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Verliebt aber zwangsverheiratet

von

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Hiobsbotschaft

„Hmmm…Schwarze Tollkirsche…Tollkirsche…wo bist du?“

Mittlerweile ernsthaft entnervt blätterte ich durch die Seiten meines Zaubertrankbuches.

Warum musste uns Madame Germain eigentlich immer so einen Berg Hausaufgaben geben? Hatten wir etwa nichts Besseres zu tun, als uns in den Semesterferien mit Zaubergebräuen herum zu schlagen? Eben! Aber Fräulein Hausaufgaben-sind-überlebenswichtig meinte ja, dass wir die Ferien ohne Aufgaben nicht überstehen würden und hatte uns daher eine Unmenge an überflüssiger Arbeit aufgehalst.

„Ach, mir doch egal.“

Meine Laune hatte ihren tagesaktuellen Tiefpunkt erreicht und ich pfefferte meine Feder quer über den Tisch. Ich würde den Müll einfach morgen machen. Oder übermorgen. Die Ferien hatten schließlich erst heute begonnen, also hatte ich noch eine gute Woche Zeit mit meinen Hausaufgaben.

Am liebsten hätte ich jetzt irgendetwas zerschlagen, aber für solche Gefühlsausbrüche war ich viel zu gut erzogen. Also nahm ich einfach meine Kopfhörer und betäubte meine Sinne mit harten Gitarrenklängen und rhythmischen Schlagzeugbeats. Ich verstand einfach nicht, wie die meisten Zauberer dieses ganze Muggelzeug so ablehnen konnten. Ich würde ohne meinen I-Pod vermutlich nicht überleben können. Allein schon in der Schule, wenn ich gerade wieder überhaupt keine Lust hatte dem Unterricht zu folgen. Ohne Musik wäre ich da bestimmt schon längst vor Langeweile gestorben.

Dass ich Besuch hatte, bemerkte ich erst, als meine Mutter unmittelbar vor mir stand.

„Persis! Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen!“

„Ich klopf seit guten zehn Minuten an deine Tür, aber du hast es ja anscheinend wieder mal nicht mitbekommen.“

Meine Mutter ließ sich graziös neben mir auf meinem Bett nieder. Für einen Fremden hätte das Szenario sicher etwas Skurriles an sich gehabt: Meine engelsgleiche Mutter in ihrem teuren Seidenkleid zwischen meinen zerwühlten Laken und den unzähligen chaotischen Haufen an Krempel, die meinen Zimmerboden bedeckten.

In meinen Augen hatte die Szene aber ganz und gar nichts Lustiges an sich. Es war lediglich das Bild, das dem vermutlich miesesten Tag in meinem Leben noch die Krone aufsetzte.

„Wo ist die Karte? Erzähl mir nicht, du hättest ohne Lageplan in mein Zimmer gefunden.“

„Liebes, ich weiß wo dein Zimmer liegt.“

Naserümpfend ließ sie ihren Blick über das Chaos in meinem Zimmer schweifen.

„Aber bei diesem Schweinestall brauchst du dich nicht zu wundern, dass du selten Besuch von mir bekommst. Hier drinnen muss man ja ernsthaft Angst haben, dass einem plötzlich ein Staubgnom das Bein hoch krabbelt. Warum lässt du den Hauselfen nicht mal dein Zimmer aufräumen?“

Entnervt stöhnte ich auf. Das Thema hatten wir schon mindestens hundertmal durchgekaut, aber meine Mutter konnte es einfach nicht lassen es immer und immer wieder neu aufzurollen.

„Bist du nur hier um zu meckern oder willst du mir was sagen?“

„Nicht in diesem Ton junge Dame!“

Meine Mutter legte enorm viel Wert auf gutes Benehmen und Manieren. Da ich beides nicht besaß, waren wir nie wirklich warm miteinander geworden. Eigentlich schade, wenn man bedachte, dass wir Mutter und Tochter waren, aber mir war meine persönliche freie Entfaltung wichtiger als die Meinung meiner Mutter von mir.

„Jaja. Also? Was willst du?“

„Liebes…du weißt doch, dass dein Vater und ich streng an der Heiratspolitik unserer Familien festhalten.“

Ja, das war mir durchaus bekannt. Auch wenn ich nicht damit einverstanden war, hatte ich mich diesbezüglich doch schon längst dem Willen meiner Eltern gebeugt. Ich sah es einfach als einen Gefallen an, den ich ihnen tat.

„Ja und weiter?“

„Ein Abkommen wurde für dich getroffen. Er…“

Blabla. Im Grunde interessierte es mich überhaupt nicht was mir meine Mutter da erzählte. Ich kannte meinen Zukünftigen nicht und wollte ihn auch nicht kennen. Vermutlich war er sowieso bloß irgendein hochnäsiger Snob mit dem meine Eltern irgendwie entfernt verwand waren. Der Typ interessierte mich frühestens zu unserer Hochzeit. Und wenn ich es recht bedachte, würde er mir selbst da vermutlich auch noch herzlich am Allerwertesten vorbei gehen.

„Und eins solltest du wissen: er wohnt in England. Dein Vater hat bereits eine Stelle im britischen Ministerium angenommen und wir haben schon ein Haus gekauft. In den Sommerferien werden wir dorthin ziehen.“

Ihre Worte ließen mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich sollte nach England gehen?

„Ich…aber…ich…ihr…sag mal, nimmst du Drogen? Ich geh nicht weg von hier! Mit Sicherheit nicht!“

Meine Mutter stand auf und schritt zur Tür. Mit der Hand auf der Klinke drehte sie sich noch mal zu mir um. Ihr Blick war kalt und ihre Mine abweisend.

„Liebes, das Los einer Frau ist hart. Find dich mit deiner Zukunft ab, es ist bereits alles beschlossen.“

Damit verschwand sie und ließ mich völlig konfus und allein in meinem Zimmer zurück.

Die neue Heimat

Endlich hörte ich auf mich zu drehen und umherzuwirbeln und trat ein wenig flau im Magen aus dem Flohpulverfeuer. Während ich mir den Staub vom Pullover klopfte, sah ich mich in unserer neuen Eingangshalle um. Der Raum war in einem warmen Karamellton gehalten und eine weiche Sitzgarnitur lud zum Platz nehmen ein.

„ Willkommen in Ihrem neuen Zuhause, Mademoiselle Noel.“

Lien unsere alte Hauselfe eilte strahlend auf mich zu und verbeugte sich vor mir.

„Wenn Sie es wünschen, führe ich Sie gerne durch alle Räumlichkeiten. Ich kenne mich hier mittlerweile bestens aus.“

Die treue Seele war während des Umbaus bereits hier gewesen und hatte alle Arbeiten beaufsichtigt. Sie war beinahe geplatzt vor Stolz als ihr meine Mutter verkündet hatte, dass der gesamte Innenausbau ihrer Aufsicht unterstand.

„Ja, ich würde mir das Haus gerne ansehen.“

‚Gerne‘ war übertrieben, ich hatte mich noch immer nicht mit unserem Umzug abgefunden, aber nach einem Riesenkrach mit meinen Eltern bei dem ich zweifellos den Kürzeren gezogen hatte, war ich doch zu dem Entschluss gekommen mir die Sache in England doch wenigstens mal anzusehen. Wenn es mir nicht gefiel würde ich einfach zurück nach Frankreich abhauen. Das redete ich mir zumindest ein.

Lien strahlte wie ein Honigkuchenpferd und eilte durch den Vorraum ins Speisezimmer, unablässig über die Geschichte des Landsitzes erzählend.

Nach dem Esszimmer besahen wir uns die Küche, das Wohnzimmer und die Bibliothek. Der warme, offene Stil aus der Vorhalle schien sich wie ein roter Faden durch alle Räumlichkeiten zu ziehen, auch wenn jedes Zimmer in einem anderen Naturton gehalten wurde.

Oben am Treppenabsatz befand sich die Ahnengalerie, am linken Flur fand man ein Gästezimmer und das Schlafzimmer meiner Eltern und am rechten ein weiteres Gästezimmer sowie mein Zimmer.

Widerwillig musste ich mir eingestehen, dass unser neues Herrenhaus das alte um Längen schlug. In Frankreich hatten wir in einer romanischen Villa im Süden gelebt, umgeben von lauter gleich aussehenden Häusern. Hier in England wohnten wir in Menabilly, einem Landsitz aus der Elisabethanischen Zeit in einem Waldstück an der Südostküste der Halbinsel Gribbin, 3 Kilometer östlich von Fowey, Cornwall. Von meinem Balkon konnte man gut 50 Meter hinunter ins Meer sehen und um unser Haus herum lag weit und breit kein benachbartes Anwesen, nur Bäume, Farn und Eichhörnchen.

„Ihr möchtet Euch sicher noch ein wenig frisch machen vor der Dinnerparty. Wenn ich Euch noch irgendwie helfen kann, zögert nicht mich zu rufen.“

„Mhmm…“

Die Hauselfe verbeugte sich nochmal und verschwand lächelnd in Richtung Küche. Wenn ich mich doch bloß auch so über den Umzug freuen könnte wie Lien. Ich hatte alle meine Freunde, meine Pläne, mein ganzes Leben in Frankreich zurücklassen müssen. Meine Welt war zerbrochen.

Aber wenn ich jetzt in Selbstmitleid ertrank, brachte mich das auch nicht wieder zurück nach Hause. Am besten war es vermutlich, wenn ich mich jetzt einfach duschen ging. Heute Abend kamen Unmengen wichtiger Leute aus der magischen Oberschicht in England zu einer Willkommensparty zu uns und meine Eltern hatten mir mehrmals eingeschärft, wie wichtig es war, auf diese Leute einen guten Eindruck zu hinterlassen und was passierte, wenn ich es nicht tat.
 

Später an diesem Abend schlenderte ich gelangweilt durchs Wohnzimmer. Überall standen kleinere oder größere Grüppchen von Hexen und Zauberern herum, redeten, lachten und kippten sich Cocktails hinter die Binde.

Ich war schon auf gefühlten Tausend solcher Partys gewesen. Nur dass es bis jetzt immer die französischen Reinblüter gewesen waren und jetzt eben die englischen. Und dass die Häppchen dieses Mal andere waren. Naserümpfend inspizierte ich das Buffet. Egal was das für Zeug war, Schnecken auf Baguette war es definitiv nicht. Aber das da hinten sah verdächtig nach Fröschen aus. Seltsamerweise in Schachteln verpackt.

Ich langte über den Tisch und riss eine Packung auf. Ein wenige enttäuscht stellte ich fest, dass sie nur aus Schokolade waren. Und seltsamerweise wir eine Karte mir dem Bild von Merlin beigelegt.

„Die spinnen, die Briten. Schokofrösche mit Bildkarten, Schwachsinn…“ schoss es mir durch den Kopf.

„Cool! Merlin! Sammelst du die Karten?“

Meine mentale Schimpftirade gegen die Inseleuropäer wurde abrupt von einer männlichen Stimme hinter mir unterbrochen. Erschrocken drehte ich mich um und stand vor einem dunkelhäutigen Jungen, der in etwa in meinem Alter war. Er war ausnehmend hübsch mit den hohen Wangenknochen und den länglichen Augen. Sein aristokratisches Gesicht und die zarten Glieder erinnerten mich irgendwie an einen Prinzen und sein hochnäsiges Getue ließ darauf schließen, dass er tatsächlich einer war. Oder zumindest von allen wie einer behandelt wurde.

„Öhhm…nee, eigentlich nicht. Du kannst sie haben.“

„Danke. Ich bin übrigens Blaise Zabini.“

„Oh…Anjali Noel.“

„OH!“

Er hielt mitten in der Bewegung inne und sah mich an, als ob ich der Osterhase wäre.

Ich blickte ihm mit skeptische Mine an und überlegte gerade, ob er womöglich einen Krampf oder einen Anfall oder so hatte, als eine bildhübsche, ebenfalls schwarze Frau Blaise zu sich rief und mit ihm die Party verließ.

Die Quidditch-WM

Meine Eltern hassten zwar Quidditch, aber da uns der Chef meines Vater, der Zaubereiminister Cornelius Fudge höchstpersönlich zum Finale der Weltmeisterschaft eingeladen hatte, waren sie mehr oder weniger gezwungen sich das Endspiel Irland gegen Bulgarien anzusehen. Als ich davon erfuhr, hätte ich am liebsten Freudensprünge gemacht. Ich war selbst eine begnadete Quidditchspielerin und hatte natürlich alle WM-Spiele in der Zeitung verfolgt. Frankreich war zwar im Halbfinale ausgeschieden, aber die Karten für das Endspiel entschädigten mich dafür. Wir würden in der Ministerloge sitzen und somit hautnah miterleben, wie der Pokal überreicht wurde. Ich würde Viktor Krum, den vermutlich besten Sucher der Welt in Natura erleben. Ich konnte den Finaltag schon gar nicht mehr abwarten und als es dann endlich soweit war, murrte ich nicht mal über den Besuch im Zelt von Lucius Malfoy, einem entfernten Verwandten meiner Mutter.

In Gedanken beim Spiel am Abend folgte ich einem alter Hauself durch die Räumlichkeiten des Zwölf-Zimmer-Seidenzelts der Malfoys in den Salon.

„Persis, meine Liebe.“

Ein silberblonder Mann, der der Zwillingsbruder meiner Mutter hätte sein könne, stolzierte auf uns zu, um uns kühl lächelnd zu begrüßen. Doch das Händegeschüttel ging an mir vorbei, ohne Spuren zu hinterlassen. Als ob irgendjemand dieses übertrieben freundliche Begrüßungsgehabe ernst meinen würde und sich auch nur ansatzweise über unser Kommen erfreuen würde.

Es folgte eine stinklangweilige halbe Stunde, in der wir Tee tranken und meine Eltern und die Malfoys so taten, als würden sie sich für das, was die anderen taten interessieren.

Endlich wurde es Zeit sich auf den Weg zum Stadion zu machen. Ich sprang von meinem Stuhl auf und stürmte in Richtung Zeltausgang.

„Einen Moment noch.“

Innerlich fluchend drehte ich mich zornerfüllt zu Mrs. Malfoy um. Sie war eine äußerst hübsche Frau, mit hellblonden Haaren und einem puppenartigen Gesicht. Und im Moment hätte ich ihr am liebsten in genau dieses würdevolle Gesicht gespukt. Ich wollte zu dem Spiel verdammt. Und zwar sofort.

„Wir müssen noch auf Draco warten. Er müsste gleich hier sein.“

Ich biss die Zähne zusammen, um nicht laut zu fluchen. Wenn ich das richtig mitbekommen hatte, war das der Sohn der Malfoys. Und der nächster in der Familie, den ich gerne angespukt hätte, weil er mich daran hinderte, zum Spiel zu kommen.

Zwei von Dreien, die meine Missgunst auf sich gezogen hatten, kein schlechter Schnitt. Wenn sich jede Familie in England auf diese Weise mit mir bekannt machte, würde es bestimmt nicht lange dauern, bis ich irgendjemandem ernsthaft an die Gurgel ging.

Nach einer gefühlten Ewigkeit tanzte besagter Junge endlich an. Verärgert stellte ich fest, dass er verdammt hübsch war, was meiner Wut auf ihn einen gehörigen Dämpfer versetzte. Unbestreitbar hatte ich eine Schwäche für hübsche Jungs.

Mein Zorn auf meine Eltern und die Malfoys geriet in Vergessenheit, als wir den mit roten und grünen Laternen erleuchteten Weg zum goldenen Stadion entlang wanderten. Um uns herum hörte ich das Rascheln des Waldes, vermischt mit dem aufgeregten Stimmengewirr der Quidditchfans. Angesteckt von der Euphorie die in der Luft lag beschleunigte ich meine Schritte, bis ich breit grinsend vor Spannung in den Schatten einer goldenen, sich in alle Seiten erstreckende Wand trat.

Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass diese Mauer nur ein Bruchteil der Außenwand des Quidditchstadions war. Beeindruckt starrte ich an dem Monument hoch.

„Die Hälfte unserer Minsteriumszauberer sind seit Monaten mit dem Bau des Stadions beschäftigt - auf jedem Zentimeter des Geländes liegt doppelte und dreifache Muggelabwehr“, erklärte eine abwertende Stimme direkt hinter meinem Ohr.

Überrascht drehte ich mich um - eigentlich hatte ich erwartet dass noch niemand von meinen Begleiter hier war, da ich so schnell gegangen war – und sah mich nur ein handbreite von Dracos grauen Augen entfernt. Er lächelte leise und ich spürte seinen nach pfefferminzriechenden Atem auf meiner Wangen. Wie es dererlei prickelnde Momente so an sich htten, ging der Augenblick in dem wir so dastanden viel zu schnell vorbei und unsere hoch geschätzten Eltern platzten dazwischen.

Eine miesepetrig dreinsehende Hexe kontrollierte am Eingang unsere Karten und erklärte wie wir zu ihren Plätzen kamen. Einfach immer die mit purpurroten Teppichen ausgelegte Treppe hinauf, bis wir am höchsten Punkt des Stadions genau in der Mitte der goldenen Torpfosten in eine Loge traten.

Die vordere Reihe war bereits von einer Menge rothaariger Zauberer, einem schwarzhaarigen Jungen und einem Mädchen mit buschigen braunen Haaren besetzt. Fudge, ein untersetzter Mann mit einer schrecklichen grünen Melone und der bulgarische Minister Obalonsk in seinem goldbestickten, schwarzen Samtumhang waren abgesehen von einer kleinen Hauselfe die einzigen Menschen in der oberen Reihe. Lucius und mein Vater nahmen direkt neben den beiden Ministern Platz, während sich Narzissa und meine Mutter schnatternd am Ende Sitzreihe niederließen – die zwei schienen sich prächtig zu verstehen. Draco und ich setzten uns auf die zwei leeren Plätze zwischen unseren Eltern. Während ich wartete, dass das Spiel begann, konnte ich meine Gedanken unmöglich von Draco wegzerren. Da war diese prickelnde Spannung zwischen uns beiden, die ich einfach nicht ignorieren konnte. Als das Spiel begann zwang ich meine Aufmerksamkeit gewaltsam zu den Geschehnissen auf dem Feld und tat mein Möglichstes, um sie für den Rest des Spiels auch dort zu behalten.

Zweisamkeit in der Finsternis

Später am Abend wurde der Sieg von Irland ausgiebig und äußerst flüssig gefeiert. Gerade als die kleine Feier der Malfoys und einiger ihrer Freunde auszuarten drohte, schickte Dracos Mutter ihren Sohn und mich in den Wald, durch den wir vor ein paar Stunden zum Quiddtichfeld und wieder zurück gewandert waren. Draco nahm mich sofort bei der Hand und zog mich aus dem Zelt hinüber zu den Bäumen. Erst im Schutz der Dunkelheit blieb er stehen. Verwundert lehnte ich mich an einen Baum.

„Was sollte das denn eben?“

„Oh, sie werden sich nur ein wenig amüsieren und wollen nicht, dass wir im Weg herum stehen. Du wirst bestimmt bald sehen, was ich meine.“

Ich konnte Dracos Gesicht nicht sehen, aber der Klang seiner Stimmer verriet mir, dass er böse grinste. Da ich keine Ahnung hatte, was kommen würde, ließ ich meine Augen zu einer Öffnung zwischen den Bäumen wandern, die den Blick auf das Zeltlager frei gab.

Erst als ich eine warme Hand auf meinem Arm spürte, wandte ich mein Gesicht wieder Draco zu. Er war ganz dicht an mich heran getreten und ich spürte seinen warmen Atem über mein Gesicht streichen. Schneller als mein Gehirn schalten konnte, trafen sich unsere Lippen und er schlang die Arme um meine Taille, während ich meine Hände in seinen seidenweichen Haaren vergrub. Langsam glitt seine Zunge über meine Lippen und bat um Einlass, den ich ihr gewiss nicht verwehrten wollte.
 

Am Höhepunkt unseres innigen Zungenspiels wurden wir von Schreien und einem undeutlichen Stimmengewirr in unserer Nähe unterbrochen. Draco stöhnte genervt auf – er schien die Urheber der Stimmen zu kennen und nicht gerade erfreut zu sein, sie zu treffen.

Ein Stück neben uns flammte ein Zauberstab auf. Ich sah das Mädchen und den Jungen aus der Ministerloge sowie einen der Rothaarigen, der gerade am Boden lag.

„Bin über eine Baumwurzel gestolpert.“

Der Junge mit dem flammenden Schopf knurrte wütend und rappelte sich umständlich auf.

„Mit solchen Riesenfüßen ist das auch kein Wunder.“

Draco hatte sich neben mir vollkommen entspannt an einen Baum gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Ein gemeines Lächeln umspielte seine Lippen und der fiese Unterton in seiner Stimme macht ganz deutlich klar, dass er sie drei alles andere als gut leiden konnte.

Der Rotschopf schleuderte ihm eine wüste Beschimpfung entgegen, die Draco bloß ein hinterhältiges Glitzern in die Augen trieb.

„Zügle dein Mundwerk Weasley. Solltet ihr jetzt nicht besser verschwinden? Ihr wollt doch nicht, dass man die hier sieht, oder?“

Ein lauter Knall ertönte, ein grüner Lichtblitz erhellte die Umgebung und das braunhaarige Mädchen machte einen angriffslustigen Satz in Dracos Richtung und versperrte mir so die Sicht auf den Zeltplatz. Mir war gar nicht aufgefallen, wie die Situation jenseits des Waldes eskaliert war. Menschen schrien panisch umher, Kinder weinten, Donner, wie von Kanonen und höhnische Rufe drangen zu uns herüber, untermalt von einem zuckenden, grünen Licht.

„Was soll das denn heißen?“

„Die sind hinter Muggeln her, Granger. Willst du vielleicht mitten in der Luft dein Höschen vorzeigen…sie kommen in diese Richtung, und das wäre doch für uns alle ein Riesenspaß.“

Ich kicherte und Draco warf mir einen triumphierenden Blick zu.

Eine Weile lauschte ich noch der verbalen Schlacht der Vier. Aus dem Wortgefecht ging hervor, das der Rotschopf unter ihnen Ron Weasley war. Also war vermutlich der ältere Herr beim Spiel in der Reihe vor mir Arthur Weasley mit seinen Kindern gewesen. Mein Vater hatte ihn mal am Rande erwähnt, da er ein niederer Angestellter in irgendeiner sinnlosen Abteilung im Ministerium war. Seine Familie war eine rothaarige Bande von Blutsverrätern, die kaum mehr Gold besaßen als sie brauchten, um nicht zu verhungern. Ausnahmsweise teilte ich mal die Ansicht meines Vaters, nämlich dass diese Familie eine erbärmliche Bagage war und ich besser nicht mal in die Nähe eines Weasleys kommen sollte.

Das braunhaarige Mädchen hieß Hermine Granger. Der Name sagte mir nichts, was auch nicht weiter verwunderlich war, da sie ein Schlammblut war. Mit Menschen wie ihr gab ich mich aus Prinzip nicht ab.

Und der letzte im Bunde war Potter. Kaum war der Name zum ersten Mal gefallen, war mein Blick zur Stirn des Jungen gehuscht. Unter seinem zerzausten Haarschopf zeigte sich eine feine, blitzförmige Narbe. Das war Harry Potter, der Junge, der Lord Voldemort, den mächtigsten schwarzen Magier Groß Britanniens besiegt hatte. Ich hatte in einem Buch von ihm gelesen und ihn mir als glorreichen, strahlenden Helden vorgestellt. Doch die Realität enttäuschte mich. Er war lediglich ein unscheinbarer Junge mit gesellschaftlich unakzeptablen Freunden.

„Und versteck besser deinen großen buschigen Kopf, Granger.“

Draco lachte höhnisch, während das Mädchen ihre beiden Begleiter von uns weg zerrte.

„Nett. Richtig sympathisch die Drei. Sag mir jetzt bitte nicht, dass die auch auf Hogwarts gehen.“

Vor wenigen Tagen hatten mich meine Eltern zur Schulbesichtigung nach Hogwarts geschleppt. Der Schulleiter Professor Dumbledore hatte uns durch das gesamte Schloss und über die Ländereien geführt, alles Wichtige erklärt, mir eine Liste mit Wahlfächern, Büchern und allem Sonstigen, das ich brauchte, ausgehändigt und mir schließlich einen Sprechenden Hut aufgesetzt, der mich dem Haus Slytherin zuteilte, das einzig akzeptable Haus, wie ich von den Malfoys erfuhr. In Hufflepuff waren nur Flaschen, in Rawenclav Streber und in Gryffindor Angeber.

„Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber du wirst sie wohl oder übel in der Schule ertragen müssen. Aber da du ja in Slytherin bist und sie in Gryffindor, hast du lediglich die Zaubertrankstunden mit ihnen gemeinsam. Und Pflege magischer Geschöpfe, wenn du das Freifach wählst, wovon ich aber abraten würde. Der Lehrer ist ein zu groß geratener Spinner, der lebensgefährliche Monster als Haustiere hält, versucht Drachen in seiner Holzhütte auszubrüten und sich ständig betrinkt. Letztes Jahr in seiner ersten Stunde hat es sein tollwütiger Hippogreif fast geschafft mir den Arm abzureißen.“

„Monster, Drachen und tollwütige Hippogreife?“ fragte ich lahm. „Hättest du mir das nicht gestern sagen können? Da hab ich nämlich die Liste mit meinen gewählten Fächern an Dumbledore geschickt. Ich hab Pflege magischer Geschöpfe, Alte Runen und Arithmantik angekreuzt.“

„Ich hab weder Alte Runen noch Arithmantik, aber ich hab gehört dass beide Fächer ziemlich schwierig sein sollen.“

„Glaub ich kaum. In Beauxbaton hatte ich beide Fächer schon seit der ersten Klasse. Es gibt nicht Einfacheres, glaub mir.“

Beim Gedanken an meine alte Schule versetzte mir das Heimweh einen leichten Stich ins Herz. Draco, der mich die ganze Zeit schon keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte, verstand wohl, was in mir vorging, denn als er seinen nächste Frage stellt war seine Stimme weich und beruhigend.

„Wie ist Beauxbaton eigentlich?“

„Es ist einfach…unglaublich. Die Schule ist eine einem schneeweißen Schloss, nein eher einem Palast untergebracht. Rund um das Gebäude herum sind vierzehn Blumenbeete angelegt, für jede Klasse zwei, eins für die Jungen und eines für die Mädchen, die getrennt unterrichtet werden. Das Beet der ersten Klasse ist links neben dem Eingang und die der Siebtklässler rechts davon. Die Schüler müssen ihr Beet das ganze Jahr über pflegen und am Ende des Jahres wird ein Pokal für das schönste Beet vergeben. Es wird nach Seltenheit der Pflanzen, der Schwierigkeit ihrer Zucht und des Anbaus und natürlich nach ihrer Schönheit bewertet. In Beauxbaton ist eigentlich alles auf Schönheit ausgerichtet. Die Eingangshalle des Palastes ist aus purem Marmor und überall gibt es süße goldene Verzierungen. Vor dem Schloss gibt es noch einen großen See mit azurblauem Wasser und Seerosen, die so groß sind wie Kutschen.“

Ich seufzte leise ob der Schönheit von Beauxbaton, die ich im mittelalterlichen Hogwarts missen würde, versucht aber, mir die schlechten Seiten des französischen Palastes vor Augen zu führen, um die Sehnsucht ein klein wenig zu lindern.

„Leider ist selbst in Beauxbaton die Auslese der Schüler nicht streng genug. Es laufen auch Unmengen solch Unwürdige herum.“

Angewidert ruckte ich mit dem Kopf in die Richtung, in die Potter, Weasley und Granger verschwunden waren.

„Ich stimme zwar vollkommen mit dir darüber ein, dass man solchem Gesindel wie Granger das Zaubern gar nicht erst beibringen sollte, aber andererseits überleg doch mal wie langweilig die Schule wäre, wenn es nur Reinblüter gäbe.“

Seine Augen schimmerten durchtrieben und machten mir deutlich, wie Leute von so einem Schlag das Leben in Hogwarts amüsant machen konnten...

In der Winkelgasse

Dichter Nebel lag noch über dem Zeltplatz, als Lien uns am nächsten Morgen zeitig aus den Federn riss. Obwohl es draußen noch recht dunkel war herrschte bereits reges Treiben um uns herum. Zauberer und Hexen eilten mit sorgvollen Gesichtern in Richtung Ausgang, alle darauf bedacht, möglichst schnell abzureisen.

Gähnend und furchtbar morgenmuffelig wartete ich schaudernd im Vorzimmer unseres Zelts darauf, dass meine Eltern sich endlich dazu bequemen würden, das Zelt zu verpacken und nach Hause zu reisen, wo mein herrlich weiches, kuschelig warmes Bett auf mich wartete.

Grimmig vergnügt stellte ich fest, dass die beiden furchtbar zerzaust und verkatert aussahen, als sie nach einer schieren Endlosigkeit aus ihrem Schlafzimmer gewatschelten kamen. Ebenso wie die Malfoys hatten sie gestern Nacht noch mächtig übe die Stränge geschlagen. Wie Lien mir berichtet hatte, waren die beiden in unser Zelt gewankt, kurz nachdem irgendein komisches Mal am Himmel erschienen war.

Ich hatte von all dem überhaupt nichts mitbekommen – Draco hatte mich zu sehr in seinen Bann gezogen, um Platz für irgendeine andere Wahrnehmung als ihn zu lassen.

Mit den Gedanken immer noch beim gestrigen Abend und Draco verließ ich mit meinen Eltern den Zeltplatz, wo uns ein ausgezerrt wirkender Zauberer mit dunkelvioletten Schatten unter den Augen einen Portschlüssen zuteilt.

Sekundenspäter tauchten wir vor unserem Landsitz wieder auf. Gähnend schleppte ich mich durch die Eingangshalle, die Treppe hoch und den Flur entlang in mein Zimmer. Mit einem Schlenker meines Zauberstabs schloss ich die Vorhänge und öffnete das Fenster, um mir vom herrlichen Duft des Meeres meine Träume versüßen zu lassen. Und endlich schlüpfte ich unter meine weiche Decke und schloss die Augen. Nur um sie kurz darauf wieder zu öffnen, da irgendetwas schmerzhaft auf meinem Kopf gelandet war.

„Was zur Hölle….!“

Verärgert über diesen Versuch mich am Schlafen zu hindern tauchte ich wieder aus den Untiefen meiner Polster auf. Der Übeltäter, eine braun-graue Eule mit einem Brief am Bein kreiste um mein Bett und schuhute leise.

Ich band die Pergamentrolle vom Bein des Vogels, warf ihn quer durch mein Zimmer auf meinen Schreibtisch und zog mir die Decker wieder hoch bis zum Kinn.

„Du findest hoffentlich allein raus.“

Doch die Eule machte keine Anstalten wieder davon zu fliegen. Stattdessen landete sie abermals auf meinem Kopf und klackerte mit dem Schnabel.

„Was den? Ich beantworte den Brief später, jetzt hau ab.“

Vergrämt verscheuchte ich den Vogel von meinem Kopf, nur um mir schmerzhaft in den Finger picken zu lassen.

„AU! Du verdammtes Mistvieh!“

Ich packte den Vogel, der sich heftig wehrte, schleuderte ihn durch die Vorhänge nach draußen und knallte das Fenster hinter ihm zu.

Befriedigt machte ich kehrt und stieg in mein Bett. Doch kaum lag ich, ließ mich ein Rascheln im Schornstein wieder hochfahren. Ich war mir ziemlich sicher, was das Geräusch zu bedeuten hatte und meine Vermutung wurde bestätigt, als die Eule kurz darauf rußbedeckt aus dem Kamin schoss.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein.“

Ascheverstreuend zwitschert die Eule verärgert durch mein Zimmer, packte die Pergamentrolle, die ich ihr vorhin vom Bein genommen hatte und ließ sie mir wieder auf den Kopf fallen.

„Schon gut, schon gut, ich beantworte deinen blöden Brief ja“, knurrte ich.

Mit einem sehnsüchtigen Blick zurück auf meine Kissen stand ich auf und ging zu meinem Schreibtisch, wo ich unter dem wachsamen Blick der Eule Feder und Tinte hervor kramte.

Der kurze Brief war in einer feinen, ordentlichen Handschrift verfasst und die Unterschrift verriet mir, dass mir Blaise diese lästige Eule auf den Hals gehetzt hatte.

Hochverehrte Anjali,

ich hoffe, du hattest in deinen ersten Wochen in England eine schöne Zeit?

Ich werde nächsten Mittwoch in der Winkelgasse sein, falls es deine Zeit zulässt, möchte ich dich einladen, mich zu begleiten. Schick mir deine Antwort eulenwendend zurück.

Ich erbiete dir meine Grüße,

Blaise Zabini

Vor Empörung blieb mir der Mund offen stehen. Für diesen lächerlichen Brief wurde ich von einer Eule angegriffen und meines Schönheitsschlafes beraubt?! Es hätte doch bestimmt auch gereicht, wenn ich meine Zusage am Nachmittag geschickt hätte. Noch verärgerter und auf dem Gipfel der schlechten Laune angekommen kritzelte ich eine kurze, recht kratzbürstige Zustimmung aufs Papier. Die Eule ließ sich den Brief mit einem hochmütigen Ausdruck in den Augen ans Bein binden und flog, kaum dass ich fertig war, den Kamin hoch. Und ich konnte endlich ungestört meinen dringend benötigten Schlaf nachholen.
 

„Tropfender Kessel!“

Die smaragdgrünen Flammen schluckten mich, während ich mich mit geschlossenen Augen um die eigene Achse drehte. Nach einem kurzen Augenblick kam ich zum Stillstand und trat aus dem Kamin in ein schäbiges, verrauchtes Pub. Kaum hatte ich mir die Asche vom Rock geklopft, als ich Blaise auf mich zueilen sah. Mit dem beigen Rollkragenpulli und der schwarzen Hose sah er sogar noch besser aus, als bei unserem Zusammentreffen auf der Party.

„Hey!“

Freudig grinsend trat er zu mir und gab mir ein Küsschen auf jede Wange.

„Freut mich, dass du Zeit gefunden hast.“

Er bot mir seinen Arm an und ich wir gingen durch den Hintereingang des Lokals hinaus in einen kleinen Hof, in dem lediglich eine überquellende Mülltonne stand und ihren ekelhaften Geruch verbreitete. Milde interessiert beobachte ich wie Blaise seinen Zauberstab zog, die Backsteine über der Tonne zählte und auf einen bestimmten klopfte. Einen Moment lang geschah gar nichts, dann entstand ein Spalt zwischen den Steinen, der immer größer wurde und schließlich einen stattlichen Durchgang in eine gut besuchte Straße bildete.

„Willkommen in der Winkelgasse. Hier findest du so ziemlich alles was man als Zauberer benötigt.“

„Das ist alles? Ich meine, das ist die magische Shoppingmeile in Groß Britannien?“

Abwertend sah ich mir die Pflasterstraße vor uns an.

„Die Rue de Magie in Paris ist ungefähr doppelt so breit, nicht mal ansatzweise so schäbig und die Läden sehn besser aus, vom Zutrittsweg ganz zu schweigen.“

Blaise lachte leise und ich wandte mich zu ihm um.

„Du setzt deine Messlatte aber auch ganz schön hoch an.“

Er grinste schelmisch, während ich an ihn herantrat, so dass sich unsere Gesichter fast berührten.

„Warum sollte ich mich auch mit weniger als dem Besten zufrieden geben?“

In meiner Stimme lag deutlich ein Schnurren und ich lächelte hochmütig. Mit einem tiefen Blick in meine Augen kam Blaise noch ein Stück näher, offensichtlich mit dem Gedanken mich zu küssen, doch bevor es so weit kam drehte ich mich schwunghaft um, so dass ihm meine Mähne ins Gesicht peitschte und stolzierte lachend davon.

„Du kleine Mistbiene.“

Amüsiert holte mich Blaise ein, als ich in eine Apotheke ging, um mich mit den benötigten Zaubertrankzutaten auszustatten. Ich wartete noch, während Blaise seinen Vorrat an Zutaten wieder aufstockte, dann hakte ich mich wieder bei ihm unter und wir setzten unseren Weg durch die Winkelgasse fort.
 

Kurz nach Mittag standen wir wieder vor dem Torbogen, der in den Tropfenden Kessel führte.

„Was hast du jetzt noch vor?“

Blaise legte den Kopf schräg und grinste fragend.

„Da ich hier kein passendes Kleid für den Weihnachtsball gefunden hab, werd‘ mich im Muggellondon noch ein wenig umsehen.“

Noch ehe Blaise etwas darauf erwidern konnte schloss ich seinen Mund mit einem Kuss. Seine Lippen waren weicher als alle die ich vor seinen geküsst hatte und schmeckten nach Honig und Haselnuss. Zufrieden grinsend wandte ich mich von ihm ab – natürlich nicht ohne ihm meine Haare nochmal ins Gesicht zu werfen – und schlenderte durch das Pub auf die gegenüberliegende Tür zu, die auf die Charing Cross Road führte.

Ein perfekter Moment

Der Rest der Ferien verging rasch, getragen von einer Welle aus Vorfreude auf das Kommende. Kaum hatte ich mich versehen, war auch schon der letzte Augusttag, ich packte meine Koffer und wurde von meiner Mom zu den Zabinis gebracht, die mich morgen dann mit zum Bahnhof nehmen sollten, weil mein Vater im Ministerium gerade Überstunden schob und die gute Persis mit was-weiß-ich beschäftigt war.

Einen kurzen Moment wunderte ich mich darüber, warum ich nicht zu den Malfoys kam, die ja entfernt mit uns verwandt waren und mit denen sich meine Eltern so blendend verstanden, doch dann wurde die Tür geöffnet und der Gedanke an Haselnuss und Honig lenkte mich ab.

Die Villa der Zabinis drückte deutlich aus, dass sie in Galleonen schwammen. Das ganze Haus war genauso eingerichtet, wie ich mir Blaise‘ Lebensraum vorgestellt hatte: nobel, teuer und nur das Feinste vom Feinen.

Die Eingangshalle hatte in etwa die Größe einer Kathedrale und war komplett in matten Goldtönen gehalten. Nur die Familienportraits an den Wänden setzten einige farbliche Akzente. In der Mitte der Empfangshalle stand ein großer Springbrunnen der umrahmt wurde von zwei breiten, weit ausschwingenden Marmortreppen, die in die oberen Stockwerke führten.

Außer dem Eingangsbereich bekam ich noch den Salon zu Gesicht, einen großen, freigiebigen Raum mit barocken, weißen Tapeten und mannshohen Fenstern, die von kupferfarbenen, kunstvoll drapierten Brockatvorhängen eingerahmt wurden, einige Korridore, die allesamt mit karamellfarbenen Holz vertäfelt waren und die mir zugewiesen Gästeräume.

Letztere lagen weit im Ostflügel des Hauses und bestanden aus einem weißen Marmorbad, mit prunkvollen goldenen Armaturen, einem rubinroten Wohnzimmer mit der größten Ledercouch die ich je gesehen hatte und einem dunkelblauen Schlafzimmer mit einem wunderschönen Sternenhimmel, der originalgetreu die Bewegungen der Himmelskörper wiedergab.

Der Nachmittag floss zäh dahin, während wir mit Blaise‘ Mutter Nahemi im Salon saßen, Tee tranken und mal wieder so taten als würde uns das was der andere zu sagen hatte interessieren.

Endlich brach der Abend an und meine Mutter verabschiedete sich. Gerade als sie das Anwesen verlassen hatte, kam Blaise nach Hause, der sich vor dem Nachmittagstee gedrückt hatte, den meine Mutter aber „doch so gerne kennengelernt hätte“, wie sie Mrs. Zabini ungefähr hundert Mal versichert hatte.

„Dein perfektes Timing war sicher kein Zufall“, meinte ich, als wir bereits im Pyjama im Wohnzimmer saßen und uns eine letzte Tasse Kakao gönnten.

„Natürlich nicht. Ich bin den ganzen Nachmittag in den Büschen gehockt und hab gewartet dass deine Mutter geht.“

Blaise‘ Stimme war sarkastisch und er grinste frech.

„Das würde zumindest deine unordentliche Frisur erklären.“

„Meine Haare sind überhaupt nicht unordentlich!“

Empört besah er sich sein Spiegelbild in seinem Teelöffel. Seine Haare waren perfekt glatt, kein einziges Haar stand in die falsche Richtung. Zu sehr auf seine Frisur konzentriert merkt er nicht, wie ich mich zu ihm beugte. Erst als es schon zu spät war und ich seine Haar völlig verstrubbelt hatte rückte er von mir weg.

„Na warte, das wird‘ ich dir noch heimzahlen.“

Doch gerade als er zu einer Retourkutsche ansetzt kam seine Mutter herein, um uns zu Bett zu schicken.

„Dann wird‘ ich dich heute Abend wohl noch mal besuchen kommen müssen.“

Mit einem abenteuerlustigen Funkeln in den Augen und einem verschmitzten Lächeln im Gesicht erhob er sich anmutig vom Sofa und machte sich auf den Weg in sein Schlafzimmer.

Der Hauself der Zabinis führte mich in meine Räumlichkeiten, wünschte mir eine gute Nacht und versicherte mir nochmal, dass ich nur rufen müsste, wenn ich etwas bräuchte, er würde mir gerne zu Diensten sein.

Als sich die Tür hinter dem Elfen geschlossen hatte, öffnete ich die Balkontür und trat nach draußen. Das weitläufige Anwesen der Zabinis erstreckte sich kilometerweit in alle Richtungen. Auf der anderen Seite des Hauses waren, wie ich wusste, die Auffahrt, die zu beiden Seiten mit üppigen Blumenbeeten und tierisch zurechtgeschnittenen Büschen gesäumte war und der tempelartig gestaltete Eingang.

Direkt vor mit befand sich ein kreisrunder See mit einer ebenso runden Insel mittendrin. Darauf stand ein blütenweißer, achteckiger Pavillon und vier kunstvoll geschwungene Brücken führten exakt in die Himmelsrichtungen weisend zurück zum Ufer.

Diese wunderbare Bild untermalt vom leuchtenden Vollmond hielt mich eine Weile gefangen, bis es hinter mir leise an der Tür klopfte. Erschrocken fuhr ich herum.

„Herein.“

Geräuschlos öffnete sich die Tür und Blaise‘ grinsendes Gesicht schob sich durch den Türspalt.

„Sollten kleine Mädchen um diese Uhrzeit nicht schon längst im Bett sein?“

Mit einem schelmischen Funkeln in den Augen schloss er die Tür hinter sich, durchquerte den Raum und trat zu mir in die kühle Nachtluft hinaus.

„Ach, und kleine, freche Jungs dürfen noch herumstreunen und den Gästen hinterher stellen.“

Ich zog fragend eine Augenbraue hoch und grinste.

„Natürlich. Insofern der Stelzbock noch eine Rechnung zu begleichen hat.“

Langsam kam er näher und ich wich zurück, bis ich das Balkongeländer in meinem Rücken spürte.

„Finger weg von mir! Meine Haare sind mein Heiligtum! Aber ich weiß was besseres, um meine Schuld zu begleichen.“

Blaise stand jetzt direkt vor mir und blickte auf mich herab. Unwillkürlich stockte mir der Atem. Er trug nichts als eine honigfarbene Boxershorts, die seine dunkle Haut und seinen muskulösen Körper perfekt unterstrich und der Duft von Honig und Haselnüssen stieg mir in die Nase.

„Ich hoffe nur wir verstehen dasselbe unter Schuldbegleichung…“

Stürmisch schlang ich meine Arme um seinen Hals. Ich wollte ihn küssen, wieder dieses herrliche Aroma auf der Zunge schmecken, das mir sein Duft bereits anpries, doch er bremste mich aus, bevor sich unsere Lippen berührten. Den Finger auf meinem Mund drängte er mich ein kleines Stück zurück.

„Ohh nein, diesmal überlässt du mir das Ruder. Schließ einfach die Augen und lass dich fallen.“

Ich tat wie mir geheißen, schloss die Augen und ließ meine Hände sinken, bis sie auf seiner warmen Brust lagen und ich das träge, rhythmische Klopfen seines Herzens spürte.

Im Gegenzug wanderten sein Hand zu meiner Hüfte und schlüpfte unter mein Shirt. Als ob er das schon sein Leben lang täte umreiste er mit seinen Fingern meinen Bauchnabel und jagte mir kalte und heiße Schauer den Rücken hoch und runter. Die andere Hand legte er mir um den Hals und zwirbelte damit eine Haarsträhne.

„Du bist wunderschön, weißt du das?“

Sein Gesicht war so nahe bei meinem Ohr, dass mich seine Lippen beim Flüstern streiften. Ein lustvoller Seufzer entrang sich meiner Kehl, als seine Zunge mein Fleisch berührte und langsam am äußeren Rand meines Ohres entlang wandert. Zärtlich saugte er an meinem Ohrläppchen, bevor er weiter nach unten ging, meinen Hals mit Küssen bedeckte und sich auch dort hier und da festsaugte.

Bedächtig küsste er sich am Kragen meines Shirts am Schlüsselbein entlang, liebkoste die andere Seite meines Halses und kam dann ganz langsam über meine Wange näher zu meinen Lippen.

Meine Kehle brannte und in mir hatte sich eine Hitze breit gemacht, die meine Brust zu zerschmettern drohte. Mein ganzer Körper kribbelte als würde er unter Strohm stehen und alles in mir schrie nach Erlösung, die ich in Form von Blaise‘ Zunge erfuhr, die sich langsam, aber bestimmt ihren Weg durch meine Lippen hindurch bahnte. Er küsste mich, wie ich noch nie geküsst worden war. Leidenschaftlich und unendlich sanft, wild und zärtlich, stürmisch und bedächtig.

Ich weiß nicht, wie lange wir so dastanden, unter dem glitzernden, sternenbesetzten Himmel und dem gleisenden Vollmond und uns küssten. Ich weiß nur, dass ich mir gewünscht hatte, dieser Moment würde nie vergehen.

Doch ein Lichtschimmer, der neben uns aus dem Fenster drang löste uns voneinander. Blaise warf einen Blick zu dem Fenster und sah mich dann wieder an.

„Ist vermutlich bloß unser Hauself, der für morgen Früh dein Badezimmer beheizt.“

Abermals beugte er sich zu mir herab, doch er hielt inne und richtete seinen Blick auf irgendetwas, das über meinem Kopf lag.

„Sieh mal, eine Sternschnuppe.“

Langsam drehte ich mich um und beobachtete dem Kometen, wie er funkelnd seinen Schweif über das Firmament zog.

„Jetzt darfst du dir was wünschen.“

Blaise‘ Stimme flüsterte mir leise ins Ohr und der Luftzug, den sein Atem verursachte ließ eine lockere Haarsträhne gemächlich flattern.

„Weißt du, im Moment, gibt’s eigentlich Überhauptnichts, das ich mir wünschen würde.“

Und das war nicht mal gelogen. Was hätte ich auch mehr wollen können? Über mir erstreckte sich ein sternenbespicktes Himmelzelt und der diamanthelle Vollmond strahlte auf mich herab, ein glitzernder See lag vor mir in der Dunkelheit und hinter mir spürte ich den durchtrainierten Körper eines bildhübschen Jungens, der seinen Kopf auf meine Schulter gelegte hatte und noch immer mit einem Finger mit meinem Bauchnabel spielt. Der Moment war einfach zu vollkommen, um noch Wünsche offen zu lassen.

Neue Freunde und Feinde

Der nächste Morgen brach freundlich, aber kühl an. Ich war schon lange wach, als mich der Hauself der Zabinis um 9 Uhr wecken wollte. Ein Strahl der aufgehenden Sonne war durch die immer noch geöffnete Balkontür gefallen und hatte mich sanft wach gekitzelt. Lächelnd war ich aus dem Bett geschlüpft und hinaus ins Morgenrot getreten. Der kreisrunde See zu meinen Füßen funkelte bereits mit dem taubedecktem Gras um die Wette und Bienen summten gemächlich an mir vorbei während ich den Sonnenaufgang genoss.

Als ich mich nach dem Weckruf des Hauselfen gewaschen und angekleidet hatte ging ich hinunter um mit Blaise und seiner Mutter auf der Terrasse im Sonnenschein zu frühstücken. Blaise lächelte als er mich gut gelaunt neben ihm Platz nehmen sah. Der Frühstückstisch vor mir war von Marmelade über Käse bis hin zu importiertem Nutella mit allerlei Leckereien bedeckt und ein Krug frisch gepresster Orangensaft verströmte sein süßen Aroma. ‚So lässt’s sich leben‘, dachte ich, während ich herzhaft in ein Honigbrötchen biss.

„Was ist los mit dir? Du bist heute so unglaublich gut gelaunt.“

Blaise packte mich am Arm und zog zur Seite, als ich Nahemi aus dem Haus folgen wollte, um nach London zum Bahnhof Kings Cross zu fahren.

„Ich weiß nicht. Sag du’s mir.

Kurz blitzte in meinen Augen die Erinnerung an gestern Nacht auf, bevor ich mich umdrehte, ihm meine Mähne ins Gesicht warf und die wenigen Eingangsstufen hinunter zu dem weißen Rolls Royce sprang, der vor der Villa auf uns wartete. Unsere Koffer waren bereits verstaut, Nahemi wartete mit einem blasierten Gesichtsausdruck neben dem Chauffeur im vorderen Teil des Wagens und ich glitt auf die Rückbank.

Die ganze Fahrt über spürte ich Blaise‘ glühenden Blick auf mir ruhen, aber ich beschied mich damit abgewendet von ihm aus dem Fenster zu grinsen und zu beobachten wie der Himmel immer trüber und regnerischer wurde. Was mein Banknachbar wohl gerade dachte?

Am Bahnhof wimmelte es nur so vor Leuten. Suchend ließ ich meinen Blick über das Gelände schweifen, doch ich fand nicht wonach ich suchte.

„Ich dachte wir sollten auf den Bahnsteig 9 ¾, aber den gibt’s hier nirgends.“

Blaise lächelte verschmitzt, als er mir voran in Richtung der Gleise 9 und 10 ging.

„Doch den gibt’s. Aber nur, wenn du weißt wie du dorthin kommst. Folg‘ mir einfach unauffällig.“

Ich hatte sein grinsendes Gesicht fragend fixiert und ohne dass ich es merkte waren wir mit unseren Gepäckwagen immer schneller geworden. Jetzt hielten wir direkt auf die Absperrung zwischen den zwei Gleisen zu. Mein Wagen war außer Kontrolle geraten, ich konnte ihn nicht mehr lenken, geschweige denn bremsen.

„Keine Panik, Anjali. Vertrau mir einfach.“

Ich wandte meine Blick von der Wand vor mir ab um Blaise darauf hinzuweisen, dass Panik durchaus erlaubt war, wenn man mit einem wildgewordenen Gepäckwagen auf eine sehr solide Bahnhofabsperrung zuraste, als mir klar wurde was ich da tat und meine Augen schnell wieder nach vorne richtete. Ich hatte die Hoffnung gehegt, dass ich noch die Chance hatte den Karren an der Seite vorbei schrammen zu können, doch der entscheidende Moment war vorüber gegangen, als ich zu Blaise geblickt hatte und die Mauer war keine zwei Meter mehr von mir entfernt, eine Kollision war unausweichlich. Ich schloss die Augen, bereit zum Aufprall – doch nichts geschah. Ich spürte wie ich langsamer wurde, schließlich ganz zum Stillstand kam und linste unter meine Lider hindurch zu der Wand vor mir, an der ich eigentlich schon längst kleben müsste. Aber vor mir war keine Absperrung mehr! Eine karminsimsrote Dampflok stand an ihrer Stelle. Neben ihr wuselten weit aus weniger Leute als gerade noch vorhin umher, dafür waren außergewöhnlich viele Teenager unter ihnen. Eulen kreischten mürrisch um die Wette, Katzen strichen am Bahnhof entlang und ein blau-schwarzer Rabe saß auf einem Messingschild mit der Aufschrift ‚Bahnsteig 9 ¾‘.

„Das ist doch fast wie Zauberei, oder?“

Meinte eine sarkastische Stimme hinter mit und ich wirbelte herum. Blaise stand mit seinem Gepäckkarren lässig vor einem gusseisernen Tor, das ebenfalls ein Schild mit der Bahnsteignummer zierte.

Ich versetzte ihm einen Klaps auf den Arm und lachte.

„Das hättest du mir ruhig auch früher sagen können. Ich hab gedacht ich knall‘ direkt in diese Absperrung rein!“

Hinter uns schritt Nahemi anmutig durch das Tor und gemeinsam machten wir uns auf den Weg den Zug entlang, um ein freies Abteil zu suchen.

Etwa in der Mitte des Zuges stieg Blaise in einen Waggon. Er führte mich zu einem Abteil in dem lediglich ein grobschlächtiger, plumper Junge mit einer Puddingschüsselfrisur saß.

„Hallo Crabbe.“

Blaise schien den Jungen nicht sonderlich gut leiden zu können, was deutlich aus seinem desinteressierten Blick zu schließen war.

Ich reichte dem dicken Jungen lächelnd die Hand, als er sich verstellte und lehnte mich dann neben Blaise aus dem Fenster, um mich von seiner Mutter zu verabschieden und mich höflich zu bedanken.

Als Nahemi vom Bahnsteig disapparierte zog ich mich ins Abteil zurück und ließ mich neben Blaise auf einen freien Platz fallen. Eine Weile waren wir drei die einzigen im Abteil, bis die Tür von einem hässlichen Mädchen mit einem Mopsgesicht aufgeschoben wurde.

„Hallo Jungs.“

Sie stutzte kurz als sie mich sah, beschloss dann so zu tun als ob ich nicht hier wäre und räumte ihren Koffer auf die Gepäckablage. Mit einem Seufzer ließ sie sich neben dem Fenster nieder und blickte suchend auf den Bahnsteig hinaus. Ich zuckte die Achseln und ignorierte das Mädchen ebenfalls. Wenn sie es nicht mal fertig brachte mich in ihre Begrüßung mit einzubeziehen würde ich mich bestimmt nicht bei ihr vorstellen.

Wiederum herrschte eine Weile Stille, nur durchbrochen vom leisen Geraschel, wenn Crabbe eine Seite in seinem Comic umblätterte. Erst als das andere Mädchen in unserem Abteil breit zu strahlen anfing wurde die Ruhe unterbrochen.

„Hast du’s eigentlich immer noch nicht kapiert, Pansy?“ fragte Blaise gehässig an das Mädchen gewandt. Pansy, achso. Die personifizierte Unfreundlichkeit hatte also einen Namen.

„Nein. Und was heißt hier ‚ich hab’s nicht kapiert‘? Er liebt mich. Er hat’s nur noch nicht bemerkt.“

Ich kicherte. Die Augen vom Mopsgesicht wanderten kurz zu mir und sie öffnet den Mund, um offenbar etwas zu erwidern, doch ihre Wort blieben ihr offenbar im Hals stecken, als Draco Malfoy die Abteiltür öffnete.

„Draco! Schön dich zu sehen.“ Sie strahlte ihn an und scheuchte Crabbe einen Sitz weiter, damit sich Draco neben sie setzt konnte. Dieser schien aber nicht ansatzweise daran zu denken sich neben sie ihr nieder zu lassen. Stattdessen lächelte er mich an und räumte seinen Koffer zu meinem und Blaise‘ ins Gepäckfach über uns.

„Hallo Pansy.“ Noch abweisender, genervter und verachtender schien seine Stimme nicht mehr werden zu können, doch als er die beiden Jungs begrüßte klang sie wieder normal. Anscheinend konnte er das Mopsgesicht nicht ausstehen. Dann waren wir also schon zwei.

„Anjali. Wie ich sehe hast du dich ja schon im richtigen Abteil eingefunden.“

Er lächelte mich abermals an und hauchte mir ein Küsschen auf jede Wange, bevor er sich auf den freien Sitz neben mir gleiten ließ. Die Stellen an der seine Lippen meine Wangen berührt hatten brannten und ich spürte abermals dieses Prickeln zwischen uns wie schon bei der Quidditch-WM. Pansy sah von der anderen Seite empört zu uns herüber und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Was meint ihr wann die Schüler aus Durmstrang und Beauxbaton dieses Jahr zum Turnier kommen? Draco, weißt du was? Dein Vater weiß doch bestimmt etwas darüber, er hat doch so glänzende Beziehungen zum Minister.“

Die Stimme des Mopsgesichts war mit einem Mal schmeichlerisch und weich als sie versuchte Dracos Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.

„Keine Ahnung“, war Dracos einziger Kommentar auf ihre Frage und sie machte ein enttäuschtes Gesicht.

„Sie kommen am 31. Oktober.“

Vier Augenpaare wandten sich mir zu und ich zuckte die Schultern.

„Mein Cousine Fleur ist eine der Kandidaten, die hierher kommen um sich zu bewerben. Sie hat mir in den Ferien geschrieben, dass sie zu Halloween anreisen.“

„Ich bin gespannt wie die Schüler so sind. Ich meine, die werden doch bestimmt alle völlig anders erzogen sein, vor allem die Durmstrangs. Ich hab gehört dass die alle bis zum Hals in den Dunklen Künsten stecken sollen.“

Kaum hatte Blaise seinen Satz beendet, ging die Abteiltür auf und ein weiterer Junge schneite in unser Abteil, das jetzt vollbesetzt war. Es war ein hünenhafter Bursche mit Armen so dick wie meine Beine, der sich aber äußerst freundlich als Goyle vorstellte. Er ließ sich mir gegenüber auf dem freien Platz zwischen Crabbe und dem Mopsgesicht nieder.

Draco setzte das Gespräch unbeirrt vor, als ob wir gar nicht unterbrochen worden wären.

„Vater hat tatsächlich überlegt ob er mich nach Durmstrang schicken soll und nicht nach Hogwarts. Er kennt nämlich den Schulleiter dort. Tja, ihr wisst ja was er über Dumbledore denkt – der Kerl ist ein unglaublicher Liebhaber von Schlammblütern – und Durmstrang nimmt solches Gesindel gar nicht erst auf. Aber Mutter wollte nicht, dass ich so weit weg in die Schule gehe. Vater sagt in Durmstrang haben sie eine viel vernünftigere Einstellung zu den Dunklen Künsten als in Hogwarts. Durmstrangschüler lernen sie sogar und uns bringen sie nur diesen Verteidigungskram bei.“

Mit einem Ruck schubste er die Abteiltür zu, die Goyle offen gelassen hatte. Ohne, dass ich es bemerkt hatte war der Zug angefahren und am Fenster rasten Häuser, Autos und Menschen vorbei. Ob den Muggeln eine altertümliche rote Dampflok die mitten durch London tuckerte nicht auffiel?

„Mein Vater kennt Karkaroff ebenfalls. Doch soweit ich gehört hab ist die Ausbildung in Hogwarts einfach besser als in Durmstrang, drum wollten meine Eltern, dass ich hier zur Schule gehe.“

Goyle blinzelte dumpf und ich fragte mich willkürlich ob sich bei ihm eine gute Ausbildung wirklich lohnte. Sonderlich intelligent wirkte er ja nicht und es schien bei seiner Größe auch durchaus möglich, dass er schon einige Male die Klasse hatte wiederholen müssen.

„Was mich am meisten interessiert“, warf das Mopsgesicht ein und alle im Abteil schienen entnervt aufzuseufzen, „ist der Weihnachtball. Ich frag mich wer mich wohl einladen wird.“

Ihr Blick schoss hinüber zu Draco, der am entgegengesetzten Ende des Abteils saß und Blaise ließ ein falsche Hüsteln vernehmen, dass sich verdächtig nach ‚niemand‘ anhörte.

„Mich für meinen Teil spannt eher die Frage wer wohl Champion werden wird auf die Folter“, warf ich ein. „Ich mein, ich hab keinen Dunst von den Leuten in Hogwarts, aber die Abgeordneten aus Beauxbaton kenn ich alle persönlich.“

„Solang jemand aus Slytherin Schulchampion wird ist’s mir mehr oder weniger egal wer es ist. Hauptsache es ist kein Gryffindor.“

„Uhh, Draco, warum bewirbst du dich nicht als Champion?“

„Weil man dieses Jahr volljährig sein um teilnehmen zu können.“ Quittierte der Blonde Pansys gekreischte Frage und alle lachten ob seines kühlen Tons und des genervten Blicks.

Erste Komplikationen

Der Rest der Fahrt verging rasch. Die Landschaft vor dem Zugfenster wurde immer wilder und rauer, wovon wir in unserem gemütlichen Abteil mit den Bergen an Schokofröschen und Kesselkuchen und den angeregten Gesprächen über die Quidditch-Weltmeisterschaft, das Trimagische Turnier und das herrliche Festessen heute Abend in Hogwarts jedoch gänzlich unberührt blieben.

Der Hogwartsexpress wurde in der Abenddämmerung immer langsamer, bis er im Bahnhof Hogsmead schließlich völlig zum Stillstand kam. Unsere Koffer hinter uns her schleifend folgten wir Crabbe und Goyle, die bequemerweise schubsend und ellenbogenschwingend eine Schneise durch die Schülerschar frei räumten. Laue Abendluft schlug uns entgegen, als wir aus dem Zug kletterten. Vor dem Bahnhof wartete eine endlose Reihe pferdeloser Kutschen und über unseren Köpfen schwang eine Riese von einem Mann eine Laterne, um die Erstklässler zu sich zu dirigieren. Was er mit ihnen wohl tat?

Die Aufregung breitete sich in meiner Brust aus wie ein anschwellender Ballon, als wir in eine leere Kutsche stiegen, die sich prompt in Richtung Hogwarts in Bewegung setzte. Mit dem Kopf aus dem Fenster gestreckt beobachtete ich zuerst wie das von geflügelten Ebern bewachte Zufahrtstor, dann das Schloss selbst, mit seinen unzähligen hell erleuchteten Fenstern und dem einladend geöffneten Eingangsportal immer größer wurden.

Aus der Großen Halle zu unserer Rechten drang bereits das leise Stimmengewirr von Schülern, die die Kutschen vor uns bestiegen hatten und daher vor uns hier gewesen waren. Freunde aus unterschiedlichen Häusern riefen sich laute Grüße zu und eilten hin und her, um Neuigkeiten auszutauschen. Draco führte unsere kleine Gruppe zum Slytherinhaustisch und wir setzten uns ganz ans Ende der Reihe, möglichst weit vom Lehrertisch entfernt.

Laufend kamen Schüler in die Halle, lachend, schwatzend und scherzend und schneller als ich es für möglich gehalten hätte füllte sich der Raum. Als alle saßen öffnete sich eine Tür links vom Lehrertisch und eine steinalte Hexe mit strenger Mine und einem straffen Haarknoten trug einen ungepolsterten Stuhl und den zerschlissenen Sprechenden Hut herein. Es folgte eine lange Schlange ängstlich dreinblickender Winzlinge, vermutlich die Erstklässler, die ja am Bahnhof von den restlichen Schülern getrennt worden waren. Einen wimpernschlaglang herrschten ein knisterndes Schweigen in der Halle nachdem die Hexe den Sessel samt Hut mittig vor dem hohen Lehrertisch platziert hatte, bis sich ein breiter Riss in der Hutkrempe auftat und der Hut ein langes, seltsames Lied anstimmte, in dem er die unterschiedlichen Eigenschaften der vier Häuser erörterte. Als er geendet hatte brannte Beifall auf und die strenge Hexe begann die Erstklässler aufzurufen und ihnen den Hut aufzusetzen, um sie in die passenden Häuser einzuteilen. Es war eine furchtbar zähe, öde Prozedur, während der ich meine Kopf auf die Arme legte und trüb vor mich hin starrte, bis endlich alle durch waren, der Stuhl und der Hut aus dem Raum gebracht und das Festmahl aufgetischt wurde. Ich erschrak, als sich die goldenen Platten und Teller vor mir plötzlich füllen, doch der köstliche Duft, den die Speisen verströmten, vertrieb den Schock rasch und ich griff beherzt zu, obwohl ich nicht mal die Hälfte der Gerichte kannte.

Nach dem Essen hatte der Schulleiter noch einige Worte unter anderem zum Turnier zu sagen, dann wurde die Feier aufgelöst und alle schoben sich in Richtung Eingangshalle, wo sich die Masse dann allmählich in die verschiedenen Richtungen zu den Gemeinschaftsräumen verstreute.

„Lust auf einen Spaziergang?“

Dracos Augen blitzten als ich ihn als wortlose Antwort auf seine Frage an der Hand nahm und wir im allgemeinen Durcheinander durch das Portal – das noch immer offen stand, um die nach Heu riechende, laue Abendluft herein zu lassen und die nach putzmittelduftende Kühle im Schloss zu vertreiben – nach draußen verschwanden. Die Dunkelheit schluckte unsere Silhouetten rasch und die Geräuschkulisse wechselte vom lärmenden Durcheinander von hunderten Schülern zu einer sanften Symphonie aus zirpenden Grashüpfern, leise kreischenden Eulen und dem beruhigenden Plätschern des Sees, zu dem wir jetzt gemächlich hinunter schlenderten. Draco hielt noch immer meine Hand und strich mir von Zeit zu Zeit sanft mit dem Daumen über meinen Handrücken und löste damit jedes Mal hieße Schauerregen aus, die meinen Rücken hoch und runter sausten. Ich wusste nicht was da zwischen Draco und mir war, aber da war etwas – etwas Großartiges, Überwältigendes, Einzigartiges.

Eine Weile gingen wir stumm am See entlang. Über uns begannen die dunklen Wolken, die sich den ganzen Tag über zusammen gebraut hatten bedrohlich zu grollen und erste blütenweiße Blitze zuckten über den Himmel.

„Heute wird’s wohl noch zu regnen anfangen…“

Dracos Blick war gen oben gerichtet, doch als ich zu lachen anfing wandte er sich mit einem fragenden Ausdruck auf dem schönen Gesicht mir zu. Ich blieb stehen und zog ihn ein Stück näher zu mir.

„Du gehst hier mit mir allein in der Dunkelheit spazieren und dir fällt nichts Besseres ein, als über das Wetter zu reden?“

Er grinste jetzt ebenfalls, legte seine Arme auf meinen Hintern und ein elektrischer Schlag traf mich im selben Moment, als seine Lippen meine berührten. Absurderweise musste ich just in diesem Augenblick an Blaise denken. Gestern um diese Uhrzeit war ich in einer ähnlichen Poste von ihm auf dem Gästezimmerbalkon im Zabinischen Landsitz geküsst worden. Doch der Kuss war völlig anders gewesen. Draco war stürmisch, fordernd, gierig, wild und leidenschaftlich; Blaise hingegen hatte mich langsam tastend, zärtlich, fast ein bisschen vorsichtig geküsst. Im Allgemeinen war meine Beziehung zu beiden völlig unterschiedlicher Natur: Draco war das Gefühl aus einem Flugzeug in die Tiefe zu springen und Blaise war der Fallschirm, der mich sicher auffing. Abenteuer und Sicherheit, Leidenschaft und Zärtlichkeit, Nehmen und Geben.

„Besser?“

„Um Welten.“

Draco lachte, nahm wieder meine Hand und ging weiter. Bereitwillig folgte ich ihm, während ich meine Gedanken von Blaise wegzog. Ein romantischer Kuss unter dem sternenlastigen Vollmondhimmel drei Meter oberhalb eines ruhigen, funkelnden Sees war vielleicht der perfekte Zeitpunkt für Zärtlichkeit gewesen, doch jetzt bei einem Spaziergang um einen aufgewühlten See unterhalb von purpurnen Wolkentürmen, die immer wieder von wilden Blitzen erhellt und vom dunklen Donner untermalt wurden, war der Moment für Abenteuer gekommen.

Verwegen wirbelte ich Draco herum und zog ihn unter Küssen zu Boden, so dass ich rittlings auf ihm saß. Erste schwere Regentropfen klatschten zu Boden, doch wir beachten sie nicht in unserer blinden Begierde. Dracos regennasse Finger glitten unter meine Uniformbluse, bahnten sich ihren Weg in höher gelegen Regionen und begannen dort mit einem wildes Inferno aus Streicheleinheiten.

Der Regen prasselte zu Boden und wir waren beide schon bis auf die Haut durchnässt, als ich mich zitternd aufrichtete. Die Temperatur war noch immer ziemlich lau, selbst der Regen war warm, aber Dracos Berührungen ließen meinen ganzen Körper vibrieren. Er ließ seine Hände langsam an meinen Hüften herunter gleiten, wo sich schließlich sehr zu meinem Bedauern inne hielten.

„Geh mit mir zum Weihnachtsball.“

Was? Wie zur Hölle kam er jetzt bloß darauf?

„Ähm…tut mir leid, es hat bereits jemand zugesagt…“

Die Worte waren mir entschlüpft, bevor ich überhaupt auch nur darüber nachgedacht hatte.

Die Atmosphäre drehte sich plötzlich um 180°, das erotische Prickeln verwandelte sich in ein unangenehmes Knistern und Draco verengte die Augen zu Schlitzen. Als er wieder sprach klang seine Stimme kalt, bedrohlich und zischend leise.

„Blaise.“

Es war eine klare Aussage, doch ich behandelte sie als Frage.

„Nein. Und es bleibt mein Geheimnis, mit wem ich zum Ball gehe.“

Das Geheimnis war, das ich noch ohne Einladung war, aber Blaise hatte tatsächlich bereits angedeutet, dass er mich begleiten wollte. Aber wollt ich wirklich mit ihm gehen? Was hatte ich bloß mit meiner überstürzten, unbedachten Absage angestellt?

Ein nie da gewesenes Schweigen breitete sich zwischen uns aus, ebenso eiskalt wie Dracos Blick und verzweifelt wünschte ich plötzlich, dass ich die Zeit zurück drehen konnte, bis zu dem Punkt als er mich gefragt hatte.

„Sag ihm ab.“

Ich spürte seinen harten Blick auf mir, als er mich einfach so von sich herunter warf und aufstand. Den Tränen nahe blieb ich im Matsch liegen. Blaise würde mich sicher nie so behandeln.

„Ich kann n…“

Oder doch? Ich hatte Dracos Stolz verletzt. War es nicht irgendwo verständlich wenn er jetzt wütend war? Hätte ich nicht ähnlich reagiert wenn mich gerade noch jemand leidenschaftlich geküsst und dann abblitzen lassen hätte?

„Ich werd’s mir überlegen.“

„Du überlegt es dir?“

Seine Stimme pumpte flüssiges Eis durch meine Venen, doch ich atmete tief durch und ignorierte das beschissene Gefühl.

„Ja, Draco ich überleg’s mir. Ich nehme eine feste Zusage nicht einfach so zurück, ich bin nicht so unzuverlässig.“

Langsam streckte er mir seine Hand hin, um mir auf zu helfen, doch ich stemmte mich allein hoch und eilte it hoch erhobenem Kopf an ihm vorbei hoch zum Schloss, in der Hoffnung, dass er mir nicht nachrannte. Das letzte was ich jetzt brauchen konnte war, dass er mich weinen sah.

Sag das nochmal!

In dieser Nacht schlief ich ausgesprochen schlecht. Die Angst, dass Draco mich jetzt nicht mehr leiden konnte und ein seltsamer Traum, in dem ich mal mit Crabbe, mal mit Goyle zum Weihnachtsball ging, weil Draco und Blaise mich beide hatten fallen lassen, raubte mir den Schlaf.

Doch sehr zu meiner Erleichterung verhielt sich Draco mir gegenüber beinahe normal. Er war sogar noch ein wenig charmanter, zuvorkommender und höflich mir gegenüber, auch wenn ich in seinen Augen deutlich lesen konnte, dass er mir meine Absage gestern Abend noch nicht verziehen hatte.

Dracos verändertes Verhalten hatte aber auch seine Schattenseiten. Das Mopsgesicht Pansy erklomm ungeahnte Höhen der Eifersucht und hetzte den Rest meiner Schlafsaalgenossen gegen mich auf, was im Allgemeinen alles andere als ein Zuckerschlecken war. Millicent Bullstrode sah aus wie eine weibliche Version von Goyle und konnte sicher auch genauso hart zuschlagen wie er; Daphne Greengrass tat zwar wie ein Engel, doch ihre skrupellosen Intrigen waren berühmt-berüchtigt; und von Tracey Davis‘ Flüchen hatte ich bereits angsterfüllte Berichte gehört.

Auch Blaise war von Dracos Verhalten nicht unbeeindruckt geblieben. Schon im Zug, als mir der Blonde zwei Küsschen auf den Wangen gepflanzt hatte, waren sein Augen zu eifersüchtigen Schlitzen geworden und jetzt, als er sah wie mich der Malfoysprössling umwarb fuhr er regelrecht aus der Haut. Draco gegenüber verhielt er sich wie der letzte Arsch, eine Attitüde die er sich sonst für besonders verhassten Gryffindors aufhob. Mir gegenüber war er jedoch genauso wie Draco ganz Gentleman.

Nach dem Frühstück war jede Reue über den gestrigen Abend verschwunden. Meine Bücher wurden getragen, ich brauchte keine einzige Tür selbst zu öffnen und für sämtliche Hausaufgaben, die wir bereits bekommen hatten wurde mir angeboten, sie abschreiben zu können, da „ich ja noch neu war und nicht wusste worauf die Lehrer bei Hausaufgaben Wert legten“. Natürlich tat es mir leid, dass Draco und Blaise zerstritten waren, aber in all der Aufmerksamkeit mit der ich überschüttet wurde fiel es mir schwer, dieses Gefühl aufrecht zu erhalten.

Unangenehm wurde der Tag erst, als Blaise und ich als einzige Slytherins am Nachmittag zu Arithmantik gingen. Kaum waren wir in einem verlassen Korridor fing Blaise an mich mit unangenehmen Fragen zu löchern, alle mit kühler Stimme und unterdrückter Wut vorgetragen.

„Sag mal, was läuft da eigentlich zwischen dir und Draco?“

„Gar nichts.“

Er schnaubte verächtlich und warf mir einen Seitenblick zu, während ich stur geradeaus stierte. Warum waren in den Pausen eigentlich alle Gänge mit Schülern verstopft, nur wenn man gerade nicht allein sein wollte, war keine einziger da?

„Ja genau, drum leckt er dir ja auch die Schuhe.“

„Du tust doch heute auch nichts anderes.“

„Aber zwischen uns läuft was.“

„Blaise, wir haben geknutscht, nichts weiter.“

„Dann war ich also nur ein schöner Zeitvertreib für eine Nacht und kaum war ich nicht mehr in der Nähe hast du dir gleich mal Draco geschnappt?“

Eigentlich hatte ich Draco ja schon vor Blaise geküsst, aber das behielt ich lieber für mich, allein schon weil Blaise vor Zorn rauchte und ich allmählich Schiss bekam, dass er mir einen Fluch im die Ohren jagen könnte.

„Nein, so war das nicht. Ich mein nur, dass wir kein Paar sind oder so deswegen. Es war nur ein wenig Rumgeknutsche, nicht mehr und nicht weniger. Ich bin ein freies Mädchen und kann was mit jemandem am Laufen haben wie’s mir passt.“

„Also hast du doch was mit ihm am Laufen!“

„NEIN! Das hab ich nicht gesagt, du drehst mir die Worte im Mund um!“

Vermutlich würde er mir in diesem Moment lieber den Hals umdrehen, aber es war mir egal. Ich war von einem blinden Zorn gepackt worden. Warum mussten Jungs bloß so schwierig sein? Ich war mit keinem von beiden fest zusammen, selbst wenn ich fünf Jungs küssen würde, könnte es ihnen egal sein.

Einen Moment schwieg er und ich reckte triumphierend das Kinn.

„Geh mit mir zum Weihnachtsball.“

Nicht schon wieder dieser beschissene Ball! Warum konnten sie mich nicht einfach damit in Ruhe lassen? Am besten wäre es vermutlich, wenn ich einfach in meinem Schlafsaal blieb und beide Einladungen ausschlagen würde.

Nicht dass ich Blaise‘ Einladung nicht erwartet hätte, aber sein Verhalten zeigte mir ebenso wie Dracos dass es mittlerweile nicht mehr um bloß eine Einladung zum Tanzen ging. Wenn ich Draco begleiten würde, würde Blaise schmollen und umgekehrt. Mehr noch, die beiden würden mich sowie den jeweils anderen bestimmt hassen. Wenn es hier denn überhaupt noch um mich ging und nicht bloß um gekränkte, männliche Egos.

„Ich werd’s mir überlegen.“

„Was, hat dich Malfoy etwa auch schon gefragt?“

Malfoy? Seit wann nannte er Draco bitte beim Nachnamen?

„Das geht dich nichts an. Überhaupt nichts. Wenn ich mich entschieden habe werd' ich’s dir mitteilen.“

Er schwieg wieder einen Moment, bevor er zum Vernichtungsschlag ausholte.

„Es hätte sowieso keinen Sinn, wenn du mit Malfoy gehen würdest. Irgendwann würdest du dann ja doch zu mir gehören.“

„Was meinst du damit?“, fragte ich bemüht beiläufig.

„Weißt du das denn nicht? Der Grund warum du nach England gekommen bist?“

Seine Stimme war leise und er beobachtete meine Reaktion mit einem gehässigen Blick.

„Wir sind verlobt, Anjali.“

„WAS?! Sag das nochmal!“

„Wir sind verlobt. Unsere Eltern haben sich darauf geeinigt, dass wir eine gut, respektable Partie für einander wären und haben unsere Vermählung beschlossen.“

Ohne es zu merken rannte ich los. Ich wollte einfach nur mehr rennen. Rennen, bis zu totalen Erschöpfung, bis ich an nichts mehr denken konnte, bis ich die Verwirrung hinter mir gelassen hatte.

Doch schon hinter der nächsten Ecke wurde meiner Flucht ein Ende bereitet. Ich stürmte mitten in einen Schülerpulk hinein, der vor dem Arithmantikklassenzimmer wartete und gemeinsam mit der Masse wurde ich in den Unterricht geschwemmt.

Das Nichts

Die Arithmantikhexe Vector hatte mich gleich zu Beginn der Stunde in den Krankenflügel geschickt. Ich wäre so blass, hatte sie gemeint. Und mein Gesicht so unnatürlich gerötet. Und meine Augen so gehetzt. Ich solle besser zur Krankenschwester gehen. Und die war der gleichen Meinung gewesen, weshalb sie mich kurzer Hand in ein Bett gesteckt hatte und ich jetzt in der Abenddämmerung noch immer im Krankenflügel lag, was mir allerdings gerad überhaupt nicht passte. Die friedliche Stille des Krankenflügels animierte mein Hirn Überschichten zu schieben. Es arbeitet und arbeitet und arbeitet. Den ganzen Nachmittag lang hatte ich nachgedacht. Und den ganzen Abend.

Die einzige Unterbrechung hatte ein sehr ungewöhnlicher Besuch in Form von Daphne Greengrass, Millicent Bullstrode und Tracey Davis geboten.

Die Drei waren kurz vor Sonnenuntergang in mein Zimmer geschneit und hatten sich an meinem Bett nieder gelassen.

„Wie geht’s dir?“

Daphnes Mine war freundlich gewesen, doch ich hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass ich ihr nicht über den Weg traute. Sie hatte doch bestimmt mit dem Mopsgesicht irgendeine Intrige gegen mich ausgeheckt, solange ich noch gehandikapt ans Bett gefesselt war.

„Gut“, hatte meine schlichte Antwort gelautet.

Ungekünstelt klingendes Lachen war daraufhin von allen drei Seiten erschallt und Tracey hatte mich grinsend gefragt, mit welchem Zauber man es hinkriegte so beschissen auszusehen, dass man aus dem Unterricht geworfen wurde, obwohl es einem doch ‚gut‘ ging.

Ich ließ die Frage offen im Raum stehen, kam aber nicht umhin zu bemerken wie glaubhaft diese Mädchen doch schauspielern konnten. Fast kaufte ich ihnen die Freundschaftsnummer ab. Aber nur fast.

„Hör zu, Süße, ich weiß was du denkst, aber es ist nicht so.“ Daphne hatte genau erahnt, was gerade in mir vorging, hatte sich das lange, blonde Haar über die Schulter geworfen und mir mit einem festen, eisblauen Blick in die Augen gesehen.

„Wir sind ein exquisiter Club, nicht jede daher gelaufene Möchte-gern-Slytherin wird so einfach in unseren Reihen aufgenommen. Warum sollten wir uns die Mühe machen zu jemanden nett zu sein, der für uns wertlos ist?“

„So? Und ich hab mir also die Aufnahme verdient?“, argwöhnte ich.

„Wie könnte ein Mädchen, das noch vor Beginn ihres ersten Schuljahres hier etwas mit den zwei heißesten Jungs des ganzen Jahrgangs am Laufen hatte, unserer nicht würdig sein?“

Tracey grinste wieder breit. Das Gerücht über meine Liebelein hatte sich also in Windeseile ausgebreitet. Naja, warum sollte die Neuigkeitengeilheit über die Affären der Mitschüler hier nicht genauso groß sein wie in Frankreich? Es war vermutlich in jeder Schule gleich, dass sich solche Dinge weitaus schneller verbreiteten und auch mit weitaus größerem Interesse aufgenommen wurden, als es beim Schulstoff jemals der Fall sein würde.

„Und welch großartige Leistung hat das Mopsgesicht vollbracht?“

Reihum blickte ich fragend in die Gesicht und blieb schließlich bei Millicent hängen, die zu einer Antwort ansetzte.

„Keine. Aber sie vermag es uns immer wieder aufs Neue zu amüsieren, wenn du verstehst was ich meine.“

Ich lächelte matt und ließ mich in meine Kissen zurück fallen. Also so war das. Und ich hatte mich die ganze Zeit schon gefragt, wie man ernsthaft mit dieser blöden Kuh befreundet sein konnte. Aber zum Auslachen bot sie beständig Stoff, da musste ich Millicent durchaus Recht geben.
 

Nachdem mein Besuch wieder gegangen war, blieb ich wieder allein zurück. Allein mit meinen Gedanken über Blaise. Und über Draco. Und übers Heiraten. Und über mich. Und darüber, was ich jetzt tun sollte. Doch zu einem Entschluss war ich selbst am späten Abend noch immer nicht gekommen, lediglich Kopfschmerzen hatte ich von der Grübelei bekommen. Aber mir war auch etwas klar geworden: ich war verliebt. Hals über Kopf. Leider nicht in meinen zukünftigen Gatten – selbst in Gedanken musste ich bei einer solchen Formulierung schlucken – sondern in Draco. Wenn ich die Augen schloss sah ich ihn vor mir. Wenn ich meinen Gedanken freien Lauf ließ, begaben sie sich automatisch zu ihm. Ja, ich war verliebt. Zum ersten Mal in meinem Leben. Eigentlich ein schönes Gefühl. Wenn es nicht gerad von anderen, schauerlichen Gefühlen getrübt wurde.

Blaise hatte mehr als deutlich gemacht, dass ich zu ihm gehörte und zu niemanden sonst. Er hatte ja eigentlich Recht, wenn er sagte, dass eine Beziehung oder auch nur ein Date mit einem anderen keinen Sinn gehabt hätte. Es würde alles keine Zukunft haben. Nur das Nichts. Nichts. Ein seltsames Wort. Ich hatte immer angenommen, dass es keine Nichts gab. Irgendwas war immer da. Und wenn es nur die Buchstaben waren, die das Wort ‚Nichts‘ bildeten. Aber jetzt fühlte ich nichts. Alles in mir war leer und kalt und schwarz, wenn ich daran dachte wie es sein würde sich ein Bett mit Blaise zu teilen. Leer. Kalt. Schwarz. Aber das konnte dann doch nicht das Nichts sein. Das würde dann nämlich heißen, dass das Nichts die Leere, die Kälte und die Schwärze vereinen und verkörpern würde. Also wäre das Nichts dann ja nicht mehr nichts. Aber es fühlte sich nun mal an wie das Nichts. Hieß das also, dass das Nichts mehr war als nichts und nur Nichts hieß, weil es als bildhafte Metapher verwendet wurde? Mir schwirrte der Kopf von diesem Unsinn.

„Woran denkst du gerade?“

Erschrocken drehte ich mich zu Seite und sah mich einem blondhaarigen, bildhübschen Jemand von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Draco hatte die Arme auf mein Bett gelegt und seinen Kopf direkt neben meinem Kopfkissen darauf platziert. Der Rest von ihm war auf einen der unbequemen Krankenhausstühle neben mein Bett geparkt. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich ihn weder herein kommen noch Platz nehmen wahrgenommen hatte.

„Nichts.“

Er zog ungläubig eine Augenbraue hoch und musterte mich kühl, während ich mich langsam auf die Seite drehte.

„Ehrlich. An das Nichts.“

„Das Nichts. Wie poetisch.“

„Nein. Wie leer, kalt und schwarz.“

Einen Moment musterten wir uns schweigend.

„Und daran, wie man das Nichts vertreiben kann.“

Langsam schob ich meine Hand unter der Bettdecke nach oben und nahm Dracos Hand in meine.

„Und wie macht man das?“

„In dem man mit dem Menschen, in den man verliebt ist zum Weihnachtsball geht, den Moment lebt und nicht an die Zukunft denkt.“

Zärtlich verflochten wir unsere Finger miteinander. Egal was morgen sein würde, das Heute war das, was zählte – um die Zukunft konnte ich mir später auch noch Sorgen machen.

Die Nacht der Nächte

Ein letztes Mal zupfte ich meine Frisur zu Recht, obwohl sie eigentlich schon perfekt saß. Hinter mir grinste Daphne.

„Du siehst toll aus, Süße, hör auf deine Haare in Unordnung zu bringen.“

Ich ließ zaghaft lächelnd meine Hand sinken und sah Daphne im Spiegel an. Sie sah unglaublich aus, wie ein wahrhaftiger Engel, der vom Himmel gefallen war. Und wie es sich eben so für Engel gehörte hatte sie an diesem Abend Nächstenliebe walten lassen und mich geschminkt und gestylt, weil ich selbst keinen blassen Schimmer davon hatte, da ich meine Haare höchstens zu einem Pferdeschwanz band und kaum Make-up trug.

Doch nicht nur heute Abend war Daphne ein echter Segen gewesen. Als ich im Krankenflügel gelegen hatte, nachdem Blaise mir gesagt hatte, dass wir heiraten würden – ein Gedanke den ich seit jeher tunlichst zu vermeiden suche -, war sie mitsamt Millicent und Tracey an mein Bett gerauscht und hatte mir eröffnet, dass sie beschlossen hatten mich doch in ihre Gemeinschaft aufzunehmen. Und das hatte sich als das Beste herausgestellt, was mir hatte passieren können. So ungemütlich die Drei im ersten Moment auch ausgesehen haben mochten, so freundlich und kollegial waren sie, seit ich zu einer von ihnen gemacht worden war. Lediglich Pansy konnte mich noch immer nicht ausstehen.

Und Blaise seit er eine Abfuhr bezüglich des Balls von mir kassiert hatte auch. Ich wusste, dass er mir meine Zukunft gehörig vermiesen würde, aber damit hatte ich mich mittlerweile abgefunden. Blaise war nun mal ein Mensch, der es gewohnt war zu bekommen was er wollte und der es auf keinen Fall akzeptierte, es nicht zu kriegen. Wenn ihm etwas gegen den Strich ging, konnte er zu einem unausstehlichen, egoistischen Arschloch mutieren, dass über Leichen ging.

Doch an diesem Abend wollte ich nicht weiter an Blaise denken. Dieser Abend war für jemand anderes reserviert.

Und dieser jemand erwartete mich bereits in einem stilvollen, schwarzen Festumhang im Gemeinschaftsraum auf mich.

Seine Augen funkelten, als ich durch den Raum auf ihn zu schwebte. Das Lauftraining auf hohen Hacken mit Daphne hatte durchaus seine Wirkung gezeigt, auch wenn ich es seinerzeit verflucht hatte mit diesen bekloppten Schuhen durch die Gegend zu stöckeln und ständig auf die Nase zu fallen.

„Ohh nein, nicht mit diesem Lippenstift.“

Verschmitzt lächelnd legte ich ihm den Finger auf die Lippen, als er mich zur Begrüßung küssen wollte. Mein Lippenstift war zwar durch Zauberhand fixiert und nichts und niemand außer dem Gegenzauber konnte ihn verwischen, aber ich wollte Draco heute trotzdem mal wieder ein wenig zappeln lassen. Wenn er brav war, würde er später noch eine lippentechnische Belohnung bekommen, aber bis es so weit war würde er sich wohl ein wenig zügeln müssen.

Ich lachte, als er eine gespielt empörte Schnute zog.

„Komm schon, gehen wir.“

Ich reichte ihm den Arm und wir machten uns an der Spitze unserer üblichen Slytherin-Prozession auf den Weg nach oben.

Die Große Halle war wunderschön geschmückt worden und anstelle der vier langen Haustafeln standen hunderte kleine runde Tische. Wir ließen uns mit Daphne und ihrem Date aus Durmstrang auf einem davon nieder.

Bereits nach kurzem Warten kehrte Ruhe ein und die Champions mit ihrem Tanzpartner traten in einer langen Reihe nach vorne zum Lehrertisch, wo sie sich mit den Lehrern und der Turnierjury zum Essen setzten.

Es dauerte ein Weile, bis alle verstanden hatten, dass man beim Teller seine Bestellung abgeben musste und dann auch das Gewünschte vor sich stehen hatten.

Nach dem Essen wurden die Tische an die Wand geschoben, um eine freie Fläche zu schaffen, auf der sich die Champions zum ersten Tanz an diesem Abend einfanden. Die Musik begann zu spielen und alle Augen waren auf die vier Paare gerichtet, die langsam und mehr oder weniger grazil über die Tanzfläche schwebten.

Als Professor Dumbledore Madame Maxime zum Tanz führte strömten auch die ersten Schüler zu ihnen.

„Darf ich bitten?“

Lächelnd hielt mir Draco die Hand hin. Freudig ergriff ich sie und ließ mich auf die Tanzfläche führen.

Er war ein glänzender Tänzer, etwas in dem ich ihm zum Glück um nichts nachstand, da mich meine Eltern bereits im zarten Alter von sieben Jahren zum ersten Tanzkurs gezwungen hatten.

Eng aneinander geschmiegt kreisten wir durch den Raum. Alles um uns herum verschwamm, alles Unwichtige wurde ausgeblendet, nur noch wir zwei zählten. Ich nahm nichts anderes mehr war, als Dracos Körper an meine, meine Hand in seiner und sein hübsches Gesicht vor mir.

Ja, es war die richtige Entscheidung gewesen, mit ihm zum Ball zu gehen. Egal was noch kommen würd, mit Draco an meiner Seite war ich mir sicher alles überstehen zu können.



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