo zu Hause nach dem Mann gesucht hatte? Hatte er Details über ihn herausgefunden?

„Er entführt Kinder, lässt die Leute glauben, dass sie tot wären, ohne jemals eine Leiche zu finden.“ Jetzt wurde es interessant und jeder von ihnen ließ den Anderen nicht aus den Augen. Wie kam er in dieser kurzen Zeit nur an solch brisante Informationen? Sowas findet man nicht einfach so im Internet. „LKW’s voller Kinder aus verschiedenen Städten und Länderteilen werden von ihm entführt und verkauft. Aber sie werden nicht als Adoptivkinder oder so verkauft, sondern… als Spielzeug.“ Von Wort zu Wort wurde ihr Fahrer immer leiser und senkte den Blick.
 

Sein Mitbewohner legte eine Hand auf dessen Arm und sah ihn mitfühlend an. „Ryo, woher…“ Kai beendete seinen Satz gar nicht. Der Angesprochene sah sie wieder an und zuckte kurz mit den Schultern. „Nicht jedes Kind, dass er entführt, wird verkauft. Manchmal behält er sie auch für sich, um mit ihnen Spaß zu haben.“ Er lehnte sich zurück und fuhr sich durch die Haare. Ihm fiel auf, dass der Arme sogar zitterte. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl und ihm dämmerte, warum er so viel darüber wusste.

„Nach drei Jahren hat mich unser Boss da raus geholt. Er sagte, dass er diesen Kerl umbringen wird, doch scheinbar hat er es nie getan.“
 

Kazuki zog ihn an sich und grinste diabolisch. „Dann machst du das! Eine super Rache, oder etwa nicht?“ Ryo nickte und sah zu ihm auf. „Denk einfach nicht daran. Der Kerl wird sich wünschen, dir nie begegnet zu sein. Dafür werden wir sorgen.“

Man merkte sofort, dass Kazukis Worte den Anderen beruhigten, ihn irgendwie glücklich machten, denn er nickte lächelnd und befreite sich dann von ihrem Hacker.

„Ihn zu finden sollte doch kein Problem für dich sein, oder?“ Fragte Kai nun an Kazuki gewandt. Dieser nickte sofort. „Na klar. Das schaffe ich.“

„Gut, dann such du alles raus, was du finden kannst. Wir treffen uns dann wieder, wenn es losgehen kann.“ Schlug der Maskenträger nun vor. Niemand der Anwesenden hatte etwas dagegen.

„Ryo, wenn etwas ist, meld dich ruhig bei uns, ja?“ Bot Kai ihm an und auch Kazuki musterte ihren Fahrer. „Ich fahre mit zu dir, wenn das okay ist.“

„Nein, schon gut. Ich fahre dich nach Hause. Falls etwas sein sollte, sage ich euch bescheid.“
 

Ihre Gruppe trennte sich erst einmal wieder von einander und somit waren Reita und Kai nun alleine in ihrer Wohnung. „Denkst du, es geht ihm gut?“ Reita hatte gewisse Bedenken. Zwar schien Ryo es bisher immer gut verarbeitet zu haben, doch dass ihn seine Vergangenheit nun einholte, war mit Sicherheit nicht einfach für ihn. Aber er freute sich schon jetzt darauf, diesen Kerl zu erledigen.

Für Ryo!

„Keine Ahnung. Ich hoffe es…“ Murrte sein Mitbewohner nur leise.
 


 

Sie hatten zwei Tage nichts mehr von ihrem Kollegen gehört. Also ging es ihm scheinbar gut. Als er am Abend auf Kais Handy anrief, saßen die Beiden gerade zusammen in der Küche und hatten den Rest ihres Essens vom Lieferservice verputzt.

„Hey hey… ganz ruhig! Atme doch erstmal durch.“ Meckerte sein Mitbewohner ins Telefon und stellte den Lautsprecher an. „Ich beruhige mich nicht!“ Keifte es durch das Telefon. Sogar Reita zuckte zusammen, als er Ryo so hörte. Verdammt, was hat der getan?

„Irgendwer ist bei mir eingebrochen!“
 

Kai und Reita sahen sich ernst an. Das war nicht gut! Egal, wer in dessen Wohnung war, es konnte nur schlimm enden, denn jeder könnte mitbekommen haben, wer er war und was er tat. „Wo bist du?“ Wollte Reita wissen und erfuhr, dass ihr Fahrer draußen herumlief. „Ich war unterwegs… als ich zu Hause ankam, stand die Türe offen und die ganze Wohnung sah aus, als hätte jemand was gesucht… ich bin einfach abgehauen und hab den Autoschlüssel nicht mitgenommen.“

„Bleib trotzdem ruhig. Geh an einen öffentlichen Ort und versuch dich unter so viele Menschen zu manövrieren, wie nur möglich.“ Schlug Reita ihm sofort vor. „Nein! Er soll zu uns kommen.“ Entgegnete sein Mitbewohner ihm, doch er schüttelte den Kopf. „Egal, was sie in deiner Wohnung wollten…“ Begann er und seufzte. „Wenn die noch da waren, also bei deiner Wohnung, kann es sein, dass sie dir folgen. Wir können nicht davon ausgehen, dass es ein einfacher Einbrecher war. Also verhalte dich ruhig, geh in die Stadt und versuch, dich zu verstecken. Wir holen dich ab.“
 

Man konnte deutlich die gehetzte Atmung des Fahrers hören, der draußen unterwegs war. Ausgerechnet jetzt. Es wurde langsam dunkel und nachdem sie wussten, dass der Kerl von damals noch lebte, wollte er sich nicht vorstellen, was gerade in Ryos Kopf los war. Er wollte aber auch nicht ausschließen, dass es wirklich nur ein einfacher Einbrecher war, der nach Geld und Wertsachen gesucht hatte.

„Ruf Kazuki an. Bleib mit ihm in Kontakt, legt beide nicht auf. Wir fahren zu deiner Wohnung und sehen uns um und nehmen dein Auto mit, okay?“ Sein Mitbewohner saß nur stumm da, wirkte ebenfalls etwas panisch, doch sie mussten einen kühlen Kopf bewahren. Sie alle!

„Okay… danke.“ Hörten sie Ryo nur noch sagen, ehe dieser auflegte. Sofort sprang Reita ins Badezimmer, zog sich um, machte sich fertig wie für einen normalen Auftrag, schnappte sich seine Waffe und lief dann mit Kai zur Wohnung des Anderen.

Zwar waren sie schon öfter bei ihm, doch es war eine Weile her.
 

Sie betraten die Wohnung und sahen sich um. Es sah aus, als wäre eine Bombe explodiert. Überall lagen Sachen herum. Schränke waren verschoben, wurden aufgerissen oder gar umgeworfen. Der Inhalt verteilte sich in der gesamten Wohnung. Schnell fanden sie ein wenig Bargeld und stellten fest, dass elektronische Geräte noch vorhanden waren. „Es wollte ihn keiner bestehlen.“ Entwich es Kai leise, der in dessen Schlafzimmer ging. „Hier wurde nach etwas gesucht.“ Antwortete Reita und sah sich ebenfalls weiter um.

„Guck mal, Rei.“ Kai kam zu ihm gelaufen und hielt ihm lächelnd ein paar Fotos entgegen. „Ach du Schande… die sind ja noch von damals.“ Sie hatten sich damals schnell angefreundet und ihre kleine Gruppe gegründet, waren unzertrennlich und hatten trotz ihrer Vergangenheit Spaß miteinander.
 

Ryo wollte immer Fotos machen und hat es sich sogar zur Aufgabe gemacht gehabt, ihre Gruppe abzulichten, sobald er die Chance hatte. „Das er diese Bilder behalten hat… das wusste ich gar nicht.“ Entwich es Kai leise. Wahrscheinlich brauchte Ryo diese Bilder. Er hatte schließlich keinen Mitbewohner, war immer alleine, wenn sie nicht gerade an einem Auftrag arbeiteten.

Da war es bestimmt schön, sich solche Bilder ansehen zu können.

„Und so süß in ein Album geklebt… ich wusste gar nicht, dass er so ein weiches Herz hat.“ Etwas neckendes lag in Kais Stimme. Sie blätterten das Album durch. Von der aufgeschlagenen Seite nach hinten und von da wieder nach vorne. Jedes Bild hatte eine kleine Überschrift bekommen, doch auf der ersten und der letzten Seite fehlten zwei Bilder. Es waren nur noch die kleinen Überschriften zu sehen.

„Hmm… schade… bestimmt hat der Kleber den Geist aufgegeben.“

Auch Reita hätte gerne gewusst, welche Bilder fehlten. Ehe ihm ein kleines Detail auffiel und er sich noch einmal die Seiten ansahen, auf denen die Bilder mal aufgeklebt war.
 

„Das war nicht der Kleber…“ Er deutete auf die zerrissenen Stellen in den Seiten. „Die Bilder wurden rausgerissen.“

Sie sahen sich noch einmal das gesamte Album an. Ob Ryo die Bilder doch nicht so toll fand und sie deswegen herausgerissen hatte? „Naja… ich bring es zurück und dann hauen wir ab.“ Kai führte sofort aus, was er sagte und zusammen gingen sie zur Wohnungstüre und nahmen sich jeden Schlüssel, der dort hing.

Aus Ryos Briefkasten hing ein Brief, den sie einfach rauszogen und mitnahmen, bevor sie das Haus verließen und in den Wagen ihres Fahrers stiegen. Während er den Wagen über die Straßen dirigierte, klingelte Kais Handy. „Ja?“ Er sah zu ihm rüber und sah ihm sofort an, dass er erleichtert wirkte. „Sehr gut. Wir kommen vorbei.“ Kai legte auf und lächelte ihn breit an. „Kazuki hat Ryo gefunden. Sie sind bei Kazuki und es geht beiden gut.“
 

Sie fuhren ein wenig sinnlos durch die Stadt, um eventuelle Verfolger zu entdecken, bevor sie zu Kazuki fuhren. Dort angekommen, zog Kai ihren Fahrer sofort in die Arme. „Du hast mich zu Tode erschreckt, weißt du das eigentlich?“ Mag sein, dass sie ein Haufen von Mafiamitgliedern waren, die für den Mord an so vielen Menschen verantwortlich waren, doch trotzdem waren sie gute Freunde und machten sich um jeden aus der Gruppe schnell Sorgen.

„Mir geht es gut. Wirklich.“ Als Ryo aus dem Griff entlassen wurde, lächelte er und sie gingen ins Wohnzimmer. Bei Kazuki war nicht gerade viel Platz in der Küche, da mussten sie auf das Wohnzimmer ausweichen. Sie saßen auf der Couch und tranken Cola, während der Fernseher vor sich hin dudelte.
 

„War denn jemand in deiner Nähe, als du unterwegs warst?“ Fragte Kai, doch Kazuki ergriff als erster das Wort. „Da war niemand. Zumindest habe ich keinen gesehen, der uns auf längere Zeit verfolgt hat.“

„Wahrscheinlich hat mich einfach nur jemand ausgeraubt.“ Ryo zuckte mit den Schultern und seufzte genervt. „So ein Mist…“ Murrte er noch leise. „Nein… wir haben uns deine Wohnung angesehen. Wir haben sogar Bargeld gefunden. Und teure Elektrogeräte waren auch noch da. Es schien nichts zu fehlen.“ Erklärte Kai, worauf Ryo und Kazuki ihn verwundert ansahen. „Es hat nichts gefehlt?“ Ja, das war mehr als nur seltsam. Aber lieber eine unordentliche Wohnung, als eine leer geräumte!

Reita zog nun den Brief hervor und gab diesen an seinen Besitzer weiter. „Abgesehen von allen Schlüsseln, habe ich dir noch deine Post mitgebracht.“ Schmunzelnd nahm Ryo den Brief entgegen. „Entweder eine Rechnung, oder die Nachbarn beschweren sich auf diese Weise, dass zu viel Lärm aus meiner Wohnung kam, als ich nicht da war.“ Witzelte ihr Fahrer und machte neugieriger Weise den Brief sofort auf und las sich die Zeilen durch, die dort geschrieben standen, ehe er wieder blass wie die Wand wurde.
 

„Zu viel Strom verbraucht?“ Fragte Kazuki grinsend, doch scheinbar war das gerade alles andere als witzig, denn Ryo fing schon wieder an zu zittern. Kai riss ihm den Brief sofort aus der Hand, hielt sich den Zettel vor die Nase und runzelte die Stirn. „Was ist?“ Fragte Reita sofort und versuchte, auf den Zettel zu spicken.
 

Es war nur eine Frage der Zeit, bis unser Clan und somit auch ich ins Visier von anderen Yakuza-clans fallen. Doch es freut mich, zu sehen, dass mein Spielzeug noch lebt und dann noch in greifbarer Nähe. Lass uns ein Spiel spielen, wer als erster an sein Ziel kommt. Du und deine Freunde, oder meine Männer und ich. Die Zeit läuft.

H.K.“
 

Las Kai vor und sah zu Ryo, der völlig aufgelöst auf der Couch saß und seine Arme um sich geschlungen hatte. „Du bleibst erstmal bei mir.“ Kazuki zog ihn an sich und strich ihm über den Arm, während sich Reita diesen Brief noch einmal durchlas. „Der Kerl ist nicht gerade dumm. Er hat kapiert, dass er einer der nächsten sein wird. Aber wie hat er dich gefunden?“ Da Ryo ihr Fahrer war, war er selten außerhalb eines Fahrzeuges unterwegs. Niemand hatte ihn jemals gesehen, oder etwa doch?

Hatten sie irgendwo eine kleine Lücke in einem Plan gehabt, oder war das einfach nur verfluchtes Glück für diesen Kanegawa? „Es ist egal, wie er ihn gefunden hat. Wichtig ist, dass er erledigt wird, bevor er irgendwas machen kann.“ Wandte Kai ein und stand von der Couch auf. „Ihr bewegt euch nicht aus dem Haus, kapiert? Wir kümmern uns um den Rest.“ Von Kais Worten selber fest entschlossen, stand der Maskenträger auf und nickte.
 

Die anderen Beiden sahen zu ihnen auf und nickten. „Lasst nicht zu, dass… dass er mich kriegt.“ Stotterte Ryo ihnen entgegen und klammerte sich regelrecht an ihren Hacker. „Er wird dich nicht kriegen.“ Soweit wird es Reita nicht kommen lassen, da musste sich Ryo keine Sorgen machen! „Rei…“ Hauchte der Andere leise und sah ihn flehend an. „Wenn… wenn was schief geht… erschieß mich bitte. Ich will nie wieder in seiner Nähe sein.“ Fassungslos starrte er ihn an. Diese Bitte könnte er ihm niemals erfüllen.

„Es wird nichts schief gehen.“ Meckerte Kazuki gleich los und winkte die anderen Beiden raus. „Bis später.“ Fügte er noch hinzu. Gut, dass ihr Hacker das tat. Wer weiß, was sonst noch passiert!
 

Also ließen sie sich durch diese Worte einfach rauswerfen.

Da sie nun kein Auto mehr zur Verfügung hatten, mussten sie nach Hause laufen, weswegen Reita sich die Maske auszog und sie in der Hosentasche verschwinden ließ. Zwar war es mittlerweile dunkel, doch das Schicksal sollten sie zur Zeit wohl nicht herausfordern. „Ich will gar nicht wissen, wie er sich fühlt.“ Nicht nur Kai machte sich Sorgen um ihren Kollegen, auch Reita dachte nur an ihn und seine Worte.

„Wir müssen uns um diesen Kerl so schnell wie möglich kümmern.“

Kai nickte neben ihm stumm und so liefen sie schleunigst nach Hause. Zusammen verschanzten sie sich in Kais Zimmer, um nach Informationen zu suchen. „Klar ist, dass Herr Kanegawa kein einfaches, ranghohes Mitglied des Clans ist. Man könnte sagen, dass er was Besonderes ist.“ Murmelte der Braunhaarige und tippte auf dem Notebook rum, während Reita per SMS mit Kazuki kommunizierte, damit dieser ein paar Systeme für sie hackt und ihnen die Informationen zuschickt.

Da kam echt einiges zusammen.
 

„Guck dir das an.“ Entwich es Kai, der ihm einen Artikel zeigte. „Der ist aufgeflogen und doch wieder freigesprochen worden. Wie kann das sein?“ Das Bild zeigte einen LKW, doch der war leer. Er runzelte die Stirn. „Es fehlten Beweise…“ Gab er von sich und seufzte. Dann war der Kerl also schwer zu kriegen, weil er keine Spuren hinterließ, die ihm Probleme bereiten könnte.

Umso wichtiger war es, den Kerl zu beseitigen. Ryo und auch ihre Gruppe und der Clan wären nicht mehr sicher, sollte dieser Mann es schaffen, ihnen zu nahe zu kommen.

„Wie sollen wir den Kerl denn erwischen? Der wird doch sicherlich nicht einfach draußen rumrennen.“ Schwierige Situation. Aber das ist nicht das erste Mal, dass sie in so einer schwierigen Situation waren.

„Vielleicht gibt es etwas, dass ihn aus seinem Versteck locken könnte.“

„Wenn wir es genau nehmen, könnte man ihn mit Ryo rauslocken, doch ihn auf dem Präsentierteller zu servieren, kommt nicht in Frage!“ Nuschelte der Braunhaarige neben ihm und rieb sich erschöpft das Gesicht. „Und mal eben kleine Kinder auf die Straße stellen können wir auch nicht.“ Brummte der Maskenträger und machte sich einfach auf dem Boden lang, streckte alle Viere von sich und sah an die Decke.

„Ob wir an genug Sprengstoff kommen, um alle Gebäude der Stadt nach und nach in die Luft zu jagen?“ Fragte Reita vom Boden aus und sah zu Kai, der ihn mit hochgezogener Augenbraue musterte. „Naja… so könnten wir ihn erwischen.“

„Könnte!“ Entgegnete ihm nur sein Mitbewohner und schüttelte grinsend den Kopf.
 

„Wir werden nicht an diesem Auftrag scheitern, klar? Wir finden den Kerl und zwar…“ Und schon wieder wurden sie von dem Handy unterbrochen. Das durfte doch nicht wahr sein. Dieses Ding sollte er einfach ausschalten, sonst würden sie nie zu einem Ende kommen.

Genervt ging Kai dran, starrte stumm auf sein Notebook und presste nur ein ‘okay‘ hervor, ehe ihm das Handy aus der Hand fiel und er vom Bett sprang. „Was ist passiert?“ Reita saß alarmiert auf dem Boden und sah seinem Mitbewohner hinterher. „Der Wichser ist bei Kazuki aufgetaucht und Ryo ist abgehauen.“ Keifte Kai und sah ihn wütend an.

„Sitz nicht so blöd da rum. Beweg deinen Arsch verdammt.“ Er zog ihn einfach vom Boden hoch und rannte mit ihm zum Auto.

Sie hatten Ryo gefunden. Was war mit Kazuki? Wo war Ryo? Abgehauen. Aber was heißt ‘abgehauen‘? Kazuki meldete sich per SMS bei seinem Mitbewohner, der sein Handy an Reita weitergab. „Was schreibt er?“ Sofort öffnete er die SMS von Kazuki und las sie vor:
 

»Die haben meine Wohnung gestürmt. Ryo konnte aus dem Fenster springen und ist weggerannt. Mich konnten sie nicht finden. Bin mit Ryos Auto unterwegs und suche ihn. Beeilt euch!«



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